BERGER, Ernst: Die Maltechnik des Altertums

Fuente: archive.org

Die Maltechnik des Altertums, nach den quellen, funden, chemischen analysen und eigenen Versuchen .. (1904)

Author: Berger, Ernst, 1857-1919
Subject: Painting, Ancient
Publisher: München : G.D.W. Callwey
Language: German
Call number: 1863697
Digitizing sponsor: University of British Columbia Library
Book contributor: University of British Columbia Library
Collection: ubclibrarytoronto
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Description

Bound with the author’s Quellen und Technik der Fresko-, Oel- und Temprea- Malerei des Mittelalers…2. Aufl. Munchen, 1912

 

U.B.C. LIBRARY

THE LIBRARY

THE UNIVERSITY OF
BRITISH COLUMBIA

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BEITRÄGE

ZUR

ENTWICKELUNGS-GES6HI6HTE

DER MALTECHNIK

MIT UNTERSTÜTZUNG DES KÖNIGLICH PREUSSISCHEN MINISTERIUMS DER GEISTLICH!
UNTERRICHTS- UND MEDIZINAL-ANGELEGENHEITEN

HERAUSGEGEBEN VON

ERNST BERGER

MÜNCHEN 1904.

VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY.

DIE

MALTECHNIK DES ALTERTUMS

NACH DEN QUELLEN, FUNDEN, CHEMISCHEN ANALYSEN UND

EIGENEN VERSUCHEN

VON

ERNST BERGER

VOLLSTÄNDIG UMGEARBEITETE AUFLAGE

ERLÄUTERUNGEN ZU DEN VERSUCHEN ZUR REKONSTRUKTION
DER MALTECHNIK DES ALTERTUMS».

MIT ZWEI FARBIGEN TAFELN UND 57 ILLUSTRATIONEN.

MÜNCHEN 1904.

VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY,

Digitized by the Internet Archive

in 2010 with funding from

University of British Columbia Library

http://www.archive.org/details/diemaltechnikdesOOberg

Inhalt.

Vorwort

I. Teil.

Technik der Malerei bei den alten Aegyptern, Assyriern, Persern

und in Ostasien.

I. Die Maltechnik der alten Aegypter ….

1. Wandmalerei der Aegypter ….

2. Malerei auf Holzunterlage ….
Aelteste Art der Malerei auf Mumiensärgen
Zweite Periode der technischen Arbeitsführung beim

Mumiensärge

Reicher Stil

Neuerungen in koloristischer Beziehung
Kaschierungen mittels Leinwand ….
Realistische Periode der ägyptischen Malerei
Letzte Periode. Mumienporträts der hellenistischen Zeit

3. Farben der Aegypter

II. Die Maltechnik im alten Assyrien, Persieu und Ostasien

111. China und Japan

Seite
IX— XII

Ausschmücken der

3

6

11

13

14
15
16
18
19
21
22

29
37

II. Teil.
Technik der griechischen und römischen Malerei.

AllgemeineUebersicht über die Entwicklung im Altertum
I. Die Wandmalerei bei den Griechen und Römern (Alter und Charakteristik)
II. Der Meinungsstreit über die Technik der antiken Wandmalerei.

1. Aeltere Ansichten

2. Der gegenwärtige Stand der Frage

III. Das antike Tectorium nach Vitrnv und seine besonderen Kennzeichen

1. Massgebende Faktoren für die innere Festigkeit der Mauermörtel im

allgemeinen und des antiken Tectoriums im besonderen .

2. Erzielung der äusseren Erscheinung an dem Tectorium der Aken

IV. Die „Ganosis».

Das antike Verfahren zur Glättung des Stucco mit Hilfe des sog. Pu-

nischen Wachses

V. Das „wie ein Spiegel glänzende» Tectorium des Vitrnv und Stucco lustro
der Italiener

49
58

63

69
83

89
94

98
104

VI

Seile
119
121

123
124

VI. Meine Versuche zur Rekonstruktion der antiken Wandmalerei
Vorbemerkung

1. Versuche zur Herstellung des Tectoriums

2. Versuche, die letzte Stuckschicht durch Zusätze organischer Natui
zu festigen

3. Versuche, den so hergestellten Stucco zu glätten

4. Versuche, mit verschiedenen Bindemitteln auf frischem, nicht ge-
glätteten Stuccogrund zu malen und das Gemalte zu glätten . . 124

5. Versuche , mit Tempera-Bindemitteln auf frisch geglättetem Grund

zu malen 125

6. Versuche, mit Galle auf frischem Stuck zu malen …. 127

7. Versuche, auf dem in Stuccolustro-Manier geglätteten Grund Orna-
mente und Figuren zu malen 128

8. Schlussarbeiten 128

9. Zusammenstellung der durch die Versuche gefundenen Resultate 129
10. Chemisches Verhalten 129

VII. Die chemischen Analysen und ihre Bedeutung für die Kenntnis

der antiken Technik 131

1. Chevreul’s chemische Analysen der gefärbten Bewürfe und Ma-
lereien pompejanischen und römischen Ursprungs …. 135

2. Untersuchung römischer und pompejanischer Farben und Unterlagen

von Geiger 140

3. Faraday’s Analysen von Bewürfen und Farben athenischer Mo-
numente …………. 144

4. Lande rer’s Analysen von Farben antiker Monumente in Athen 145

5. Chemische Analyse von Wilh. Sem per 145

6. Versuche, den Einfluss grosser Hitze, wie sie bei der Verschüttuug
von Pompeji durch den glühend heissen Aschenregen allerwärts ge-
herrscht haben muss, auf die Malerei und das Tectorium zu ergründen 148

VIII. Schlussfolgerungen.

Technische Verschiedenheiten innerhalb der antiken Wandmalerei 151

III. Teil.
Die anderen Arten der Malerei bei den Griechen und Römern

(insbes. Tafelmalerei in Tempera und Enkaustik).

Die Tafelmalerei . 171

I. Tempera und Temperamalerei 172

II. Die Enkaustik.

1. Die litterarischen Zeugnisse 185

2. Die hellenistischen Mumienporträts aus dem Fayüm und andere
Tafelbilder 197

3. Der Instrumenten f und von St. Medard-des-Pres und meine Versuche

in enkaustischer Technik 211

4. Ergebnisse für das Wesen und die Entwicklung der enkaustischen
Technik 219

a) Die Canterium-Techuik 219

b) Cestrum-Technik 223

c) Pinsel-Technik 226

5. Ende der Enkaustik und der Wachsmalerei des Altertums (der Fund

von Herne -St. Hubert) 230

III. Polychromie der Statuen (Malerei auf Marmor, Ton u. a.) . . . 239

IV. Uebergänge zur byzantinischen Zeit (Vergoldung, Miniatur,

Mosaik) 245

VII

IV. Teil.

Anhänge.
Anhang 1. Seite

Die Farben der Alten 255

Anhang II.

Malgeräte im Museum zu Neapel 263

A n h a n g III.
rheinische Analysen.

1. Chevreul’s chemische Analysen römischer Farben und anderer Substanzen
des Fundes von St. Medard-des-Pres

enienz des Fundes von

268

2. Chemische Analysen von Farben römischer Pro 1 ?

Herne -St. Hubert in Belgien 271

a) Analysen von Dr. Fr. Schoofs 271

b) Bericht von Chemiker Georg Buchner 273

Anhang IV.

Verbreitung der alt-römischen Stuckmalerei in Deutschland … 276

Anhang V.

Frühere Rekonstruktionen 285

a) Enkaustik 285

b) Wandmalerei 295

Anhang VI.

Kollektion meiner Versuche zur Rekonstruktion der Maltechnik des Altertums 304

Anhang VII.

Litteratur 307

Register 309

Vorwort.

Zehn Jahre sind verflossen, seit ich anfing-, mit den Ergebnissen meiner
Studien zur Geschichte der Maltechnik in die Oeffentlichkeit zu treten. Die
beiden ersten Hefte meiner ,, Beiträge», welche die Malerei des Altertums zum
Gegenstande haben, sind in den Jahren 1893 und 95 erschienen; mit dem
vorliegenden Bande erscheinen sie jetzt in einer neuen, teils völlig umgearbeiteten,
teils erweiterten Gestalt, von der ich hoffe, dass sie in mehr als einer Hinsicht
sich als eine verbesserte erweisen werde.

Unverändert geblieben sind die Voraussetzungen, die meine Ansicht von
dem historischen Zusammenhange der Tradition bestimmen, und die Forschungs-
methoden, die im einzelnen Falle durch Zahl und Art der uns zu Gebote
stehenden Hilfsmittel bedingt sind.

Ich halte fest an der Ueberzeugung, dass die Maltechnik sich nicht anders
entwickelt haben könne als alle übrige Kultur, nämlich in allmählichem Fort-
schritt und langsam sich vollziehenden, daher erst nach gewisser Zeit bemerk-
baren Uebergängen. Jede Neuerung wird eine Vervollkommnung oder Be-
reicherung der früheren Verfahren gewesen sein und eine aus der natürlichen
Beschaffenheit des Materials geschöpfte Handwerkserfahrung zur Grundlage
gehabt haben. Und keine einmal gewonnene Erfahrung ist völlig spurlos
wieder untergegangen, selbst wenn im Wechsel der Zeiten die Gelegenheit,
sie in der ursprünglichen Art weiter anzuwenden, sich vermindert oder ganz
aufgehört hatte, sondern das Wesentliche davon hat sich auf die Folgezeit
vererbt und, wenn auch in veränderter Form der Anwendung, fruchtbar fort-
gewirkt. Wie innig auch in der Kunst der Zusammenhang ist zwischen den
Ausdrucksmitteln und dem erreichten Ausdruck, zwischen dem technischen
Können und der künstlerischen Auffassung und Durchbildung , so hat doch
die Maltechnik im engeren Sinne nicht unmittelbar und in gleichem Masse
teilgenommen an dem Niedergang der künstlerischen Malerei, deren Höhe und
Vollendung in erster Linie von dem Vorhandensein grosser und schöpferischer
Talente abhängig ist. Vielmehr ergibt sich im Technischen eine fast ununter-
brochene Ueberlieferung vom Altertum durch künstlerisch arme Jahrhunderte
hindurch zum Mittelalter und darüber hinaus, wenn man die grossen Zeiträume
nicht isoliert für sich betrachtet, sondern aufmerksam nach vorn und wieder
nach rückwärts schauend den ganzen geschichtlichen Verlauf im Auge be-
hält und sich den Blick schärft für die Zusammenhänge, die vorhanden sind,
auch wo sie nicht ohne weiteres zu Tage liegen.

Bei einer solchen auf das Ganze gerichteten Betrachtung wird wohl
auch die Hypothese, wenn sie nicht mehr scheinen will als sie ist, die Er-
laubnis erhalten, einmal ergänzend einzutreten, wo die Lückenhaftigkeit des
Quellenmaterials uns die Gewissheit des Beweises versagt. Das ist ja die
grösste unter den mancherlei Schwierigkeiten, die sich der Ergründung längst-

X

vergangener Tatsachen entgegenstellen, dass die unentbehrlichen Hilfsmittel —
bei den hier zu lösenden Problemen die litterarischen Zeugnisse und die er-
haltenen Denkmäler aus dem Altertum und die Ergebnisse chemischer Unter-
suchungen von Farbstoffen und Bindemitteln — nicht in jedem Falle in hin-
reichendem Masse und alle zugleich vorhanden sind, so dass sie einander
unterstützen könnten. Manchmal fehlen die Schriftquellen, manchmal die
Funde und mit ihnen die Gutachten der Chemiker. In dem günstigen Falle
aber, dass alle drei Bedingungen erfüllt sind, entstehen andere Schwierigkeiten
durch den Meinungsstreit derjenigen, die als eigentlich Sachverständige zu
einem Urteil berufen sein sollten. Ueber eine schwerverständliche Textstelle
des Vitruv, einen in seiner Kürze nicht unzweideutig klaren Satz des Plinius
oder einen dunklen technischen Ausdruck der Alten wird man entscheidenden
Aufschluss bei den Archäologen oder den Philologen suchen, die neben der
grammatischen Schulung auch Verständnis haben für das Reale der Gegen-
stände, um die es sich hier handelt; aber nicht selten liegt die Sache so, dass
mehrere Auffassungen mit scheinbar gleich triftigen Gründen sich stützen
lassen; in anderen Fällen ist die von litterarisch-wissenschaftlicher Seite ge-
gebene Erklärung nicht nach dem Sinne des technisch erfahrenen Malers,
der die von seinem besonderen Standpunkt aus gefasste Ansicht in den um-
strittenen Textworten wiederfinden möchte und, wenn er eigensinnig ist, Gefahr
läuft, den Worten Gewalt anzutun, um sie für seinen Zweck brauchbar zu
machen. Von solchem Eigensinn glaube ich mich freigehalten zu haben.
Wedei’ in philologischen noch in chemikalischen Dingen habe ich mir auf Grund
eingebildeten Besserwissens ein eigenes Urteil angemasst, vielmehr mich der
überlegenen Einsicht der Männer vom Fach untergeordnet, allerdings nicht
in blindem Glauben, sondern so, dass ich von der einleuchtenden Beweiskraft
ihrer Gründe mich überzeugen liess. So habe ich unter sorgfältiger Berück-
sichtigung alles erreichbaren Materials und reiflicher Prüfung aller früheren
Ansichten danach gestrebt, die in Betracht kommenden Momente so mit ein-
ander in Einklang zu bringen, dass sich eine theoretisch wahrscheinliche
Restitution der verschiedenen Arten antiker Maltechnik ergibt. Aber um die
letzten Zweifel zu beseitigen, musste noch Eines hinzukommen: das Ex-
periment, der eigene Versuch praktischer Anwendung, der gleichsam die
Probe auf das Exempel der Theorie macht und den augenfälligen Nachweis
liefert, dass die behauptete Technik auch in Wirklichkeit ausführbar ist und
je nach der Geschicklichkeit des Ausführenden verhältnismässig dieselben
Wirkungen erreicht, die an den Denkmälern aus dem Altertum zu beobachten
sind. Auf diese Art der Beweisführung lege ich ganz besonderes Gewicht.
Es gibt kein lehrreicheres Verfahren, sich über die Praxis der antiken Technik
zu -unterrichten , als in methodisch ausgeführten Proben Nachbildungen von
alten Werken zu versuchen; in diesem Sinne gilt auch hier das bewährte
„Probieren geht über Studieren».

Diese Theorie und Praxis kombinierende Methode habe ich den allge-
meinen Grundsätzen nach schon vom ersten Beginn meiner Untersuchungen an
befolgt; nur die Umsicht und Sicherheit in der Anwendung, und hoffentlich
auch die Haltbarkeit der gewonnenen Resultate, ist jetzt gewachsen infolge
der seitdem fast ohne Unterbrechung fortgesetzten Arbeiten und sich mehrenden
Erfahrungen. Dass sich dabei Irrtümer herausgestellt haben, die mir früher
verborgen geblieben waren, ist bei der Schwierigkeit der Sache kein Wunder.
Sie offen als solche anzuerkennen und zu berichtigen ist wissenschaftliche
Pflicht, und die Erfüllung dieser Pflicht würde mir auch dann nicht schwer
gefallen sein, wenn ich nicht den Trost hätte, mich damit in der Gesellschaft
von Männern wie Semper, Hittorff, Montabert u. a. befunden zu haben. Was
die jetzige Formulierung meiner Ansichten betrifft, so stelle ich ihr Schicksal
mit gutem Gewissen der Zukunft anheim. Widerspruch wird nicht ausbleiben,
wie er jedes Abweichen von hergebrachten Meinungen zu treffen pflegt; wenn
er sich an die Sache hält, werde ich von ihm zu lernen suchen, um der
Wahrheit näher zu kommen. Persönliche Antmfle , die wissenschaftlichen

XI

Kontroversen fremd bleiben sollten, sind mir bisher nicht erspart geblieben;
wenn sie sich künftig wiederholen, werde ich sie gelassen ertragen und auf
das unbefangene Urteil Billigdenkender vertrauen. In deren Augen wird mich
vor dem Vorwurf der Leichtfertigkeit die schon äusserlich erkennbare Tatsache
schützen, dass ich es an Mühe und Fleiss im Sammeln und Verarbeiten des
weitschichtigen Materials nicht habe fehlen lassen; wer näher zusieht, wird
auch finden, dass ich keiner Schwierigkeit ausgewichen bin noch bewusster
Weise irgend etwas verheimlicht habe, was auf den Gang der Untersuchung
hätte von EinHuss sein können. Und in jedem Stadium meiner Auseinander-
setzungen ist dem kritischen Leser die genaue Nachprüfung bequem gemacht,
da nicht nur das gesamte Material in authentischer Form und in grösster
Ausführlichkeit und übersichtlicher Anordnung vor seinen Augen ausgebreitet,
sondern auch durch zahlreiche Vor- und Rückverweisungen, selbst auf Kosten
der Lesbarkeit der Darstellung, für die stete Hervorhebung des Zusammen-
hanges gesorgt worden ist.

Blicke ich jetzt, da der vollendete Band seinen Weg in die Oeffentlieh-
keit antreten soll, auf die ganze Summe von Arbeit zurück, die nötig war,
um ihm die Gestalt zu geben, die er schliesslich gewonnen hat, so fühle ich
das lebhafte Bedürfnis, an dieser Stelle in aufrichtiger Dankbarkeit der Männer
zu gedenken, die mit freundlicher Bereitwilligkeit, so oft ich darum bat, meine
wissenschaftlichen Berater gewesen sind und ohne deren Beihilfe ich meine
Aufgabe nicht so, wie es geschehen, hätte lösen können. Vor allen habe ich
meinen verehrten Freund, Herrn Professor Dr. Mayhoff in Dresden, zu nennen,
der, als Herausgeber des Plinius wie als Freund der Malerei für die hier
verhandelten Fragen seit lange interessiert, meine Behandlung des gelehrten
philologischen Materials prüfend und berichtigend verfolgt und sich auch um
die Korrektheit seiner Wiedergabe durch den Druck nach Möglichkeit bemüht
hat. Ei- hat mich noch besonders durch die erste Mitteilung der von ihm
gefundenen Textberichtigung in der Hauptstelle des Plinius (XXX V. 1451)
über die drei Arten der Enkaustik erfreut, die zu einer durchgreifenden Neu-
bearbeitung der betreffenden Abschnitte geführt hat, aber auch zu meiner
Genugtuung geeignet ist, die schon früher von mir aufgestellte Erklärung
jener Technik in allen Hauptpunkten zu bestätigen. Weiter habe ich Herrn
Georg Buch n er hier zu danken für seine Mitarbeit bei allem, was die
Chemie angeht, diese Wissenschaft, die auf allen Gebieten der Technologie
eine wichtige Rolle spielt und besonders auf dem hier betretenen zur Lösung
manches Rätsels berufen ist. Ihm verdanke ich die Möglichkeit, die bisher
bezweifelte Uebereinstimmung der chemischen Analysen mit der litterarischen
Ueberlieferung zu erzielen und das Entgegenkommen des Herrn Francois Huv-
brigts in Tongres (Belgien), des glücklichen Entdeckers des Malergrabes
von Herne-St. Hubert, zu einer so gründlichen und umfassenden Untersuchung
des Bindemittels von Farben aus spätrömischer Periode zu benutzen, wie sie
bisher bei den zur Verfügung stehenden äusserst geringen Mengen gar nicht
möglich war. Nicht minder bin ich dem Direktor der hiesigen Glyptothek.
Herrn Professor Dr. Für twän gier, verpflichtet, der von Anfang an den
Fortschritten meiner Arbeiten eine wohlwollende Teilnahme zugewandt und
sie durch vielfache Hinweise auf die neuesten archäologischen Funde in
dankenswerter Weise gefördert hat.

Endlich spreche ich den Hohen Behörden des Königlich Preussischen
Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- Ange-
legenheiten und des Senates der Kgl. Akademie der Künste in Berlin
für die mir jahrelang gewährte Unterstützung mit geziemender Ehrerbietung
den schuldigen Dank aus. Ich gedenke denselben auch dadurch abzustatten.
dass ich einige Proben meiner Nachbildungsversuche, und zwar vornehmlich
solche, welche die Technik der römisch-pompejanischen Wandmalerei betreuen ,
dem Archäologischen Seminar, der Kgl. Akademie der Künste und der Kgl.
Technischen Hochschule zu München, dem Kaiserl. Deutschen Archäologi-
schen Institute in Rom und anderen Öffentlichen Instituten und Sammlungen,

XII

wie dem Kgl. Albertinum zu Dresden, übergebe. Auf diese Weise werden
diese Versuche einem grösseren Interessentenkreise zugänglich gemacht, und
dieser selbst in die Lage versetzt, der Beweisführung, die ihren Schwerpunkt
darin gesucht hat, durch ausgeführte Proben in die Praxis der alten Mal-
verfahren einzudringen, leichter zu folgen und die Resultate zu prüfen.

Lieber Zweck und Wert einer geschichtlichen Darstellung der Maltechnik
habe ich in der Einleitung zum folgenden Bande (Quellen und Technik der
Fresko-, Oel- und Temperamalerei des Mittelalters) meine Ansicht ausführlich
dargelegt. Mögen meine Herren Kollegen, für die ja in erster Linie das
Studium der Technik alter Zeiten von Nutzen sein dürfte, auch diesem der
Technik des Altertums gewidmeten Bande dasselbe Interesse entgegenbringen,
das den übrigen Bänden bisher in vollem Masse zu teil geworden ist.

MÜNCHEN, im März 1904.

Ernst Berger.

Tafel I. Altägyptische Malereien auf Holz und auf Leinwand.

(Nach Originalen im Besitz des Verfassers.)

Tafel II. Römisch-Pompejanische Stuckmalereien.

(Nach Originalen im Besitz des Verfassers.)

I. Teil.

Technik der Malerei bei den alten Aegyptern,
Assyriern, Persern und in Ostasien.

I. Die Malterhnik der alten Aegypter. l )

Bekanntlich lässt Piaton in seinen Dialogen einen Anonymus sagen. UterderSgypt.
dass man in Aegypten zehntausend Jahre alte Gemälde sähe, und Plinius
erzählt in seiner Natural, histor. (XXXV, 15), dass sich die Aegypter rühmten,
eine um sechs Jahrtausende ältere Malkunst zu besitzen, als die Griechen. Sie
leiteten ihre Königsdynastien direkt von ihren Gottheiten in sagenhafter Vorzeil
ab, und wenn wir auch von der Möglichkeit, derartiger Tatsachen absehen,
so ist doch das Vorhandensein einer dreitausendjährigen hochentwickelten
Kultur vor unserer Zeitrechnung durch die grossartigen Tempelruinen, die
Pyramiden, die Mastaba genannten Gräber und andere Bauten unbestritten.
Dass während einer so langen Zeitdauer Perioden des Aufschwungs mit Zeilen
des Verfalls abwechseln, dass sich auf allen Gebieten künstlerischer Tätigkeit
(Architektur, Bildhauerei und Malerei) allerlei Strömungen und Wandlungen
infolge innerer und äusserer Einflüsse geltend gemacht haben, und dass dabei
Läuterung des Geschmackes, Veredlung der Formen mit technischen Ver-
besserungen Hand in Hand gegangen sein müssen, ist eine zwingende Not-
wendigkeit aller Kulturentwicklung. Mit Recht hat deshalb die veraltete
Ansicht von einer absoluten Unveränderlichkeit der ägyptischen Kunst ihre
Gültigkeit vollständig eingebüsst, seitdem man gelernt hat, die Gesetze, welche
die Kunstübung aller Zeiten und Völker beherrschen, auch in der Kunst der
Aegypter wirksam zu sehen.

Ein Hauptpunkt ihrer religiösen Anschauung war der Glaube an das Ursachen dor
materielle Fortleben nach dem Tode; infolgedessen haben die Aegypter seit
den ältesten Zeiten der Einbalsamierung der Toten und allem, was mit dem
Totenkultus zusammenhängt, die grösste Sorgfalt zugewendet. Wohlausgeri’tstet
sollte der Verstorbene die Fahrt ins Schattenreich antreten, und deshalb hatten
ihm die Zurückgebliebenen allerlei Weihgeschenke, selbst Wegzehrung mit
ins Grab gegeben und Gebete auf die Sargumhüllungen geschrieben, damit
ihm der Eintritt in das Jenseits erleichtert werde. Diesen Gebräuchen und
der fast das ganze Jahr andauernden Trockenheit des Nillandes ist es zu dank im.
dass die Jahrtausende nur wenige Spuren an den ausgegrabenen Schätzen
hinterlassen haben, und da hauptsächlich alle zum Totenkultus gehörigen
Dinge in fast tadellosem Zustande erhalten sind, so kann man dreist l>e-
haupten, in keinem Lande einer ähnlichen durch so lange Zeit wählenden,
ununterbrochenen Reihenfolge gleichartiger Dinge zu begegnen, wie sie aus

Erhaltung.

*) Litteratur:

Perrot et Chipiez, Histoire de l’Art dans l’Antiquite Paris 1882. T. I
p. 781 t.

Prisse d’Avennes, Histoire de l’Art egyptien. Paris 1878-79. Textband,
p. 289 f.

Merimee, Dissertation sur la preparation et l’emploi des couleurs, dos,vernis etc.
in dem Catalogue raisonne et historique des Antiquites decouvertes en Egypte par
J. Passalacqua, de Trieste, Paris 1826, p. 258 f.

M. von Minutoli, Reise zum Tempel des Jupiter Ammon und nach Ober-
ägypten, nebst ehem. Analysen von Prof. John, Berlin 1827, p. 330 f.

1*

— 4 —

den Grabstätten Aegyptens zutage gefördert worden sind. Von der ältesten
Art der einfachen Bemalung von Mumien -Särgen und Mumienhüllen, von
der Behandlung des Materials, des Holzes und der Leinwand,’ die mit
monochromen schematischen Figuren und mit symbolischen Darstellungen,
Götterbildern und Hieroglyphen geschmückt wurden, bis zu den kunstvollen,
reichen plastischen Verzierungen, den vergoldeten Masken und den durch
vielfache Leinwandschichtung hergestellten Kaschierungen späterer Zeit,
dann noch weiter bis in die Zeiten der hellinistischen Mumienporträts, die in
Wachsenkaustik und ähnlichen vorgeschrittenen Techniken gefertigt wurden,
alle diese vielen Stadien der fortschreitenden Entwicklung liegen sichtbar vor
unseren Blicken.
stilistische Dem aufmerksamen Beobachter wird es kaum entgehen, dass die in

Verschieden- . . .. . t-> •

heiteD. irgend einem grosseren Museum (z. B. Paris, London, Berlin, Wien, Florenz
u. a.) aufgestapelten altägyptischen Malereien unter einander Verschiedenheiten
zeigen, die abgesehen von allgemeinen stilistischen Momenten vor allem durch
die materielle Behandlung bedingt sind. Innerhalb der gleichen Formen voll-
ziehen sich nämlich stetige Veränderungen, die ausser auf die Verfeinerung
des künstlerischen Geschmackes auf eine verbesserte Technik hinweisen. Ob
hier äussere Einflüsse sich geltend gemacht haben , oder die naturgemässe
Ausbildung der technischen Fertigkeiten allein die Schuld trägt, ist an sich
gleichgültig; jedenfalls stehen diese Erscheinungen mit dem allgemeinen
Stand der kulturellen Entwicklung im innigsten Zusammenhang. 2 )

2 ) Zum besseren Verständnis der Eutwicklungsstadien der altägyptischen Kunst
und deren Beeinflussung von aussen mögen hier einige Hauptdaten aus der Geschichte
Aegyptens angeführt werden: I. Zeit der Pharaonen (etwa 3000 vor Chr.), welche
nach der Meinung der Aegypter den drei Götterdynastien folgte. Die ersten Pyra-
miden erbaute Uneph es und seinem Beispiele folgten fortan alle Könige von Memphis
(Cheops, Chephren, Mykeriuos der IV. Dynastie). Höhe der Kultur unter Amenemha III
(2221 — 2179). Anlagen der Felsengräber von Beni Hassan, des Mörissees in der Oase
Fayüm und anderer grosser Bauten (Labyrinth) zur Verehrung der Gottheiten. Nach
Amenemba’s Tod Herrschaft der Hyksos während etwa 500 Jahren. König Amosis
von Theben (1684 — 59) vertrieb die Hyksos, und nach deren Vertreibung beginnt die
glanzvollste Periode des Reiches, dessen Pharaonen (18. und 19. Dynastie) Theben
mit den bewunderungswürdigsten Denkmälern schmückten und ihre Macht weit über
die Grenzen des Reichs ausbreiteten. Besonders glänzend waren die Regierungen
Sethos I (1439-1388), Ramses II (1388-28). Unter dessen Nachfolgern beginnt
der Verfall der von der mächtigen Priesteraristokratie abhängigen Herrscher. Es
folgt eine Reihe von Dynastien aus Unterägypten, deren Könige, in vielfache Kriege
mit den eindringenden Assyriern verwickelt, den Verfall des Reiches nicht abzuwenden
imstande waren. Der assyrische König Asserheddon stürzte 672 die Herrschaft der
äthiopischen Könige. Psammetich 1 (655 — 610) gelang es jedoch mit Hilfe griechischer
Söldner aus Kleinasien, Aegypten von der Fremdherrschaft zu befreien; er machte
es wieder unabhängig. Bald mehrte sich die griechische Bevölkerung, nachdem ihr
die Häfen geöffnet worden waren. Nee ho (610—595) begann von neuem den Bau
des Kanals zwischen Nil und dem roten Meer. Sein Vorhaben, den Sturz des assyri-
schen Reiches zur Ausbreitung seiner Macht in Syrien zu benützen, misslang. Das
gleiche Schicksal traf seinen Nachfolger Hophra. Durch Empörung der ägyptischen
Krieger gelangte Amasis (570 — 526) zur Herrschaft, der die Seestadt Naukratis den
Griechen einräumte und dadurch dem Handelsverkehr eröffnete. Niemals war der
allgemeine Wohlstand grösser, und die Zahl der Städte stieg unter Amasis auf 20000.
Auch die Kunst blühte wieder auf. Sein Sohn Psammetich III konnte der stets
wachsenden persischen Macht nicht Widerstand leisten und erlag ihr 525 in der Schlacht
bei Pelusion. Aegypten wurde persische Provinz; nach fast hundert Jahren ge-
wann es zwar seine Unabhängigkeit wieder (405) und stand unter einheimischen
Dynastien, wurde aber 340 von den Persern abermals erobert. Im J. 332 vertauschte
es die persische Herrschaft mit der Alexanders d. Gr. und verblieb bis 305 unter
makedonischer Oberhoheit. Mit dem makedonischen Statthalter Ptolemaeos,
der den Königstitel annahm, begann die Herrschaft der 12 ptolemaeischen Könige.
Das altägyptische Wesen wurde vom Hellenismus mehr und mehr beeinflusst. Alexan-
dria winde der Mittelpunkt griechischer Gelehrsamkeit. Mit dem Tode der Kleopatra
endete diese letzte Epoche äusserer Unabhängigkeit Aegyptens. Die Schlacht von
Aktium entschied die Ein v e i lc ibu ng Aegyptens in das römische Reich
(30 v. Gh.).

Wir unterscheiden demnach mehrere Perioden der ägyptischen Kunst-
geschichte, die sich an die allgemeine Gliederung der politischen Geschichte eng

Die Malerei der alten Aegypter ist vor allem P] äohen kunst, sie hat Charakteristik.
ausschliesslich dekorativen Zweck und steht somit von den ältesten Zeiten an
im Dienste der Architektur; auch die skulpturalen Darstellungen auf Wänden
können die Farben zur besseren Deutlichmachung aller Einzelheiten nicht
entbehren. Wie die Schrift der Aegypter, die Hieroglyphen, vielfach bildartig
erscheint, so haben die Bilder wieder oft Schriftcharakter. Sie bestehen aus
sicheren, auf traditionellem Schema beruhenden Umrissen, die mit einzelnen
Farben ohne jede Tonabstufung ausgefüllt sind. Perspektivische Verkürzung
kennt die ägyptische Malerei nicht, ebensowenig wie die Kunst der anderen
ältesten Kulturvölker. Sollen auf einer Darstellung verschiedene Figuren gleich-
zeitig zur Anschauung gebracht werden, so hilft sich der ägyptische Maler
durch Uebereinanderstellung; ein Hintereinander gibt es nicht. Meist ist der
Kopf im Profil, das darin liegende Auge aber von vorn dargestellt; die Beine
sieht man in profilierter Ansicht, die Brust aber in voller Breite. Dabei ist
jedoch in späterer Zeit ein Eingehen in die individuellen Besonderheiten der
Typen oder bei Porträtdarstellungen ein feines Beobachten des Charakteristischen
zu erkennen, das mehr noch bei plastischen Arbeiten als in der Malerei sich
bemerkbar macht. Besonders Tiere, auch die unbedeutendsten, sind so ge-
zeichnet, dass den Malern eine ausgeprägte Beobachtungsgabe ohne Zweifel
eigen gewesen sein muss. Zur ausgebildeten Malerei in unserem Sinne,
d. h. zur Modellierung der Formen in Licht und Schatten, scheint es in
Aegypten von selbst nicht gekommen zu sein; diese Kunst mag erst durch
späteren griechischen Einfluss dort Fuss gefasst haben. Das eigentliche
Merkmal der älteren Perioden ist die Ausbildung der Linienzeichnung,
wovon manche Beispiele aus den zierlichen Wandgemälden von Beni- Hassan
(musizierende Tänzerinnen), aus den Gräbern zu Abu Simbel und viele andere
Darstellungen (abgebildet in den Werken von Price d’Avennes, Rosselini,
Lepsius) vorhanden sind. Auch die so reizvollen Tierparodien aus der späteren
Saitischen Periode illustrieren die Tatsache einer realistischeren Bewegung
innerhalb der altägyptischen Malerei.

Die Farben Wirkung ist auf die einfachsten Grundsätze gegründet,
wie solche sich von selbst ergeben, wenn die festen Umrisse mit F’arben aus-
gefüllt werden. Meist ist der Untergrund hell gehalten, so dass eine Silhouetten-
wirkung (Schattenriss) entsteht. Erst in späterer Zeit und in kleineren Dar-
stellungen sehen wir die Wirkung umgekehrt, indem der Hintergrund mit
Farbe ausgemalt ist, so dass die Figuren dann hell auf den dunklen Grund
zu stehen kommen. Das Farbenmaterial ist von geringem Umfang und be-
steht aus fünf Farben (Schwarz, Gelb, Rot, Blau und Grün); in späteren
Perioden kommen noch weitere Farben, Abstufungen oder Mischtöne (Fleisch-
farbe, Zinnober, Purpur, Gold) hinzu.

Ueber das rein Technische der Malerei bei den alten Aegyptern in allen Te £f eL der
Einzelheiten abschliessend zu handeln, ist trotz der vielfachen Vorarbeiten,
die Aegyptologen und anderen Forschern verdankt werden, bis heute nicht
möglich. Schriftquellen aus der Zeit, bevor griechischer Einfluss stattgefunden
haben kann, sind vorläufig nicht vorhanden; wir müssen uns deshalb auf
grund des Studiums der Funde sowie der wenigen chemischen Untersuchun-
gen ein Bild von der Technik machen und durch Rekonstruktionsversuche
die einzelnen maltechnischen Fertigkeiten feststellen. Vielleicht verdanken
wir dem glücklichen Zufall noch einmal den Fund eines Papyrus mit An-
weisungen und Rezepten für Malarbeit, so dass wir an Stelle von Vermutungen
wirkliche Zeugnisse setzen könnten. Unmöglich erscheint dies nicht, da unsere

anschliessen, und sondern die Kunst des alten Reiches (I. — XII. Dynastie 3800—
2100 v. Ch.) von der des neuen Reiches (XVIL— XXVI. Dyn. 1700-525 v. Ui.).
Innerhalb dieser grossen Perioden heben sich wieder die Zeiten der IV. Dyn. (mit der
Residenz in Memphis) und der XII. (politische Vereinigung des Landes), weiter der
XVIII. und XIX. Dyn. (Hauptstadt des Reiches Theben), sowie der letzten nationalen
Dynastie, der XXVI. in Sais, als Glanzpunkte der Kunsttätigkeit ab (Handb. der Kunst-
gesch. v. Ant. Springer I. p. 9).

— 6 —

gelehrten Aegyptologen, die in dem Entziffern von Hieroglyphen so bewandert
sind , uns ausser mit alten Novellen und Märchen auch bereits mit einem
altägyptischen Lehrbuch der Geometrie bekannt gemacht haben.. Warum
sollte nicht auch ein Rezeptenbuch in einer Papyrusrolle verborgen sein ?

1. Wandmalerei der Aegypter.

Verschiedene „Ueber die Manier der Aegypter, Wandmalereien auszuführen», sagt Prisse

Ansichten über , . , n nns ■ , • • • i • ■ i

Waudtecimik. d’Avennes (p. 29o), „sind wir wenig unterrichtet; wir vermeiden es aber,
diese mit „Fresken» zu bezeichnen, weil der Untergrund lange vorher zu-
bereitet gewesen ist, und man auf ausgedehnten Flächen unvollendete, quadra-
tisch eingeteilte Entwürfe gefunden hat. Der Grund war mit einem gelblichen
oder perlgrauen Ton überzogen, um das Weiss besser hervortreten zu lassen.
Wenn der für die Malerei bestimmte Grund genügend fest war, skizzierte
man mit roter Farbe, dann brachte man an einzelnen Stellen gesättigte Farben
an, an anderen wieder Halbtöne, vor allem an Flächen, welche weitere
Details erhalten sollten; schliesslich lasierte man einzelne Partien, um sie
kräftiger zu machen oder um das Ganze in Harmonie zu setzen.»

„Die Unterschichten sind meistens ziemlich rauh; mitunter aber mit be-
sonderer Sorgfalt bereitet. Zu derartigem Grund verwendeten die Aegypter
(wie man es auch bei uns im Mittelalter machte) entweder Kreide oder wie
Kalk gebrannten Gips, den man in einem Tongefäss mit Hautleim und
Wasser anmischte und auf Kohlen stellte, um die Masse flüssig zu halten.
In diesem Zustande (warm?) gab man eine leichte Lage, dann eine zweite
dickere, und glättete hierauf die Fläche.»

„Wie die Wahl der Farben, so ändert sich auch die Art ihrer An-
wendung. Die einfachste und zugleich die älteste Art scheint das Ausbreiten
mit Hilfe des Pinsels zu sein, nachdem die Farben in Wasser verrührt worden.
Wenn Gummi oder Leim zugemischt werden, so macht- dies die Farben fester
und lebhafter; diese Methode, Temperamalerei genannt, scheint zur Aus-
schmückung der ägyptischen Tempel angewendet worden zu sein.»

„Der zur Bindung gebrauchte Leim war sehr fest, und diese Tempera-
malereien (Peinture en detrempe) widerstehen so sehr der Einwirkung des
Wassers, hauptsächlich die ältesten in Beni-Hassan, dass die meisten Be-
sucher nicht Anstand nehmen, einen Schwamm über die Wand zu streichen,
um die Malereien lebhafter zu machen (p. 291).»

Nach der Ansicht des genannten Aegyptologen wurden die Farben mit
Wasser und Leim oder Gummi, vielleicht auch mit Milch angemischt. Mon-
tabert (Traite de Peinture IX. p. 416) ist dagegen der Meinung, dass bei
Tempelmalereien die Farben mit Kalk angemacht sind.

Perrot (1 p. 785) berichtet darüber: „In den thebanischen Gräbern sind
die Figuren auf einen sehr feinen Grund aufgezeichnet. Dieser Grund hat
die Glätte des Stucks und scheint aus sehr feinem Gips (plätre tres fin) und
durchsichtigem Leim hergestellt. An unbemalten Stellen erscheint er noch
weiss und an einzelnen Orten sogar glänzend.» Er glaubt, dass die Malereien
mit Gummiwasser, wie Traganth oder einem ähnlichen Pflanzenschleim, an-
gemacht waren.

„Hector Leroux, der auf seiner ägyptischen Reise eine grosse Zahl
von Basreliefs abgedrückt hat, neigt zu der Ansicht, dass in den verwendeten
Farben auch Honig enthalten sei, wie in unseren heutigen Aquarellfarben;
in mehreren Gräbern wurden nämlich die Farben klebrig, sobald er sein an-
gefeuchtetes Papier auf die Wand auflegte. An anderen Plätzen wiederum
konnte er genügend anfeuchten, und die Oberfläche blieb so glatt und fest,
als ob sie mit durchsichtigem Email bedeckt wäre. Manchmal hatte man die
Wandmalereien mit einem harzigen Firnis bedeckt, der mit der Zeit nach-
dunkelte und die Farben, die er bedeckt, verdarb. Es ist der nämliche
schmutzige Firnis, der den kartonnageartigen Mumien-Umhüllungen den röt-
lichen und dunklen Ueberzu«: von heute verleiht und die Farben sehr be-

einträohtigt. Gewöhnlich hatte mau aber die Wandbilder nicht mit einem
Mittel übergangen, das sich verändern könnte, und dank der Gleichmässigkeit
der Temperatur und der Trockenheit haben sie ihre unvergleichliche Frische
bewahrt. »

Die Ansichten der oben erwähnten Forscher sind auf den äusseren
Anschein gegründet und haben deshalb nur bedingten Wort. Viel wichtiger
sind die Schlussfolgerungen aus den wenigen chemischen Analysen, welche
hier angefügt seien :

Minutoli (p. 336 s. Reisewerkes) gibt darüber folgendes Resunie: amÖ*

„Aus einer grossen Anzahl von mit bemalten Steinmassen aus den Kata-
komben und Pyramiden angestellten Versuchen ergibt sich, dass die steinigen
«Wände, sie mögen nun natürlicher Kalkstein oder künstlich sein, zuerst mit
«einer dicken Lage Mörtelmasse aus gebranntem Kalk und Gips beworfen
«worden sind; auf der sorgfältig geebneten und selbst polierten Oberfläche
‘ist Kalktünche nur dünn aufgetragen und auf dieser befindet sich unmittelbar
«die Malerei, welche entweder mit wahrem tierischen Leim oder in
«seltenen Fällen, wie der ziegelrote Anstrich der Katakomben Oberägyptens,
-mit Wachs bindend gemacht worden ist.

Was die Kalktünche anbelangt, so scheint mir diese in den meisten
„Fällen aus wenig gebranntem Muschelkalk bereitet, und nur zu geringeren
«Arbeiten eine Art Kreide oder weichen Kalksteins genommen zu sein. Das
«erstere schliesse ich aus der zarten Beschaffenheit der Teile dieser Kalkdecke
«und dem Mangel der Beimischung erdiger Teile; das letztere aber aus der
»Gegenwart der letzteren (erdigen Teile), die jedoch nie im aufgelösten Zu-
stande, d. i. als Zement im Mörtel, vorhanden sind. Diese Kalktünche ist
«,also durch das Brennen des Kalkes an und für sich bindend geworden und
‘^sie enthält keinen Leimzusatz. Nur in einigen Fällen bemerkte ich durch
«einen äusserst geringen Grad der in der Hitze sich zeigenden Verkohlnng
«die Gegenwart einer Spur Leims; allein es ist sehr wahrscheinlich, dass
«letzterer nur aus dem Farbenanstriche eingezogen ist,»

Die Verwendung von Leim als Bindemittel der Farben kann als zweck- ^ e ^Jäg r
entsprechend bezeichnet werden, da die klimatischen Verhältnisse des Landes
für diese Art des Anstriches günstig sind. Es ist aber sehr wahrscheinlich,
dass auch andere Bindemittel tierischer Natur (etwa Ei oder Milch) von den
Aegyptern frühzeitig gekannt und angewendet wurden. So fand Geiger 3 ),
wie° weiter unten zu ersehen ist, dass bei seiner Untersuchung eines Bewurf-
stückes die tierische Substanz in ihrem Verhalten gegen Reagentien
vom Leim abwich. Hierbei ist noch zu bedenken, dass in Fällen, wie sie
Prisse d’Avennes und Perrot (s. oben) beschreiben, das Bindemittel der auf
den geleimten Gipsuntergrund gemalten Farbenschicht auch teilweise in
den Untergrund eingesogen sein kann, mithin der Chemiker diese innige
Verbindung wohl kaum zu trennen imstande sein wird. Eine Verschiedenheit
der Verfahrungsarten ist auch daraus zu ersehen, dass auf gediegenere Aus-
führung, auf glänzendere Erscheinung der Malerei (vermutlich in spaterer
Zeit) Bedacht genommen wurde, und dass die Aegypter sogar die Benutzung
von Wachs (u. z. in der von den Römern „punisches Wachs» genannten An,
cera punica) gekannt haben. Wir müssen daraus den Schluss ziehen, dass
bei der Wandmalerei der Aegypter verschiedene Techniken in Gebrauch waren.
denn Wasser würde die Leimfarben erweichen, während die oben erwähnten
Malereien in Beni-Hassan der Einwirkung des Wassers widerstehen.

Begründet wird diese Ansicht durch die chemische Analyse von John.
der diese nebst anderen Analysen altägyptischer Farben (s. weiter unten) in
Minutoli’s Werk (p. 330) veröffentlichte. Es heisst daselbst:

•) Chemische Untersuchung alt- ägyptischer und alt-römischer F ‘arben deren
Unterlagen und Bindemittel. Mit Zusätzen über die Malertechnik der Alten von houx.
Karlsruhe 1826.

8 —

Analyse von
Geiger.

Analyse von „Ziegelrot der Freskomalerei aus den Katakomben Oberägyptens. Vor

dem Lötrohre nahm die Intensität der Farbe ab, welches aber, wie sich er-
gab, nicht vom Zinnobergehalte, sondern von einer Desoxydation des Eisens
herrührt. In Salz- und Salpetersäure steht die Farbe, aber die Grundierung löset
sich unter Luftentwickelung und unter ähnlichen Erscheinungen wie die
Schuppen der Austern oder die Eierschalen auf. Die Auflösung enthielt
ausser Kalk keine Beimischung, wie die Prüfungen mit Ammonium, blausaurem
Kali und Barytauflösung bewiesen. Das in Säuren zurückgebliebene
Pigment gab mit Borax eine Perle, welche in der Wärme ölgrün, in der
Kälte aber farblos erschien. Die Mörtelmasse der Wände dieser Katakomben
ist aus Kalk und Gips gemengt. — Wasser, womit ich die Freskomalerei
zuvor benetzte, wirkte nicht darauf; aber siedender absoluter Alkohol
erweichte den sehr glänzenden Anstrich, jedoch konnte ich die Flüssigkeit,
wegen der geringen Menge der darin wahrscheinlich aufgelösten fettigen
Stoffe, nicht weiter untersuchen, und bekanntlich ist leider die Hauptsammlung
dieser Art Altertümer des Freiherrn v. Minutoli ein Raub der Wellen ge-
worden. Es scheint indessen auch diese Prüfung hinzureichen, um daraus
zu folgern, dass die Alten die Wände dieser Katakomben, auf einer
Grundierung von feinem Kalk oder Kreide, mit rotem Eisenoxyd,
das mit Wachsseife bindend gemacht ist, angestrichen haben.»

Mit dieser Untersuchung stimmt die folgende überein, welche Geiger
an einem Stückchen von einer Decke (Tectorium) mit Malerei aus der
von Belzoni entdeckten Katakombe in Biban el Moluk (Oberägypten) an-
gestellt hat:

„Zur Untersuchung kam ein kleines Stückchen einer Decke (Tectorium)
von ungefähr 2 Quadratzoll und J /-2 Zoll Dicke, Fragment eines Pfeilers aus
Kalkstein mit Freskomalerei aus dem von Belzoni entdeckten Grabe in Biban
el Moluk in Aegypten. Die Farben waren: 1. Braunrot, welches die grösste
Fläche einnahm, 2. Grün, ziemlich schmutzig mit helleren und dunkleren
Flecken, 3. Fahlgelb, 4. Schwarz; die drei letzteren dienten zur Einfassung
der roten Farbe. Die Farben waren sämtlich matt, hatten keinen Glanz.
Resultate: 1. Die braunrote Farbe ist grösstenteils Eisenoxyd (Roteisenstein
oder gebrannter Ocker) mit einer geringen Menge Zinnober vermengt. Als Binde-
mittel wurde eine tierische Substanz angewendet, die aber in ihrem
Verhalten gegen Reagentien vom Leim abweicht. Das Verhalten
des weingeistigen Extraktes in der Hitze deutet auf eine Spur vor-
handenen Wachses. 2. Die grüne Farbe ist ein Gemenge von Gelb und
Blau. Ersteres ist organischen Ursprungs, gelber farbiger Extraktivstoff, und
letzteres durch Kupferoxyd blaugefärbtes Glas. 3. Die gelbe Farbe scheint
mit der bei Grün gefundenen identisch zu sein, wenigstens zeigt ihre Zerstör-
barkeit in der Hitze und ihr übriges Verhalten, dass sie organischer Natur ist.
4. Die schwarze Farbe ist ebenfalls organischer Natur und zwar nach den
angestellten Versuchen tierischen Ursprungs, etwa eine Art Sepia. Das
Bindemittel scheint bei allen diesen Farben dasselbe wie bei der braun-
roten gewesen zu sein.

Die Untersuchung des Untergrundes der Farben ergab: kohlensauren
Kalk mit geringen Mengen Gips, Kieselerde, Alaunerde und Eisenoxyd.

Die Decke (Tectorium) war kohlensaurer Kalk mit wenig Kieselerde
und Spuren von Gips, Alaunerde und Eisenoxyd, muss daher als Kreide an-
gesehen werden. Das Bindemittel war tierischer Natur, doch weicht
sein Verhalten sehr vom Leim ab.

(Geiger hält es für Blutwasser; die rötliche Farbe der Decke sowie
die untermengten braunroten Punkte sprachen dafür.)
vo^Wachs 1 ^ as ßi n demittel war Wachs mit etwas aromatischem Harz

Harz und tieri- vermischt und von der oben bei den Farben erwähnten tierischen

scherSubstanz. o u * i i j

Substanz durchdrungen.»

Nach den obigen Untersuchungen fällt vor allem auf, dass bei der alt-
ägyptischen Wandmalerei von einem Freskomalen in unserem heutigen Sinne,

Abbild. 1. Altägyptisclie Malerei. Innerer Deekel eines Mumiensarges.
iSach dem Original im Wiener Hofmuseum. (Nr. 1 m. Versuchskollektion.!

hbild 2 AltSgyptisohe Malereien auf Holz und kaschierter Leinwand.
(Nr. 2—5 ni. Versuchskollektion.)

9

(1. h. Malen auf ganz frischen Bewurf, nicht die Rede sein kann. Selbst die
Verwendung von Kalkfarben ist nicht nachzuweisen, obwohl der Kalk in
manchen Fällen als erste Unterschicht zweifellos in Mischung gekommen ist.
Bei der allgemeinen Verwendung von Stein wird die meist sehr dünne
Kalktünche zur Ausgleichung der Unebenheiten des Steinmateriales gedient
haben, denn die Figuren und Hieroglyphen waren im Relief aus Stein gemeissell
und mussten erst sorgfältig zur Aufnahme der Malerei vorbereitet werden.
Minutoli gibt uns auch darüber Aufschluss; in seinem mehrfach zitierten
Reisewerk (S. 270) zeigt er deutlich die Reihenfolge der Malarbeit an der
nicht fertig gewordenen Kammer der Katakomben des Psamis. 4 )

Er schreibt: „Die am meisten bewunderte, von Belzoni entdeckte
„Katakombe (der Königsgräber bei Biban-el-Moluk) ist teils mit Skulpturen,
„teils mit Freskomalerei geschmückt, besonders sind die Decken sehr reich
„und geschmackvoll geziert. Da diese Katakombe vortrefflich erhalten, aber
„nicht in allen Teilen vollendet ist, so gibt sie zugleich die beste Gelegenheit,
„sich über das von den Aegyptern beobachtete Kunstverfahren zu belehren.
„Die ausgehauenen Wände wurden zuerst sorgfältig geebnet und schad-
hafte Stellen mit Kalk, Gips oder Kitt ausgefüllt, in welchen man nachher
„die Figuren und Hieroglyphen ebenso ausschnitt, wie in den Stein selbst,
„welches ich durch mehrere mitgebrachte Proben dartun kann. Wo der
„Kalkstein durch eingesprengten Kiesel und durch Versteinerungen der Be-
arbeitung Hindernisse entgegensetzte, wurden diese Stellen ausgehoben
„und bessere Steine eingesetzt. Wände, die bemalt werden sollten, wurden
„vorher gewöhnlich mit Schlamm, Kalk oder Gips beworfen und im ersten
„Falle geweisst; worauf alsdann die Malerei aufgetragen wurde. Man
„findet Wände, die zum Teil bloss liniiert sind, auf anderen ist die Zeichnung
„der Figuren und Hieroglyphen mit roter Farbe entworfen und die nötigen
„Korrekturen sind schwarz aufgesetzt. Sowohl in den Zeichnungen als in
„den Korrekturen ist die Freiheit und Sicherheit der Hand bewunderungs-
würdig, so dass man den Aegyptern eine grosse Meisterschaft der Aus-
führung nicht absprechen kann. Man findet selbst schöne Köpfe und an-
„ mutige Stellungen, soweit der aegyptische Kunststil beide zuliess.»

Die äussere Erscheinung der Wandmalereien wird meist als matt ge-
schildert, doch scheint es auch Fälle zu geben, wo die Malereien glänzend,
wie mit einem Firnis überzogen waren. Prisse d’Avennes (p. 289) glaubt
sogar, dass ein grosser Teil der jetzigen brillanten Wirkung aegyptischer
Wandmalereien dem Firnisüberzug zuzuschreiben wäre, da „man beim Be-
treten des Grabes Seti I von der Klarheit und Durchsichtigkeit des Firnisses
völlig überrascht wurde», und fügt hinzu:

„Die Erscheinung der Durchsichtigkeit nach so langer Zeit ist mit un-
serer Meinung, dass diese Firnisse aus Harzen bestehen, im Widerspruch,
weil alle fetten Körper, hauptsächlich wenn sie im Dunkeln aufbewahrt sind,
dunkler werden. Und ausserdem war ein solcher Firnis sehr dick, so dass
er nur sehr schwer gleichmässig auf Mumienkästen aufgetragen werden
konnte; und gerade auf Wandgemälden erscheint dieser Auftrag eher leicht
und gleichmässig gegeben, so dass es schwer zu entscheiden ist, ob er mit
Leimen, flüssigem Balsam oder einfach mit natürlichem Harz hergestellt ist.»
Obwohl es mir bis jetzt nicht vergönnt war, die hier besprochene
glänzende Art der altägyptischen Wandmalerei durch eigene Anschauung kennen
zu lernen, muss ich doch der von Prisse geäusserten Ansicht widersprechen.
da der Glanz oder die Glätte des Tektorium auch auf andere Art als durch
Firnis erzeugt worden sein kann, nämlich durch das Glätten des Bewurfes
und der Malerei in der Art, wie sie bei den Griechen und Römern
üblich war. Dass hierbei auch die von John und Geiger nachgewiesene
Anwendung von Wachs für Wandmalerei, u. zw. in Form der Wachsseife, wovon
später die Rede sein wird, schon bekannt und gebräuchlich war, ist für die Ent-

Katakombe

von Biban-el-

Moluk.

Glänzende

Wand-
malereien.

4 J Psamis oder Psammetich II, Sohn Nechos, 595—589 vor unserer Zeitrechnung.

10 —

Wicklungsgeschichte der Maltechnik von der grössten Wichtigkeit. Denn die
zur ehemischen Untersuchung gelangten Proben stammen aus der Zeit des
Psammetich IL, als infolge der Eröffnung der Hafenstadt Naukratis der
griechischen Einwanderung sich kein Hindernis mehr entgegenstellte und
gleichzeitig mit der griechischen Bevölkerung auch griechische Handwerks-
fertigkeiten sich ausbreiten konnten.

Was die Bemalung von Skulpturen betrifft, so müssen Unterschiede
gemacht werden , je nachdem das Material Stein oder Holz gewesen ist.
Reliefs aus Kalkstein, wie sie die Wände mancher Tempel zeigen, erhielten
stets Bemalung, da wegen der Beleuchtungsverhältnisse sonst ein kräftigeres
Hervortreten der Einzelheiten nicht möglich gewesen wäre. Man nahm des-
halb die Farbe zu Hilfe und verzierte die Reliefs mit Malerei. Als Vorarbeit
wird eine allgemeine Deckung von flüssiger weisser Kalkfarbe am Platze ge-
wesen sein, wodurch die kleinen Rauhigkeiten des Steines ausgefüllt und
wenn nötig eine oberflächliche Glättung erzielt wurde. Auch wurde durch
eine solche Vorarbeit die ungleiche Färbung des Steines ausgeglichen und
gleichzeitig das allzurasche oder fleckige Auftrocknen der Farben vermieden.
Auch auf den ältesten Grabstelen 5 ) kann man Spuren von Farben er-
kennen, und da die Farbe notwendig zur Deutlichmachung der meist nur
ganz flach reliefierten Figuren und Hieroglyphen gehörte, hat sich auch bei
der Bemalung von Reliefs und Figuren aus Stein eine Tradition gebildet,»‘
die mit der Maltechnik im allgemeinen vielfach übereinstimmte. So erinnere
ich mich im ägyptischen Museum zu Berlin ein Bruchstück aus dem Felsen-
grabe Königs Sethos I. (um 1360 v. Oh.) aus Theben (Nr. 2079, Sammlung
Lepsius) mit erhöhten Figuren und Hieroglyphen gesehen zu haben , deren
Bemalung einen ganz glatten Eindruck machte. Wie an schadhaften Stellen
zu ersehen war, ward der Stein zuerst mit einer dünnen Kalk- oder Kreide-
schicht überzogen, keinesfalls aber war die Malerei mit einer Leim- oder
Kalkfarbe, sondern einem viel konsistenteren Bindemittel ausgeführt worden.
Ein ähnliches reich bemaltes Steinrelief im archäologischen Museum zu Florenz,
ist so glatt und glänzend, dass man die Anwendung einer wachs- und harz-
haltigen Tempera oder aber einen firnisartigen Ueberzug auf einer Malerei
mit Eibindemittel vermuten könnte. Diese Beispiele zeigen demnach schon
die durch Erfahrungen geläuterte Technik der glanzvollsten Zeiten ägyptischer
Kunst unter den Regierungen Sethos I. und Ramses IL (18. und 19. Dynastie).

Bei der Bemalung von geschnitzten Holzfiguren verfolgten die alten
Aegypter genau das Verfahren, welches auf den Mumiensärgen üblich war
und im folgenden Abschnitt beschrieben ist.

5 ) Es dürfte den Leser vielleicht interessieren, was Maspero (Guide du Visiteur
au Musee de Boulaq 1883 p. 29) über diese Grabstelen berichtet:

„Jedes Grab enthielt zum mindesten eine Stele, welche den Namen und die
Abstammung des Toten aufwies. Mitunter waren sie an der Aussenseite, meist im
Innern des Grabes angebracht, manchmal auf die Mauer gemalt oder in den Stein
gemeisselt. Zumeist war die Stele aus gesondertem Stein gearbeitet und auf seinen
Platz gestellt im Gange, der zum Grabe führt.

„Noch viel zahlreicher sind die geweihten Stelen, und fast alle diese stammen aus
Ab y dos. Die kleine Stadt Abydos spielte im Glauben der alten Aegypter eine grosse
Rolle. Nach dem das Jenseits betreffenden Doj;ma musste von hier aus die Reise in
die andere Welt angetreten werden, und der genaue Punkt, von wo aus die Seelen
dahingelangen konnten, befand sich im Westen von Abydos. Das Sonnenschiff glitt
am Ende seiner täglichen Fahrt nebst seiner göttlichen Begleitung durch den liier be-
findlh hen Felsenspalt in die Nacht. Die Seelen folgten dann unter dem Schutze des
Osiris nach. Deshalb war es nötig, dass diese sich von allen Seiten Aegyptens dahin
zu begeben hatten. Man stellte sich diese Fahrt zu Wasser vor (wie Charon zur Unter-
welt), und so ist diese Reise vielfach auf den Gemälden der Gräber dargestellt. Viele
Reiche liessen sich auch in Abydos begraben, um Osiris näher zu sein, weitaus die
Mehrzahl errichtete aber dort Stelen für die Verstorbenen, und diese ex voto-Gräber
und Stelen bildeten mit der Zeit eine ungeheure Masse.»

– – 11 —

2. Malerei auf Holzunterlage.

Die ersten Anfänge der späteren sog. Tafelmalerei finden wir in der An MunrienkäBten

. . uriti Sarge, Mü-

der Ausstaffierung altägyptisoher Mumienkästen, insofern nämlich bei beiden mienmasken.

Arten das Holz als Unterlage Verwendung fand. Und da das gleiche Ver-
fahren durch Jahrtausende geübt wurde, so haben wir in dem Studium
der Entwicklungsphasen der altägyptischen Mumienkästen oder Särge die
beste Gelegenheit, über das Technische der Tafelmalerei allerältester Zeit
Aufschluss zu gewinnen. Dabei ist es höchst merkwürdig zu beobachten, dass
der handwerksmässige Sinn jene alten Praktiker ungemein schnell alle die
Dinge finden liess und die nötigen Handtierungen anzuwenden lehrte, die so-
wohl für die schnelle Ausführbarkeit als auch für die längste Dauer des aus-
geführten Werkes am geeignetsten waren. In diesem Punkte waren die Maler
um die Mitte des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung schon genau
so weit, wie die Künstler der Frührenaissance, mit dem Unterschiede allerdings,
dass im Zeitalter der Renaissance ganz andere künstlerische Anschauungen
geltend waren, als zur Zeit der Aegypter.

Die ägyptische Malerei bestand, wie bereits ausgeführt worden ist, in
dem einfachen Ausfüllen der Konturen mit einzelnen Farben ohne jede
Modellierung. Der Maler war also eigentlich ein Handwerker; seine künst-
lerische Tätigkeit bestand darin, die schematischen Konturen der Figuren und
Ornamente zu ziehen, die als Umgrenzung der Farben zu dienen hatten. Für
diese an sich so einfache Arbeit bereiteten sich aber unsere ägyptischen
Kollegen den Untergrund, die Bindemittel und Firnisse mit der gleichen Um-
sicht, wie die Künstler der Renaissance! Ja, man kann in fast allen Einzelheiten
die Vorschriften des Gennini (s. m. Beitr. Mittelalt. p. 97 ff.) über das Grundieren
der Malbretter, das Ueberziehen derselben mit Leinwand, das Abschleifen des
Gipsgrundes, die verschiedenen Vorarbeiten für Vergoldung der plastisch ge-
formten Zieraten bis zum Firnissen des gemalten Gegenstandes auf den Mumien-
särgen des Pharaonenlandes vollkommen richtig angewendet wieder erkennen.

Im allgemeinen zeigt die Bemalung von Mumiensärgen hier rot konturierte Technik.
Zeichnung der Figuren und Hieroglyphen, die mit roter, blauer, gelber und
grüner Farbe ausgefüllt erscheinen, meist so, dass die Figuren auf dem un-
bemalten oder hell-ockergelben Grund stehen, wie es die Figur der Abbild. 1
(Göttin Hathor mit Geierhaube und 2 Federn mit dem gehörnten Diskus
auf dem Haupte) nach einem Original eines inneren Sargdeckels im Wiener
Hofmuseum (Invent. Nr. 232 der Sammig. ägypt. Altert.) zeigt. Hier ist die
ganze Figur in reicher Kleidung, mit prächtigem Kopfschmuck, die Zeichen
der Herrscherwürde in der Hand, dargestellt; Hieroglyphen füllen den ganzen,
leer gebliebenen Hintergrund aus. Der Fall, dass die lichte Erscheinung
der Figuren durch dunkleren Hintergrund erreicht wird, ist in der altägypti-
schen Malerei ein Zeichen späterer Periode und weist auf eine höhere Stufe
der Entwicklung hin (s. Abbild. 2, oberste Figur).

So einfach, wie die Zwecke, sind auch die Mittel in der altägyptischen
Maltechnik. Dabei ist aber eines bemerkenswert und dies steht mit der bereits
erwähnten Pflege des Totenkultus in innigstem Zusammenhang: das ist die
ausgesprochene Sorgfalt, mit der alle die handwerklichen Einzelheiten
ausgeführt wurden, um den bemalten Dingen die grÖsstmögliche Dauer zu
sichern.

Zur Herstellung des Grundes ist wohl der tierische Leim als besonders ^.’//u^’u,’;
geeignet seit den ältesten Zeiten in Anwendung gebracht worden, denn kein
anderes Bindemittel eignet sich hiezu besser, und die Tradition hat sich in
dieser Hinsicht bis in spätere Zeiten gleich erhalten. Als Anreibemittel für
Farben hat sich durch einschlägige Versuche die Ei-Tempera als das zweck-
mässigste erwiesen. Die von Perrot, Prisse d’Avennes und Merimee geäusserte
Ansicht, dass Gummiarten, besonders Traganth, als Bindemittel gedient halten
könnten (s. p. 6), muss nach meinen bezüglichen Proben für irrig erklärt
werden. Traganthgummi ist in dicker Konsistenz als F’arbeubindemittel nicht

— 12 —

geeignet, in dünner Lösung aber nicht bindend genug. Gummi arabicum ist
für Malerei auf Kreidegrund ohne andere Beigaben zu spröde.

Sehr wichtig und für die ägyptische Maltechnik: von grosser Bedeutung
ist eine Stelle des Einbalsamierungs-Papyrus von Bulak (I S. 12, X 19),
in welcher die Verwendung von Honig zur Malerfarbe erwähnt ist. Die Stelle
lautet: „Die Gestalt des Gottes Chem werde mit grüner Farbe (Xenti), die
mit Honig angemacht ist, auf die Binde gemalt.» G )
Honig. Honig als Bindemittel mag für das ägyptische Klima geeignet ge-

wesen sein, weil die Trockenheit der Luft die hygroskopische Eigenschaft
des Honigs aufhebt. Versuche mit Honig als Bindemittel haben gute Resultate
erzielt, insbesondere wenn der Honig nicht allein, sondern in Mischung
mit Gummi oder Ei verwendet wurde.

Es bliebe noch in Erwägung zu ziehen, ob auch die Farben mit Leim an-
gerieben worden seien, wenn nicht Geiger’ s chemische Untersuchungen,
nach denen die als Bindemittel verwendete tierische Substanz in ihrem Ver-
halten gegen Reagentien vom Leim abwich (s. oben p. 7), dagegen sprächen.
Ausserdem war es bei den vorgenommenen Proben auf geleimtem Kreide-
grund selbst mit dem sogenannten Schlepper (einem Pinsel mit langen Haaren)
kaum möglich, so gleichmässige Striche zu ziehen, wie sie die altägyptischen
Originale zeigen, während dies mit der Eitempera (Eigelb, mit Essigwasser
verdünnt) sehr leicht bewerkstelligt werden konnte. 7 )

Diese Annahme steht zwar in scheinbarem Widerspruch mit den
in der Anmerkung gegebenen Untersuchungen von John, welche im III.
und IV. Anhang zu Minutoli’s Reisewerk veröffentlicht sind; wenn man
jedoch bedenkt, dass die Gipsdecke stark mit Leim durchsetzt gewesen
und darauf die dünnflüssige Eitempera aufgemalt war, so wird der Ghe-
miker diese innige Verbindung wohl kaum zu trennen imstande gewesen
sein. Dass aber der Leim eine grosse Rolle in der ägyptischen Malerei
gespielt und ausser zur Gundierung jedenfalls zur Anlage grösserer Flächen
gedient hat, scheint zweifellos festzustehen. 8 )

6 ) Vgl. Heinrich L. Emil Lüring, die über die medizin. Kenntnisse der alten
Aegypter berichtenden Papyri. Leipzig 1888, p. 93.

Hier möge angefügt werden, dass bei Plutarch Alexand. C. 36 von Purpur-
gewändern die Rede ist, deren Farbe und Glanz durch Verwendung von Honig beim
Färben fast 200 Jahre lang frisch geblieben seien, und dass Vitruv VII, 13 er-
wiibnt, die Purpurfarbe werde gegen zu schnelles Austrocknen durch Zusatz von
Honig geschützt. Honig mag demnach in der Farbentechnik der Alten eine Rollo
gespielt haben. Gummi arab. nebst Eiklar und Honig bildete das Bindemittel der
späteren Miniaturen, und bis auf unsere Zeit hat sich die Honigzugabe bei Aquarell-
farben erhalten (sog. Honigfarben).

7 ) S.Nr. 1-4 meiner Kollektion von Versuchen zur Rekonstruktion der antiken
Technik.

8 ) John berichtet darüber in Minutolis Reisewerk (p. 336) wie folgt:

„Was den Holzanstrich und die Hieroglyphenmalerei anlangt, so ist ent-
weder die Kalktünche, jedoch in der Regel bis zur Dicke l / 2— 1 Linie, unmittelbar
„auf Holz getragen und darauf die Farbe mit Leimwasser gestrichen und gemalt;
„oder man hat sich zu den kostbarsten Sachen einer mehr zusammengesetzten
„Methode bedient. Die köstlichen Sarkophage der (von Minutoli) mitgebrachten
„Sammlung z. B. sind zuerst mit Leinwand mittels Leimes überzogen. Hierauf
„folgt eine dünne Decke von geschlämmter Kreide mit Leimwasser, die wieder mit
„einem dicken Leimanstriche , worin ein fadenartiges Gewebe (von wahren Per-
„gamentfäden herrührend), überzogen und zuletzt mit einer zweiten Kalkgrundierung
„gedeckt ist. Auf letzterer sieht man endlich die Malerei, d. i. Anstrich und
„Hieroglyphen, entweder mit blosser Leimfarbe, oder unter Zusatz von geschlämmter
„Kreide aufgetragen. So ist es wenigstens an dem oberen Teil der eine Prüfung
„zulassenden Stellen dieser Sarkophage beschaffen. Auf der grössten Fläche fehlt
„indessen der, wie es scheint, überflüssige Leim und zweite Kalkgrund.

„Meine Versuche mit diesen eben erwähnten Ueberzügen haben über das
„Bindemittel, womit die Alten ihre Farben aufgetragen, den letzten Zweifel gelöst.
„Es befindet sich nämlich an einzelnen Stellen dieses Sarkophages eine so dicke
„Leim läge, dass ich vermögend war, die entscheidendsten Versuche mit einer
„kleinen Quantität, die der Herr General-Lieutenant v. Minutoli der Wissenschaft
„opferte, anzustellen. Durch Erhitzung mit Wasser löste sich nämlich die Leim-

Zu solcher Vollkommenheit konnten die altägyptisohen Maler naturgemäss
nur infolge von Generationen langer Uebung in stufenweiser Entwicklung ge-
langen, und diese musste sich wiederum auch in Wandlungen des Stiles aus-
sprechen. Mit neuen Aufgaben in stilistischer Hinsicht steht meist auch eine
Vervollkommnung der technischen Fertigkeit im innigsten Zusammenhang.
Wenn wir also versuchen, aus stilistischen Merkmalen auf die Perioden der
Technik und umgekehrt von der äusseren Erscheinung der Malerei auf die
Perioden des Stiles Schlüsse zu ziehen, so können wir ein Bild der tech-
nischen Entwicklung gewinnen. Es sei freilich bemerkt, dass es, ohne
eingehendere ägyptologische Forschungen betrieben zu haben, schwer ist,
die Zeitperioden der malerischen Stilarten nach den technischen Einzel-
heiten genau zu bestimmen. Aber nach den genannten Anzeichen kann darauf
geschlossen werden, in welcher Reihenfolge die einzelnen Phasen auf
einander folgten. Wie lange jede einzelne Art der Technik in Uebung ge-
wesen sein mag, soll nicht Gegenstand der folgenden Aufstellungen sein.

1 . A e 1 1 e s t e Art der Malerei auf Mumiensärgen.

Meist findet sich der innere Holzsarg in einen äusseren grösseren L Periofl,J
von einfacherer Form eingesenkt. Malereien und Hieroglyphen bedecken die
inneren Wände des äusseren Sarges, ebenso den ganzen inneren Sarg und in
späterer Zeit auch die Leinenumhüllungen der Mumien selbst. (Die steinernen
Sarkophage, zumeist hervorragenderen Toten angehörig, sind hier nicht in
Betracht gezogen, da ihre Ausschmückung skulpturalen Charakters ist.)

Der obere Teil des Sarges, Kopf mit Brust, ist realistisch behandelt, die
Hautfarbe mit hellrotem oder gelbem Ocker angelegt, Konturen mit dunklerem
Rot gezeichnet, die Augen und Augenbrauen schwarz umrandet, das Kopftuch
und die Haare dunkel- oder blauschwarz bemalt, der Halsschmuck in ab-
wechselnden Farben wie mit Perlenreihen verziert.

Die äussere Erscheinung gleicht einer liegenden Figur, deren Kopf bis
zu den Schultern eingehüllt ist. Das Ganze ist aus Holz gearbeitet und be-
malt. Der Deckel ist der Form gemäss etwas ausgehöhlt und enthält seitliche
Fugen, die in die Zapfen des unteren Teiles passen.

In stilistischer Hinsicht besteht die Bemalung, dem Charakter der
Umwickelungen entsprechend, aus einfachen grösseren Querstreifen, auf denen
die den Toten und seine Reise ins Reich des Osiris betreffenden Szenen dar-
gestellt sind. Unter dem aufgemalten Halsschmuck breitet sich die geflügelte
Uräusschlange (Symbol der schnellen Macht über Leben und Tod), mitunter
auch die. geflügelte Sonnenscheibe oder der Skarabäus, über die ganze Fläche
aus; dann folgen die Szenen: der Tote zwischen Anubis (Wächter der Toten-
städte, abgebildet mit dem Schakalkopf) und Horus (Licht- und Sonnengott,
abgebildet mit Sperberkopf), der die Taten abwägt; darunter die Szenen der
Libationen, Gebete und Opfergaben der Verwandten vor Osiris, dem Gott
der Unterwelt. Es folgen in Hieroglyphenschrift Stellen aus dem „Buch des
Wissens von der Unterwelt» und zu den Füssen abermals geflügelte Symbole
oder die schakalköpfigen Anubisgestalten als Geleiter der Seelen auf dem
Wege ins Jenseits. Auf den dargestellten Szenen sind die leeren Stellen mit

„masse unter Zurücklassung der erwähnten Fäden, welche zu einer zittern ds-n
„Gallerte, die zu einer hornartigen, durchsichtigen Haut eintrocknete, und bei Auf-
lösung durch Alkohol und Gallusinfusion augenblicklich zerstört wurde. — Die auf-
gequollenen Fäden trocknen in der Wärme wieder zusammen und verbrennen
„unter Geruch des Leims. Die Beschaffenheit des Leims und dieser Fäden machen
„es wahrscheinlich, dass die Alten denselben aus harten Häuten, z. B. aus Rhinozeros-
Pfeilen (?) bereitet haben.»

„In Beziehung auf die Kalkdecke der Sarkophage bin ich der Meinung, dass
„liiezu geschlämmte Kreide gedient habe. Denn die Grundierung zerfällt in kochendem
,, Wasser und hiuterlässt, bei Auflösung in Säuren, erdige Beimischung, die nicht
„durch Brennen in Mörtel-Cement umgewandelt gewesen sein konnte und die der
„Mischung der Muschelschalen abgeht »

__ 14 —

Hieroglyphen, dem Namen des Toten, seiner Verwandten und anderen An-
deutungen über ihn bedeckt (s. Abbild. 3).

In den ältesten Perioden (von 2500 v. Ch.) bildet bereits eine ‘weisse
Kreide- oder Gips schichte die Unterlage, worauf alle Hieroglyphen und
figürlichen Darstellungen aufgemalt sind. Diese Schicht mag aus irgend
einer Kreideart oder Gips mit Leim als Bindungsmittel bereitet worden sein.
Die Farben (gelb, rot, grün, blau und schwarz) füllen die Konturen aus
oder sind mit dicken Strichen direkt aufgemalt, so dass der helle Kreide- oder
Gipsgrund den Fond abgibt.

Firnisüberzüge scheint man in der ältesten Zeit nicht angebracht zu
haben. Bei der doppelten Umsargung und dem Einsenken in steinerne Sarko-
phage liegt hiefür kein zwingender Grund vor, weil die Trockenheit des
ägyptischen Klimas eine schädigende Einwirkung kaum befürchten liess. 1 ‘)

Abbild. :i
Gruppe von Mumiensärgen aus der Zeit von 12UU— 1000 v. Ch. im Museum zu Bulak (Aegypton)-

Ein charakteristisches Beispiel dieser ältesten Art der Mumiensargmalerei
ist der Sarg eines Mannes Namens Apaanchu, ca. 2400 v. Chr. im Berliner
Museum (Nr. 10184, Sammlung Lepsius).

2. Periode

2. Zweite Periode der technischen A r b e i t s f ü h r u n g beim
Ausschmücken der Mumiensärge.

Die äussere Form des Mumiensarges bleibt vorerst beibehalten; sie
ändert sich auch späterhin nur insofern , als die Form der menschlichen

9 ) Anders verhalten sich derartige Malereien, sobald sie in andere Klimate ge-
bracht werden. Hier gehen sie vielfach zu Grunde. So befindet sich im Berliner
ägyptischen Museum der erwähnte Sarg des Apaanchu, dessen innere Bemalung jetzt
zum grössten Teil zerstört ist, während zur Zeit der Ausgrabung die Malereien deutlich
genug waren, um eine detaillierte Abbildung davon zu machen, die ebenda aufgestellt
ist. Die berühmte Holzstatue des Dorfschulzen Per-her-nofret (ca. 2600 v. Ch.)
im gleichen Museum zeigt jetzt gar keine Bemalung und nur w T enige Spuren des
weissen Untergrundes: zweifellos war auch sie ursprünglich ganz und gar bemalt.

Figur mehr als früher zur Erscheinung gebracht wird , z. B. dadurch , dass
auch die Hände über der Brust gekreuzt zum Vorschein kommen (Abbild. 3,
dritte Figur von links). Im Stil treten Wandlungen ein, indem die Dar-
stellungen figürlicher Art vorherrschend werden, während die hieroglyphischen
Texte mehr eingeschränkt sind. Durch die Ausbreitung der figürlichen
und ornamentalen Motive, insbesondere durch reichere Anbringung geflügelter
Symbole (Sonne, Uräus, Skarabäus) und selbst geflügelter Figuren (der
Göttinnen Mut und der zu Sais verehrten Neith, dargestellt mit grüner
Gesichtsfarbe) wird die Oberfläche für die hieroglyphischen Texte immer
geringer. „Schliesslich begnügt man sich nur mit kurzen Auszügen aus
dem Totenbuch oder mit Figuren und Namen der 12 Tages- und Nacht-
stunden, durch welche der Gestorbene auf dem Sonnenschiff hindurch-
fährt.» Gleichzeitig beginnt aber in der Ausführung der einzelnen Szenen
und Göttergestalten, die oft die ganze Fläche der inneren Sargdeckel schmücken,
eine gewisse Grazie der Linienführung und eine Leichtigkeit der Hand sich
bemerkbar zu machen , die auch heute noch unser Staunen erregen muss.
Das Hauptaugenmerk des ägyptischen Künstlers ist auf die sichere Pinsel-
führung gerichtet, so dass oft mit einem Zuge, ohne abzusetzen, die Umriss-
linie ausgeführt ist.

Zu derart ausgebildeter Technik musste auch der Grund genügend
glatt vorbereitet und das Bindemittel entsprechend leicht-
flies send zugerichtet werden. Durch die Glättung des Grundes wurden
die Farben viel transparenter zur Geltung gebracht, umsomehr als auch die
F i r n i s ü b e r z ü g e ein charakteristisches Merkmal dieser zweiten
Periode bilden.

Da in dieser Periode auch das Firnissen als Schlussarbeit Eingang fand,
im Altertum aber nur die heisse Lösung von Harzen in fettem Oel 10 ) bekannt
war, und das Auftragen des Firnisses nur in erwärmtem Zustande tunlich er-
scheint, musste als nächste Folge das System des Vergipsen s der Holz-
teile geändert werden; denn das heisse Oel bringt den Gips- oder Kreide-
grund allzuleicht zum Abspringen und Bröckeln. Wir sehen deshalb anfangs
nur auf grösseren Flächen, später aber allgemein das Unterlegen von Lein-
wand unter der Grundierung angewendet. Diese wichtige Neuerung
ist als das Merkmal der 2. Periode zu betrachten.

Die gewölbten Sargdeckel konnten jetzt weniger massiv gearbeitet
werden, auch Hessen kleinere Blöcke von Sykomorenholz sich aneinander-
fügen, ohne dass es auf der Malerei bemerkbar wurde. Das sogenannte Auf-
kaschieren der Leinwand hat für die Vorbereitung des Malgrundes die Mög-
lichkeit eines dickeren oder wiederholten Auftragens der weissen Kreide- oder
Gipsschicht zur Folge, mit darauffolgendem Abschleifen und gleichmässigem
Ebnen der Fläche mit Hilfe des Schabmessers oder mit Bimstein oder dergl.
Auf diese Grundierung folgte dann, wenn nötig, eine nochmalige Leimung,
hierauf die Aufzeichnung und Ausführung der feineren Details und das Aus-
füllen der Konturen mittels der Eitemperafarbe in der üblichen Weise.

Die besten Beispiele dieser Periode stammen aus der 19. und 20. Dy-
nastie (1700 — 1050 v. Ch.). Die Farben sind lebhaft und leuchtend, gleich-
zeitig ist die gelbe Farbe vorherrschend, verursacht durch die goldfarbigen
Firnisse, mit welchen die Malereien ganz oder teilweise überzogen sind.
(Vgl. die farbige Abbildung eines Originales Tafel I.)

3. Periode. Reicher Stil.

Als besondere Neuerung dieser Periode sind die zur Verstärkung des
Eindruckes angebrachten plastischen Verzierungen zu bezeichnen, die

10 ) Einige Forscher, darunter auch John, sind der Ansicht, dass im Altertum
das Terpentinöl bekannt war. Diese Annahme beruht jedoch auf irriger Voraus-
setzung; denn das Terpentinöl ist ein Produkt der trockenen Destillation (von Ter-
pentinbalsamen) und diese Destillationsart ist eine Errungenschaft arabischer Zeit.

3. Periode.

Periode.

– 16 —

von jetzt ab vielfach angewendet erscheinen und technisch als eine direkte
Folge der Gips- und Kreidegrundierung angesehen werden müssen. Solche
plastische Verzierungen dienen dazu, einzelne Hauptteile der Ausschmückung
besser hervortreten zu lassen; sie erscheinen beim ersten Anblick wie aus
dem Holz herausgearbeitet, sind aber bei näherer Untersuchung nichts anderes
als dick aufgelegte Schichten von Grundierungsmasse. In allen grösseren
Museen finden sich derartig ausgezierte Mumienkästen (vermutlich noch
aus der 22. Dynastie, um 800 v. Oh. stammend), auch im Antiquar ium
zu München sind zwei Exemplare gleicher Art aufbewahrt, denen das
in Abbild. 2 (2. Figur von unten) gegebene Detail nachgebildet ist.

Es ist von Interesse, an dem Original zu verfolgen, in welcher Reihen-
folge die Arbeit vor sich gegangen sein muss; an einigen schadhaften
Stellen ist dies leicht zu erkennen. Arbeitsfolge: 1. Auf den mit Leim
angemachten weissen Gips- und Kreidegrund ist 2. eine gleichmässige Lage
von gelber (heller) Ockerfarbe aufgetragen. Darauf stehen 3. mit. roter
Farbe (rotem Eisenoxyd) die Einteilungslinien nebst den Konturen der
Figuren und Hieroglyphen. Als 4. Arbeit wurden die hauptsächlich ins
Auge fallenden Ornamente und Figuren mit Gips erhöht, denn wo diese Gips-
erhöhung abgesprungen ist, zeigt sich darunter die gelbe Ockerfarbe, nebst
der roten Einteilung. Die Gipsornamente liessen sich folgendermassen leicht
machen : feiner Gips mit sehr wenig Kreide (Kreide allein ergab kein günstiges
Resultat) wird in Leirnwasser angerieben und die Mischung in heissem Wasserbad
warm gehalten, damit die Masse nicht ztt schnell erhärte; mit einem lang-
haarigen Pinsel wird auf die leicht benetzten Stellen, die erhöht werden sollen,
so viel Gips aulgetragen , als die Konsistenz des Breies gestattet. Selbst-
verständlich muss die zu behandelnde Holzfläche vvagerecht liegen, und deshalb
nehmen diese erhöhten Gipsverzierungen nach den abgerundeten Seiten des
Mumiendeckels hin stetig ab. Die Fortsetzung der Arbeit bestand 5. in der
Bemalung der weissen Gipsmasse sowie aller übrigen Figuren u. s. w. mit der
blauen, roten, grünen und schwarzen Farbe. Zum Schluss folgte 6. der
Firnisüberzug.

Auf diese Weise wurden sehr reich dekorierte, mitunter sogar überladen
erscheinende Arbeiten ausgeführt.

In dem für die Geschichte der Maltechnik besonders lehrreichen und
reichhaltigen archäologischen Museum zu Florenz befindet sich ein überaus
schön verzierter Sarg, bei dem die zahlreichen reliefartigen Verzierungen
vergoldet waren, wodurch eine entzückende Wirkung erzielt ist.

Naturgemäss mussten auf Zeiten der Höhe auch wieder Zeiten des
Verfalles folgen. Sie verraten sich atif unserem Gebiete in mannigfachen
Uebertreibungen; die Ornamente werden unruhig, die Einteilung der einzelnen
Bilderreihen durch schräg nach aufwärts oder abwärts angeordnete geflügelte
Symbole verwirrt, die plastischen Erhöhungen durch gleiche Wiederholung
derselben Motive um ihre Wirkung gebracht, und in der Farbengebung tritt
mitunter Buntheit oder Monotonie ein.

4. Periode. Neuerungen in koloristischer Beziehung.

Wie lange sich die oben geschilderten Arten der Ausschmückung er-
halten haben, lässt sich schwer sagen. Sie mögen sich in einzelnen Städten
des Landes länger erhalten haben, in anderen aber wieder durch neuere
Methoden verdrängt worden sein. Die nun folgende Periode kennzeichnet
sich durch das Auftreten koloristischer Neuerungen, hauptsächlich durch die
Ausfüllung des Grundes mit roter, blauer oder grüner Farbe. Dadurch
erscheinen die F’iguren hell auf dunklem Grund, während früher durch
die Ausfüllung der Umrisse mit Farben die umgekehrte Wirkung erzielt
wurde. Diese Neuerung kann als ein völliger Umsturz des früheren Systems
bezeichnet werden, da es der alt-nationalen Tradition ganz fremd ist. Es
liegt demnach die Vermutung nahe, dass sich hier ausserägyptische Einflüsse,

— 17 —

etwa assyrische oder griechische, geltend gemacht haben müssen. Jedenfalls
war durch die vielfachen Kämpfe mit den assyrischen Königen und dem
schliesslichen Durchdringen der assyrischen Machthaber die Möglichkeit dazu
gegeben, umsomehr als dann endlich auch mit griechischer Hilfe Aegypten
von der Fremdherrschaft befreit wurde. (S. 4 Note 2.)

In Beziehung auf den Stil ist nach der obengenannten Neuerung keine
erhebliche Aenderung zu bemerken; aber es kommt eine grössere Ruhe in
die Komposition; während früher die Figuren vereinzelt nebeneinander tmd
übereinander gestellt sind, treten sie jetzt wirkungsvoller in Erscheinung.
(S. die Figur auf Abbild. 2 oben.)

Jetzt werden auch hellfarbige Figuren oder Symbole direkt auf dunklen
Grund gemalt, und die schwarze Farbe, die bisher nur als Umrandung ge-
dient hatte, tritt in breiten Flächen, wieder mit hellgelben Hieroglyphen be-
deckt, als neues Glied in die Farbenkomposition ein.

Mit dem Einsetzen der koloristischen Epoche, wie ich sie nennen
möchte, kommen auch noch andere technische Erfahrungen zur Geltung, die
von ausserägyptischem Einfluss zeugen. Ebenso wie in der Wandmalerei die
technische Tradition durch griechische Handwerker neue Impulse bekam
(s. oben S. 9) , werden auch bei der Ausstattung der Mumiensärge und
anderer Holzgegenstände (Grabstelen, kleiner Kästchen u. a.) Verbesserungen
in der Grundierung, den Bindemitteln und der Firnisbereitung sehr bald Ein-
gang gefunden haben. Von jetzt ab werden die Farben intensiver, leuchtender
und die allgemeine Erscheinung der Malerei überhaupt glänzender. Man be-
gnügte sich nicht mit dem Glanz, den der Firnis der Malerei verleiht, sondern
man glättete die Malerei selbst.

Auf diesen Umstand wurde ich durch die auf Abbildung 2 (oberste
Figur) gegebene Kopie des Oberteils einer Votivtafel aus der Zeit von etwa
550 v. Ch. im Wiener Hofmuseum (Saal V, Kasten X, Nr. 68, Invent. Nr. 5073)
aufmerksam, welche in der äusseren Erscheinung einem geglätteten Steine
ähnlich war. Die Farben sind viel durchsichtiger und leuchtender, als auf
anderen Holzmalereien, so dass ich diese Wirkung anfangs dem vermeintlich
verwendeten Stein zuschrieb. Erst als der Kustos des Museums, Herr Dr.
Alex. Dedekind mit liebenswürdiger Zuvorkommenheit das Objekt aus der
Vitrine nahm, erkannte ich meinen Irrtum. Das etwa 6cm dicke Holzbrett
zeigte sich von allen Seiten mit einer kreidigen und glatten Schicht über-
zogen, auf welcher die Farben durchsichtig und wie lasiert erschienen.
Durch einschlägige Versuche kam ich darauf, dass die blosse Glättung der
Malerei einen starken Einfluss auf die Farben Wirkung auszuüben imstande
ist. So lassen sich mit Eigelb oder dem ganzen Ei angeriebene Farben auf
entsprechender Unterlage von geleimtem Gips mit einem Glättstein aus
Achat, wie ihn unsere Vergolder benützen, mehrere Tage lang nach dem
Auftrag glätten , und noch leichter ist dies zu bewerkstelligen . wenn dem
Gipsgrund eine geringe Menge einer fettigen Substanz (z. B. Venetianer Seife
d. h. verseiftes Olivenöl oder etwas trocknendes Oel) beigegeben wird. Bei
den erwähnten Versuchen (Nr. 4 meiner Kollektion nach dem Original im
Wiener Hofmuseum) wurde der gleiche Effekt mit sog. punischem Wachs
erzielt, welches in ganz dünner Schicht auf den Gipsgrund aufgetragen
worden war. Bei neuerlicher Untersuchung des Originales fand ich die Ober-
fläche mit einer weisslichen Ausschwitzung bedeckt, die nach Befeuchten mit
genässtem Finger verschwand, und dabei, wie sich herausstellte, alkalisch
reagierte.

Die gleiche Erscheinung zeigt eine ähnliche Stele (ebenda Nr. 63), und
demnach ist es nicht unwahrscheinlich, dass bei diesen Stücken ein durch
Alkali verseiftes Oel oder punisches Wachs verwendet wurde. 11 ) In unserem

«) Bezüglich des panischen Wachses sei auf den Abschnitt über „Ganosis» ver-
wiesen. Vorläufig möge erwähnt sein, dass im Altertum zur Verseifung Pottasche,
i. e. kohlensaures Kali (Nitrum bei Plinius) verwendet wurde.

2

— 18

feuchten Klima kommt das überschüssige Alkali dann auf der Oberfläche als
grauer Ueberzug zur Erscheinung ; es schwitzt aus, wie wir sagen.

Noch auffallender machte sich ein ähnlicher Vorgang an einer mit Malerei
bedeckten Holzurne (im Besitze des Herrn Akademiedirektors v. Löfftz,
München) bemerkbar. Diese wurde nämlich in vollkommen intaktem Zu-
stand vom Maler Bauernfeind in Aegypten erworben; der bekannte
Orientmaler hielt sich auf der Heimreise noch mehrere Wochen an der Küste
von Palästina auf und bemerkte zu seinem Erstaunen, dass der anfangs ganz
trockene Ueberzug der Urne „ins Laufen» kam und sich durch die Feuchtigkeit
der Luft erweichte; dadurch hatte die Malerei natürlich arg gelitten, so dass
jetzt einzelne Stellen ganz runzelig aussehen. In diesem Falle mag vielleicht
die allzureichliche Beigabe von Honig die Ursache gewesen sein; denn eine
Untersuchung des Bindemittels ergab keinerlei Zeichen von Anwesenheit einer
alkalischen Substanz.

5. Kaschier ungen mittels Leinwand.

5. Periode. Als eine weitere Neuerung ist zu betrachten die allgemeinere An-

wendung von kaschierter Leinwand, die jetzt nicht mehr als Hilfsmittel

für den Holzuntergrund , sondern als selbständiges
Material zur Herstellung ganzer Mumiensärge
oder zur Ausschmückung der im Inneren des Holz-
sarges und der mit Masken versehenen Mumien dient.
Anfänglich wurde wohl nur die Mumienmaske und der
Halsschmuck aus kaschierter und bemalter Leinwand
hergestellt, schliesslich ging man aber zur Fabrikation
des Sarges selbst über. Derartige Stücke bestehen
aus lauter aufeinandergeleimten Leinwandschichten,
deren oberste Lagen wieder mit Gips überzogen und
im übrigen genau so behandelt wurden , wie die aus
Holz gearbeiteten Särge. Ueber einer festen Unterlage
geschichtet, nehmen die in heissen Leim getränkten
Leinenstücke beim Trocknen die darzustellenden äusse-
ren Formen willig an, genau so wie auch heute noch
die Karnevalsmasken über der Holzform gefertigt
werden.

Eine besonders schöne Variante dieser Art ist
in Nr. 5a meiner Kollektion nachgebildet (s. Abbild. 4).
Das Original (ein Teil eines Sargdeckels) ist aus lauter
aufeinandergeleimten Leinwandstücken gefertigt; gegen
10 Lagen von Leinwand bilden den vollkommenen
festen und harten Deckel. Die oberste Lage ist ver-
gipst, darauf eine zweite vergipste Leinwand mit aus-
geschnittenen Figuren und Ornamenten, als
ob das Ganze flach reliefiert wäre. Auf der
Oberfläche ist der glänzende gelbe Firnis bemerkens-
wert, welcher die Farben ungemein brillant erscheinen
lässt.

Kaschierte Masken wurden vielfach über die mit
Leinenstreifen umwickelte Mumie gestülpt und der
Hals- und Brustschmuck ebenso aus vergipster Lein-
wand gebildet oder ausgeschnitten. So entstand ein
einfacher, leicht herstellbarer Ersatz für die reichen
Perlenketten und Zierate der früheren Perioden. In
dieser Art findet man vielfach sehr zierlich ausgeführte
Kaschierungen, teils in Form des rund um den Hals gelegten Kragens , teils
in Form von mit den geflügelten Symbolen geschmückten Bändern oder von
Amuletten, auf denen wieder die auf die Wanderung der Seele zur Unterwelt
bezüglichen Szenen gemalt sind.

Abbild. 4.

Teil eines Mumieiisarges ans
kaschierter Leinwand mit ro-
liefartig ausgeschnittenen.ver-
ffipsten Figuren. Etwa 700 v.
Oh. (Original in Privatbesitz).

— 10 —

Die bereits kurz erwähnte Vergoldung einzelner Teile der Aus-
zierung unterstützt auch bei dieser Art die zur reichen Erscheinung der
Kaschierungen angebrachten Ornamente und das figurale Beiwerk. Ja, selbst
grössere Partien, wie das ganze Gesicht und umfangreichere Teile des Brust-
schmuckes, finden sich mit Vergoldungen versehen. Derartige Vergoldungen
sind mit besonderer Sorgfalt hergestellt und erregen oft durch ihre ausser-
ordentlich gute Erhaltung den Zweifel, ob sie wirklich älteren Datums seien. ‘-‘)

Was nun die Technik der Vergoldung betrifft, so haben wir es hier
stets mit der sogenannten Glanzvergold ung zu tun, d. h. die feingeschlagenen
Goldblätter wurden zunächst mit einem Bindemittel (wie dünnes Leimwasser
oder Eiklar) befestigt, und die Oberfläche nach dem Trocknen mit einem glatten
geschliffenen Stein (Achat) oder geeignetem harten Gegenstand (Hunds- oder
Eberzahn) geglättet. Um diese Manipulation ausführen zu können, muss der
Untergrund noch eine gewisse weiche Konsistenz haben, also noch frisch genug
sein, oder aber durch geeignete Beigaben länger traktabel erhalten bleiben.
Die oben (S. 16) erwähnten vergoldeten plastischen Erhöhungen sind in
gleicher Weise ausgeführt, wobei aber eine Glättung noch nicht bemerkbar ist.

Die geglättete Vergoldung ist ein Merkmal der von Maspero als
„griechisch» bezeichneten Periode (um 600 v. Gh.).

6. Realistische Periode der ägyptisohen Malerei.

Im weiteren Verlaufe der Entwicklung spricht sich das Verlangen & Periode,
nach grösserer Naturwahrheit immer mehr aus. Diese Bewegung mag
von der Bildhauerei beeinflusst worden sein , die schon in früheren Perioden
deutliche Anläufe zum Realismus zeigte. In plastischen Darstellungen ist die
ägyptische Kunst bekanntlich früher zur Reife gelangt als in der eigentlichen
Malerei, die im einmal festgestellten Schema zu ersticken drohte. Durch die
Plastik sehen wir die Malerei befruchtet, wenn z. B. ein Schnitzwerk bemalt
werden sollte, und wie realistisch in dieser Art vorgegangen wurde, zeigt die
Abbildung 5 nach einem Mumiensargdeckel des Berliner Museums (etwa
1250—1150 v. Gh.). Je näher der hellenistischen Zeit (300 v. Ch.), desto
mehr verwarf man das althergebrachte Schema und begann ein der Wirk-
lichkeit näher kommendes Verfahren der Bemalung, vor allem des Kopfteiles
der Mumien; die Hautfarbe wird mehr charakterisiert, oft auf ganz dünner
Gipsschicht auf die Mumienhülle selbst aufgemalt , auch wird die Mumien-
umhüllung selbst mit Bemalung geschmückt, wobei man aber immer mehr die
alte Darstellungsart vernachlässigte. Während in früheren Perioden der Mu-
mienschmuck gesondert auf kaschierter Leinwand an der Mumie befestigt
wurde, ist jetzt eine Trennung nicht mehr im Gebrauch: Mumie und Mu-
mienschmuck sind miteinander vereinigt.

Zwei unter sich ähnliche Mumien dieser Art befinden sich im Albertinum
zu Dresden (aus Sakkhara stammend). In der überreichen Ausstattung er-
innern diese Bilder an byzantinische. 13 )

12 ) Maspero beschreibt einige vergoldete „Kartoimagen» in seinem genannten
„Guide» und setzt die Zeit ihrer Entstehung in die griechische Epoche (um 6(J0 v. Chr.).
So Nr. 5604 (Epoque grecque): „Momie. La masque est revetue d’un or si brillant
que les visiteurs ont peine ä le croire ancien. La momie est celle de Peteharpokhrate,
fils de Psametik; eile est enveloppee d’un cartonnage ä tond rouge, sur lequel est
peint en bleu l’imitatioo d’un reseau de perles analogue ä celui de la momie thebaine
(Nr. 3967).»

Ein Beispiel von kaschiertem Mumienschmuck wird in Nr. 1264 der gleichen
Zeit, ebenfalls aus Saqqarah stammend, beschrieben: „Toile stuquee et peint.
La momie, une fois revetue de ses bandelettes, recevait une certaine quantite d’orne-
ments en toile stuquee et peinte. C’etait generalement la reproduetion des ornements
reels , qu’on devait deposer avec eile, un collier, des figurines, des scaraböes, des
sandales. Le collier en toile tenait Heu du collier reel (nomine Onoski) i et eoutaii
moins eher.»

13 ) Maspero, Guide Nr. 5613:

„Epoque byzantine (Saqqarah): Le corps est enferme dans une envoloppe en
toile et en cuir cousu, dont les attaches sont maintenues par des sceaux eneure in-

2*

— 20 —

Die Malerei ist temperaartig aufgemalt, wobei nur eine leichte Grundierung
der Leinwand bemerkbar ist. Gips ist nur zur Erhöhung der ungemein ab-
wechslungsreichen plastischen Zierate mit dem Pinsel aufgetragen und die
Vergoldung glänzend geglättet. Gleichzeitig mit dieser Form der Mumien-
umhüllung scheint aber immer noch die althergebrachte Kaschierung beibehalten
zu sein oder vielmehr sie hat ebenfalls die realistische Tendenz mitgemacht.
Bis zu welch’ hohem Grade der Vollendung schliesslich diese Kunst zu Beginn
unserer Zeitrechnung gelangte, beweist die hier nach dem Kataloge der ägypti-

Ahbild. 5.
Geschnitzter, realistisch be-
malter innerer Deckel eines
Mumiensarges. Etwa 1250—
1150 v. Ch. (XX. Dynastie).
Original im Berliner Museum.

Abbild. 6.
Realistisch kaschierte und
bemalte Mumienhülle einer
graeco-ägypt. Frau; Kopf
und Hals vergoldet. Um VW
n. Oh. Orig. im British Mu-
seum, London.

Abbild. 8.
Mumie des Artemidorus mit
eingefügtem Porträt. Um-
hüllung mit vergoldeten, aus
Stuck gebildeten Darstellun-
gen auf zinnoberrotem Grund.
Um 200 n. Ch. Orig. im Bri-
tish Museum, London.

sehen Abteilung des British Museum zu London gegebene Abbildung 6. Sie
gibt die Mumienhülle einer gräco- ägyptischen Frau in ganzer Figur mit
reichem Haarschmuck und vergoldeten Gesichts- und Halsteilen wieder. Das
tunikaartige Gewand, reich gefaltet gemalt, reicht bis zu den Knöcheln herab ;
von der Schulter fällt noch ein kürzerer Ueberwurf über die rechte Brust.
Arme und Hals ziert schwerer Goldschmuck. Die Realistik der durch-
scheinenden Körperform, der anmutige Ausdruck des Gesichts lässt auf gute

tacts. Sur la face superieur est p einte ä la d 6 trampe la figure de la femme en-
sevelie. Le costume, la chaussure, les bijoux sont byzantines et fort analogues au
costume des mosa’i’ques de Ravenne. Sur les genoux, ä la place oü etaient autrefois
le nom de la defunt et la priere ; Osiris, sont estampes des ügures oü l’on reconnait
un melange d’emblemes chrotiens et paiens, l’epervier d’Horus, un toreau, des ügures
nimbeos etc.» Nr. 5614. Mumie gleichen Stils.

21

Naturbeobachtung ebenso wie auf technische Vollendung bezüglich der Aus-
führung – schliessen.

Bemerkenswert ist, dass die Kasehierungsmasse grossenteils aus mit
griechischen Schriftzeichen versehenen Papyrusstüeken besteht.

Als besondere Form der Mumienmasken müssen die während der letzten
Zeiten des Heidentums, besonders im südlichen Aegypten, aufgekommenen
Terracottabüsten hier noch angereiht werden, welche man an Stelle der
Holz- oder kaschierten Maske an der Mumie befestigte.

Auch solche Terracottamasken (zumeist sind beide Hände noch mit
sichtbar) sind sehr geschickt mit der übrigen kaschierten Umhüllung vereinigt,
und alle Teile realistisch bemalt. An den Männerbüsten sind die Barthaare
sorgsam aufgemalt, bei Frauenbüsten die Gewandung in einfachen, mitunter
purpurfarbigen, Bändern geziert, auch die Bekränzungen in Purpurfarbe
scheinen auf besondere Vornehmheit der Toten hinzuweisen. (S. Originale im
Berliner Museum.)

Variante dieser Art: Die Gesichtsteile sind glänzend vergoldet, die Augen
aus geschliffenen Steinen eingesetzt.

‘errakotta-
Masken.

Abbild. 7. Muniienmaske aus kaschierter, mit Stuck überzogener Leinwand; realistisch bemalt.
Epoche der griechisch-römischen Kunstübung in Aegypten. Orig. im Wiener Hofmuseum.

Ganz .ähnliche Masken, dem Stil nach vermutlich der gleichen Periode
angehörig, wurden auch ganz aus kaschierter Leinwand hergestellt, die oberste
Lage sehr dick mit Gipsmasse aufgetragen und nach der oben geschilderten
Manier realistisch bemalt. Die äussere Erscheinung weicht von den Terracotta-
masken wenig ab. Zwei Beispiele befinden sich in der ägyptischen Abteilung
des Wiener Hofmuseums (Nr. 6608 und 6609), eine männliche und eine
weibliche Maske; die letztere ist in Abbildung 7 gegeben.

7. Letzte Periode. Mumienporträts der hellenistischen Zeit.

Aber keine Neuerung war so epochemachend wie die Einfügung
wirklicher Porträtgemälde in die Wicklungen der Mumien Umhüllung.
Da diese Porträtgemälde selbst gar keinen inneren Zusammenhang mit der boden-
ständigen ägyptischen Kunst zeigen, so ist es zweifellos importierte Kunst,
die uns in diesen Kunstleistungen entgegentritt. Es fehlt jedes Bindeglied
zwischen der auf den einfachsten Prinzipien beruhenden ägyptischen Kunst
(Ausfüllung der Umrisse mit Farben ohne Modellierung) und der in Auffassung
und Ausführung mitunter bewundernswerten Porträts dieser sogenannten

Letzte Periode.

22 —

hellenistischen Periode. Denn die ägyptische Malerei blieb selbst in
ihren besten Beispielen nichts anderes als Flächenkunst ; hier tritt mit einem-
male völlig ausgebildete Raumkunst auf, die mit den Gesetzen der Modellierung,
des Helldunkels , des Kolorits durchaus vertraut ist , und obendrein in einer
ganz neuen Technik, nämlich der enkaustischen , derselben, von der
uns griechische und römische Schriftquellen berichten.

In der äusseren Ausschmückung der Mumien bilden diese Porträts die
letzten Reste der Bemalung früherer Epochen , denn die Mumie ist nur in
Bänder eingeschnürt. Aber es finden sich auch Beispiele gemischter Art.
Die Mumienhülle ist mit plastischen Zieraten reich bedeckt, bemalt und ver-
goldet, und an der Stelle des Kopfes findet sich das gemalte Porträt ein-
gelassen. Besonders schön und prunkvoll ist eine im British Museum be-
wahrte Mumie des Artemidorus (Abbildung 8 nach Tafel XXII des Guide
of the I and II Egyptisch Rooms p. 78). Die vergipste Leinwand ist sehr
dick mit Plastik verziert und vergoldet , die Zwischenräume sind mit Zinn-
ober bemalt. 14 )

Neben dieser enkaustischen Technik sind noch Temperaarten verschiedener
Zusammensetzung von griechischen Künstlern nach Aegypten gebracht worden,
so dass die in ägyptischen Nekropolen gefundenen Mumienporträts ein Museum
für die Geschichte der griechisch-römischen Maltechnik bilden, wie es Griechen-
land selbst uns kaum besser hätte hinterlassen können. In dem Abschnitt
„Enkaustik» wird über die einzelnen Entwicklungsstadien dieser Mal weise ein-
gehender zu handeln sein.

3. Farben der Aegypter.

Farben. Wenn man sich den immensen Verbrauch von Farbstoffen vergegen-

wärtigt, die von den alten Aegyptern zur Verzierung aller ihrer religiösen und
privaten Bauten und Gegenstände benötigt wurden, so ist man dennoch über-
rascht, dass sie sich, sowohl während des zweiten Reiches der Pharaonen
und unter den Lagiden wie in der ersten Periode der ägyptischen Zivili-
sation, mit nur wenigen Farben begnügten. Der Grund hiefür mag in dem
Umstände zu suchen sein, dass alle Farben für die Aegypter eine symbolische
Bedeutung hatten, und deshalb deren Anwendung für religiöse Zwecke des
Totenkultus von vornherein ein für allemal vorgeschrieben war. Aber auch
vom rein materiellen Standpunkt aus betrachtet, war der Umfang des Farben-
materiales besonders für Wanddekorationen beschränkt, weil auf den mit Kalk-
tünche überzogenen Steinwänden (man bedeckte schon in den ältesten Zeiten
die porösen Sandsteine mit Kalkmörtel, um einen geeigneten Untergrund für
Malerei zu schaffen) nur mineralische Farben anwendbar waren. Ebenso
waren die Reliefs und andere skulpierte Dinge, wie Kapitale, Säulen, mit
einem solchen Ueberzug versehen, der bezweckte, die weiteren farbigen Aus-
schmückungen zu erleichtern. Die Palette der alten Aegypter ist demnach
sehr gering: Rot, Blau, Gelb, Weiss und Schwarz sind die Hauptfarben.
Grün ist, wenigstens im alten Reich, seltner verwendet worden. In den
Zeiten der Pharaonen besteht für Rot, Blau und Gelb entschiedene Vorliebe,
während auf Bas-reliefs der ptolemäischen Zeit wieder Blau und Grün vor-
herrschend sind.
Ir^F^b n d 61 r Nach den Untersuchungen, die Merimee über die Farben der alten

aiumAegypier. Aegypter im Anhang des Catalogue raisonne et historique der Sammlung

unter

u ) Maspero beschreibt eine ähnliche Mumie der griechisch-römischen Epoche
Nr. 5607 des „Guide»: (Ep. greco-romaine.) „Cercueil de la dame Terbosti, iille
de Tattiosiri. Couvercle plat. Type de momie assez rare: Elle est doree des pieds
ä la tete; au lieu du masque , eile avait, comme les momies de la famille de Soter
au Louvre, une plaque en bois mince, sur laquelle etait peint ä l’encaustique le portrait
de l’enfant. La main gauche ramenee sur la poitrine tient une figure d’oiseau, pro-
bablement un moineau familier qui avait appartenu au potit mort.

— 23 —

Passalaoqua (Paris 1826, p. 258 u. f.) veröffentlicht hat, sind hauptsächlich
die folgenden im Gebrauch gewesen:

„1. Gelb. Davon sind zwei Arten zn unterscheiden; erstlich ein sehr
häufig angewandtes Gelb, das nichts anderes ist als heller gelber Ocker, wie
er in eisenreichen Gegenden reichlich gefunden wird; zweitens ein leuchtenderes
Gelb, das Schwefelarsenik (Auripigment) zu sein scheint. Diese Farbe kann
künstlich erzeugt werden , findet sich aber auch in der Natur als Mineral.
Dies Urteil gründet sich nur auf die äussere Erscheinung, und es ist nicht
ausgeschlossen, dass diese gelbe Farbe eine dem Neapelgelb ähnlich bereitete
Glasfritte sein kann, deren Herstellung den alten Aegyptern bekannt war.»

„2. Rot. Das auf den Malereien angebrachte Rot ist (wenigstens zum
weitaus grössten Teil) -roter Ocker, den die Natur in grossen Mengen liefert,
oder der durch Brennen des gelben Ockers erhältlich ist. Das Stück roter Farbe
(Nr. 562 der Kollektion Passalacqua) ist roter Ocker von weniger schöner
Färbung als das Englischrot oder der rote Ocker des Handels. Auch be-
richtet Vitruv, dass aus Aegypten sehr schöner roter Ocker bezogen wurde.
Dass auch Zinnober angewendet wurde, ist nicht unmöglich, da diese Farbe
in Indien seit den ältesten Zeiten bekannt war und die Aegypter auf dem
Handelswege sich solchen beschaffen konnten. Zinnober ändert sich an der
Luft und scheint dann nicht lebhafter als roter Ocker; deshalb würde nur
eine chemische Analyse das Vorhandensein beweisen können.»

„3. Blau. Dieses Blau, wovon eine ziemliche Menge in pulverisiertem
Zustande vorhanden war (Kollekt. Nr. 561), ist so leuchtend wie Ultramarin
und ist eine bemerkenswerte Probe der altägyptischen Industrie. Es ist eine
Art von Aschenblau (cendre bleu, künstl. Bergblau), das den jetzt erzeugten
weit überlegen ist, da diese durch Feuer, Säuren und Alkalien angegriffen
werden und auch an der Luft veränderlich sind, während das ägyptische Blau
allen diesen Reagentien widersteht und seine Farbe nach mehr als drei Jahr-
tausenden erhalten hat.»

„Theophrast schreibt die Entdeckung dieser blauen Farbe einem ägypti-
schen Könige zu und erwähnt, dass sie in Alexandria hergestellt wurde.
Vitruv berichtet, dass Vestorius die Bereitungsweise nach Italien brachte und
dass das Blau in Pozzuoli bereitet wurde, indem man gestossenen Sand,
Kupferfeile und Lauge (flos nitri), d. h. Natron oder kohlensaures Kali, zu-
sammenmischte und in Kugelform dem Töpferfeuer aussetzte. (Vitr. VII, 11, 1.)»

„Davy, welcher die Farben alter Malereien in Italien mit grosser Sorgfalt
untersuchte, versichert ein ähnliches Blau erhalten zu haben, indem er 15 Teile
kohlensaures Natron, 20 Teile pulverisierte Kieselerde und 3 Teile Kupferfeile
zwei Stunden lang sehr stark erhitzte (d. h. glühte).»

,, Die Aegypter erzeugten sehr viel Schmuck aus Lapis lazuli; sie mussten
demnach wissen, dass dieser Stein, zu Pulver gerieben, eine schöne blaue
Farbe gibt; vermutlich wurde diese Farbe von einzelnen Malern gebraucht;
aber da das Material zu kostbar ist, um allgemein angewendet zu werden,
mag man davon abgesehen haben, umsomehr als man reichlich mit einem
ähnlich brillanten Blau versorgt war.»

„Nicht so sicher ist es, ob sie Indigo anwendeten; die Aegypter kannten
ihn wohl, da sie ihn in der Färberei gebrauchten; so werden sie ihn auch
zur Malerei benützt haben.»

,,4. Grün. Man findet kein brillantes Grün, alle sind olivgrün.» An-
fänglich glaubte Merimee, dass dieses Grün durch eine Art von grüner Erde,
wie Veroneser Grün, das die alten Italiener und noch zu unserer Zeit Maler
verwenden, hervorgebracht sei; aber bei Untersuchung mittelst des Lötrohrs
und durch Lösung in Salpetersäure erkannte man Kupfer als färbendes
Element. „Es war auch kein Gemenge von Lichtocker und Alexandrinisch-
Blau, denn dieses Blau wird durch Säure durchaus nicht angegriffen. u

„5. Weiss. Die Erhaltung der weissen Farbe auf ägyptischen Malereien
ist sehr bemerkenswert; jedenfalls muss dieser Umstand mehr noch (.lern
Klima und den getroffenen Massnahmen zur Vermeidung der Veränderungen,

_ 24 —

als dem verwendeten Material zugeschrieben werden. Man versichert, dass
die Masse Gips ist, und die chemische Analyse hat dies bestätigt. So bleibt
demnach nur zu untersuchen übrig, ob der Gips ohne Beimischung eines
Bindemittels angewendet wurde ; dies ist wohl möglich, aber hat das missliche,
dass man nur eine kleine Menge anmischen und in kürzester Zeit verwenden
müsste. Es ist deshalb anzunehmen, dass man schon gelöschten Gips mit
einer leimartigen Masse angerührt verwendete.» 15 )

„6. Schwarz und Braun. Der bläuliche Ton dieses Schwarz zeigt, dass
es Kohlschwarz ist. Was die Braun betrifft, so könnte man sie durch Mischung
von Schwarz und rotem Ocker erzielt haben. Auch in Aegypten gibt es viele
natürliche braune r^arben ; aber es wäre von geringer Bedeutung zu wissen,
ob es bituminöse Erden oder Mischfarben sind.» 16 )
Aegypt. Ais Malerfarben, deren sich die alten Aegypter bedient haben, be-

nachjohn. zeichnet John 17 ) die folgenden, welche er an von Minutoli mitgebrachten Ge-
genständen untersuchte.

„I. Grün. Die Farbe hält das Mittel zwischen Laubgrün und Berggrün
und befindet sich auf der Mörtelmasse aus den Katakomben von Theben.
Sie brennt sich unter Entwickelung eines tierischen Geruches vor dem Löt-
rohre schwarz, dann blau. In Säuren und Ammonium verschwindet das Grün
ebenfalls und die Farbe bleibt blau zurück, welche mit Borax eine blaue
Kupferperle gibt. Durch Schmelzen der Farbe mit Salpeter erhält man eine
braune Masse, welche, mit Salzsäure aufgelöst, durch Ammonium blau ge-
färbt wird, und die ammoniakalische Flüssigkeit gibt, nach vorangegangener
Neutralisation mit Salzsäure, mittelst blausauren Eisenkalis einen kupferroten
Niederschlag. Die Farbe ist folglich durch Vermischung eines gelben Farben-
pigments und eines Kupferblau erzeugt und mit Leimwasser aufgetragen
worden.»

„II. Bläulichgrün. Die Farbe ist matt und wegen eines graulichen
Hauches nicht lebhaft. Die Farbe stammt von den kleinen hölzernen Hüllen
der Kindermumien, und es erscheinen besonders die Holzfiguren aus Memphis,
welche um die Mumien gestellt wurden, mit dieser Farbe. Die grüne Farbe
erscheint mir an den der Luft ausgesetzten Stellen grün, beim Abkratzen mit
dem Messer zeigt sie sich blau. Dieses Grün ist Kupferblau, welches durch
den Zahn der Zeit in Blaugrün umgewandelt ist.»

„III. Hell-Lazurblau aus den grossen Denkmälern und Tempeln bei
Theben, welches von Minutoli durch Abkratzen von den Wänden gewonnen,
scheint wie helle Smalte und ist, wie sich aus der Untersuchung ergibt, eine
Art Glasfritte, hauptsächlich aus Kupferoxyd, Kieselerde und Natrum, und
dieses dient als Bestätigung der Meinung, dass das alexandrinische Blau nicht
mit Kobalt, sondern mit Kupfer mittelst jener Bestandteile u. s. w. be-
reitet worden sei.»

16 ) Ausser Gips sind jedenfalls auch Kreiden oder zu Pulver gestossener Muschel-
kalk verwendet worden. Die weisse Farbe ist in den weitaus meisten Fällen nur
als Grundierung, selten als Mischfarbe gebraucht. Minutoli kritisiert in seinem
Essay „Ueber die Pigmente und die Maitechnik der Alten, insbesondere über die der
alten Aegypter» Merimees Aufstellungen als nicht erschöpfend und fügt hinzu: ,,Eine
genaue Analyse dieser weissen Farbe dürfte für den Künstler und den Archäologen
um so willkommener gewesen sein, als die Griechen und Römer bereits mehrere
Arten von natürlichem und künstlichem Weiss kannten und die alten Aegypter ihr
Parätonium hatten, das beim Orte gleichen Namens gefunden ward.» Minutoli
zieht hier die Griechen und Römer heran, er vergisst aber, dass die in Frage kommen-
den Pigmente aus einer Zeit stammen, die viel älter ist als die Kultur der Griechen
und Römer.

lß ) Hiezu bemerkt Minutoli ganz richtig, dass diese schwarzen Pigmente,
die Merimee der Analyse nicht unterwarf, ebensogut aus harzigem Russ oder aus
anderen vegetabilischen und tierischen Stoffen erzeugt sein können.

17 ) Chemische Analysen altägyptischer Farben von Prof. John,
nebst Zusätzen und einem Vorwort von Minutoli (S. 330 s. Reisewerkes).

20

„IV. Dunkel-Lazurblau von einer kleinen Kinderfigur aus Memphis.
Diese Farbe ist beinahe schwarz und besteht aus denselben Bestandteilen
wie die vorige.»

V. Bergblau von einer irdenen Figur, bei welcher die Farbe oben
auflag, sich leicht abkratzen liess und daher nicht mit eingebrannt war, ist
Kupferoxyd mit geringer Beimischung von Eisen.»

„VI. Braun vom Gesicht der auf einen Mumiendeckel gemalten mensch-
lichen Figur. Die Farbe bildet eine wirkliche dünne Rinde, die sich ablösm
lässt und hat auf der unteren Fläche, wie mitten in der Masse dieselbe Nuance.
Vor dem Lötrohr entwickelt sich tierischer Geruch; die Beimischung von
Grau löst sich dann brausend in Salzsäure etc. Folglich hat zu dieser Ge-
sichtsfarbe braunes Eisenoxyd, mit dem zur Nachahmung des den Aegyptern
eigenen braunen Teints nötigen Kreidezusatz vermengt, gedient, welcher durch
Leimwasser bindend gemacht ist.»

„VII. Ziegelrot der Freskomalerei aus den Katakomben Oberägyptens.»
Diese Analyse ist abgedruckt im Abschnitt „Wandmalerei» (S. 8).

„VIII. Braunrot von einer hölzernen Kinderfigur aus Theben. Die stark
ins Mordoreaurot gehende Farbe ist auf weissem Grunde mit Leim aufgetragen,
und erhellet aus der Untersuchung, dass auch diese Nuance wahres
Eisenoxyd sei.»

„IX. Gelb von einem Kasten aus Theben und Abydos. Die Farbe ist
sehr rein, lebhaft schwefelgelb und kommt auch auf anderen Malereien, z. B.
auf den kleinen Kästchen, die wahrscheinlich die Eingeweide der Mumien ent-
halten, vor. Die Farbe ist sehr dünn auf Kalkmasse aufgetragen und ist das
Pigment aus dem Pflanzenreiche von der Natur unseres Schüttgelb, von welchem
es sich wenig oder gar nicht unterscheidet.»

„X. Gelbe Maske aus den Katakomben Oberägyptens. Diese Maske
hat die grösste Aehnlichkeit mit den unsrigen. Auf grober grauer Leinwand
ist eine weisse Masse aufgetragen, welche mit einer schwefelgelben Farbe an-
gestrichen ist. Auch auf der inneren Fläche ist die Maske mit eben derselben
Masse überzogen. (Folgt die detaillierte chemische Untersuchung.) Wir lernen
dadurch die Art und Weise kennen, wie die Alten ihre Masken angefertigt
haben. Auf grober Leinwand trugen sie durch gelindes Brennen in äusserst
zarten Staub verwandelten Muschelkalk (wenn sie nicht etwa geschabte und
geschlämmte Kreide anwendeten), mittelst Leimwasser bindend gemacht, auf;
diesen Grund überzogen sie darauf mit einem äusserst dünnen, unsichtbaren
Gipsanstrich und letzteren bemalten sie mit gelber, wie es scheint, Pflanzen-
farbe welche ebenfalls mit Leimwasser aufgetragen wurde. Auf der inneren
Fläche der Maske ist ebenfalls ein dünner Kreideanstrich aufgetragen, und
man bemerkt hier an einigen Stellen zwischen diesem Anstrich und der Lein-
wand noch eine Lehmbedeckung.»

Schliesslich sei auch noch auf die chemischen Analysen altägyptischer -Q^^’und»
Farben von Geiger hingewiesen, die auf ein Fragment von Wandmalerei
aus dem von Belzoni entdeckten Grabe zu Biban-el-Moluk Bezug haben und
im vorigen Abschnitt (S. 8) mitgeteilt sind.

Von Analysen altägyptischer Farben ist hier noch anzureihen die Unter-
suchung von Baillif (Catalogue raisonne von Passalacqua p. 242), der in
zwei Fällen Kupfer als färbende Substanz des ägyptischen Blau fand;
und zwar erstens bei Untersuchung der blauen Farbe von der Palette mit
den 7 Farben der Sammlung Passalacqua (jetzt im Berliner Museum), und
zweitens bei Untersuchung eines kleinen Stückchens blaugrüner Farbe, die
vom Bug des ägyptischen Schiffes (Totenschiff) sich abgelöst hatte.

Prisse d’Avennes spricht von chemischen Analysen, die Girardin und
Haaxmann im Jahre 1839 an altägyptischen Farben im Museum zu Leyden
anstellten; deren Resultate sind mir jedoch nicht zugänglich.

In neuerer Zeit sind 6 Farben, die Flinders Petrie in einem Grabe von
Hawara, und zwar in nicht angemachtem Zustande, gefunden hat (jetzt im
British Museum), von Dr. Russell untersucht worden.

Baillif.

Farben eines

Grabes von

Hawara.

— 26 —

Es sind die folgenden :

1. Dunkelrot, war Eisenoxyd mit ein wenig Sand vermischt, wie gute
gebrannte Sienaerde ;

2. Gelb, Ocker, ebenfalls Eisenoxydfarbe mit wenig Alaunerde; wurde
durch Erhitzung dunkel-rotbraun;

3. Weiss, schwefelsaurer Kalk (Gips) in Form eines amorphen Pulvers ;

4. Rot (Lack), organische Farbe in einem Medium von schwefelsaurem
Kalk;

5. Blau, durch Kupfer gefärbtes Glas;

6. Rot, Mennig oder Bleioxyd, wahrscheinlich mit Alaunerde gemischt.
(Vgl. Petrie, Hawara, Biahmu and Arsinoe, London 1889, p. 11.)

Die altägyptischen Farben bestanden nach den obigen ‘Ausführungen
aus natürlichen und aus künstlich hergestellten. Die natürlichen waren: Weisse
Kreiden, Gips, Ocker (gelber u. roter), Zinnober, vielleicht auch natürliches
Braun (Umbrabraun) ; künstlich erzeugt waren Blau durch Herstellung
der blauen Glasfritte, ein Pflanzengelb (Extrakt von Gelbbeeren), Braun
aus Sepia, Schwarz aus Russschwarz. In späterer Zeit wurden auch die
kostbaren Purpur bekannt, ebenso auch andere künstliche Farben griechischer
und römischer Fabrikation.

Was das Violett betrifft, so behauptet Champollion (Lettres d’Egypte et
de Nubie p. 130), dass eine solche Farbe im Altertum keine Bedeutung
gehabt habe. Wo man sie ausnahmsweise antreffe, z. B. auf Basreliefs,
bedeute dies nur, dass der heute violett erscheinende Teil früher vergoldet
war. Dieser Ton komme, sagt er, von der Beize oder Mixtion her, die auf
die zu vergoldenden Stellen der Bilder aufgetragen wurde.

Dass diese Ansicht den tatsächlichen Umständen nicht entspricht, braucht
wohl kaum besonders bemerkt zu werden. Im Altertum wurde Violett d. h.
Purpurviolett viel zu sehr geschätzt, als dass man es zur Unterlage oder
Beize (!) verwendet hätte. Die Beize für Gold bestand vielmehr aus Eiklar
oder Leim, nach Befinden mit rotem Ocker vermischt.
Firnis – Firnis. Der auf Mumienhüllen sichtbare Firnis erscheint jetzt sehr gelb,

jedenfalls gelber als zur Zeit des Auftrages; denn alle Harze und fetten Körper
vergilben mit der Zeit, und das um so merklicher und schneller, wenn sie an
dunklen Plätzen aufbewahrt werden. Mitunter sieht man solche Firnisaufträge
sehr dick oder auch ungleichmässig geraten, was auf eine dickflüssige Kon-
sistenz derselben schliessen lässt, und oft. erscheinen sie in entschieden
goldgelbem Ton. Es hat deshalb den Anschein, als ob hiezu schon an sich
gelbe Harzsorten, wie es die orientalischen Gummi-Harze vielfach sind, gedient
haben. So etwa Gummi Galbanum, Storax, Aloeharz und ähnliche. Nebst
flüssigen Balsamen und anderen natürlichen Harzen dienten diese Firnisse als
Ueberzug.* Wenig wahrscheinlich ist es , dass die alten Aegypter auf die
Far blosigkeit des Firnisses ihr Hauptaugenmerk gerichtet hätten, denn
ihre Malerei war keine Naturnachahmung, sondern einfach angewandte Flächen-
dekoration; der goldgelbe Firnis war mithin von vornherein bezweckt.

Merimee (a. a. 0. p. 262) vermutet, dass die Perser schon frühzeitig
die Lösbarkeit der Harze in Naphtha kannten und dass diese Erfindung durch
sie nach Aegypten gelangt sein könne. Wahrscheinlicher ist es, dass sie
Harze und Balsame in Oelen auflösten, wie es auch Plinius von allen Harzen
erwähnt (XIV, 25: Resina omnis dissolvitur oleo). Prisse d’Avennes glaubt
sogar, dass die ägyptischen Maler transparente und ungefärbte Firnisse ihren
Farben beimischten, wie es in späterer Zeit die Griechen (Byzantiner)
taten. Mit Hilfe dieses Firnisses führten sie Lasuren aus, z. B. am Grabe
des Aichesi auf dem königlichen Palankin eine blaue Lasur über gelbem
Grund, wobei die Figuren ausgespart sind (p. 291).

Im Wiener Hofmuseum (Saal IV, Fensterschrank VI) befindet sich ein
kleines Stück Malerei auf Sykomorenholz , das auffallenden Glanz zeigt,
vermutlich aus spätägyptischer Zeit stammend. Die dargestellte Figur (mit
den typischen geflügelten Armen) ist in dicker Schicht erhöht und erstlich

27 —

mit glänzender gelber Farbe bemalt, darauf stehen rote Konturen und darauf
Hellgrün sowie Blau ron so konsistenter Erscheinung, dass man dies tat-
sächlich für Firnisfarbe halten könnte.

Prisse (a. a. 0.) bemerkt, dass viele Mumienmasken auf Holz oder
Kartonnage in enkaustischer Art (mit Wachs in Naphtha gelöst) bemalt worden
seien, aber der Zeitpunkt, von wo ab dies der Fall war, sei unentschieden.

Malgeräte. Es bleibt noch die Frage zu erörtern, welche Art von
Malgerätschaften die Aegypter bei ihrer Malerei benützten. Dass sie ihre
Farben in verschiedener Weise gebrauchten, lässt sich aus einigen erhaltenen
Wandmalereien schliessen, die den Maler bei der Arbeit darstellen. Auf
einer solchen sehen wir die Maler beschäftigt, eine Statue und einen Altai-,
vermutlich mit Hieroglyphen, zu verzieren. In der rechten Hand hält der
Maler den stilartigen Pinsel, in der linken ein Farbenbehältnis oblonger Form :
wie es scheint, ist damit eine der unten beschriebenen Holz-Paletten gemeint,
die hier ohne Verkürzung dargestellt ist. Auf einem anderen Bilde sind
mehrere Maler bei der Arbeit, wobei der eine ein Gefäss in der linken
Hand hält, in dem sich offenbar eine Flüssigkeit befindet. Derartige Töpfchen
finden sich, noch mit Farben gefüllt, in manchen Museen, z. B. im Wiener
Museum aus Steingut, desgleichen im British Museum. Im Berliner Museum
(Nr. 4700 Sammlung Passalacqua) ist ein Farbenkasten mit 6 Töpfchen (grün,
braun und schwarz noch deutlich erkennbar) aufbewahrt.

Malgeräte.

Abbild. 9. Aegypt. Schreib- und Malgeräte. Orig. im Berliner Museum.

Obschon die Erfindung des Pinsels so nahe liegt, dass sie den Aegyptern
wohl kaum hat entgehen können, so hat Passalacqua doch keinen solchen
gefunden. Bei dem Schreibzeug mit zwei Farben (rot und schwarz) waren
zwei kleine Stiele von der Grösse einer Rabenfeder; die Palette (Nr. 551 der
Sammlung Passalacqua) mit den 7 Vertiefungen für ebensoviel Farben war
auch mit sieben den obigen ähnlichen Stielen versehen. Passalacqua hielt
sie für Federn oder Pinsel zum Schreiben und Malen. „Anfänglich, sagt
Merimee, „schien mir diese Voraussetzung nicht zulässig und zur Probe
schnitt ich eine dieser kleinen Stiele an der Spitze ab, tauchte das Ende in
Wasser, ohne davon überzeugt zu sein, dass man mit einem derartigen In-
strument Striche von der Art, wie man sie auf Mumienhüllen sieht, machen
könnte. Solche Striche scheinen schnell gezogen, sie sind völlig oder dünn, je
nachdem der Strich mit geringem oder stärkerem Druck geführt ist. Zu meiner
grossen Ueberraschung bildete der kleine Stiel, der mir wie eine Art Binse
erschien , durch die Teilung seiner Fasern einen Pinsel. Dieser Pinsel hatte
nicht die Elastizität der unseren, aber es war zu bedenken, dass durch die
Länge der Zeit gar viel von seiner ursprünglichen Kraft verloren gegangen
sein musste. Sache der Naturforscher wäre es, unter den in Aegypten

— 28 —

wachsenden Binsenarten eine herauszufinden, deren kleine faserige Stengel
sich zum Pinselgebrauch eignen würden.»

Zum Bemalen von Papyrus oder zum Aufzeichnen der Konturen von
Hieroglyphen mögen derartige Binsen wohl getaugt haben; und die genannten
Geräte sind wahrscheinlich auch vielmehr Schreib- als Malgeräte gewesen. Für
die Bemalung von Flächen, für Grundierungen, zur Wandmalerei in grösserer
Ausdehnung werden wohl auch wie heute Pinsel mit Borsten oder Tierhaaren
erzeugt worden sein.

Die hier (Abbild. 9) vorgeführten Malgeräte des Berliner Museums zeigen
die Anordnung der Farben und den Raum zum Aufbewahren der Binsenstiele.
Das kleinere Schreibgerät enthält nur die zwei Farben rot und schwarz. Das
obengenannte grössere, aus der Sammlung Passalacqua stammend, hat ähn-
liche Anordnung : die Räume für die Farben sind vertieft und die freibleibenden
Flächen sind reich mit eingeschnitzten Hieroglyphen geziert. Die Reihenfolge
der Farben von oben nach unten ist: 1. weiss, 2. gelb, 3. (nicht erkennbar),
4. blau, 5. rot, 6. und 7. schwarz. Allem Anschein nach ist dieses Gerät
nicht für den Gebrauch bestimmt gewesen, sondern zum Zeichen der Ehrung
dem Toten beigegeben worden.

29

II. Die Maltechnik im alten Assyrien. Persien und Ostasien. 18 )

Von Herodot (1 , 98) wird uns überliefert, dass die Meder eine Königs-
burg mit sieben Ringmauern gebaut haben , und dass die Zinnen dieser
Ringmauern verschieden gefärbt waren, die der ersten weiss, der zweiten
schwarz, der dritten purpurn, der vierten blau, der fünften orangerot; die
der vorletzten waren versilbert, die der letzten innersten vergoldet.

An diese offenbar symbolische Anordnung 10 ) wurden Layard und Place
bei den Ausgrabungen zu Khorsabad erinnert, da sie vier noch erhaltene
Stockwerke an einer Tempelruine, welche Place das „Observatorium»
nennt, mit verschiedenen Farben bemalt fanden. Die Stockwerke hatten die
gleiche Höhe von etwa 6 Metern , und wie man während der Ausgrabung
noch bemerken konnte, war das erste Stockwerk weiss , das zweite schwarz,
das dritte rot, das vierte weiss angestrichen. Wie vermutet wird, war dieser
Turm ebenso sieben Stockwerke hoch und werden die Färbungen der obigen
Reihenfolge entsprochen haben (das Weiss des vierten Stockwerkes als ver-
blasstes Blau gerechnet). Wenn man sich diesen „Turm mit sieben Stock-
werken, diesen Tempel der sieben irdischen Leuchter», dessen Wiederherstellung
in grösster Pracht sich Nobuchodonosor rühmte , vorstellen will , so kann
es nur in der Weise geschehen, dass man die Farben wie bunte Bänder von
gleicher Höhe und in der symbolischen Reihenfolge der Färbung übereinander
angebracht sein lässt. Nach der Meinung der genannten Forscher wären
auf dem die Ziegeln bedeckenden Stuck diese Farben und Ornamente
durch Sonne und Regen mit der Zeit unscheinbar geworden und nach Bedarf
wiederholt erneuert worden. Aber auch im Innern verlangte die Ausstattung
die malerische Hebung der Architektur durch Farben , die wahrscheinlich ä
tempera aufgetragen wurden; sie haben sich leider nur in geringen Resten er-
halten. Im Verlaufe der Ausgrabungen fand Place vielfache Spuren dieser
„Fresken», und hauptsächlich in Räumen, deren untere Mauerflächen mit
Basreliefs geschmückt waren (Layard, Nineveh I p. 136; Place, Nineveh II
p. 80-81). Aber die Farben, die bei der Aufdeckung der Stuckteile noch
sehr lebhaft erschienen, verblassten an der freien Luft sehr bald und die Stücke
zerfielen zu Staub. Nur mit grösster Mühe gelang es Place einige dieser Ma-
lereien in den Stand zu bringen, um sie zu kopieren. Nach den Beispielen. JJj»jgS£.
die er gibt, wechselten menschliche Figuren mit reinen Ornamenten, wie Bän- Wandmalerei.
dern, Palmetten und Rosetten. Die verwendeten Farben waren schwarz, grün,
rot und gelb; der weisse Grund, auf den die Farben gesetzt waren, bildete
als fünfte Farbe die Hautfarbe. Auch Layard hat einige Fragmeute solcher
Wandmalereien veröffentlicht; es sind einfache ornamentale Bänder in gelber

18 ) Litteratur: Layard, Monuments of Nineveh, London 1849 und 1853.
Perrot et Chipiez II. Paris 1884.

Place, Nineve et l’Assyrie, Paris 1867—69.
Semper, der Stil II, p. 324 f.

19 ) Die Siebenzahl war geheiligt und im alten Chaldäa als glückbringend ver-
ehrt; von da stammt auch die Einteilung der Woche in 7 Tage als Folge des Kultus
der 5 Planeten nebst Sonne und Mond.

30 —

Inkrustation

mit glasierten

Ziegeln.

oder blauer Farbe mit kleinen anschliessenden Bordüren von roten und blauen
Querstreifen, die durch eine weisse Linie von dem Mittelhände getrennt
werden. In einem reichen Ornamente finden sich die gleichen Farben und
ebenso in einem mit zwei gegenüber gestellten Stieren verzierten Bandstreifen ;
die Körper der Tiere sind weiss, mit einer schwarzen Kontur umzogen, auf
einem hellgelben Grund ; die Zinken, die die Komposition bekrönen, sind von
schöner dunkelblauer f^arbe. Auf den oberen Wandparlien angebracht, konnte
diese Malerei sich lange Zeit erhalten. Place glaubt annehmen zu sollen,
dass die inneren Laibungen der Gewölbe in gleicher Weise ausgestattet waren ;
denn diese Teile, die keine sehr reiche Ausstattung erhalten sollten, konnten
in Temperamanier ausgeführt werden. George Smith (Assyrian discoveries
p. 77-78) fand einfache Farbenbänder in Räumen, deren untere Partie aus
Steinplatten bestand, auf diesen selbst aufgemalt.

In der assyrischen Dekorationsweise musste der Maler zugleich darauf
bedacht sein, seine Farben mit den Details der skulpierten Friese in Ueber-
einstimmung zu setzen, denn die reichen Reliefs wurden gleicherweise farbig
verziert. So hatten Bart, Haare und Augenbrauen schwarze Färbung,
während das Rot und Blau dazu dienten, einzelnes Beiwerk, wie die Franzen
der Gewänder, die Waffengehänge und Blumen, die die Figuren trugen, vom
Grund zu trennen. Es war eben nötig, dem ganzen Räume durch Färbung
der Reliefs in Harmonie zu bringen; sonst wäre der graue kalte Ton des
Alabasters in der vielfarbigen Umgebung zu sehr abgefallen.

Ueber die Art, wie diese Malereien aufgetragen wurden, ob ä tempera
oder ä fresco oder durch ein anderes Medium (Wachs, Oel oder dergleichen),
sind wir nicht unterrichtet. In dieser Beziehung ist diese Art der assyrischen
Malerei meines Wissens nicht geprüft. Nach Semper’s Ansicht (II p. 326)
müssten in einer gewissen Zeit vegetabilische Farbstoffe dabei häufiger be-
nützt worden sein, weil auf den meisten Kalk- oder Stuckwänden die
Malereien dergestalt verblichen seien, dass kaum noch die Umrisse in schwachen
Spuren hier und da von ihrer früheren Existenz zeugen. (Layard, Ninive und
seine Ueberreste; deutsch. Ausg. p. 201.) „Der Stuck ist an einigen Orten
sehr dünn, an anderen dagegen sehr dick aufgetragen, und manchmal finden
sich mehrere Stuckschichten übereinander, jede mit besonderer Malerei, wor-
aus hervorgeht, dass die Wanddekoration an diesen Orten zu verschiedenen
Perioden erneuert wurde. In dem Gebäude südlich des grossen Nordwest-
palastes zu Nimrud liess sich die dekorierte Stuckwand bis über vierzehn
Fuss über die Platten der unteren Mauerbekleidung hinaus, die hier nur zwei
Fuss hoch ist und aus nicht skulpierten Kalksteintafeln besteht, verfolgen;
sie ging wahrscheinlich noch weit über diese Höhe hinaus. Dabei haben die
Räume nur etwa vierzehn Fuss Breite. Der ganze Hügel von Nimrud ist
gleichsam mit Spuren solcher stuckbekleideter Wände bedeckt; nur die den
grossen Centralhallen zunächst liegenden Piecen, die den kleinsten Teil der
Anlage bilden, waren mit Steintafeln bekleidet.»

Wir wissen auch nicht das mindeste über die immerhin wichtigen Arten
der Malerei auf Holz, Leinwand u. s. w. bei den alten Medern, Persern und
den angrenzenden Völkern. Sie hatten nicht den ausgebildeten Totenkultus wie
die Aegypter, nicht die auf ewige Dauer der irdischen Reste berechneten
Gräber und Katakomben; auch klimatisch ist das Hochland ungünstiger für
die Erhaltung der im Schutt versunkenen Baulichkeiten. Aber in einem
Punkte versuchten jene Völker durch Kunst zu erreichen, was ihnen von der
Natur versagt war: sie verstanden es, ihre Ziegel durch eine schützende Glasur
zu festigen. Und durch die Ausbildung dieser Technik nach jeder Richtung
haben sie den Grund gelegt zu einem für alle Zeiten wichtigen Industriezweig,
der heute noch in direkter Tradition im Kaukasus, in Persien und bis nach
Indien weit verbreiteten Inkrustation der Lehmwände mit gebrannten
und bemalten oder vielmehr mit glasierten Ziegeln.

Loftus „Travels and Researches in Chaldea and Susiana» berichtete
zuerst (s. Semper II p. 309) über die merkwürdige Art der Ziegelbekleidungen,

— 31 —

die in den Trümmern der alten Chaldäerraetropolis zu Wurka entdeckt wurden.
Sie bestanden in regelrechtem Mosaik, zusammengesetzt aus Stiften oder
Konen von gebranntem, oben an dem sichtbaren dicken Ende mit farbiger
Glasur überzogenem Tone. Jeder Kegel hatte eine bestimmte Farbe, und
durch das Reihen und Zusammenfügen derselben entstanden regelmässige geo-
metrische Muster, Imbrikationen, Netzwerke u. dergl. Spuren ähnlicher Mosaik-
bekleidungen der Wände finden sich auch unter den assyrischen Trümmer-
haufen. Aber weit häufigere Ueberreste einer ganz anderen Technik, die mit
jener Verwandtschaft zeigt, weil sie den Stoff mit ihr gemein hat. lassen es
unentschieden, ob hier eine alte Tradition durch eine neue Erfindung ver-
drängt ward, oder ob umgekehrt die spätere Erfindung noch nicht Zeit ge-
habt hatte, neben der früheren sich Bahn zu brechen.

In den mit Steintafeln verbrämten Räumen, vorzüglich zwischen den
Eingangspforten, fand man eine Menge gebrannter Ziegel mit Malereien, die in
der technischen Ausführung von den Wanddekorationen zu Wurka durchaus ab-
weichen. Es scheint erwiesen und entspricht den Berichten der Alten über den
buntfarbigen Ziegelschmuck ähnlicher babylonischer Burgen und Paläste, dass
ein Teil der inneren und wahrscheinlich die genannten äusseren Wände
Niniveh’s in ihren oberen Teilen mit dieser solideren Inkrustation gesichert
und zugleich verziert waren. So hat uns Diodor (wahrscheinlich nach Ktesiasi
11,8 überliefert, dass die zweite kreisförmige Mauer der Königsburg zu Ba-
bylon (in ihrem westlichen Teile) geschmückt gewesen sei mit aus dem
weichen Tone der Ziegel geformten und gebrannten Bildwerken von
verschiedenartigen Tieren, die durch kunstvolle farbige Bemalung der Natur
nahe kamen. Innerhalb dieser zweiten Umfassungsmauer habe eine dritte
(Peribolus) die eigentliche Akropolis umgeben, auf deren Türmen und Mauern
mancherlei Tiere sehr kunstreich in Farben und Formen nachgeahmt wären.
Das Ganze stelle eine Jagd vor, mit einer Menge verschiedener Tiere und
mit Figuren mehr als vier Ellen hoch. Man sehe Semiramis dargestellt, wie
sie vom Pferde aus mit dem Wurfspeer einen Panther erlege, nahe bei ihr
den Gemahl Ninus, der mit der Lanze einen Löwen niedersteche.

An diese Darstellungen wird man lebhaft erinnert, wenn man die aus
den Bruchstücken wieder vereinigten Fragmente im Museum des Louvre be-
trachtet (Löwenlries von der Bekrönung der Pylonen vom Palaste des
Artaxerxes Mnemon; Bogenschützen vom Thronsaal des Darius). Die ganze
Dekoration besteht aus ziemlich grossen auf einer Seite glasierten Ziegeln,
dabei treten die Figuren in starkem Relief hervor. Als Randverzierung ange-
brachte reicher ornamentierte Ziegel zeigen Rippen von hellerer oder auch
dunklerer Färbung, um die aufgetragene Glasur in dem dafür bestimmten
Raum festzuhalten. Manche Stücke gleichen demnach der Cloisonnetechnik.
und die Ornamente bekommen dadurch etwas prägnantes. Einige Fragmente
vom Palaste des Sargon (Khorsabad) zeigen diese plastische Vorbereitung für
die Glasur besonders deutlich (Saal I, I. Etage des Louvre-Museums). Bei
anderen Ziegeln lassen sich nur Spuren von Farbe erkennen oder gesinterte
Stellen, deren Charakter vielleicht auf eine andere Herstellungsart hinweist
und die mehr an den direkten Farbenauftrag denken lässt (ohne Rippen-
vorbereitung).

Es scheinen demnach zwei Arten der Herstellung glasierter Ziegel bei Technik.
den Assyriern bekannt gewesen zu sein, wovon die zuletzt genannte wohl die
die ältere war, denn das Herstellen besonders vertiefter Ornamente zur Ver-
hinderung des Auslaufens der beim Brennen in Fluss geratenden Glasur deutet
entschieden auf höhere technische Kenntnisse. Den Vorgang bei der Her-
stellung derartiger Ziegeldekorationen haben wir uns so zu denken, dass
die mauergerecht aufgestellten, vorerst lufttrockenen oder nur massig ge-
brannten Ziegel (ihre Grösse beträgt etwa 22 : 34 cm) mit der Zeichnung
und den Glasurfarben versehen wurden, um dann wieder auseinander ge-
nommen und einzeln, mit einem Merkzeichen von rückwärts versehen, in ge-

— 32 —

eigneter Weise gebrannt zu werden. 20 ) Zweifellos müssen bei den alten
Assyriern schon Brennöfen grösseren Umfanges in Gebrauch gewesen sein,
da in der Sammlung des Louvre ein Ganzstück in Form und Grösse- einer
richtigen Badewanne aufbewahrt ist. In solchen Brennöfen mag man daher
gleichzeitig eine grosse Zahl mit Glasur bedeckter Ziegel dem Brande aus-
gesetzt haben. Nach dem Herausnehmen der Stücke wurden die einzelnen
Ziegel in ihrer richtigen Ordnung an der Wand vermauert, wie man es heute
auch mit sog. Verblendsteinen macht.
T^ireHefs ^ ei re i cnerer Ausführung, wobei die figürlichen Darstellungen (Bogen-

schützen, geflügelte Löwen im Louvre) in Halbrelief über den allgemeinen
Grund erhaben erscheinen, ist der Vorgang insofern komplizierter, als
vorerst die Figuren in dem weichen Ton herausgebildet werden mussten. Be-
sondere Schwierigkeiten sind darin wohl kaum zu finden, denn es mögen
die in Tonrelief gebildeten Teile entweder auf die mauerrecht geordneten Ziegel
aufgelegt, oder aber auch in Ziegelform geteilt worden sein, solange die
Tonmasse noch weich war. Nachdem nun wiederum die einzelnen Ziegel
von rückwärts mit Merkzeichen (Nummern oder dergl.) versehen und einem
vorbereitenden Brande unterzogen worden waren, folgte wie oben der Auftrag
der Glasurfarben und das abermalige Einbrennen der Malereien im Brennofen.
Aus dem Umstände, dass auf einzelnen Ziegeln mitunter die Farbe über deren
Rand hinaus und längs der benachbarten Seitenflächen des Ziegels herabfloss,
schliesst Semper (II p. 330) mit Recht, dass die aneinandergereihten Ziegel
während der Malarbeit horizontal angeordnet waren. Dies hatte vor allem
den Zweck, dass möglichst viel von den Schmelzfarben durch die poröse Ton-
masse aufgesogen werden sollte, und führte naturgemäss dazu, auf den ein-
zelnen Ziegeln jene rippenartige Erhöhungen anzubringen, deren Zweck
zweifellos war, das Auslaufen der im Brennen flüssig gewordenen Schmelz-
farben zu verhindern. 21 )

Das gleiche Verfahren war auch bei den alten Persern in Gebrauch;
dies bezeugen die von Dieulafoy im alten Susa gefundenen emaillierten
Ziegel (Museum des Louvre). Die cloisonneartigen Rippen bilden in ihren
hervorspringenden braun oder grau erscheinenden Höhen die Zeichnung, ent-
weder der Gesamt- Ornamentation oder der einzelnen Teile der figuralen
Darstellung. Naturgemäss musste eine solche erhabene Anlage der Rippen

20 ) Obwohl dieser Umstand Semper bekannt war, stellt er (Stil I, p. 330) die
Hypothese auf, dass „die auf ebenen Boden geordneten und numerierten ungebrannten
Ziegel wieder in gleicher Ordnung vertikal zusammengefügt wurden und hierauf die
Wand, nämlich die ganze innere und äussere Bekleidung eines Raumabschlusses, einer
Glut ausgesetzt wurde, die hinreichte, die sehr flüssige Glasurfarbe in Schmelz zu
verwandeln und zugleich der Wand aus Lehmziegeln eine dünne Terrakottakruste zu
geben». Gegen diese Hypothese des Glasierens ganzer bereits mit Malerei über-
zogener Luftziegelwände spricht aber gerade das Numerieren der Ziegel von rück-
wärts, das doch sonst ganz überflüssig wäre, sowie der Umstand, dass die chemische
Untersuchung der babylonischen Glasurfarben Schmelzpunkte ergab, die nicht geringer
waren als die Glasuren der späteren Zeit, also ein Brennen im Muffelofen erforderlich
machten.

21 ) Die chemischen Untersuchungen altbabylonischer Ziegelglasuren durch Dr.
Percy und Sir Henry de la Beche, Vorsteher des Museums für praktische Geologie
zu London, ergab folgende Resultate: Das Gelb ist ein Antimoniat von Blei und
enthält Zinn; diese Mischung, genannt Neapelgelb, die man für eine moderne Erfindung
hält, war auch den Aegyptern bekannt. Das Weiss ist ein Zinnoxydemail; man
kannte also die Benützung des Zinnoxyds zu der Gewinnung opaker Emailfarben,
welche Erfindung immer den Arabern des VIII. oder IX. Jhds. zugeschrieben wird
und die Lucca della Robbia im XV. Jhd, vielleicht ohne Kenntnis dessen, was so
lange vor ihm gekannt war, aus sich selbst erneuerte und in genialster Weise tech-
nisch und künstlerisch zu benützen verstand. Das Blau, und wahrscheinlich auch
das auf ninivetischen Emails vorherrschende Grün, ist reines Kupferoxyd, verbunden
mit Blei. Das letztere wurde nicht der Farbe, sondern des leichteren Flusses wegen
hinzugefügt, eine Erfindung, die in der Geschichte der Töpferei gewöhnlich erst dem
XII. oder XIII. Jhd. nach Christo zugeschrieben wird. Das Rot ist ein Kupfersub-
oxyd. Ueber das Braun, das vielleicht auf babylonischen Ziegeln nicht vorkommt,
enthält der Bericht keine Mitteilung (s. Semper I. p. 332).

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mit sehr dickflüssiger Masse aufgetragen werden, deren Schmelzpunkt aber
höher war, als die in die Zwischenräume eingetragenen Glasurfarben; denn
sonst wäre das ganze mühevolle Verfahren zwecklos geblieben, falls beim
Brennen ein Zusammenfiiessen der Rippenmasse mit den Füllungsfarben ein-
getreten wäre. Zweifellos war es durch praktische Erfahrung bekannt, durch
welche Zusätze die Schmelzbarkeit der Glasuren verändert werden konnte
(verschiedene Mengen von Quarzsand, Ton, Bleierde und Zinnasche u.a.),
auch konnte man die mit der Rippen-Ornamentation versehenen Ziegel
vorher einem stärkeren Brennprozess aussetzen, ehe die Glasurfarben auf-
getragen wurden.

Bis zu welchem Grade der Vollendung die Orientalen es in dieser Technik M 2!r»!r? I TM 1 _
gebracht haben, zeigen die vor wenigen Jahren gemachten Funde von el-Jahudieh.
Tell-el-Jahudieh, welche sich teils in der ägyptischen Abteilung des Wiener
Hofmuseums, teils in Berlin und London befinden. Bei diesen sieht man
die dargestellten Figuren (äusserst charakteristisch modellierte Typen orien-
talischer Volksstämme) in halbem Relief aus einer glasierten, teils bemalten,
teils weissen oder farbigen Masse gebildet, wobei die Schmelzfarben für einzelne
Teile der Gewandung (Stickereimuster) in vorher gefertigte passende Vertiefungen
eingegossen erscheinen, so dass eine Art Mosaik von eingelegten und mit-
gebrannte» verschiedenfarbigen Glaspasten entsteht. 22 )

Diese glasierten Bilder sind in der Tat höchst merkwürdige Belege für
eine überaus entwickelte Kunsttechnik, die nur durch langandauernde Tradition
auf solche Höhe gebracht worden sein kann. Nehmen wir dazu das äusserst
seltene Vorkommen dieser Dekorationsweise im alten Aegypten (Semper er-
wähnt nur ein einziges derartiges Beispiel von Inkrustation altchaldäischer
Fayencebekleidung in einer Grabkammer zu Saquära; I p. 385), so ist der
Schluss naheliegend genug, dass diese Kunstfertigkeit erst mit der Perser-
herrschaft dort Eingang gefunden haben und, einmal dahin verpflanzt, weiter
geübt worden sein wird. Die vielen Gegenstände glasierter Tonwaren und
Schmelzarbeiten aller Art (cloisonnierter Schmuck, Amulete u. s. w.) ägyptischer
Provenienz sind deutliche Anzeichen davon. Wir kommen aber bei diesen
Erwägungen zu einer weiteren Hypothese, die sich unversehens aufdrängt,
dass nämlich die ältesten Kulturstätten Asiens die Ursprungsgebiete gewesen
sein dürften, von wo aus sich die Kunstfertigkeiten nach allen Seiten strahlen-
artig ausgebreitet haben werden. Diese Anschauung steht zwar mit der
hergebrachten in Widerspruch, welche die griechische Kunst auf den
Schultern der altägyptischen stehen lässt , aber andererseits wird von
neueren Kunstgelehrten der nähere Zusammenhang zwischen der altgriechischen
und der Kunst Kleinasiens und der der alten Phönizier, Meder und Perser
immer mehr erkannt und gewürdigt. Es will mir scheinen, als ob von den
Grenzen des „Fabellandes» Indien aus der Impuls ausgehe und dort die ^^’^^S»
Quellen zu suchen seien, die nach allen Seiten weiterrieseln, sich zu Strömen ältester Kui-
vergrössern und schliesslich , durch die Verschiedenheit der W eltanscnau-
ungen, Religionen und Kulturen beeinflusst, auch verschiedene Aeusse-
rungen des Kunsttriebes hervorgebracht haben. Während aber nach Osten
hin die kulturelle Strömung des Buddhismus einer freien Entfaltung der Kunst
hinderlich gewesen ist und (um im Bilde zu bleiben) versandete, hat nach Westen
hin das Griechentum alle Stufen bis zur höchsten Vollendung der Kunst
erklommen.

Selbst auf dem engeren Gebiete der Maltechnik gilt die gleiche Beob-
achtung; denn während die Indier und Chinesen wie die Aegypter nicht über
die Wasserfarbentechnik in der Malerei hinaus kamen, gelang es den Griechen,
durch die Enkaustik eine Malweise zu finden, die in Bezug auf Realismus
den höchsten Forderungen der Zeit zu genügen vermochte.

22 ) Vgl. die Monographie über diese „Musivischen Flachreliefs aus der Zeit
Ramses’ des Dritten» von Dr. Alex. Dedekind in dessen „Aegyptol. Untersuchungen».
Wien 1902. (Enthält zwei vortreffliche Abbildungen in Heliogravüre nach den Wiener
Originalen.)

3

— 34 —

Indien,

Lieferant von

Farben und

Droguen.

Indische
Wandmalerei.

Indien war, das muss hier sogleich hervorgehoben werden, schon vom
Altertum her durch das ganze Mittelalter, man kann sogar sagen, bis in die
neueste Zeit Lieferant kostbarer, für die Kunst der Malerei wichtiger Droguen
und Farben. Der Indigo wird auch heute noch von Indien bezogen, und im
Altertum waren es die Harze und Balsame, das Drachenblut, das echte Ultra-
marinblau und Zinnober, die auf dem Karawanenweg von Indien zum Helles-
pontus oder über Phönizien nach den westlichen Reichen gelangten. Vitruv
(VII, 10, 4) erwähnt das „indische Schwarz» (chin. Tusche), das man nur
durch besonders sorgfällig hergestelltes Schwarz zu ersetzen imstande ist.
Von dem Umfang des römisch-orientalischen Handels überhaupt können zwei
Stellen des Plinius (XII, 84 und VI, 101) eine Vorstellung geben, wonach
„bei niedrigster Schätzung die drei Gebiete Indien, China und Arabien dem
Reiche jährlich 100 Millionen Sesterzen kosteten, und Indien allein 55 Millionen
aus dem Reiche zog». 23 )

Die eigene Kultur Indiens reicht weit zurück, „denn schon im 12. Jhd.
v. Ch. erhoben sich die prachtvollsten Bauten brahmanischer Herrscher in
dem vom Ganges und Djumna eingeschlossenen Mittelstromland, dem ge-
weihten Duab». Von der Pracht und dem Umfang der Bauten geben die
glänzenden Schilderungen der alten Epen Mahabarata und Ramayana Kunde,
aber auch nicht minder die noch erhaltenen Tempel, Pagoden und Grotten-
bauten, aus den späteren Perioden der Entwicklung des Buddhismus, von
dessen siegreichem Auftreten in Indien das eigentliche monumentale Kunst-
schaffen datiert. Die überschwängliche Phantastik der Dekoration, verbunden
mit der religiösen Symbolik der Tier- und Menschengestalten, die in wilder
Verschlingung und Unordnung Säulen und Wände bedecken, geben Zeugnis
von einer schöpferischen Tätigkeit, deren oberstes Gesetz, wie es scheint, die
„volle Willkür» war. „Meist sind diese Darstellungen in kräftig vorspringendem
Relief dem Aeussern der Tempel und der Pagoden aufgemeisselt oder im
Innern über den Pfeilern, an den Gesimsen und Wandnischen angebracht.
Die Gestalten des brahmanischen Götterhimmels, der mythisch ausgeschmückten
Heldensage verbinden sich hier mit freien phantastischen Gebilden; überall
symbolische Bezüge, tiefsinnige Spekulation, Ergüsse einer überströmend reichen
Phantasie, selten die einfachen Zustände des täglichen Lebens, niemals, wie
es scheint, geschichtliche Vorgänge in festen Zügen versinnlichend. Der Stil
dieser Bildwerke, der im Laufe der Jahrhunderte zwar gewisse Wandlungen
zeigt und von gestrenger Gemessenheit zu freierer Bewegung und endlich zu
ausschweifender Uebertreibung fortschreitet, hat gleichwohl durch alle Epochen
einen gleichmässig ausgeprägten Charakter» (Lübke).

Auch die Malerei tritt frühzeitig in ausgedehnten Wandgemälden, na-
mentlich bei den Grotten von A Junta und Baug, ins Leben, wo grosse
Prozessionen mit Elephanten und der Gestalt des Buddha, Kampfszenen und
Jagden in lebhaften Farben dargestellt sind. Aus den Kopien dieser etwa
aus dem V. Jhd. unserer Zeitrechnung stammenden Malereien, die im Indian
Museum zu London zu sehen sind , kann man kaum auf die Technik einen
Schluss ziehen. Die Figuren drängen sich in Gruppen aneinander und bilden
ein wahres Chaos von Tieren, Menschenleibern, Götterbildern u. dgl., die
sich von einem allgemeinen braun gehaltenen Hintergrund abheben. 24 ) Dass
diese „Fresken von Ajunta» sich als Produkte einer überschwenglich reichen
Phantasie darstellen, ist nicht zu leugnen, aber es fehlt ihnen die gemessene
Ruhe einer ausgereiften Kunst. Ohne Perspektive und richtige Anwendung
von Verkürzungen gleichen diese Malereien mehr lebensgrossen Nachbildungen
von Miniaturmalereien späterer indischer Stilepochen, wie man dergleichen
in europäischen Bibliotheken und Sammlungen begegnet. „Hier zeigt sich der
alte symbolische Gedankenkreis der indischen Kunst ausgelebt und nur in
erstarrter Tradition noch festgehalten.»

23 ) Vgl. Fr. Hirth, Chinesische Studien (München und Leipzig 1890), p. 9.

24 ) Einige Gruppen sind abgebildet bei Gust. le Bon, Les civilisations de l’Inde,
Paris 1887 (Firmin Didot).

— 35 —

Fragen wir nun nach den technischen Hilfsmitteln der indischen
wie auch der persischen Malerei in so früher Zeit, so muss eingestanden
werden, dass darüber nicht das geringste bekannt ist. Alle meine Bemühungen,
quellenmässig etwas darüber zu erfahren, sind bisher erfolglos geblieben. In
der Reiseliteratur oder in Werken über die alte indische Kunst sind nicht
einmal Andeutungen zu finden, so dass ich kaum mehr als Vermutungen aus-
zusprechen wage. Unsere Gelehrten haben sich zwar mit altindischer und
altpersischer Literatur gründlich beschäftigt, aber der Malerei nur soweit In-
teresse entgegengebracht, als zum Verständnis der von ihr dargestellten
Legenden erforderlich schien , und über deren Entwicklung hat man selten,
über das Technische niemals Studien gemacht. Erst in allerjüngster Zeit ist
man durch das berechtigte Interesse, das die japanischen und chinesischen
Malereien in Europa hervorgerufen haben, auch zu historischen Forschun-
gen über die älteren Malerschulen Ostasiens angeregt worden. Man müsste
aber eine viele Jahrhunderte hindurch währende Tradition als feststehend
annehmen, wollte man etwa die im 18. Jh. angewendeten Maltechniken schon
für die frühesten Perioden gelten lassen.

Nicht zu übergehen sind die Einflüsse arabischen Ursprungs,
die infolge der grossen Ausdehnung des osmanischen Reiches sich bis nach
Persien und Indien fühlbar gemacht haben müssen. Wir verweisen in dieser
Beziehung auf die Quellen arabischen Ursprungs (m. Beitr. III p. 57), das
von Berthelot (Chimie au Moyen-age, Paris 1893, I, p. 179 f.) veröffent-
lichte Liber sacerdotum sowie die weiteren Angaben über arabische Schriften
des Dyäber und Ibu Sina (a. a. 0.).

Während der Islam der Kunst der Malerei ausschliesslich ornamentale
Motive gestattete und aus religiösen Gründen die Darstellung der mensch-
lichen Figur verbot, hat sich in Indien die Figurenmalerei reich entwickelt.
Sie war im XVI. Jhd. unserer Zeitrechnung technisch ungefähr auf gleicher

des Westens zu Anfang des XV. Jhd., und
über die Grazie der Auffassung, die Be-
technische Vollendung der Details, mit der
die indischen Miniaturen ausgeführt sind. Ihren Höhepunkt erreichte diese
Kunst unter Akbar, dem Gründer der Moghal-Dynastie in Indien (Zeit der
Königin Elisabeth von England), denn die mit 169 Vollbildern ausgestattete
„Geschichte des Krieges» (Razm Nämah) zwischen Hindu und Muselmanen
kann sich den besten Miniaturen europäischer Kunst kühn an die Seite
stellen. 25 ) Aus Akbar’s Zeit stammen auch Reste von Wandgemälden und
ornamentalen Malereien eines Palastes in Khwabgah, Fathpur Sikri bei Agra
(erbaut 1570-1606), die nach den Abbildungen zu schliessen in den Figuren
persische Einflüsse, in den Ornamenten chinesische Anklänge zeigen. 26 )
Diese Beispiele bezwecken selbstverständlich nur zu zeigen, bis zu welcher
Vollkommenheit die indische Miniaturmalerei gelangt war, um daraus den
Schluss zu ziehen, dass auch die technischen Mittel sich in gleicher Weise
vervollkommnet haben werden. Man kann diese Malereien als Deckfarben-
malereien oder Gouachen bezeichnen, insofern als zum Bindemittel eine
wassermischbare Lösung einer gummösen oder leimartigen Substanz, ver-
mutlich mit Galle und Alaun als Zugabe, gedient hat; denn die ältesten
chinesischen Malereien (angeblich aus dem XII. Jhd. n. Ch.), die ich darauf zu
untersuchen Gelegenheit hatte, waren mit einer schwer löslichen Wasserfarbe
gemalt, ein Umstand, der auf die Zumischung von Alaun zu Leim oder zu Ei-
klar, letzteres ein seit den ältesten Zeiten benutztes Miniaturbindemittel, hinweist.

Höhe wie die Miniaturmalerei
man muss wahrhaft staunen
herrschung der Form und die

Arabische
Einflüsse.

Indische
Miniaturen.

25 ) Diese Prachthandschrift wurde durch die grosse indische Ausstellung be-
kannt und ist veröffentlicht in Memorials of tue Jevpore Eshibition von
Th. H. Hendley, Vol. IV, London 1884.

26 ) Abgebildet in The Journal of Indian Art and Industrie, London 1896, Vol. VI,
p. 65 und Tafeln. Vgl. auch Vol. IV, 1892, Tafel 48 und 49. Blätter aus Razm
Namah, gemalt von Ramdas und Läl, der letztere ein berühmter Tiermaler ; Vol. VII,
1896, Nr. 56. Persische Bilder v. 1627 des Tarubi.

3*

– 36 —

Lackmalerei. M^it dem gleichen Bindemittel scheinen auch die persischen und

indischen Lackmalereien hergestellt zu sein, die auf entprechend
präparierten geglätteten Grund aufgemalt, nur mit einem Firnis über-
zogen sind. 27 ) Bei ihrer Kenntnis des Alkohols und dessen Eigenschaft,
gewisse Harze oder Schellack zu lösen, ist die Kunst des Lackierens früh-
zeitig von den Orientalen geübt worden. Hierbei muss aber auf den prin-
zipiellen Unterschied zwischen der persischen oder indischen
und der chinesischen Lackarbeit hingewiesen werden, der in der
Natur des verwendeten Materials besteht. Die indischen Lacke sind durch-
gehend in Alkohol gelöste Harze und demnach gegen Chloroform, Aether
sehr empfindlich , während die chinesischen und japanischen Lacke von Rhus
vernicifera und ähnlichen, ausschliesslich dort vorkommenden Sumacharten ge-
wonnene Gummiharze sind , die den genannten Lösungsmitteln widerstehen.
In der Kunst des Lackierens ist der Orient, speziell Ostasien, zeitlich
Europa weitaus vorangegangen; sie ist sogar von dort erst im XVII. Jhd.
zu uns importiert worden.

2T ) Der wie Gold scheinende Lack indischer und persischer Lackmalereien ist
meist nur ein gelher Firnis, oftmals auf Silberunterlage aufgetragen. Derartige
„Goldfirnisse» werden durch Lösung von einheimischen Harzen, wie Storax, Gummi
amoniacum, Aloe hergestellt, wobei mitunter noch Safrangelb, Gummigutt bei-
gemischt werden.

37 —

III. China und Japan.

Ueber chinesische und japanische Maltechnik mögen hier im
Anschluss einige Daten mitgeteilt werden, die insofern unserem Thema nahe
stehen, als sie auf ältere Tradition zurückgeführt werden müssen und den
Zusammenhang mit der alt-inclischen Malerei noch deutlicher machen werden.

Bekanntlich wurde der in Indien heimische vielgötterige Volksglauben
des Brahmaismus durch die Lehre des Buddha, dessen Auftreten zwischen
600 und 540 v. Ch. fallt, verdrängt. Es dauerte aber noch längere Zeit, bis
dieser Glaube und mit ihm die indische Kunst nach China gelangte. Nach
alten Ueberlieferungen hat eine indisch-buddhistische Gesandtschaft des Königs
Ming-Ti im ersten Jhd. unserer Zeitrechnung nicht allein das religiöse Stand-
bild , sondern auch Zeichnungen und Malereien sowie andere Kunst-
werke nach China gebracht, und bei der grossen Ausbreitung der neuen Re-
ligion in China wurden durch die Missionäre im Laufe der nächsten Jahrhunderte
diese Schätze stets vermehrt. Auf diese Weise mögen die chinesischen
Künstler reiche Vorlagen in Menge für ihre Tempelbilder und zur Aus-

Auch sprechen noch andere Umstände für
Kunst auf die chinesische , so vor allem

erlangt haben,
der alt-indischen

schmückung

den Einfluss der alt-indischen Kunst auf die chinesische , so vor allem der
vollständige Mangel des mongolischen Typus in den Physiognomien der
buddhistischen Götterbilder; die Gleichheit der Stellung und Kleidung der
Personen und die unverkennbare Aehnlichkeit der Färbung, welche die chi-
nesisch-japanischen Buddha-Bilder oder andere Dekorationen mit indischen
Werken zeigen. Andererseits werden manche der von Westen angenommenen
Typen durch die Verschmelzung mit chinesischen Elementen einen neuen
Kunststil gebildet haben, sei es durch die Einführung des Drachens in der
Ornamentik oder durch Unterdrückung der übertriebenen weibischen Formen
in den Darstellungen der indisch-buddhistischen Kunst.

Hatte die Kunst Übung in China festen Fuss gefasst, so konnte es nicht
bleiben, dass sie in den nächsten Jahrhunderten sich auch nach der koreani-
schen Halbinsel und nach Japan ausbreitete.

Anderson, dessen Werk (Pictorial Arts of Japan, London 1886, p. 23 ff.),
die weiteren Daten entnommen sind, beschreibt die Phasen dieser Malerei
von der ältesten bis zu unserer Zeit. Das Charakteristische der buddhis-
tischen Malerei ist die reiche Anwendung von Gold und die minutiöse kalli-
graphische Durchführung sämtlicher Details, ohne je durch Helldunkel eine
Modellierung der Form zu versuchen. Die mit der Darstellung in Harmonie
gebrachten Farben sind Körperfarben (Deckfarben) von ausgesprochenen
Tinten, aber durch die Kostbarkeit des Goldmetalles, das allerwärts die festen
Farben überdeckt, gemildert.

Einzelne Künstler, wie Yamato oder Tosa, ragen durch ihre besondere
Routine und die Einführung neuer Stilformen hervor und bildeten Schulen.
Die typischen Bilder der Tosa-Schule zeigen noch alle dekorativen Effekte,
die durch den reichlichen Gebrauch von Gold und brillanten Farben möglich
sind ; die farbigen Flächen sind mitunter so eingeteilt, dass sie die sich wieder-

Rindringen in-
discher Kunst.

Chines.u. japau.
Malerschulen.

— 38 —

holenden Muster von Brokatgewändern imitieren, öfters ist ein leuchtendes
Grün in die Komposition eingeführt, das die Harmonie beeinträchtigt; im
grossen Ganzen ist aber die Gesamtwirkung der unserer illuminierten’ Missalien
des XIV. Jhd. nicht unähnlich.

Die Neuerung der Yamato-Schule bestand in der scheinbaren Ent-
fernung der Bedachungen der Räumlichkeiten, wodurch der Innenraum mit
den Figuren, wie von oben gesehen, zur Darstellung kam; im übrigen folgten
sie technisch der alten Tradition.

Die mittlere Zeit des Königtums (XIV — XV. Jhd.) sah die chinesische
Schule aufkommen, die in ihrer weiteren Ausbildung auch der Landschaft
besonderes Studium zuwandte. Erwähnt seien noch die Sesshiu-Schule
(um 1420), welche sich realistisch an die Nachahmung der Natur hielt und
als Vorläufer der heutigen japanischen Kunst grossen Einfluss hatte, und die
Kano-Schule (XVII. Jhd.), deren Mitglieder alle der Priesterschaft ange-
hörten. Dieser kirchlichen Schule stand bald eine „volkstümliche Kano-
Schule» gegenüber, die in Matafei ihren Hauptvertreter, in Moronobu
und Schoko tu weitere Ausbilder fand. In deren Periode fällt die Ver-
vielfältigung der Werke durch bunten Holzschnitt in Büchern und einzelnen
Blättern (Anfang des XVIII. Jhd.). Diese Chromoxylographien wurden
ursprünglich in zwei oder drei Tönen (rot, gelb und blassblau) gedruckt und
erreichten 60 — 70 Jahre später ihre grosse Vollkommenheit.

Derjenige Künstler, der für die neueste japanische Kunst grundlegend
wirkte, war Ogato Korin; ihm sind die realistischen Darstellungen von
Tieren und Pflanzen mit der grossen Grazie des Entwurfs und der unüber-
trefflichen Feinheit der Ausführung zu danken, welche seit Korin’s Tode
(1716) immer in gleicher Weise geübt und vervollkommnet worden sind.
Gonse (l’Art Japonais) nennt ihn „le plus Japonais des Japonais».

Die letzte Periode der Entwicklung fällt in die letzten Jahrzehnte des
achtzehnten Jahrhunderts. Anschliessend an die trefflichen Vorbilder ent-
stand in Kioto eine besondere naturalistische, die Shijo- Schule, die
in dem emsigen Studium der Natur die höchste Vollendung zu erreichen be-
strebt war. Hier verbindet sich der freie Stil der Raumausfüllung mit
der äussersten Sorgfalt der Naturwiedergabe. Innige Vertrautheit der
Künstler mit der Natur, ohne konventionelle Anlehnung an ein Vorbild,
ist die Basis der Shijo-Schule; sie schloss zwar manche beliebte Motive der
früheren „klassischen, akademischen» Richtung aus, aber chinesische Land-
schaften oder Darstellungen mythischer Tiere wurden vorteilhaft durch die
Nachahmung japanischer Tier- und Pflanzenwelt ersetzt. Die Motive der
„volkstümlichen Schule», wie Strassenbilder, Aufzüge oder Theaterszenen,
wurden durch die Shijo-Schule nicht beeinträchtigt, aber wo die beiden Schulen
hinsichtlich der Darstellung übereinstimmten, hatte die letztere stets die
grössere Vollendung für sich.

Technik der Ueber die Technik der Malerei gibt Anderson in dem genannten

japan.u. cnines. ° . , y

Malerei. Werk „The pictonal Arts of Japan» überaus interessante und bemerkenswerte
Aufschlüsse, die mehr als alle weiteren Erläuterungen unsere oben (p. 33)
ausgesprochene Hypothese bekräftigen; denn sowohl Technik als angewandtes
Material sind mit den in westlichen Kulturzentren gebrauchten in so auf-
fallender Uebereinstimmung, dass man dies sicher nicht für zufällig halten
kann. Nur darin kann eine Erklärung gefunden werden, dass sowohl im
Occident als auch im äussersten Orient sich die maltechnischen Gebräuche
und Fertigkeiten aus ursprünglich gleichen Traditionen entwickelt haben.

Die japanische Technik beruht auf älterer chinesischer Tradition ; be-
schrieben ist sie in Quellenwerken , die verfasst worden sind , ehe Einflüsse
der europäischen Kultur sich geltend gemacht hatten.

Diese Quellenwerke sind:

– 39 —

Honohö gwa-shi (Appendix) v. J. 1694,

Gwa-sen „ „ 1722,

E-hon Yamato-hyi (Appendices) „ .. 1742.

Wa-kan Sohiu-gwa yen (Appendix.) „ „ 1759.
Die Materialien, auf denen und mit denen gemalt wurde, sind: 1. Papier.
Seide, Holz. 2. Tinte und Farbstoffe. 3. Gold, Silber, Mica. 4. Pinsel.

Um Papier zur Malerei mit Tinte und Farbe vorzubereiten, dient nach
Gwa-sen (1722) eine Art Kleister, welcher Dösa heisst. Er besteht aus:
durohsiohtigem Leim (nikawa) 10 momme,
gestossenem Alaun (miöban) 5 „

Wasser 1 sho.

(1 momme = 58.33 gr, 1 sho = 109.75 Kubikzoll engl.)

Der Nikawa-Leim wird aus Häuten durch Kochen bereitet. Eine
Abart desselben erhält man durch Einlagern in Schnee für einige Tage, wo-
durch er weicher werden soll. Man färbt ihn auch mit ein wenig Ver-
millon (Minium) oder Gummigutt; zur Präparation des Dösa wird der Leim
so lange im Wasser geweicht, bis er zergangen, dann wird kochendes
Wasser zugesetzt und durchgerührt, der Alaun hinzugefügt, alle Ingredienzien
gesiebt und dann erkalten gelassen.

Im Sommer wird die Menge des Leimes vergrössert, im Winter dagegen
die des Alauns.

Papier und Seide erhalten eine bis zwei Schichten der Dösa, die
Seide von rückwärts, wodurch die Brüche beseitigt und das „Fliessen» der
Farbe vermieden wird.

Holz wird gewöhnlich mit einer Lage von Odo-no-gu (Mischung von
Kreide und gelbem Ocker nebst Leim) überzogen. Mit derselben Masse werden
auch bei weitfaserigen Hölzern die Ungleichheiten ausgefüllt; ein Ueberzug
von Dösa in der doppelten Stärke, als bei Papier oder Seide, macht das Holz
zur Aufnahme der Malerei bereit.

Für das Malen auf feuchtem Holz empfiehlt Shiu-gwa yen (1759), um
der Tinte die richtige Konsistenz zu geben, den Zusatz von ein wenig „Ohren-
schmalz» 28 ) und, um sie in das Holz tiefer eindringen zu lassen, die Bei-
mengung eines Pflanzensaftes, welcher Namomi heisst.

Die Tinte (Sumi), eigentlich Tusche, aus Fichten-Russ mit einer Lösung
von Gelatine (Leim) angemacht, entspricht der allerältesten Art der Bereitung.
Die berühmte chinesische Tusche übertrifft an Qualität alle anderen Fa-
brikate. Auch farbige Tinten aus Rinden, Samen oder Hülsen verschiedener
Pflanzen sind im Gebrauch; Bindemittel ist flüssig gemachter Leim.

Das Farbenmaterial bestand, ehe europäische Fabrikate importiert
wurden, nach den älteren Quellen aus den in der Natur sich findenden mi-
neralischen Produkten, die durch Schlemmen und Reinigen zum Gebrauch
zugerichtet werden, und einigen Pflanzen farbstoffen. Die Liste derselben
hat eine so grosse Aehnlichkeit mit der des frühen Mittel-
alters und selbst mit den von Plinius und Vitruv genannten
Farben, dass man über diese Gleichheit erstaunen muss.

Es werden angeführt:

1. Rokushö, natürliches arsensaures Kupfergrün (Strahlerz), wovon
6 Variationen gezählt werden;

2. Konjö, blaues Kupferkarbonat, Bergblau;

3. Shin-sha, Zinnober (Schwefelquecksilber):

4. Tan, rotes Bleioxyd (Bleirot, Mennige), in Mischung mit der nächsten
Farbe zur Karnation benützt;

Farben.

as ) S. Neapeler Codex (XIV. Jh.) Ruhrica XXII: „Um Zinnober zu florieren ,
wo die Zugabe von Ohrenschmalz als Geheimnis des Schreibers erwähnt wird: m.
Beitr. III Mittelalt., p. 131.

— 40 —

5. Go-fun, das gereinigte Pulver von gebrannten Muscheln oder Austern-
schalen; dasselbe wird den Farben auch beigemischt, um ihnen
Körper zu geben;

6. O-go-fun, weisse Kreide;

7. Tö-no-tsuchi, Bleikarbonat (Bleiweiss);

8. Odo, gelber Ocker;

9. Schido, rotes Eisenoxyd (roter Ocker, Englischrot) ;

10. Sdkiwö, Auripigment (Schwefelarsenik);

11. Sha-seki, Hämatit (Blutstein);

12. Shiwö, Gummigutt (gelber Harzsaft einiger Garciana- Arten) ;

13. Ra-sei, Indigo ;

14. Shö-yenji, Farbstoff einer Pflanze Oto-giriso, welcher in Tuch oder
Leinen eingetränkt wird , von purpurähnlicher Farbe. Man unter-
scheidet zwei Arten. Zum Gebrauch wird das gefärbte Tuch oder
Leinenstück eingefeuchtet und der Farbstoff ausgedrückt 29 );

15. Beniko, Saflor (Stempel und Staubfäden von Carthamus tinct. Lin.);

16. Ai’ro, blauer Pflanzenfarbstoff aus Polygonum tinct.;

17. En-shi, Purpurfarbe aus Santelholz (Caesalpina Sappan), Rotholz
(verzino, brasil, presilgen des Mittelalters);

18. Airo-bö, blaue Farbe, aus alten gefärbten Leinenlappen durch Aus-
kochen gewonnen;

19. Ai, auf gleiche Weise aus blaugefärbtem Papier durch Einweichen in
Wasser und etwas Essig gewonnen ;

20. Sango-matso, Rot von gestossenen Korallen;

21. Lapis lazuli, echter Ultramarin.

Es würde ein leichtes sein, allen diesen Farben die entsprechenden
des griechischen Altertums bis zum späteren Mittelalter beizusetzen. Die
Gleichheit des Farbenmateriales spricht sich auch noch darin aus , dass
den einzelnen Mischungen von Farben untereinander besondere Bezeichnungen
gegeben werden, von welchen Anderson (p. 174) eine ganze Reihe angibt;
darunter befinden sich Namen wie „tote Blatt-Farbe», „Tauben-, Ratten-
oder Gra^saftfarbe» ; Kastanien-, Baumrinden-, Pfirsichfarbe, Teefarbe, „blaue
Totenfarbe», dürre Fleischfarbe u. s. w. , welche vielfach an die ähnlichen
Bezeichnungen des Strassburger Ms. oder bei Bolz erinnern. (Ueber besondere
Namen der Mischungen vergl. auch Theophilus u. Hermeneia.)
Gold- u.Silber- ß e i Verwendung von Gold und Silber zur Malerei der Bilder (Ka-

kemonos und Makimonos) werden die Metalle in Staubform oder Blatt-
folien gebraucht, wie in den ältesten Zeiten. Auch die Anwendung ist ähn-
lich, u. zw. merkwürdigerweise der Methode, welche das Athosbuch (§ 28)
kennt, neinlich mit Hilfe des Knoblauchsaftes. 30 )

Die zu vergoldende Fläche wird mit dem (gekochten) Safte eingerieben
und darüber eine dünne Lage einer Goldbeize gelegt, welche aus einer „funori»
genannten Seepflanze (fucus vesiculosus?) bereitet wird. Das Goldblatt wird
dann in der gewünschten Grösse mit Hilfe eines mit Nussöl eingeriebenen
Papieres auf die betreffende Stelle gelegt und angedrückt. Die Materialien
und Utensilien (Vergolderkissen, Messer) sind dieselben wie in Europa.

Soll auf Vergoldung gemalt werden, so muss das anhaftende Oel
wieder entfernt werden ; das geschieht durch Auflegen von dünnem (Fliess-)
Papier und Darüberstreuen von heisser Kohlenasche , wodurch die Fettigkeit
sich in das Papier einsaugt. Um stärkeren Glanz zu erzielen, wiederholt man

29 ) Die gleiche Methode war auch im Abendland verbreitet, bevor die Herstellung
von sog. Farblacken durch Niederschlag der Lösung bekannt wurde; s. „pezzette» od.
pezzuole des Cennini, m. Beitr. III p. 116, „Tüchleinfarben» des Strassburger Ms.,
ebenda p. 161 (violvarw tüchlin), p. 162 (lin tüchlin blaw); Neap. Codex (Tournesolblau)
loc. cit. p. 126.

30 ) S. m. Beitr. III Mittelalt., Index s. v. Knoblauchsaft,

— 41 —

die Goldlage. Zum Malen auf Gold wird auch eine Beigabe von Reismehl ;| )
mochi-gome (Kleister) empfohlen. Bei Wand- und Deckendekoration wird
Gold auf eine Unterschicht von Firnis oder Lack aufgetragen. Auch wird
in gewissen Fällen das Gold in kleinen Stückchen durch ein Sieb auf die
zu verzierenden, vorher mit Firnisbeize bearbeiteten Stellen aufgestreut.

Zur Malerei mit Goldstauh (Goldschrift) wird das fein zerkleinerte
Metall mit dem Bindemittel (Leim) aufs innigste verrieben, mit Wasser
mehrmals ausgewaschen und die überstehende Flüssigkeit sorgfältig altgegossen,
das gleiche Verfahren, wie es schon die ältesten Quellen (Levdener Pap. u. a.)
beschreiben. Goldmalerei wird mit der Mischung von Goldpulver und Leim-
wasser ausgeführt. Die Unterfläche wird zur Aufnahme des Goldes erst
mit einer Schicht von Gummigutt und Knoblauchsaft (Ki-nikawa) überzogen.
Gold auf plastisch erhöhte Unterschicht (bestehend aus Kreide und Leim)
aufzutragen, ist bei den Japanern nicht beliebt, aber in buddhistischen Bildern
häufig angewendet.

Charakteristisch, obwohl vielleicht erst neueren Datums, ist die An-
wendung von gestossenem Mica (Glimmer) in Verbindung mit schleimigem
Bindemittel zur Erzielung glänzender Wirkung bei Fischschuppen oder glän-
zendem Metall, bei Blumen u. dgl.

Pinsel werden hauptsächlich bereitet aus den Haaren der Hirschkuh, PinseL
auf zweierlei Art, je nachdem das Winter- oder das Sommerhaar genominen
wird; aus den Haaren des Waschbären, Fuchses, Marders, der Hasen,
Ratten, Katzen, und Ziegen. Ausserdem sollen Pinsel aus mazeriertem Reis-
stroh für gewisse Zwecke viel im Gebrauch gewesen sein. Die Handhabe
ist meist aus einem Stück Bambusstiel gebildet, der oft verziert und lackiert ist.

Beim Zeichnen und Malen wird der Pinsel stets senkrecht zur Malfläche
gehalten. Ist die Zeichnung mit Tinte oder Tusche fertig gestellt, so werden
die Farben aufgetragen, wobei je nach dem gewünschten Effekte lasierend,
deckend oder verwaschend vorgegangen wird. Eine besondere Eigentümlich-
keit ist die Unterlegung eines Lokaltones auf der Rückseite von transparenten
Malgründen, wie dünne Seide, Reispapier u. a., was auch die Indier bei ihren
Malereien auf Micaglas (Glimmer) zu tun pflegen. Auf diese Weise scheint
der Farbenton durch, und der Maler kann Details anbringen, ohne die Auf-
lösung der Unterschicht zu befürchten.

Die japanischen Bilder werden je nach ihrer Anfertigung eingeteilt in :

1. Sumi-ye, einfache schwarze Darstellungen mit Tusche ohne Farben, und

2. Sai-schiki, farbige Bilder.

Von den letzteren unterscheidet man :

a) Goku-zaischiki, dick und bunt gefärbte Malereien, wie gewisse
Gemälde der Buddha-, Tosa-, chinesischen und Kano-Schule,

b) Usu-zaischiki, dünn kolorierte, wie es die älteren chinesischen.
Sesshiu- und Kano-Bilder zeigen,

c) Chiu-zaischiki , ein Mittelding zwischen beiden Arten , wie bei den
. meisten Gemälden der Schijo-Schule und den Kano-Bildern der

mittleren Periode angewendet erscheint.

Auch die Verbindung von Gold mit Farben bildet eine beliebte Art
der japanischen Malerei, die in der europäischen Kunst neuerdings von dorther
angenommen worden ist; sie erinnert vielfach an die mittelalterliche Miniatur-
und Missalen Malerei des XV. und XVI. Jh.

In der Komposition folgt der japanische Künstler mehr seinem an- Komposition,
geborenen Geschmack als bestimmten Regeln; es gibt auch keine solchen im
strengen Sinne. Mag der Gegenstand noch so anspruchslos sein, wie etwa

31 ) Reismehl. resp. Reisstärke dient auch zur Herstellung der japanischen Holz-
schnitte. Otto Eckmann, der seine Originalholzschnitte selbst druckte, ist nach
vielen Versuchen auch auf obiges Mittel aufmerksam geworden und hat sich mit Erfolg
desselben bedient. Schreiber dieses besitzt eine handgemalte Kakemono (auf Papier),
welche auf einer durchsichtigen Unterlage von Reiskleister gemalt ist. Vergl. auch
die Angaben arabischen Ursprungs in den obgen. Beitr. p. 60 Note.

42

Perspektive.

Lack-
malereien.

ein Blütenzweig oder ein Bambusbüschel, die wie von ungefähr auf das
Papier hingeworfen sind, unter Ausserachtlassung jeglicher Symmetrie und
ohne irgend eine Spur von vorheriger Ueberlegung im Arrangement ,■ so sind
doch die Zweige jedesmal mit ungezwungener Vollendung gezeichnet. Die un-
gemeine Freiheit und Sicherheit im Entwurf wie in der Detailausführung ist
eine Folge der traditionellen Anschauung und der genauesten Vertrautheit
mit den dargestellten Dingen. Der japanische Maler betreibt seine Kunst als
Handwerk und wiederholt das eine Thema in tausendfacher Variation sein
ganzes Leben hindurch. Daher seine staunenswerte Geschicklichkeit, die
ebenso in Gruppen- und Figurenszenen zur Erscheinung kommt wie in Tier-
und Pflanzenstücken. Im Ausdruck der Leidenschaft, Schrecken u. dergl.,
sind oft meisterhafte Nuancen von feinster Beobachtung zu bemerken , die
keiner unserer europäischen Künstler besser machen könnte. Der Schreiber
dieser Zeilen besitzt z. B. eine kleine Schale mit der Darstellung einer Markt-
szene, wobei ein Händler übelriechende Fische feil hält; wie sich die Um-
stehenden die Nasen zuhalten und die Fische an langen Stöcken von sich
weg halten, unter Grimassen und Geschrei, das ist ganz wundervoll wieder-
gegeben.

Die Kenntnis der Perspektive ist neueren Datums, denn die ursprüng-
liche chinesische Malerei kennt dieselbe nicht. Nach Anderson’s Annahme
(p. 208 des cit. Buches) sind die Prinzipien der Linienperspektive durch
holländischen Einfluss am Ende des XVIII. Jahrhunderts in die japanische
Kunst eingeführt worden. Ein Schreiber, Schiba Gokan, habe die Grundzüge
von einem holländischen Residenten in Nagasaki erlernt und in einem 1794
erschienenen gedruckten Buche „Gwa-to Sai-yu den» seinen Landsleuten mit-
geteilt. Von dieser Zeit an bemächtigten sich die japanischen Szenenmaler
sehr schnell dieser Kunst, wie es die Zeichnungen des Hokusai (1810) und
vieler Anderer beweisen. In realistischen Stimmungsbildern, wobei die Luft-
perspektive eine grosse Rolle spielt, gehen sie ihren eigenen Weg, der von
dem der europäischen Künstler verschieden ist. Erdichtete Wolkenbildungen,
Berge, die in der Luft oder im Nebel stehen, Mondschein bei heller Be-
leuchtung und andere Freiheiten gestatten sie sich mit grosser Ungeniertheit,
die nur durch die wahrhaft malerische Gesamtwirkung wieder entschuldigt
werden kann. Die jetzt im Aufschwung begriffene naturalistische Schule von
Schijo wird aber bald auch hierin sich jene Meisterschaft angeeignet haben,
die sie im übrigen auszeichnet.

Die Kunst des Lackierens stammt vom Ende des 6. Jhd. und bestand
zunächst in dem einfachen Ueberziehen des Gegenstandes mit Firnis; bald ver-
vollkommnete sie sich zu einer eigenen und bedeutenden Industrie. Ein Edikt
vom J. 646 bestimmte, dass eine dreifache Schicht von Lack anzubringen
sei, um die Lackarbeiten wasserdicht zu machen; ein anderes aus dem
Anfang des 8. Jhd. befahl die Anpflanzung von Lackbäumen (Rhus vernici-
fera) in allen Gärten und öffentlichen Gründen, wie die von Maulbeerbäumen
für die Seidenindustrie, zur Hebung des Gewerbes. Roten und schwarzen
Lack erzeugte man im 7. Jhd. unter der Regierung des Temmu (673—686);
mit Perlmutter, Silber und anderen Dekorationen verzierte Lackarbeiten reichen
zurück bis ins 8. Jhd., die Zeit der Gründung von Kioto.

Bezüglich der Technik unterscheidet man

1. Lackarbeiten mit erhöhtem Gold -Dessin auf Goldunterlage (kin
makiy^) ;

2. Gold- oder Silber -Dessin auf schwarzer, roter oder andersfarbiger
Lackunterlage oder auf nashyi. Letzteres ist ein durch Goldstaub
gesprenkelter Lack. Die Zeichnung kann hier entweder erhöht oder
in einer Fläche sein;

3. einfarbige, gewöhnlich schwarze Zeichnung auf farbiger Lackfläche;

4. gold- oder andersfarbige Dekoration auf einem der erwähnten Unter-
gründe (urushi-ye = Lackbilder);

— 43

5. inkrustierte Ladearbeiten, durch Einfügung- dünner Blätter von Perl-
mutter, Sohildkrot, Elfenbein, Metall oder anderen Materien, die mit-
unter erhöht gearbeitet sind, wodurch eine grosse Mannigfaltigkeit
der Arbeit erzielt wird;

6. lackierte Dessins auf irgend einer ungefirnisten Fläche, wie Elfen-
bein, Korallen, Sohildkrot, Hörn, Holz, Porzellan, selbst auf Seide u. a.
Neuerdings sind auch Lackmalereien auf geiirnistem Papier nicht
selten;

7. gravierte Lackarbeit, bei welcher die Zeichnung mit einem scharfen
Instrument vertieft und in die Vertiefung Goldlack eingetragen wird
(Ohinkin-bori) ;

8. geschnittene Lackarbeit, bei welcher das Relief durch eine dicke
Schicht von rotem, schwarzem oder andersfarbigem Lack erzielt
wird. Hier wird auch ein Unterschied gemacht, ob die Holzunterlage
bereits geschnitzt war (Chomoku) oder die Erhöhung durch die Lack-
schichten erzeugt wird, die dann abermals dem Firnissen und Po-
lieren unterzogen werden (Zokuku-nuri) ; endlich

9. Lackarbeit mit Hilfe von Gold- oder Silberdraht, welcher die Konturen
bildet; in deren Zwischenraum wird schwarzer Lack eingestrichen
und dann poliert, so dass die Metalllinien wieder zum Vorschein
kommen.

Ueber chinesischen Lackfirnis, dessen Zusammensetzung lange Zeit
unbekannt war, haben erst Missionäre am Ende des XVIII. Jahrhunderts
nähere Nachrichten gebracht. Besonders hat Pater d’Incarville 32 ) der
französischen Akademie zuerst berichiet, dass der chinesische Lackfirnis
ein Gummi oder Harz ist und aus dem Firnisbaum (Augia chin. , Rhus
vernieifera) , einer auf Japan, in Nepal und anderen ostasiatischen Ländern
heimischen Sumach-Art, gewonnen wird. Der Firnis gleicht im frischen Zu-
stande einem flüssigen Pech von gelb- oder grauweisser Farbe; an der Luft
nimmt er eine rötliche Farbe an und wird bald schwarz, doch ist dies
kein glänzendes Schwarz , weil noch viele Wasserteile darin enthalten sind.
Um den Lack glänzend zu machen, d. h. um ihm die Wasserteile zu be-
nehmen, lassen die Chinesen ihn an der Sonne in breiten Gefässen einige
Stunden stehen, wodurch die Masse zäher wird, oder man dampft ihn bis
zur Hälfte ein, mischt 5 — 6 Drachmen auf ein Pfund Firnis gut eingedickter
Schweinsgalle hinzu und wenn diese eine Viertelstunde lang eingerührt ist,
fügt man noch 4 Drachmen römischen Vitriols auf jedes Pfund der Masse
hinzu; letzterer ist in einer gehörigen Quantität Tee-Oel aufgelöst und dadurch
trocknend gemacht worden. Das Tee-Oel wird aus den Früchten des Tee-
baumes zu diesem Zwecke gewonnen. Um es trocknender zu machen,
wird beim schwarzen chinesischen Lack das Teeöl mittels 50 Gramm Arsenikum
(Realgar und Auripigment zu gleichen Teilen) bis auf die Hälfte eingesotten. 33 )

S2 ) Abgedruckt in Watin L’art du Peintre, Vernisseur. Deutsch. Ausg. Il-
menau 1827, p. 319.

33 ) Semper (I p. 114) gibt folgende Angaben über die Zusammensetzung des
chinesischen Lacks: „Man vermischt die gereinigten und auf verschiedene Weisen
durch Zusätze von Schweinsgalle, Hirschhornkohle u. s. w. präparierten Lacke mit
Wasser, so dass etwa 605 Gramm Lack der ersten Qualität auf ein Kilogramm
Wasser kommen, setzt noch zu derselben Quantität Lack 37 bis 40 Gramm Oel von
der Camellia Sesanqua, eine Schweinsgalle und circa 19 Gramm Reisessig hinzu.
Nachdem diese Stoffe gut zusammengemischt sind, bilden sie einen feinen pastosen
Firnis von glänzend schwarzer Farbe.»

Ueber den japanischen Lack schreibt Andes (Praktisches Handbuch f. An-
streicher u. Lackierer, Techn. Bibliothek v. Hartleben, Leipz. 1892, p. 17): „Der ja-
panische Lack stellt, wie er vom Baume kommt, einen ziemlich dickflüssigen, gelb-
oder grauweissen Saft dar, welcher an der Luft sich rasch bräunt und giftige
Eigenschaften zeigt. Die Zubereitung, welcher derselbe unterzogen wird, ehe man
ihn anwendet, besteht darin, dass man ihn, um ihn von Staub, Insekten und Rinden-
oder Blattteilchen zu befreien, durch besonderes, sehr durchlässiges Papier presst;
dann rührt man denselben längere oder kürzere Zeit an der Luft, um ihn geschmeidiger

Nachrichten
über chines.
Laokflmis.

— 44 –

Das Oel gibt dem Firnis einen vortrefflichen Glanz. Den schönen
schwarzen Lack erhält man durch Zusatz von pulverisierter Hirschknochenkohle
oder Elfenbeinschwarz mit dem genannten Siccativöl. Die weisse Firnisfarbe
wird aus Silberblättchen bereitet, die man mit Firnis zu einem Teige knetet; man
fügt etwas Kampher hinzu, um die Auflösung wasserklar zu machen. Statt
des Silbers wird auch mitunter Quecksilber angewendet. Der mineralische
Zinnober oder die Safnorblume, dem Lack zugesetzt, machen ihn rot; Auri-
pigment allein gibt gelben Lack, vermischt mit Indigo, grünen Lack; zu dem
violetten nimmt man einen fein gepulverten Stein, The-che genannt, oder
wohl auch calcinierten roten Vitriol, der scharf gebrannt ist, um ihm sein Salz
zu nehmen, da der Firnis, wie sie sagen, kein Salz ertrage.

Die Anwendung des Lackes verlangt die allergrösste Sorgfalt; er wird
nur auf ganz geebnete Flächen, die vorher mit dem Oel des Tong-chou-Baumes
bestrichen sind, aufgetragen ; bei farbigen Arbeiten werden die Lacküberzüge
sehr oft wiederholt, bis die Oberfläche glatt und glänzend wie ein Spiegel
ist ; auf diesen glänzenden Grund wird dann Malerei, Vergoldung u. s. w. auf-
getragen, die schliesslich ihren Halt durch einen letzten leichten Lacküberzug
erhalten. Mit der grössten Vorsicht wird während der Arbeit darauf geachtet,
dass die Werkstätte vollständig staubfrei bleibe; auch gilt es als Bedingung,
von der das Gelingen aller Lackarbeiten abhängt, dass diese an einem mehr
feuchten als trockenen Orte erhärten, und in den Trockenräumen wird hierauf
die peinlichste Sorgfalt verwandt.

Zum Polieren der Lacküberzüge wird nach d’Incarville eine Komposition
von Ziegelmehl, das mehrmals gewaschen und durchgesiebt ist, mit Schweins-
blut und Kalkwasser angerührt; daraus werden dann Stangen geformt, die
zum Polieren dienen. Von der oftmaligen Wiederholung des Polierens und
der Anzahl der Firnisschichten hängt die Vortrefflichkeit ab.

Zur Vorbereitung von Goldfirnisverzierungen wird, nach derselben
Quelle, die Zeichnung auf einem Stück Papier entworfen, mit verdünntem
Operment ausgefüllt und auf die weiche Masse der zu dekorierenden Fläche
stark aufgedrückt. Nachher werden mit Operment in Gummi oder Leim
die Züge übergangen. Derselbe Firnis, der zur Goldbeize dient, wird auch
zur Auflösung der Farben gebraucht; um ihn flüssiger zu machen, mischt
man etwas fein gestossenen Kampfer hinzu und bereitet mittelst einiger Tropfen
Firnis einen Teig, den man eine Viertelstunde hindurch mit einem Spatel
durchknetet. Von diesem Teige nimmt man das Nötige zur Auflösung der
Farben. Soll das Gold erhöht erscheinen, so mischt man der Beize etwas
Zinnober bei. Vor der Vollendung bringt man den Gegenstand zum Trocknen
in die Trockenräume. Zwölf Stunden sind hinreichend, ihn soweit zu bringen,
dass man das Gold anlegen kann. Zur Anlegung des Goldes drückt man
Läppchen von Kokonseide auf das Goldpulver (Muschelgold), um sie damit
zu beladen, und reibt sie über die zu vergoldenden Stellen hin und her.
Das Gold bindet sich sofort an die Beize. Ist dies aber nicht der Fall,
weil die Unterlage nicht trocken genug war, so zerstückelt man schnell ein

zu machen, versetzt ihn mit Oel, oder mischt ihn, wenn man schwarzen Lack dar-
stellen will, mit Wasser, welches einige Zeit über Eisenfeilspänen gestanden hat.*

Aus diesen Angaben ist die Eigenartigkeit der Laekmasse ersicbtlich, die an-
fänglich mit Wasser mischbar nach dem Trocknen überaus widerstandsfähig wird.
Dem „grauweissen» Aussehen und allen übrigen Merkmalen nach zu schliessen, haben
wir es hier mit einer emulsionsartigen Masse zu tun, einem Gummiharz, das noch
mit Oelen versetzt wurde, um es gebrauchsfähig zu machen.

Interessant ist eine Bemerkung, die ein arabischer Reisender Masudi im
IX. Jh. über einen eigentümlichen Anstrich der Holzbauten bei den Chinesen ge-
macht hat, dass infolge dieses Anstriches deren Bauten leicht in Brand geraten;
es heisst in der von Renaudet gegebenen Uebersetzung (Auciennes Relations des
Indes et de la Chine, traduites del’Arabe avec des remarques, Paris 1718 p. 59): „Ils
enduisent le tout avec une colle particuliere qu’ils fönt avec de la graine de chanvre,
qui devient blanche comme du lait, et quand les murailles en sont enduites,
elles on un esclat merveilleux». Dies scheint demnach einer emulsionsartigen Flüssig-
keit, die aus Hanföl und irgend einem Gummi hergestellt wurde, zu entsprechen.

— 45 —

wenig weissen Bolus und wischt diesen auf die Stellen: dann kann man un-
bedenklich das Gold auf die Beize auftragen.

Wir haben uns mit dem chinesischen Verfahren des Lackierens vielleicht Wnfiuss des
über Gebühr beschäftigt. Es galt aber hier zu zeigen, wie aus dem örtlichen die Technik.
Vorkommen eines bestimmten Materials sich besondere Bedingungen für die
Ausbildung einer eigenen industriellen Technik ergeben, von der sowohl der
Stil als auch die Art der Malerei beoinflusst ist. Semper (I p. 116) glaubt,
dass „das chinesische Verfahren des Lackierens in vielen Punkten mit dem-
jenigen übereinstimmt, welches die Hellenen und überhaupt alle antiken kunst-
gebildeten Völker (Assyrier, Aegypter, Etrusker u. s. w.) bei ihren polychromen
Flächenverzierungen beobachteten, und manchen interessanten Blick in die
Technik der ältesten Malerei gewährt.» Und in der Tat herrscht von den
ältesten Zeiten an überall das Prinzip, das Material zur Grundlage der hand-
werklichen Ausführung zu nehmen, um möglichst grosse Wirkung zu erzielen.
Durch das Glätten oder Polieren (der chinesische Lack ist ein polierter
Ueberzug, nicht nur ein Firnis) wird gleichzeitig eine innige Verbindung mit
dem Untergrund , eine weit intensivere Farbenerscheinung und die grösste
Dauerhaftigkeit der Malerei erreicht. Diese gegenseitige Unterstützung
aller auf äussere Erscheinung, Solidität und Materialauslese gegründeten Mo-
mente finden wir bei allen älteren Methoden der Malerei vereinigt, und hierauf
beruht jede rationelle Technik der Malerei.

IL Teil.
Technik der griechischen und römischen Malerei.

— 40

Allgemeine Uebersicht über die Entwicklung im Altertum.

Ob die Malkunst in einer bestimmten Zeit und von bestimmten Personen
erfunden worden ist, erscheint uns heute als völlig müssige Frage. Bei den
Griechen füllten jedoch die Namen der „Erfinder» ein beliebtes Kapitel in
ihren kulturgeschichtlichen Schriften; für jede Wissenschaft und Kunst, jedes
Gewerbe, ja jedes Handwerkszeug wusste man einen „Erfinder» zu nennen,
und es schmeichelte dem Stolz einer Stadt, wenn einer ihrer Bürger eine Er-
findung gemacht, einen wichtigen Portschritt zuerst eingeführt haben sollte.
Schon mehrere tausend Jahre vor den Griechen rühmten sich die Aegypter
die Kunst der Malerei gekannt zu haben; in Griechenland nahmen Sikyon
und Korinth das Verdienst der Erfindung und frühesten Pflege für sich in
Anspruch. Später, als die griechische Malerei in sicherer Tradition zu immer
höherer Vollkommenheit sich entwickelte, haben namentlich Xenokrates und
Antigonus sich bemüht, die Fortschritte dieser Entwicklung im einzelnen
festzustellen. Solchen Autoren hatte Plinius sein Material entnommen, als
er in den letzten Büchern seiner sog. Naturgeschichte alles zusammenstellte,
was für das kunstgeschichtliche Wissen der Gebildeten seiner Zeit nötig zu
sein schien, und es wird das Bild, das er von der Entwicklung der
Malerei entwirft, im wesentlichen den Anschauungen der alten Künstler und
Kunstgelehrten entsprochen haben. Wenn uns manches dabei unklar und
unsicher vorkommt, weil uns die Kunstwerke fehlen, die eine Nachprüfung
gestatten, so mag sein Bericht in diesem Falle doch zur Grundlage genommen
werden, um von da aus zu allgemeineren Gesichtspunkten zu gelangen.

Nach Plinius (XXXV, 15) J ) war man im Altertume darüber einig, die Sohattenriss.
erste Malerei hätte darin bestanden, dass man den menschlichen Schatten
mit Linien umzog. Demnach war der so umzogene Schattenriss, mit nur
einer Farbe ausgefüllt und kaum mit der allernötigsten inneren Linienführung
versehen, wie wir dies an allerältesten griechischen Vasen sehen, die erste
Art der Darstellung der menschlichen Figur, denn nur von der letzteren geht
Plinius bei seiner Erörterung aus. Aber welch’ grosser Unterschied zwischen
dem kindisch unbeholfenen Leichenzug auf den bekannten Vasen vom Dipylon
und der Amazonenschlacht der Münchener Vasensammlung! (Abb. 10.) Dort
der Eindruck der absoluten Unfähigkeit, hier die Anzeichen meisterhafter
Form und Linienführung.

Angenommen, es wäre dieser Schattenriss die älteste Art der Darstellung, Monochrome
so konnte dieselbe natürlich nicht lange dem sich freier entwickelnden Ge-
schmack genügen; der Ausfüllung der Kontur mit nur einer Farbe musste
alsbald die Verschiedenfarbigkeit folgen, und es ist meiner Ansicht nach
kaum richtig, den Griechen selbst der ältesten Zeit zuzutrauen, dass sie an
ihren Tempelwänden einfarbige Silhouetten geduldet hätten. Die Auffassung

1 ) Die Zitate aus der Naturalis historia des Plinius gebe ich regelmässig mit der
Buch- und der Paragraphenzahl, ohne die Kapitel und Sektionen zu bezeichnen , wie
63, wenigstens in Deutschland, allgemeinei Gebrauch geworden ist, seitdem Sillig die
bequeme Paragrapbeneinteilung eingeführt hat.

4

— 50 —

der monochromen Malerei in dem eben angedeuteten Sinne kann schon
deshalb nicht zutreffend sein, weil wir bei den Aegyptern vergebens nach
einer Analogie suchen. Die stets schwarze Farbe der altgriechischen Vasen-
bilder wird eher ihren Grund in dem Material haben, weil die Vasenmaler
eine entsprechendere Farbe, die sich eingebrannt vom roten Ton abheben
sollte , nicht kannten und selbst da sehr bald noch Weiss und Violettrot zu
Hilfe nahmen. Ueberdies wird in den Worten des Plinius die sog. Monochrom-
Malerei nicht einmal die erste, als welche der Schattenriss (Skiagraphia) gelten
soll, sondern de zweite Stufe genannt: „Die zweite mit einzelnen Farben
habe man Monochromatos genannt» (XXXV, 15: itaque primam talem, se-
cundam singulis coloribus et monochromaton dictam). Ganz deutlich ist dem-
nach hier schon die Mehrfarbigkeit gemeint, aber die Farben wurden in
der monochromen Malerei nur als Lokalfarbe, ohne jede Modellierung in
Licht und Schatten verwendet, wie es auf den altägyptischen Malereien zu
sehen ist. Dass dabei schon reiche Detailausführung der Stoff-Ornamentik,
jedoch ohne Faltenzüge, und sehr charakteristisches Erfassen des Gesichtes
typus zu bemerken ist, haben wir bei der Besprechung der ägyptischen
Maltechnik hervorgehoben (p. 5).

Abbild. 10. Amazonenkampf. Vasengemälde archaistischen Stiles. Nach einem Original der

Münchener Vasensaminlung.

Monochrome Malerei wurde noch zu Plinius Zeiten ausgeübt (a. a. 0.),
ein Beweis dafür, dass die naive Auffassung der ältesten Vasenmaler nicht
damit gemein sein kann, und dass diese Malerei besondere Eigenschaften gehabt
hat, die sie für bestimmte Zwecke verwendbar erscheinen Hess. Die An-
wendung einer Lokalfarbe, d. h. einer Farbe ohne Tonabstufung hat, ko-
loristisch genommen, den Zweck, die so bemalte Figur aus der Umgebung her-
vortreten zu lassen; die Figur erhielt durch die starke Färbung ihrer einzelnen
Teile ihre volle Wirkung für die Entfernung. Aber während ursprünglich
diese Figuren dunkel auf heller, unbemalter Umgebung standen, vollzieht sich,
genau so wie wir es bei der ägypt. Malerei gesehen (p. 17), in der Folgezeit
eine Wandlung ins Gegenteil. Dadurch machte die Monochrommalerei mit
einem mal einen grossen Fortschritt und ging nun ihrer höchsten Vol-
lendung entgegen. Jetzt hoben sich die Figuren licht von der dunklen
Umgebung ab, und damit begann die Herrschaft des Malerischen in der
Malerei. Der klassische Stil der griechischen Vasenbilder gibt davon tausend-
fache Beweise; der Schwung der Linienführung, die glänzende und höchst
geschmackvolle Raumausfüllung setzen uns heute noch in gerechtes Er-
staunen. (Abb. 11.)

— 51 —

Zu den Monochromen zählen wir alle diejenigen Malereien, bei welchen
durch Linien- und Umrisszeichnung die Flächen ausgefüllt weiden, ohne
Modellierung und ohne Berücksichtigung eines nach der Tiefe (des Raumes)
wirkenden Hintergrundes, mit einem Wort: die Prieskomposition, bei wel-
cher die Figuren auf einer Ebene und auf einem einfarbigen oder ungefärbten
Hintergrunde stehen. So primitiv auch scheinbar eine solche Kunstrichtung
sein mag (vergl. die Malereien in den etruskischen Hypogäen von Ruvo,
Corneto u. s. w.), so lassen sich durch sie doch grosse monumentale Wir-
kungen erzielen, und daraus erklärt sich auch die Erhaltung dieses Kunst-
zweiges bis zur Zeit des Plinius. Zur Steigerung dieser monumental-dekorativen
Eigenschaft der monochromen Malerei wurden im Altertum selbst die grellsten
Farben verwendet; Drachenblut und Zinnober (oinnabaris, minium) erwähnt
Plinius speziell bei dieser Malart, „man hielt aber beide Farben für zu
schreiend und ist zur Rubrica (Rötel) und Sinopisrot übergegangen» (XXXIII,
117). Die Erfahrung lehrte sehr bald auch die Kontrastwirkung der Farben,
so dass mit den weniger grellen Farben der gleiche Effekt für die Ferne er-
reicht werden konnte. 2 )

Abbild. 11. Musikunterricht. Vasengemälde der Blütezeit. Nach einem Original der gleichen

Sammlung.

maierei.

Innerhalb dieser Monochrommalerei werden sich in logischer Reihe alle Verbesaerun-

i i • , i x-r !• i- j. TT- ! ,, i . *»en innerhalb

durch eingehenderes .Naturstudium bedingten Verbesserungen vollzogen haben; d. Monoohrom-
Plinius (XXXV, 16) nennt auch die Namen der Künstler, denen diese zu-
geschrieben wurden: Die primitive Umriss- oder Linienmalerei (linearis) wurde
von Aridikes aus Korinth und Telephanes aus Sikyon durch Hinzufügung
der „inneren Linienführung» bereichert, aber in der Charakteristik des Dar-
gestellten kamen sie über das Roheste nicht hinaus; „daher wurde es ge-
bräuchlich, die Namen der Abgebildeten beizuschreiben». Ekphantos aus
Korinth wird als der erste genannt, der solche Porträts auch kolorierte,
„wie man angibt, mit zerriebenen Scherben», worunter nicht unser Ziegelrot,
sondern der Farbstoff der terra sigillata zu verstehen ist (John p. 110).

2 ) Blümner, Terminol. und Techn. IV, p. 420 und Brunn, Geschichte der
griech. Künstler II, p. 8 sind der Ansicht, dass zu Plinius’ Zeiten unter Monochromen
etwas anderes, nämlich die durch Schattierung einer und derselben Farbe (mittelst
Weiss) hergestellten Gemälde verstanden wurden, also was en camayeu oder chiaros-
curo, „grau iu grau» bedeutet, und dass Zeuxis die von Plinius (XXXV, 64) ex albo
genannten Monochrome so gemalt hätte, denn es liesse sich ein so raffiniertes Ver-
fahren, wie das Malen von „Helldunkel» unmöglich den Anfängen der Kunst zu-
schreiben. Vielleicht meint Plinius damit, dass Zeuxis die Lichtwirkung der mono-
chromen Malerei durch Weiss noch zu steigern verstand.

4*

~_ 52 —

Früher wurde nämlich der Fleischton nicht mit Farbe ausgefüllt, sondern
nur die Gewandung u. s. w., wie auf den altägyptischen Malereien; dann be-
gann Eumaros aus Athen „den männlichen und weiblichen Körper durch
das Kolorit zu unterscheiden» (XXXV, 56), die nächste Folge des Vorigen
und ein Beweis des Strebens, die Natur als Lehrerin zu erkennen. Eumaros
„wagte es, alle Formen nachzumachen» d. h. er individualisierte, mehr als
es bisher üblich war, die verschiedenen Stellungen, Bewegungen und die
Muskulatur des menschlichen Körpers. Immerhin war er in gewisser Richtung
beschränkt, weil jeder Kopf und jede Bewegung im Profil, die Glieder alle
in ganzer Länge sichtbar bleiben mussten, da die Ueberschneidungen und die
nötige Verkürzung der Form ohne Licht und Schatten schwer ausdrückbar
sind; ein nach vorn gestreckter Arm z. B. würde, nur mit Konturlinien ge-
zogen, viel zu kurz aussehen. Aber er war auf dem richtigen Weg. Dann
„bildete Kimon aus Kleonae diese Errungenschaft weiter aus 1 ‘. Er musste er-
kennen, dass viele Bewegungen, insbesondere wenn mehrere Figuren in Be-
ziehung zu einander dargestellt werden sollten, mit reiner Profilansicht nicht
zu geben waren; so hat er denn „erfunden, Katagraphen, Bildnisse von der
Seite, zu malen und das Gesicht willkürlich zu richten, so dass es jemand
bald gerade ansieht, bald aufwärts, bald abwärts blickt». Ihm werden also
die Erfindungen des Porträts im Halbprofil und die Ueberschneidungen nach
oben und unten zuzuschreiben sein. Alles, was ihm sonst noch zur Ehre an-
gerechnet wird, ist die Folge seiner schärferen Naturbeobachtung: „er hat
auch die Artikulation der Glieder unterschieden, die Blutgefässe angedeutet
und ausserdem die Falten und den Wurf des Gewandes in der Malerei er-
funden.» Daraus ergibt sich, dass er sehen gelernt hatte und die Dinge
auch so darzustellen verstand, wie er es sah; er war Realist, wie wir heute
sagen würden. Brunn (Gesch. d. griech. Künstler II, 8) nennt ihn mit
Recht den Begründer der kunstmässigen Zeichnung. Während man vor ihm
die Gewandung in einfachen Linien über die Formen des Körpers hin wegzog,
beobachtete er, wo sich die Falten an die Körperteile anlegen und wie der
Körper selbst durch die Gewandung hindurchwirkt, wie sich die Falten an
solchen Stellen brechen oder der Form nachgeben u. s. f.; es gehört auch
heute noch zu den bekannten Gesetzen des Faltenwurfes, dass die Artikulation
der Glieder damit deutlich zu machen ist.

‘^Kuioriti 68 „Schliesslich», so berichtet Plinius (XXXV, 29), „erzeugte die Kunst

aus sich selbst heraus grössere Mannigfaltigkeit und schuf Licht und Schatten,
wobei die Kontraste von heller und dunkler Farbe sich gegenseitig hoben;
nachher kam dann das Glanzlicht (splendor) hinzu, das vom Licht noch ver-
schieden ist; was zwischen diesen und dem Schatten lag, wurde Ton (tonos),
die Verschmelzung und die Uebergänge der Farben harmoge genannt». Da-
mit ist eigentlich, was wir Kolorit nennen, beschrieben. Durch fortgesetztes
Naturstudium reifte selbstverständlich die Erkenntnis der Forinengebung durch
Licht und Schatten; man beobachtete sogar schon, dass das höchste Licht
einen anderen Charakter hat als der Lokalton (kalt oder warm) und dass erst
durch richtige Abschattierung nach den Seiten hin die harmonische Rundung
der Form eintritt.

In der 83. Olympiade (um 445 v. Oh.) muss der Gebrauch von Farbe
und die Uebung im Zeichnen schon sehr vervollkommnet gewesen sein, da
Panänos, der Bruder des Phidias, auf einem die Schlacht von Marathon
(490 v. Ch.) darstellenden Gemälde die Feldherrn, von den Athenern Miltiades,
Kallimachos und Kynaegiros, von den Barbaren Datis und Artapharnes,

Polygnot. porträtähnlich gemalt haben soll. Ziemlich gleichzeitig hat Polygnot von
Thasos die Malerei ausserordentlich gefördert: „er malte zuerst weibliche
Figuren in durchsichtigem Gewände und schmückte die Köpfe mit vielfarbigem
Putz; er unternahm es zuerst seine Figuren mit geöffnetem Munde und
Sichtbarwerden der Zähne darzustellen, auch den Gesichtszügen die alte Starr-
heit zu nehmen». Polygnot führte also Anmut und Schönheit in die Kunst
ein, welche von nun an in der Darstellung des Weibes, der Krone der

53

Zeuxis und

Piirrhafiios.

Schöpfung, eine ihrer höchsten Aufgaben erblickte. Er hat den sieghaften
Typus der klassischen Schönheit mit dem lächelnd halb geöffneten Munde
erfunden; er hat in seinen berühmten Darstellungen aus der Heldensage (zu
Delphi und in der Stoa Poikile zu Athen) die [dealgestalten so gesohaffen,
wie sie sich die zeitgenössische Phantasie in ihrem höchsten Sohwuuge vor-
stellte; er hob sie „über die Wirklichkeit», indem er idealisierte.

Von da an schreitet die Malerei ihrer höchsten Blüte entgegen. In dcv
93. Olympiade (um 406 v. Oh.) tut sich Apollodor aus Athen durch be-
sonders feine Modellierung der Formen (exprimere species) hervor. Er er-
reichte durch Licht- und Schattenwirkung einen hohen Grad von Körperlichkeit;
Ausdruck und Bewegung sind ganz und gar der Natur abgelauscht, die Farbe
so kräftig und verständig abgewogen, dass der Beschauer schon den Ein-
druck der Illusion, der gemalten Wirklichkeit erlangen musste. „In die
durch ihn geöffneten Pforten trat Zeuxis von Heraklea im 4. Jahre der
95. Olympiade (396 v. Ch.) und führte den schon kühn gewordenen Pinsel
zu hohem Ruhm.» Er war der berühmteste Maler seiner Zeit, und die un-
gemessene Wertschätzung verleitete ihn zum Eigendünkel, so dass „er seine
Werke nur verschenkte, weil kein Preis, wie er sagte, für sie hoch genug
war». An Naturwahrheit wurde er freilich von Parrhasios aus Ephesus
übertroffen, wie aus der bekannten Anekdote von den gemalten Trauben, auf
welche Vögel zuflogen, und dem von Parrhasios gemalten Vorhang, hinter dem
Zeuxis das eigentliche Bild vermutete, hervorgeht. Das fortgesetzte Studium
der Natur führte eben auch zu den allerletzten Konsequenzen, wonach in der ab-
soluten Täuschung das höchste Ziel erblickt wird; es ist der Naturalismus,
der sich ebenso sehr in den Motiven wie in der Ausführung ausspricht. Dem
Parrhasios wird von seinen Kunstgenossen noch besonders nachgerühmt, dass
er in der malerischen Behandlung des äusseren Umrisses (liniis extremis) die
Palme davontrug: er habe die „nur selten erreichte Kunst» verstanden, „bei
den äusseren Umrissen der Körper trotz der verschwindenden Malerei die Be-
stimmtheit der Form zu wahren, so dass die Körper an ihrer Begrenzung
um sich selbst herumgehen (se ipsa ambire, d. h. sich vollkommen runden)
und, wo sie aufhören, ahnen lassen, was noch hinter ihnen ist, und so ge-
wissermassen auch zeigen, was sie verdecken» (XXXV, 67. 68). So gezwungen
auch sich Plinius an dieser (schwer übersetzbaren) Stelle ausdrückt, so ist
doch klar zu erkennen, dass damit nur die freie Erscheinung einer ge-
malten Figur im vorgestellten Raum gemeint sein kann, dasselbe, was unsere
Pleinairisten auch heute anstreben! Von demselben Künstler werden Studien
auf Holz und Pergament erwähnt, „von denen selbst Künstler lernen könnten»,
die älteste Erwähnung von Malerei auf Pergament (Miniaturmalerei).

Der glänzende Ruhm und der reiche Lohn der Kunst in dieser Periode Maierschuieu
zog Talente nach den Städten, in denen sich Malerschulen gebildet hatten;
Pamphilos zu Sikyon insbesondere war als Lehrer sehr gesucht, denn er war
der erste Maler, der eine allgemeine wissenschaftliche Bildung, „namentlich
Kenntnisse in Arithmetik und Geometrie besass, ohne die seiner Meinung nach
die Kunst nie zur Vollkommenheit gedeihen könne». Zu dem praktischen
Studium der Natur gesellte sich noch das theoretische Wissen ; die Linien-
perspektive und anatomisches Erkennen des Körpers müssen in seinem Lehr-
plan einen hervorragenden Platz eingenommen haben. Er verlangte von allen
für zehn Jahre Unterrichts nicht weniger als ein Talent (4500 — 5000 JC),
und dieses Lehrgeld hat ihm auch Apelles entrichtet.

Apelles aus Kos (112. Olympiade, um 330 v. Ch.) übertraf so sehr alle
berühmten Vorgänger und Zeitgenossen, dass die Alten meinten, er weide
auch für alle Zeiten unübertroffen bleiben. Er war der Raffael des Alter-
tums, und von dem Eindruck, den diese blendende Künstlererscheinung hinter-
lassen hat, zeugt eine ganze Reihe von feinen Zügen aus seinem Leben und
von sprichwörtlich gewordenen Aussprüchen, die man sorglich gesammelt
und der Nachwelt überliefert hat. Als die ihn auszeichnende Eigenschaft, in
der niemand ihm auch nur nahe kam, galt die „Grazie» (xapis)- Didier war

Apelles.

— 54 —

er der gefeiertste Maler höchster Frauenschönheit; seine Aphroditebilder wurden
als unvergleichliche, einzigartige Kunstwerke betrachtet und mit Gold auf-
gewogen. Er schuf auch figurenreiche Kompositionen, doch seine Hauptstärke
scheint in Einzelfiguren mit mannigfachem Beiwerk gelegen zu haben, und
hier vereinigte er die grösste zeichnerische Vollendung — von der Sicherheit
seiner Hand und der Feinheit der Linienführung erzählt die bekannte Anekdote
von seinem Besuche in Protogenes’ Werkstätte — mit vollkommener Natur-
treue in der malerischen Behandlung. Daher zeigten seine Porträts eine
„bis zur UnUnterscheidbarkeit gehende Aehnlichkeit» ; Alexander d. Gr. wollte
von niemand anders gemalt werden und ist oft in vielfacher Variation von
ihm gemalt worden. Auch an koloristisch schwierige Aufgaben hat er sich
gewagt, denn er soll „Dinge, die sich nicht malen lassen, Blitz und Donner (I)
und Wetterleuchten» malerisch dargestellt haben — in welcher Weise, ist
freilich nicht mehr zu erkennen. Ueber seine Kunst hat er selbst Bücher
geschrieben, doch muss er, was die Technik betrifft, einiges als Geheimnis
behandelt haben; wenigstens konnte ihm niemand den von ihm erfundenen
eigentümlichen Firnis nachmachen, der „durch Reflexion des Lichtes die Klarheit
der Farbe erhöhte und gleichzeitig durch einen von weitem nicht zu be-
merkenden dunkleren Schein die allzuleuchtenden Farben milderte» (XXXV, 97).
Dass auf dieser Stufe der technischen Entwicklung Gemälde von so hohem
Farbenreiz mit nur vier Farben gemalt worden seien, klingt uns heute
ganz unglaublich, und doch sagt Plinius XXXV, 50 (vgl. auch § 92), dass
die berühmten Maler Apelles, Aetion, Melanthios, Nikomachos mit nur vier
Farben ihre unsterblichen Werke hergestellt hätten, 3 ) und nennt Weiss von
Melos, attischen Ocker, Sinopisrot und Schwarz; Blau kommt nicht vor. Man
könnte etwa daran denken, dass zu dem Zwecke das den Alten bekannte
Rebenschwarz gedient habe , da dieses mit Weiss gemischt einen bläulichen
Ton annimmt. Für die monochrome Maleroi dürften auch wenige Farben
genügt haben , weil hier mit möglichst einfacher Farbenwirkung gerechnet
wird; die Stelle des Plinius scheint aber mehr den Unterschied zwischen
der früheren und seiner eigenen Zeit ausdrücken zu sollen, denn er fügt hinzu :
„Jetzt, wo der Purpur sogar auf die Wände kommt, und Indien den Schlamm
seiner Flüsse und den blutigen Ausfluss seiner Drachen und Elefanten bei-
steuert, gibt es keine edle Malerei mehr.» Er will damit vor allem sagen,
die Schönheit der Malerei hänge nicht von der Kostbarkeit des verwendeten
Materials ab (die gleiche Ansicht bei Vitruv VII 5, 7).

Ein Zeitgenosse des Apelles, Aristides, malte im grossen Stile was wir
Historienmalerei nennen würden, z. B. ein Schlachtenbild mit hundert Figuren,
und war meisterhaft im Ausdruck der Charaktere und der Affekte.

Von der Höhe des technischen Könnens und künstlerischen Verständ-
nisses jener Zeit gibt folgende Anekdote einen erwähnenswerten Beweis:
Apelles soll beim Anblick eines von Protogenes mit unsäglicher Sorgfalt
durchgeführten Gemäldes wahrhaft betroffen gewesen sein und gern dem
Nebenbuhler den Vorrang vor sich eingeräumt haben; nur in einem Punkte
müsse er diesen für sich in Anspruch nehmen, darin nämlich, dass er ver-
stehe, die Hand zur rechten Zeit von der Arbeit zurückzuziehen, denn zu
grosse Sorgfalt tue der Wirkung Eintrag (Plin. XXXV, 80). Im Nebensäch-
lichen mit geringer Andeutung sich zu begnügen, um die grosse Wirkung in
die Hauptsache zu verlegen, darin besteht die höchste Vollendung der Technik,
darin liegt der wahrhaft künstlerische Geist.

3 ) In diesem Punkte befindet sich Plinius nicht im Einklänge mit anderen alten
Schriftstellern. Cicero (Brut. 18, 70) sagt dies speziell von Polygnot, Zeuxis. Timanthes
uud deren Zeitgenossen, während er den Künstlern der Folgezeit, Aetion, Nikomachos,
Protogenes, Apelles hinsichtlich des Kolorits die volle Beherrschung der Technik zu-
schreibt. Vgl. Blümner IV, 465. — Mir will scheinen, als ob die Alten mit den „vier»
Farben nicht die Pigmente, sondern das von griechischen Philosophen aufgestellte
Farbensystem gemeint haben. Geradeso genügten den Späteren nur drei Grund-
farben (gelb, rot und blau) im optischen Sinne, und niemand wird behaupten, dass
sie nur drei Pigmente anwendeten.

— 55 —

Das intimere Studium der Natur führte weiter auch zur Beobachtung St H lot h ei ft’
und Nachbildung unbedeutender Vorgänge und Gegenstünde der allernächsten und ttem-e-
Umgebung, zur Stilleben-, Landschafts- und Genremalerei. Piraeicus
malte z. B. Barbierstuben, Schusterwerkstätten, Gemüse- und Küchenstücke,
dies alles in kleinstem Format, aber mit vollendeter Feinheit der Durchführung,
Kalates und Antiphilos auch komische Szenen und Karikaturen. Derartige
Kontraste finden wir stets in den höchsten Kunstperioden; waren doch Teniers
und Ostade Zeitgenossen von Rubens und Van Dyckl

Dies sind die hervorragendsten in der Reihe der Maler „ersten Ranges»
(proceres), die Plinius als die „Meister des Pinsels», d. h. der Tempera-
malerei auf Wänden und Tafeln, bezeichnet. Ihnen stellt er als ebenbürtige
Vertreter einer anderen Technik eine Reihe der grossen Meister der En-
kaustik gegenüber.

lieber Ursprung und Alter dieser Technik herrschte, nach seinem Bericht , )! (li , sl ‘».,
(XXXV, 122), schon bei den Alten Ungewissheit. Einige behaupteten, er-
funden sei sie von dem Maler Aristides und vervollkommnet von dem Bild-
hauer Praxiteles; beide hatten, dem Lebensalter nach nur um wenige Jahr-
zehnte verschieden, ihre Blütezeit erst nach 370 v. Chr., etwa während der
Regierung Philipps von Macedonien. Aber mit Recht wendet Plinius selbst
dagegen ein, dass es weit ältere Bilder enkaustischer Art gäbe: so von Po-
lygnotos, der ein Zeitgenosse des Phidias, ungefähr 70 Jahre früher auf der
Höhe seines Ruhmes stand, von Nikanor, Mnesilaos aus Paros und Ela-
sippos. Sicherlich ist die Enkaustik schon bekannt gewesen in der Zeit,
wo die Wand- und Tafelmalerei hohen Stils erst anfing, sich zu künstlerischer
Höhe zu erheben, und die „Meister des Pinsels» werden auch enkaustisch
gemalt haben — von P am philo s, dem anerkannten Haupt der sikyonischen
Schule ist bekannt, dass er sogar darin unterrichtet hat — ; aber ebenso
sicher ist, dass dies nur nebenbei geschah, denn es war eine äusserst mühe-
volle Art zu arbeiten 4 ) und nur geeignet, wie es schien, für Bilder von massi-
gem Umfang; die Vorzüge, die sie besass, die Kraft und der Glanz sowie
vor allem die Haltbarkeit der mittelst Wärme zu befestigenden Wachsfarben,
die durch Abwaschen nicht beschädigt wurden, 5 ) mochten nicht gross genug
erscheinen, um die Unbequemlichkeit des Verfahrens, das eine ungewöhnliche
Geschicklichkeit der Hand erforderte, aufzuwiegen.

Jedenfalls ist des Pamphilos Schüler, Pausias aus Sikyon der erste, fausias.
der die Enkaustik als seine Spezialität pflegte, und er hat es darin sofort
zu unübertroffener Meisterschaft gebracht. Sein Name wurde typisch für diese
Technik. Er gehörte auch sonst zu den angesehensten Malern seiner Zeit,
denn er war es, der berufen wurde, die unscheinbar oder schadhaft gewordenen
Wandgemälde des Polygnotos in Thespiä „mit dem Pinsel» zu restaurieren;
aber suum genus, wie Plinius sagt, sein eigentliches Feld waren die Kabinett-
stücke in enkaustischer Technik. Blumenstücke in geschmackvoller Farben-
komposition und Knabengestalten, vermutlich Amoretten, zählten zu seinen
Lieblingsmotiven. Er brachte die Sitte auf, mit solchen Bildern die Kassetten
getäfelter Zimmerdecken auszufüllen. Sein berühmtestes Werk war ein Bild
seiner Geliebten, der Kränze bindenden Glykera, inmitten ihrer Blumen sitzend,
— eine dankbare Erinnerung daran, dass sie einst durch den Verkauf ihrer
Kränze dem mittellosen Kunstjünger durchs Leben geholfen. Wegen der
Langsamkeit seines Arbeitens, die doch in dem besonderen Wesen des en-
kaustischen Verfahrens begründet war, von seinen Neidern verspottet, vollen-
dete er einmal eine kleine Tafel, die einen Knaben darstellte, an einem einzigen
Tage; sie wurde berühmt unter dem Namen Hemeresios (d. h. Eintagswerk).
Die schliesslich erworbene Virtuosität in der Handhabung seiner Technik be-

4 ) Plin. XXXV, 124: tarda pioturae ratio . . . parvae tabellae.

6 ) So werden die Worte Plato’s in Tim. p. 26 C &fY.«.ü[ut.%«. ivsotTcXöxou TP ac P^S ge-
wöhnlich verstanden. Doch werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass der Ausdruck
auch auf axiyjiaxa, mit dem Brenneisen hervorgebracht, also Brandmale auf der Haut
sich beziehen könne.

56 —

Koloristische

Vorzüge der

Enkaustik.

Nikias.

Enkausten der
späteren Zeit.

fähigte ihn denn auch, „grandes tabulas», umfangreiche Gemälde enkaustisch
zu malen. Ein solches war sein noch vierhundert Jahre nachher, zu Plinius’
Zeit, im Porticus des Pompeius zu Rom bewundertes „Stieropfer», worauf er
in unnachahmlicher Weise die Aufgabe gelöst hatte, einen schwarzen Stier in
kühnster Verkürzung von vorn, Schwarz in Schwarz zu so augenfälliger Run-
dung zu modellieren, dass der Beschauer die volle Länge des Körpers zu sehen
meinte. Wir sehen daraus, dass Pausias es verstand, durch die Kraft der Farbe
volle plastische Wirkung zu erzielen, dass es also koloristische Vorzüge
waren, die seine Art zu malen auszeichneten, während von den Temperamalern
mehr Wert auf die Auffassung, den seelischen Ausdruck und die lineare Kom-
position gelegt worden zu sein scheint. Das wäre dann derselbe Gegensatz,
wie wir ihn in der Renaissance zwischen Stilisten und Koloristen, zwischen
der florentinischen und der venetianischen Schule bemerken, und man könnte
versucht sein, Pausias den Tizian des Altertums zu nennen.

Dass das Koloristische das Hauptmerkmal der Enkaustik war, beweisen
auch die Mitteilungen, die Plinius über andere Meister auf diesem Gebiete der
Malerei macht. Euphranor aus Korinth (um 360 v. Ch.), ein ungemein
vielseitiger Künstler, Maler und Plastiker zugleich und als Schriftsteller Ver-
fasser von zwei Büchern über die Symmetrie und über die Farben, hat unter
anderen Heldengestalten einen Theseus gemalt, von dem er im Gegensatz zu
einem gleichnamigen Temperabilde des Parrhasios sagte, der Theseus des
letzteren sei mit Rosen genährt, der seinige mit Fleisch. 6 ) Und höchst be-
zeichnend ist, dass die wenigen charakterisierenden Bemerkungen, die Plinius
den Namen anderer beifügt, sich vorzugsweise auf deren Farbengebung be-
ziehen: 7 ) beim Antidotos, Schüler Euphranors, nennt er sie ernst oder streng,
beim Nikophanes, Schüler des Pausias, hart und mit einem Uebermass von
Ockergelb, beim Athenion aus Maronea, Schüler des Korinthers Glaukion,
herber oder dunkler (etwa ,, toniger», wie wir heute sagen), als beim Nikias,
aber trotz dieser Herbheit manchmal anziehender und sein tiefes Kunst-
verständnis verratend. Im übrigen war Nikias aus Athen, Schüler des Anti-
dotos, ihm überlegen und einer der am meisten bewunderten Künstler seines
Faches, hervorragend als Frauenmaler, aber bei seiner Meisterschaft in natur-
getreuer Darstellung, in Behandlung von Licht und Schatten und dem plasti-
schen Herausarbeiten der Figuren jeder Aufgabe gewachsen (Plin. XXXV,
131 ff). Schon bei seinen Lebzeiten wurden für seine Bilder ausserordentlich
hohe Preise gezahlt, und er war so verwöhnt, dass er seine „Nekyomantie
Homers», worauf Odysseus in der Unterwelt die Toten befragend dargestellt
war, seiner Vaterstadt schenkte, da er den vom König Ptolemäus ihm ge-
botenen Preis von 60 Talenten zu niedrig fand. Von seinen „grandes picturae»
wird eine „Nemea» , auf einem Löwen sitzend, erwähnt, die 75 v. Oh. von
Silanus aus Kleinasien nach Rom gebracht und später von Kaiser Augustus
in der Kurie öffentlich ausgestellt wurde (vgl. Plin. XXXV, 27); ausserdem
waren berühmt sein „Hyakinthos», eine Kalypso, Io und Andromeda. Auch
ein „Alexander» im Portikus des Pompejus wurde ihm zugeschrieben. Eine
besondere Kunstfertigkeit zeigte er in der enkaustischen Bemalung der Marmor-
plastik; Praxiteles legte auf seine Mitarbeit bei der farbigen Tönung
(circumlitio) einen so grossen Wert, dass er auf die Frage, welche von seinen
Marmorwerken er für die besten halte, zur Antwort gab: „Diejenigen, an
welche Nikias seine Hand gelegt hat.»

Aus der späteren Zeit mögen hier noch genannt sein: Der — be-
zeichnenderweise — von der Schiffsmalerei hergekommene Macedonier Hera-
kleides, um 168 v. Oh. in Athen tätig, und sein Zeitgenosse Metrodoros

6 ) Plin. XXXV, 129: Theseum . . . apud Parrhasium rosa pastum esse, suum
vero carne.

7 ) Ebenda 130: Antidotus … in coloribus severus; 134: Niciae comparatur
et aliquando praefertur Athenion . . . . austerior colore et in austeritate iucundior,
ut in ipsa pictura eruditio eluceat; 137: Nicophanes . . . durus in coloribus et sile
multus.

— 57 —

von Athen, zugleich Philosoph, der dem’ Aemilius Paullus oaoh Rom folgte,

und Tiraomachos von Byzanz, dessen Ajax und Medea Julius ( asar für
80 Talente kaufte und im Venustempel zu Rom aufstellte. Zu Varro’s Jugend-
zeit (etwa 90 — 80 v. Oh.) hatte eine Malerin Jaia aus Kyzikos sieh in Rora
einen Namen gemacht. Sie inalte dort „mit dem Pinsel und auf Elfenbein
mit dem Cestrum» meist weibliche Bildnisse, in Neapel auf einer grossen
Tafel das Bildnis einer Greisin und ihr eigenes nach dem Spiegel, und sie
arbeitete mit einer Schnelligkeit, der niemand gleichkam, und solchem ‘Talent,
dass sie weit höhere Preise erzielte, als die gesuchtesten Porträtmaler ihrer Zeit.

Bis hierher sind wir dem Berichte des Plinius über die Blütezeit der
griechischen Malerei gefolgt 8 ); was er ausserdem noch über die spätere Zeil
und über die einheimische italische oder römische Malerei bemerkt, kann hier
ausser Betracht bleiben. Es sind auch nur mehr oder minder dürftige Notizen,
zum Teil wohl deshalb, weil seine Bewunderung allein der grossen Ver-
gangenheit galt; denn er beklagte es, das zu seiner Zeit, deren törichte Prunk-
liebe als Schmuck nur noch kostbare Stoffe schätze, die „einst von Königen
und Freistaaten geehrte, edle Kunst» der Malerei in tiefen Verfall geraten
sei, und nennt diese geradezu eine „absterbende Kunst» (XXXV, 28). Vom
künstlerischen Standpunkt aus mochte er recht haben, denn es fehlten die
hervorragenden Talente; vom rein technischen Standpunkt aus jedoch» nicht,
denn die einmal errungene Technik ging nicht zu (.runde, sondern wurde in
ihren hauptsächlichen Methoden auch von den Epigonen geübt und teilweise
weiter entwickelt ins Mittelalter hinübergerettet.

Zur Betrachtung dieser Technik wenden wir uns jetzt. Bedingt durch
die Verschiedenheit des Malgrundes, der Bindemittel für die Farbstoffe und
der Werkzeuge ist sie verschieden bei der Wand- und bei der Tafelmalerei.
Der üblichen Anordnung folgend beginnen wir mit der Wandmalerei.

8 ) Die geschichtliche Aufzählung der namhaften Maler (celebres in ea arte) be-
ginnt bei Plinius XXXV 53 und reicht bis § 148. Sie zerfällt in drei, dem Umfange
nach sehr ungleiche Abteilungen, und zwar umfassen nach einer Erörterung de
aetate picturae (§ 54—57) und einer kurzen Bemerkung über picturae primum certamen
(§ 58) die §§ 58 — 137 I) die grossen Meister ersten Ranges, die lumina artis,
wie sie § 60, die proceres, wie sie § 138 genannt werden. Und innerhalb dieser
Abteilung werden zwei Gruppen nach dem „genus» picturae unterschieden: a) die
penicillo pingentes (§ 58-120) und b) die encausto pingentes (§ 122—137). Nach der
Aufzählung dieser „proceres in utroque genere» folgeu II) die primis proximi,
die den Ersten am nächsten kommen (§ 138—145), doch ohne die bisherige Unter-
scheidung zwischen den penicillo und encausto pingentes. Diese beiden Abteilungen
werden es sein , die in dem Index des I. Buches unter der Bezeichnung operum et
artificum in pictura nobilitates zusammengefasst werden. Hierauf folgt III) eine
kurze Reihe (§ 146) von „non ignobiles quidem, in transcursu tarnen dicendi, d. h.
von zwar bekannten, aber doch nur beiläufig zu erwähnenden Malern, ebenfalls ohne
Unterscheidung zwischen Temperatecbnik und Enkaustik. auch ohne andere als rein
alphabetische Ordnung, und anhangsweise werden noch die Namen einiger Malerinnen
hinzugefügt (§ 147—148). wobei die Jaia, die in Rom tätig gewesen war, als Vertreterin
der Enkaustik besonders hervorgehoben wird. Der Hinweis auf diese Einteilung
scheint mir notwendig zu sein, um der Annahme entgegenzuwirken, als ob die En-
kaustik eine von verhältnismässig nur Wenigen gepflegte Technik gewesen sei.

— 58 —

I. Die «Wandmalerei bei den Griechen und Römern.

(Alter und Charakteristik.)

Wie weit der Brauch, auf Wänden Malereien dekorativer oder figürlicher
Art anzubringen, im griechischen Altertum zurückreicht, lässt sich nach
den wenigen Nachrichten, welche wir dem älteren Plinius, Pausanias u. a.
verdanken, nicht mit Sicherheit bestimmen. Jedenfalls haben die Griechen
darin schon frühzeitig grosse Fertigkeit erreicht, denn jene Nachrichten lassen
erkennen, dass von jeher in Griechenland die Ausschmückung der Tempel
und öffentlichen Gebäude mit Malerei üblich gewesen ist. Der ausgesprochene
Sinn für reiche farbige Flächenverzierung ist allen Völkern des Altertums
gemeinsam (Aegypter, Assyrer, Perser); es ist demnach natürlich, dass gerade
die Griechen hierin weit vorangeschritten sind, umsomehr als wir von den
ältesten Vasengemälden auf ihre hervorragende Begabung für die Dekoration
mannigfach gestalteter Flächen schliessen können,
stuckfläohen ^* e Grundbedingung jeder Wanddekoration, nämlich die Herstellung

einer geglätteten Fläche zur Aufnahme der Malerei, war schon in den ältesten
Zeiten den Griechen bekannt. Sie verstanden die Bereitung eines vortreff-
lichen Mauerbewurfes (opus tectorium), wie die Ueberreste im Innern des
Theseustempels zu Athen, die Cellawände der altgriechischen Tempel Siziliens
(Selinunt, Metapont) beweisen. ‘) Die Wände des Tempels zu Aegina waren
(nach Wagners Berichten über die äginetischen Giebel und Sempers eigener
Anschauung) innen und aussen mit einem feingeschliffenen , mitunter rot ge-
färbten Stuck überzogen, ebenso ist an dem Travertin der Tempel zu Pästum
der Stucküberzug noch zu erkennen. 2 )

Die ältesten Grabkammern zu % Oorneto zeigen Stuckbekleidung der Wände,
woraus wir auf eine frühe Einführung griechischer Art in Etrurien schliessen
können. In Athen hatte die Ausschmückung der Grabkammern einen solchen
Luxus erreicht, dass dagegen ein Verbot erlassen werden musste. s ^

Wir gehen nicht zu weit mit der Annahme, dass überall der Stucküberzug
nicht zu bloss einfarbigem Anstrich, sondern zu weiterer Ausschmückung mit
Malerei ornamentaler oder figürlicher Art bestimmt war ; so wird auch die
Nachricht des Plinius zu verstehen sein (XXXVI, 177), dass der Bruder des
Phidias, Panänus die Wände des Minervatempels zu Elis mit gelber Safran-
tünche gefärbt hätte, denn aus anderer Quelle (Pausanias V, 11, 4) wissen
wir, dass er ein Künstler war und im Tempel zu Olympia die Schranken, welche
das berühmte Zeusbild umgaben, mit Gemälden» schmückte. 4 ) Die Be-

‘) Vgl. Semper, Der Stil. I., p. 429.

2 ) Wiegmann, Malerei der Alten, p. 55

3 ) Cicero de legg. II, 26 erwähnt das Verbot (aus nachsolonischer Zeit): sepulcrum
opere tectorio exornari; er bemerkt aber, dass dieses Verbot nicht beobachtet
worden sei.

4 ) Die den Hintergrund der chryselephantinen Zeusstatue bildenden Umfassungs-
wände waren mit einfachem Blau überzogen, wodurch die Statue ausserordentlich
gehoben wurde. Um diesen Eindruck nicht zu stören, waren die eigentlichen Gemälde
auf die übrigen Seiten der Umfassungsmauern beschränkt. Diese Gemälde sind es,
welche Panänus gemalt hatte.

— 59 —

malung ist demnach als die gewöhnliche Folge der Stuckbekleidung, oder die
Stuckbekleidung als die Vorarbeit für die Arbeit des Malers anzusehen. Dass
diese Uebung so alt ist, wie die Baukunst selbst, liegt in der Natur der Sache;
es ist deshalb müssig, auf den Gelehrtenstreit zwischen den französischen Aka-
demikern Raoul-Rochette und Letronne einzugehen, zu welchem ein i. J. 1830
von dem Architekten Hittorff veröffentlichter Aufsat/, über die polychrome Ar-
chitektur der Alten die erste Veranlassung gab , und wobei der erstere die
Behauptung aufstellte, dass die Wände nicht bemalt, sondern mit Gemälden
auf Holztafeln geschmückt gewesen wären, und dass die eigentliche Wand-
malerei in der Art der pompejanischen der Verfallperiode der alten Kunst
angehöre.

Ohne Zweifel waren Malereien auf Wänden in Tempeln üblich; Plinius lüüSf« :„

1 M I . I IC I (31t’ U 111

erwähnt solche in den Tempeln zu Ardea, darunter die des Malers Plautius Tempeln.
Marcus, die älter als die Stadt Rom wären und, obwohl ohne Dach und
Schutz dem Wetter preisgegeben, sich dennoch wie neu erhalten hätten.’)
Ebenso unanfechtbare Wandmalerei waren die berühmten Bilder im Tempel
der Ceres zu Rom, von den griechischen Malern Damophilos und Gorgasos
gefertigt, die (nach Varro) beim Umbau des Tempels aus den Wandflächen
gebrochen und in gerahmte Tafeln gefasst wurden; 6 ) nicht minder die von
Murena und Varro zu Lacedämon ausgebrochenen Wandmalereien, die in
hölzerne Behältnisse eingeschlossen nach Rom übergeführt wurden, um das
Comitium zu schmücken, 7 » dann das beim Einsturz des Tempels zu Lanuvium
verschont gebliebene Gemälde „Atalanta und Helena’ 1 , das Caligula in gleicher
Weise hätte abnehmen lassen, wenn es die „Art des Bewurfes» gestattet
hätte. 8 )

Auch darüber sind die Gelehrten einig (vgl. Brunn II, p. 47), dass die
berühmtesten Malereien des Altertums, die des Polygnotos im Tempel zu
Delphi und in der Stoa Poikile zu Athen, Wandgemälde waren, 9 ) nicht minder
diejenigen in Thespis, die Pausias später wieder erneuerte. 10 ) Von Protogenes
wird berichtet, dass er bei der Ausmalung des Propylon vom Tempel der

5 ) Plin. XXXV, 115.

6 ) Plin. XXXV, 154: (auctor est Varro) ex hac (aede), cum reficeretur, crustas
parietum excisas tabulis marginatis inclusas esse.

7 ) Plin. XXXV, 173.

8 ) Plin. XXXV, 18; ausserdem werden Wandgemälde zu Caere angeführt, die
gleichfalls älter wären, als die Stadt Rom.

9 ) Plin. XXXV, 59: (Polygnotus) Delphis aedem pinxit. hie et Athenis porticum.
quae Poecile vocatur.

Nach Pausanias (Phoc. I. 15 und X, 25) enthielten die Gemälde folgende Dar-
stellungen (s. Semper I, 427 1:

In der P. ikile zu Athen waren drei Wandflächen mit je drei Bildern gemalt:
Erste Wand: 1. Schlachtordnung der Athener bei Oenoe,

2. Beginn des Kampfes,

3. Schlachtordnung der Spartaner.
Zweite Wand: 1. Amazonenkampf,

2. Ilions Fall,

3. Die Könige um Aiax und Kassandra.

Dritte Wand: 1. Marathonische Schlacht; Platäer und Athener im Kampfe gegen die
Barbaren,

2. Flucht der letzteren,

3. Kampf und Niederlage bei den Schiffen.

Letztere drei Bilder waren begrenzt durch vier an der Handlung nicht un-
mittelbar teilnehmende Heroen und Götter: Marathon. Theseus, Herakles, Athena.
Aehnlich waren auch die drei Bilder der anderen Wände getrennt.

Noch reicher muss man sich die Kompositionen des Polyguot vorstellen, welche
die Wände der Lesche in Delphi deckten. Einerseits [lions Erstürmung nebst der
Abfahrt der Griechen, andererseits die Höllenfahrt des Odysseus; die getrennten
Handlungen zugleich neben- und übereinander gruppiert, „ein reicher Prachtteppich
von der grössten Figurenfülle».

10 ) Plin. XXXV, 123: Pinxit (Pausias) et ipse penicillo parietes Thespiis, cum
reficerentur quondam a Polygnoto picti.

60

Wand-
malereien in
Italien.

Herkulanum
und Pompeji.

Minerva zu Athen tätig war 11 ), und noch andere Nachrichten sprechen für
das Vorhandensein der Wandmalerei im alten Griechenland.

Dem scheint die Bemerkung des Plinius- zu widersprechen , dass nur
diejenigen Künstler Ruhm erworben hätten, welche Tafelbilder malten; denn
in alter Zeit sei man so weise gewesen, die Wände unbeweglicher Häuser nicht
mit Dingen zu schmücken, welche bei Feuersgefahr nicht schnell weggetragen
werden könnten. Apelles habe in seinem Hause keine Wandgemälde gehabt;
damals habe man noch nicht beliebt, die Wände ganz und gar zu bemalen. 12 )
Sieht man aber auf den Zusammenhang, in dem diese Stelle mit dem Vorher-
gehenden steht, so ist es klar, dass hier nur von Privathäusern , deren Ein-
fachheit dem Luxus der späteren Zeit entgegengesetzt wird, die Rede ist. nicht
von Tempeln und öffentlichen Gebäuden.

Von Griechenland wurde die Sitte der Wandmalerei schon früh nach
Italien verpflanzt, und als der erste vornehme Römer, der eigenhändig diese
Malerei ausübte, wird Pabius Pictor genannt, der i. J. 304 v. Ch. den Tempel
der Salus ausmalte. 13 ) Wandmalereien waren wahrscheinlich auch die Ge-
mälde , welche Cornelius Pinus und Attius Priscus in dem Doppeltempel des
Honos und der Virtus unter Vespasian gemalt haben. 14 j

Sehr zu bedauern ist es, dass weder Pausanias noch Plinius irgend eine
Bemerkung über die Technik hinterlassen haben, in welcher die Wandbilder
der ältesten Epochen gemalt waren, so dass die Frage, ob wir uns diese Ge-
mälde als Fresken, als Temperagemälde oder, wie vielfach angenommen worden,
in enkaustischer Art ausgeführt vorzustellen haben, lange Zeit eine offene blieb.

Am wichtigsten ist die Wiederaufdeckung der vom Vesuv im
Jahre 7 9 verschütteten Städte Herkulanum und Pompeji für die
Beantwortung dieser Frage geworden. In Herkulanum, das genau unter
der neuen Stadt Portici liegt, hat man sich auf unterirdische Gänge und
Aushöhlungen von nicht zu grossen Dimensionen beschränken müssen, in
Pompeji konnte man ganze Strassen offen legen und jene unschätzbare
Masse von interessanten Gegenständen zu Tage fördern , die sich teils
im Museo nazionale (früher Museo Borbonico), teils an Ort und Stelle be-
finden. Dadurch wurde erst die vollständige Anschauung möglich, welche
wir jetzt von der Art der künstlerischen Ausschmückung der öffentlichen
Gebäude und der Privatwohnräume besitzen. Das Beobachtungsmaterial ist
seitdem beständig gewachsen , je mehr auch an anderen Orten Bauwerke
mit ähnlichen Malereien aufgedeckt worden sind, wie die Villa der Livia
auf dem Palatin oder die neuestens ausgegrabenen Villen in den durch die
Tiber-Regulierung miteinbezogenen Gärten der Farnesina zu Rom (jetzt im
Thermen-Museum daselbst), in Boscoreale u. dgl. m.

Da von den Gemälden der grossen griechischen Meister, deren Werke
einst mit vielen Hunderttausenden bezahlt wurden, kein einziges auf die Nach-
welt gekommen ist, das uns befähigte, durch eigene Anschauung von der
Auffassungs- und Kompositionsweise, von dem Grade der Kunstfertigkeit
im Zeichnen und in der Beherrschung der Farbe eine Vorstellung zu ge-
winnen, so bieten uns die Wandgemälde von Pompeji einen zwar nicht aus-
reichenden, aber höchst wertvollen Ersatz, insofern sie, als von der Hand
mehr handwerksmässiger Urheber herrührend, geeignet sind, einen vergleichen-
den Schluss zu gestatten auf das, was die gefeierten Meister der Kunst zu
leisten fähig waren. Von diesem Gesichtspunkte hat man in erster Linie die

«) Plin. XXXV, 101.

12 ) Plin. XXXV, 118: Sed nulla gloria artificum est, nisi qui tabulas pinxere:
eo venerabilior antiquitatis prudentia apparet. Non enim parietes excolebant dominis
tantum nee domos uno in loco mansuras, quae ex incendiis rapi non possent . . .
Nulla in Apellis tectoriis pictura erat. Nondum libebat parietes totos tinguere.

18 ) Plin. XXXV, 19 . . . (Fabius Pictor) aedem Salutis pinxit anno Urbis cond.
CCCCL, quae pictura duravit ad nostram memoriam aede ea Claudii prineipatu exusta.

u ) Ebenda 120: . . . Cornelius Pinus et Attius Priscus, qui Honoris et Virtutis
aedes Imperatori Vespasiano Augusto restituenti pinxerunt.

— 61 —

auf die Wand gemalten Darstellungen mythologischen oder historischen Inhalts
besonderen Studiums für wert erachtet ‘ ■) und erst in zweiter Linie der rein
ornamentalen Ausmalung der Atrien, Peristyle und Gemächer seine Auf-
merksamkeit zugewendet.

Beschrieben wird die Dekoratiousweise von Vitruv VII, 5. „Die Alten»,
sagt er. hätten in den Wandgemälden stets getreue Nachbildungen von wirk-
lichen Dingen gegeben. „Daher haben sie zuerst die wechselnden Bogen der
marmornen Belegplatten nachgeahmt, dann die Gesimse und die versohiedenförmig
miteinander abwechselnden ockergelben (und mennigroten) Felder. Darauf mach-
ten sie den Portschritt, dass sie sich Gebäude und Säulen, wie hochragende und
weitausladende Giebel, in ihren Wandgemälden nachahmten, in offenen Räumen
aber, wie in den Exedren, die Ansicht eines tragischen oder komischen oder
Satyrspielbülmenhintergrundes malten, Gänge aber wegen ihrer ausgedehnten
Länge mit Landschaften schmückten, indem sie in den Gemälden die wirklichen
Eigentümlichkeiten der verschiedenen Plätze wiedergaben — denn es finden sich
Häfen, Vorgebirge, Küsten, Flüsse, Quellen, Meerengen, Heiligtümer, Haine.
Berge, Schafherden, Hirten dargestellt — , an einigen Orten ferner Gruppen-
bilder malten, welche die Bildnisse von Göttern oder mythischen Szenen, wohl
auch die Kämpfe vor Troja oder die Irrfahrten des Ulysses mit landschaft-
lichem Hintergrunde darstellten, und anderes, was auf ähnliehe Weise natur-
getreu gegeben ist. 1 ‘ 16 )

Beim Anblick der Friese im Hause der Livia auf dem Palatin (Tri-
clinium rechts) wird man durch den Augenschein bestätigt finden, was Plinius
(XXXV, 116 ff.) mit sichtlichem Wohlgefallen von der reizvollen Wanddekoration
rühmt, die Ludius (oder Studius, der Name ist ungewiss i zur Zeit des
Augustus aufgebracht hatte: die malerische Schilderung von „Villen mit
Säulenhallen, Lustgärten und Parkanlagen, Hügeln, Fischteichen, Flüssen und
felsigen Gestaden und darauf eine mannigfache Staffage von Leuten, die lust-
wandeln oder umhergehen, sich auf dem Rücken von Trägern oder Trägerinnen
über seichte Stellen tragen lassen, auf Eseln oder zu Wagen nach den Land-
häusern ziehen, mit Fisch- oder Vogelfang sich beschäftigen oder als Winzer
an den Weinstöcken zu tun haben.» Wahrhaft erstaunen muss man über die
äusserst lebensvollen Darstellungen von Gerichtsszenen mit den kaum spann-
grossen Figuren, welche das schwarze Zimmer der römischen Villa aus
den farnesinischen Gärten (Thermen -Museum zu Rom) friesartig umsäumt,
und kaum zu überbieten sind die erst vor wenigen Jahren den Blicken
wiedergegebenen Kinderfriese und die anderen herrlichen Dekorationen im
schönsten aller bisher ausgegrabenen Häuser von Pompeji, in der C a s a der
V e 1 1 i i.

Aber nicht allein in Pompeji, Rom und anderen Orten Italiens bietet
sich uns Gelegenheit, die verschiedenen Arten der antiken Wanddekoration
kennen zu lernen: in neuerer Zeit wurden viel ältere Beispiele griechischer
Wandmalerei aufgedeckt, so die Malereien im „Palast des Minos» auf Kreta
und die gleichfalls neu ausgegrabenen in Orchomenos, die Zeitungsnotizen zu-
folge ganz ähnlichen Charakters sein sollen. Hier wären noch die Aus-
grabungen in Nordafrika an der Stelle des alten Karthago, des „tunesischen
Pompeji», zu erwähnen und Malereien aus Solunto in Sizilien, die gewiss viel
älter sind als die von Pompeji und Rom. Wenn einmal diese vielen
neuen Funde so überblickt werden können, dass es möglich wird, den Zu-
sammenhang unter ihnen festzustellen, dann wird sich auch zeigen, dass die
Art, Wandflächen der Wohnräume und öffentlichen Bauten malerisch zu
schmücken, die in den Städten Italiens und überall verbreitet war, wohin die
Herrschaft des kaiserlichen Rom reichte, griechischen Ursprungs gewesen und

Vitruv
über Wand-
dekoration.

Aeltere Bei-
spiele griechi-
scher Wand-
malerei.

15 ) S. Heibig. Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens,
Leipzig 1869.

t6 ) Uebersetzung von Reber, des Vitruvius Zehn Bücher über Architektur,
Stuttgart 1865.

— 62 –

entweder direkt 17 ) oder auf dem Umwege über Alexandria, das Zentrum der
hellenistischen Kultur, nach Italien gekommen ist.

Viel weniger sicher als diese Erkenntnis ist das Urteil über die Technik,
deren die alten Maler sich bedient haben, obwohl von dem Tage an, da
die ersten vereinzelten Reste antiker Wandmalerei auf glattem Stuck , wie
die Grottesken in den Thermen des Titus (zu Raphaels Zeit) ihrem Grabe
entrissen, den staunenden Blicken der Beschauer sich zeigten, ausübende
Künstler, Maler wie Architekten, sich mit der Frage beschäftigt haben:
Wie sind diese Gemälde gemacht worden? Wie haben die Künstler ge-
arbeitet? Mit welchen Materialien, welchen Instrumenten, in welcher
Reihenfolge der Manipulationen, um die Vollendung zu erreichen, die noch
jetzt nach Jahrhunderten als erster Eindruck sich aufdrängt?

17 ) Die ältesten in Italien gefundenen Wandgemälde sind die im archaischen
Stil gehaltenen von Caere (jetzt Cervetri) und Veji (etwa 500 v. Ch.t. Es folgen dann
die Malereien der Grabkammern in den Nekropolen von Tarquinii (Corneto), Glusium
(Chiusi), Vulci und Orvieto.

— 63 —

II. Der Meinungsstreit über die Technik der antiken «Wandmalerei.

1. Aeltere Ansichten.

Diese Technik zu ergründen, genügte auch für den schärfsten Blick

des geübten Praktikers der blosse Augenschein nicht. Man konnte nur

Vermutungen aussprechen und mit einschlägigem Quellenmaterial aus den

alten Autoren zu Hilfe kommen. Die durch die Ausgrabungen bekannt

gewordenen antiken Malereien sahen so ganz anders aus als alles, was

man selbst in der Art leistete oder von Arbeiten der letztvergangenen

Jahrhunderte zu sehen gewohnt war; die leichte, flotte Behandlung und die

Solidität der Arbeit, die in der wunderbaren Erhaltung sich zeigte, wiesen auf

eine seitdem verloren gegangene Technik hin, die durch vielfältige Erfahrung

erprobt und ausgebildet sein musste.

Als anfangs des XVI. Jahrhunderts die sogenannten Thermen des Titus Dj e technische
° B I’ rage zu Ra-

am esquilinischen Hügel zugänglich gemacht und die Malereien an deren phaels Zeit

Wänden und Gewölben bekannt wurden, waren es vor allem der ausser-
ordentliche Reichtum der Formen und der wunderbare Geschmack der An-
ordnung, welche nach Vasaris Berichten Raphael und Giovanni da Udine
begeisterten und zu deren Nachahmung (in den vatikanischen Loggien, der
Villa Madama u. a.) veranlassten. Um eine der antiken möglichst ähnliche
Erscheinung hervorzurufen , widmete man der Zusammensetzung des Stucco
grosse Sorgfalt, während man die Malerei zwischen den Reliefs und plastisch
verzierten Leisten, Simsen, Archivolten u. s. w. in der damals üblichen
Weise ausführte. 1 ) Nun war die Preskotechnik als die haltbarste Art der

x ) Vasari erzählt, wie Giovanni da Udine und Raphael sich dem Studium
der Grottesken mit grossem Eifer hingaben. Im Leben des Giovanni da Udine (Va-
sari, T. III. p. 43 Edit. Roma 1750.) heisst es:

„Giovanni begnügte sich nicht damit, dieselben ein- oder zweimal zu zeichnen
„und abzumalen; wenn es ihm auch gelang, dieselben mit Leichtigkeit und Ge-
schmack nachzuahmen , so fehlte ihm doch die Kenntnis der Ausführungsart des
„Stuckes, auf welchem die Grotesken gearbeitet waren. Und obschon gar Viele
„vor ihm darüber nachgegrübelt hatten, ohne anderes gefunden zu haben, als die
„Manier, den Stuck in heissem Zustande mit Gips, Kalk, griechischem Pech, Wachs
„und gestossenem Ziegel (gesso, calcina, pece greca, cera e matton pesto) zu be-
reiten und darauf zu vergolden, so hatten sie doch nicht die wahre Methode ge-
bunden, den Stuck dem in jenen Gewölben und ausgegrabenen Räumen gleich zu
„machen. Aber als man nachher in S. Pietro die Bogen und die Tribuna dahinter
„(wie es im Leben des Bramante gesagt wurde) aus Kalk und Pozzuolanerde
„fertigte, indem man in Erdformen (wohl gebrannte Tonform) alle Vertiefungen
„des Blattwerkes, der Eierstäbe und anderer Teile goss, fasste Giovanni diese Manier
„mit Kalk und Pozzuolanerde (calcina e pozzolana) ins Auge und versuchte, ob es
„gelingen werde, Figuren in Halbrelief zu bilden und alle anderen Partien in gleicher
„Weise auszuführen; nur der letzte Ueberzug liess sich nicht mit gleicher Weichheit
„und Feinheit herstellen und war auch nicht so weiss, wie die Antiken es zeigten;
„deshalb dachte er, dass es nötig sei, dem aus weissem Travertin (gebrannten)
„Kalk an Stelle der Pozzuolanerde etwas beizumischen, was von weisser Farbe
„war. Nachdem er verschiedene andere Dinge versucht hatte, liess er Abfälle von
„Travertin stossen und fand, dass sie sich sehr gut bearbeiten liesseu, aber immerhin

— 64 –

Wandbemalung bekannt; und so folgerte Vasari, dass auch die römischen
„Grottesken» in dieser Technik ausgeführt sein müssten, 2 ) denn Tem-
pera, d. h. Malerei mit Bindemitteln wie Eigelb, Leim oder .Gummi,
womit die Alten ihre Staffeleibilder auf Holztafeln malten, konnte es nicht
sein; mit dieser Technik war man von jeher wohlvertraut. Gegen das damals
gebräuchliche Fresko schienen allerdings die Glätte und der Glanz der Ober-
fläche, die Leuchtkraft und tiefe Sättigung der Farben, der geschmeidige und
stellenweise pastose Farbenauftrag zu sprechen; deshalb wurden schon früh-
zeitig Stimmen gegen die Freskotheorie laut (s. Cespedes, Kommentar zu
Vitruv), und da die alten Schriftsteller von der Enkaustik, d. h. einer Ma-
lerei mit eingebrannten Wachsfarben, Kunde geben, so glaubten manche, jene
nicht mehr gebräuchliche Technik der Wandmalerei müsste mit der gleichfalls
verloren gegangenen Enkaustik identisch sein, umsomehr als an der En-
kaustik vornehmlich die Dauerhaftigkeit gerühmt wurde, und diese ausgezeich-
nete Eigenschaft gerade an den ausgegrabenen Stuckmalereien in hervor-
ragender Weise sich zeigten.
Fresko odnr g unberechtigt dieser Schluss auch ist, man konnte ihn um so argloser

machen, je weniger man von dem wahren Wesen der enkaustischen Technik
eine klare Vorstellung hatte. Aber ebenso unberechtigt ist der andere Schluss,
nur die Freskotechnik könne in Betracht kommen, weil sie als die einzig
bekannte Art von wasserfester Malerei auf Wandflächen vom Altertum dem
Mittelalter vererbt worden sei und, wie zweifellos auch die antike Wand-
malerei, mit dem Pinsel ausgeführt werde, während die Enkaustik niemals
Pinseltechnik gewesen sei. 3 )

Diese Annahme hat lange Zeit geherrscht, und man kann sagen , dass
wir bis heute nicht viel weiter gekommen sind. Auch wurde immer an der
Behauptung festgehalten , dass nur Freskomalereien ein fast zweitausend-
jähriges Verweilen in feuchter Erde ertragen könnten, so dass die am nächsten
liegende Frage übersehen wurde, nämlich ob nicht ausser der Freskotechnik
noch eine oder mehrere andere Techniken sich nachweisen lassen, die auf
Wandstuck angewandt werden konnten.

In eingehender Weise ist die „Freskofrage» behandelt worden in dem
ersten von der Academia Ercolanese herausgegebenen Bande über die antiken
Gemälde von Herculanum und dessen Umgebung. 4 ) Carcani, der Verfasser

„war die Arbeit fleckig und nicht weiss, auch rauh und körnig. Aber schliesslich
„liess er Abfälle vom allerweissesten Marmor, den man auftreiben konnte, stossen,
„machte ganz feines Pulver davon, siebte es durch, mischte dieses dem Kalk (von
„weissem Travertin) bei und fand so, wenn es genau gemacht wird, zweifelsohne
„den wirklichen antiken Stuck in allen seinen Teilen, wie er es gewünscht hatte.»
Mit diesem so bereiteten Stuck wurden dann die Loggien für Lee X. gemacht.
(Vasari erwähnt nicht, in welcher Weise darauf gemalt wurde). Nachdem die Loggia,
das gepriesenste Werk des Giovanni, vollendet war, hätte Raphael, der auch die reiz-
vollen Pilasterfüllungen ersonnen, so geht die Sage, die Bäder des Titus wieder zu-
schütten lassen, damit die Nachwelt nicht Vergleiche mit dem Vorbilde anstellen
könnte. Heute ist allerdings von den Malereien in den Titusthermen wenig mehr zu
sehen, aber es will mir scheinen, als ob der Rauch der Wachsfackeln, welche Jahr-
hunderte hindurch den Besuchern zur Beleuchtung dienten, die Decken geschwärzt
und im Verein mit der durchsickernden Feuchtigkeit die Malerei unscheinbar gemacht
hat. Die prächtigen Stiche von Ponce zeigen, dass es früher anders gewesen
sein muss.

*) Vasari in der Introduzione zu seinen Vite, Kap. 19 und 27.

3 ) Wiegmann, Mal. d. Alten, p. 62 folgert so, nachdem er die alten Malereien
in ..wasserfeste» und „schutzbedürftige» eingeteilt hat: „Darnach müssen wir alle
Wandmalereien, welche, obgleich dem Wetter ausgesetzt, sich dennoch gehalten haben,
für echte Fresken- und alle Tafelmalereien und Anstriche, welche nicht a fresco sind,
aber dennoch durch Nässe nicht verlöscht worden sind, für enkaustische oder Wachs-
malereien halten. Dagegen würden die leicht verlöschlichen Wandmalereien sowohl,
wie Tafelbilder immer der Temperamalerei angehören.»

„Darnach können wir auch a priori urteilen, dass zu dauerhaften Wand-
malereien die Alten die Freskomalerei, — zu dauerhaften Malereien und Anstrichen
an Dingen, welche die Freskomalerei nicht zuliessen, die Enkaustik gewählt haben
werden.»

4 ) Pitture antiebe d’Ercolano e contorni, Napoli 1757, T. I, p. 273 ff.

— 65 —

des darin enthaltenen Artikels „alcime osservationi», kommt zu dem Schluss.
dass „alle Malereien in dem künigl. Museum zu Portioi, einige ganz un-
bedeutende ausgenommen, die man für Freskobilder halten könne, a tempera
ausgeführt seien, und stützt seine Behauptung darauf:

1. dass die Pinselstriche anderer Natur seien, als »las Wesen der Fresko-
malerei zulasse ;

2. dass Abblätterungen der übereinanderliegenden Farbensohichten, wie sie
sich infolge der Einwirkungen der Zeit und der Feuohtigkeit an jenen Malereien
vielfach zeigten, in der Freskomalerei nicht möglich seien, bei der der nasse
Kalk die Farben derart anziehe, dass sie sich mit ihm gleichsam zu einem
einzigen Körper verbinden und nur durch die Zerstörung des Bewurfes davon
zu trennen seien; und

3. dass man alle Farben ohne Unterschied angewendet sähe, auch
solche, welche sich mit dem nassen Kalke nicht vertragen und deshalb von
der Freskomalerei ausgeschlossen seien.

Es sei hier gleich erwähnt, dass auf diese drei Punkte von fast allen
Altertumsforschern das grösste Gewicht gelegt worden ist, und dass diese
drei Behauptungen erst widerlegt werden müssen, wenn eine andere An-
sicht zur Geltung gelangen soll. So dreht sich der Streit, ob die Alten
a fresco, d. h. mit Wasserfarben auf die nasse Kalkwand, gemalt haben, immer
um den Punkt, ob die pompejanischen und herkulaneischen Malereien reine
Fresken sind oder nicht. 5 )

Winckelmann, der Begründer der archäologischen Wissenschaft, schloss Wlnokelmann.
sich anfangs in einem Briefe aus Portici (11. März 1758) an Raphael
Mengs und iu seinem in Rom (Juli 17&2) veröffentlichten „Sendschreiben
an den Grafen Brühl» der Ansicht Carcanis an; 6 ) aber 20 Jahre später be-
gann er an deren Richtigkeit zu zweifeln: er wendet dagegen ein, „man könne
derart dick aufgesetzte Farben, dass sie von der Seite beleuchtet einen
Schatten werfen , sowie das Abblättern einzelner Farbenschichten auch an
den Fresken Raphaels in den Stanzen bemerken ; er verlangt bessere Be-
weise als nur das Machtwort des königlichen Baumeisters Luigi Vanvitelli,
auf welches sich die Herren der Akademie in solchen Dingen verliessen, weil
er in seiner Jugend einmal den Pinsel geführt habe, und bedauert, dass
man, wie er gewiss wisse, keine chemischon Untersuchungen an den Bildern »
angestellt habe, die jetzt durch den Firnis, womit man sie überzogen habe,
unmöglich geworden seien. Uebrigens wolle er nicht in Abrede stellen, dass
nicht auch Temperamalereien sich erhalten könnten, und fügt dann noch
hinzu : Die Erhaltung (der Bilder) hänge von der trefflicheren und sorgfältigeren
Bereitung des Mauerbewurfes ab.» 7 )

Mit dieser Erklärung hat Winckelmann einen der wesentlichsten Unter-
schiede zwischen der Freskotechnik seiner Zeit und der Stuckmalerei des
Altertums berührt, denn in der Tat ist der Glanz und die Glätte des antiken
Stucco eine Folge seiner kunstvolleren Herstellung.

In unzweideutiger Weise hat auch der als ausgezeichneter Techniker RaphaeiMeDgs.
bekannte Maler Raphael Mengs in einem von Rom 1773 datierten Briefe
seine Ansicht, dass jene antiken Malereien wirkliche Fresken seien, aus-
gesprochen, 8 ) ohne aber besonderen Einfluss auf die Entscheidung der Frage
auszuüben, denn schon vor der Herausgabe der Mengsschen Werke war

5 ) Ein klares Bild dieses Streites findet sich in dem Werke von 0. Donner
(Die erhaltenen antiken Wandgemälde in technischer Beziehung. Einleitung zu Heibig.
Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens: Sonderabdruck
Leipzig 1869) und in J. J. Hittorff (Restitution du temple d’Empedocle ä Selinunt,
Paris 1851), welche beide sich die Mühe gegeben haben, die verschiedenen Ansichten
gegeneinander zu halten oder zu registrieren. Die hier folgende Darstellung schliesst
sich in der Hauptsache an Donners Ausführungen an.

6 ) Winckelmanns Werke von Fernow. T. II, p. 44.

7 ) Winckelmann, Storia delle arti del disegno etc. Ediz. C. Fea (Rom 1784).
T. III, p. 217.

8 ) Opere di Ant. Raff. Mengs, Ediz. Carlo Fea (Rom 1787). p. 395.

— 66 —

eine Schrift des Abbate Vincenzo Requeno „Saggi sul ristabilimento dell’
antica arte» (Napoli 1784, 2. Ed. Parma 1787) erschienen, worin auf die
gänzlich verloren gegangene Technik der enkaustischen Malerei- der Alten
wieder aufmerksam gemacht und die Ansicht ausführlich begründet wurde,
dass in den alten Wandmalereien nur die farbigen Gründe a fresco , die
Ornamente und Bilder aber enkaustisch (mit Wachs?) oder a tempera auf
den getrockneten Grund gemalt seien. Diese Ansicht scheint so viel Beifall
gefunden zu haben, dass sogar Carlo Pea, der Freund von Mengs, meint:
„Es irrten doch wohl jene nicht, die mit Abbate Requeno jene Malereien
für enkaustisch hielten.» 9 ) Das Aufsehen, welches die bedeutsame Schrift
des Abbate Requeno unter den damaligen Altertumsforschern und Kunst-
freunden hervorgerufen hatte, wirkte noch viele Jahrzehnte nach, und
selbst die von dem französischen Chemiker Chaptal 1809 veröffentlichten
Analysen von in Pompeji in Töpfchen aufgefundenen Farben und die
nicht misszuverstehenden chemischen Analysen von Humphry Davy i. J. 1815,
welche die Abwesenheit von Wachs sowohl in den untersuchten Farben als
auch in den Malereien selbst feststellten, vermochten die bei Vielen fest-
gewurzelte Ansicht, dass doch wenigstens ein Teil der erhaltenen antiken
Gemälde „all’ encausto» ausgeführt sei, nicht ganz auszurotten.

In der schon (p. 59) erwähnten Kontroverse zwischen Raoul-Rochette
und Let rönne trat der letztere 1835 in den „Lettres d’un antiquaire ä un
artiste» auf die Seite der Freskogegner: es sei kaum ein erwiesenes Fresko-
gemälde (un exemple constate’ de la fresque) oder dies nur als seltene Aus-
nahme aus dem Altertum auf uns gekommen; „höchstens seien die farbigen
Gründe und auch diese nicht immer, nie aber die Ornamente und Bilder
a fresco behandelt, sondern diese entweder in Temperafarben oder enkaustisch
auf die getrockneten Wände aufgesetzt worden/’ Wir sehen hier wieder
die von Carcani aufgestellten Punkte adoptiert und sogar Requeno’s mit Re-
serve geäusserte Ansicht noch erweitert und aufs hartnäckigste verteidigt.
Enkaustikauf Unter solchen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, wenn die

Maliern

Anhänger der „Enkaustik auf Mauern» in dem Streite die Oberhand gewannen,
und die Versuche von Künstlern und Architekten , eine solche Technik
wieder praktisch anzuwenden, allseitig gefördert wurden, umsomehr als die
Frage der Polychromie der antiken Architektur und Skulptur, die damit in
untrennbarer Verbindung stand, hinzukam und in Hittorff wie in Semper
ausserordentlich gewandte Verfechter fand. 10 ) Diese Verquickung völlig von
einander zu trennender Dinge, nämlich der antiken Wandmalerei und der antiken
Enkaustik, beherrscht während der folgenden Periode die Litteratur über diesen
Gegenstand und die dadurch hervorgerufenen mannigfachen Bemühungen,
die pompejanische Technik durch Erfindung verschiedener Verfahren zu er-
neuern, wie der Wachsmalerei von Montabert in Paris, von F. X. Fernbach
in München, der Harz- und Balsammalerei von Knirim, und schliesslich
der Wasserglasmalerei oder Stereochromie von Fuchs und Schlot tau er,
worüber in dem Abschnitt über die Rekonstruktionsversuche das Nähere zu
finden ist.

Neben diesen beiden Parteien gab es als dritte auch wieder Ver-
teidiger der älteren Ansicht, dass der Tempera ein grösseres Feld in
der antiken Wandmalerei einzuräumen sei, weil man vielfach die Beobachtung
an Wandresten gemacht hatte, dass die oberen Farbenschichten sich wegwaschen
Hessen, während die Grundfarbe fest blieb. So sagt Hirt: 11 ) „Auf den nassen
Anwurf der Wände — al fresco — malten die Alten nicht; wohl aber über-
tünchten sie den noch frischen Anwurf mit einer beliebigen Farbe und malten
dann erst die Gegenstände auf einen solchen farbigen Grund mit Leimfarben.
Auf diese Weise sind alle antiken Mauergemälde, welche auf uns gekommen

9 ) S. Donner, a. a. 0., p. 5.

10 j Vgl. den Abschnitt über d. Rekonstruktionsversuche d. Enkaustik (Anhang III).

11 ) Hirt, Geschichte der bild. Künste bei den Alten. Berlin 1833, p. 162.

— 67 —

sind, gemacht.» Und K. 0. Müller sagt noch kürzer: „In Herkulanum ist
gewöhnlich die Grundfarbe a fresco, die übrigen a tempera.» ‘-)

So wogte der Kampf zwischen Gegnern und Freunden der BYeskotheorie
hin und her; Archäologen, Architekten und Chemiker aus Italien, Frank-
reich, Deutschland und England hatten sich mit grösstem Eifer daran be-
teiligt, ohne die Frage zu einer Entscheidung zu bringen, bis 1836 der
Architekt R. Wiegmann in seiner Schrift „Die Malerei der Alten» 1 ‘) mit Wiegmann’a
neuen Beweisen zu Gunsten der Freskoanhänger auftrat. Während die
früheren Gelehrten ihre Meinung nur mit Vermutungen und der Abwägung
einzelner Momente begründet hatten, stellte Wiegmann zuerst sichere An-
haltspunkte fest. Er hat zuerst nachgewiesen:

1. dass an antiken Wänden, wenn ihre Oberfläche gross ist oder reich
verziert, der letzte Stucküberzug nicht mit einem Male über die ganze
Wand ausgebreitet worden ist, sondern dass nach Massgabe der Einteilung
der Felder der Stuck sich angesetzt zeigt, und dass ausserdem noch die
Bilder, welche sich innerhalb der Felder befinden, ebenfalls von einer Ansatz-
fuge umgeben sind (p. 37) ;

2. dass auf dem noch frischen Stuck mit einem Griffel eingedrückte Um-
risse, Einteilungen und Hilfslinien, die nicht immer durch die Malerei verdeckt
wurden, zu bemerken sind (p. 39) ;

3. dass die auffallende Dicke der antiken Stuckschichten bezwecken
sollte, ein viel längeres Malen auf dem Frischen zu gestatten, als wenn die
Bewurfschicht nur dünn aufgetragen ist (p. 44).

Für die ersten beiden Punkte brachte Wiegmann den Nachweis durch
bestimmte Bezeichnung der Plätze, wo derartige deutlich sichtbare Ansatz-
fugen oder eingedrückte Umrisse oder Hilfslinien in den Häusern und Tempeln
von Pompeji zu finden sind, und was den dritten Punkt betrifft, so hat er in
seinen Versuchen die Vorschriften Vitruvs zur Herstellung des opus tectorium
wohl zum ersten Male auf richtiger Basis wieder befolgt (s. Anhang III:
Frühere Rekonstruktionsversuche).

Ganz neu ist aber die von Wiegmann ausgesprochene Ansicht, dass de r i Glanz und
Glanz und die Glätte des antiken Stucks eine Folge der kry stallinischen derkrystaUim-
Kalkhaut ist, die sich an der Oberfläche des Bewurfes bilde, und dass dieser 80h j£ u f* ,k »
krystallinische , aus Kalkkarbonat bestehende Ueberzug nicht so sehr zur
Bindung der Farben — denn dazu reiche weniges hin – als vielmehr zur Er-
zeugung eines glänzenden, glasähnlichen Firnisses diene (p. 44). Des-
halb verlangten Plinius (XXXVI, 176) und Vitruv (VII, 3 u. 7) die 5 bis 6
Schichten übereinander, deren Zweck, kein anderer sei, als der: „eine möglichst
starke Masse auf der Wand zu haben, die durch und durch noch einiger-
massen feucht und dennoch dem Reissen nicht unterworfen sei» ; die durch-
gängige Feuchtigkeit bewirke „auf der äussersten geglätteten Oberfläche einen
schönen firnisartigen Kry stallisationsüberzug, welcher nicht allein der
Wand ein glänzendes Ansehen verschafft, sondern auch die Farben bindet,
so dass sie selbst beim Waschen nicht ablassen» (p. 175).

Wenn Wiegmann in diesem Punkte Recht hätte und tatsächlich ein
„glänzender und durchsichtiger» (auf diese doppelte Eigenschaft ist das Ge-
wicht zu legen) Ueberzug von kohlensaurem Kalk sich auf der Oberfläche
bildete, dann wäre ihm wohl die Lösung der Frage gelungen. Es wird
aber in der Folge gezeigt werden, dass Wiegmann sich geirrt hat, denn selbst,
wenn die Stuckoberfläche im Nassen schon geglättet war, müsste doch (nach
Wiegmanns eigenen Anweisungen) noch die Malerei daraufgesetzt werden,
wobei die Pinselstriche unter allen Umständen die vorhandene Glätte ver-
dorben haben würden. Malerei mit Kalkfarben wird aber, wie jeder weiss, der
mit solchen auf der Wandfläche gearbeitet hat, immer matt auftrocknen,

,2 ) K. 0. Müller, Handbuch der Archäologie der Kunst (Berlin 1835), § 319, 5.

,3 ) R. Wiegmann, Die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik,
insbesondere der Dekorationsmalerei. Nebst einer Vorrede vom Hofrate K. 0. Müller
in Göttingen. Hannover 1836.

5*

— 68 —

selbst wenn die Kalkfarbe so dick ist, dass sie (wie der reine Kalk im ge-
trockneten Zustande) Sprünge bekommt. Die feine Krystallhaut , welche
das Charakteristische des Fresko und die Hauplursache der Dauerhaftigkeit
ist, bildet sich an der Oberfläche bereits nach kürzester Zeit; in der trockenen
Luft Gampaniens sicherlich viel schneller als im Norden bei Feuchtigkeit.
Dies hat Wiegmann bei seinen Versuchen sehr störend gefunden und deshalb
(p. 199) die sich bildende Kalkhaut künstlich durch Ueberstreichen mit ver-
dünnter Schwefelsäure zu zerstören empfohlen I
Wiegmann’8 Ueber die von Wiegmann angestellten Versuche und seine Erfahrungen

V firsuc hö mit

Leimfarben, bei Bereitung des antiken Stucks wird im weiteren Verlauf dieser Abhandlung
noch zu reden sein. Sehr interessant ist es aber aus seinen Berichten
zu ersehen, dass er schliesslich selbst an der Uebereinstimmung der von ihm
gewonnenen Resultate mit dem antiken Verfahren zweifelte und in Anbetracht
der Vorschrift bei Vitruv (VII, 10) und ebenso bei Plinius (XXXV, 43), wonach
das Russchwarz mit Leim angemacht von den Stuckarbeitern verwendet wurde,
Versuche mit geleimten Farben auf dem nassen Stuck gemacht hat. Seite 206
sagt er:

„Der Erfolg war höchst überraschend, denn ausserdem, dass manche
Farben, wie Caput mortuum, Kobalt etc. weit besser und alle Farben länger
anzogen , erhielt auch die ganze Malerei ein zarteres Aussehen. Die Be-
handlung bekam etwas weit flüssigeres, als mit blossem Wasser und Kalk-
farben und kam der auf der aldobrandinischen Hochzeit so auffallend nahe,
dass ich keinen Augenblick zweifle, dass dieses Bild mit Leimfarben auf dem
frischen Stuck gemalt ist.» Besonders empfehlenswert scheint Wiegmann der
Zusatz von Leim zum Schwarz, weil dies sonst gern ein taubes und totes
Ansehen annehme. Daher verdiene die chinesische schwarze Tusche wegen
ihrer Feinheit und das darin enthaltene Bindemittels den Vorzug. „Die damit
behandelten Flächen nehmen von selbst einen schönen Halbglanz an, während
bei den gewöhnlichen Schwärzen, und vollends, wenn sie ohne Leim sind,
nur eine mühsame Bearbeitung die rauhe Fläche zu beseitigen vermag.»

Der „schöne firnisartige Krystallisationsüberzug» , der sich von selbst
bildet, war also doch nur eine Hypothese! 14 )

Betreffs des Ganosis (Kausis) genannten Verfahrens der Alten, wonach die
Wände nach deren Fertigstellung mit Punischem Wachs überzogen, dann er-
wärmt und schliesslich mittels Leinenlappen abgerieben und glänzend frottiert
wurden, 15 ) glaubt Wiegmann (p. 170), dass „die Kausis nur auf Freskotünchen
u. zw. nur beim Zinnober gebräuchlich war».

Im gleichen Jahre wie Wiegmann’s Buch erschien auch die Abhandlung
von Joh. Fried. John „Die Malerei der Alten» (Berlin 1836), worin bei
der Erwähnung der chemischen Analysen die Ansicht ausgesprochen wird:
Die pompejanische Malerei sei a fresco ausgeführt, wenigstens könne dazu
kein Wachs gedient haben, wie die an einem Stück roten Teotorium an-
gestellten Versuche bewiesen hätten (p. 155). Uebrigens steht John auch
noch auf dem Standpunkt, die Enkaustik auf Wänden dennoch für eine antike
Methode zu halten, denn er sagt p. 157: „Die dritte Art der Alten auf
Wänden zu malen ist die Enkaustik», wobei er die Ganosis (Kausis) meint

14 ) Ueber die unter Wiegmanns Anleitung im Hause des hannoverschen Le-
gationsrats Kestner in Rom ausgeführten Fresken, welche die pompejanische Technik
rekonstruiert zeigen sollten, liess sich Hittorff von dem damaligen (1849) Direktor
der franz. Akademie in Rom, M. Alaux und einigen preisgekrönten Pensionären ein
Gutachten abgeben; es lautet: Der erste Anblick erinnert keineswegs an die
Malereien in Pompeji; die Farben des Grundes sind sehr viel matter; dann: „les
figures comme execution ressemblent assez aux figures antiques ; cependant dans les
nus, les couleurs ne paraisseut pas avoir acquis le merae degre d’adhörence au fond ;
dans plusieurs endroits oü lo frottement d’un meuble les a endommagees , elles se
sont ecaillees, et le fond reparalt entierement». Weitere Punkte beziehen sich auf
die technische Ausführung, welche „indique un emploi difficile des couleurs, au lieu
de la grande facilite d’ex&cution qui caracterise les peintures de Pompei».

15 ) Vitruv VII, 9. – Plin. XXXIII, 122.

— 69 —

(Anmerkung – 232) und hinzufügt: „Die erste Art der Wandmalerei ist nach Yitruv
Fresko, welches in vielen Fällen die Grundlage für Malerei mit Bindemittel

und für Enkaustik (I) war».

Nach John beschäftigte sich Leo v. K lenze in seinen „Aphoristischen
Bemerkungen auf einer Reise nach Griechenland» (Berlin 1838) mit der Frage,
wobei er den besser ausgeführten pompejanischen Bildern wieder die Ehre
abspricht, Fresken zu sein, diese Technik mir auf einfache Anstriche und
wenige Ornamente beschränkt wissen will und auf die Enkaustik als die
Technik der „feiner und anmutiger behandelten Bilder in Pompeji» zurück-
kommt.

Dagegen räumt Kugler in seiner „Kunstgeschichte» (Stuttgart 1H4i^i
der Freskomalerei wieder den Hauptplatz auf den pompejanischen Wänden
ein, der Tempera -Malerei aber nur einen sehr untergeordneten, allerdings
ohne seinen Ausspruch zu begründen. » ; )

Als letztes Werk dieser Reihe ist J. Overbecks „Pompeji» (II. Auflage,
Leipzig 1866) 17 ) zu erwähnen, der unter Mitteilung eigener Beobachtungen
„die Frage als eine noch offene behandelt» und mit dem Hinweis auf
K. 0. Müllers Ansicht die Meinung ausspricht, dass ,, höchstens nur eines
oder das andere der grösseren Bilder inmitten der Wandfläohen der Fresko-
technik angehöre , die Wandflächen selbst aber ohne Ausnahme a fresco ge-
färbt seien, und dass auf diese die meisten Malereien a tempera mit verschiedenen
Bindemitteln aufgesetzt worden wären».

Von Interesse sind auch noch die Aeusserungen von Peter Cornelius,
der die pompejanischen Wandmalereien zwar nur kurze Zeit sah, aber, wie
wir sogleich bemerken, mit jenem sicheren, praktischen Blick, der rasch
den rechten Punkt zu treffen weiss. Besonders auffallend war ihm „ein eigen-
tümlicher, leichter und angenehmer Schimmer, ähnlich dem Fett-
glanz der menschlichen Haut, wie wir ihn weder mit blossen Leimfarben,
noch auch mit unBern Kalkwasserfarben auf nassem Kalkbewurf hervorzubringen
imstande wären». Er vermutete daher ein anderes Farbenbindemittel als
Kalk- oder Leimwasser. Dass es jedoch auch ein schnelltrocknendes gewesen
sei, schien ihm besonders daraus hervorzugehen, dass die Farben nicht in-
einander vertrieben und die Schatten, fast wie bei bedruckten Tapeten, meist
durch Strichelung und Uebereinanderlegung der Töne bewirkt sind. Was
das Malen mit Kalkwasserfarben auf Marmorstuck betreffe (Wiegmann’s Re-
konstruktion), so sei dies, wie er aus eigenen Versuchen wisse, äusserst
schwierig und mühsam, und nur für kleinere Werke, wie etwa die Rundbilder
an den Wänden von Pompeji und die dortigen Dekorationsmalereien, ge-
eignet; die Farbe erstarre im Pinsel in dem Augenblick des Auftrages der-
selben (?), eine Erfahrung, die dem gestrichelten Wesen, zumal in den Fleisch-
partien jener Malereien, allerdings nicht entgegen sei. Aber es liessen sich
auf diese Weise nur kleinere Gemälde mit einer gewissen Vollendung aus-
führen, indem es schon zu den allerschwersten Aufgaben gehöre, mit Kalk-
wasserfarben auf blossem Kalkgrund, der noch lange nicht so heiss ist, als
Marmorstuckgrund, grosse Massen Fleischpartien so zu malen, dass sie ein
in sich verschmolzenes Ganzes bildeten und nichts Gestricheltes zeigten (s.
Marggraff, Münchener Jahrbücher f. bild. Kunst, III. Heft, Leipzig 1840,
p. 235 Note).

2. Der gegenwärtige Stand der Frage.

Zu einem vorläufigen Stillstand kam dieses Suchen, als der jetzt in
Frankfurt lebende Maler 0. Donner eine Abhandlung über „die erhaltenen
antiken Wandmalereien in technischer Beziehung» als Einleitung zu Wolf-

16 ) F. Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. II. Aufl. mit Zusätzen von Dr.
Jac Burkhardt (Stuttg. 1848), p. 241. . .. …

») Die erste Auflage dieses Werkes: Pompeji in seinen Gebäuden, Altertumein
und Kunstwerken für Kunst- und Altertu.nsfreuude, dargestellt von Dr. JU ver-
beck (Leipzig 1856), war erschienen, bevor der Verfasser Pompeji selbst besucht hatte.

Peter Corne-
lius über an-
tike Wand-
malerei.

Der gegenwär-
tig Stand der
Frage.

— 70 —

gang Helbigs Buch über die Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten
Städte Campaniens (Leipzig 1869) veröffentlichte. Auf diese Abhandlung des
gelehrten Kollegen wird hier ausführlicher einzugehen sein, weil es gerade
Donner war, welcher durch eine bestechende Darstellung alle Freskogegner für
sich gewann und durch die Wucht einer scheinbar zwingenden Beweisführung
jede der seinen entgegenstehende Ansicht zu nichte machte. Ueberdies kam
ihm der Ruf als technisch geschulter Maler zugute, und es ist hauptsächlich
diesem Umstände zuzuschreiben, wenn in den letzten 30 Jahren seine Ansicht
als die allein richtige gegolten hat. In neueren archäologischen Werken (siehe
letzte Ausgabe von Overbecks Pompeji) wird die Frage, ob die pompejanischen
Wandmalereien Fresken sind, gar nicht mehr diskutiert, sondern einfach die
Donnersche Ansicht als feststehend angeführt, und alle, die sich über die
Frage zu äussern hatten, stimmten wie Heibig seiner Ansicht bei. Selbst der
so kritisch wägende Blümner in seiner vortrefflichen Technologie der Ge-
werbe und Künste bei den Griechen und Römern (Leipzig 1886, IV, p. 434)
machte sie ohne Vorbehalt zu seiner eigenen. Es erscheint mir deshalb von
Wichtigkeit, im folgenden die Donnersche Freskotheorie ausführlicher zu
besprechen und mit einer Kritik zu begleiten und dadurch gleichzeitig die
Leser über den gegenwärtigen Stand der Frage zu unterrichten.
Froskotheorio Folgendes sind die Hauptpunkte dieser Theorie, die Donner dahin

von Donner. ° r r

zusammenfasst :

1. dass, wenn auch nicht absolut alle, doch ein sehr grosser Teil, ja
bei weitem der grösste Teil jener Wandmalereien, u. zw. sowohl die farbigen
Gründe, als auch die auf ihnen und auf weissen Gründen stehenden Or-
namente, Einzelfiguren und abgegrenzten Bilder a fresco gemalt sind;

2. dass diese Technik die weitaus vorherrschende ist, die Leimfarben
und Tempera-Malerei dagegen eine sehr untergeordnete Stelle einnimmt und
sich mehr aushilfsweise als selbständig angewendet findet;

3. dass enkaustische Malereien absolut nicht vorkommen. 18 )

Um diese Punkte zu beweisen, gibt Donner zuerst eine Darstellung der
enkaustischen Malweisen bei den Alten, wobei er seine von uns später zu be-
sprechenden Ansichten näher auseinandersetzt. Da die Enkaustik niemals
Pinseltechnik gewesen, sondern ausschliesslich mit dem einem Spatel ähn-
lichen „Cestrum» ausgeführt worden sei, unter den alten erhaltenen Gemälden
aber kein einziges existiere, in welchem nicht die sichtbarsten Pinselspuren
zu erkennen wären, so beweise dies allein schon, dass unter denselben kein
enkaustisches Gemälde erhalten sei (p. 24).

Donner gibt dann eine Beschreibung des modernen Fresko- und Tempera-
Verfahrens, um vor allem die Einwände Carcanis (s. oben p. 65), dass
Freskofarben in den Mauerbewurf derart eindrängen, dass sie sich mit ihm
gleichsam zu einem einzigen Körper verbänden und nur durch dessen Zer-
störung von ihm zu trennen wären, zu widerlegen. Er meint dagegen , dass
die Freskofarben nicht tiefer in den nassen Grund eindringen, als jede andere
Wasserfarbe; das Wasser der Farbe dringe wohl tiefer ein, nicht aber der Farben-
körper: dieser werde im Gegenteil durchdrungen von der aus dem
Bewurf herausdringenden Kalkhydrat-Lösung, die sich nur auf der Oberfläche
in die harte Krystallhaut von kohlensaurem Kalk verwandeln könne. Unter
dieser Krystallhaut wäre beim Fresko nur ein schwacher Zusammenhang.
Demnach könne die Behauptung Carcanis, dass Freskofarbe nur durch Zer-
störung des Bewurfes von ihm zu trennen ist, nicht richtig sein. Wo Donner
mit dieser eigens ausgeklügelten Deutung der allbekannten Fresko-Erhärtung
hinaus will, wird sofort klar durch die weiteren Ausführungen über das Ent-
stehen von Abblätterungen nach Schichten, je nachdem auf den frischen,
halbnassen oder schon zu trockenen Grund gemalt worden ist (p. 34). Er
beruft sich auf die Autorität von Praktikern, wie Raphael Mengs, und führt
die „nicht als Fresken angezweifelten» Fruchtguirlanden des Giovanni da

S. Donner (Einleitung), p. t.

— 71 —

Urline in den vatikanischen Loggien an, wo nicht nur häufig die oberste,
sondern auch die zweite Lage abgeblättert ist, und erklärt diese Abbliitierungen
aus dein Freskoverfahren selbst.

Dem stehen aber die ebenso unbezweifelten Tatsaohen entgegen, dass
gerade bei den Freskomalern der Renaissance ein Uebermalen der ersten An-
lage mit Retouohiermitteln allgemein in Gebrauch war, weil man eben kein
anderas Mittel zur Verfügung hatte. Die Maler kannten allerdings die Ge-
fährlichkeit einer derartigen Uebermalung mit Tempera, aber sie hielten sieh
trotz der Warnungen (s. Vasari Introduzione) 1 «» nicht darnach. Uebordies ist es
erwiesen, dass gerade die als Beispiel erwähnte Raphael’sohe Loggia, in welcher
sich Giovanni’s Fruchtguirlanden befinden, schon kurze Zeit nach deren
Vollendung übermalt werden musste. Aus dem Berichte des Vasari (im
Leben des Giovanni da Udine) ist deutlich zu ersehen, dass Giovanni in
späteren Lebensjahren auf päpstlichen Wunsch veranlasst worden ist, die über
der Raphael’schen gelegene Loggia auszuschmücken und hierauf auch die
zuerst gemalte (Raphaelsche) zu übermalen. Dies wurde schon damals Uebermalung
als grosser Fehler angesehen, weil durch die Uebermalungen a secco die Raphael’schen
frühere Frische und die meisterhafte erste Ausführung vernichtet worden Loggia.
sei. 20 , Das von Donner zum Beweis herangezogene Beispiel ist demnach
nicht glücklich gewählt, denn abgesehen von der oben erwähnten sind noch
manche späteren Uebermalungen der Loggien nötig geworden, so dass man
diese ausgezeichneten Werke nicht als „notorische Fresken» ansehen kann.
Selbst Donner gesteht (p. 38) ein, dass es wegen des zu dünnen Verputzes
kaum möglich gewesen wäre, die Pilaster der genannten Loggia a fresco aus-
zuführen, und dass dies nachträglich mit Tempera geschah. Ja, es ist sogar
sehr wahrscheinlich, dass man von einer a Fresco-Ausführung von allem An-
fang an absah, weil wegen der zwischengesetzten plastischen Ornamente,
Figuren und Medaillons hier ein Freskomalen untunlich gewesen wäre.- 1 )
Daraus erklären sich auch zur Genüge die Abblätterungen und die schlechte
Erhaltung dieser Werke. (Abbild. 12.)

Der Unterschied zwischen Abblätterungen an Fresken der späteren Zeit
und an den pompejanischen Gemälden ist darin zu erblicken, dass hier unter
der abgesprungenen (oder mit Absicht abgesprengten) Malschicht eine glatte

,9 ) S. m. Beiträge IV (Renaissance), p. 25.

20 ) Vgl. Vasari (Ed. Roma 1750) III, p. 52 im Leben d. Giov. da Udine: „messo
in opera con buona provisione a dar perfezione e fine all’ ultima loggia , la quäle e
sopra quella, che gli aveva giä fatta fare Papa Leone; e quella finita, gli fece il me-
desimo Papa ritoccare tutta detta loggia prima: il che fu errore e cosa poca
considerata, perciocche il rittoccarla a secco, le fece perdere tutti que’ colpi maestre-
voli, che erano stati tirati dal pennello di Giovanni nell’ eccellenza della sua migliore
etä, e perdere quella freschez^a, che la facea, nel suo pritno essere, cosa rarissima.»

• l ) Von Interesse ist das folgende Rezept, das angeblich Giovanni da Udine
benützte (s. Merrifield, Original Treatises on the art of Painting. London 1849. II.
p. 639. Marciana Ms. Nr. 393): „Ex Magistro Jacopo de Monte S. Savino Scultore —
provato. Stuccho mirabile per fare figure etc. et etiam improntare et colorirlo, et
regge allacqua — Togli travertino macinato sottile V. libra, et se vuoi che sia piu
gentile et delicato, Togli marmo fino in luogo di travertino, et togli dua lib. di calcina
spenta et mescolale insieme con acqua et rimenale et battile bene insieme come pasta
fine et fanne che lavoro tu vuoi, o con mano o impromptato con le forme, et seccbalo
alombra et se lo volessi colorire di bianco, quando il lavoro e tanto seccho che sia
fermo, ma non secco interamente, macina la biaccha con l’acqua ä uso di colore, et
fiore di calcina colata, et dalla col penello, et sara bianchissimo, et stara forte allacqua,
et se lo vuoi colorire d’altro colore, lascia secchare il lavoro poriettamente; poi lo
colorisci , ma questi colori non reggeranno ä lacqua eome quellt» bianco, perclie non
si incorporanno, ne si uniscono con la materia del lavoro come va quello. Se a dunque
tu vuoi che questi colori reghino älacqua, da insul lavoro la inzuppatura di sopra
detta la quäle si da comi qui dice, et poi dipigni k olio.

Puoi etiam colorire lo stuccho co’ colori macinati asciuttj : ma non vonghono
tanto vivi, quanto a colorirgli poi.» Nach Borghini (Riposo p. 402) war dieses Stuck-
rezept das nämliche, welches Giovanni da Udine erfunden hatte undmitdem
er die vatikanische Loggia ausführte. Vergl. Morelli, Gatalogo de Codici della
Libreria Nani p. 32.

— 72

Abblätterun-
gen.

und glänzende Grundschicht zum Vorschein kommt. Dies ist charakte-
ristisch für den antiken Stuck, während an späteren Fresken Abblätterungen
wohl vorkommen, hauptsächlich wenn sie a secco retouchiert sind,- aber nie
eine geglättete Fläche dabei zum Vorschein kommt. Auf diese
Eigenschaft bezieht sich der Einwand des Verfassers der „osservazioni»
Carcani, und die Beobachtungen an antiken Stuckmalereien, wo Ornamente
oder Figuren auf den als Grundfläche durchgehenden farbigen oder weissen
Stuck aufgetragen sind, bestätigen es vollauf.

Abbild. 12. Detail aus den Loggien des Raphael im Vatikau im jetzigen Zustand.
Nach einer pbotogr. Aufnahme.

Schon Wiegmann hatte die Buonfreskotechnik der Renaissance mit
der Technik der pompejanisehen Wandmalerei in Beziehung gebracht,
und durch Beobachtungen an Ort und Stelle sowohl Ansatzfugen an den
Feldern und Bildern, sowie in dem frischen Bewurf eingedrückte Konturen
und Hilfslinien nachgewiesen; er war es auch, der (s. oben p. 67) die
Bildung einer durchsichtigen Kry stallhaut als Ursache des Glanzes mit dem

— 73 —

antiken Tektorium in Verbindung brachte und sich auf Vitruv’s Angaben
(Vfl, 3, 7 ff.) stützte, wonach die Farben nur dann für die Dauer haltbar
bleiben, wenn sie auf die feuchte Wandbekleidung aufgetragen werden. Die
Möglichkeit eines längeren Arbeitens auf frischem Grunde erklärte er aus der
Dicke des Bewurfes, der um so länger die Feuchtigkeit in sich behalte, je
dicker er sei.

Alle diese Argumente bringt in erweiterter Form und unter Zuziehung
einer viel grösseren Zahl von genau präzisierten Beispielen auch Donner vor.
Wer, wie Verfasser, sich die Mühe genommen hat, tagelang in Pompeji die
angegebenen Oertlichkeiten zu suchen und die von Donner bezeichneten Stellen
zum Zweck der technischen Erkenntnis zu vergleichen, muss über diesen Teil
des Buches seine uneingeschränkte Bewunderung aussprechen. Mit einem
ausserordentlichen Spürsinn hat Donner unter vielen Hunderten die besonders
in die Augen springenden Beispiele herausgefunden, und soweit der gegen-
wärtige Zustand der vielfach in Verfall begriffenen Malereien und Wand-
dekorationen es gestattete, habe ich die Richtigkeit der Donnerschen
Angaben bestätigt gefunden. Donners Beobachtungsgabe ist zweifellos ganz
hervorragend, aber in seinen Schlussfolgerungen stellen sich Irrtümer ein, weil
er die Dinge in der vorgefassten Meinung betrachtet, alles hänge mit der
„wahren Leidenschaft der Alten für Freskotechnik» zusammen.

1. So erklärt Donner beispielsweise, dass die in dem Atrium des Hauses Widerlegung
neben der Casa di Diadumeno befindlichen Malereien, nämlich Medaillons, Donner’sohen
die mit oblongen Tier- und Fruchtstücken wechseln, auf den Wandpfeilern
rechts und auf der ununterbrochenen Langwand links schön und unversehrt
geblieben seien, während auf dem zweiten Pfeiler rechts der Platz sauber und
scharf ausgeschnitten mit der ersten Lage gröberen Marmorstücks bedeckt
sei und nur noch die letzte feinere Lage von 0,002 Dicke zur Aufnahme der
Malerei fehle, weil — die Katastrophe von 79 die Vollendung unterbrochen
haben müsse. Eine genaue Betrachtung der übrigen Bilder zeige, dass alle
diese in gleicher Weise eingeputzt waren (p. 61). Die Beobachtung ist,
wie ich mich überzeugte, richtig, aber die Schlussfolgerung ist es nicht; denn
die in dem allgemeinen durchgehenden Grund von rotem Stuck ausgesparten
und für blau gefärbten Stuck bestimmten Medaillons zeigen ganz deutlich die
Grade des Verfalles, wie sie in Pompeji auf allen gegen West oder
Süden gelegenen Wandflächen zu bemerken sind. Der blaue Fond hat,
wie später gezeigt werden wird, nicht die Festigkeit des roten geglätteten
Bewurfes; er bröckelt durch die atmosphärischen Einflüsse, welche im Laufe
der Jahrzehnte an allen unbedeckten Räumen sich in bedenklichem
Masse geltend machen, mitsamt der darauf befindlichen Malerei ab, so dass
nur die erste Lage gröberen Marmorstucks noch übrig bleibt. 22 )

Dieses Abbröckeln von einzelnen Teilen der Wandfläche oder der auf Vl vä$to*
den Flächen befindlichen Malerei geht in Pompeji leider nur zu schnell vor pompej. Ma-

D 1 loroH’ii.

2a ) Wenn man sich die Mühe gibt, die von Donner p. 85 ff. beschriebenen Räume,
bei deren Ausschmückung die verschiedenen Hilfsmittel der Freskotechnik besonders
deutlich zu erkennen wären, auch nur auf dem Plane von Pompeji aufzusuchen,
wird man finden, dass die am schlechtesten erhaltenen Wände, die nach Donners
Ansicht erst in Angriff genommen wurden, nachdem die Wandflächen zur Fresko-
malerei nicht mehr genügend feucht gewesen seien, gegen Westen oder Süden
gelegen sind. Darin ist vor allem der natürliche Grund zu erblicken, dass sich
die auf solchen Wänden befindlichen Gemälde heute in schlechterem Zustande be-
finden , als die Bilder auf den übrigen Wänden! Donner bemüht sich aber mit
grossem Aufwand von Beredsamkeit, diesen Umstand so darzustellen, als ob die un-
gleichartige Erhaltung sich aus der Freskotechnik von selbst ergebe.

Unwillkürlich drängt sich hier dem Beobachter der naheliegende Gedanke auf,
dass der „antike Freskomaler» jede der einzelnen Wände für sich als Ganzes ge-
malt haben würde, also alle Wände in der Erhaltung sich gleich gut zeigen müssten,
wenn das System der Freskotechnik nach Donner richtig wäre.

Die schlagendste Widerlegung finden Donners Ausführungen aber durch die
staunenswerte Erhaltung aller jener Räume, die bald nach deren Aufdeckung durch
Bedachung gegen Sonne und Regen geschützt sind.

— 74 —

sich, hauptsächlich veranlasst durch die Regengüsse, die kalten Nächte des
Winters und die Abwechslung von Sonnenschein und Regen, wodurch die
Feuchtigkeit der Oberfläche immer wieder schnell verdunstet und -die auf-
gemalten Farbenpartien daher zuerst gelockert werden. Durch eindringende
Feuchtigkeit, die nachts gefriert, tagsüber aber wieder auftaut, wird das ein-
mal begonnene Vernichtungswerk beschleunigt. Deshalb sieht man in den
früher ausgegrabenen Häusern jetzt kaum noch Spuren der Bemalung, und an
Oertlichkeiten , deren Bilderschmuck noch vor 30 Jahren deutlich zu sehen
war, z. B. in casa del poeta (Donner p. 86), konnte ich bei meinem Besuche
1902 absolut nichts mehr unterscheiden. Während Donner 1867 noch Unter-
schiede bemerkte und von „erstaunlich guter Erhaltung’ 1 ‘ spricht, waren jetzt
alle diese Bilder gleich schlecht erhalten. Der Verfall war demnach in der
kurzen Zeit bereits vollendet.

In unbedeckten Räumen ist in Pompeji die allmähliche Vernichtung
aller Malereien nicht aufzuhalten, aber selbst an Stellen, die durch Ueber-
dachung geschützt sind, zeigt sich der verderbliche Einfluss des Wechsels von
Feuchtigkeit und schneller Trocknung durch direkten Sonnenschein. Diesen
Vorgang kann man deutlich an dem Gemälde „Toilette des Hermaphroditen»
(Heibig Wandgem. N. 1369) bemerken, das Donner (p. 115) wegen „seines
starken mit einem Instumente geglätteten Impasto» besonders erwähnt. In
der zum Schutz des Raumes errichteten Wand dem Bilde gegenüber ist eine
Oeffnung für die Lichtzufuhr gelassen, durch welche die Nachmittagsonne direkt
auf den unteren Teil des Bildes scheint, und so hat sich vom unteren Rand
nach aufwärts im Laufe der Jahre der Bröcklungsvorgang eingestellt, der das
reizvolle Bild in wenigen Jahren zu vernichten droht. Hier kann man es
deutlich sehen, wie die unter der Farbenschicht befindliche Lage von
Stuck zu Staub verfällt, der in anderen Fällen, wo keine Bedachung dies
hindert, einfach vom Regen abgewaschen wird, so dass endlich die Stelle
bis auf den unteren widerstandsfähigeren und gröberen Stuck blossgelegt er-
scheint.

Ansatzfugen 2. Als wesentliche Bedingung der Freskotechnik ist das Ansetzen der

Tiker Bilder. Flächen aneinander zu betrachten; auch die antiken Stuckarbeiter mussten da-
mit rechnen, wenn die Flächen zu gross waren, um den Auftrag in einem Zuge
machen zu können. Das übliche Dekorationsschema (Fries, Felder und Sockel
in vertikaler, symmetrische Anlage der Flächen in horizontaler Anordnung)
unterstützte ihre Arbeit und es war nur Sache der Uebung, die Ansatzfugen
so wenig als möglich sichtbar zu machen. Ansatzfugen sind in Pompeji fast
bei allen grösseren Dekorationen zu bemerken, besonders dort, wo die
Anordnung einen natürlichen Anlass dazu bietet. Auffallenderweise sind
aber innerhalb der Bildflächen, selbst wenn sie noch so gross sind, keine
Ansätze zu finden, so dass dieses Fehlen entweder eine uns unfassbare
immense Schnelligkeit beim Ausmalen der grossen Fläche voraussetzen hiesse
oder als das Merkmal für eine andere als die Freskoteohnik erkannt werden
müsste. Donner hatte jedenfalls die Empfindung, dass ein Hauptglied in der
Kette seiner Beweisgründe fehlen würde, wenn es ihm nicht gelänge, Fresko-
ansätze innerhalb der antiken Bilder nachzuweisen. Und so fand er auch,
was er suchte, in dem grössten der pompejanischen Wandgemälde, in dem
verwundeten Adonis (Heibig N. 340), oder vielmehr er glaubte in
kleinen Sprüngen, die sich durch die Bewurfschicht schlängeln, die nach
modernen Gesichtspunkten unerlässlichen Ansätze zu erkennen. Ich muss offen
gestehen, dass es mir trotz wiederholten Betrachtens und genaueren Studiums
mit Hilfe der Lupe nicht gelingen wollte, dort die Spuren der Ansätze zu
sehen, wo sie Donner (Tafel C Fig. 1 seines Buches) angegeben hat, obwohl
es auch mir wie so vielen anderen ein Rätsel bleiben wird, wie es möglich
gewesen, eine so grosse Fläche (das Bild ist über 3 m hoch und incl. Seiten-
gruppen 3,70 m breit) a fresko zu behandeln und die überlebensgrossen
Figuren in ihren hellleuchtenden Farben wie aus einem Guss heraus-

— 75 —

zuarbeiten. 23 ) Das grosse Mittelbild ist von zwei tiefrot gefärbten Pilastern
begrenzt, auf deren Sockel je eine Gruppe (Cheiron und Achill) gemalt ist.
Man sieht an den stellenweisen Abblätterungen den roten glatten Grund
unter den Gruppen hindurchgehen, in gleicher Art, wie dies vielfach auf
pompejanischen Wänden der Fall ist. Mit bravourösen Strichen und im grossen
Zuge ist die Figur des Adonis ohne jeden Ansatz gemalt, ebenso auch die
Figur der Aphrodite; jede dieser Figuren ist gewiss an 2,50 hoch, Zeichnung
und Ausführung deuten auf eine grössere Kunstfertigkeit hin, als sie der ge-
wöhnliche Durchschnitt der pompejanischen Maler gehabt hat, und darnach
müssen wir unser Urteil richten. Die hier beigegebene Zeichnung Donner’s
(Abbildg. 13) zeigt in den punktierten Linien die angeblichen Ansätze u. zw.
wurde zufolge der Erklärung (p. 77) „der (rechtzeitige) Teil a bis an die innere
Grenze des Pilasters zuerst beworfen, dieser rot gemalt und das Rot hinab bis

Abbild. 13. Verwundeter Adonis. Porupejan. Wandgemälde mit den angeblichen Freskofugen

nach Donner.

ungefähr unter die Schultern des Cheiron und des Achill geführt, zugleich der
Luft- und der hellgrüne Lokalton des Buschwerkes auf derselben Seite ge-
strichen, u. zw. bis in die Oheirongruppe hinein, welche alsdann der Meister in
Angriff’ nahm, indem er zuerst die Köpfe über den roten Grund des Pilasters,
die unteren Teile aber über jene grüne Unterstreichung malte, und zuletzt
auch über diese das Rot des Pilasters strich, welches wieder zwischen den Pferde-
beinen erscheint. Sodann wurde der ganze Teil b b b angetragen inclusive
des Pilasters (links), an dessen äusserer Gienze der Ansatz hinläuft, und der
Künstler malte alsdann den oberen einfachen Teil des Hintergrundes, liess
sich den roten Pilaster anstreichen und malte die jetzt halb zerstörte Gruppe
darauf, an welcher das Rot tiefer hinabgestrichen worden ist als bei den ersten.
Hierauf malte er der Reihenfolge nach c, d, e. Die Hand der Aphrodite,

23 ) Indem „Buch von der Freskomalerei» (Heilbronn 1846, p. 113 ff.) handelt ein
ungenannter Münchener Professor über pompejanische Malerei und sagt über den ver-
wundeten Adonis: „Dieses Gemälde ist gut erhalten und auf weissen matten Grund
gemalt. An dieser dritthalbhundert Quadratfuss enthaltenden Wandfläohe ist keine
Spur von Ansätzen des frischen St ueco zu bemerken, es kann also auf
unsere heutzutage übliche Art, al fresco zu malen, nicht hervorgebracht worden sein.»

— 76 –

Bedenken
und Einwen-
dungen.

die den rechten Arm des Adonis unterstützt, malte er nicht zugleich mit dem
Stück d, sondern er schnitt sie erst sorgfältig und genau aus, als er das
Stück e malte, und liess frischen Bewurf in die leere Stelle eintragen, eine
sehr schwierige Operation, die aber hier auf das trefflichste und fast un-
merkbar ausgeführt ist. Dies geschah, um diese Hand zugleich mit dem
Kopf und der linken Hand der Aphrodite malen und in denselben Ton
bringen zu können, da es in Fresko schwierig ist, einen gemischten Ton
später genau ebenso hervorzubringen.» 24 )

Diese Arbeitsfolge erscheint mir vom Standpunkte des praktischen
Malers durchaus ungeeignet. Kein Freskant würde auf diese Weise vor-
gehen, und ein Maler des Altertums, dem die Kenntnis und Anwendung von
Kartons ganz unbekannt war, am wenigsten. Es liesse sich das Freskomalen,
im Sinne der Donnerschen Annahme, überhaupt hier nur so denken, dass der
Maler sich auf der Unterschicht, vor dem letzten Stuckauftrag, eine all-
gemeine Vorzeichnung (wie zu Cennini’s Zeit) gemacht hätte, damit das
stückweise Auftragen sich diesem Entwürfe hätte anschliessen können. Er
hätte dann nicht nötig gehabt, die unkluge Durchschneidung der Figur der
sitzenden „Lokalgöttin» zu machen, er hätte die Ansatzfugen an dem oberen
Teil des Bildes nicht mitten im Licht, sondern an den Konturen der
Felspartien anbringen oder noch besser gleich der Armlinie des Adonis
entlang fortführen können; er hätte überhaupt nicht die linksseitige Cheiron-
gruppe mit der Landschaft zusammen gemalt, und auch kaum eine so kleine
Partie, wie das obere über der Figur der Aphrodite stehen gebliebene Stück
b, so abgeschnitten, wie die Abbildung von Donner es zeigt. Er hätte viel-
leicht an dem Felsen und dem kleinen Gebüsch entlang gehen können, wenn
er den oberen Teil des Bildes für sich behandeln wollte; er hätte auch die
beiden inneren Pilasterkonturen als Ausgangspunkte genommen und nicht
einmal die inneren, einmal die äusseren u. s. w. Alles dies würde aber bei
der Art des Freskomalens auf den mehrere Zentimeter dicken Bewurf nach
dem Prinzipe des tagelangen Nassbleibens vielleicht gar nicht nötig gewesen
sein, denn ein Maler, der eine Figur von den Dimensionen des Adonis oder
der Aphrodite in einem Guss, womöglich an einem Tage herunterzumalen
fähig ist, dem macht das klein bisschen Landschaft mit dem Amoretten dar-
über wahrlich keine Schwierigkeit! Meiner Ansicht nach hat der Maler über-
haupt nicht mit den Pilastern, sondern mit der grossen Hauptgruppe begonnen,
ohne jeden Ansatz innerhalb der Landschaft, er hat die Lokalgöttin, dann
die Amoretten hinzugefügt und zum Sohluss erst die Pilaster mit den Cheiron-
gruppen gemalt, vorausgesetzt, dass ein so langes Malen a fresko wie es
Wiegmann, Donner und die BYeskoanhänger glauben, überhaupt, möglich ist.

Auf die eigenartige glatte Farbenbehandlung in diesem Bilde kommt
Donner (p. 113) noch besonders zu sprechen; er glaubt, dass diese Eigen-
schaft der fetteren und dichteren Beschaffenheit des als Weiss benützten
Paraetoniums zu danken ist, auf welchen Umstand er wiederholt aufmerksam
macht (p. 104). In der Folge wird gezeigt werden, dass es vor allem in
der Glättung der Malerei gelegen ist, wenn noch so stark impastierte
Stellen so eben und flach aussehen, dass kaum noch Pinselstriche zu ent-
decken sind.

Das zweite „klassische» Beispiel für Freskoansatz innerhalb der gemalten
Fläche sieht Donner in der berühmten Einzelfigur der Medea (Museum, Heibig
N. 1264). Die die Figur „rundum umgebenden Ansatzfugen» habe ich auch
aufs genaueste untersucht, und ausser an der Partie des Kopfes sind die wie
Fugen sich zeigenden Sprünge auch sehr deutlich zu sehen. Aber einen Be-

‘*) Diese Hand sieht jetzt in der Tat so aus, als ob sie nachträglich gemalt worden
wäre; die Stelle ist mit Erhöhungen und Vertiefungen bedeckt, wie sie die im Verfall
befindlichen Malereien oftmals zeigen. Wenn ich ein Urteil darüber abgeben soll,
würde ich dafürhalten, dass diese Hand erst gemalt wurde, als die Figur des Adonis
bereits geglättet war, und bei der späteren (zweiten) Glättung sich die Schicht
naturgemäss nicht so fest mit dem Untergrunde verbunden hat.

— 77 —

weis für Freskoansätze kann ich darin dennoch nicht erblicken, weil kein
Freskomaler es für zweckmässig erachten würde, die Konturen um die Figur
herum wegzuschneiden, wenn nur handbreit davon iev Bildrand sich befindet.
Auch Donner (p. 79) hat es zugegeben, dass die „Bemalung der übrig
bleibenden Fläche als Zeitverlust bei der Ausführung gar nicht in Anschlag
gebracht werden kann», und hat- deshalb eine andere Erklärung gesucht: ver-
anlasst durch die Vergleiohung des zweiten Medeabildes (Museum, Helb. N. 1202),
das die Figur in sehr ähnlicher Darstellung, aber mit den spielenden Kindern
und dem Pädagogen zeigt, glaubt Donner, die Einzelfigur könnte nur ein Teil
eines dem vorigen gleichen Bildes, dessen übrige Teilo nicht mehr vorhanden
sind, gewesen sein. Aber selbst dann, wenn die Figur nur ein Teilstück wäre,
trifft die Voraussetzung nicht zu, denn, ob sie nun rechts oder links vom
Bildrande gestanden, der Maler hätte niemals den geringfügigen restlichen
Teil des Hintergrundes für sich anzusetzen nötig gehabt. Die Mauerbrüstung
rechts oder die Architekturlinien über dem Kopf wären dazu weit praktischer
gewählt. Vor allem hätte aber Donner den Beweis orbringen müssen, dass
diese Medea wirklich nur ein Teil eines grösseren Bildes ist. Diesen Beweis,
der nur durch die Fundberichte über die herkulanischen Ausgrabungen möglich
wäre, hat Donner aber nicht erbringen können, und damit fällt der Hauptgrund
weg, die Risse im Marmorstuck für Freskoansätze zu erklären. Meines Tr-
achtens sind die Sprünge erst durch die Transferierung des Bildes entstanden
und deshalb beinahe den Konturen folgend, weil beim Glätten der Malerei
stets ein erheblicher Druck auf die Unterlage ausgeübt wird, wodurch die
wie Stuccolustro behandelte Malerei eine grosse innere Festigkeit erreicht.
Die umgebenden Partien sind eben weniger stark geglättet worden, und deshalb
haben sich die Sprünge an den Grenzen (hier der Konturen) zuerst bilden können.

Ansatzfugen in grösseren Bildern müssten, wenn solche beim Adonis
und der Medea wirklich vorhanden wären, sich auch in anderen grossen Bildern
in Pompeji und Herkulanum zeigen oder wenigstens Spuren davon sichtbar
sein. Dies ist aber nicht der Fall: weder an den grossen herkulanischen
Bildern im Museum mit den lebensgrossen Figuren, wie Herakles mit Telephos,
Theseus mit dem Minotaurus (Heibig N. 1143 u. 1214), noch die grossen
pompejanischen, wie Diana und Aktaeon (Heibig N. 249 b) im Peristyl der casa
cli Sallustio oder an den grossen, ganze Wände füllenden Landschaften in casa
della fontana piccola (Heibig N. 1561, 1563) u. a. sind solche zu entdecken.

3. An fast allen pompejanischen Wänden mit reicher Dekoration des wütSSen. e
ornamentalen Stiles finden sich in farbigen Feldern eingeputzte Flächen für
die Gemälde; auch Medaillons sind vielfach in die farbige Fläche in weissem
Stuck eingefügt. Donner hat die Unterschiede solcher Putzflächen genau
studiert und je nachdem dieselben höher oder tiefer oder im Niveau der um-
gebenden Fläche» 1 gelegen sind, verschiedene Arten des Eintragens konstatiert.
Gegen diese Beobachtungen wird kaum etwas einzuwenden sein; nur schliesst
Donner auch hier, dass diese Gepflogenheit des Einputzens der Bildflächen
mit der Leidenschaft für Freskomalerei bei den Alten zusammenhänge. Wenn
man aber bedenkt, dass bei dem pompejanischen Dekorationsstil die farbigen
Flächen, wie dies im weiteren Verlauf meiner Ausführung näher begründet
werden wird, in der Masse gefärbter Stuck war, so ist es einleuchtend,
dass die einen weissen Untergrund erfordernden Mittelbilder auch weissen
Stuck bekommen mussten. Deshalb liess man die Stellen leer und machte
den nötigen Einputz für sich. Je nach der Geschicklichkeit des Arbeiters
lag dann die neueingetragene Fläche im gleichen Niveau, wenn die Arbeit
gut ausgeführt wurde, etwas höher oder etwas tiefer, wenn sie man-
gelhaft ausfiel. Es mag aber auch vorgekommen sein , dass bei Umbauten,
Ausbesserungen der Wanddekorationen u. dgl. schon vorhandene Gemälde
geschont werden sollten; hier mussten dann die umgebenden Stuckflächen an
das vorhandene Mittelbild angeschlossen werden , und so können unter Um-
ständen schräge Ansatzfugen in der von Donner (p. 60) beschriebenen Weise
gebildet worden sein, ja selbst solche, wo der neue Stuck etwas erhöht über

– 78 —

die Ränder des Bildes hinübergreift. Dieses Verfahren erklärt sich aus dem
Umstände, dass nach der ersten teilweisen Verschüttung von Pompeji die
Stadt wieder aufgebaut wurde und jedenfalls Gelegenheit genug vorhanden
war, unter Benützung der intakt gebliebenen Gemälde die Neuherstellung der
Wanddekorationen vorzunehmen. Aber auch umgekehrt konnte es vorkommen,
dass die Wanddekoration intakt geblieben, die Bilder jedoch verdorben waren
oder dem Geschmack des Besitzers entsprechend durch andere ersetzt werden
sollten 25 ); in solchen Fällen war das Entfernen der gefärbten Stuckfiäche
in der für Stuckmalerei üblichen Tiefe angezeigt und erforderlich.

Nach Donner’s Ansicht können alle von ihm geschilderten verschiedenen
Verfahrungsweisen der alten Maler „keinen anderen Grund gehabt haben, als
den Wunsch, immer aul frischen Grund zu malen» (p. 64); man wird
aber aus den obigen Möglichkeiten die ganz natürlichen Ursachen dieses Vor-
gehens viel leichter einsehen.
Donner’s 4. Auf einen in erster Linie wichtigen Umstand, nämlich auf die von

Versuche. Vitruv ausdrücklich hervorgehobene Forderung des „spiegelnden Glan-
zes» beim antiken Tektorium, hat Donner meines Erachtens viel zu wenig
Wert gelegt. Er erklärt Härte und Glanz als natürliche Folge des an der
Oberfläche des Marmorstucks sich bildenden Kalkkarbonats (p. 123) und gibt keine
nähere Aufklärung darüber, ob er durch Versuche sich von der Wahrheit
dieser schon von Wiegmann aufgestellten Behauptung vergewissert hat.
Ausser p. 40, wo er von Freskomalereien auf Gipskalkfläche spricht,
die ihm viertägiges Malen mit Kalkfarben gestattete, und einigen Versuchen,
mit Hilfe von Kreide und Tonarten ein dem antiken ähnliches Impasto her-
zustellen (p. 114), findet sich nirgends ein Hinweis auf praktische Versuche
zur Herstellung des antiken Stuckgrundes , so dass dieser Mangel bei
einem ausübenden Maler mit Bedauern konstatiert werden muss. Aus einer
Bemerkung ist sogar zu schliessen, dass Donner überhaupt niemals den
Versuch gemacht hat, das antike Tektorium zum Zwecke des Vergleichs
wiederherzustellen. S. 63, gelegentlich der Erwähnung eines für ein korre-
spondierendes Bild bestimmten, „noch weiss» gelassenen Raumes im sog.
Priesterzimmer des Venustempels in Pompeji, bemerkt er: „Bei dem Glätten
der umgebenden gelben Wand hat man noch in die offene Fläche hinein
die Ränder derselben mitgeglättet» (s. auch Figur 15. a. a. 0.). Durch
Augenschein kann man sich aber davon überzeugen, dass diese Ränder von
der Arbeit mit einer Spitzhacke herrühren müssen ; das ehemals vorhandene
Bild ist entfernt und der leere Raum einfach mit Zementmörtel neueren
Datums ausgefüllt, wobei scharf ausgezackte Ränder stehen geblieben sind.
Aus der Annahme, dass man solche Ränder mitglätten könne, wurde
es mir klar, dass Donner niemals Versuche angestellt hat, Vitruv’s sechs-
fachen Marmorstuck zu rekonstruieren, geschweige denn Versuche, diesen
Stuck so zu glätten, dass „spiegelnder Glanz» das Endresultat dieser Ar-
beit ist ! Er wäre dann vielleicht zu anderen Resultaten gelangt , und
der ganze mit so grosser Mühe und geistiger Arbeit zusammengebrachte
gelehrte Apparat hätte wenigstens sicherer zum Ziele geführt, als es
der Fall ist. Vor allem wäre er auf diesem Wege dazu gelangt, die Be-
dingungen kennen zu lernen, wie auf geglättetem Stuck weiter zu malen
ist, denn es dürfte jedem doch unwahrscheinlich vorkommen, dass man
mit bloss in Wasser angeriebenen Pigmenten ohne jedes Bindemittel auf

28 ) Eine derartige Erneuerung in der casa del citarista ist von Donner
p. 58 beschrieben; ihm schien es, als ob der untere Teil des kleinen Adonisbildes
„nebst einem angrenzenden Stück der Wand herausgestossen , dann aber sehr
roh und unsauber mit sehr schlechter Masse wieder ausgefüllt und wieder a fresco
bemalt worden sei». Bei genauerem Betrachten dieses Raumes wird man finden,
dass auf der Eläche dieser Wand vorher ein Medaillon sich befand, wie auf den
beiden anderen Wänden, und dass an dessen Stelle das viereckige Bild aufgemalt
wurde. Da der Raum offen liegt, ist jetzt die Stelle verwittert und demnach deutlich
erkennbar, dass nicht eine Ausbesserung, sondern eine Erneuerung der Stelle vor-
genommen wurde.

— 79 —

einer ganz glatten Fläche, noch dazu an senkrechter Wand, überhaupt

hätte malen können, und dass die Farbe, ohne zu „perlen» — wie die Maler

sagen — gehaftet und ein so ebenmässig kraftvolles Kolorit, teils leuchtend hell,

teils tief dunkel und sammetartig voll gesättigt , ermöglicht haben soll. Alle Widerspruche

Malerfarben bedürfen doch eines Bindemittels, »las die pulverförmigen Teilchen öken Quellen.

zusammenhält und ihnen Körper gibt. Und das wichtigste ist: wir haben

das ausdrückliche Doppelzeugnis des Vitruv (Yll, 10, 2 11.) und des Plinius

(XXXV, 43), dass das atramentum teotorium, das aus Kiemuss bereitete

Schwarz wie das Rebenschwarz, für den Stuck von den tectores mit

Leim angemacht worden ist, wie das atramentum librarium, die Sohreibtinte,

mit Gummi. Will Donner dieses Zeugnis etwa bloss für Schwarz gelten lassen

und für die übrigen Farben nicht? Das Aussehen der Farben im Gemälde

müsste ja ein sonderbar verschiedenes sein, wenn die eine ein Bindemittel

hätte und die andere nicht.

In betreff der Farben, die sich mit dem feuchten Kalk nicht vertragen,
ist Donner selbst auch durch ein antikes Zeugnis genötigt, eine Ausnahme
zuzulassen, die ein verhängnisvolles Loch in seine Theorie zu machen geeignet
ist. Plinius zählt sieben Farben auf, die trockenen Kreidegrund lieben und
feuchtem Grund widerstreben 26 ): Purpur, Indigo, Caeruleum (Himmelblau),
Melisches Weiss, Auripigment (od. Rauschgelb), Appianum (od. künstliches
Kupfergrün) und Bleiweiss. Aber einige dieser Farben kamen auch bei
der Wanddekoration vielfach zur Verwendung; sie finden sich fast sämtlich
in den von den Farben handelnden Kapiteln Vitruvs, ja sie waren, da sie zu
den floridi, den „blühenden», leuchtenden Farben gehörten, wegen ihres
prunkenden Aussehens und ihrer Kostspieligkeit bei protzenhaften Bauherrn
vorzugsweise beliebt und wurden daher nicht in den Lieferungskontrakt mit
aufgenommen, sondern mussten vom Bauherrn besonders bezahlt oder an-
geschafft werden. 27 ) Vitruv bemerkt dies mit ausdrücklichem scharfen Tadel
des entarteten Geschmacks, der nur noch auf die Kostbarkeit des Farben-
materials, nicht auf die künstlerische Ausführung Wert lege. Wenn nun aber
diese Farben sich a fresko nicht gebrauchen liessen, wie verfuhr man dann
da? Man präparierte dann eben diese Farben mit einem Bindemittel und
trug sie in arido, auf die schon getrocknete Wand, auf oder man machte
eine Untermalung a fresko mit einer anderen Farbe und überzog diese,
wenn sie trocken war. mit einer Lasur der gewünschten Farbe: so lasierte
man mit Purpur, in Eibindemittel angerieben, eine Untermalung von rotem
Sandyx, wenn man Purpurrot, und eine Untermalung in Blau, wenn man
Purpurviolett haben wollte. 28 ) Plinius erwähnt zufällig nur dies eine Beispiel
vom Purpur und ein zweites vom Kupfergrün ichrysocolla), bei dem der
Gruud vorher mit einem aus Parätoniumweiss und Schwarz gemischten sanften
Grau übermalt zu werden pflegte (XXXIII. 91). Aber ähnliche Prozeduren
müssen auch bei den anderen empfindlichen Farben gebräuchlich gewesen
sein. Das Weitermalen auf dieser mit Eitemperafarben lasierten einfarbigen
Grundfläche konnte, um die Dekorationen darauf anzubringen, natürlich auch
erst geschehen, nachdem sie vollkommen trocken war, und da muss man
doch fragen: Wo bleibt also das Fresko?

5. Noch eine andere Tatsache ist für Donner höchst unbequem. Das ü p2 g h ™
vielbegehrte Minium oder Zinnober, das schon mit dem Kalk sich nicht ver- Waohs.
trug, war überdies nicht wetterbeständig und hielt sich besonders in offenen
Räumen nicht, wo es dem Einfluss des Sonnenlichtts allzusehr ausgesetzt war.
Es verwandelte sich in einen stumpf violetten oder gar schwärzlichen Ton.

– 6 ) Plinius XXXV. 49: Ex onmibus coloribus cretulara amant udoque illini
recusant purpurissum, tndicum, caeruleum, Melinum, auripigmentum . Appianum,
cerussa.

«) Vgl. Vitruv VII. 5, 8.

28 ) Plin. XXXV, 45: Pingentes sandyce sublita. niox ovo inducentes pur-
purissum, fulgorem minii faciunt. Si purpuram facere malunt. caeruleum subliiiunt,
mox purpurissum ex ovo indueunt.

– 80 —

Um es haltbar zu machen und gegen Witterungseinflüsse zu schützen, griff»
man zu einem von Vitruv (VII, 9, 3 ff.) und von Plinius (XXXIII, 122) be-
schriebenen Verfahren, das nach früherer Lesart xaüaic; (Einbrennung), jetzt
yavcoaic; (Politur) genannt wird. Man machte Punisches Wachs mit etwas
Oel vermischt über dem Feuer flüssig und strich es mit einem Borstenpinsel
über die gründlich ausgetrocknete zinnoberrote Wandbekleidung; dann hielt
man glühende Kohlen in einem eisernen Becken nahe an alle Teile der Wand
und brachte den Wachsüberzug zum Schwitzen, um eine gleichmässige Ober-
fläche zu erlangen. Zum Schluss rieb man das Ganze mit reinen leinenen
Tüchern ab. 29 ) Dadurch wurde die Wand nach Vitruv’s Ausdruck mit einem
„Panzer von punischem Wachs» geschützt, der die Haltbarkeit der Farbe ver-
bürgte, und gleichzeitig wurde sie so blank, dass „man sich darin spiegeln
konnte».

Den Stein des Anstosses, den diese Tatsache für ihn bildet, sucht Donner —
in Uebereinstimmung mit Wiegmann (s. oben p. 68) — dadurch aus dem Wege
zu räumen, dass er behauptet, sie beziehe sich nur auf den Zinnoberanstrich,
anlässlich dessen sie berichtet werde, und in Pompeji habe man nach seinen
Beobachtungen von diesem Schutzmittel keinen Gebrauch gemacht (p. 26).
Aber wenn auf Wänden, die seit der Ausgrabung dem Sonnenlicht preis-
gegeben sind, der Zinnober seine Farbe schnell verändert, ist das ein zwin-
gender Beweis? Auf das, was Pompeji zu erleiden gehabt hat, auf die Wir-
kungen des glühendheissen Aschenregens und das nahezu 1700 Jahre währende
Begräbnis in feuchter Erde war auch der „Panzer von punischem Wachs»
nicht berechnet, und wenn er wirklich ganz verschwunden sein sollte —
obwohl einige Chemiker bei ihren Analysen Spuren von Wachs wahrgenommen
haben wollen — wäre dies ein Wunder? 30 )
Die Gauosis Auch das ist nicht zu beweisen , dass das Verfahren der Ganosis auf

alS Wände 2 » .’ er die Zinnoberfarbe beschränkt gewesen sei. Es war in Griechenland bei der
Marmorplastik wie bei der Polychromie der Architektur seit Jahrhunderten in
Gebrauch und stand weder mit dem Zinnober noch mit irgend einer anderen
Farbe in einer durch die Natur der Stoffe bedingten Beziehung. Vitruv sagt
(a. a. 0.), dass die nackten Statuen so behandelt wurden; will man hier auf
den Ausdruck „nackt» den Hauptnachdruck legen und annehmen, dass die
nackten Teile der Statuen ganz ohne farbige Tönung geblieben seien, so be-
weist das erst recht aufs allerdeutlichste, dass es auf die B’arbe gar nicht
ankam und hauptsächlich darauf abgesehen war, die Marmoroberfläche vor
den schädigenden Einflüssen der atmosphärischen Luft zu schützen. Das
Wachs verträgt sich ja auch, selbst wenn es direkt gefärbt wird, mit den ver-
schiedensten Farben, so dass Plinius XXI, 85, wo er, nach der Beschrei-
bung des punischen Wachses, vom Nutzen des Wachses überhaupt spricht,
abschliessend ganz allgemein sagt: das Wachs nehme mannigfache Farben an
und diene unzähligen Bedürfnissen der Menschen, sogar zum Schutz der
Wände und der Waffen. Genug, die Farbe macht hier gar keinen Unterschied,
und nichts kann uns hindern anzunehmen, dass die Erwähnung der Ganosis
beim Zinnober allein lediglich auf Zufall beruht und dass diese auch bei
anderen Farben, wenn auch nicht durchgängig, in gleicher Weise angewendet
worden ist. Gab es doch andere „blühende» Farben genug — wie Armenisch-
blau, Purpur, Drachenblut und Kupfergrün — deren dekorative Wirkung man
besonders liebte und deren prächtiges Aussehen man schon um der Kostbarkeit
willen geneigt sein musste , durch schützende Mittel möglichst lange un-
versehrt zu erhalten. Es kommt hinzu, dass es etwas besseres als den ver-
schönernden Spiegelglanz der Ganosis gar nicht geben konnte, um den polierten
farbigen Marmor nachzuahmen, und diese Nachahmung war doch gerade der
Ursprung und das Kennzeichen des ältesten Stils der hellenistischen Wand_

m ) Vgl. das besondere Kapitel über punisches Wachs und die Ganosis.
80 ) S. weiter unten im Kapitel: Chemische Analysen m. Versuche, mit Wachs
überzogene Stuckproben einem „künstlichen Pompeji» zu unterziehen.

— 81 —

maierei (s. Vitr. VII, 5, 1). Und endlich — denkt man sich den Fall, dass ein
Zimmer eine Anzahl Felder von verschiedenfarbigem Grunde und mehrere
darunter mit glänzend glattem Zinnober in (ianosis aufwies, war man da
durch das Bedürfnis der Gleichmässigkeit nicht geradezu genötigt, die gesamte
Dekoration aller Wandt eile in derselben Weise zu behandeln?

Also einfach bei Seite schieben lässt sieh die Ganosis bei der antiken
Wandtechnik nicht, wie Donner es will, und hier war der Punkt, von dem
ich bei meinen ersten Versuchen ausgegangen bin. Nicht bloss den Stuck-
grund in sechsfacher Schicht genau nach den Angaben des Vitruv habe ich
bereitet und dessen Eigenschaften kennen gelernt, sondern ich habe auch nach
sorgfältger Befolgung des von Plinius (XXI, 84 ff.) wie von dem griechischen
Mediziner Dioskorides (II, 105) überlieferten Rezeptes das sog. Punische
Wachs präpariert und damit ausser der Ganosis noch manche andere Ex-
perimente angestellt.

Bevor ich auf Einzelheiten näher eingehe, möge es gestattet sein, in Meine Ansicht
wenigen Sätzen meine Ansicht über diese technische Frage auszusprechen. Wandteobnik?
Diese meine Ansicht hat sich seit der ersten Veröffentlichung (i. J. 1893) in
einem nicht unwesentlichen Punkte, welcher die dem punischen Wachs zu-
geteilte Rolle bei der Erhärtung des Stuckbewurfes betrifft, geändert.
Im übrigen habe ich aber nach jahrelangen Studien und vielfältigen Versuchen
nicht nur das damals anderen Ansichten gegenüber Behauptete bestätigt ge-
funden, sondern auch neue Beweise dafür in Fülle herbeigeschafft, die in den
folgenden Kapiteln zur Sprache gebracht werden sollen.

Schon vor 10 Jahren hatte ich richtig vermutet:

1. Die farbigen Felder der pompejanischen Wanddekorationen sind
nicht aufgemalt, sondern vielfach in der Masse gefärbt und als
letzte Schicht aufgetragen worden;

2. die Glättung dieser farbigen Felder hatte zu geschehen, solange
der Grund noch feucht war, und nach deren Glättung wurden die
Ornamente und Bilder mit Tempera-Bindemitteln aufgemalt;

3. die oberflächliche Erhärtung des antiken Stucco ist durch
einen chemischen Prozess zu erklären, bei welchem sich (infolge des
Fettgehaltes des Glättungsmittels) eine sog. Kalkseife bilden kann.

Nach meinen neueren Erfahrungen bleiben diese Punkte aufrecht, nur
muss ich den bereits erwähnten Einfluss des punischen Wachses auf den Er-
härtungsprozess dahin richtigstellen, dass es eben nicht das Wachs ist,
sondern die fetten Säuren der Bindemittel, die mit dem Alkali des Kalkes die
genannte Verbindung eingehen. 31 ) Es wird darüber noch genauer gehandelt
werden, ebenso darüber, dass mittels heisser Eisen eine Glättung (gleich- (Härtung mit
zeitig mit der Erhärtung) der Stuckoberfläche möglich ist, wodurch die vorher
auf den noch feuchten Grund aufgetragene Malerei in einer Ebene zu liegen
kommt, wie dies auf vielen Bildern und Wandmalereien in Pompeji, Herkulan um
oder Rom zu beobachten ist. In dem übereinstimmenden Verfahren des
italienischen Stucco lustro werden wir die Reste der antiken Tech-

3I ) Dieser Irrtum meinerseits ist dadurch entstanden, dass ich bei meinen Ver-
suchen zur Herstellung des punischen Wachses nach Vitruv’a Anweisuug bei der
Ganosis stets sogleich das Oel, vielleicht in zu grosser Menge, mitverseifte
oder emulgierte und erst nachträglich die Versuche getrennt vornahm; dabei hat es
sich herausgestellt, dass punisches Wachs allein nicht die Erhärtung des Stucco
bewirken kann.

Ich möchte jedoch hier bemerken, dass mein Irrtum durch die mir von einigen
Chemikern gegebene Erklärung des Vorganges, dass durch die Verseifung des
Wachses die chemische Verbindung mit dem Kalk ermöglicht werde, verschuldet war.
Einer von ihnen hatte mir sogar durch Handschlag das Versprochen gegeben , da>s
er, falls meine Ansicht angezweifelt werden sollte, öffentlich dafür eintreten wolle.
Durch die unerwartete Enttäuschung bei der später heraufbeschworenen Kontroverse
kam ich dann zu der Ueberzeugung, irregeführt worden zu sein. Dass sich Wachs
überhaupt nur sehr schwer und zum geringsten Teil verseift, davon habe ich viel
später erst Kenntnis erlangt.

6

— 82

Unterschiede
zwischen der
antiken und
der Fresko-
technik.

Aehnlichkeit
beider Ver-
fahren.

nik, die sich traditionell bis auf den heutigen Tag erhalten haben,
wieder erkennen.

Bei vielen Malereien in Pompeji und Rom bietet aber nur die untere
Anlage einen geglätteten Grund zur Aufnahme der weiteren Malerei, die
dann mit der Unterschicht weniger innig verbunden ist, und wahrscheinlich
mit einem Tempera -Bindemittel gemalt zu sein scheint. Um nun solche
Malereien, die stets matt auftrocknen, mit dem glänzend glatten Grund
in Einklang zu bringen, war das Ganosis genannte Verfahren, wobei mit
panischem Wachs der letzte Ueberzug hergestellt und glänzend gerieben
wurde, nötig und angebracht.

Als weiteres gebräuchliches Verfahren kann eine Technik angenommen
werden, wobei mit Hilfe von Bindemitteln auf den noch feuchten
Stuck gemalt wurde, oder aber Varianten und Kombinationen genannter Ma-
nieren.

Die antik-römische oder pompejanische Technik unterscheidet sich dem-
nach von der reinen Freskotechnik:

1. Durch das Verfahren des Glättens des Bewurfes, das ent-
weder mit heissen Eisenoder mit dazupassendenlnstrumenten
unter gleichzeitiger Anwendung von mechanischem Druck
erzielt werden konnte (Stucco-lustro-Verfahren) ;

2. durch Anwendung von besonders geeigneten Bindemitteln
auf trockenem oder noch feuchtem geglätteten Stuccog rund
(Tempera- Verfahren) ;

3. durch die Art des Erhärtens; nach chemischer Bezeichnung
entsteht fett saurer Kalk (Kalkseife), während bei gewöhn-
lichen Fresko verfahren kohlensaurer Kalk sich bildet;

4. durch den Ueberzug mit sog. punischen Wachs, der zum
Schluss über alle Wand flächen gestrichen, erwärmt und
glänzend poliert wurde.

Die Aehnlichkeit beider Verfahren (des antiken Stucco und des
Fresko) besteht in der Bedingung frischer Bewurfmassen, so dass alle die
untrüglichen Anzeichen, die bisher als Beweise für Fresko bei den
Alten angesehen wurden, mit grösserer Berechtigung in die engste
Beziehung zurStuccotechnik zu bringen sind. Denn zur Glättung
der Oberfläche in der Art des antiken Bewurfes ist eine gewisse Feuchtig-
keit der Oberfläche allererste Bedingung. Man könnte sogar versucht
sein, die antike Stuccotechnik mit dem Ausdruck „geglättetes Fresko»
zu bezeichnen, wenn nicht der ganze Glättungsprozess dem Wesen der Fresko-
erhärtung widerspräche.

83

III. Das antike Tectorium nach Vitruv und seine besonderen

Kennzeichen.

Für jede Art von Malerei ist die Unterlage, auf welcher gemalt werden
soll, von grösster Bedeutung. Bei der Wand ist es die Zubereitung des Be-
wurfes, dessen Dicke und Zusammensetzung sowie der Charakter der Ober-
fläche, welche dem Techniker zunächst wichtig sein müssen. Die alten Römer
und Griechen hatten darin wie in so vielen Dingen die grosse Erfahrung von
Jahrhunderten hinter sich, und so bewundern wir heute bei den Ausgrabungen
von Rom, Pompeji u. s. v. die meisterhafte Ausführung ihrer Wände und
Wandbekleidungen. Schon die Stärke des Bewurfes, welcher manchmal
6 — 8 cm beträgt, setzt uns in Erstaunen, dann auch die grosse Glätte der
bemalten Flächen, so dass wir uns fragen : wie und aus welchem Material
ist eine derartige Wand hergestellt worden?

Die Quellenschriften des Vitruv und Plinius geben hierüber gewünschten
Aufschluss; insbesondere ist uns in Vitruv’s „Zehn Büchern über Architektur»
ein Werk des Altertums überliefert, das durch seine umfassende Beherrschung
des Stoffes den gewiegten Fachmann und Praktiker erkennen lässt.

Um sich einen richtigen Begriff davon zu machen, wie die Alten ihre
Wände für die Bemalung herstellten, ist es vor allem notwendig, alle Anweisun-
gen Vitruvs durchzusehen und auch richtig zu verstehen. Es ist auch
ganz unerlässlich, sich Stücke von „Tectorium» genau so zu be-
reiten, wie der als Baumeister gewiss gut unterrichtete Vitruv vorschreibt,
und Versuche damit zu machen.

Zwei Hauptstellen des Vitruv sind es, die meist als Beweise für Fresko-
technik bei den Alten herangezogen werden, und zwar VII, 3, 7: ,,Die Farben
„aber, wenn sie auf die feuchte Wandbekleidung achtsam aufgetragen worden
„sind, gehen deshalb nicht mehr von ihr ab, sondern haften immerwährend,»
und VII, 3, 8: „Daher werden auch Wandbekleidungen, die richtig gemalt sind,
„weder durch das Alter rauh, noch gehen die Farben, wenn man über sie hin-
„wischt, ab, ausser wenn sie nicht achtsam genug und auf das Trockene
„aufgetragen worden sind.» Scheinbar allerdings schlagende Beweise für das
Fresko bei Vitruv! Wenn wir aber das ganze Kapitel „von der Bekleidung
(tectorium opus)» im Zusammenhang durchsehen, so handelt es sich hier
überhaupt kaum um die Malerei, sondern um die Vorbereitung der Wände
für die Malerei; es handelt sich um den vortrefflichen gefärbten Stuck, auf
welchen dann die Malerei zu kommen hat; das lehrt der ganze Zusammenhang.
Die Freskoanhänger haben sich auch darüber nie Rechenschaft gegeben,
was unter „eoloribus cum politionibus inductis», „wenn die Farben gleich-
zeitig mit der Glättung aufgetragen sind», zu verstehen ist, da
doch Freskomalerei nicht gleichzeitig gemalt und geglättet werden könnte.
Die auf den nassen Stuck aufgemalten Figuren und Ornamente würden ja
durch das „Glätten» gleich wieder verdorben werden! Und dann die
Stelle: „dass, wie mannigfach auch die Mischung (des Tectoriums) immer sein
mag, das Ganze dennoch wie aus seiner eigenen Substanz zu bestehen scheint» —
wie wollen die Anhänger des Fresko denn diese Stelle erklären? Es dürfte

6*

Wichtigkeit

der Angaben

Vitruvs

Beweise

für Frpsko-

technik?

84 —

Vitruv’s
Angaben für
Wandstuck.

Schichten von

Sand- und Mar-

mormürteln.

ja dann nur Kalk und Marmorstaub genommen werden, und jede Mannig-
faltigkeit wäre ausgeschlossen. Ausserdem hätte Vitruv es gewiss nicht, un-
terlassen zu erwähnen, dass tageweises oder stückweises Arbeiten .von nöten
ist, „damit die Farben dauernd haften und einen leuchtenden Schimmer von
sich geben!» Auch findet sich nirgends in der langatmigen Erläuterung Vitruvs
eine Andeutung, dass der „wie ein Spiegel das Bild des Beschauers re-
flektierende Bewurf» durch die Krystallhaut von selbst entstehe; er er-
klärt vielmehr aufs deutlichste, dass der Stucco seine Glätte und seinen Glanz
der Arbeit des Polierens oder Glättens zu verdanken habe.

Wenden wir uns nunmehr zu den Angaben, die Vitruv im VII. Buche
macht: Nach einer Einleitung, die sich mit den architektonischen Schriften
des Altertums befasst, folgt als I. Kapitel die Beschreibung des Estrichs,
die Arten ihn herzustellen und seine Zweckmässigkeit; im II. ziemlich kur-
zen Kapitel ist vom Brennen und Löschen des Kalkes zur Herstellung
des Weisstuckes (albarium opus) die Rede, und im III. kommt er auf die
Anlage der Deckeuwölbungen, die mit Stuck verziert werden sollen, zu sprechen.
In gewölbten Räumen empfiehlt er die glatten oder auch ornamentierten
Stuckarbeiten mit einem Gesimse abzuschliessen, so dass die Wandflächen
an dieses Gesims direkt angefügt werden können. Dann heisst es weiter: 1 )
(VII, 3, b) „Nachdem die Gesimse hergestellt sind, bewerfe man
die Wände möglichst rauh, nachher aber bringe man über dem
trockenen Rauhanwurf den feinsandigen Verputz (Sandmörtel) so
an, dass die Richtung genau eingehalten werde, nach der Länge
dem Richtscheit und der Schnur , nach der Höhe dem Senkblei
und in den Ecken dem Winkelmasse entsprechend. So aber wird
die Oberfläche des Verputzes für Gemälde tadellos werden.
Während der Anwurf trocknet, füge man noch einen zweiten und
dritten hinzu , denn je besseren Grund der feinsandige Anwurf
hat, desto mehr steigert sich die Festigkeit und Dauerhaftigkeit
des Verputzes.»
((•) „Nachdem ausser dem Rauhanwurf nicht weniger als drei Schichten
feinsandigen Mörtels (Sandmörtel) angebracht si d, mache man
einen Anwurf von grobgestossenem Marmor zurecht, welches
Material so hergestellt wird, dass es beim Abarbeiten nicht an der
Mörtelscharre hängen bleibt , sondern dass man das Eisen rein
aus der Mörteltruhe herauszieht. Ist der grobe Anwurf hergestellt
und im Trocknen begriffen , so werfe man eine zweite Schicht
aus mittelfeinem Marmorstuck an ; ist diese dicht geschlagen und
gut abgeschliffen, so werfe man einen noch feineren an. So werden
die Wände, nachdem sie durch drei fein sandige (Sandmörtel)
und durch drei Marmorstuckschichten dauerhaft hergestellt
sind, weder Risse bekommen noch in anderer Weise schadhaft
werden.»

l ) Uebersetzung nach Reber, des Vitruvius Zehn Bücher über Architektur
(Stuttgart 1865).

Der Original-Wortlaut sei hier zum besseren Vergleich angefügt nach der Ausg.
von Valent. Rose et Herrn. Müller-Strübing (Lipsiae 1867):

(Vitr. VII 3,5) Coronis explicatis parietes quam asperrime trullissentur, postea
autem supra, trullissatione subarescente. deformentur directiones harenati, uti longi-
tudines ad regulam et ad lineam, altitudines ad perpendiculum , anguli ad normam
respondentes exigantur. namque sie emendata tectoriorum in picturis eiit species.
subarescente, iterum et tertio inducatur. ita cum fundatior erit ex harenato directura,
eo firmior erit ad vetustatem soliditas tectorii.

(6) Cum ab harena praeter trullissationem non minus tribus coriis luerit de-
formatum, tunc e marmore grandi directiones sunt subigemdae, dum ita materies tem-
peretur uti cum subigatur non haereat ad rutrum, sed purum ferrum e mortario
liberetur. grandi indueto et inarescente, alterum corium medioere dirigatur. id cum
subactum fuerit et bene fricatum, subtilius inducatur. ita cum tribus coriis harenae
et item marmoris solidati parietes fuerint, neque rimas neque aliud vitium in se
reeipere poterunt.

85

(7) „Wenn alter die Festigkeit des Verputzes durch Sohlageu mit s ‘ ‘j 1 ;^’,’, 1 .,» 11 ‘ 1
Hölzern noch mehr gesichert und derselbe bis zum harten [?]
Marmorglanz geglättet ist, werden sie in den gleichzeitig

mit dem Verputzen aufgetragenen Parbeneinen schi mmern-
den Glanz erhalten. 1 ‘) Die Farben aber weiden, wenn sie
sorgfältig – auf nassen Verputz aufgetragen sind, nicht schwinden,
sondern von immerwährender Dauer sein, weil der Kalk, nachdem
dessen Feuchtigkeit in den Kalköfen herausgehitzt und derselbe
porös und kraftlos gemacht ist, durch seine Trockenheit gezwungen
alles, womit er in Berührung kommt, an sich zieht und durch
Vermischung mit den von anderen Stoffen beigebrachten Bestand-
teilen und Elen. enten zu einem einzigen festen Körper erhärtend
in einen Zustand versetzt wird, dass er, aus welchen Bestandteilen
immer er dann bestehen mag. nachdem er trocken geworden, die
seiner Natur von Haus aus eigene Beschaffenheit zu haben scheint.» i

(8) „So wird der Verputz, welcher richtig hergestellt ist, weder
durch Alter rauh, noch lässt er, wenn er abgekehrt wird, die
Farben, wenn diese nicht mit zu wenig Sorgfalt oder auf
trockenem Grunde aufgetragen sind. 1 » Wenn also der Ver-
putz an den Wänden so ausgeführt ist. wie dies oben beschrieben
worden, so wird er sowohl Dauerhaftigkeit als Glanz li a b e n
und seine Trefflichkeit bis zu hohem Alter dauernd bewahren.
Wenn dagegen nur eine Schicht von feinsandigem und eine von
Marmorstuck angebracht ist, so wird der dünne Verputz nicht
stark genug sein und zerklüften , und wird beim Polieren wegen
der geringen Dicke den gehörigen Glanz nicht erlangen.»

1 1 merhaftig-
keit.

(7) Sed et baculorum subactionibus fundata Solidität e marmorisque candore firmo
levigata, coloribus cum politionibus inductis nitidos expriment splendores;
colores autem, udo tectorio cum diligenter sunt inducti. ideo non remittunt,
sed sunt perpetuo permanentes, quod calx, in fornacibus excocto liquore facta rari-
tatibus evanida, ieiunitate coacta corripit in se quae res forte contigeruut, mixtionibusque
ex aliis potestatibus coulatis seminibus seu principiis una solidescendo, in quibuscumque
membris est formata cum fit arida redigitur, uti sui generis proprias videatur habere
qualitates.

(8) Itaque tectoria quae recte sunt facta neque vetustatibus fiunt horrida
neque cum extergentur remittunt colores. nisi si parum diligenter et in arido
i’uerint inducti. cum ergo ita in parietibus tectoria facta fuerint uti supra scriptum
est, et firmitatem et splendorem et ad vetustatem permanentem virtutem poterunt
habere, cum vero unum corium harenae et unum minuti marmoris erit inductum.
tenuitas eius minus valendo faoiliter rumpitur nee splendorem politionibus propter
inbecillitatem crassitudinis proprium obtinebit.

2 J Diese Stelle gibt jeder Uebersetzer anders wieder. Bei Rode (Leipzig 1796)
heisst sie: „So sind sie (die Wände) nicht allein vor Rissen und Gebrechen gesichert.
sondern sie werfen, wenn sie mit Stöcken dicht geschlagen und mit festem Marmor-
staube — marmoris grano [statt candore] firmo levigata — geschliffen, zugleich
aber beim Polieren mit Farben überzogen wurden, einen schimmernden Glanz von
sich.» Donner p. 39 also: „so werden in ihnen weder Risse noch andere Fehler ent-
stehen können, sondern sie geben, vermöge ihrer durch das Schlagen mit Hölzern
verdichteten und durch den stäten Glanz der Marmorteilchen glatten Masse, nachdem
auch beim Polieren die Farben aufgetragen worden sind, einen leuchtenden Schimmer
von sich.» Wiegmann p. 178 übersetzt marmorisque candore: mit einem Reibstein von
weissem Marmor, offenbar unrichtig.

») Der Sinn dieser gezwungenen Erklärung soll wohl sein, dass trotz der mannig-
fachen Bereitungsart und der verschiedenartigen Beimischungen das Tectorium schliess-
lich wie „ein selbständiger Stoff von eigenartiger Beschaffenheit» erscheint.

4 ) Rode fp. 105) übersetzt diese Stelle also: „Eine gehörig verfertigte Bekleidung
wird daher weder mit der Zeit rauh, noch lässt sie, wenn sie abgewischt wird, die
Farbe fahren, diese müsste denn nicht sorgfältig genug oder auf die trockene Be-
kleidung aufgetragen worden sein.»

Donner (p. 43) legt Wert darauf „und- statt „oder» zu übersetzen, so dass der
Schlusssatz lautet: ausser wenn sie (die Farben) nicht achtsam genug und aut das
(schon) Trockene aufgetragen wurden Wiegmann übersetzt nicht wortgetreu:
sei denn Absicht auf das Trockene zu malen»‘ (Malerei der Alten p. 42).

— 86

„Spiegelnder ( g, Denn wie ein aus dünnem Blech gearbeiteter Silberspiegel nur

undeutliche und matt glänzende Reflexe gibt, ein aus dickem
Metall getriebener aber, der eine kräftige Politur aushält, den Hin-
einsehenden glänzende und deutliche Bilder zurückwirft , so be-
kommt auch der Verputz, welcher aus einer dünneren Schicht be-
steht, nicht bloss Risse, sondern erblindet auch bald. Derjenige aber,
welcher durch häufige Lagen von feinsandigem und von Marinor-
material gehörig dick ist, wird nach öfter wiederholten Glät-
tungen nicht bloss glänzen, sondern auch das Bild der
Beschauer reflektieren.»
(10) „Die griechischen Verputzarbeiter verfahren nicht bloss nach dieser
Methode . um ihre Arbeiten dauerhaft zu machen , sondern sie
lassen überdies in der Mörteltruhe den Mörtel aus Kalk und Sand
von etwa zehn Mann mit hölzernen Rammklötzen stampfen und
bedienen sich dann des so um die Wette verarbeiteten Materials.
Dabei’ sägen auch einige die Verpatzschichten von alten Wänden
ab und verwenden sie als Belegplatten; ein solcher Verputz aber
hat rings um die Platten oder Felder vorkragende Rahmen.»
Ein folgender Abschnitt (11) gibt dann die Anweisung, auch auf Fach-
werk Verputz herzustellen (durch kreuzweise befestigte Berohrung), und ein
weiteres Kapitel (IV) handelt von dem Verputz an feuchten Stellen.
chr’eült nur Aus ^er vollständigen Wiedergabe dieses ‘feiles der Vitruv’schen

die Herstellung Anweisungen kann ersehen werden, dass der Autor nur die Herstellung
des Verputzes beschreiben wollte, und dies erhellt noch mehr aus der
Reihenfolge seiner Angaben im VII. Buche, die sich genau der bautechnischen
Arbeitseinteilung anschliesst. So wird auch heute noch vorgegangen: Nach-
dem die Mauern und die Bedachung fertig ist, folgt zuerst der Estrich oder
Terrazzo, dann die Arbeiten des Bewurfes u. zw. stets von oben beginnend,
die Anbringung der Stuckarbeit an Decken und Gewölben. Da hiezu Gips-
und Kalkmörtel verwendet wird, ist das II. Kapitel (Löschen des Kalkes fin-
den Weisstuck) von Vitruv hier eingeschaltet. Ist diese Arbeit einschliesslich
der Gesimse fertig, so folgt endlich die Herstellung des Wandbewurfes, hier
also des Marmorstucks, auf dem die Wandmalereien anzubringen sind.

Dass es Vitruv ohne Zweifel darauf ankam, die Methoden der Wand-
bemal ung besonders eingehend zu behandeln, ergibt sich aus dem Umstände,
dass er nach dem allgemeinen Kapitel V. „über die Wandmalerei» , das die
Geschichte und die bereits (p. 79) erwähnte polemische Charakteristik der
Wandmalerei enthält, nocheinmal von d er V erarbeit ung des Marmors
zum Verputz handelt, ein Thema, das im III. Kapitel sonst als erledigt be-
trachtet werden müsste.

Am Schluss des V. Kapitels heisst es nämlich in direkter Verbindung
mit den luxuriösen Extravaganzen seiner Zeit:

„Was ich an Mahnungen zu sagen hatte, dass man von dem Abwege,
auf den man in der Wandmalerei geraten , wieder ablenken möge , habe ich
genugsam auseinandergesetzt: jetzt w T ill ich von der Zubereitung der

des Verputzes.

(9) Quemadmodum enim speculum argenteum tenui lamella duetum incertas et
sine viribus habet remissiones splendoris, quod autem e solida temperatura fuerit
factum, recipiens in se firmis viribus politionem fulgentes in aspectu certasque con-
siderantibus imagines reddit, sie teetoria quae ex tenui sunt dueta materia non modo
fiunt rimosa, sed etiam celeriter evaneseunt. quae autem fundata harenationis et mar-
moris soliditate sunt crassitudine spissa, cum sunt politionibuscrebris subaeta,
non modo sunt nitentia, sed etiam imagines expressasaspicientibus
ex eo opere remittun t.

(10) Graecorum vero tectores non solum his rationibus utendo faciunt opera
firma, sed etiam mortario conlocato, calce et harena ibi confusa, deeuxia hominum
indueta, ligneis vectibus pisunt materiam, et ita ad certamen subaeta tunc utuntur.
itemque veteribus parietibus nonnulli crustas excidentes pro abacis utuntur, ipsaque
teetoria abacorum et speculorum divisionibus circa se prominentes habent expressiones.

— 87 —

Verputzmaterialien, so gut ich kann, spreohen, und zwar, da von dem

Kalke schon zu Anfang gesprochen worden, zunächst vom Marmor». 5 )

Daran anschliessend handelt er im VI. Kapitel wiederum von der Verar-
beitung des Marmors zum Verputz, wie folgt:

(1) „Der Marmor kommt nicht in allen Gegenden in gleicher Be-
schaffenheit vor, sondern nur an gewissen Plätzen haben die Mar
morstücke ein durchscheinendes Korn wie Salz, und diese erweisen
sich gestossen und gemahlen als sehr passend für Verputz und
Stuckatur. Wo aber das Material sich nicht so findet , werden
die Marmorbruchsteine oder sogenannte Splitter, welche bei der
Marmorbearbeitung abfallen, in eisernen Mörsern gestossen. ge-
mahlen und gesiebt. Dieses (in verschiedenen Graden) gesiebte
Material aber wird in drei Gattungen geschieden, und die gröbere
wird, wie dies oben beschrieben worden ist, zunächsl nach dem
feinsandigen Anwurf (Sandmörtel), und zwar mit Kalk gemischt,
aufgetragen, dann die folgende und endlieh die dritte, welche
die feinste ist.

(2) Nachdem diese aufgetragen und durch sorgfältiges Abschleifen
des Verputzes geglättet sind, ist bezüglich der Farben darauf Be-
dacht zu nehmen, dass sie auf der Wand einen durchschimmernden
Glanz erlangen. [Mit dem Unterschiede zwischen diesen und mit
ihrer Herstellung verhält es sich so].»

Hier ist es notwendig, auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der, ,,’; ii(k , e ‘ff

«‘ ltruv sehen

■wie es scheint, bisher unbeachtet geblieben ist. Es findet sich nämlich am Text.

Schlüsse der oben zitierten Stelle die in Parenthese gegebene neuere
Einschiebung: „Quorum haec erit differentia et apparatio», welche den Zweck
haben soll, den Schlussatz des VI. Kapitels mit dem folgenden „von den Farben»
in Verbindung zu bringen. Aus der Anmerkung der deutschen Ausgabe von
Reber, Stuttgart 1865 p. 216, ist zu entnehmen, dass „ausser dieser Ein-
schiebung, welche von Jocundus herrührt und die spätere Editoren, Schneider
und Marini, in der Hauptsache gebilligt haben, noch ein ganzer Satz aus-
geschieden und der Rest einfach an das Ende des folgenden Kapitels ver-
setzt worden ist. Lorentzen (Observationes criticae ad Vitruvium, Gotha 1858)
hat aber sehr scharfsinnig eine andere Ordnung der in den Handschriften
sehr verwirrten Stelle in Vorschlag gebracht, indem er die von den
früheren Editoren ausgeschiedenen Sätze an ihre frühere Stelle versetzt und
dadurch Sinn und Verbindung wiederherstellt». In der neuen Vitruvausgabe
von Valentin Rose und Herrn. Müller-Strübing, Leipzig 1867 findet man diesem
Vorschlag entsprechend die früher ausgeschiedenen und versetzten Worte an
ihrem Platze, doch fehlt bei ihnen nun die ganze zweite Kapitelhälfte
der früheren Editionen ! ,; ) Es ist mithin zweifellos, dass die Schlussstelle

5 ) Vitr. VII 5, 8: Quae commonefacere potui ut ab error? discedatur in opere
tectorio satis exposui, nunc de apparationibus ut suecurrere poterit dicam, et primum
quoniam de calce initio est dictum, nunc de marmore ponam.

6 ) Aus der folgenden Zusammenstellung möge dieser Umstand ersehen werden.
Aelt. Ausg. Vitruv. VII 6: De Marmore, quomodo paretur ad tectoria. Marmor

non eodem genere omnibus regionibus proereatur, sed quibusdam locis glebao (ut salis)
micas perlucidas habentes naseuntur, quae contusae et molitae praestant tectoriis et
coronariis operibus utilitatem. Quibus autem locis hae copiae non sunt, caementa
marmorea, sive assulae dieuntur, quae marmorarii ex operibus dejiciunt . pilis ferreis
contunduntur cribrisque excernuntur. Eae autem exeretae tribus generibus seponuntur,
et quae pars grandior fuerit, quemadmodum supra scriptum est. arenato primum cum
calce inducitur, deinde sequens, ac tertio . quae subtilior fuerit. Quibus induetis et
diligenti tectoriorum fricatione levigatis, de coloribus ratio babeatur, uti in bis per-
lucentes exprimant splendores (Quorum haec erit differentia et appaiatio.) Ed.
Valent. Rose et Herrn. Müller-Strübing Leipz. 1867 (übereinstimmend mit dem Obigen
bis ex operibus dejiciunt): . . . dejiciunt, contunduntur et moluntur. et cum est sub-
cretum in operibus utuntur; aliis locis, ut inter Magnesiae et Ephesi fines. sunt loca,
unde foditur parata, quam nee molere nee eernere opus est, sed sie est subtilis,
quemadmodum si qua est manu contusa et subereta. — Es folgt dann Kap. 7 von den
Farben: Colores vero alii sunt qui per so oertis locis proereantur etc.

Weiten» Be-
weise.

– 88 —

des VI. Kapitels, wie sie in den verschiedenen Ausgaben vorliegt, verstümmelt
ist, dass ein ganzer Paragraph, der eigentlich noch zur „Verarbeitung des
Marmors zum Verputz» gehört, willkürlich an das Ende des nächsten Kapitels
(bei Sandaracha) gesetzt erscheint oder aber bei Wiederherstellung der Stelle
die andere Hälfte des Kapitels wieder gestrichen worden ist. Soviel scheint
darnach klar, dass im Texte eine Lücke sein muss.

Betrachten wir die ganze Kapitelreihe des VII. Buches näher und er-
wägen wir, welche Disposition sich Vitruv bei Abfassung desselben gemacht
haben mag, so wird sich der Schluss ergeben müssen, dass jene Annahme
Berechtigung hat, denn am Schlüsse des Buches schreibt er: „Durch welches
Verfahren und womit der Verputz je nach den Verhältnissen dauerhaft ge-
macht und wie die Gemälde in einer der Kunst geziemenden Weise
ausgeführt werden müssen, ferner welche Eigenschaften alle Farben in
sich tragen , das habe ich , soweit dies in meiner Macht stand , in diesem
Buche behandelt.» 7 ) Was den zweiten Punkt betrifft, hat er es aber nicht
getan! Im V. Kapitel spricht er allerdings von der Wandmalerei, jedoch nur
im allgemeinen und wie man nicht Räume ausschmücken sollte; er übt
scharfe Kritik an der gegenwärtigen verderbten Mode der Malerei; auch
über den grossen Aufwand der damaligen Hausherren spricht er sich abfällig
aus und schliesst (s. oben): „Was ich an Mahnungen zu sagen hatte, dass
man von dem Abwege, auf den man in der Wandmaleroi geraten, wieder
ablenken möge, habe ich genugsam auseinandergesetzt.» Indem er noch-
mals auf die Zubereitung des Verputzes zurückzukommen vorhat, wiederholt
er im VI. Kapitel das bereits im III. Kapitel ausführlicher behandelte Thema
vom Marmorverputz, „von den drei Gattungen des Marmorstucks, wie dies
oben beschrieben worden» (quemadmodum supra scriptum est). Es wäre des-
halb in der Gesamtanlage des Buches meines Dafürhaltens gelegen, jetzt die
weiteren Arbeiten auf der W’andfläche wenigstens in kurzen Worten zu er-
wähnen, da Vitruv Eingangs des V. Kapitels sich über die Art und Weise
ausgesprochen hat, wie „die Alten in den Wandgemälden von wirklichen
Dingen getreue Nachbildungen geben» und wie sich die Wandausschmückung
historisch entwickelt hatte; aber über das „Wie die Gemälde in einer der
Kunst entsprechenden Weise ausgeführt werden sollten», fehlt jede Angabe.

Es erübrigt hier noch anzufügen, welche Anweisungen wohl in den ver-
loren gegangenen Stellen hätten gegeben werden können , um das Werk in
Vitruv’s Sinne zu kompletieren: Nach der „Anweisung der Verarbeitung des
Marmors zum Verputz», hätte noch besprochen werden können, wie auf diesem
Verputz die Einteilung der Felder, die Fries- und Mittelwandung mit ein-
gefügten oder aufzumalenden Bildern und Ornamenten zu machen, wie und
in welchem Verhältnis der Sockel dazu zu wählen, mit welchen Farben die
nasse (dritte) Unterlage zu vermengen wäre, eine Angabe, die auch Plinius
nicht vergass, da er aufzählt, welche Farben sich zum Stuck eignen und welche
nur auf trockenem Grunde mit anderen Bindemitteln zu gebrauchen seien
(Plinius XXXV, § 49 und 45). Auch Verschiedenheiten der malerischen Aus-
schmückung waren ausführlicher zu behandeln, je nach den Zwecken des zu
malenden Raumes z. B. im Atrium, in Peristylen, Tempeln und öffentlichen
Gebäuden, wie Vitruv es für die Winterspeisesäle im IV. Kapitel angibt.

Hauptsächlich wäre es aber von grossem Werte, wenn noch genau
darüber berichtet worden wäre, ob die Malerei a fresco, nur mit Wasser und
Kalk, oder in einer anderen Weise auszuführen war. Vitruv, der sonst in allen
Dingen so überaus genau ist, hätte ganz gewiss darüber Aufklärung gegeben,
was es für eine Bewandtnis habe mit dem „schimmernden Glanz» der Farben,
die gleichzeitig mit dem Verputz aufzutragen waren, ob dieser Glanz von selbst
entstehe und ob „der Schutz der Wände und der Panzer gegen die Unbilden

7 ) Schluss des L. VII: Quibus rationibus et rebus ad dispositionem firmitatis
quibusque decoras oporteat fieri picturas, item quas babeant omnes colores
in se potestates, ut mihi succurrere potuit, in hoc libro perscripsi etc.

— 89 —

der Witterung» durch das punische Wachs auch auf anderen als Zinnober*
wänden nötig gewesen sei u. a. m. Nur dem unglücklichen Zufall, dasa liier
eine besonders wichtige Stelle fehlt oder verloren gegangen, ist es zuzu-
schreiben, dass wir im Unklaren darüber sind und uns deshalb in endlosen
Diskussionen und Vermutungen ergehen müssen.

Ueber die Technik der Wandmalerei erfahren wir also aus
Vitruv nichts Sicheres. Nur die Art der T ectorium- Bereitung
ist deutlich beschrieben, und von diesen Anweisungen müssen wir
ausgehen, um eine Rekonstruktion der antiken Wandmalerei vorzunehmen. In
ihnen sehen wir den Haupt wert auf dir Erzielung einer innerlich ge-
festigten und äusserlich geglät t et e n Stuckschicht gelegt, und auf diese
beiden charakteristischen Momente des antiken Stucco hat sich zu allerersl
unsere Aufmerksamkeit zu richten.

I. Massgebende Paktoren für die innere Festigkeit der
Mauermörtel im allgemeinen und des antiken Tectoriums
im besonderen.

Betrachten wir jene Anweisungen Yitruv’s, so ergibt sich nach dem
Wortlaut, dass die natürliche Bindung der Sandmörtel- und der Marmor-
stuckschichten noch gesteigert ist durch das Bearbeiten der
Fläche mit den Schlaghölzern (baculorum subactionibus). Durch
Versuche konnte festgestellt werden, dass dadurch die Schichten viel dichter
zusammengedrückt werden, weil die feineren Marmorteilchen sich mit den
darunter liegenden gröberen zu einer Masse zusammenfügen. An den Bruch-
flächen römischen oder pompejanischen Stucks sieht man ganz deutlich, wie
der gröbere an den feineren geschichtet ist, und am deutlichsten an solchen
Beispielen, bei welchen die Bewurfmasse aus gestossenen Kalkspathbrocken
besteht. Die ersten, aus gewöhnlichem Sandmörtel zusammengesetzten Rauh-
bewürfe haben keinen anderen Zweck, als der eigentlichen Stuckschicht zur
Unterlage zu dienen, und die Dicke dieser Unterlage bewirkt durch die
darin enthaltene Feuchtigkeit, wie allgemein und richtig angenommen wird,
ein längeres Feuchthalten der obersten Lagen. Dadurch ist die später zu
erledigende Arbeit des Glatt ens leichter ausführbar.

Sehr wichtig ist es zu beachten, dass der vorletzte Stuckauftrag
erfolgt sein muss, bevor mit dem Dichtschlagen der Oberfläche begonnen
tvird. Dies ist aus den Worten des Vitruv zu ersehen, da er sagt: „Ist der
erste grobe Marmor-Stuckbewurf hergestellt und im Trocknen begriffen, so
werfe man die zweite Schicht aus mittelfeinem Marmorstuck an: ist diese
dicht geschlagen und gut (mit, der Kelle) abgerieben, so
noch feineren auf.» 8 ) Aber das Schlagen mit den Hölzern
gönnen werden, wenn der Grund beinahe trocken ist, sonst
morstuck an dem Schlagholz fest und reisst den Grund wieder auf,
richtige Zeitpunkt muss eben abgewartet werden.

Als erste Bedingung sehen wir also das Dichtm achen des Bewurfes
durch mechanischen Druck im Zustande der beginnenden ober-
flächlichen Trockenheit. Nach bisheriger Annahme ist die Festigkeit
des Bewurfes als Folge der Kohlensäureaufnahme des im Mörtel befindlichen
Kalkhydrates oder gelöschten Kalkes angesehen worden, wobei durch die
Verdunstung des Wassers die Kohlensäure der Luft mit dem Kalk sich in
kohlensauren Kalk verwandelt. Mit der Zeit erhärtet die Masse immer mehr,
bis alles vorhandene Kalkhydrat sich durch Kohlensäureaufnahme in einen
„marmorähnlichen» Körper verwandelt hat. Auf diesem chemischen Prozess,
so wird behauptet, beruht die grosse innere Festigkeit der antiken Be-
würfe. 9 ) Dem ist entgegenzuhalten, was der hervorragende Fachmann. Joh.

lege man einen
kann erst be-
haftet der Mar-
Der

8 ) Vitruv VII 3, 6: … Grandi inlucto et inarescente. alterum corium mediocre
dirigatur. id cum subactum fuerit et bene fricatum, subtilius inducatur.

9 ) Der chemische Prozess, welcher beim Löschen des Kalkes und hei der
Verwendung der zu Mörtel benützten Mischung von Sand und Kalk durch sog.

Bearbeiten der
Wandfläohe
mit Schlag-
hölzern.

Dichtmacheu
des Bewurfes.

— 90 —

F° b ‘bs ^b V » Nep. v. Fuchs, in seiner Abhandlung „Ueber Kalk und Mörtel» (gesammelte
Mürtei-Kr- Schriften p. 113) sagt: „Der Zusammenhalt des mechanischen Mörtels wird
lediglich bewirkt durch das an den Teilen des Zuschlags erhärtende Kalk-
hydrat, an welche es durch die Adhäsionskraft so angedrückt wird, wie wenn
es auf eine andere Weise zusammengepresst würde. Es bildet sich dabei
zugleich immer mehr oder weniger Kalkhydrokarbonat. Es kann auch später
unter gewissen Umständen alles Wasser entweichen und durch Kohlensäure
ausgetauscht weiden. Allein dieses erfolgt immer nur äusserst langsam, und
ändert, wie ich glaube, nichts im physischen Zustande des Mörtels. War
zuvor das Kalkhydrat kompakt, so wird auch ein kompaktes Kar-
bonat entstehen; war es aber locker, so wird auch nur ein lockeres Kar-
bonat erzeugt werden. Einige Chemiker und Baumeister waren der
Meinung, dass der Kalk des Mörtels durch Aufnah me von Kohlen-
säure aus der Luft gleichsam in Marmor verwandelt werde und
sich darauf das Erhärten desselben gründe. Allein es ist nicht
einzusehen, warum gerade ein marmorartiges Produkt entstehen
müsste und nicht vielmehr ein der Kreide oder Montmilch ähn-
liches gebildet werden könnte.»
Muspratt’s Auch in Muspratt’s grossem chemischen Werk (II p. 393) ist dieselbe

sichten. Meinung ausgesprochen, dass „die Aufnahme der Kohlensäure allein dem
Mörtel keinen Zusammenhang gibt, wenn derselbe nicht vorher einen ge-
wissen Zusammenhalt durch Abtrocknen erhalten hat. Druck befördert
die Erhärtung. Ein wesentliches Moment für die Festigkeit des
Mörtels ist seine Dichtigkeit.»

Bei Mauerwerk, das durch Mörtel verbunden ist, üben die aufeinander
geschichteten Steinmassen durch ihr Gewicht einen bedeutenden Druck aus,
wodurch die Adhäsionskraft in ihrer Wirkung sehr unterstützt wird. Allein
da, wo kein Druck stattfindet – – bei Gesimsen und architektonischen Ver-
zierungen, beim Anwurf der Wände — ist man darauf angewiesen, sich eines
besseren Mörtels zu bedienen. Nach Fuchs (p. 108 und 111) kann man
den Mörtel aber nur auf zweierlei Weise verbessern, nämlich dadurch, dass
M ^ ch K ,nlHCb u man ihm entweder einen feinen mechanischen oder einen chemischen

und chemische

Zuschläge. Zuschlag (Zement) beigibt. „Bei jenem verbinden sich der Kalk und Zu-
schlag durch Adhäsionskraft, bei diesem durch die chemische Anziehungskraft.
Jener wird gewöhnlich Luftmörtel, dieser Wasser mörtel oder hydrauli-
scher Mörtel genannt. Der Zuschlag des letzteren, welcher von einer

Karbonatbildung stattfindet, ist aus folgender Zusammenstellung ersichtlich. Diese
ist entnommen dem Buch d. Erfindungen. 9. Auflage, VII. Bd. Leipzig 1899,
p. 325:

„Kalk zerfällt beim Erhitzen in die Bestandteile Kalk und Kohlensäure
Kohlensaurer Kalk = Kalk — Kohlensäure,
Ca COs = Ca ü + CO..

Der gebrannte Kalk ist chemisch das Oxyd des Metalles Calcium. Kommt Wasser
an dieses Oxyd, also an den gebrannten Kalk, so vereinigt es sich mit ihm zu Cal-
ciumhydroxyd.

Kalk -f- Wasser — Calciumhydroxyd,
CaO-j-H.O — Ca (OH)..

Durch die Kohlensäure der Luft geht der Kalk wieder in kohlensauren Kalk
über. Dabei muss, wie die Ueberlegung lehrt, das durch die Kohlensäure der Luft
in kohlensauren Kalk zurückverwandelte Calciumhydroxyd des Mörtels sein chemiscb
gebundenes Wasser wieder hergeben :
Calciumhydroxyd (gelöscht. Kalk) -f- Kohlensäure aus der Luft = kohlens. Kalk — Wasser,

Ca(OH) 2 -f- CO. = Ca COs -f- HO.

und daraus erklärt sich, dass, so lange nicht aller Kalk in den Wänden in kohlen-
sauren Kalk übergegangen ist, die Wände immer wieder feucht werden. Das Heizen
solcher Räume an sich kann also das Austrocknen nicht bewirken. Nur wenn man
zugleich für eine reichliche Entwicklung von Kohlensäure sorgt, also möglichst schnell
allen gelöschten Kalk in der Wand in kohlensauren Kalk verwandelt, wird man Erfolg
haben. Dieses ist der Grund, weshalb man in den Neubauten offen brennende Koks-
köriie aufstellt. Sie liefern durch das Verbrennen von Kohle viel Kohlensäure, und
die von ihnen gleichzeitig gelieferte Wärme sorgt dafür, dass das durch die Kohlen-
säure in der Wand frei werdende Wasser rasch verdunstet.»

– 91

solchen Beschaffenheil sein inuss, dass der Kalk chemisch darauf wirken
kann, heisst Zement oder chemischer Zuschlag. Beide Mörtelsorten werden
in der Praxis sehr oft mit Wirteil vereinigt , indem man dem mechanisehen
Mörtel einen chemischen und dem chemischen einen mechanischen Zusohlag
gibt. Dieses Gemenge kann man Doppel in ort el nennen».

Als solchen Doppelmörtel müssen wir den antiken Bewurf Sog ‘ jR*lj pel »
auch betrachten, da als mechanischer Zuschlag der Marmorsand oder das
in drei Siebungen verwendete zerkleinerte Material von ECalkspath zur An
wendung kommt und als chemischer Zuschlag die p n t eo I a n i sc h e Erde ge-
bräuchlich war. Diese von Vitruv (II, 6) beschriebene puteolanisohe Erde
oder Puzzolana 10 ) kommt in der Gegend von Bajä und im Gebiete der Städte,
welche um den Vesuv herumliegen, vor und diente zu allen Arten von Hauten,
insbesondere zu Wasserbauten, weil sie, wie wir sagen, hydraulische Eigen-
schaften hat. Mit Puzzolanerde angemachter Mörtel erhärtet demnach ohne
Zutritt der Luft, vielmehr durch die Einwirkung des Wassers auf die durch
vulkanische Kraft aufgeschlossene Kieselsäure, welche in den natürlichen
Puzzolanen gebildet ist.

Man hat auch vielfach angenommen , dass die Festigkeit der alten (1 J^|f sVin^’a-
Mauern eine Folge der Silikatbildung ist, 11 ) d. h. dass der mit dem Kalk bildung.

10 ) „Puzzolane, hydraulische Zuschläge, welche gleich dem Kalk die Eigenschaft
haben im Wasser zu erhärten, sind zumeist natürliche Produkte. Die Puzzolanerde,
Puzzuolanerde I Pulvis puteolanus) nach dem Fundorte Puteoli (heute Puzzuoli) am Ve-
suv genannt, ist vulkanisches Tuffgestein von körniger, wenig poröser Struktur, von
welchem die Römer schon lange vor unserer Zeitrechnung zu ihren Wasserbauten
Anwendung gemacht haben. Sie war lange Zeit hindurch das einzige und ist noch
beute ein ausgezeichnetes Material zur Bereitung von Wassermörtel. Sie wird in der
Nähe von Neapel in grossen Mengen gewonnen. Auch Rassano bei Torre del Greco
und Monte Nuovo produzieren ein sehr gutes Material. Die besseren Sorten besitzen
eine dunkelbraune Farbe. Die in der Nähe von Rom und im Albanergebirge ge-
wonnene rötlich-violette oder schwarz-graue Puzzolanerde verwendet man an Stelle
von Sand zu Luftmörtel, da in der Nähe von Rom guter Sand schwer zu beschaffen
ist. Der Puzzolanerde ähnliche vulkanische Produkte finden sich auch in Frankreich,
in der Auvergne. Die Puzzolanerde verliert beim Erhitzen Wasser und lässt sich
durch starke Salzsäure ziemlich vollständig zersetzen.

Einen der Puzzolane ähnlichen Tuffstein (Trass) entdeckten die Römer in Deutsch-
land am Rhein. Ob sie ihn schon für Wasserbauten benützten, ist nicht bestimmt
festgestellt. Als sicher kann angenommen werden, dass am Ende des XVII. Jhs.
dieses Gestein in grosser Menge zu hydraulischem Mörtel verwendet wurde.

San toriner de ist ein von den griechischen Inseln Santorin, Therasia und
Aspronisi stammendes vulkanisches Tuffgestein und unterscheidet sich von dem
rheinischen Trass und der römischen Puzzolanerde äusserlich nur duich geringere
Festigkeit und Dichtigkeit. Dagegen ist sie durch ihren bedeutenden Gehalt an feiner
amorpher Kieselerde ausgezeichnet und auch weniger leicht von Säuren zersetzlich.
Sie ist im wesentlichen ein Gemenge von verschiedenen zersetzten Kieselfossilien.

Alle drei vulkanische Tuffgesteine, Puzzolanerde, Trass und Santorinerde, ge-
hören, wenn sie auch als Konglomeratbildungen von sehr wechselnder Zusammen-
setzung sind, offenbar der Trachytformation an. Alle drei enthalten chemisch ge-
bundenes Wasser und aufgeschlossene Kieselsäure. Hierauf beruht im wesentlichen
das Erhärten des mit diesen Zuschlägen angerührten Kalkmörtels, indem sieh hiebei
auf nassem Wege, also auch unter Wasser, eine Verbindung von Kalk und Kiesel-
säure vollzieht.» (Buch d. Erfindungen, 9. Aufl., VII. Bd. Leipz. 1899, p. 48.)

«) Ueher den Unterschied des Erhärtens des Mörtels durch Karbonatbildung
und Silicatbildung vergl. Muspratt II p. 393 ff. Es heisst daselbst die Silicat-
bildung betreffend:

„Es ist allerdings durch Versuche, namentlich von Petzold (Journ. f. prakt.
Chemie ([I] 16, 96) erwiesen, dass die Kieselsäure, auch die unaufgeschlossene, imstande
ist, unter Umständen, namentlich bei genügender Feuchtigkeit, bei sehr feiner Zer-
teiiung und längerer Dauer in Berührung mit Aetzkalk eine Silicatbildung herbei-
zuführen und dadurch das Erhärten des Mörtels zu befördern ; auch spricht dafür, dass
erst mehrere Jahre alter Mörtel sich in Salzsäure unter Zurücklassung der Sandkörner
löst, während die Säure aus Jahrhunderte alten Mörteln gelatinöse Kieselsäure bildet;
allein in vielen Fällen zeigt sich in alten, sehr harten Mörteln eine Silicat-
bildung nicht, auch wird Mörtel gleich hart, wenn man den Kieselsand durch
Kalksand ersetzt.

Es mag die Silicatbildung bei uralten Mörteln eine Rolle gespielt haben, welche
aber für die Erhärtung des gewöhnlichen Mörtels während eines Menschenalters un-

– 92 —

vermengte Sand sich „verkieselt». Dies ist aber nur möglich wenn zum
Mörtel Sand oder Quarz , welches chemisch reine Kieselsäure ist , genominen
wird. Beim antiken Stuck, der in seiner Hauptsache aus Marmor, d. h.’ kohlen-
saurem Kalk, besteht, trifft demnach die obige Art der Silikatbildung nicht zu.
Die in alten Mörteln nachgewiesene aufgeschlossene Kieselsäure rührt
vielmehr von einein Tongehalt der verwendeten Kalke her (s. Note), also
von dem Gebrauch der Zemente (Puzzolane , Trass u. dergl. , welche nichts
anderes sind als natürlich gebrannte Tonsorten). Es dürfte zur Bekräftigung
dieses Umstandes von Interesse sein, auf die in der Note gegebenen Mörtel-
analysen antiker Bauwerke, insbes. auf die altrömischen Puzzolane-Mörtel
hinzuweisen 12 ), und damit die chemischen Analysen der Puzzolane römischen,
campanischen und nordischen Ursprungs zu vergleichen. 13 )

wesentlich ist, vielmehr wird dieselbe nur dem Einflüsse der atmosphärischen Kohlen-
säure verdankt. Nach Winkler (Polyt. Jouru. 154, 58) rührt die aufgeschlossene
Kieselsäure in alten Mörteln von einem Tongehalt der verwendeten
Kalke her.»

1S ) Wallace fand altrömische Puzzolane-Mörtel wie folgt zusammengesetzt:
a) von Hadrian’s Villa im Tivoli bei Rom, bl von der Innenseite einer Mauer
in Pompeji, c) von dem Dache latinischer Gräber, d) von einer Mosaik in den
Bädern dos Caracalla in Rom. (s. Muspratt II p. 400.)

a

b

c d

Kieselsäure und Sand

41,10

33,36

36,26 30,24

Tonerde

14,70

2,86

16,39 10,64

Eisenoxyd

4,92

2,32

1,23 3,67

Kalkerde

15,30

29,88

19,71 25,71

Magnesia

0,30

0,25

0,71 0,90

Kali

1,01

3,40

nicht bestimmt

Natron

2,12

3,39

)? y)

Kohlensäure

11,80

23,70

13,61 17,97

Organische Stoffe

2.28

1,50

– 2,48

Wasser

5,20

1,00

8,20 5,50

Analysen von Mörtel antiker Bauten nach Wallace (a. a. O. p. 395):
a) Phönicischer Mörtel von Cypern, ausserordentlich hart und fest mit 0,52 lös-
licher Kieselsäure (Polyt. Journ. 177, 372), b) u. c) altgriechischer Mörtel, erstere Sorte von
der Pnyx in Athen, stets der Luft ausgesetzt gewesen, sehr hart und graulich, letztere
Sorte aus dem Inneren eines alten Tempels in einer Höhle im Pentelikon bei Athen,
der Luft nicht ausgesetzt gewesen, dj von altrömischen Bauten in Burgh nach Spiller.

a b c d

Steine 28,63 — —

Grober Sand 3,37 1 i 9 nß I q QO * 54 50

Feiner Sand 16,20 ( 1Z ‘ üb | d ‘ yU J ö ‘ dU

Kohlensaurer Kalk — — — 25,75

Kohlensaures Magnesia — 0,08

Kalkerde 26,40 45,70 49,65

Tonerde -,16 2 64 0,98

Eisenoxyd 0,99 0,92 0,82

*Lösliche Kieselsäure — — 0,40

Kohlensäure 20,23 37,00 38,33

Wasser 0,45 0,36 3,07 0,92

Magnesia 0,97 1,00 1,09 —

Schwefelsäure 0,21 — 1,04

Organische Stoffe 0,56 —

Rote Ziegelerde 18,00

Schwefelsaurer Kalk — 0,15

Chlornatrium — — — 0.05

*Zur Silicatbildung beitragende Kieselsäure.

I8 l Zusammensetzung der Puzzolane nach Analysen von Berthier (a und
b) aus den Gruben von St. Paul bei Rom und von Vicat (c) vom Vesuv, d) nach

Demarchi von San Paolo. u „ rt

a b c d

Kieselsäure 44,5 59,15 46,5 47,66

Tonerde 15,0 21,27 10,5 14,33

Kalkerde 8,8 1,90 10,0 7,66

Magnesia 4,7 — — 3,86

Eisenoxyd 12,0 4,76 29,5 10,33

Ko„ y } ^ – } 4 – 18

Wasser 9,2 2,56 2,50 7,03

Sand — — — 5,00

93 –

Wir können demnaoh für die Herstellung des antiken Teotoriums aus
den obigen Ausführungen den Sohluss ziehen, dass dessen innere Festigkeil
abhängt von der Anwendung des sog. Doppelmörtels (Puzzolanmörtel) und
von der mechanischen Manipulation des Schiagens mit den Hölzern, wodurch
die einzelnen Teilchen näher aneinander zu liegen kommen und in diesem
Zustande erhärten. Wir können aber auch selbst aus der oben zitierten,
schwerfällig ausgedrückten physikalischen Erklärung des Vitruv (VII 3, 1)
entnehmen, dass „Zuschläge» gebräuchlich und, wie aus den erwähnten Dar-
legungen von Fuchs und Anderen ersichtlich ist, zweckentsprechend waren.
Vitruv verschweigt zwar, was für „andere Stoffe und beigemengte Elemente»
den Bewurf in den Zustand versetzten, dass er, ,, woraus immer er bestehen
vermag, nach dem Trocknen wie ein selbständiger Stoff von eigen-
artiger Beschaffenheit erscheint» (in quibusoumque tnembris est formata,
cum fit arida. redigitur, uti sui generis proprias videatur habere qualitates);
die Möglichkeiten können sich aber nur nach zwei Seiten bewegen, nämlich
nach den mechanischen oder nach den chemischen Zuschlägen. Zu den me-
chanischen Zuschlägen wären ausser dem Kalkspath, Marmormehl und
anderen gestossenen Erden die Erdfarben (Metalloxyde) zu rechnen, zu den
chemischen Zuschlägen die Puzzolane oder zu Staub gelöschter Kalk,
der nach dem Urteil von Praktikern auch für Doppelmörtel geeignet zu sein
scheint und bei manchen Stuckarbeitern auch heute noch im Gebrauch ist
(s. das Marmorino-Rez. weiter unten sowie m. Versuche).

Nicht ausgeschlossen, ja sogar im höchsten Grade wahrscheinlich sind z «|!^ l 1 1 f!f l ‘. h »;,» 1
Zuschläge von organischen Materien zum letzten oder auch vorletzten
Stuckauftrag, denn es sind in chemischen Analysen organische Substanzen
nachgewiesen worden (s. den betr. Abschnitt), und wir haben überdies die
Nachricht bei Plinius (XXXVI, 177), dass das Tectorium des Minervatempels
zu Elis mit Milch angerührt worden ist, sowie eine Notiz desselben Schrift-
stellers (XXXV, 194), wonach mit Selinusischer Kreide, „mit Milch angerührt.
Weissstuck wiederaufgefärbt wird». 14 ) Mit Milch gemischt, erhält der Kalk-
stuck grosse Härte, und die Kittmassen späterer Zeit bestehen unter anderem
aus Käsestoff und Kalk („malthae» s. m. Beitr. III p. 26). Diese Eigenschaft
des Caseins ist längst bekannt gewesen, ebenso auch die gleiche Eigenschaft
des Eiweiss. Mithin ist es sehr möglich, dass unter den „anderen Stoffen
und beigemengten Elementen» auch solche organischer Art gemeint sein
können (s. den Abschnitt: „meine Versuche» u. chemische Analysen). Ebenso
beweisend ist das bereits (p. 79) kurz erwähnte Doppelzeugnis des Vitruv
und Plinius, wonach die tectores das Schwarz mit Leim vermischt verwen-
deten. Vitruv berichtet darüber ausführlich in einer jeden Zweifel aus-
schliessenden Form und erwähnt die Leimzumischung beim schwarzen Tec-
torium dreimal, u. zw. bei Russschwarz, Kohlschwarz und Rebenschwarz,
wie folgt:

(VII 10, 2 bis 4): „Nachdem man ihn (den Russ) dann ge-
sammelt, wird er zum Teil mit Gummi versetzt und dient so als
Tinte, während das übrige von den Verputzarbeitern unter

Materien.

BeimiscInniK

von Leim zum

schwarzeo

Tectorium.

Nach Sau vage enthielt Puzzolane aus den Ardennen 56 lösliche Kieselsäure,
7 Ton, 17 feinen Quarzsand, 12 Chlorit und 8 Wasser.

Zur Mörtelbereitung nimmt man in Italien dem Volumen nach auf 1 T. Kalk
1 bis 2T. Puzzolane mit (1 T.) oder ohne Sand, oder 3 Kalk, 4 Puzzolane und 4 Sand.
Man mengt auch wohl 1 T. Kalkbrei mit 2 T. Sand und 3 T. Puzzolane. breitet das
Gemenge auf dem Boden aus, schüttet in ein ausgehöhltes Loch 1 T. ungelöschten
Kalk, i>. giesst ihn mit Wasser, bedeckt den Kalk beim Beginn des Löschens mit der
teigigen Masse und arbeitet die Masse unter Zusatz der nötigen Wassermenge ge-
hörig durch, (s. Muspratt II p. 399.)

i4 j Plin. XXXVI, 177: Elide aedis est Minervae, in qua frater Phidiae Panaenus
tectorium induxit lacte et croco subactum, ut ferunt; ideo, si teratur hodie in eo
saliva pollice, odorem croci saporemque reddit.

Ebenda XXXV, 194: eadem (Selinusia terra) lacte diluta tectonorum al-
baria interpolantur.

— 94 —

Beimischung von Leim an den Wänden verwendet wird.
(3) Ist aber solches Material nicht fertig zur Hand, so ist, damit
die Arbeit durch langwieriges Warten nicht aufgehalten werde, dem
Drang der Umsiände in folgender Weise Rechnung zu tragen. Man
verbrenne Reisig oder Kienspäne; sobald sie zu Kohlen verwandelt
sind, lösche man sie aus; dann zermalme man sie in einem Mörser
unter Beifügung von Leim, so wird das Schwarz den Ver-
putzarbeitern nicht unentsprechend sein. (4) Nicht minder
wenn getrocknete Weinhefe, im Glühofen zu Kohle gebrannt und
gerieben, unter Zusatz von Leim im Stuck aufgetragen wird;
sie ergibt einen noch weicheren Ton als gewöhnliches Schwarz, und
je besser der Wein (Trester) , aus dem sie gewonnen , desto mehr
wird sie nicht bloss das gewöhnliche, sondern auch das indische
Schwarz (Tusche) erreichen.» 15 )
Ebenso sagt Plinius bei der Beschreibung der schwarzen Farben, aller-
dings ganz kurz (XXXV, 48) : „Jedes Schwarz wird an der Sonne zubereitet,
für Schreiberzwecke mit Gummi, für Verputz arbeit mit Leim vermischt.
Wenn es mit Essig flüssig gemacht ist, lässt es sich schwer abwaschen.» 16 )
Bei dem schwarzen Tectorium mag ein organischer Zusatz zur Farbe
schon deshalb am Platze gewesen sein , weil die feinen Russteilchen nicht
körperhaft genug sind, und gerade beim schwarzen Bewurf die Kalkzugabe
eine geringere sein musste, weil sonst nur ein grauer Ton erzielt wird.
Versuche haben ergeben, dass Leimzugabe zur letzten Schicht auch bei an-
deren Farben gute Dienste geleistet haben, und es ist nicht ausgeschlossen,
dass die alten Stuckarbeiter die einmal erkannten Vorteile auch bei anderen
Farben auszunützen suchten, z. B. bei der blauen Farbe, welche, künstlich
hergestellt, von ebenso geringer Körperhaftigkeit ist, wie die schwarze.

II. Die Erzielung der äusseren Erscheinung an dem
Tectorium der Alten.

Nach dem Auftrag der drei Schichten von Sandmörtel und der zwei
Schichten von Marmorstuck, nacheinander in noch nicht völlig getrocknetem
Zustand, soll nach Vitruv’s Weisungen noch eine sechste feinste Schicht
von Marmorstuck aufgetragen und so abgeschliffen oder geglättet werden,
dass von den Farben ein schimmernder Glanz ausgeht, „udo tectorio cum
Schwierig- diligenter sunt inducti». Was heissen diese Worte? Die gewöhnliche Ueber-

keiten der Er- . in der Glanzpapier-
fabrikation, wird diese Waohsart deshalb verwendet.

Dies vorausgeschickt lassen wir die Anweisung des Plinius zur Be-
reitung des punischen Wachses hier folgen. Er schreibt XXI, 83 II*., wo
er vom Wachs überhaupt handelt und die Eigenschaften des aus Pontus, Kreta
und Korsika bezogenen Wachses anführt:

„Das beste’ ist das sog. punische. . . (84) Das punische bereit et

man folgendormassen: Gelbes Wachs wird im Freien längere Zeit der

Luft ausgesetzt. Darauf kocht man es in Meerwasser, welches man

aus der Tiefe geschöpft hat, mit einem Zusatz von nitrum (Soda

oder Pottasche), schöpft davon mit Löffeln das oberste ab, d. h.

den weissesten Teil, und giesst es in ein Gefäss mit etwas kaltem

Wasser. Dies kocht man nochmals besonders mit Meerwasser und

kühlt dann das Gefäss ab. Nachdem man dies dreimal wiederholt

hat, trocknet man es im Freien auf einem Binsengeflechte bei

Sonnen- und Mondschein. Das letztere macht es weiss, die Sonne

trocknet es, und damit sie es nicht schmelze, bedeckt man es mit

einem dünnen Leinentuch. Am weissesten wird es, wenn es nach

der Besonnung nochmals gekocht wird. Das Punische Wachs ist zu

Arzneien am tauglichsten. (85) Mit Papierasche wird Wachs schwarz,

mit Anchusawurzel rot gefärbt, und die verschiedensten Farben

gibt man ihm durch färbende Stoffe, um Dinge der Wirklichkeit

getreu nachzuahmen, auch dient es dem Menschen zu unzähligen

anderen Zwecken, sogar zum Schutze der Wände und der Waffen.» ‘)

Dioskorides (II, 105) beschreibt das Verfahren in derselben Weise

und betont noch besonders, wenn kein Meerwasser zu haben sei, könne

man die wiederholten Kochungen in starker Salzlauge vornehmen: (in lat.

Uebers.) nee desunt, qui vice marinae ex alto petitae in muria acerrima semel

aut iterum antedicto modo coquunt. Ebenso wie bei Plinius wird hier mit

Lauge verseift (insperso etiam nitri momento).

Trotz dieser deutlichen Angabe des Laugenzusatzes ist von vielen das
punische Wachs nur für besonders vorsichtig gebleichtes gehalten worden.
Selbst der so genaue John glaubt, obwohl ihm der zersetzende Einfluss von
Natron auf Wachs bekannt war, dass dieses durch die nachherige Behandlung
mit Wasser „wahrscheinlich» vollkommen wieder weggenommen werde. -)

Donner (Technisches p. 12) schreibt aber dem Einfluss des Natron eine
„leichte Verseifung» des Wachses zu, wodurch sein „sprödes, hartes brüchiges
Wesen benommen und es etwas geschmeidiger, zäher, nachgiebiger» ge-
macht werde.

Wenn man das Rezept des Plinius prakti seh versucht, so kommt man
zu folgender Erklärung des Vorgangs: Durch das mehrmalige Kochen in Meer-
wasser, das bekanntlich Kochsalz (Chlornatrium) gelöst enthält, soll der dar-
auffolgende Bleichprozess erleichtert werden; die Wachsmasse schäumt stark
auf. Schöpft man hierbei stets das «oberste ab und giesst es in ein mit kaltem
Wasser gefülltes Becken, so schwimmt das Wachs in flachen Scheibchen
oben auf; diese Form eignet sich für die Bleiche sehr, denn es handelt sieh
ja um möglichste Ausbreitung der zu bleichenden Masse. Der Zusatz von

Plinius

Ubor punisches

Wachs.

l ) Plin. XXI, 83: Optima quae Punica vocatur . . . 84: Puniea fit hoc modo: ven-
tilatur sub diu saepius cera fulva, dein fervet in aqua marina ox alto petita, addito
nitro, inde lingulis hauriunt florem, id est candidissima quaeque, transfunduntque
in vas, quod exiguum l’rigidae habeat, et rursus marina decoeunt separat im, dein vas
ipsum . . . refrigerant, et cum hoc ter fecere, iuncea crate sub diu siccant solo lunaque:
haec enim candorem facit, sol siccat, et ne liquefaciat, protegunt tenui linteo. can-
didissima vero fit post insolationem etiamnum recoeta. Punica medioinis utilissima.
85: Nigrescit cera addito chartarum cinere , sicut anchusa admixta rubet, yariösque
in colores pigmentis trahitur ad reddendas similitudines et innumeros mortalium usus
parietumque etiam et armorum tutelam.

*) John, Malerei der Alten, Berl. 1836, p. 204.

7*

Verseifung

oder

Emulgierung.

— 100 —

nitrum bezweckt die Verseifung oder nur Emulgierung des Wachses, wobei be-
merkt sei, dass unter nitrum der Alten nicht nur Soda d. i. kohlensaures
Natron (mineralische Lauge), sondern ebenso Pottasche d. i. kohlensaures
Kali (vegetabilische Lauge) zu verstehen ist. Auch ist es erklärlich, warum
neben der Verseifung durch die damals angewandte Pottaschenlauge die mehr-
maligen Kochungen mit Meerwasser vorgeschrieben sind: denn durch diese
Prozedur wird das kohlensaure Kali der vegetabilischen Lauge in kohlensaures
Natron umgesetzt, ein Verfahren, welches in der Seifenfabrikation früherer
Zeit überhaupt gebräuchlich war, um aus der sog. weichen Seife eine harte
zu machen. Möglicherweise hatten derartige Kochungen mit Salzlauge nur
den Zweck, den Siedepunkt der Wachsauflösung zu erhöhen und dabei die
Emulgierung zu erleichtern. Ganz auffallend und wichtig zu bemerken ist,
dass das Volumen des Wachses durch diese Prozedur der Emulgierung
auf mindestens das zehnfache vergrössert wird und überdies, um es
praktisch zu verwenden , durch eine beliebige Menge von Wasser verdünnt
werden kann ; die überaus fein zerteilten Wachspartikelchen mischen sich mit
Wasser zu einer milchigweissen Flüssigkeit. 3 )

Noch eine Erwähnung der Lösbarkeit des Wachses durch Lauge,
wie solche zur Verseifung von Fetten diente (Pottaschenlauge), findet sich bei
einem späteren Autor, Q. Serenus Sammonicus, der freilich seinen Stoff
fast ganz aus Plinius geschöpft hat, in einem Rezept zur Heilung der durch
Schläge entstandenen Wunden, Hb. medicinalis v. 7Ü5: Tum lixiva cinis ceras
dissolvit et ova admixtoque oleo vibices comprimet atras, wobei zugleich
auf die Verbindung von verseiftem Wachs mit Ei und Oel aufmerksam ge-
macht sei.

Die Bezeichnung dieser Wachsart als „punisch» wird damit zu erklären
sein, dass die Umgebung von Carthago reich an mineralischer Soda war und
vielleicht von dort aus die Methode der Verseifung des Wachses sich weiter
verbreitet hat.

hI; er ^n n AH n on Was die Verwendung des punischen Wachses bei den Alten betrifft, so

haben wir zu unterscheiden zwischen den sicher überlieferten Nachrichten und
den hypothetischen Annahmen. Plinius berichtet XXI, 84 nur, dass es medi-
cinis utilissima, und § 83, dass es optima, die beste Sorte sei. Der Schluss-
satz (§ 85 nigrescit cera u. s. w.) handelt, da das einfache cera als Subjekt
gesetzt ist, vom Wachs überhaupt ohne Unterscheidung irgend welcher
Sorten; streng genommen sind demnach auch sämtliche Arten unterschiedlos
zu verstehen, so dass keine von vorneherein ausgeschlossen ist. Sollte man
aber noch ungewiss sein, ob auch das punische Wachs mit verstanden werden
müsse, so genügt zur Beseitigung des Zweifels die Tatsache, dass in den
letzten Worten parietumque etiam et armorum tutelam der unverkennbare
Hinweis auf das Verfahren der sog. Ganosis enthalten ist, in dessen Beschrei-
bung bei Vitruv VII, 9, 3 und bei Plinius XXXIII, 122 das punische Wachs
ausdrücklich vorgeschrieben wird und Vitruv sogar mit wiederholtem Aus-
druck den schützenden Wachsüberzug der Wand einen „Panzer von punischem
Wachs» (cerae Punicae lorica) nennt. Mit demselben Recht werden wir also
diese Art auch bei den vorhergehenden Worten mit verstehen dürfen , die
das Wachs als geeignet bezeichnen, sich mit Papierasche, Anchusawurzel und
„anderen Farbstoffen zur Erzeugung mannigfaltiger Farben zu verbinden,
um Dinge der Wirklichkeit getreu nachzubilden» (variosque in colores pig-

bci den Alten.

3 ) Rez. zur Herstellung des punischen Wachses: 100 gr weisses (gebleichtes)
Wachs, 10 gr in Wasser gelöste Pottasche, 250 gr destill. Wasser werden zusammen
gekocht, bis alles Wachs gelöst ist. Beim Erkaltenlassen wird die Masse fortwährend
verrührt, wobei noch kaltes Wasser zur Verdünnung beigemischt werden kann.
Nimmt man statt Pottasche Soda, dann ist es angezeigt, noch 10 gr in Wasser ge-
löste Venetianer Seife (i. e. durch Natronlauge verseiftes Olivenöl) mitzukochen. Die
Masse wird dadurch geschmeidiger. Am einfachsten kann man sich eine Wachs-
emulsion herstellen, indem man Wachs mit Venetianer Seife kocht (z. B. 100 gr
Wachs, 25 gr Venetianer Seife, 250 gr Wasser).

— 101 —

rnentis trahitur ad reddendas similitudines), und nichts hindert uns, ausser der
farbigen Waohsplastik auch an den Gebrauch des punischen Wachsos in der
Malerei zu denken.

Wenn freilich Donner (Technisches p. 12) so weit geht, nur punisches
Wachs zuzulassen, und auf dessen ausschliesslichen Gebrauch seine Theorie
der enkaustischen Technik basiert, so kann ich dieser Ansicht nicht bei-
stimmen. Denn die von dem gewöhnlichen Wachs verschiedenen
Eigenschaften des punischen haben auch eine Verschiedenheit in der An-
wendung zur Folge. Wenn Plinius überall, wo er von der Tafel -Enkaustik
spricht, einfach cera oder cerae sagt, bei der Ganosis der Wände aber und
der Marmorstatuen das mit Namen genannte punische Wachs erwähnt, so ist
dieser Unterschied nicht stilistisch bedeutungslos, sondern technisch wohl be-
gründet, weil gewöhnliches Wachs, wenn es auf Tafelbilder heiss auf-
getragen und mit den heissgemachten Metallinstrumenten (Cauterien) weiter
verarbeitet wurde, dabei immer eine pastose Farbenschicht bildete,
dagegen aufwänden und zur Wachsbeize der Marmorstatuen ein möglichst
dünner Ueberzug vonnöten war. Durch Versuche kann sich jeder leicht
überzeugen, dass heissflüssiges Wachs sich niemals gleichmässig auf einer
Wandfläche ausbreiten lässt. Wäre bei der Enkaustik das punische Wachs
(und obendrein ausschliesslich) gebraucht worden, so würde ja Plinius auch
mit sich selbst in Widerspruch geraten, da er XXXV, 49 die enkaustische
Malerei (mit heissen Wachsfarben) „für Wände ungeeignet» (alieno parietibus
genere) nennt und XXXIII, 122 mit einem Zusatz von Oel heissfiüssig ge-
machtes punisches Wachs mit einem Pinsel auf die Wand streichen und
dann von neuem durch Kohlenglut bis zum Schwitzen erhitzen lässt. Der
Widerspruch löst sich nur durch die Annahme, dass zur Enkaustik nicht
punisches, sondern natürliches Bienenwachs gebraucht worden ist, und
diese Annahme ist im Einklang mit der Tatsache, dass die beiden Wachs-
arten durchaus von einander verschiedene Eigenschaften zeigen.

Die uns sicher überlieferte Anwendung des punischen Wachses bestand „üanusis»
in dem Verfahren, das mit griechischem Ausdruck als Ganosis 4 ) bezeichnet
wurde. Beschrieben wird es von Vitruv, der beim Wandanstrich mit Zinn-
ober, der sich an der freien Luft erfahrungsgemäss schlecht erhalte, VII, 9, 3
darüber berichtet, wie folgt:

„Wenn aber jemand sorgfältiger ist und wünscht, dass die Zinn-
oberwandbekleidung ihre Farben behalte, so überziehe er sie, nach-
dem die Wand geglättet und getrocknet ist, mittels eines Borsten-
pinsels mit punischen Wachs, das über dem Feuer geschmolzen
und mit etwas Oel vermischt ist; nachherhalte er Kohlen in einem
eisernen Becken nahe an die Wand und bringe das Wachs durch
Erwärmung bis zum Schwitzen und zwar so, dass die Ober-
fläche gleichmässig werde. Darauf bearbeite er es mit einer
Wachskerze und mit reinen leinenen Tüchern, so wie man nackte
Statuen behandelt. Dies wird auf griechisch Ganosis genannt. So ent-
steht ein schützender Panzer von punischem Wachs, der nicht
zulässt, dass weder der Glanz des Mondes noch die Strahlen der Sonne
daran leckend diesen Wandbekleidungen die Farben entziehen.» 5 )

4 ) Der Name Ganosis steht seit Welckers Nachweis in den neueren Ausgaben.
Die Handschriften haben (mit leichtem Schreibfehler) gnosis. woraus in den älteren
Ausgaben xaöais gemacht worden ist. Dies hat Verwirrung angerichtet und zur Ver-
wechselung mit der Enkaustik geführt; Salmasius wollte geradezu sy^a-jais dafür setzen.

5 ) Vitr. VII, 9, 3: si qui subtilior fuerit et voluerit expolitionem miniaceam
suum colorem retinere, cum paries expolitus et aridus fuerit, ceram punicam igni
liquefactam paulo oleo temperatam saeta inducat; deinde postea carbonibus in ferreo
vase compositis eam ceram a proximo cum pariete calfaciundo sudare cogat, itaque
ut peraequetur; deinde tunc candela linteisque puris subigat, uti signa marmorea nuda
curantur. haec autem y^vcoais graece dioitur. ita obstans cerae punicae lorica
non patitur nee lunae splendorem nee solis radios lambendo eripere ex bis politionibus
colorem.

— 102 —

Und offenbar aus dieser oder einer gemeinsamen Quelle schöpfend sagt
Plinius XXXIII, 122 fast wörtlich dasselbe über dieselbe Sache:

„Die Berührung durch Sonne und Mond ist ihm (d. h. dem
Zinnober) schädlich. Ein Gegenmittel ist, geschmolzenes puni-
sches Wachs, mit Oel gemischt, glühend heiss mit einem Borsten-
pinsel auf die trocken gewordene Wand zu streichen und zum
zweitenmal durch nahegebrachte Galläpfelkohlen 6 ) bis zum Schwitzen
zu erhitzen, dann mit, Wachskerzen und weiter mit reinen leinenen
Tüchern zu bearbeiten, wie auch die Marmorstatuen glänzend ge-
macht werden.» 7 )
Wir haben hier demnach zwei Anwendungsarten des punischen Wachses,
u. zw. erstens die Herstellung des gleichmäs sigen Glanzes der (mit Zinn-
ober bemalten) Wandflächen und zweitens die Behandlung der Oberfläche der
Marmorbildwerke. Bei beiden haben wir uns das Verfahren gleichartig zu
denken, und da hiebei nichts anderes bezweckt wurde, als eine Art von Wachs-
politur auf der Oberfläche der Wandfläche oder des Marmors hervorzubringen,
so ist ein möglichst dünner Ueberzug von Wachs anzunehmen. Dass das
sog. punische Wachs noch mit ein wenig Oel (paulo oleo) zusammengekocht
und in heissem Zustande mit dem Borstenpinsel aufgestrichen wurde, ist diesem
Zwecke durchaus entsprechend; denn wie Versuche gezeigt haben, wird das pu-
nische Wachs durch Oelzusatz viel geschmeidiger (wobei der eventuelle Ueber-
schuss an Lauge das Oel emulgieren oder verseifen kann). Das Aufstreichen
des Wachses in heissem Zustande scheint für den Prozess des Einsaugens
in die Wandfläche und die auf die Wand gemalten Ornamente zweck-
mässig gewesen zu sein. Um dann das gleichmässige Einsaugen in den
Grund zu erleichtern (itaque ut peraequetur) , sollte die Wachsschicht mittels
der Kohlenbecken bis zum Schwitzen erhitzt werden. Auch dieser Vorgang
wird durch den Versuch verständlich, denn in diesem Zustand des „Schwitzens»
schmelzen die nur emulgierten Teile zusammen, wie bereits erwähnt ist. Um
die Oberfläche glänzend zu machen, rieb man mit Leinentüchern die Flächen ab.
Dieser Vorgang ist vermutlich dargestellt auf der beigefügten Abbild. 14
nach einer pompejanischen Wandmalerei. 8 ) Ein Stuckarbeiter steht auf
einem primitiven Gerüst und ist im Begriff, die Wandfläche abzureiben, wo-
bei er sich (der weisslichen Farbe auf dem Original nach zu schliessen) der
Leinentücher bedient, die in Form einer Rolle zusammengelegt scheinen. Oder
sind darin die in beiden Beschreibungen vorkommenden „Wachskerzen»
(candelae) zu suchen? Die Form des rechts auf dem Gerüst stehenden Ge-
fässes mit den dicken Wandungen und henkelartigen Ausbuchtungen lässt
den Schluss zu, dass die darin befindliche Flüssigkeit (punisches Wachs?),
den obigen Beschreibungen des Vitruv und Plinius entsprechend, länger
warm gehalten werden konnte. Die Prozedur des Glänzendreibens mit
den Leinentüchern konnte übrigens erst erfolgen, nachdem die „bis zum
Schwitzen» erhitzte Oberfläche wieder ausgekühlt war, wie aus meinen be-
züglichen Versuchen hervorgeht; sonst würden die durch die Wärme er-
weichten Stellen sich leicht aufschürfen. Was es für einen Zweck haben

6 ) Versuche haben gezeigt, dass Galläpfelkohlen zu diesem Zwecke ein aus-
gezeichnetes Material sind. Sie sind sehr leicht, halten die Glut auffallend lange und
hinterlassen sehr wenig Asche. Die frühere Lesart gallae ist in Mayhoffs Plinius-
Ausgabe wiederhergestellt, nachdem sie eine Zeit lang durch galea, was ein eisernes
Becken bedeuten sollte, verdrängt gewesen war.

7 ) Plin. XXXIII, 122: Solis atque lunae contactus inimicus: remedium ut pariete
siccato cera punica cum oleo liquefacta candens saetis inducatur iterumque admotis
gallae carbonibus inuratur ad sudorem usque, postea candelis subigatur ac deinde
linteis puris, sicut et marmora nitescunt.

8 j Die Abbildung ist einer Sammlung von „Wandmalereien aus Pompeji» ent-
nommen. Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass auf dem Original die Hand-
stellung undeutlich zu sein scheint. Dadurch ist in anderen Nachbildungen der
gleichen Figur die Handstellung so gegeben , als ob die „Kerze» in der Mitte noch
eine Handhabe hätte und der Arbeiter mit einer Art Kratzeisen handtierte (vgl.
Engelmann, Pompeji, Leipz. 1898, p. 50).

— 103 —

sollte, die bereits überstrichene, durch Würmpfannen gleichmüssig erhitzte
und dadurch in die Wand eingesogene Wachsmasse abermals mit „Wachs-
kerzen» zu bearbeiten, ist unklar. 9 ) Ich neige zu der Ansicht, dass
hier nur die Form der gewickelten Leinentücher mit den Kerzen identi-
fiziert worden ist, oder dass die Leinentücher um die Kerzen ge-
wickelt wurden, so dass die für das Abreiben richtige handliche Form
gebildet werden konnte. Für unsere Untersuchung ist aber von grosser

Abbild. 14. Stuckarbeiter, nach einer pompejanischen
Wandmalerei.

Wichtigkeit, den Vorgang des Glüttens der Wandflüche mit Hilfe des
in Lauge gelösten Wachses, dem noch eine geringe Menge von Oel
beigekocht wurde, in der Beschreibung der alten Autoren zu konstatieren,
und damit die Operation des Polierens der Wandflüchen bei dem Stuccolustro
der Italiener in Vergleich zu ziehen.

Ueber andere Verwendungsarten des punischen Wachses wird in den
Kapiteln über Tafelmalerei und über Polychromie der Marmorstatuen noch
gehandelt werden.

9 ) In betreff des „postea candelis subigatur» erklärt Requeno (Saggi sul rista-
bilimento del antica arte, Parma 1787, I, p. 279), dass die -Kerzen angezündet
durch ihre Wärme wirken sollten, denn wozu die Kerze, wenn sie nicht ent-
zündet wird? Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass man das schon zum
Schwitzen gebrachte Wachs abermals durch die Kerzen erhitzte, weil sich dabei der
flammende Russ zu leicht abgesetzt hätte. Andererseits scheint es mir nicht zweck-
entsprechend, die schon mit einer absichtlich dünnen (in verseiftem Zustand auf-
getragenen) Wachsschicht bedeckten Wandfläohen nochmals mit Wachskerzen zu
bearbeiten, da diese auf der ausgekühlten Wand doch nichts von ihrer Masse abgeben
könnten. Der Wortlaut des Vitruv (candela linteisque puris subigat) gestattet übrigens
die Annahme einer einzigen Operation, nämlich des Bearbeitens der mit Leinen
überwickelten Kerze, während nach Plinius eine Teilung dieser Arbeit des Glänzend-
machens angenommen werden könnte (postea candelis subigatur ac de in de linteis
puris). Vitruv’s Version ist aber gewiss die richtigere.

104

V. Das „wie ein Spiegel glänzende’ 1 Tectorium des Vitruv und
Stucco lustro der Italiener.

Vitruv’s

Forderung des

spiegelglatten

Tectoriums.

Vergleich mit
Stucco lustro.

Wir kehren nunmehr zu unserem Thema zurück, um uns eine Vorstel-
lung von den technischen Vorgängen bei der antiken Wandmalerei zu machen.
Denn eigentlich sind nur zwei Dinge aus Vitruv’s Vorschriften deutlich zu er-
kennen: nämlich 1. die Bereitung des Grundes, auf welchen die Malerei erst
zu kommen hatte, und 2. die Ganosis genannte Schlusspolitur mit punischem
Wachs; es fehlt eine Anweisung darüber, durch welche technischen
Mittel der spiegelnde Glanz des Tectoriums zu erzielen ist. Durch das mehr-
fache Hervorheben dieser Eigenschaft aber wird offenbar auf diese Forderung
des Glanzes das Hauptgewicht gelegt. Vitruv sagt: „wenn nach Auf-
trag der vorletzten Schicht die Masse durch Schlagen mit Hölzern gedichtet
und die Farben gleichzeitig mit der letzten Stuckschicht geglättet worden
sind, dann geben die Wände einen leuchtenden Glanz von sich» (Vitr. Vll 3,
7 : nitidos expriment splendores). Und gleich darauf, nach dem Vergleich mit
dem Spiegel, der umso besser spiegelt, je dicker das dazu genommene Metall
ist, sagt er, dass bei richtiger Zubereitung das Tectorium nicht nur Dauer-
haftigkeit und Glanz (ebd. 8.: firmitatem et splendorem) haben, sondern nach
öfter wiederholten Glättungen auch das deutliche Bild des Be-
schauers reflektieren wird (ebd. 9: sed etiam imagines expressas aspi-
cientibus . . . remittunt).

Eine spiegelnde Fläche also, nicht nur „schimmernder Glanz», soll beim
Tectorium durch die Glätiung der Oberfläche erzielt werden, und aus dieser
spiegelnden Fläche sollen die Farben hervorleuchten, wie es bei der Re-
kapitulierung der Angaben heisst (VII 6: in his perlucentes exprimant colores).
Und einen solchen Effekt sollte der blosse krystallinische Ueberzug von kohlen-
saurem Kalk ohne weiteres zuwege bringen? Mir ist kein einziger Versuch
der Art bisher gelungen und die Freskoanhänger haben uns nicht darüber
aufgeklärt, noch weniger durch praktische Beweise uns vor Augen geführt,
wie Stuck überhaupt geglättet werden muss, um spiegelnden
Glanz auszustrahlen?

Man müsste sich doch sagen: Wenn der Stuccogrund glatt und
glänzend sein soll, so muss er eben geglättet und glänzend gemacht
werden, und die Frage nach der antiken Wandmaltechnik ist untrennbar ver-
knüpft mit der Frage : Wie ist Stuccogrund zu behandeln , um glatt und
glänzend zu erscheinen?

Auf diese wichtige Frage geben uns die Anweisungen der Alten keine
Antwort, ebensowenig darüber, wie auf „spiegelnder» Fläche gemalt
werden soll. Auf dem direkten Wege ist also kaum Aussicht vorhanden,
die alte Technik der Wandmalerei kennen zu lernen ; wir sind vielmehr auf
den indirekten Weg angewiesen , indem wir aus der traditionell erhaltenen
Methode des Stucco lustro der Italiener auf die antike Stucktechnik Rück-
schlüsse ziehen und genauer untersuchen, ob und inwieweit ein Zusammen-
hang zwischen dem Stucco des Vitruv und dem von Italienern geübten Ver-
fahren des Stucco lustro vorhanden ist. Auf diesen Weg weisen uns mehrfache

ior>

Aehnlichkeiten beider Verfahren in der Zusammensetzung des Grundes und in

der Schlussoperation, die beim Stuoco lustro ganz genau der Ganosis der
Griechen entspricht.

Es wäre auch im höchsten Grade verwunderlich, wenn eine so vol-
lendete Technik, wie die antike Stuckbereitung es war, sich nicht durch
Handwerkstradition, wenn auch in veränderter Form, auf die Nachwelt vererbt,
haben sollte. Folgen wir den Spuren, so zeigt sich, dass die heutigen Stuck-
arbeiter, besonders die italienischen, eine ähnliche Technik anwenden, um
den sog. Stucco lustro zu machen. Sie beschränken sich zwar auf die Imitation
von farbigem Marmor, aber die Materialien sind dieselben, Marmorstaub und
Kalk, die Farben werden mit dem Stuck gleichzeitig aufgetragen und mit er-
wärmten Eisen geglättet. Die zur Politur notwendige Wachsmischung bereiten
sich die Italiener, indem sie sog. weisse Seife mit Wachs zusammenkochen und
mit dem Pinsel dünn aufstreichen. Zum Schluss wird mit wollenen oder
leinenen Lappen abpoliert. Das sind ja dieselben Operationen wie bei
der Ganosis. Stucco lustro also ein direkter Nachkomme der so
lange gesuchten Technik der alten Griechen und Römer! 1 )

Zum Beweise wollen wir alle bezüglichen Nachrichten hier einreihen
und dabei die mit der Stuccotechnik der Alten zusammenhängenden Notizen
der späteren Zeit, insbesondere die Anweisungen über Stucco lustro, mit
dem antiken Stucco in Vergleich ziehen.

Die älteste Nachricht über spiegelglattes Tectorium bringt Vitruv selbst
(II 8, 10) bei der Aufzählung berühmter Ziegelbauten:

„Zu Halicarnassus hat der Palast des überaus mächtigen Königs
Mausolus , obwohl alles daran mit prokonnesischem Marmor aus-
geschmückt ist, aus Ziegeln gebaute Wände, welche bis auf
diese Zeit eine vorzügliche Festigkeit zeigen und durch Verputz-
werk so geglättet sind, dass sie die Durchsichtigkeit des
Glases zu haben scheinen. Und jener König tat dies nicht
aus Mittellosigkeit, denn er war reich an unendlichen Einkünften,
w r eil er ganz Oarien beherrschte.» 2 )
Das Verfahren war demnach schon den Griechen bekannt; dann kam es
nach Italien und hat sich hier noch weiter vervollkommnet, vermutlich auch
vereinfacht. Zu Vitruv’s und Plinius’ Zeit war es das allgemein übliche zur
Ausschmückung von Wohnräumen oder öffentlichen Bauten, bis der überhand
nehmende Luxus der Kaiserzeit auch hier wieder neuere Dekorationsmethoden
erfand , durch welche die älteren verdrängt wurden ; wenigstens hat es den
Anschein, als ob die Mosaikdekoration und die reichere Marmorincrus-
tation die weniger kostbare Stuckmalerei früherer Zeit abgelöst hätten. Aber
verloren gegangen ist die Technik nicht, denn es finden sich noch in
späteren Perioden einige Notizen über spiegelglatte Stuckmalereien, deren
Technik, wenn auch nicht mit der antiken identisch, so doch offenbar auf die
Tradition der alten Stuckteehnik zurückzuführen ist, und mit Stucco lustro
unmittelbar zusammenhängt.

Uebereinstim-

murik’ der
( »peraüonun.

Aolteste Nach-
richten.

x ) Diese Ansicht habe ich schon in meiner ersten Publikation i. J. 1893 (Beitr. 1 p.28)
geäussert. Durch den inzwischen verstorbenen Kunsthistoriker Herrn Prof. Carl v.
Lützow (Wien) erfuhr ich, dass der berühmte Architekt und Erbauer des neuen
Parlamentshauses in Wien, Theophil Ritter von Hansen bei diesem Bau durch einen
dort angesiedelten Italiener Stuccolustro- Malereien ausführen Hess und dass sich
dieser zur Ausführung von Figuren und Ornamenten der obengenannten Methode
bedient haben muss; Hansen, der bedeutende Kenner antiker Kunst, wäre immer der
Ansicht gewesen, dass die alten Malereien keine Fresken seien und die antike Technik
mit dem Stucco lustro der Italiener Aehnlichkeit haben müsse. Mit Freude ersah ich,
dass meine Ansicht sich mit der des berühmten Architekten deckt !

2 ) Vitruv II, 8, 10: „item Halicarnasso potentissimi regis Mausoli domus cum
Proconnesio marmore omnia haberet ornata, parietes habet latero struetos, qui ad
hoc tempus egregiam praestant firmitatem ita tectoriis operibus expoliti uti vi tri
perluciditatem videantur habere, neque is rex ab inopia id focit. infinitis enim
vectigalibus erat fartus, quod imperabat Cariae toti.

„Spiegeludo
Fresken».

— 106 —

Die wichtigsten dieser Nachrichten stehen mit der antiken Stucktechnik
sogar im innigsten Zusammenhang, insofern die Kommentatoren Vitruv’s
darauf hinweisen, dass noch zu Anfang des XV. Jhs. eine Tradition für
die Ausführung von solcher Stuckarbeit vorhanden war. Dadurch gewinnen
die Aufzeichnungen des sog. Anonymus des Morelli für uns grosse Be-
deutung. 3 )

Wir lesen hier von wie Spiegel glänzenden Fresken ältesten Ur-
sprungs in dem erzbischöflichen Hof zu Mailand, von „alten Fresken» in
S. Giovanni in Choncha die „noch bis zum heutigen Tage wie Spiegel
glänzen», und von „Fresken des Pisano im Kastell zu Pavia, die so
glatt und glänzend sind, dass nach Cesare Cesariano’s Angabe man sich
darin spiegeln könne.» Pisano wurde Ende des XIV. Jhs. geboren und
nach Frimmel (a. a. 0. p. XXI) fallen die Eintragungen zwischen die Jahre
1515 und 1521 bis 1543. Der Hinweis auf Cesariano bezieht sich auf
dessen Kommentar zu Vitruv, worin er die Eigentümlichkeit des Glanzes
beim antiken Tectorium in direkte Beziehung bringt mit den „glänzenden
Fresken» im erzbischöflichen Palast und in S. Giovanni zu Mailand, den Ge-
mälden Pisano’s in Pavia und des Antonio del Carco in Piacenza. 4 ) Nord-
italien scheint demnach die Tradition am längsten bewahrt zu haben.

^Mittelalter. Ueber die Herstellungsweise derartiger glänzender Stuckarbeit haben

LeouB.Aiberti. wir auch ein wichtiges Zeugnis des Leon Battista Alberti. Er spricht
bei der Tectorium -Bereitung der Alten in gleicher Weise von einem Ver-
fahren den Stuck spiegelglänzend zu machen, indem man die letzte
Schicht mit reinem Kalk übertünche und vor dem Trockenwerden mit einer
Mischung von Wachs, Mastix und etwas Oel überstreiche, welche Mischung
durch Erwärmen der Oberfläche eingesogen werde. Nach seinen Erfahrungen
werden Sprünge vermieden durch Aufreiben mit Binsen oder durch Ver-
mischung der Stuckmasse mit klein zerschnittenen alten Tauen (Werg); das

3 ) Anonymus des Morelli (Marcanton Micliiel’s Notizia d’Opere del Disegno),
übersetzt von Dr. Theod. Frimmel (Quellenschrift, f. Kunstgesch. Neue Folge I. Bd.
Wien 1888).

Mpt. 29 v. (Mailand): „In la corte archiepiscopale le pitture a fresco che ris-
plendono fin hoggidi come specchii, furono de man de maestri vechissimi.»

„In S. Zuan in Choncha, le pitture a fresco antique che fin hoggidi risplendono
come specchii furono da maestri antiqui.»

Mpt. 36 r. (Pavia): „Le pitture nel castello a fresco furono de mano del Pisano,
tanto lisse et tanto risplendenti, come scrive Cesare Cesariano che fin hoggidi si pol
specchiar in esse.»

Nach Frizzoni’s Kommentar p. 113 gingen diese Mailänder Fresken bei den
Umhauten durch die Kardinäle Carlo und Federigo Borromeo und nachher gegen Ende
des XVIII. Jhs. unter dem Bischof Maria Visconti zu Grunde (vgl. Mongeri, l’Arte in
Milano, p. 430).

4 ) Cesariano’s hier zitierte Worte in dessen Kommentar zu Vitruvius p. 115
sind: „Cum sia ancora si po disponere, como dice Vitruvio, questa composita calce a
recevere la splendita e nitore siecome etiam fanno le vecchie picture facte in la Ar-
chiepiscopale Curia et in Sancto Joanne in Concha inMediolano; cosi etiam in Pavia
et praeeipue in epso castello dove il nobile Pisano dipinse; vel etiam in Placentia
Antonio del Carco.» Frizzoni (a. a. 0. p. 180) hält den genannten Pisano für identisch
mit dem Veronesen Vittore Pisano (geb. um 1380, gest. um 1451), der „in vielen
Städten Italiens tätig» war. Die Gemälde im Kastell von Pavia waren noch im
XVI. Jh. erhalten, wie aus der Geschichte der Stadt von Stefano Breventano, ge-
schrieben 1570 (Lib. I, p. 7), zu ersehen ist: „Die Hallen und Zimmer, sowohl oben
als unten, waren alle gewölbt, und fast ganz bemalt mit verschiedenen Historien und
anderen Bildern. Die Decken waren mit feinstem rtzzurro gefärbt, auf denen eine
Menge von Tieren angebracht schienen, von Gold gemacht, darunter Löwen ,_ Leo-
parden, Tiger, Hunde, Hirsche, Eber und dergleichen, besonders in jenem Teil, der
nach dem Parke liegt, war noch in meiner Jugendzeit vollständig zu sehen ein
grosser Saal von 60 Ellen Länge und 20 Breite mit den schönsten Figuren geziert, und
es waren Jagden, Fischereien und Turniere mit vielen anderen Belustigungen der
Herzoge und Herzoginneu des Reiches dargestellt.» Von diesen Werken wird später
nichts mehr erwähnt.

— 107 —

Technik.

Hittorff’a
Angaben.

Glätten der Oberfläche gelinge am lösten, wenn sie dabei mil in Wasser ge-
löster weisser Seife massig besprengt werde. 5 )

Leon Battista Alberti sehrieb seinen Kommentar um 1452, und dieser
ist eine vollkommen saohgemässe Darstellung der arohitekonisohen Kenntnis

seiner Zeit. Das obige Verfahren ist zweifellos als auf Tradition beruhend
anzusehen, zugleich hat es am meisten Aehnlichkeit mit dem als Stucco
lustro bezeichneten der späteren Italiener. Alberti selbst bringt es in
direkten Bezug mit dem „Stucco der Alten», so dass es wie ein
Mittelglied zwischen dem im Altertum geübten Verfahren Vitruvs
und dem späteren Stucco lustro erscheinen kann.

Dass es sich hier um Stucco lustro handelt, wird sofort klar, wenn Anweisungen
wir die speziellen Stuccolustro-Anweisungen darauf hin näher prüfen. Eigen- stuccoiustro-
tümlicher weise sind aber gerade diese Anweisungen unvollkommen oder mit-
unter einander widersprechend. Der Grund dieser Tatsache liegt in dem noch
immer als Werkstättengeheimnis betrachteten Verfahren, das von italienischen
Stuckateuren mit oftmals raffinierter List gehütet wird. (; ) Ueberdies scheint
es, dass in verschiedenen Zeiten und verschiedenen Gegenden nicht immer
das gleiche Verfahren geübt worden ist.

1. Am deutlichsten wird diese Technik von Hittorf f, l’Architecture po-
lychrome p. 684 in der Art beschrieben, wie in Mailand Stuck gefertigt wird:

„Auf die Mauer wird zuerst eine mehrfache Lage

von gewöhnlichem Mörtel aufgetragen; darauf breitet man, be-

6 ) Alberti, De re aedificatoria L. VI. c. 9, von der Tectorium- Bereitung der
Alten sprechend, nachdem die ersten Schichten aufgetragen, wie es Vitruv beschreibt:

„Ultima cutis in puro albario diligenter perfricata, splendorem dabit speculi,
eandemque faetam penitus siccam , si unxeris caera et mastice modicoque oleo , una
colliquefactis, et sie unetum parietem carbone ignito, ex pelvi concalefaceris ut un-
guenta combibat, vincet marmora nitore. Nos experti sumus crustas eiusmodi rimis
evadere immunes, si inter inducendum ilico apparentes fissuras manipulis virgultarum
ibisci spartive crudi eastigaveris. Quod si per caniculam aut loco aestuoso indueturus
sis, tundito et minutissime coneidito rudentes vetustos et pulti commisceto. Tum
et levigabitur quidem bellissime. si sapone albo tepenti aqua soluto modice inter levi-
gandum superasperseris, multa inunetura expallescit.

6 ) Bekanntlich sind die Italien. Arbeiter ungemein konservativ; durch ihr grosses
Geschick, ich möchte sagen, den künstlerischen Trieb, der ihnen allen angeboren ist,
haben sie gewisse Zweige des Kunstgewerbes schon seit Jahrhunderten an sich ge-
rissen. Der „Figurino» ist fleissig, in seinem Fach geschult und — misstrauisch. Sein
technisches Können ist das Gut, von dem er lebt; seine Erfahrungen teilt er nur
seinem nächsten Verwandten und Landsmann mit. Fragt man ihn etwa nach prakti-
schen Details oder Handgriffen seines Gewerbes, dann wird man meist Ausflüchte,
mitunter absichtlich falsche Angaben von ihm zu hören bekommen. Dieses Versteck-
spielen wird mit grosser Konsequenz, ganz besonders Fachleuten gegenüber, durch-
geführt. Zur Illustrierung dieser Tatsache möge es gestattet sein, folgende Bei-
spiele zu geben: Bei der Ausführung des prächtigen Stiegenhauses im Schlosse zu
Herrenchiemsee ist es einem dort in anderer Sache beschäftigten Herrn passiert, als
er in der Absicht, die Stuckarbeiten zu sehen, länger als nötig in dem Raum zurück-
blieb, dass die italienischen Arbeiter wie von ungefähr Mörtel- oder Steinbrocken vom
Gerüste herabfallen liessen, um die Anwesenden zum Verlassen der Stätte zu
zwingen. Noch eigentümlicher ist der Vorfall, den mir Prof. Bisenmenger in
Wien mitteilte: In der Mittelhalle des neuen Parlamentsgebäudes zu Wien wurde
von dem Genannten und dessen Schülern der grosse Fries (nach Rahl) in Stucco-
lustromanier ausgeführt. Die technische Arbeit halte der Italiener D’etoma über-
nommen, und obwohl die Herren wochenlang an der Arbeit waren, haben sie
nicht ein einziges mal gesehen, wie die Glättung der tags vorher gemalten Stücke
vor sich ging; sie fanden das Gemalte stets fertig geglättet, wenn sie des morgens
zur Arbeit kamen. Auch über die ihnen als Bindemittel eingehändigte Flüssigkeil
(von grünlich-milchiger Farbe) wurde ihnen niemals etwas mitgeteilt; die Farben
fanden sie zur Malarbeit fertig zugerichtet an der Arbeitsstätte vor.

Endlich möge auch das folgende hier erwähnt sein: Um die Stuccolustro-Technik
von italienischen Arbeitern ausführen zu sehen, hatte ich bei Uebernahme einer
Loggia-Ausmalung es so eingerichtet, dass ein Teil der Ausschmückung in Stuccolustro
gemacht werden sollte. Durch mehrere Wochen habe ich tagtäglich den Glättungs-
arbeiten zugesehen und alle Manipulationen sowie das Handwerkszeug kennengelernt,
niemals aber habe ich erfahren, woraus die Stuccolustro-Masse, mit der alle Farben
vermischt waren, bestand, und auf besondere dahingehende Fragen erhielt ich stets
entweder zweifelhafte oder ausweichende Autwort.

— 108 —

vor dieser Bewurf trocken ist, eine neue Lage von noch feinerem
Sand und Kalk in der Dicke einer Linie aus; man bedient sich
dazu einer Kelle aus hartem Holz in der Form eines länglichen
Viereckes. Auf diese noch feuchte Schicht folgt, mit derselben
Kelle aufgetragen, eine zweite gleich starke Schicht von mindestens
14 Tage lang gelöschtem Kalk und Marmorsand. Wenn der Kalk
mager ist, nimmt man 2 Teile Kalk und 1 Teil Marmor; ist er
fett, die Teile gleich. Ist dieser Auftrag, welcher die erste Stuck-
schicht bildet, fast trocken, dann bedeckt man denselben mit einer
Lage von Stuck, bestehend aus 1 Teil Marmormehl, welches durch
ein feines Sieb gegangen, und 2 Teilen Kalk. Will man einen
weissen Grund, so breitet man mittelst einer flachen eisernen Kelle
in Form eines verlängerten Dreieckes reinen Kalk auf die letzte
Stuckschicht aus. Handelt es sich aber um einen Farbenton oder
gefärbten Marmor, so muss die Färbung vorher dem Marmorstaub
und Kalk, welche die zweite Lage bildet, gegeben werden. Dann
überstreicht man den Grund mit Farbe, die sehr flüssig in Seifen-
wasser und Kalk gerieben wurde, zwei- oder dreimal. Auf diesem
so gefärbten oder weiss gelassenen Stuck malt man mit dem
Pinsel, oder nach der Natur des Marmors mit dem Schwamm, die
Aederung oder Lokaltöne, Ornamente, Figuren etc., welche die
Dekoration bilden sollen. Ist das Gemalte fertig, so lässt man es
so lange trocknen, bis die Farbe durch Reiben nicht abgeht. Dann
nimmt man eine kleine Eisenkelle, ähnlich geformt wie die vorige,
nur mit abgerundetem Rücken, erwärmt dieselbe, doch nicht so
stark, dass die Farben verbrennen, und reibt mit ziemlich starkem
Druck über die Oberfläche der ‘Wandbekleidung. Dann bedeckt
man diesen bereits glänzenden Stuck einigemal mit einer Mischung
von 3 l l-i Unzen Wachs in 6 Unzen Seife, welche am Feuer in
etwas Wasser gekocht werden, und vermischt dies dann mit zwei
Flaschen siedenden Wassers; dann fährt man schnell mit der ab-
gerundeten Kelle, aber kalt, darüber hin. Die Farben bekommen
durch diese Lage von Wachs und Seife eine grosse Festigkeit und
der Stuck einen schönen Glanz, welcher durch Frottieren mit
einem in Form eines Zylinders gerollten Stück Leinenstückes (laine)
noch brillanter gemacht wird. Dieses Frottieren kann man nach
Bedarf erneuern, um den Glanz und die Reinheit zu unterhalten.
Güttgetreu. o 3^ Gottgetreu findet sich diese Anweisung für Stucco lustro: 7 )

„Die Masse besteht aus einer Mischung von gutem, fetten Weiss-
kalk und Marmor — oder Alabaster — oder feinem Gipsstaub im
Verhältnis von 1:2; sie wird mit irgend einer Farbe, die den
Grundton des zu imitierenden Marmors haben soll, gleichmässig ge-
färbt und auf einen Unterputz von rauhem Luftmörtel einige Linien
stark aufgetragen, geebnet und mit einem Reibebett, das mit
weissem Filz überzogen ist, abgerieben (ebenso wie man den ge-
wöhnlichen Kalkputz anfertigt). Hierauf wird mit einer flachen
Polierkelle die Oberfläche des Stuckes glatt geschliffen, was grosse
Vorsicht erheischt.

Aederungen und Flecken werden mit dem Pinsel auf den noch
nassen Untergrund aufgemalt, die Farben werden mit Kalkwasser
und verdünnter Stuckmasse, wozu wohl noch chsengalle bei-
gemischt wird, zugerichtet. Werden verschiedene Farben zum

~) Vgl. Gottgetreu. Physische und ehem. Beschaffenheit der Baumaterialien
Berlin 1875, Bd. 1, p. 311. Die Angaben finden sich wörtlich wiedergegeben im Hand-
buch d. ehem. Technologie v. Bolley VI. B. d. ersten Gruppe, IL Abt., bearbeitet v.
G. Fe ich tinger, Die chemische Technologie d. Mörtelmaterialien. Braunschweig 1885,
p. 412,

_ 109 —

Malen verwendet, vermeide! man es. sie doppelt übereinander auf-
zutragen, so dass sie unmittelbar auf der reinen nassen Wand

stehen.

Sind die aufgemalten Farben eingesogen und lassen sie sich mit
dem Finger nicht sofort verwischen, so streicht man sie mit der
Polierkelle behutsam ein und überzieht die ganze Wand mit der
unten angegebenen Politur. Nun erfolgt das Streichen mit der
Polierkelle in gleichmässigen, nebeneinander sich anreihenden Strichen
und dies wird so lange fortgesetzt, bis der genügende Politurglanz
hervortritt. Zu dieser Manipulation ist grosse Uebung erforderlich,
und je sorgfältiger die Arbeit des Streichens geschieht, desto
schöner wird die Politur. Die Politur zum Stuccolustro wird
hergestellt: 2 Quart Flusswasser werden zum scharfen Sieden ge-
bracht und dazu 6 — 8 Lot klein geschnittenes Wachs und 2 Lot
gepulvertes weinsteinsaures Ammoniak (Sal tartari) eingemischt;
ist beides im siedenden Wasser zergangen, bringt man 6 Lot ge-
schnittene Seife dazu und bildet so eine rahmartige Flüssigkeit.
Ist der Stuccolustro stumpf geworden, rührt man 4 Lot Wachs
in 1 Lot Sal tartari tüchtig zusammen, indem man ein wenig
Wasser dazu giesst und die ganze Masse so lange schlägt, bis sie
schmalzartig wird, überstreicht ihn damit, um ihm durch Reiben
mit wollenen Lappen den Politurglanz wieder zu geben; auf die-
selbe Weise lassen sich auch Stuckmarmor und selbst wirklicher
Marmor behandeln.»
Zwischen diesen beiden Angaben ist der erhebliche Unterschied zu ver-
zeichnen, dass das Mailänder Rezept heisse Glättung und Verrühren der
Farben mit Seifenwasser -4- Kalk, Gottgetreu dagegen kalte Glättung
und Anreiben der Farben mit „Stuckmasse u , deren Zusammensetzung nicht
angegeben ist, vielleicht noch mit Zusatz von Ochsengalle, vorschreibt.
Beiden gemeinsam ist die Schlusspolitur, welche nichts anderes ist als eine
Mischung von verseiftem Oel und Wachs (Olivenöl -f- punisches Wachs).

3. Anweisung für Stucco lustro von dem Italiener Detoma, welchen Hetoma.
Baumeister Lohse nach Berlin hatte kommen lassen. 8 )

„Der Grund wird auf der reinen Mauer zunächst mit gewöhn-
lichem Kalkmörtel angefertigt, welcher aber nur rauh aufgetragen,
nicht abgerieben werden darf. Der Stuccolustro- Arbeiter macht
zunächst auf diesem vom Maurer angefertigten Untergrunde eine
Unterlage von venetianischem, mit Marmorstaub gemischtem Kalk.
Es kommt besonders darauf an , dass der Untergrund , bevor
man den genannten venetianischen Kalk aufträgt, gehörig nass
gemacht wird, jedoch nicht mehr, als die lokalen Verhältnisse
es bedingen, und hiergegen wird durch ungeübte Arbeiter am
meisten gefehlt. Auf diese erste Unterlage kommt eine zweite
von demselben Kalk, aber mit feinerem Marmorstaub, und über
diese eine dritte Lage mit noch feinerem Marmorstaub gemischt.
Nachdem auf diese Weise die drei Lagen übereinander gelegt wor-
den, kommt der Maler, welcher die Farben aufträgt, um die ver-
schiedenen Marmorierungen nachzuahmen. Ist dies geschehen, so
wird mit heissen Kellen die ganze Fläche geglättet, wodurch eine
hochglänzende Politur erreicht wird. Ist die Fläche trocken, so
wird sie mit Terpentinwachs aufpoliert. Der so fertige Stucco
lustro ist ausserordentlich fest, die Farben sind echt, da sie fresken-
artig in den feuchten Kalk eingebrannt sind, und es lassen sich
die ganzen Flächen mit einem Schwamm abwaschen.»

8 ) S. F. Fink, Der Tüneher, Stubeomaler, Stuckateur und Gipser. Praktisches
Hand- und Hilfsbuch für obengenannte Gewerbe, für Architekten und Bauhandwerker,
sowie für Bau- und Gewerbeschulen. Berlin 1866, p. 171.

— 110

Völlige Gleich-
heit der Vor-
arbeiten und
der Sohluss-
politur.

Marmorin o-

Roz.

Einige Unklarheiten in der obigen Anweisung müssen hier gleich be-
richtigt werden, denn 1. ist es nicht ersichtlich, was unter venetianischem
Kalk zu verstehen ist, 2. mit was für Bindemittel die Farben angemischt
werden, um die Marmorierungen nachzuahmen; auch muss 3. unter Marmor-
staub jedenfalls Marmorsand verschiedener Stärke verstanden werden.

Aus allen diesen Angaben ist vor allem die Uebereinstimmung mit
Vitruv’s Tectorium ersichtlich, und wenn auch nicht immer alle 6 Schichten
vorgeschrieben werden (Plinius fordert nur 5 Schichten), so ist doch das
System der Aufeinanderfolge ganz das nämliche. Die Vorarbeiten des
Wandverputzes der Alten und die Vorarbeit für Stuccolustro sind
vollkommen gleich, ebenso das darauffolgende Glätten und die
erzielte glänzendglatte Oberfläche! Variationen in der Glättungs-
methode (mit heissen Eisen oder abwechselnd zuerst mit kalten, dann mit heissen)
mögen in verschiedenen Gegenden gebräuchlich gewesen sein, ebenso die Ver-
schiedenheit der Schlusspolitur (punisohes Wachs oder Terpentinwachs). Aber
charakteristisch ist der letzte Ueberzug mit Wachs beim Stucco
lustro, und übereinstimmend damit das Ganosis- Verfahren beim
antiken Tectorium, mithin sind Vorarbeiten und Schlussarbeiten beider
Verfahren vollkommen gleich. Der Schluss ist demnach naheliegend, dass
auch die zwischenliegenden Arbeiten des Malens, wenn auch nicht gleich, so
doch sehr ähnlich gewesen sein können; und da wir aus den alten
Schriften darüber gar keine Nachricht haben, so bietet uns wenigstens die
Stuccolustro-Technik einen Anhalt für die vorzunehmenden Versuche.

4. Der Vorrat an Stuccolustro-Rezepten ist aber mit den obigen dreien
noch nicht erschöpft. Ich lasse hier ein besonders interessantes 4. folgen,
das ich unter der Bezeichnung

Marmorino oder v e n e t i a n i s c h e Mar m ortünche
bei Fink (p. 164) abgedruckt finde u ):

„Für Fagaden und für das Innere von Gebäuden wenden die
Venezianer einen dem Marmor ähnlichen, sehr dauerhaften Verputz
an, welchen man „intonaco a marmorino» oder auch bloss „mar-
morino» nennt. Die Herstellung dieser Marmortünche geschieht
folgendermassen. Zunächst wird das rohe Mauerwerk mit einem
Mörtel beworfen, welcher aus Kalk und Ziegelmehl bereitet
wurde. Man gleicht den Bewurf mit der Kelle aus und macht mit
ihr im Bewurf kreuzweise oder wellenförmige Einritzungen, die zum
besseren Halt des folgenden Anwurfs dienen. Der zweite Bewurf
wird aufgetragen, w r enn der erstere vollständig trocken ist, und
besteht aus einem Mörtel, welcher aus Kalk und feinem Sande
bereitet wurde. Dieser Anwurf wird nur so dick aufgetragen, als
erforderlich ist, um die Unebenheiten des ersten Bewurfs aus-
zugleichen; er wird mit Richtscheit und Reibbrett vollkommen ge-
ebnet und glatt gerieben. Wenn dieser zweite Bewurf noch nicht
ganz trocken ist, trägt man die letzte Schicht, welche aus dem
Marmormörtel besteht, auf. Man bereitet diesen Mörtel aus bestem
weissem Kalk und Mar morpulver. — Bei der Bereitung dieses
und der zwei vorher angewandten Verputzmörtel verfährt man in
der Weise, dass man das Ziegelmehl, den Sand oder den Marmor-
staub trocken aufschichtet, darein oben eine Vertiefung macht,
hierein die Portion ungelöschten Kalks bringt, dieselbe hier ab-
löscht und sodann mit dem umgebenden Zusatzmaterial mischt und
sofort zu Mörtel verarbeitet. — Die letzte Schicht wird nur eine
Linie stark aufgetragen, und wenn sie zu trocknen begiunt, aber
noch dehnbar ist, mit einer stählernen, an den Ecken ab-

9 ) S. Fink p. 164. Es sei hier auch erwähnt, dass die Kustoden in Pompeji
den antiken Bewurf auch „marmorino» nennen, weil er dem Marmor ähnlich ist!

111

gerundeten Polierkollo geglättet, während man die Fläche
mit dünnem Seifenwasser annetzt.

Wenn ein höherer Glanz verlangt wird, lässt man den Verputz
nach dem Folieren mit der Kelle gut austrocknen und poliert
dann nochmals mit erwärmten Eisen; dieselben haben die Form
einer kleinen Kelle, sind ca. 5 Zoll lang, 2 Zoll breit und ] / 3 Zoll
dick und werden über Kohlenfeuer erwärmt. Dieses Verfahren
wird vorzugsweise bei inneren Verputzarbeiten angewendet, sowie
dann, wenn der polierte Marmorin mit Oelfarben bemalt werden
soll. Die bemalten Wände erhalten in der Regel einen sehr dünnen
Ueberzug von Kopallack oder von Wachsfirnis, womit entweder
nur die Malereien oder auch die ganzen Flächen überzogen werden.
Will man einen farbigen Marmor imitieren oder Marmorquader
von verschiedenen Farben nachahmen, so geschieht dies durch
Aufmalen auf die letzte Schicht, bevor dieselbe getrocknet und ge-
glättet ist. Der Erfolg dieser Arbeit hängt natürlich von der Ge-
schicklichkeit des Arbeiters in der Nachahmung farbiger Marmore
ab. — Weisser Marmorin wird auch vielfach mit Fresko-Malereien
versehen, welche auf den noch feuchten letzten Marmorputz auf-
getragen werden, und wobei dann das Polieren des Wrputzes
unterbleibt.

Wenn an den polierten Marmorinwänden der Glanz mit der
Zeit verschwindet, überzieht man sie entweder mit Kopallack oder
mit flüssigem Wachsfirnis. Bei Oelmalereien wendet man Kopalfirnis,
bei Fresko-Malereien und weissen Wänden aber Wachsfirnis an.»
Auf den ersten Blick hat dieses merkwürdige Marmorino- Verfahren
wenig Aehnlichkeit mit der antiken Art, insbesondere ist die Verquickung
mit der Oelmalerei wenig „antik». Aber wir haben es hier mit einem Aus-
läufer jüngeren Datums zu tun, und selbst die Ursprungstechnik erscheint
offenbar auch den lokalen Bedürfnissen gemäss Veränderungen unterworfen.
Wie alt dieses Rezept ist und in welchem Zusammenhang es mit Venedig
steht, entzieht sich unserem Urteil. Fink hat es vermutlich aus einem ähnlichen
Buch älteren Datums entnommen; wir wollen aber versuchen, die inneren
Widersprüche des Rezeptes soviel als möglich aufzuklären.

Die Reihenfolge der Anwürfe ist von Vitruv’s Tectorium nicht ver-
schieden, nur das zuerst angewendete Material, das Ziegelmehl, und der
zu allen Bewürfen geforderte ungelöschte Kalk. Bedenkt man aber, dass
ganz Venedig auf den Lagunen gebaut ist, alle Mauern auf durchfeuchtetem
Grund stehen und nichts für Marmorstuck gefährlicher ist als die von unten
aufsteigende Nässe, so wird es einleuchten, dass das Material von vorne-
herein so gewählt werden musste, dass es diesen Uebelständen entgegenwirkte.
Dazu ist das Ziegelmehl als besonders geeignet schon von Vitruv selbst er-
wähnt. Im 4. Kap. des VII. Buches handelt er davon, wie der Verputz
an feuchten Stellen hergestellt werden soll, und schreibt dabei vor, an Stelle
von Sand gestossene Tonscherben zur ersten Schicht oder, wenn die Mauer
durch Luftkanäle unterbrochen ist, einen Mörtel aus Ziegelmehl zu nehmen.
Das Marmorino-Rezept widerspricht also nicht, im Gegenteil es steht mit
Vitruv’s Angaben im vollsten Einklang. Damit ist aber auch der Umstand
erwiesen , dass das antike Tectorium je nach den örtlichen Verhältnissen
variabel war und im Material den vorhandenen Bedürfnissen angepasst werden
konnte. Dies wird noch deutlicher durch die Anwendung des ungelöschten
Kalkes zum Marmormörtel; die zementartige Eigenschaft der Puzzolane der
campanischen Städte sowie des römischen Mörtels sehen wir hier ersetzt
durch den ungelöschten Kalk, der ebenfalls zementartig wirken kann. 10 )

Verwendung
vonZiegelmelil
u. ungelösch-
tem Kalk.

Machweis bei
Vitruv,

10 ) Ueber die Zumischung von ungelöschten Kalk rinden sich bei Gottgetreu
p. 213 folgende interessante Notizen:

„Schon in der Mitte des vorigen (XVIII.) Jahrhunderts bat der Loriot’scbe
Mörtel viel von sich reden gemacht, und wird derselbe nach Gilly folgendermassen

112

Decarlini’s
Verfahren.

Auftrag der
Schichten.

Und wenn meine bezüglichen Versuche mich nicht täuschen , bietet der mit
ungelöschtem Kalk angemachte Mörtel grösseren Widerstand gegen das Ein-
dringen von Feuchtigkeit als der gewöhnliche mit gelöschtem Kalk. 11 )

Befremdend ist allein das Uebermalen des geglätteten Marmoririo mit —
Oelfarben zu nennen; doch ist hierbei zu bedenken, dass jede Technik in
den Jahrhunderten ihres Bestehens auch die technischen Neuerungen der
Zeit für ihre Zwecke ausnützt, und da wir wissen, dass in den römischen
Zeiten Marmorstuck mit Eitempera bemalt worden ist (Plin. XXXV, 45),
so steht nichts im Wege , dass nach der allgemeinen Einführung der Oel-
technik auch geglätteter Stuck mit Oelfarben habe bemalt werden können. Ge-
nau so sehen wir im 3. Stuccolustro- Rezept des Detoma an die Stelle des
verseiften und wassermischbaren Wachses das spätere in Terpentin gelöste
Wachs treten. Und wohl das gleiche Terpentinwachs ist unter dem „Wachs-
firnis» des Marmorino-Rezeptes zu verstehen , mit welchem die „Fresko-
Malereien» zum Schluss überzogen werden sollen, u. zw. mit der offenbaren
Absicht, diese Malereien mit den unbemalten Teilen des glänzenden Mar-
morino in Einklang zu bringen.

5. Mit dem Mailänder Stuck- Verfahren hat das Detoma’sche viel Aehn-
lichkeit, wenn angenommen wird, dass als Bindemittel für die Malfarben
gelöste Seife (in Mischung mit Kalkmilch) diente , ein Umstand, den Detoma
schlauerweise verschwieg. Und als Mischung beider Verfahren kann das
Verfahren des Italieners Decarlini angesehen werden, das bei der Aus-
schmückung einer Loggia in München unter meiner Aufsicht und nach meinen
Zeichnungen angewendet wurde (s. Abschnitt „meine Versuche»).
Es ist das folgende:

Die Bereitung des Untergrundes geschieht in fast gleicher
Ordnung, wie bei dem von Vitruv beschriebenen Tectorium, u. zw.
wird auf der vollkommen ausgetrockneten Backstein-Mauer zuerst
eine ganz rohe Berappung aufgetragen und diese gut trocknen
gelassen. Es ist selbstverständlich, dass alle Bedingungen für
ein gesundes Mauerwerk auch hier gegeben sein müssen, denn
der Mauersalpeter ist der ärgste Feind des Stuccolustro.

hergestellt: Man mischt 2 Volumina durchgesiebtes Ziegelmehl, 2 Volumina eines
Gemenges von feinem Sand mit so viel abgelöschtem Kalk in hinreichender Menge,
um mit den beiden ersten Ingredienzien und dem Wasser in der Grube einen Mörtel
von gewöhnlicher Konsistenz zu erhalten, welche hinreichend Feuchtigkeit besitzt,
um den hierauf zuzusetzenden ungelöschten Kalk genau zu sättigen. Dieser le-
bendige Kalk, welcher frisch bereitet und vollkommen durchgebrannt sein muss, wird
zuerst für sich fein gepulvert und hierauf in dem Verhältnis wie das Ziegelmehl zu-
gesetzt; ist er nicht ganz frisch, so muss mehr davon genommen werden.

Nach einer anderen Vorschrift besteht der Loriot’sche Mörtel aus 2 Teilen Kalk,
2 T. Ziegelmehl und 3 T. Sand, oder aus 2 T. Kalk, 3 T. Ziegelmehl, 3 T. Sand, und
wird diesen Mischungen 2 T. gepulverter, ungelöschter Kalk beigemengt.

Robert Smirke hat in ähnlicher Weise in England den frisch gebrannten ge-
pulverten Kalk als Beigabe zum Kalk warm empfohlen; er verwendete gepulverten
ungelöschten Kalk, der trocken mit Sand und Gruss innig vermengt wurde: erst nach-
dem dies geschehen, wird Wasser hinzugefügt und das Ganze so rasch als möglich
verarbeitet. Das Gemisch erhitzt sich massig während des Löschens des Kalkes und
beginnt so rasch anzuziehen, dass, wenn nur die Masse gehörig geebnet ist, man sie
zur Fundation selbst der bedeutendsten Gebäude sofort benützen kann.

Vor einigen Jahren hat Dr. Artus mit ähnlichen Mörteln manipuliert und, wie
die Berichte besagen, ganz vorzügliche Resultate erzielt; nach diesen wurde 1 T. gut
gelöschter Kalk mit 3 T. Sand sorgfältig gemischt und dem Gemenge unmittelbar
vor dem Gebrauche 3 /4 T. ganz fein zerteilter, ungelöschter Kalk zugesetzt und
sodann das Ganze gut durcheinander gearbeitet. Der so zubereitete, zu einer Fun-
dationsmauer verwendete Mörtel war nach 4 Tagen bereits zu einer festen Masse
erstarrt, so dass ein spitzes Eisen nicht mehr hineingedrückt werden konnte; auch
haftete derselbe mit gleicher Festigkeit an den Steinen des Mauerwerks, nach 2 Mo-
naten hatte er Steinhärte erlangt.»

Vgl. auch Muspratt II, p. 393 und das Kapitel: Meine Versuche.

n ) Bei zwei Proben von Stuckmalerei, in eine Lösung von Salpeter gelegt, so
dass die Flüssigkeit von unten eindringen konnte, hat sich ergeben, dass die mit un-
gelöschtem Kalk bereitete intakt geblieben ist, während die andere ganz zerstört wurde.

— 113 —

Die erste Schicht, bestehend aus nioht zu reinem SandmÖrtel
(gewaschener Sand mit altgelösohtem Kalk im üblichen Verhältnis
eines guten Mörtels) wird in einer Stärke von l J / 2 — 2 cm mittels
eines Reibebrettes angetragen ; dieses Reibebrett ist gegen 1 Meter
lang und etwa 12 cm breit, aus hartem Holz gefertigt; gleich-
zeitig ist darauf zu achten, dass diese erste Schicht mi» Hilfe
des Winkels und des Richtscheits abgearbeitet werde. Auf diesem
Grunde wird gleich die Einteilung der Flächen gemacht, wie es
die Zeichnung bedingt, so dass die weiteren mit Farben zu
mischenden Lagen an ihre richtige Stelle kommen.

Die zweite Schicht wird mit gleichmässig gestossenem und
gesiebtem Marmorsand nebst altgelöschtem Kalk und der gewünschten
Grundfarbe (sei es schwarz, gelb, rot, grau u. s. w. oder für weiss
ohne Farbenzusatz) angerührt, in der Dicke von ! / 3 cm mit dem
gleichen Reibebrett über die erste Schicht gelegt, sobald diese
gut angezogen hat. Es folgt dann die dritte Schicht aus
gefärbtem oder mit Kalk angemischtem Marmorstuck , welcher
durch ein feineres Sieb gereitert oder direkt mit einer entsprechenden
Menge von feinem Marmormehl anzumachen ist. Die letzte
(dritte) Schicht wird so dünn als möglich (etwa 1—2 Millimeter)
aufgezogen und, wenn sie etwas getrocknet ist, mit der Kante
einer kleinen stählernen Kelle von dreieckiger Form geglättet.
Diese drei Lagen sind an einem Tage herzustellen und zwar in der
Ausdehnung, wie man glaubt in etwa zwei Tagen mit dem ganzen
Teilstück fertig zu werden, wobei noch darauf Rücksicht zu nehmen
ist, dass die Grenzen passend aneinander gefügt werden können.
An heissen Sommertagen versäume man nicht, die Flächen öfters
von oben herab zu befeuchten, indem man mit dem nassen Schwamm
reines Wasser gegen die Wandfläche hinschleudert und ablaufen
lässt; auch vermeide man durch Schliessen der Fenster und Türen
zur Nachtzeit ein zu schnelles Austrocknen der vorgerichteten Flächen.

Damit wäre der erste Teil der Arbeit erledigt, es folgt jetzt der
zweite und wichtigste, die Aufmalung der Grundfarbe und aller
gewünschten Details mittels der Stuccolustro-Farbe. Diese be-
steht in der Hauptsache aus einer innigen Mischung von alt-
gelöschtem Kalk und in Wasser gelöster venetianischer Seife und ist
von ziemlich dicker Konsistenz. Man reibt dem gelöschten Kalk so
lange Seife hinzu, bis die Mischung einen deutlich bemerkbaren
Laugengeruch angenommen hat; ausserdem muss sie einige
Zeit vorher zubereitet und stets feucht aufbewahrt werden:
zwischen den Fingern zerrieben muss sie schlüpfrig anzufühlen
sein. Mit diesem Stuccolustro-Kalk sind alle Farben vorher
gut anzurühren und reichlich mit Wasser vermischt durch ein
äusserst feines Drahtsieb zu treiben. Dieses Sieb spielt bei den
Farben eine grosse Rolle, denn alle Farben müssen „fein» sein,
eine Hauptbedingung für das Gelingen der Malerei.

Als Pigmente sind naturgemäss ausschliesslich die kalkechten,
für Fresko geeigneten Ocker- und Erdfarben Ultramarin u. s. w.
zu wählen; alle anderen verschwinden, sie „gehen in die Luft»
(vanno nell’ aria), wie der Italiener sagt.

Nachdem die letzte, entweder weisse oder mit Farben angemachte
Stucklage etwas getrocknet ist, wird die ganze Fläche mit Stucco-
lustro-Farben, die in der oben gezeigten Art angemacht sind, mittels
breiter, aber sehr weicher Haarpinsel in mehreren Lagen gleich-
massig übergangen, wenn die Fläche einfarbig sein soll, oder es
werden alle Details der Ornamente, Marmorierungen, Linien u. s. w.
aufgemalt. Sobald diese Bemalung sich eingesogen hat (matt ge-
worden), kann mit dem Bügeln begonnen werden.

In der Masse

gefärbteStuck-

sohichten.

Autmalung

der
Grundfarbe.

114 —

Handwerks-
zeug.

Glätten mit
dem Bügel-
eisen.

Hiezu dient das Stuocolustro-Eisen (s. Abbild. 15), mit dem
Ofen das unentbehrlichste Handwerkszeug für diese Technik.
Es besteht aus einem massiven Eisenstück , dem ein- dünneres
Stahlstück aufgeschweisst ist (2 ctm stark, ca. 15 ctm lang),
dessen untere auf’s feinste polierte Fläche gegen 3 — 5 ctm breit
ist; am doppelt gebogenen Knieeisen ist eine hölzerne Handhabe be-
festigt. Ein kleiner Dorn auf der nicht polierten oberen Seite
dient einem Holzstück als Halt, mit welchem die Führung und
ein gewisser Druck auf die Wandfläche ausgeübt werden kann.

Der Ofen (s. Abbild. 16), in welchem diese Eisen, deren mindestens
zwei zum Wechseln nötig sind, erwärmt werden, hat eine gewisse
Aehnlichkeit mit den Oefen, die italienische Kastanienbrater meist
benutzen, nur werden die Eisen direkt in die glühende Kohle ge-
legt. Zur Heizung dienen Holzkohlen.

Ist die Farbenschicht in den Stuck eingesogen , so fährt der
Arbeiter mit dem heissgemachten (reinen) Bügeleisen erst langsam
und die gleiche Stelle so lange übergehend hin und her, bis sich
ein leichter Glanz der Fläche zeigt. Die Hitze des Eisens sei
nicht allzugross, aber immerhin so stark, dass bei dem anfänglichen

Abbild. 15. Stuccolustro-Bisen mit der Holzführung.

Bügeln ein leichtes Zischen vernehmbar ist, wie wenn ein Wasser-
tropfen auf eine heisse Fläche fällt. Ist die Lage leicht gebügelt,
dann werden alle weiteren Details des Ornaments, die Aederungen
oder was immer, mit den angeführten Farben abermals übergangen,
denn durch das Bügeln wird die Farbe satter, aber auch durch-
sichtiger. Hier sei eingefügt, dass bei einfarbigen Flächen eine
vollkommene Gleichmässigkeit schwer zu erzielen und es besser ist,
die Masse vorher gefärbt aufzutragen, wie sie nachher sein
soll; in diesem Falle wird die Fläche mehrmals mit in warmem
Wasser gelöster Venezian. Seife überstrichen.

Bei fortgesetztem Bügeln steigert sich der Glanz bis zum Spiegeln,
die Oberfläche bekommt einen glasartigen, festen Charakter und die
Eigenschaft, gegen Wasser unempfindlich zu sein.

Da die Stuccolustro-Masse als einziges zur Verwendung stehendes
Weiss nur wenig deckt, sind die HauptefTekte mittels Lasurfarben
zu erzielen; nur auf dunklerem farbigem Grund, etwa dunkelrot
oder Schwarz, kommt Weiss zur richtigen Wirkung. Durch das

– 115 —

Ilineinbügoln der verschiedenen Farbenlagen in den Grund erscheint
dann die ganze Malerei wie auf einmal aufgetragen und mit-
einander verschmolzen. Die Farben werden im allgemeinen nach
dem völligen Auftrocknen des Bewurfes (in etwa 2 — 3 Wochen)
etwas heller, gewinnen aber später durch die letzte Politur wieder
an Tiefe.

Ist die Malerei fertig geglättet, was je nach der Witterung und
der Dicke des Marmorstucks in zwei aufeinanderfolgenden Tagen
bewerkstelligt werden muss, so wird dann womöglich an einer
günstigen geraden Kontur das Ueberstehende abgescharrt, um
für die daranstossende Fläche wieder die gleiche Reihenfolge von
frischen Bewürfen anlegen zu können.

Abbild. 16. Stuccolustro-Ofen.

Die ganze Dekoration wird auf die geschilderte Weise Stück
für Stück fertigt gestellt; es folgt nach dem vollständigen Trocknen,
in 4 — 5 Wochen, eine leichte Waschung mit Wasser, um den Staub
zu entfernen, und endlich die letzte Politur, von in Terpentinöl
gelöstem gelben oder weissen Wachs , dem noch ganz wenig
Leinöl beizumischen ist; mit reinen Leinenlappen wird dann
abpoliert. (Vor der letzten Politur geben einige noch eine Schicht
von zur Hälfte mit Terpentin verdünntem Leinöl und verreiben
dieses gut mit Leinenlappen.)

In allen den obigen verschiedenen Rezepten sind zwei Dinge für
uns von massgebender Bedeutung, nämlich 1. die Anwendung der Venetianer

B*

Schluss-
politur.

116 —

Venetianer
Seife.

Oel-Kalk-Kitt
des Vitruv.

Angeblich

griechisches

Stucco-

Kezept.

Seife als Mittel zur Glättung des Tectoriums 12 ), 2. die Anwendung heisser
Glätteisen zur Erzielung von Glätte und Glanz.

Venetianer Seife ist nichts anderes als durch Natronlauge verseiftes
Olivenöl, also eine sog. harte Seife. Wie bei allen Seifen entsteht durch
Mischung mit Kalk eine in Wasser unlösliche Verbindung (fettsaurer Kalk
oder Kalkseife), und zwar wird wie bei vielen chemischen Verbindungen dieser
Prozess durch Mithilfe von Wärme befördert. Mischt man Kalkmilch mit
gelöster Venetianer Seife, dann grieselt die Mischung im ersten Augenblick
und wird flockig, aber nach kurzem guten Verrühren wird sie geschmeidig
und glatt „fliessend», wie die Maler sagen. Als Bindemittel mit Farben
vermischt lässt sich diese Seifen-Kalk-Mischung (Siucco-lustro- Masse) auf
feuchten Grund wohl auftragen, aber auf beinahe getrockneter Oberfläche
bekommt sie nur dann genügenden Zusammenhang, wenn man mit heissen
Eisen die Farben überstreicht, also gleichsam einbrennt. In dem Kapitel der
Versuche wird noch näher davon gehandelt werden ; hier haben wir uns zu-
nächst die Frage zu stellen: Ist die Mischung von Oel (Olivenöl) mit
Kalk im Altertum bekannt gewesen, und zu Bauzwecken ver-
wendet worden?

In der Tat finden wir diese Mischung im Altertum und noch später,
unter dem Namen maltha (s. m. Beitr. III, p. 25), in Verwendung.

Vitruv (VII 1, 6) handelt davon in dem Abschnitt von der Bereitung
des Estrichs und führt als Mittel zu dessen Festigung die Sättigung des
Mörtels mit Oelhefe an: „Damit aber der Mörtel zwischen den Fugen
nicht unter dem Frost leide, sättige man ihn jährlich vor dem Winter mit
Oelhefe; so wird er den Winterreif nicht in sich eindringen lassen.»
Die Festigkeit des Oel-Kalk-Kittes wird gleich darauf erwähnt, da in be-
sonderen Fällen als Zwischenlage noch eine Reihe von Deckziegeln ge-
legt wird: _„ Nachdem man diese zusammengefügt, streicht man sie mit
Kalk, der in Oel angerieben ist (calce ex oleo subacta), aus und schleift
die aneinandergepressten Fugen zusammen. So wird der Kalk, welcher
in den Rinnen lagert, erhärtend und fest werdend weder Wasser noch etwas
anderes durch die Fugen durchdringen lassen.» 13 )

Hier haben wir demnach das antike Zeugnis Vitruvs für die Kenntnis
und den Gebrauch der Oel-Kalk-Verbindung und deren festigende Wirkung
auf den Mörtel. Ein marmoratum genannter Kitt bestand nach dem römi-
schen Historiker Flavius Vopiscus (um 300 nach Oh.) aus Kalk und Marmor-
staub, mit Wasser und Eiweiss oder noch besser mit Leinöl gemengt, und
wurde als Zement für Mosaikarbeit benützt. u ) Da wir also das Oel in direkter
Vermischung mit Kalk bei den alten Römern verwendet sehen, so wird uns
das folgende beinahe phantastisch erscheinende Verfahren nicht so sehr in
Erstaunen setzen.

In dem Buch der Fr esko maierei (Anonym, Heilbronn 1846) p. 122
linden sich die folgenden Anaraben :

12 ) Dieselbe Erfahrung hat der als Freskomaler sehr erfahrene Joh. Ant.
Gegen bau er (f 1876) in Stuttgart gemacht und darin das Verfahren der Alten ver-
mutet; den aus feinstem Marmormörtel bestehenden Grund habe man mit einer Wasser-
farbe angestrichen, dann mit Seifenwasser angespritzt und endlich mit einem heissen
Bügeleisen getrocknet. Ueber das Bindemittel der Temperafarben war Gegenbauer
aber sowohl wie alle Anderen, die nicht ausschliesslich Freskotechnik annehmen,
ganz im Unsicheren. (Vgl. Herrn. Riegel, die bildenden Künste, IV». Aufl. Frank-
furt a. M. 1895, p. 212.)

13 ) Vitr. VTI 1, 6: . . uti autem inter coagmenta materies ab gelicidiis ne laboret,
fracibus quotannis ante hiemem saturetur. ita non patietur in se recipere gelicidii
pruinam.

Vitr. VII 1, 7: Quibus iunctis impleantur calce ex oleo subacta coufri-
centurque inter se coagmenta compressa. ita calx quae erit haeiens in caualibus
durescendo contexteque solidescendo non patietur aquam neque aliam rem per coag-
menta transire.

u ) Vgl. Haas, Ueber Mosaikmalerei. Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission
zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, Wien 1859, p. 173 ff.

— 117 — –

„Eine andere bis jetzt noch unbekannte Malart wurde von einem
grossen deutschen Maler (Namen werden in dem Buche grund-
sätzlich verschwiegen!) aus Griechenland mitgebracht. Nach alten
Malereien , die er in Ruinen fand und die ihm mit eigentümlicher
Technik gemalt schienen, suchte er jene Technik aufzufinden, und
es gelang ihm wirklich , ein Manuskript zu entdecken , welches
diese Malart erwähnt. Sobald der wie zum Freskomalen zubereitete
Mauergrund angeworfen und geglättet ist , wird der nasse Putz
sogleich mit Leinöl überstrichen, und dieses Ueber streichen
so lange wiederholt, bis der Putz kein Oel mehr schluckt.
Alsdann werden mit gewöhnlicher Wasserfarbe, ohne irgend ein
Bindemittel, die Farbentöne aufgetragen, und sodann der Trocknung
überlassen; hernach reibt man sie einige Tage nachher mit. wollenen
Lappen ab, worauf die Farbe f ostsitzt und Spiegelglanz an-
nimmt.

Dieses Verfahren, so sonderbar es auch ist, schien uns merk-
würdig genug, um es zu versuchen, und wir erlangten folgende Re-
sultate und machten ebenfalls folgende Bemerkungen : Kalkweiss
kann in dieser Malerei nicht angewendet werden (?), Bleiweiss
wird in Bälde der Zeit schwarz; mit einem zu diesem Zwecke
jedoch eigens präparierten Weiss erhielten wir die besten Resultate,
weshalb hier unsere Bereitungsart, beigesetzt wird (folgt die
Bereitung von Zinnweiss).

Der Mauerputz , aut welchen die Malerei kommen soll , muss
sehr fein geglättet sein , und es darf in der Mauer kein Gedanke
von Gips enthalten sein. Ferner muss die Mauer, sobald das
Glätten vollendet ist, mit Oel überstrichen, und dieses nicht eher
ausgesetzt werden, als bis sie nichts mehr schluckt.

Sind diese Bedingungen erfüllt, so kann man willkürlich malen.
Dann kommt aber das wichtigste, nämlich das Abreiben. Fängt
man zu früh damit an , so geht die Farbe auch ab ; reibt man
zu spät, dann nimmt sie keinen eigentlichen Spiegelglanz mehr an;
auch müssen die Ockerfarben und das Ultramarin früher gerieben
werden als die roten.

Nach solchen eigenen Erfahrungen glauben wir , dass sich
diese Malerei wohl zu ornamentalen Zwecken, zu grossen glänzenden
und nicht vielfarbigen Ausschmückungen von Gebäuden, schwerlich
aber zu Figuren eignen würden. Uebrigens muss hier noch
immer der Ansatz wie beim Freskomalen beibehalten werden. 1 * 1V )

Diesen Angaben sei gleich hinzugefügt, dass mir bisher nur sehr
unvollkommene Erfolge in diesem Verfahren gelungen sind. Wahrscheinlich
ist die Anweisung ungenau oder nicht vollständig, denn auf mit Oel ge-
tränktem und vollständig durchfettetem Grund lässt sich ,, Wasserfarbe»
überhaupt nicht aufstreichen, eine innigere Verbindung derselben mit dem
Grunde ist somit ausgeschlossen und das darnach geforderte Glänzendreiben
kaum ausführbar. Wie dem auch sein mag, das wichtigste ist hier die durch

ls ) Mit diesen Angaben beinahe identisch sind die bezüglichen Aufzeichnungen
von Martin Knoller (datiert 1768), der das Verfahren aus einem altgrieehischen
Manuskripte der vatikanischen Bibliothek entnommen hat. Dieses Manuskript ent-
hielt „ganz originelle Tatsachen und Gedanken über Malerei» und darunter die fast
gleichlautende Beschreibung des obigen Verfahrens.

Auch Martin Knoller hat auf die beschriebene Weise „ausserordentlich schöne
Farben, die einen wunderschönen Glanz besitzen 4 , erzielt und das Verfahren ganz
bewährt gefunden. (S. die Aufzeichnungen über Freskomalerei von M. Knoller in der
„Mappe», illustr. Fachzeitschrift für Dekorationsmalerei. München 1902, Jahrg. XXII.
Heft V, p. 48.)

Zugabe von Galle angerieben sind, bemalt, nach oberflächlicher Trock-
nung in Stuccolustro-Manier mit kaltem, mitunter auch mit heissem
Eisen geglättet. Diese Manier eignet sich sogar, grosse einfarbige
Flächen zu färben oder ganze Dekorationen auszuführen.

5. Gemischte oder enkaustische Manier.

Der Grund wird in pompejanischer Manier vorbereitet und in Stucco-
lustro-Manier geglättet oder in Tempera- Manier mit Galle -j- Kalk
vorbereitet und ebenso geglättet (heiss); die Malerei in Tempera-Manier
ausgeführt und schliesslich mit Venetianer Seife heiss geglättet.
Die Farbenschichten liegen teils in einer Ebene, teils etwas erhaben,
zeigen aber stets die Oberflächen der Farben durch das Eisen nieder-
gedrückt. Schlussüberzug mit heissem, punischem Wachs.

6. In Stuccolustro-Manier geglättetes Fresko.

Als Grund dient feiner, reichlich mit Kalk vermischter Sandmörtel
(als letzte Schicht über gröberen aufgetragen); als Farben die für
Freskomalerei üblichen Kalkfarben. Am nächsten Tag wird die Flächt’
mit verdünnter Venetianer Seife ein- oder zweimal überstrichen, und
mit heissem Eisen glänzend geglättet. 10 )

9 ) Ich nenne diese Manieren: griechische, pompejan., römische u. s. w., nicht
um damit auszudrücken, dass in Griechenland, Pompeji oder Rom ausschliesslich diese
ausgeübt wurden, sondern nur im Hinblick auf gewisse charakteristische Erscheinungen.
Selbstverständlich lässt sich heute gar nicht mit Bestimmtheit sagen, in welcher dieser
Manieren die einzelnen antiken Stuckmalercieu ausgeführt worden seien , und es ist
sehr wahrscheinlich, dass die Kollegen im Altertum derartige genauere Unterscheidungen
gar nicht gemacht haben.

10 ) Diese Manier scheint mir von allen die einfachste und für unsere heutigen
Zwecke am besten verwendbar; man geht dabei genau so zu Werke wie bei der
Freskomalerei, nämlich stückweise, und glättet nach dem Ueherstrich mit Venetianer

11*

— 164 —

Diese sechs Varianten der Technik lassen sich in folgende drei Manieren
einreihen :

1. Manier: Die Glätt ung des nach Vit ruv’s Vorschrift her-
gestellten Stuckgrundes geschieht vor der eigen t-
liehen Malerei, so lange der Grund es gestattet; die
Ornamente und figürlichen Darstellungen werden
dann mit Tempera aufgemalt (Tempera-Manier).

2. Manier: Der Auftrag der Malerei geschieht auf noch
frischem, schon in der Masse gefärbtem oder weissem
Stuck mit Kalkfarbe unter Zusatz bestimmter Mittel,
welche die Glätt ung erleichtern; die Glättung erfolgt
auf einmal (Stuocolustro-Manier).

‘S. Manier. D e r G r u a d wird nach der ersten allgemeinen
Anlage der Felder geglättet, die Malerei darauf mit
geeignetem Bindemittel aufgetragen und, so lange es
die Weichheit des Stuccogrundes zulässt, abermals
geglättet (gemischte Manier).
Durch den wiederholten Hinweis auf das Glättverfahren werden wir zu
der Frage geführt, welche Form die antiken Glätteisen gehabt haben
mögen und ob die oben p. 114 beschriebenen Stuccolustro-Eisen im Altertum
bekannt gewesen sind. Das wäre freilich der schlagendste Beweis für meine
Behauptungen, wenn sich unter den antiken Instrumenten Stuccolustro-Eisen
fänden, die den oben beschriebenen gleich oder nicht unähnlich sind. Meine
Bemühungen waren darauf gerichtet, unter den in den Museen zu Neapel
und Rom aufbewahrten antiken Instrumenten auch solche Eisen zu suchen,
wenn auch , wie gleich bemerkt sei , der Rost alle Eisengeräte bis zur Un-
kenntlichkeit vernichtet haben musste.
Antike Die im Museum zu Neapel im Saale der kleinen Bronzen aufgestellte

(rlattkellon. rr ., . ,. r . »

Kollektion antiker Eisengerate pompejanischen Ursprungs enthalt zwei
Exemplare von abgerundeten Kellen (Nr. 71877 und 71878, Abb. 26)u; die
Grösse der einen beträgt 30 cm, die der anderen etwa 24 cm in der ganzen
Länge; die Handhabe ist im Knie gebogen, genau so wie die Stuccolustro-
Eisen. Unter den Eisengeräten im Konservatoren-Palast zu Rom, Sala
dei piecoli bronzi (Wand links vom Eingang) befinden sich ebenfalls zwei ganz
ähnliche Exemplare von abgerundeten Kellen (Abb. 27). Wie die pompe-
janischen sind auch die römischen ganz von Rost zerfressen, und man kann
ausser der Form nur erkennen, dass die Klingendicke gering ist. Zur ein-
fachen Glättung würde diese Dicke wohl hinreichen; aber zur Erhaltung der
Hitze für einige Zeit ist eine viel grössere Dicke des Eisenstückes nötig;
auch fehlen in beiden Fällen die zur Führung des Instrumentes nötigen Dorne.
Aus diesem doppelten Mangel könnte man schliessen, dass die hier in Frage
kommenden Instrumente mit den Stuccolustro-Eisen nicht identisch sind.
Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die alten Stucco-Arbeiter andere
Formen von Glätteisen gebrauchten, die mit den heute üblichen keine Aehn-
lichkeit hatten, ja dass sie bei einzelnen Dekorationsmanieren die Stuckmalerei
glätteten, ohne sich der heissgemachten Kellen zu bedienen. In den oben
beschriebenen Versuchen ist auch wiederholt vom „kalten Glätten die Rede,
und es ist evident, dass zu dieser Prozedur jede am Rande abgerundete Kelle
passend ist, ja bei vielen meiner eigenen Versuche bediente ich mich
kleiner viereckiger Stuckateurspateln mit dem besten Erfolg und konnte z. B.

Seife (nicht vor dem nächsten Morgen) zuerst mit kaltem, dann mit heissem Eisen
{wenn spiegelnder Glanz gewünscht wird).

Das Glätten mit der Stahl- oder Elfenbeinwalze nach der Methode des Kollegen
M. Matthiessen in Charlottenlund (Kopenhagen) bringt ähnlichen Effekt hervor,
wie das Glätten in obiger Manier mit kaltem Eisen. Nur ist die Gefahr vorhanden,
wenn der Grund noch zu feucht ist, dass dicker gemalte Farbenpartien durch die
Walze abgehoben und beim Umdrehen der Walze an anderer Stelle wieder abgesetzt
werden. Ich ziehe deshalb das Glätten mit flachem Eisen vor, weil hier die Farbe
wohl niedergedrückt (und eventuell verschoben), aber nicht weggenommen wird.

L65

in der Tempera-Manier auf frischem Grund ta’juiv7 ; ).
wonach die Verfertiger der Mauermalerei Enkausten genannt wurden. n )
Diese Nachricht stammt wohl aus späterer Zeit. Wir wissen aber auch aus
früherer Zeit, dass Enkausten jene Arbeiter hiessen, welche die farbige De-
korierung von Baugliedern an Monumentalbauten auszuführen hatten: aus
den Inschriften vom Erecht he um zu Athen erfahren wir sogar den Preis,

ntterarisohe
Beweise.

«) Die Stelle im Etymologieum Magnum p. 810. 40 lautet : ‘Ey/.i7.%’)iäv7 i . i^toYpacprjuivYj,
i~i: syxa’jxat oi ^oiypicpot. oi SiaypäcpovTss toög xotypoq (in leoersetzung: Der Ausdruck
s-,’y.=-/.xuuivYj [eingebrannt] bedeutet gemalt, da iyxauxa( die Maler neissen, welche
die Wände bemalen).

— 166 —

den sie für den laufenden Fuss gewisser Arbeiten erhalten haben. ,2 ) En-
kausten waren demnach Arbeiter, die sich mit der Wandtechnik be-
schäftigten, und der Name Enkaustik beschränkte sich nicht ausschliesslich
auf die enkaustische Tafelmalerei.

, l ‘i!!

der atucco- . . T

technik. nachzugehen , warum die antike Art der Wanddekoration aufgegeben worden
ist, so dass die Technik des Stuccolustro heute nur noch zur Herstellung von
Marmor-Imitationen verwendet wird. Uie Schuld trägt die im Laufe der
Kaiser zeit einreissende Verrohung des Geschmacks, die ins ungemessene
gesteigerte Prunksucht, die nicht mehr in der künstlerischen Ausführung,
sondern nur noch in der unerhörten Kostbarkeit und der blendenden Pracht
des Materials ihre Befriedigung suchte. Bemalte glatte Stuckwände konnte
sich jeder begüterte Privatmann gestatten, für den brutalen Luxus eines Nero
mussten neue Mittel der dekorativen Ausstattung ersonnen werden, die dem
gewöhnlichen Sterblichen unerreichbar blieben.
I kru’tatin -^ Semper CStii I p. 463) darf man Plinius ,3 ) glauben, dass es haupt-

und Imitation, sächlich das Ueberhandnehmen der luxuriösen Marmor-Inkrustation ge-
wesen ist, welche die Malerei von den Wänden verdrängt hat. Die aus Klein-
asien stammende Sitte, ganze W r ände mit polierten, dünnen Platten (crustae)
buntfarbigen Marmors in verschiedenen Mustern zu bekleiden, hatte schon
gegen Ende der Republik in Rom allmählich Eingang und in der nächsten
Zeit, wenn auch von ernsteren Geistern heftig getadelt, weitere Verbreitung
gefunden. Die Kostspieligkeit dieser Dekorationsweise ist Anlass geworden
zu ihrer malerischen Nachbildung in Farben auf Stuckgrund, wie Vitruv
(VII, 5, 1) sie beschreibt und wie z. B. in Pompeji im Triclinium der Casa
dei Vettii (Abb. 25) der Sockel mit gemalter Marmorimitation so aus-
gestattet ist, als ob er aus verschiedenen Marmortafeln inkrustiert wäre. Aber

12 ) S. die Baurechnungen des Erechtheums (Böckhs Corp. Inscr. Atticarum I
324a col. 1 Zeile 42 (erstes Fragment ): „Die Enkausten, welche die Cima des inneren
Architravs eingebrannt haben (£vxauxalg xb jiup,äx;ov Ivxsavxi, 1 , 5 Obolen den Fuss: Dio-
nysodor von Melita, Heraclides von Oa soviel wie xxx Drachmen: Summe für die En-
kausten. xxx Dr.»; und II p. 2^2, wo das Bemalen der Wände und der Gesimse und
das „Einbrennen» der Türen genannt wird (xyjv ypa^Tjv twv xs -zoiyßw xal ifc, öpexpvjs %a –
xtjv ixauoiv [statt syxauaiv] xwv 9-upcov). Vgl. die Zusammenstellung der auf Enkausten
und Vergolder bezügl. Inschriften b. Hittorff p. 755—757.

13 ) Plinius XXXV, 2 u. 3: „Jetzt ist sie (die Malerei) gänzlich verdrängt durch
die Marmorarten, ja auch schon durch das Gold, und man bekleidet nicht mehr bloss
ganze Wände damit , sondern schneidet auch den Marmor aus und setzt Bilder von
allerhand Gegenständen und Tieren mosaikartig ein. Die viereckigen Felder und die
Flächen, die das Gestein der Berge an den Wänden der Zimmer ausbreiten, sind
schon nicht mehr Mode: wir haben auch angefangen, mit dem Gestein zu malen.
Diese Erfindung wurde unter dem Kaiser Claudius gemacht, unter Nero aber wurden
nicht vorhandene Adern und Flecken mit buntem Gestein in das einfarbige Marmor-
getäfel zum Schmucke eingelegt: der numidische Marmor erhielt eiförmige, der syn-
nadische purpurne Flecken, wie der verwöhnte Geschmack sie von Natur wünschte.»
(Wenn Semper u. A. annehmen, unter Claudius sei es aufgekommen, den Marmor zu
bemalen, so beruht diese Auffassung auf der als unbeglaubigt erkannten und ver-
alteten Lesart lapidem (st. lapide) pingere , und die Bemerkungen, die sie daran
geknüpft haben, erledigen sich hiernach von selbst.) Uebereinstimmend äussert sich
der ältere Zeitgenosse des Plinius, Seneca epist. 86, 6: „Heutzutage kommt jemand
sich arm und gemein vor, wenn seine Wände nicht von grossartigen und kostbaren
Marmortäfelungen strahlen . wenn nicht alexandrinischer Marmor mit Einlagen von
numidischem verziert ist, wenn nicht überall die kunstvolle und nach Art der Malerei
farbig gehaltene Umrahmung wirkungsvoll hervortritt, wenn nicht die Deckenwölbung
mit Glas verdeckt wird» u. s. w. Mit den letzten Worten ist Glasmosaik gemeint,
wie Plinius XXXVI, 189 sagt, dass infolge einer neumodischen Erfindung das Stein-
mosaik der Fussböden als Gla«mosaik auf die Decken übertragen worden sei. — Im
übrigen vgl. Blümner, Technol. III p. 184 ff.

— 107 —

der raffinierten Verschwendung genügte dies nicht mein-. Unter Claudius
erfand man das Verfahren, die Platten noch durch allerlei bildliche Darstel-
lungen mittelst andersfarbigen Marmors (etwa in der Art des florentinischen
Mosaiken) zu verzieren, und unter Nero verfiel man darauf, der natürlichen
Einfarbigkeit der gesuchtesten und schönsten Marmorarten durch künstliches
Einsetzen von Stücken anderer Arten „verschönernde» Flecken und Adern zu
geben. So schimmerten denn die Wände von dem Glanz des Goldes und
edlen Gesteins aller Arten und Farben, wie die Natur sie nicht kannte, aber
der Luxus sie sich wünschte.

Mit dieser Schilderung hei Plinius, Seneea u. A. stimmen auch die
Beobachtungen überein, die man in den sog. Thermen des Titus zu
Rom machen kann. An den wenigen noch erhaltenen Resten dieser Bauten
ist deutlich zu erkennen , dass die Räume fast zur halben Höhe der
8 — 10 m hohen Wandflächen mit Marmorplatten bedeckt gewesen sind, und
dass erst über diesen Dekorationen die farbigen und bemalten Stuck-
flächen beginnen (nur in dem als Bad bezeichneten Räume reichen die
Stuckwände bis zum Boden). Verschiedenfarbiger Marmor in gemusterter
Anordnung mag diese Wände, ebenso wie den Fussboden, bedeckt haben.
und Meisterwerke der statuarischen Kunst hoben sich von dem vielfarbigen
Marmorhintergrunde wirksam ab. Fand man doch unter anderen die berühmte
Laokoon-Gruppe in dem Tricliniuml

Die weitere Entwicklung blieb in dieser Richtung. Im byzantinischen
Stil hatte die Mosaikdekoration schon dermassen die Alleinherrschaft ge-
wonnen, dass für die alt -römische Wandmalerei kaum mehr ein Platz
zur Verfügung stand. Es folgten später die Zeiten des Bildersturmes, die
Einflüsse der orientalisierenden Ornamentation unter Ausschliessung jeder Art
von figürlicher Darstellung, so dass der Stuccolustro-Malerei nicht viel mehr
übrig blieb, als eben die Imitation des Marmors, in Fällen, wo man von
Anwendung des echten Materiales absehen musste. In dieser Technik hat
sich die Tradition bis heute erhalten. Hier sehen wir also die berühmte
antike Stucco-Technik zurückgedrängt auf ein enges Gebiet besonderer Art,
nämlich auf das Imitieren von Marmor-Inkrustation.

Ein anderer Grund ist die Bedingung der ebenen Flächen in der V otf den wfauif
malerischen Wanddekoration. Nur auf solchen kann der geglättete Stuck zur flächen.
Geltung kommen. Als in spätrömiscber Zeit mit dem Inkrustationsstil reicher
plastischer Schmuck in echtem Marmormaterial oder im erhöhten Relief
der Friese, Pilaster, Sockel immer mehr die Wandflächen ausfüllte, und dann
noch später in byzantinischer Zeit Bogen und Kuppelwölbungen auf massiven
Steinpfeilern aufgebaut wurden, die Wandabschlüsse mit Marmorbekleidung
und reichen Mosaiken abwechselten, da blieben für die Malerei über-
haupt kaum mehr Flächen übrig, wo sie sich hätte entfalten können. In den
Kuppelwölbungen hätte diese Kunst noch einen Platz gehabt, falls nicht wieder
Mosaiken auf Goldglas oder blauem Grund dazu verwendet wurden. Aber
gerade für Kuppel mal er ei hätte der römisch-pompejanische Stuck am
wenigsten Aussicht gehabt, eine spätere Blüte zu erleben, weil die Stuck-
schichten viel zu dick und zu schwer gewesen wären und entweder die
Kuppeln eingedrückt hätten oder durch die eigene Schwere hätten herunter
fallen müssen. Für den antiken Stuck mit seinen sechs Schichten war also
in dieser Zeit des aufstrebenden byzantinischen Stiles keine Verwendung mehr:
man musste eine möglichst leichte Bekleidung herzustellen suchen und kam
folgerichtig auch auf den mit Stroh- und Wergkalk bereiteten Bewurf, wie er
im Handbuch der Malerei vom Berge Athos beschrieben ist und sich dort
noch bis zum heutigen Tage erhalten haben mag.

Einzelne Beispiele späterer Zeit sind im Laufe dieser Abhandlung er-
wähnt worden (s. oben p. 106), aber diese bilden doch nur Ausnahmen und
Uebergangsstadien zu anderen Arten der Wandtechnik. In der Renaissanze-Zeit
kommt noch ein weiterer Konkurrent der Stuccolustro-Technik hinzu, nämlich

— 168 —

der Kunst- oder Stuckmarmor H ), so dass der letzte Rest der antiken Technik
(Marmor zu imitieren), auch hier noch Einschränkung erfahren hat. So ist
tatsächlich die antike Technik der Wandmalerei wegen „Raummangels» ver-
schwunden und fristet jetzt ihr Dasein neben dem Kunst- oder Stuckmarmor
in Einfahrten oder Korridoren grösserer Bauten , wo das echte Material zu
teuer wäre und wegen der billigeren Herstellung des Stuccolustro dieser mit
seinem Glanz und seiner Glätte das Auge darüber hinwegtäuschen soll, dass
nicht alles Marmor ist, was so aussieht,
wieder- Tj nc j [ m heutigen Stil und der gegenwärtigen Hast der Bauweise?

Wäre da ein Platz für die Wiederbelebung der antiken Stuckmalerei? Ich
glaube es nicht. Vor allem ist die Technik zu edel, sie erfordert zu viel Arbeit
und Schulung und würde, einmal von irgend einem Unternehmer wieder in
Aufnahme gebracht, nur zu bald durch schlechteres Material und schleuder-
hafte Ausführung in Misskredit gebracht werden. Deshalb wird der all-
gemeinen Aufnahme dieser Technik niemals ein Boden geschaffen werden
können, und die einstmals so grossartig gepflegte Stuckmalerei des Altertums
hat für alle Zeiten ihre Rolle ausgespielt. Sie hatte in ihrer Blütezeit die
denkbar höchste Vollendung erreicht und einen eigenen Stil geschaffen,
der aufs innigste mit dem Material zusammenhängt. Nur wenn auf diesen
Stil zurückgegriffen würde, könnte die Technik der alten Stuckmalerei wieder
belebt werden. An andere Stile wird die Technik sich aber niemals an-
schmiegen lassen. In Anbetracht der schönen und bis jetzt unerreichten
antiken Stucktechnik ist dies wohl aufs innigste zu bedauern, aber, wie mir
scheint, nichts daran zu ändern.

u ) Stuckmarmor oder Kunstmarmor besteht aus einem Gemenge von Gips, Farben
und Leim, und wird so hergestellt, dass die Aederungen des darzustellenden Marmors
durch die ganze Masse gehen. Man färbt zu diesem Zwecke die Gipsmasse ver-
schieden, zerteilt die Brocken auf einem Werktisch, schüttet den Adern entsprechend
gefärbten Gips dazwischen und rollt das Ganze in Form eines Brotlaibes zusammen.
Von diesem werden dann Scheiben (ital. scoglia — Schuppen) geschnitten, die auf
die entsprechend rauh beworfene Wandfiäche fest angetragen werden. Nach dem
Trocknen folgen in verschiedenen Graden das Abschleifen, Neuausfüllen der kleinen
Zwischenräume und wiederholtes Schleifen bis zum völligen Glanz. Genauere An-
weisungen sind zu linden in Kunst- Werkschul- und anderen Kunstbüchern des
XVIII. Jhs.

III. Teil.

Die anderen Arten der Malerei bei den Griechen

und Römern

(insbes. Tafelmalerei in Tempera und Enkaustik).

171 –

Die Tafelmaleroi.

Der allgemeine Ausdruck Tafelmalerei, der zum Unterschied von der

Wandmalerei alle malerischen Darstellungen auf transportabler Unterlage
umfasst, enthält an sich nichts, was die besondere Art der Technik andeutete.
Wie heute, so konnte man auch im Altertum mit denselben Farben und Binde-
mitteln auf Wänden wie auf Tafeln malen. So war es bei den ägyptischen
Malereien schwer, in dieser Beziehung irgend einen durchgreifenden Unterschied
zuerkennen (s. p. 6); auch für die älteste Zeit der griechischen und römischen
(oder etruskischen) Malerei dürfte es kaum möglich sein, das Vorhandensein
technisch verschiedener Malweisen durch deutlich erkennbare Merkmale nach-
zuweisen.

Anders verhält es sich mit der Zeit fortgeschrittener Entwicklung.
Als bei den Griechen im Rückblick auf ein reiches Kunstleben die Schrift-
stellerei auch die Geschichte der Malkunst in ihren Bereich zog, fing man
an, die Gattungen von einander zu sondern und durch eigene Namen kenntlich
zu machen. Daher stammt bei Plinius auch wohl die Unterscheidung zwischen
den Pinselmalern und den Enkausten, die er als die beiden Hauptgruppen
einander gegenüberstellt. Diese Gruppierung trifft freilich den Kern der Sache
nicht, denn unter den Pinselmalern sind hier neben den Tafelmalern auch
die Wandmaler mitinbegriffen, und noch weniger zutreffend wäre es, die Unter-
scheidung auch auf die spätere Zeit auszudehnen , als die Enkausten sich
gleichfalls des Pinsels bedienten und dieses Malinstrument aufgehört hatte,
das spezifische Merkmal der einen von den beiden Gruppen zu sein. Der
eigentliche Unterschied liegt vielmehr, wie sich zeigen wird, einzig und
allein in der Anwendung von Hitze, die den Enkausten durch die Natur
des Bindemittels, des Wachses, ursprünglich aufgenötigt war, während die
sog. Pinselmaler mit einem schon in kaltem Zustande geschmeidigen und
leicht zu behandelnden Material arbeiteten. Es ist daher sachgemässer , bei
der alten Tafelmalerei nach modernem Sprachgebrauch zwischen Tempera-
malerei und Enkaustik zu unterscheiden.

Wir beginnen mit der ersteren, die allem Anschein nach die ältere und
in der Blütezeit der griechischen Malerei die verbreitetere war, und behandeln
dabei zugleich auch das , was , wie z. B. die Holztafeln als Malgrund , den
beiden Gattunsren gemeinsam ist.

172

Mangel
direkter Nach-
richten.

Pinsel.

I. Tempera und Temperamalerei.

Eine auch nur einigermassen ausreichende Ueberlieferung über das
Technische der Malerei bietet die alte Litteratur leider nicht. Die griechischen
Maler, die selbst über ihre Kunst Bücher geschrieben haben, sprachen, nach
deren Titeln zu schliessen, sich mehr über theoretische Grundsätze und Forder-
ungen, über Symmetrie, über Licht und Schatten u. a., oder über die Vorzüge
und Mängel von Vorgängern und Nebenbuhlern aus als über das eigentlich
Handwerkliche, das in den Werkstätten im persönlichen Verkehr mit dem
Meister durch praktische Unterweisung erlernt werden musste. Die Werk-
statt war die alleinige Schule, und ein Lehrbuch seiner Kunst zu schreiben
ist vermutlich keinem Künstler der klassischen Zeit eingefallen. Die späteren
Kunstschriftsteller aber, die lediglich Gelehrte waren, hatten es neben dem
Chronologischen und Anekdotischen im Leben der Künstler hauptsächlich auf
das Geistige, das Aesthetiseho der fertigen Kunstwerke abgesehen. Ueberdies
sind alle diese Schriften verloren gegangen; erhalten sind nur geringe Ex-
zerpte oder spärliche Zitate , und so sind wir darauf angewiesen , die ver-
einzelt sich findenden Notizen zusammenzustellen und die Lücken des Materials
durch Vermutungen zu ergänzen.

Zunächst seien die Werkzeuge und Gerätschaften in Betracht gezogen:

1. Pinsel (ypacpecov oder ypacpc’g, penicillus, saeta). Dass es deren ver-
schiedene gab, ist selbstverständlich. Es werden zwar nur Borstenpinsel
(saeta) als besondere Gattung und für die gröbere Arbeit des Ueberstreichens
und Tünchens erwähnt, 1 ) aber gerade daraus ist zu schliessen, dass für die
feinere Arbeit des Malens andere, und zwar Haarpinsel, im Gebrauch
waren; ohne solche konnten die Maler der älteren Zeit, die in der Feinheit
der Konturen ein Zeichen höchster Kunstfertigkeit sahen, unmöglich aus-
kommen. a ) Ein Beweis dafür ist die berühmte Atelieranekdote bei Plinius
(XXXV, 81): Apelles wollte den Protogenes besuchen; da er ihn nicht antraf,
zog er mit dem Pinsel und einer gerade bereitstehenden Farbe, um seinen
Besuch zu bezeugen , eine ganz feine Linie quer über eine unbemalte Tafel
(penicillo lineam ex colore duxit summae tenuitatis per tabulam) , dann kam
Protogenes und zog auf dieser ersten Linie eine zweite feinere mit einer anderen
Farbe (alio colore tenuiorem lineam in ipsa illa duxisse), und endlich zog Apelles

‘) S. Blümner, IV 429; Vitr. VII, 9, 3 und Plin. XXXIII, 122 erwähnen die
Borstenpinsel zum Ueberstreichen der Wandfläche bei der Ganosis s. oben p. 101.

2 ) Zu den feinsten Haarpinseln zählt man heute die von Marderhaaren, von
Fischot.terschwänzen und Dachshaaren, die in Gänsekielen oder Kielen von Schwänen
festgemacht werden. Borstenpinsel werden aus Schweinsborsten hergestellt, für
einzelne Zwecke werden aber auch die Haare bestimmter Teile anderer Tiere ver-
wendet, z. B. von den Rindsohren. Deshalb scheint es nicht unmöglich, in den Worten
des Naevius (bei Fest. p. 230 M : Lares ludentis peni pinxit bubulo.) „er malte mit
dem Ochsenschwanz die scherzenden Laren» nicht bloss einen „Scherz des Komikers»,
sondern die Andeutung einer bestimmten Pinselart zu sehen.

— 173 —

auf (d. h. innerhalb) dieser zweiten Linie eine dritte, die allerfeinste, die
nun nicht mehr zu übertreffen war. Dieser Vorgang ist nur unter der Voraus-
setzung äusserst feiner elastischer und Haarpinsel zu erklären. Nach Plinius 3 )
wurden auch aus einer weichen Schwammart brauchbare Pinsel gemacht;
es mag sein, dass solche zum Herauswaschen verdorbener Stellen, ja selbst
zum Weichermachen von Uebergängen dienlich gewesen sind. Jedenfalls ge-
hörte ein Schwamm zum Malgerät; er wird wiederholt so erwähnt und hat,
wenn auch nicht zum Malen selbst , so doch zum Entfernen von fehlerhaften
Stellen oder zum Waschen der Pinsel gedient.

2. Paletten, wie wir sie zum Aufsetzen der Farben und zum Mischen Vermeintliche
der Töne gebrauchen, scheint man im Altertum nicht gekannt zu haben.
Blümner IV p. 459 ff. gibt zwar einige Beispiele in Abbildungen nach
antiken Gemälden, auf denen Maler oder Malerinnen dargestellt sind mit
einem ovalen Brettchen in der linken Hand, das für eine Palette angesehen
werden könnte. Aber abgesehen davon, dass nicht einmal der griechische
oder lateinische Ausdruck dafür erhalten ist, scheint mir, dass die ovale
„Palette» in jenen Abbildungen mit den Muscheln (conchae) verwechselt
werde, die zum An mischen einzelner Farben töne und gleichzeitig
zum Abstreifen oder Zuspitzen des Pinsels gedient haben. 4 ) Solche
Muscheln sind als zum Handwerkszeug des Malers gehörig ausdrücklich ge-
nannt bei Martianus in den Digest. XXXVIII, 7, 17. Ihre Verwendung
wird klar ersichtlich aus der hier gegebenen Abbildung (Abb. 30) des Malers
auf dem berühmten Miniaturgemälde im Dioskorides-Ms. der Wiener Hof-
bibliothek. Der Maler sitzt in Handwerkertracht auf niedrigem Klappstuhl
vor einer Staffelei; auf dieser steht eine Tafel, an der mit Nägeln ein Blatt
befestigt ist mit einer Abbildung der bekannten Alraunwurzel , woran der
Maler gerade arbeitet, sich dabei rechts nach einer Frauengestalt umschauend,
die ihm das Original, die Wurzel, entgegenstreckt. In der Linken hält er
wag recht die Muschel, und die Haltung der Hand verrät, dass der Inhalt
flüssig sein muss ; 5 ) auf dem niedrigen Tischchen neben ihm befinde! sich,
in gleichen Muscheln angerieben, eine Anzahl von Farben.

Eine ganz ähnliche Darstellung, mit demselben schemelartigen Tischchen
und mehreren Reihen solcher Farben darauf, zeigt das nur in einer Zeichnung
nach einem pompejan. Wandgemälde erhaltene Pygmaeen-Ateli er») (Abb. 31 1.
In der Mitte steht eine Staffelei, auf ihr eine Maltafel mit der Zeichnung
eines Kopfes, davor sitzt der Maler selbst auf niedrigem Schemel; er malt
mit dem Pinsel an dem Kopf, ohne Zweifel das Porträt des Mannes, der
in einiger Entfernung davon in ernster Haltung auf einem niedrigen Sessel

3 ) Plin IX, 148: (genus spongearum), tenuedensumque, ex quo penicilli, Achillium
(vocatur).

4 ) Am meisten Aehnlichkeit mit einer „Palette» hat die Darstelluug des Hand-
werkszeuges der vor einer Herme sitzenden Malerin auf einem pompejan. Bilde im
Museum zu Neapel, das Donner (Wandmal. p. 109. Abb. 29) in „genauester Kopie»
gibt. Aber selbst Donner gibt zu, „dass die Palette hier klein und oval, vielleicht
etwas tellerartig vertieft» ist, mitbin einer Muschel viel ähnlicher ist als einer
Palette. Ich habe dieses Bild, ebenso wie auch das zweite, im Museum befindliche,
auf dem nach Heibig (Atlas Taf. IV Nr. 1444) eine Malerin dargestellt ist, „in der
Linken die Palette, in der Rechten, welche gegenwärtig zerstört ist, vermutlich den
Pinsel», genau angesehen und konnte keine Palette darin entdecken. Auch Donner
(Technisches, p. 50 An-u. I) findet „eine vertiefte Schale, die man hier als solche
genau erkennt, da sie im Profil gezeichnet ist», und hebt die charakteristische in die
Höhe gerichtete Stellung des Daumens noch besonders hervor, damit „er nicht in die
flüssige Farbe der Schale gerät».

«) Das ganze Miniaturgemälde in photogr. Abbildung bei J. .1. Bernoulli, Griech.
Ikonographie II. p. 214 ; auch bei Blümner IV p. 461 nach Visconti. Beide halten
die mit Farben gefüllte Muschel für eine „flache Palette». Donner (Technisches p. 49)
erklärt aber das grosse schemelartige Farbenbrett ganz treffend für die Palette, die
„tavolezza» der italienischen Dekorationsmaler.

e ) Zuerst «abgebildet bei Mazois, Maison deScaurus p. 118 pl. 7 und Ruines de
Pompei II p. 68, dann bei anderen und bei Blümner IV p. 462, woraus die um-
stehende Abbildung entnommen ist.

— 174

Abbild. 3Ü. Maler auf einem Miniatnrgemälde des Dioskorides Ma- (Wiener Hofbibliothek).

sitzt. (Die linke Hand ist hier nicht sichtbar, es ist also nicht zu erkennen,
ob auch dieser Maler die Muschel beim Malen wagrecht hält.) Neben dem
Tischchen mit den Farben steht ein grösseres Gefäss mit Henkel, wohl Wasser
enthaltend zum Flüssigmachen der Farben (oder zum Ausschwenken des
Pinsels) ; weiter rechts neben einem breiten niedrigen Becken ein anderer
Pygmaee, die rechte Hand hineinhaltend, vermutlich ein mit Farbenreiben
beschäftigter Gehilfe. Dahinter erscheint ein anderer Gehilfe oder Diener;
noch mehr im Hintergrund ein jüngerer Arbeiter (oder Schüler), der auf den
Knieen eine Tafel hält und zeichnet und dabei den Kopf nach der Mitte um-
wendet. Links kommen zwei Pygmaeen , einander an der Hand haltend, im
Gespräch heran, wohl Fremde, die dem Atelier einen Besuch abstatten. In
ihrer Nähe ein grosser Vogel, „offenbar ein Kranich, den die Kunst so gern
in Verbindung mit seinen Todfeinden, den Pygmaeen, zu bringen pflegt».
Eine Palette im heutigem Sinne ist also wohl nicht nachweisbar, sondern
die Farbentöne wurden jedenfalls vorher gemischt und in den Muscheln
oder auch in tiefen irdenen Tiegeln oder Töpfchen für den Gebrauch bereit
gestellt. Solche Töpfchen , deren eine ganze Anzahl in einem mit Deckel
versehenen Kästchen aufbewahrt wurde, sind auf dem bekannten pompejanischen
Bilde einer Malerin zu sehen (Abb. 32). In eines der Töpfchen taucht diese
soeben ihren Pinsel ein , um an dem zu Füssen einer Herme angelehnten
Bilde zu malen. Da hier unzweifelhaft ein anderes Handwerkszeug abgebildet

Abbild. 31. Pygmäeu- Atelier nach einer pomjiejan. Wandmalerei.

_ 1 16 —

Abhild. 33. Römisches Grabrelief mit der Darstellung einer Malerin (a&oh Santi Hartoli).

ist, als bei den obigen beiden Malern, so könnte man versucht sein, an eine
andere Technik zu denken. 7 )

Eine andere Darstellung nach einem verlorenen Basrelief (abgebildet
bei Blümner IV p. 462 Fig. 72) zeigt am Pusse der Staffelei einen Farben-
kasten mit drei rundlichen Oeffnungen oder Näpfchen, dessen Deckel ge-
öffnet ist. Die dem Manne die rechte Hand reichende verhüllte Frau hält
in der erhobenen Linken einen Pinsel, wobei deutlich der Stiel, die Haare
und die Umwicklung sich unterscheiden lassen (Abb. 33). Aber aus der geringen
Zahl und der Form der Näpfchen sowie aus der Form des Kästchens Schlüsse
auf die Technik (Tempera oder Enkaustik?) zuziehen, halte ich für schwierig.

3. Staffeleien (öxpc’ßa; oder xtXXißag, machina) wurden von den alten
Malern in ähnlicher Weise benützt wie jetzt. Sie waren den vorhandenen
Darstellungen zufolge dreifüssig (siehe Abb. 31 u. 33) und durch beiderseitig
angebrachte Löcher , durch welche kurze Hölzer gesteckt werden konnten,
verstellbar eingerichtet.

4. Die Gemäldetafeln (7c:vaxeg, tabulae) bestanden meist aus Holz, iioiztafein.
seltener aus anderem Material. Ausser Lärchenholz, das wegen seiner
Zähigkeit am beliebtesten war , wurden auch andere Hölzer , vornehmlich die

Staffeleien.

7 ) So vermuten Cros et Henry (l’Enoaustique p. 109) in dem Pinsel ein
„Cestrum»‘ und in den Töpfchen „Wachsfarben in flüchtigen Oelen aufgelöst», so dass
die Malerin nicht mit Temperafarhen , sondern in enkaustischer Art zu malen im
Begriffe wiire.

Abbild. 3£ MaljjerSit der Malerin auf einem yompej. Wandgemälde (nach Donner).

— 176 —

Zypresse und Tanne verwendet. ) Die g’raeco-ägyptischen Mumienporträts
sind vielfach auf Zedern- oder Pinien holz gemalt (s. Plinders Petrie,
Hawara p. 18), in einzelnen Fällen, wenn anders die fraglichen Bilder wirklich
aus antiker Zeit stammen, wurde Schiefer (Cleopatra-Bildnis der Villa
Hadriana, Muse von Cortona), in späterer Zeit auch Leinwand (s. die
Mumienbildnisse im Berliner Museum) als Malgrund benutzt. Interessant
ist, dass Plinius als Neuheit «in auf Leinwand gemaltes Kolossalbild des Nero
von 120 Puss Höhe erwähnt, das in den horti Mariani aufgestellt wurde; 9 )
wahrscheinlich bestand die Neuheit in der ungeheuren Grösse des Gemäldes,
nicht in dem Material, auf dem es gemalt war. Denn Leinwand mag als
Malgrund in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung schon in Ge-
brauch gewesen sein, da Boethius unter den Materialien der Maler ausser
den Tafeln, dem Wachs und den Farbstoffen auch die Leinwand aufzählt. 10 )
Holztafeln aber waren entschieden der bevorzugte Grund , und vermutlich
wurden sie, wenn grössere Tafeln nötig waren, aus mehreren Stücken zu-
sammengefügt. Pur enkaustische Malerei bedurften, wie es scheint, die
Tafeln keiner weiteren Zubereitung, denn auf Mumienporträts dieser Art
Grundierung. findet man direkt auf dem Holz Spuren einer Vorzeichnung. Die Temperamaler
dagegen konnten einen besonders präparierten Grund nicht entbehren, und
dieser scheint in hergebrachter Art aus weisser Kreide (und Leim) bereitet
worden zu sein. Die Worte [des Plinius (XXXV, 49: ex omnibus coloribus
cretulam amant udoque inlini recusant purpurissum u.s.w.) lassen kaum einen
Zweifel darüber, zumal da das Verfahren sich ununterbrochen bis heute er-
halten hat 11 ) und schon bei den Aegyptern zur Vollkommenheit ausgebildet
war (s. p. 11). Den Kreidegrund haben wir uns demnach als weiss und
vollkommen geebnet zu denken, sodass die Farben darauf ihre volle Leucht-
kraft behielten. Zuerst wurde jedenfalls die Zeichnung der Umrisse auf-
getragen , ehe Farbe und Pinsel an die Reihe kamen , genau so wie es in
der Frührenaissance üblich war. Dazu dienten schwarze Kohle oder rote Kreide
(Rötel), 12 ) vielleicht auch für feinere Dinge der Silberstift. Denn dass man mit
diesem schwarz angehende Linien ziehen kann, war den Alten bekannt, und es
scheint, dass er für Zeichnungen auf Holz oder Pergament benutzt worden ist. 13 )
Buxbaumtäf eichen sind wegen ihres festen Gefüges sehr geeignet
als Grund für kleinere Gemälde; nach Plinius (XXXV, 77) wurden sie beim
Zeichenunterricht gebraucht. u )

8 ) Nach Plato(Legg. V, p. 741 C.) wurde vornehmlich Zypressenholz genommen:
Theophrast (Hist. pl. III, 9, 7) erwähnt Tannenholz; Pliu. XVI, 187 nennt Lärchen-
holz als das bevorzugte, da es „unverwüstlich sei und niemals Risse bekomme»
(inventum pictorurn tabellis immortale nullisque fissile rimis).

9 ) Plin. XXXV, 51: Nero princeps iusserat colosseum se pingi CXX pedum
linteo, incognitum ad hoc tempus.

10 ) Boeth. de arithm. praef. I p. 1079 (Migne): At picturae manibus labulae
commissae fabrorum , cerae rustica observatione decerptae, colorum fuci mercatorum
perquisiti, lintea operosis elaborata textrinis multiplicem materiam praestant.

«) Die ältesten ausführlichen Anweisungen z ur Grundierung von Tafeln
sind zu finden im Handbuch der Malerei vom Berge Athos (§ 4—6) und im Trattato
des Cennino Cennini (cap. 114—120): vergl. m. Beitr. III. Mittelalter p. 75 und 113.

ia ) Vgl. Horaz Sat. IL 7, 98: proelia rubrica picta aut carbone. Zeichnungen
von Gladiatorenkämpfen mit Rötel- oder Kohlestift. In der Anekdote bei Plinius
(XXXV, 89) von Apelles, der beim Gastmabl des Ptolemaeus mit einer crloscbenen
Kohle das Bildnis des Hofnarren, von dem er arglistiger Weise geladen war, auf die
Wand zeichnete, ist die Kohle zwar nur Notbehelf,’!zeugt aber von dem Bekanntsein
ihrer Eigenschaft, leicht abzufärben (s. Blümner IV, 428).

1S ) Plin. XXXIII. 98: lineas ex argento nigras praeduci plerique mirantur.

u ) Plin. XXXV,77: „Pamphilus, der Lehrer des Apelles, setzte es durch, dass zuerst
in Sikyon, später in ganz Griechenland das Zeichnen aufBuxbaumtafeln regelmässi-
ger Unterrichtsgegenstand für freigeborene Knaben wurde» (huius (Pamphili) auctoritate
effectum est Sicyone primum, deinde in tota Graecia, ut pueri ingenui omnia ante
graphicen, hoc est picturam, in buxo docerentur recipereturque ars ea in primum
gradum liberalium). Vgl. uogiov bei Pollux X, 59 und ragoYpayf t»jv elx6va noi&i cpftapiöv
cp&apxoö ilC|M]|m). — Vgl. auch Cros et Henry p 58 und die Stellennachweise, welche
Blümner IV p. 443 Anm. 1 gibt.

,9 ) Unser berühmter Kollege Prof. HansThoma, früher in Frankfurt a/M., jetzt
Galeriedirektor zu Karlsruhe, hat im letzten Jahrzehnt wiederholt mit einer Mischung
von punischem Wachs und Gummi arab. gemalt. In einigen Briefen an mich spricht
er sich sehr begeistert über dieses Bindemittel aus; manche seiner vielbewunderten
Gemälde der letzten Ausstellungen in München (Sezession) sind mit solchen Farben
gemalt, Vielfach vorwendet Thoma auch das punische Wachs als Bindemittel zum
Kolorieren seiner Lithographien uud erzielt dabei durch nachheriges Frottieren vor-
treffliche Wirkung und zarten Glanz.

30 ) Mit Casei’n zusammen gibt das punische Wachs ein Bindemittel, das für
Dekorationsmalerei vortrefflich geeignet ist, und ich wiisste keinen Grund anzugeben,
warum dieses Wachs nicht auch heute noch vielseitig angewendet werden könnte.
Nur einen Nachteil hat es. nämlich den Gehalt an Alkali, der bei zu grossem Ver-
hältnis für manche empfindliche Farben schädlich ist, bei richtiger Bereitung aber
und entsprechender Neutralisierung leicht beseitigt werden kann.

Verwendbar-
keit dea
Punischen
Wachses.

Technisches
zur Tempera-
malerei.

— 182

Befolgung von
Sohulregeln.

Untermalung

und
Uebermalung.

Tiefenwirkung, haben wir ein lehrreiches Beispiel in den Schlachtenszenen
auf den bemalten etruskischen Sarkophagen des archäologischen Museums
zu Florenz, die entschieden griechischen Einfluss aufweisen (abgebildet bei
Baumeister p. 1556). Sie geben uns, so schadhaft die Malerei auch geworden
ist, eine genügend anschauliche Vorstellung von der Art dieser Kunst. Die
Farben — lauter Deckfarben, so weit sich heute noch urteilen lässt — sind
sehr harmonisch angeordnet. Die ganze figurenreiche Komposition spielt sich
auf einfarbigem blauen Hintergrunde ab , so dass der friesartige Charakter
des Ganzen klar hervortritt. Von beiden Seiten stürmen Amazonen mit fliegendem
Gewand auf ihren Quadrigen nach der Mitte zu, wo das Handgemenge mit
den ebenbürtigen männlichen Kämpfern schon begonnen hat ; die Gruppen
der Kämpfenden und der Gefallenen halten einander das Gleichgewicht in
Linien und Masse; aber es fehlt die eigentliche Rundung der Komposition
(z. B. Vermeidung von Rückenansichten), und die richtige Modellierung der
Formen an diesem jedenfalls nach gutem Vorbilde hergestellten Beispiel
handwerksmässiger Kunstübung lässt zu wünschen übrig.

Wie die sich steigernde Vollkommenheit der künstlerischen Auffassung
und Durchbildung der Gemälde nur nach und nach erreicht worden ist unter
dem Einfluss der grossen, neue Ziele zeigenden Talente, so haben wir uns
auch den Fortschritt in der technischen Behandlung der Farben als einen
langsamen zu denken, wobei die erfolgreichen Neuerungen anerkannter
Koloristen sowie Lehre und Beispiel der Schulhäupter bewirkt haben, dass
gewisse Gewohnheiten sich bildeten, die dann durch die Tradition zu förmlichen
Regeln wurden. So feste, ja schablonenhaft befolgte Regeln freilich, wie sie
z. B. für die Farbenmischung in der byzantinischen Zeit das Athosbuch 21 )
aufweist, das für die Karnation genau detaillierte Vorschriften gibt und ge-
wisse Mischungen mit eigenen Namen , wie Glykasmos, Proplasma u. a., be-
zeichnet, hat es in den alten Zeiten schöpferisch vorwärtsstrebender Entwicklung
gewiss noch nicht gegeben, doch findet sich die Spur einer technischen
Tradition in der bisher wenig beachteten Notiz bei Plinius, 22 ) dass das
Indicum (Indigo) zur Herstellung der „incisurae» diene, womit die Ueber-
gänge vom Licht zum Schatten beim Fleischmalen gemeint sein mögen;
denn mit dieser Farbe lassen sich die weichen grauen Uebergangstöne sehr
treffend wiedergeben , und in der ganzen Skala der den Alten bekannten
Farben ist wohl keine für diesen Zweck geeigneter als Indigo.

Im übrigen können wir bei der Bekanntschaft der Alten mit den
Unterschieden von Deckfarben und Lasurfarben vermuten, dass die
verschiedenen technischen Prozeduren, die aus der Untermalung (mit
deckenden Farben) und der Uebermalung (mit Lasurfarben) sich von selbst
als notwendig ergeben, von den alten Tafelmalern in dem Masse angewendet
worden sind, wie die wassermischbaren Bindemittel das Uebermalen überhaupt
gestatteten. Denn das Uebermalen mit dem gleichen Bindemittel kann nur
geschehen, wenn die erste Farbenlage genügend erhärtet ist; sonst würde
die Uebermalung die Unterschicht auflösen und den Zweck der Lasur,
nämlich das Durchscheinenla-ssen des Grundes, vereiteln. Bei dem in
der Wandmalerei gegebenen Vorbilde ist die Gefahr des Auflösens der Grund-
farbe ausgeschlossen , weil der getrocknete Stuckgrund durch Wasser nicht
oder nur sehr schwer aufgelöst werden kann , so dass die Eifarbe ohne
weiteres ihrem Zweck entspricht. Bei der Tafelmalerei ist schon eine ge-
wisse Vorsicht nötig, um das Auflösen der unteren Lagen durch Uebermalungen
zu verhüten. In der Zeit der Frührenaissance, da vornehmlich mit Eibinde-
mittel gearbeitet wurde, half man sich mit Strichelungen und vermied das flächige
Anlegen der Töne; wenn aber das ganze Ei genommen wird, und die
Malerei genügend Zeit zum Trocknen gehabt hat, dann kann man dreist mit

il ) Handbuch der Malerei vom Berge Athos § 16—21, und Beitr. III p. 75.
* 2 ) Plin. XXXIII, 163: Indicum …. ratio in pictura ad incisuras, hoc est
umbras dividendas ab rumine. Blümner IV p. 507 erklärt diese Notiz für unverständlich.

— 183 —

Eiterapera übermalen; 23 ) ja das Auffrischen eingeschlagener Stellen
lässt sich bei einiger Flinkheit und unter der zu beobachtenden Vorsicht,
dass die Stelle kein zweitesmal berührt werde, mit verdünntem Eiklar aus-
führen. Nach dem Trocknen dieses Ueberzuges können dann Uebermalungen
vorgenommen werden.

Eine in dieser Beziehung merkwürdige, wenn auch oft bezweifelte Wiederholtes
Notiz berichtet Plinius von einem Gemälde des Protogenes: dieser soll
sein Bild des Jalysos viermal übermalt haben, damit, wenn durch Alter
oder irgendwelche Beschädigung eine der oberen Schichten zu Grunde ginge,
die untere Malschicht sie ersetze. 21 ) Wenn auch das Verfahren wirklich aus-
führbar ist und wir uns denken, dass Protogenes in gutem Glauben und
bester Absicht es angewandt habe, so bleibt es doch fraglich, ob er seinen
Zweck damit erreicht hätte. Angenommen , er hätte die Farbenschichten
durch Firnis isoliert (s. Anmerkung), und dann das Bild abermals auf dieser
Lage neu gemalt, so würden die verschiedenen Lagen von Bindemittel und
Zwischenschichten mit ihren wechselnden Eigenschaften ein Springen der
Farbenschichten unvermeidlich zur Folge gehabt haben. Wenn aber das
mehrfache Schichten von Farben so geschieht, dass die einzelnen Lagen
miteinander eine feste Decke bilden können, dann ist ein Widerstand
gegen äussere Einflüsse gewiss möglich. Ich erinnere hier nur an den Aus-
spruch eines Grossen in der Kunst, Albrecht Dürers, der in einem Briefe
an Jak. Heller schreibt : „Und ich hab sie (die Tafel) vier-, fünf- und sechs-
mal unter-, über- und ausgemalt mit sonderlichen Fleiss der Dauerhaftigkeit
wegen. 25 )

Im Anschluss an diese Notiz treten wir der Frage näher, welche Mittel Schützende

o ‘ Firnisse.

die Alten besassen, um ihre Gemälde überhaupt vor äusseren Einflüssen zu
schützen, und insbesondere ob sie die Wirkung der schützenden Firnisse
kannten. Die Klagen, dass Bilder berühmter Meister durch die Zeit gelitten
haben, verblasst und unkenntlich geworden seien, sind auch im Altertum
nicht selten. Andererseits wurden in Rom hervorragende Bilder manchmal
auf öffentlichen Plätzen allgemein zugänglich gemacht, so dass sie unbedingt
eines Schutzmittels bedurften. Enkaustische Gemälde waren durch Feuchtigkeit
nicht gefährdet, wohl aber die Temperagemälde, und diese suchte man dadurch
zu schützen, dass man sie, wie die Altarbilder in der christlichen Kunst, mit
Flügeltüren versah. Auf pompejanischen und römischen Wandgemälden
sieht man häufig solche Bilder mit aufgeschlagenen Flügeltüren. Daraus etwa
zu schliessen, dass die Alten schützende Ueberzüge überhaupt nicht gekannt
hätten, 26 ) halte ich für zu weitgehend. Da im Altertum die Lösung von
Harzen in Oelen bekannt war (Plin. XIV, 123: resina omnis dissolvitur
oleo), so ist nicht einzusehen, warum die griechischen Maler keine Firnisse
angewendet haben sollten, wie wir deren Anwendung auf Malereien ägyptischer

2S ) Vgl. meine Versuche nach den Anweisungen des Cennino Cennini in m.
Beitr. Mittelalter p. 114 und 264.

24 ) Plin. XXXV, 102: huic picturae quater colorem induxit ceu tria (so nach
Mayhoff für contra) subsidia iniuriae et vetustatis, ut decedente superiore inferior
succederet. Blümner IV p. 441. 442 hält ein solches Verfahren für kaum denkbar
und sieht darin „eine alberne Atelieranekdote oder ein Missverständnis einer ander-
weitigen Prozedur». Croset Henry L’encaustique p. 106 sind der Ansicht, dass
Protogenes als jeweilige Zwischenschicht einen enkaustischen Firnis (Wachschicht)
angebracht habe, worauf er das Bild abermals mit Temperafarben gemalt hätte.

-‘ 5 ) S. Briefwechd von A. Dürer, herausg. von Dr. Lange und Dr. Fuchse,
Nürnberg 1893 p. 48.

*°) Blümner (IV p. 440) ist der Ansicht, dass die alten Maler „schützende
Firnisse offenbar nicht gekannt haben», und stützt sich auf Donner, Wandm. p 29.
der eher geneigt ist anzunehmen, dass „die Alten etwa einen Eiweissfirnis oder eine
Gummi-, Leim- oder Stärkemehl-Lösung, event. auch eine mit Lauge bereitete milch-
artige Wachslösung» zum Schutz ihrer Temperagemälde genommen hätten. Dem
ist entgegen zu halten, dass nichts weniger geeignet wäre, als ein derartiger wässe-
riger Ueberzug; er hätte schon beim Einstreichen die Temperafarben (Gummi, Leim,
oder Ei) gelöst und einen Schutz gegen Feuchtigkeit hätte er nie bilden können.

— 184 —

Mumiensärge beobachten können. Alle diese Lösungen von Harzen in Oelen
waren mehr oder weniger gelb- oder braunfarbig, nur in ganz dünnen Schichten
anzubringen, und so mochte mancher Maler lieber auf den Firnis verzichten.
Das Bedürfnis eines solchen, auch wegen der Herstellung der vollen Farben-
harmonie, ist jedoch immer empfunden worden, und aus der Notiz über den
wunderbaren und nur dem Apelles bekannten „unendlich feinen, schwarzen
Ueberzug», der dessen Bilder vor Staub und Unreinigkeit schützte,
(Plin. XXXV, 97), geht deutlich hervor, dass es ein Firnis war, da durch
seine Wirkung „die Klarheit der Farben in unnachahmlicher Weise erhöht
wurde». Mir will scheinen, dass Apelles bei seinem firnisartigen Ueberzug
die natürliche gelbe Farbe des Oelfirnisses durch sein atramentum so zu brechen
verstand, dass sie fast vollständig aufgehoben wurde. Ja, er mag bei seiner
Farbengebung schon von vorneherein den lasierenden Schlusseffekt seines
Atramentum-Firnisses im Auge gehabt haben. Das Neue und für die Zeit-
genossen Erstaunliche an der Sache war, meiner Meinung nach, nicht das
Uebergehen eines Gemäldes mit einem gefärbten Firnis, sondern der Umstand,
dass Apelles es verstand , diesen Ueberzug so unendlich fein und kaum be-
merkbar zu machen, die überaus subtile Berechnung der Firnismischung,
deren Wirkung man sah, ohne das Mittel zu erkennen. 27 )

In dieser Mischung von Firnis mit färbenden Substanzen sehen wir
schon die Andeutung einer Technik, die später sich weiter ausgebildet haben
wird , nämlich eine Kombination der Tempera mit Lasuren durch farbigen
Firnis bei den Enkausten der hellenistischen Zeit (s. weiter unten: Ahne’s
Porträt).

«) Die Hypothese John’s (p. 150), dass jener Ueberzug des Apelles „eine Auf-
lösung von Asphalt in Terpentinöl oder in Bergnaphtha oder ein anders dunkles oder
helles Harz ohne oder mit Zusatz eines lasierenden Pigmentes» gewesen sei, berührt
die Möglichkeiten eines solchen Firnisses, kann aber nicht der Wahrheit entsprechen,
da Auflösungen von Harz in Terpentinöl im Altertum unbekannt waren.

— 185 —

II. Die Enkaustik.

Nichts ist geeigneter uns einen sicheren Beweis von dem Streben der
griechischen Maler nach Verbesserung ihrer technischen Ausdrucksmittel zu
geben, als die von den alten Schriftstellern erwähnte sog. Enkaustik. In
ihr haben wir ein technisches Verfahren vor uns, das allen Ueberlieferungen
zufolge schon durch das Material an sich der Ausführung besondere Schwierig-
keiten bereitete und dessen Verbreitung in der besten Zeit der altgriechischen
Kunst uns den Gedanken nahelegt, dass die Maler das unabweisliche Be-
dürfnis empfunden hatten, den Temperamethoden ein den Anforderungen
an Realistik besser entsprechendes Material an die Seite zu setzen. Ja,
schon der Umstand allein , dass sie vor Schwierigkeiten der Handhabung
nicht zurückschreckten und eingreifende technische Neuerungen einzuführen
für nötig erachteten, beweist die oben (p. 179) berührte Unzulänglichkeit
der alten Temperamethoden. Dass sie dabei zum Wachs gegriffen haben
und zur Befestigung der Wachsfarben mittels der Wärme, muss darin seine
Ursache haben, dass geeignetere Mittel, künstlerische Wirkung mit der
Dauerhaftigkeit des Gemäldes zu vereinigen , ihnen noch nicht bekannt ge-
wesen sind.

Der Name ziyyr eyxauaxcxrj (der Künstler hiess eyxauaxrjs, seine Tätigkeit
syxauaic;) kommt von dem Verbum eyxa-‘to (lat. inuro) her, das herkömmlich
mit „einbrennen» übersetzt wird, obwohl dieses deutsche Wort, wie wir weiter
unten sehen werden , dem Begriff nicht völlig entspricht und geeignet ist,
Missverständnisse hervorzurufen. Die Enkausten zeichneten ihre Bilder mit
evexae (lat. inussit : s. Plin. XXXV, 122 und 27), nicht mit lypcKpe (pinxit),
wie die anderen Maler. Darin liegt nicht nur dass ein enkaustisches Bild
unter Anwendung von Hitze zustande kam, sondern auch dass die Erhitzung,
von der die Benennung entlehnt ist, das eigentlich Wesentliche, das unter-
scheidende Merkmal dieser Technik gewesen sein muss. Mehr ist aus dem
blossen Namen allerdings nicht zu schliessen ; für weitere Aufschlüsse müssen
wir uns nach anderen Quellen der Erkenntnis umsehen. Als solche bieten
sich uns litterarische Zeugnisse bei den Alten sov/ie Denkmäler und
sonstige Funde dar, so viele deren bis jetzt zu Tage getreten sind.

1. Die litterarischen Zeugnisse.

Eine wirkliche Beschreibung der enkaustischen Technik oder gar eine H»?™ 1 ?,^ 6
schriftliche Anleitung zu ihrer Ausübung hat es auch im Altertum vielleicht
nie gegeben. War es doch der Fall , so hat sie das Schicksal aller kunst-
theoretischen Schriften der Griechen geteilt. Was sich von schriftlicher
Ueberlieferung über die enkaustische Technik erhalten hat, beschränkt sich
im wesentlichen auf eine nicht grosse Zahl vereinzelter und weit zerstreuter
Erwähnungen bei Prosaschriftstellern wie bei Dichtern ; in den meisten wird
die Sache in der Form eines Vergleiches oder einer Anspielung nur gestreift,
in ganz wenigen mit der Absicht der Belehrung gleichsam fachmännisch be-
sprochen, in allen als bekannt, weil noch regelmässig geübt, ohne weiteres
vorausgesetzt. Die wichtigsten verdanken wir dem Werke des Plinius.

– 186

Plinius.

Varro.

Es erscheint zweckmässig, hier gleich an der Spitze die wenigen grund-
legenden Stellen in bestimmter Ordnung zu einer Uebersicht zu vereinigen:

1. Plinius XXXV, 122 (am Anfang seiner Geschichte der enkaustischen
Maler) :

Ceris pingere acpicturaminurere

quis pnmus excogitavent, non constat.

Wer zuerst auf den Gedanken ge-
kommen ist, mit Wachsfarben zu malen
und ein Gemälde einzubrennen 1 ),
ist nicht bekannt.

2. Plinius XXXV, 49 (in der Beschreibung der Farbstoffe):

Ex omnibus coloribus cretulam
araant udoque inlini recusant pur-
purissum , Indicum , caeruleum , Me-
linum , auripigmentum , Appianum,
cerussa. cerae tinguuntur isdem
his coloribus ad eas picturas,
quae inuruntur, alieno parieti-
bus gonere, sed classibus fatnili-
ari, iam vero et onerariis navibus.

Von allen Farben lieben den Kreide-
grund und lassen auf feuchten Grund
sich nicht auftragen Purpur, Indigo,
Himmelblau, Melisches Weiss, Auripig-
ment (Rauschgelb), Appianum (künst-
liches Kupfergrün) und Bleiweiss. Mit
eben diesen selben Farben werden
die Wachsmassen gefärbt zu den Ge-
mälden , die eingebrannt werden : ein
Verfahren , das für Wände nicht ge-
eignet, aber bei Kriegsschiffen, jetzt
sogar auch bei Lastschiffen , ganz
gewöhnlich ist.

3. Plinius XXI, 85 (in dem Abschnitt überlas Wachs und seine Eigen-
schaften) :

Nigrescit cera addito chartarum
cinere, sicut anchusa admixta ru-
het, variosque in colores pigmentis
trahitur ad reddendas similitudines.
(Vgl. ebenda 99: anchusa inficiendo
ligno cerisque radicis aptae).

Ueber die Malkästen und
Andeutung:

4. Varro de re rust. III. 17, 4:
Nam ut Pausias et ceteri pictores
eiusdem generis loculatas magnas
habent arculas, ubi discolores
sint cerae, sie hi loculatas habent
piscinas, ubidispares disclusos habeant
pisces.

Das Wachs wird durch Zusatz von
Papierasche schwarz, sowie durch Bei-
mischung von Anchusa (Ochsenzunge)
rot gefärbt und überhaupt durch Ver-
setzung mit Farbstoffen genötigt,
mannigfache Farben anzunehmen, um
Dinge der Wirklichkeit getreu nach-
zubilden. (Die Anchusa hat eine
Wurzel, die geeignet ist, Holz und
Wachs zu färben.)

ihre Farben enthalten zwei Stellen eine

Denn wie Pausias und die anderen
Maler derselben Gattung in Fächer
eingeteilte grosse Kästen haben, in
denen die verschiedenen Wachsfarben
sich befinden, so haben diese [die
römischen Grossen] in Fächer ein-
geteilte Fischteiche, in denen sie die
verschiedenartigen Fische von einander
gesondert halten.

J ) „Gewöhnlich wird übersetzt „und das Gemälde einzubrennen» und daraus die
Folgerung abgeleitet, dass das Gemälde zuerst mit kalten ^Wachspasten» gemalt
und nachher durch Erhitzen oder „Einbrennen» an der Oberfläche überarbeitet worden
sei. Der lateinische Wortlaut zwingt dazu keineswegs, im Gegenteil lässt sich die
Richtigkeit der neuen Uebersetzung von verschiedenen Gesichtspunkten aus erweisen.
Der Ton ist auf inurere zu legen, und „ein Gemälde einbrennen» bedeutet „es heiss
auftragen, mittelst Erhitzung zustande bringen», so dass das picturam inurere nicht
eine zweite Handlung bezeichnet, die auf das pingere folgt, sondern ein erklärender Zu-
satz zu ceris pingere ist, da die Wachsfarben sich nur mit Anwendung von Hitze so be-
handeln Hessen und eben hierin das Neue und Eigentümliche dieser Technik lag»(Mayhoff).

187

5. Seneca epist. 121, 5:

Pictor colores, quos ad reddendam Der Maler trifft unter den Farben,

similitudinem multos variosque die er, um die natürliche Erscheinung
ante se posuit, celerrime denotat getreu wiederzugeben, in grosser Zahl
et inter ceram opusque facili voltu und mannigfacher Abstufung vor sich
ac manu commeat. aufgestellt hat, aufs schnellste seine

Wahl und eilt mit Auge und Hand
zwischen dem Wachs und seinem Werk
behende hin und her.

Die für die Erkenntnis der Technik wichtigste Stelle ist die über
die nach den Malinstrumenten unterschiedenen drei Arten:

ß. Plinius XXXV, 149:
Encausto pingendi duo fuere anti-
quitus genera, cera (?) et in ebore
cestro, id est vericulo, donec classes
pingi coepere. hoc tertium genus
accessit resolutis igni ceris penicillo
utendi, quae pictura navibus nee sole
nee sale ventisve corrumpitur.

Seneoa.

Enkaustisch zu malen hat es in alter
Zeit [nur] zwei Arten gegeben, mit Wachs
(?) und auf Elfenbein mit dem Cestrum,
d. h. einem spiessähnlichen Werkzeug,
bis man anfing, die Kriegsschiffe zu
bemalen. Dadurch kam als dritte die
Art hinzu, die Wachsfarben durch
Feuer flüssig zu machen und den Pinsel
zu gebrauchen: eine Malerei, die an
Schiffen weder durch die Sonne noch
durch das Salzwasser oder durch Winde
beschädigt wird.

Von verschiedenen Mal gründen handeln noch

7. Plinius XXXV, 147:

Jaia Cyzicena … et penicillo pinx’t
et cestroinebore imagines mulierum
maxime . . .

8. Plinius XI, 126:

(Urorum cornua) apud nos in
lamnas seeta tralucent atque etiam
lumen inclusum latius fundunt multas-
que alias ad delicias conferuntur, nunc
tineta, nunc sublita, nunc quae c es-
trot a a picturae genere dieuntur.

9. Plinius XXXVI, 189:

Agrippa . . in thermis, quas Romae
fecit, figlinum opus encausto
pinxit in calidis, reliqua albario ador-
navit.

Jaia aus Kyzikos . . . hat sowohl
mit dem Pinsel wie auch mit dem
Cestrum auf Elfenbein Bildnisse, haupt-
sächlich weibliche, gemalt . . .

Bei uns werden sie (die Hörner der
Auerochsen) in dünne Blättchen zer-
schnitten, die dann durchsichtig sind
und ein eingeschlossenes Licht noch
weiter leuchten lassen, und zu manchen
anderen Zieraten verwendet, bald ge-
färbt, bald von unten bemalt, bald
mit der Art von Malerei geschmückt,
die vom Cestrum ihren Namen hat.

Agrippa Hess in den Thermen, die er
in Rom erbaute , [die Wände nicht
mit dem erst später erfundenen Glas-
mosaik, sondern] die Tonfliesen in den
heissen Räumen mit enkaustischer
Malerei, die übrigen Räume mit Weiss-
stuck verzieren.

Andere Stellen aus römischen wie aus griechischen Schriftstellern werden
später bei gegebener Gelegenheit herangezogen werden. Sehen wir zunächst,
was sich aus den obigen mit mehr oder weniger Sicherheit ergibt.

Wir wissen schon aus der geschichtlichen TJebersicht, dass die künstlerischen
Bilder enkaustischer Art Tafelbilder, grösstenteils sogar recht kleine Tafel-

Haupts teile

des Plinius.

Untergrund
für Tafelbilder.

— 1!

Elfenbein.

Wachshinde-
raittel.

bilder, gewesen sind; hier haben wir in Nr. 2 (alieno parietibus genere) das
ausdrückliche Zeugnis, dass die künstlerische Enkaustik auf die Tafelmalerei
beschränkt und für Wände, soweit es sich um feuchten Bewurf handelte,
nicht geeignet befunden worden ist — ein sehr wichtiges Zeugnis, das
aber nicht in der unberechtigten Beschränkung verstanden werden darf,
als ob enkaustische Malerei auf Wänden überhaupt ganz ausgeschlossen oder
unmöglich gewesen wäre. Denn bei dem cretulam amant udoque inlini re-
cusant (in Nr. 2) ist die Hauptsache der Gegensatz von trockenem und
feuchtem Malgrund, und in betreff der Enkaustik wird nur gleichzeitig be-
merkt, dass bei ihr Farbstoffe verwendbar seien, die einen feuchten Malgrund
nicht vertragen, d. h. einen trockenen verlangen. Völlig trockenen Marmor-
stuck hätte man gewiss ebenso gut enkaustisch bemalen können , wie die
cretula, den trockenen und porösen Kreidegrund, wie marmorne Architektur-
teile und Marmor bei der Polychromie der Statuen oder auch Terracotta, denn
an bunt verzierte Fliesen aus diesem Material werden wir doch wohl bei den
Thermen des Agrippa (in Nr. 9) zu denken haben. Möglich also, um das
beiläufig zu bemerken , dass gelegentlich auch eine Marmor- oder Terracotta-
Tafel mit einem enkaustischen Gemälde bedeckt worden ist. Ob übrigens
die Holztafeln für die Enkaustik einen präparierten Kreidegrund erhalten
haben, mag eine offene Frage bleiben. Nötig war dies jedenfalls nicht, wie
der Anstrich von Schiffen, auch von Türen und Pfosten, beweist, von denen
nicht anzunehmen ist, dass sie vorher mit einer Kreideschicht grundiert
worden seien.

Als eine zweite Art von Malgrund erscheint in Nr. 6 und 7 das Elfen-
bein, beidemal mit dem Zusatz eines besonderen Instrumentes, des Gestrums.
Es werden , der Natur des Materials entsprechend , gewöhnlich sehr kleine
tabellae gewesen sein , nur für Miniaturporträts und andere zierliche Klein-
malerei. Dieselbe Technik scheint man, wenn der Ausdruck cestrota in Nr. 8
richtig überliefert ist, 2 ) auch auf Blättchen aus Auerochsenhorn über-
tragen zu haben, deren Oberfläche allerdings ganz ähnliche Eigenschaften
dargeboten haben muss. Indes diese Notiz steht ganz vereinzelt da und
reicht für sich allein nicht aus, uns Gewissheit über die Sache zu verschaffen.

Das spezifische Bindemittel für die Farbstoffe war Wachs — spezifisch
deshalb, weil es die Anwendung von Hitze nötig machte , die in der Malerei
sonst nicht nötig war und daher diesem Verfahren den Namen gegeben hat.
Man hat gemeint, dass Plinius unter Wachs das Punische Wachs verstehe,
aber der Tatsache gegenüber, dass Plinius an allen die Enkaustik betreffenden
Stellen den einfachen Ausdruck cera ohne irgend welches Beiwort gebraucht,
während er XXXIII, 122 bei der Ganosis der Wandmalerei und XXI, 85
und XXX, 70 bei medizinischen Angaben ausdrücklich cera Punica sagt und
anderwärts cera Pontica und Cypria mit Namen nennt, um anzudeuten, dass
es sich nicht um cera schlechthin handele, ist es angezeigt, bis zum Beweise
des Gegenteils anzunehmen, dass er einfaches Bienenwachs gemeint habe.
Auch ist bei anderen Schriftstellern, wenn sie von enkaustischen Farben
sprechen, immer nur von cera, nie von cera Punica die Rede. Natürlich
konnte nur wohlgereinigtes und gebleichtes Wachs sich dazu eignen, jeder
Farbe ihren besonderen Charakter ungetrübt zu bewahren.

2 ) „Die Handschriften haben übereinstimmend cestrota, und so lesen auch mit
Recht die ältesten Ausgaben und seit Harduin (1685) wieder alle neueren. Was eine
zeitlang in früheren Ausgaben stand, cerostrota (xspcöaxpcoToc), ist nichts als eine un-
massgebliche Vermutung des Hermolaus Barbaras, der dieses Wort nach Analogie
von lithostrota (Steinmosaik) gebildet hat und ein Mosaik von Hornblättchen darunter
verstanden wissen wollte. Dalechamp hat es dann als tessellae cornuum vario colore
pictae et ligno infertae, vulgo „marqueterie» , erklärt. Der erste, der sich dagegen
aussprach und cestrota als Beispiel enkaustischer Technik wiederherstellen wollte,
war Salmasius in seinen Exerc. Plin. p. 164 a B. Vom Standpunkt der Textkritik ist es
sicher unmethodisch, zu Gunsten einer blossen Vermutung eine einstimmig beglaubigte
Lesart zu verdrängen in einer Sache, die in dem einen Falle ebenso unsicher bleibt
wie in dem anderen» (Mayhoff).

— 189

Was die Farben betrifft, so lernen wir durch Nr. 2 und 3 eine Aus-
wahl von neun mit Namen angeführten Karbon kennen, unter denen schon
alle unentbehrlichen Hauptfarben vertreten sind; ausserdem sind wohl einige
aus ihnen gemischte Töne in verschiedenen Abstufungen schon vor dem Be-
ginn des Malens als besondere Farben präpariert worden. Und bei dorn Zu-
sammenhange, in dem Plinius die ersten sieben Farben in Nr. 2 erwähnt, ist
es durchaus nicht ausgeschlossen, dass unter den anderen Farben , die dem
feuchten Malgrund der Wandfläche nicht widerstrebten, manche auch die
Vermischung mit Wachs sehr wohl vertrugen. Ja, Seneca (Nr. 5) sagt es
mit deutlichen Worten, dass es „viele und m aunigfaltige Farben» waren,
unter denen der Maler zu wählen hatte. Auf den leicht erstarrenden Zustand
der warmflüssigen Wachsfarben zielt die treffsichere „Schnelligkeit bei ihrer
Auswahl», die Seneca veranlasst hat, jenen Satz als schlagendes Beispiel
für den Gedanken anzuführen, dass jedes lebende Wesen seine Glieder, jeder
Künstler und Handwerker die ihm eigentümlichen Werkzeuge bewundernswert
flink und gewandt zu gebrauchen wisse. Die Farben hatte der Maler ge-
brauchsfertig und wohlgeordnet vor sich; zu dem Zweck waren sie in die
verschiedenen Fächer eines grossen Malkastens verteilt, wie dies aus Varros
Vergleich (Nr. 4) mit den Fischteichen hervorgeht, in denen jede der ver-
schiedenen Arten von Fischen ihre eigene Abteilung hatte.

Bis hierher gewährt uns die schriftliche Ueberlieferung bei exakter und
vorsichtiger Auslegung einen im ganzen sicheren Boden. Für die übrigen
und gerade die wichtigsten Punkte, die in Frage kommen, sind wir einzig
angewiesen auf die Pliniusstelle in Nr. 6, die als die klassische Haupt stelle
von jeher viel besprochen und fast immer verschieden gedeutet worden ist,
ohne einen befriedigenden Aufschluss zu geben. Ueber sie möge der Heraus-
geber des Plinius, Prof. Dr. C. May hoff in Dresden, das Wort haben, dem
ich folgende, hier zum erstenmal veröffentlichte Mitteilung verdanke:

„Im V. Bande meiner Ausgabe (Leipzig, Teubner 1897) habe ich gleich
allen Früheren den überlieferten Text unverändert gelassen , nicht weil ich
ihn für unverdorben hielt, sondern weil ich einen sichern W r eg zu seiner
Berichtigung nicht wusste. Nur schien mir für ein unbefangenes Stilgefühl
der Salz seiner ganzen Fassung nach auf eine Unterscheidung von drei
Werkzeugen angelegt zu sein, durch welche die drei Arten der enkaustischen
Technik sich charakterisieren. 3 ) Damit würde auch etwas wirklich Neues,

Farl. cn.

3 ) „Denselben Eindruck hat auch C. Robert gehabt, der in den „Knöchel-
spielerinnen des Alexandros 14 , Halle 1897 S. 10 ff. zuletzt diese grundlegende Stelle
ausführlich behandelt hat. Er bemerkt gegen Donners Auflassung von cera mit
vollem Recht (S. 11), dass man dann „durebaus cestro mit ebore eng verbinden und
für die erste nicht ausdrücklich genannte Malweise, die auf Holz, ein anderes In-
strument als das cestrum postulieren» und annehmen müsste, „dass hinter cera einige
Worte ausgefallen wären» (Anm. 27), — freilich um gleich darauf zu Gunsten einer
anderen Auslegung diesen jetzt als richtig bestätigten Gedanken wieder fallen zu
lassen. Donner hat dann in den Mitteil, des arebäol. Instit. Rom. Abteil. XIV (1899)
S. 131 ff. gegen diese und die anderen Ausführungen Roberts eingehend polemisiert,
in philologischer Beziehung mit wenig Glück; denn wie dureb seine parenthetische
Auffassung von et in ebore die Worte cera— cestro in eine natürlich und lesbar stilisierte
Konstruktion gebracht werden sollen, in der zwei genera pingendi genau und deutlich
unterschieden werden, das ist für den Kenner des Plinianischen ötiles wie für jeden
Anderen gleich schwer zu begreifen. Und dass lateinisch cera pingere gesagt werden
könne, wie im Deutschen „in Oel malen», ist leichter behauptet als bewiesen Ge-
malt wurde mit gefärbten Wachsmassen d. h. Wacbsfarben; daher erscheint in Ver-
bindung mit pingere oder wo von Waehsmalerei die Rede ist, immer der Plural
cerae, wie schon von anderen beobachtet worden ist; so § 12- (oben Nr. 1), hier
§ 149 resolutis igui ceris , bei Varro (Nr. 4) discolores cerae, bei Statius silv. I, 1,
100 Apelleae cuperent te scribere cerae und an den Stellen, die Blümner Technol.
IV, S. 443 A. 1 gesammelt hat. Wenn Donner sich gegen Robert für den Singular
cera im Sinne von Wachsfarben auf Vitruv IV, 2, 2 beruft, so begegnet ihm das
Missgeschick, nicht zu bemerken, dass es sich dort um eine einzig e Farbe, die cera
caerulea, handelt, der Plural also überhaupt nicht möglich war. Umgekebrt steht
natürlich auch von nicht gefärbtem, sondern erst zu färbendem oder in anderer Weise
behandeltem Wachs bei Plinius jedesmal der Plural, wenn einzelne Wachsstücke

Mayhoff’s

Krklärung der

Pliniu89tellc

— 190 —

im Vorhergehenden noch nicht Erwähntes ausgesagt werden, worauf es Plinius
offenbar abgesehen hatte, als er hier am Schluss des ganzen Abschnittes
über die Malerei diese Bemerkung über die enkaustische Technik nach-
träglich als Anhang hinzufügte. Wie die Worte jetzt lauten, beschränkt
sich das Neue für den Leser eigentlich auf die Notiz, dass der Gebrauch des
Pinsels durch die Schiffsmalerei aufgekommen ist und dass man technisch
drei Arten von Enkaustik unterschieden hat. Und wenn er von diesen
drei Arten eine klare und vollständige Definition geben wollte, wie doch
anzunehmen ist, so musste er die unterscheidenden Merkmale unzweideutig
bezeichnen. Diese konnten bei gleichem Farbenmaterial im Malgrund
oder in den Werkzeugen oder in beiden zugleich bestehen, aber worin
sie auch bestehen mochten, er musste sie bei jeder der drei Arten gleich-
massig und einander entsprechend angeben. Statt dessen sehen wir drei —
oder genau genommen vier — ganz ungleichartige Begriffe scheinbar koordiniert
einander gegenübergestellt : cera — in ebore und cestro — penicillo. Dieser
Gegensatz ist natürlich unmöglich, aber jeder Versuch, ihm durch künstliche
Interpretation auszuweichen, stösst auf andere Hindernisse. Denn mag man
cera als Material des Bindemittels (worauf der Singular hinweisen würde)
oder als Wachsfarben verstehen (wofür übrigens der Plural ceris stehen
musste), in beiden Fällen wäre cera ein allen drei Arten gemeinsamer
Begriff, also kein Unterscheidungsmerkmal für die erste Art allein, für
die dann gar nichts, weder Malgrund noch Werkzeug, angegeben sein würde:
denn cestro auch auf die erste Art zu beziehen und so zum gemeinsamen
Werkzeug der ersten und zweiten Art zu machen, verbietet erstens die
Wortstellung und zweitens die unvermeidliche Konsequenz, dass wir dann
nicht drei, sondern nur zwei Arten, nämlich Cestrumtechnik und Pinsel-
technik, haben würden und innerhalb der ersten Art zwei Unterarten nach
dem Malgrund der (zu ergänzenden) Holztafel und des Elfenbeins. Dasselbe
ist der Fall, wenn man sprachwidrig cera für in cera nimmt und darunter
eine mit einem Wachsgrund überzogene Tafel versteht. Es würde hier zu
weit führen und, wie sich zeigen wird, auch überflüssig sein, alle Erklärungs-
versuche geschichtlich aufzuzählen und mit kritischen Einwendungen zu
begleiten. Wie man sich auch drehen und wenden mag , man kommt aus
den Schwierigkeiten nicht heraus und behält immer ein sachlich unklares
und lückenhaftes, stilistisch ungeschicktes Satzgebilde, wie es auch dem
spröden Exzerptenstil des Plinius, der mehr verrufen ist, als er verdient,
nicht zuzutrauen ist. Da also mit allen Künsten der Auslegung sich nichts
ausrichten lässt, so liegt die einzige Möglichkeit einer Lösung auf dem
Wege der Emendation des Textes , und diese hat sich mir — ich darf
wohl sagen: zu meiner eigenen Ueberraschung — wie von selbst dargeboten,
als ich vor mehreren Jahren die Indices im I. Buche für eine neue Aus-
gabe durchzuarbeiten unternahm.»

„Es wird nötig sein, die Bemerkung vorauszuschicken, dass die
von Plinius selbst verfassten sog. Indices, die das I. Buch ausmachen,
den Inhalt der folgenden 36 Bücher angeben, indem sie dem Text der
Bücher folgen und jeden Abschnitt — darauf beruht die von Harduin
eingeführte Einteilung in Sektionen — mit Schlagworten oder mit kurzen

gemeint sind: so § 49 cerae tinguuntur, XXI, 99 (Nr. 3) inficiendo ligno cerisque ;
XXXVII, 95 ceras signantibus his (carbunculis) liquescere sind Wachsiegel, XIII, 69
monumenta . . privata linteis confici coepta aut ceris Wachstafeln zum Schreiben
zu verstehen, und die natürlichen Wachsgebilde der Bienen, Wespen und Hummeln
sehen wir XI, 11. 18. 71. 75 im Plural als cerae bezeichnet. Als blosser Stoff gedacht
steht cera im Singular, daher immer in medizinischen Vorschriften, als firnisartiger
Wandüberzug XXXIII, 122, als „Träger» einer aufzunehmenden Farbe XXI, 85 (Nr. 3)
nigrescit cera. In der Senecastelle (Nr. 5) inter ceram opusque bezeichnet der
Singular kollektiv das Material, das Handwerkszeug im Gegensatz zu der damit zu
verrichtenden Arbeit ; ebenso kollektiv Apuleius apol. I quod vel cera inustum vel
pigmento inlitum. Von rhetorischer oder poetischer Diktion darf man überhaupt
keine technische Genauigkeit des Ausdrucks erwarten.»

— 101 —

Sätzen bezeichnen , wie man sie früher als Kapitelüberschriften liebte. Da
also das I. Buch als ein zuverlässiges Exzerpt von der Hand des Autors
selbst nur enthalten kann, was in den folgenden Büchern vorkommt, und um-
gekehrt in diesen übereinstimmend sich wieder finden muss , was in jenem
steht, so dienen beide zur gegenseitiger Kontrolle, und die Indices erweisen
sich als ein ungemein wichtiges textkritisches Hilfsmittel, dessen Wert erst
in neuerer Zeit völlig erkannt worden ist, seitdem Sillig in seiner Ausgabe
von 1851 zum ersten Mal in allem Wesentlichen die ursprüngliche Passung
aus den Handschriften hergestellt hat. Vor ihm hatte zwar Ilarduin den
Versuch gemacht, auch in den Indices sich enger an die alte handschriftliche
Ueberlieferung anzuschliessen, aber er hatte doch noch viel willkürliches aus
dem durch Verkürzung, Umänderung oder Einschiebung stellenweise fast
unkenntlich gewordenen Wortlaut beibehalten, . wie er von dem allerersten
Herausgeber veröffentlicht und 200 Jahre lang in allen Ausgaben prüfungs-
los nachgedruckt worden war. Aber gerade an der Stelle des Index zum
XXXV. Buche, die uns hier angeht, hat Sillig, wenn auch in gutem Glauben,
eine Verfälschung der überlieferten Worte verschuldet, die leider auch in die
beiden folgenden Ausgaben v. Jans und Detlefsens übergegangen ist, und da
die Letzteren nicht einmal die Lesarten der Handschriften ihren Lesern mit-
geteilt haben, so ist es kein Wunder, dass der nunmehr vorzulegende Tat-
bestand bis jetzt der öffentlichen Aufmerksamkeit sich gänzlich hat entziehen
können».

„Nach Aussage sämtlicher verglichenen Handschriften, vor all.en der
ältesten und ausschlaggebenden in Bamberg, die ich selbst nachverglichen
habe, lautet die ursprüngliche Fassung der Inhaltsangabe im Index zu XXXV
sect. 41 so: qui encausto cauterio vel cestro vel penicillo pinxerint. 4 ) Statt
sie aufzunehmen , hat Sillig , weil er mit cauterio nichts anzufangen wusste
und die notwendige Uebereinstimmung mit der Textstelle XXXV, 149 (s. oben.
Nr. 6) herstellen wollte, wo es cera et in ebore cestro heisst, aus Konjektur
cauterio in aut ceris verändert. Ist diese Veränderung schon den Schrift –
zügon nach recht unwahrscheinlich und stilistisch sinnlos, so ist sie vollends
der kritischen Methode nach als unbedingt falsch abzuweisen. Denn da
cauterio auch nicht den Schatten eines Verdachtes gegen sich hat, vielmehr
einen tadellosen Sinn gibt, cera dagegen, das im Text unüberwindliche
Schwierigkeiten macht, im höchsten Grad verdächtig ist, so hat man logischer
Weise gerade umgekehrt zu schliessen: nicht dass der Index nach der
Textstelle, sondern dass die Textstelle nach dem Index zu korrigieren d. h.
dass cauterio, das auch im Text gestanden haben muss, in sein Recht
wiedereinzusetzen ist. Und zwar halte ich es für die einfachste Lösung,
cauterio geradezu statt des fehlerhaften cera zu schreiben, dessen Entstehung
aus einer Verstümmelung des ursprünglichen cauterio zu erklären sein wird,
so dass die ganze Stelle in berichtigter Textgestalt so aussieht: 48 )

4 ) „Diese Fassung des Satzes ist zwar vollkommen verbürgt, aber nicht durch-
gängig fehlerfrei und unverstümmelt überliefert; ich gebe daher hier die handschriftl.
Varianten: statt encausto hat der Bamb. B mit mehrfach vorkommender Verschreibung
encauto, der Riccard. R encausta , der Voss. V und Paris. E causta; statt cauterio
hat B cauteri (o vor u ausgefallen). Vollständig bietet den Satz nur B; im Stamm-
codex der jüngeren Handschriften waren durch Versehen des Schreibers, dessen
Auge vom ersten vel auf das zweite übersprang, die Worte cestro vel ausgefallen.
Da der Bamb. erst 1831 aufgefunden worden ist. so kannten die ältesten Heraus-
geber den Satz nur in der unvollständigen Ueberlieferung der jüngeren Handschriften;
sie wussten daher erst recht nichts mit cauterio anzufangen und strichen es, so dass
übrig blieb: qui encausto vel penicillo pinxerint, als ob die Worte sich auf die Scheidung
,der Maler in Enkaustiker und Temperamaler bezögen! Da übrigens unmittelbar darauf
folgt: quae quis primus invenerit in pictura, so’ist statt encausto höchstwahrschein-
lich mit RVE encausta zu schreiben, worauf sich dann quae (statt haec) mit unge-
zwungenem Anschlues bezieht».

* a ) „Selbstverständlich kann man die Emendation des Textes auch auf andere
Weise versuchen, z. B. so, dass man hinter cera eine grössere oder kleinere Lücke an-
nimmt, in der cauteno mitausgefallen sei, obwohl dann die oben bezeichneten Schwierig-

– 192 –

Enoausto pingendi duo fuere antiquitus genera, Cauterio et in

ebore cestro, id est vericulo, doneo olasses pingi coepere. hoc

tertium genus aocessit resolutis igni ceris penicillo utendi u. s. w.

„Jetzt haben wir das bisher unbekannte dritte Werkzeug, das wir ver-

missten, weil es unentbehrlich war für eine klare und zureichende Definition

der Sache und eine unanstössige, sofort verständliche Konstruktion der Worte.

Alle früheren Bedenken sind beseitigt und zugleich bestätigt. Und dieses

Werkzeug ist weder beliebig erfunden noch willkürlich herbeigeholt, 5 ) sondern

die Notwendigkeit seiner Einsetzung ist durch die urkundlich beglaubigte

Tatsache des qui encausto cauterio vel cestro vel penicillo pinxerint im Index

unumstösslich festgestellt. Ziehen wir hieraus die teils notwendigen, teils

wahrscheinlichen Folgerungen , was ergibt sich dann für die Erkenntnis der

enkaustischen Technik?»

1. „Die drei verschiedenen genera derselben werden von Plinius durch
drei verschiedene Werkzeuge charakterisiert. Der Malgrund
macht keinen charakeristischen Unterschied : er ist gewöhnlich Holz,
wie bei der ersten und dritten Art, und wird darum nicht ausdrücklich
genannt; nur bei der zweiten ist er Elfenbein, und nur auf Elfenbein
wird das Cestrum gebraucht. Denn in ebore cestro gehört untrennbar
zusammen, und daher erklärt sich auch, warum der Ausdruck cestrum,
der überhaupt nur bei Plinius und auch bei diesem im Text nur
zweimal (s. oben Nr. 6 und 7) vorkommt, beidemal den Zusatz in
ebore bei sich hat.

2. Was die Wachsfarben (cerae) betrifft, so wird bei der dritten Art
hervorgehoben, dass sie über lebendigem Feuer (igni) „aufgelöst» d. h.
in einen dünnflüssigen Zustand versetzt worden sind, der so lange an-
hielt, als die Malarbeit dauerte. Erst dadurch war der Gebrauch des
Pinsels möglich. Das resolutis ist hier, in Uebereinstimmung mit
dem in vielen Verbindungen bei Plinius auftretenden Gebrauch, gleich-
bedeutend mit dem liquefacta (cera cum oleo) bei der Ganosis (XXXIII,
122), und die nachdrückliche Voranstellung des resolutis (nicht des
igni oder ceris ) als des wesentlichen Unterscheidungsmerkmals deutet
auf den Gegensatz, der im Vorhergehenden unausgesprochen geblieben
ist. Diesen Gegensatz nun sofort in dem konträren Gegenteil, also in
dem kalten und festen Zustand des Wachses zu finden, ist zwar nahe-
liegend und scheinbar streng logisch, aber weder erweislich notwendig
noch der Natur des Wachses entsprechend, das überhaupt nur im
geschmolzenen Zustande die geforderte Bearbeitung zulasst ; er wird
vielmehr darin zu suchen sein , dass das Wachs in dem einen Falle
(wohl durch einen Zusatz von Oel) bei der Erhitzung seine Natur ver-
ändert und in einen relativ dauernden flüssigen Zustand übergeht, in
dem anderen dagegen seine natürliche Eigenschaft behält, nach dem
Schmelzen rasch wieder zu erkalten und fest zu werden, und demnach
der Behandlung mit dem Pinsel widerstrebt.

3. Die Werkzeuge sind im Text wie im Index einander koordiniert
und als instrumenta pingendi bezeichnet: also malte man mit ihnen
d. h. man trug die Farbenmassen auf und bearbeitete sie so, dass ein
Gemälde entstand. Folglich müssen, was bei der dritten Art der
penicillus leistete , bei den beiden anderen das cauterium und das

keiten bestehen bleiben, die das Wort cera verursacht. Aber an der Sache selbst
auf die es hier allein ankommt, wird dadurch nichts geändert Im Text muss
cauterio als Gegensatz zu cestro ehemals gestanden haben.»

6 ) „Bekmnt war es bisher schon durch die beiden auch von ßlümner Technol.
IV S. 451 A. 4 angeführten Stellen: Digest. XXXIII, 7, 17, wo in dem Legat eines
Malers als dessen Handwerkszeug genannt werden cerae, colores, item peniculi, cau-
teria et conchae, und Tertullian. adv. Hermog. 1 bis falsarius et cauterio et stilo.
Doch wurde seine Verwendung in der enkaustischen Technik verschieden gedeutet
oder gar bestritten; jetzt ist ihm durch die Pliniusstelle der ihm zukommende Platz
gesichert.»

— 193

cestrum, jedes in seiner Weise, geleistet haben: alle drei hatten dem
Effekt nach dieselben Funktionen.

a) Oauterium heisst wörtlich das Brenneisen. Nur in dieser Be-
deutung lässt es sich als ein auch anderweitig vielgebrauchtes
Instrument nachweisen, undPlinius setzt das ursprünglich griechische
Wort ohne jede erklärende Beifügung, betrachtet es als bekannt
oder ohne weiteres verständlich, so dass eine Abweichung von
der gewöhnlichen Bedeutung nicht anzunehmen ist. Da es also
vom Brennen seinen Namen hat, so muss, wenn Malen und
„Einbrennen» zwei getrennte Operationen waren, das cauterium
beide nach einander besorgt haben; wenn beides dagegen in eine
Operation zusammenfiel, so kann nur mit dem von Anfang an
heissgemachter. cauterium gemalt worden sein.

b) Der Name cestrum hat zwar nichts mit Brennen zu tun, denn
er hängt mit xevxso) (stechen) und xsaxo; (gestickt) zusammen,
aber da es sich bei aller Enkaustik immer um Malen und „Ein
brennen» handelt, so müssen auch dem cestrum diese beiden
Funktionen zugeschrieben werden, nur irgendwie modifiziert durch
die besondere Natur des ihm allein vorbehaltenen Elfenbeingrundes.

c) Dass man mit dem Pinsel malte, ist selbstverständlich, aber ebenso
versteht sich, dass er zum „Einbrennen» nicht geeignet war. Nun
besteht aber der Unterschied der neuen dritten Art von den beiden
älteren darin, dass die Erfindung einer Methode, das Wachs durch
Feuer dünnflüssig zu machen, es möglich gemacht hatte, auf das
cauterium zu verzichten und es durch den Pinsel zu ersetzen.
Folglich muss der Gebrauch des Pinsels den Effekt des sog. „Ein-
brennens» schon durch den heissflüssigen Zustand des Wachses
erreicht haben. Und von hier aus darf man jetzt rückwärts
schliessen, dass

4. auch bei den beiden älteren Arten das Malen d. h. das Auftragen und
Bearbeiten der Wachsfarben kein nachträgliches „Einbrennen» erforderte,
sondern von vorne herein mit heissgemachten Werkzeugen stattfand,
so dass in der Tat Malen und „Einbrennen» – was vorhin zu-
nächst hypothetisch gesetzt wurde — in eines zusammenfiel
und das eigentliche Wesen aller Enkaustik zum Unterschied von den
anderen Malweisen , die mit Farben im kalten Zustande arbeiteten,
darin bestand, dass die Farben vermöge verschiedener Verfahren
durch Erhitzung auf dem Malgrunde befestigt und unter einander
verbunden wurden: bei den beiden älteren Arten so, dass die Werk-
zeuge erhitzt, bei der neuen, der Pinseltechnik, so, dass die Wachs-
farben unmittelbar über dem Feuer für die Dauer der Arbeit heiss-
flüssig erhalten wurden. Das vielumstrittene ceris pingere ac picturam
inurere bedeutet dann nicht, wie man beharrlich gemeint hat: „mit
Wachsfarben malen und nachher das Gemälde einbrennen ; , sondern:
„mit Wachsfarben malen und mittelst Hitze ein Gemälde herstellen
(oder: Hitze beim Malen anwenden V’ und erklärt sich grammatisch
als eine die Sache sprachlich auseinanderlegende Umschreibung 6 ), in-

6 ) „In derselben Weise haben auch C. Robert und mit ihm Fr. Leo in den
„Knöchelspielerinnen» S. 10 A. 24 die Worte aufgefasst. Der Letztere fügt hinzu:
„Ein Anderer hätte ceris pingere et quidem picturam inurere gesagt. Dass hier, wo
vom eupsTr ( g [dem Erfinder] die Rede ist. das Verfahren in seinen Stadien beschrieben
sein sollte, kommt mir sogar stilwidrig vor.» Uebrigens würde die von Donner
auch jetzt noch festgehaltene Auslegung in gut lateinischer Diktion statt des Sub-
stantivs picturam vielmehr das passive Participium von pingere erwarten lassen, so
dass es hiesse ceris pingere pictaque inurere, und man darf wohl fragen, ob Plinius
nicht diese gewöhnliche und unzweideutige Form vorgezogen haben würde. — Den
Ausdruck „mittelst Hitze ein Gemälde herstellen» gebraucht Plutarch Amator. 16
p. 759 C fast wörtlich, wenn er in einem Vergleich die vergänglichen Gemälde, die
durch das £cp’ uypolc; ^Mypacpslv entstehen, den dauerhafteren eixövsj iv lyy.aOiiaai
yp acpöjisvai S’.ä Tzuptc, entgegensetzt. 11

b3

– 194 —

dem zu der in Wirklichkeit einheitlichen Handlung noch die hesondere
Art und Weise ihrer Ausführung erklärend hinzugefügt wird.»

„Mit dieser Auffassung stimmt auch der Sprachgebrauch der Verba
kfx.ods.iv und inurere durchaus überein. Das deutsche „einbrennen» erweckt
eine täuschende Vorstellung, indem es die richtige Beziehung der Präposition
verkennen oder nicht deutlich genug erkennen lässt. Im allgemeinen be-
deuten eyxaieiv und inurere (wie incendere) „in oder an eine Sache Feuer
bringen» und sie dadurch erhitzen oder entzünden, anbrennen. Aber in der
besonderen Anwendung auf ein Brandmal oder Brandzeichen erhalten die
Präposition und zugleich der Begriff des Brennens durch den hinzutretenden
oder zu denkenden Dativ eine andere Beziehung, und es entsteht die Be-
deutung „durch Brennen etwas wohin bringen oder dort anbringen, entstehen
lassen.» 7 ) Hiermit ist die nächste Analogie zu unserem Falle gegeben. Denn
die Sache liegt doch nicht so, dass das Zeichen auf der Haut schon vor-
handen wäre und dann noch nachträglich gebrannt oder eingebrannt würde,
sondern es wird durch Aufdrücken eines brennend heissen Instruments dort
überhaupt erst hervorgebracht und entsteht mit einem mal durch diese einzige
Operation. Wie man hier im Deutschen treffender sagt „jemand ein Zeichen
aufbrennen», so müsste man auch für picturam inurere (näml. tabulae) sagen
„eine Malerei aufbrennen» d. h. heiss (und zwar mit heissen Instrumenten
oder mit heissen Farben) auf den Malgrund auftragon ; dann würde die Vor-
stellung gar nicht aufkommen können, als ob ein Gemälde mit kalten Farben
und kalten Instrumenten erst vollständig fertig gemalt und hinterher (als
eigentlich nebensächliche „Schlussbehandlung») erhitzt oder „eingebrannt»
worden wäre».

„Zum Schluss noch einiges zu den litterarischen Nachweisen über die
beiden Malwerkzeuge, das cauterium und das cestrum».

7 ) „Die Belege bietet jedes grössere Lexikon in hinreichender Zahl, wenn auch
nicht immer gehörig geordnet. Für die allgemeine Bedeutung will ich nur die
Stellen aus Plinius selbst hersetzen: XII, 82 tus . . inurentium (anzünden) XXIII,
148 putamine nucis iuglandis dens cavus inuritur (wird erhitzt), XVII. 229 sol acrior
insecutus inussit ipsum vitium (urucas) und XVIII, 275 rorem inustum sole acri
frugibus rohiginis causam esse (erhitzt), endlich XXXIII, 122 pariete siccato cera
Punica . . candens saetis inducatur iterumque . . inuratur ad sudorem usque (erhitzen),
was Vitruv. VII, 9, 3 genau entsprechend durch eam ceram . . calfaciundo
sudare cogat ausdrückt. Bei dieser Bedeutung wäre nur die Konstruktion tabulam
inurere pictura möglich, und so sagt denn auch Auson. epigr. 26 ceris inurens
ianuarum limina und in gleichem Sinne mit dem Simplex urere Ovid. fast. III, 831
tabulamque coloribus uris. Für die besondere Verbindung mit dem Begriff des
Brandmals weise ich im Griechischen auf Lucian. piscat. 46 hin , wo befohlen wird,
was man einem falschen Philosophen antun soll : srcl xoö iezwno’j axty[iaxa e7ußaXexto rj
eyxaoaaxw xaxä xö jieadcpp’jov. 6 5s xbiioc, xoö xa>jxY)poc; saxco &Xa)7iYji; yj TiiS-rpcoc;. Daher syxaieiv
xiva geradezu für „jemand mit einem Brandmal zeichnen», wie ebenda 52 f t ax3 y; eyxäsxe, wg eY/v und Phot. Lex. axigai, xö syxa’jaa-. Erotov oder bei Arrian ßoög eyxexau-
jjLövai ßonaXöv, und syy.ai>|j.a — Brandmal, wie bei Lucian. catapl. 24, wo ein Philosoph,
als oxiy[iaxias, ixvyj xal aristo noXXä. xöjv eyxaujjLäxwv an sich hat. Daraus ergibt sich leicht
die Metapher des unverwischbar und tief eingeprägten, wie vermutlich in der Stelle
des Plato Tim. 26 C, die gewöhnlich, da die Prozedur in beiden Fällen dieselbe ist,
auf enkaustische Malerei bezogen wird : oiaxe olov eyxaö|j.axa ävexTrXöxou ypatprjs i(j.jj,ovä
ioi yeyovs (von Lehren, die bleibend dem Geiste eingeprägt sind) — eine Metapher,
die auch später (nach Steph. Thes.) wiederkehrt bei Basil. Magn. I p. 314 C: SuaexviTixog
xal oiovel syxexaujjisvog und Nicet. Js. Ang. 3, 8 p. 287 B: xrjv avsxuXuxov xai ofov slg
frä&oc, ^yxexau|ievTjv xf) iautoö : >’r/ri npöc, xöv xaaCyvrjxov axopyr;v. Im Lateinischen finden
sich die entsprechenden Wendungen häufig, von dem eigentlichen Ausdruck (notae
corpori inustae bei Justin) an bis zu den figürlich gebrauchten, wie notam turpitudinis
vitae alicuius inurere oder signa probitatis inusta (Cic.) und in freierer Weise mala
rei oublicae inurere (Cic.) und maculam genti inurere (Liv.J. Auch die Metapher
des Einprägens fehlt nicht, wie leges alicui inurere und odium inustum animis bominum
oder motus in ipso oratore inpressi atque inusti (Cic). Hierher gehört auch unser
tabulae inurere picturam. Dass daneben auch eine Umbildung der Konstruktion (nota
aliquem inurere) vorkommt, wo inurere geradezu „zeichnen» bedeutet, kann nach be-
kannten Analogien, wie inspergere, nicht verwundern.»

— 195

„Die für das cauterium von Einigen noch immer behauptete Bedeutung
„Kohlenbecken» hat schon Blümner a. a. O. IV 8. 451 A. 4, Welcker
folgend, mit Recht abgelehnt. Sie ist nirgends nachweisbar ; dass das zur
Ganosis der bemalten Wände gebrauchte vas ferreum bei Vitruv VII, 9, 3
so geheissen habe, ist eine willkürliche Vermutung. Vielmehr erscheint das
xauxTjpcov (auch xauxr’jp, cauter) als Instrument zum Brandmarken, und
seine Anwendung hiess xaoxr^pca^Eiv : Lucian. piscat. 46 o xönoc, xoü xauTfjpo?
und 46 extr. dndyeiy ekI xb xauxrjptov, 52 extr. toAXwv §e xauxrjpowv Serjaou.e^a,
apol. 2 xb xauxr^poov Soanupov , Strabo. V p. 215 xauxrjpcaaao xa^ Imzouq Auxov
und xb xaux’/jpcov cpuAa£ai. (Bildlich bei Diodor. XX, 54, 4 xodc,

 

IvSov warcep xauxr^pta xtva TxpoaYjyev). Sodann war es ein chirurgisches
Instrument zum Brennen von Wunden, Geschwülsten, erschlafften Muskeln u. ä.,
bei Menschen und bei Tieren gebraucht und von griechischen und lateinischen
Medizinern öfters erwähnt, von Plinius nur XXII, 102 und XXV, 80, wo die
brennende Wirkung pflanzlicher Arzneien mit der eines Gauteriums verglichen
wird, und ähnlich von Scribonius 114 und 240 (vgl. Maroellus 27, 4). In
der Tierheilkunde spielte es eine so wichtige Rolle , dass es nach Pallad. I,
43, 3 neben den Werkzeugen zum Scheren, Kastrieren, Aderlassen und anderen
Verrichtungen zu dem unentbehrlichen Inventar eines wohlausgestatteten Land-
gutes gehörte. Ausführlich handelt davon Vegetius mulomed. I, 14 , 3 und
besonders I, 28 ; er erklärt die kupfernen (cuprina) für besser, weil wirksamer,
als die eisernen, und schreibt in einigen Fällen vor, „gerade Cauterien» zu
gebrauchen (inuri rectis cauteriis convenit); es muss also auch krumme ge-
geben haben. Auch hier war das Verbum xauxripia^eiv üblich, lateinisch in
cauterizare oder cauteriare verändert. Ein drittes Cauterium endlich, das
unserem Malwerkzeug der Handhabung nach am nächsten kommt, finde ich
bei Palladius I, 41, 2 erwähnt in einer Stelle, die fast gleichlautend sich
wiederfindet in einem späten Exzerpt (angeblich aus Vitruv) De diversis
fabricis architectonicae c. 30 im Anhang zu Val. Rose’s Vitruvausgabe:
dort wird zur Ausbesserung von Eugen und Ritzen im Baderaum des Hauses
empfohlen, mit einem Gemisch von hartem Pech, weissem Wachs, Ammoniak
und Schwefel, alles zu der maltha genannten Masse zusammengeschmolzen,
die Fugen auszustreichen und dann das Ganze mit dem Cauterium zu über-
gehen (iuncturis adline et cautere cuncta percurre bei Pallad., iuncturas omnes
linito et cauteriato bei Pseudo-Vitr.) Diese Manipulation hatte offenbar den-
selben Zweck des Befestigens , Ausgleichens und Glättens, den bei Metallen
der Klempner mit dem heissen Lötkolben erreicht und den bei Wachsfarben
der Maler mit seinem Cauterium zu erreichen suchen musste. – Bei den
Griechen scheint xauxTjpiov als Name für das enkaustische Malwerkzeug nicht
üblich gewesen zu sein, sondern als solches wird ein heissgemachter metallener
Stab, £aßoi’ov, erwähnt: Plutarch. ser. num. vind. 22 p. 568 A xaü xi paßSwv,
oiaTiep ol ^wypacpot, aarcupov upoaayetv gebraucht den Ausdruck allerdings nur
bildlich, Timaeus lex. Piaton. p. 264 aber auch technisch : napd xoic, ^wypacpot?
Aeyexat. xö jxev ypacveiv xö ypw^e’.v 8ia xoö ^aßScou , xb 5e dbicr/patvav xö xa
Xpwafrevxa evortocecv, und er bezeichnet zugleich die Funktionen des Werkzeugs.
Da ypw^ecv nur eine andere Form für ^pwvvuvac ist, so kann es auch nichts
anderes bedeuten als „farbig machen» d. h. in diesem Falle die Farben auf-
tragen, und da, nach der Satzform zu schliessen, das d;to)(poav£v, das „Ein-
heitlichmachen», das Ausgleichen und Verschmelzen des Farbenauftrags,
ebenfalls als 5ta xoö paß5iou geschehen zu denken ist , so muss das £aßS:ov
dieselben Dienste getan haben wie das cauterium, und es kann kein Zweifel
sein, dass Welcker und nach ihm Blümner a. a. 0. IV S. 451 mit Recht
die beiden für identisch erklärt haben».

„Ueber cestrum als Name des Malwerkzeuges ist schon bemerkt worden,
dass es so nur bei Plinius und sonst nirgends vorkommt; Plinius selbst hat denn
auch den Namen als einen wenig bekannten oder nicht aus sich selbst ver-
ständlichen behandelt, da er ihn durch den Zusatz id est vericulo erklären
zu müssen glaubte. Dieser erklärende Ausdruck steht nun zwar auch nicht

13*

— 196 —

unbedingt fest, denn handschriftlich ist viriculo überliefert; aber die Lesart
vericulo 8 ) hat am meisten Wahrscheinlichkeit für sich, da sie paläographisch
so gut wie gar keine Aenderung erfordert und die Gestalt des Instruments
anschaulich macht gemäss derjenigen Etymologie, die als die nächste sich
ungesucht darbietet und darum die glaubwürdigste ist. Hiernach gehört
cestrum (xeaxpov) zu der Gruppe von Wörtern , die mit dem Stamme von
xevxetv, „stechen, sticken», verwandt ist: xeaxö; ist „gestickt», pouaidpioc,
xevTr;XYj5 hiess in der späteren Kaiserzeit der Mosaikkünstler, der Bilder auf
die Wand „stickte» (s. Blümner, Maximaltarif des Diocletian S. 106 ff.);
xevxrjTTjptov ist bei Lucian. catapl. 20 der Pfriemen des Schusters und nach
Suidas s. v. axtyeuc; auch das Instrument zum Tätowieren oder Brandmarken.
Ferner: xsaxpa ist bei Pollux X, 160 ein eisener Spitzhammer, bei Hesych
ausserdem eine Waffe (aixuvxrip’.ov otcXov) , xeaxpo:; bei Hesych ein axovx’.ajxa,
ein speer- oder pfeilartiges Wurfgeschoss , ebenso bei Suidas, der es eine
fremde Erfindung zur Zeit des Krieges gegen Perseus nennt und auch den
Namen xeaxpoacpevSovrj anführt, beides in Uebereinstimmung mit Livius, der
XLIi, 65, 9. 10 die Spitze als bipalme spiculum crassitudine digiti beschreibt:
die Beamten, deren Aufsicht diese Waffen anvertraut waren, hiessen in attischen
Inschriften aus der Kaiserzeit xeaxpocpuXaxe;; (s. Boeckh. C J G. I, p. 372. 374,
388). Ausserdem bedeutet xeaxpo^ nach Hesych auch die zuerst hervor-
kommende Spitze des keimenden Samenkorns und das Rauhe auf der Zunge
(r; ev xrj yXwxxrj xpayüxrjC,). Derselbe bezeichnet xsaxpwxov £6Aov als ein Holz-
stück mit schwerer (wahrscheinlich in Feuer gehärteter) Spitze und gibt für
xsaxpwacc; die Erklärung ßacpcxYj u.:u.ouuiv7}, die Salmasius, da sie unverständlich
ist, in f XYjV Yp«T LX V u.’l^uuivrj korrigieren wollte. Ueberall erscheint also
der gemeinsame Grundbegriff des Spitzigen; es fehlt auch nicht an Andeutungen
des Erhitzens. Bei den geringen Dimensionen der Gemälde auf Elfenbein
(und Hörn) wird auch das Cestrum nur klein gewesen sein. (Uebrigens
bleibt es nach den obigen Nachweisen zweifelhaft, ob als Nominativform zu
dem Ablativ cestro das Neutrum cestrum oder das maskuline cestros zu
denken ist, wie Georges in seinem Lexikon angenommen hat.)»

So weit mein philologischer Gewährsmann. Seine Berichtigung der
Hauptstelle im Plinius hat die Basis für die Frage der enkaustischen Technik
verändert, und wir können nicht umhin, uns auf diese zu stellen, so weit
sie als völlig sicher und haltbar gelten muss. Dadurch erleidet die Hypothese,
die ich vor zehn Jahren aufgestellt habe, einige Modifikationen ; in anderen
und zwar wesentlichen Punkten dagegen erfährt sie eine willkommene Be-
stätigung. Was aus den schriftlichen Zeugnissen sich nicht mit zwingender
Notwendigkeit ergibt, sondern noch dem Zweifel Raum lässt, wird zu prüfen
sein durch einen Vergleich mit dem, was uns die Denkmäler und Funde lehren.

Zu diesen wenden wir uns im Folgenden. Sie bestehen in den Mumien-
porträts hellenistischer Zeit aus El-Fayüm in Oberägypten und dem Instrumenten-
fund von St. Medard-des-Pr6*s.

8 ) „Vericulo ist zuerst von Sillig in den Text gesetzt worden, während man
vor ihm viriculo schrieb ; aber die Emendation ist nicht von ihm , sondern von
Salmasius. der in den Exerc. Plin. ad. Solin. S. 163 b ausführlich über die Stelle ge-
handelt hat, nachdem schon Dalechamp in demselben Sinne veruculo vorgeschlagen
hatte. Es beruht auf einem Versehen Roberts, wenn er a. a. 0. S. 10 A. 23 viriculo
als Lesart des Bambergensis, verriculo als „Lesung der geringeren Handschriften»
bezeichnet. Denn das erstere steht in allen Handschriften, das letztere in keiner
einzigen, vielmehr ist verriculo (von verrere) eine blosse Vermutung Donners zu
dem Zwecke, seine Hypothese über die Form und die Handhabung des Cestrums
und die Ableitung des Namens von dem gezahnten Blatte der Pflanze cestros (vgl.
Plin. XXV, 84) zu unterstützen. Das erklärende Wort würde dann noch seltener
sein als das zu erklärende: es kommt nur an einer einzigen, noch dazu kritisch un-
sicheren Stelle vor (Serv. ad Verg. Aen. I 59). Ich kann auch nicht finden, dass
es den römischen Lesern des Plinius, die nicht wussten, wie ein cestrum aussah, eine
klare Vorstellung davon verschafft haben würde; wir verstehen es ja auch erst dann,
wenn wir Donners Beschreibung des von ihm erfundenen Cestrumskennengelernthaben. 1 ‘

— 197 —
2. Die hellenistischen Mumienporträts aus dem Fayüm und andere Tafelbilder.

Dem glücklichen Zufall und der unermüdlichen Spatenarbeit unserer Alter-
tumsforscher haben wir es zu verdanken, dass sich wirkliche enkaustische
Gemälde aus dem Altertum in nicht geringer Menge und von grösster
Schönheit der Ausführung gefunden haben. Manche Gelehrte standen diesen
Funden anfangs mit Misstrauen gegenüber und waren geneigt sie für
Fälschungen zu halten, um so mehr als den ersten umfangreichen Fund von
ägyptischen Mumienbildnissen, die „Gallerie antiker Porträts» des Wiener
Teppichhändlers Theodo r Graf, der erste Besitzer nicht selbst ausgegraben, ra a *tiker Pne
sondern von Beduinen käuflich erworben hatte, die wegen ihrer Verschlagen- Porträts.
heit berüchtigt sind. Erst nach und nach und als auf dieser und anderen
Fundstätten von Männern der Wissenschaft, wie Flinders Petrie, Dr. Brugsch,
Prof. v. Kaufmann u. a., gegraben wurde und immer neue Mumien mit den
noch auf dem Kopfteil befestigten Porträts zu Tage kamen, wurde es allen
klar, dass man hier originale Schöpfungen vor sich hatte, die für die Kenntnis
der antiken Malerei völlig neue Aufschlüsse zu geben geeignet waren. In
diesem Sinne ist denn auch alsbald in einer Reihe von Schriften lebhaft dar-
über verhandelt worden 9 ).

Die Zeit der Entstehung der Graf sehen Porträts, die aus den
Gräbern von Rubayät stammen, hat Ebers (Ant. Portr. S. 48) in der Weise
bestimmt, dass die ältesten der Ptolemäerzeit und spätestens dem
zweiten Jahrhundert v. Oh., die jüngsten dem vierten Jahrhundert n. Oh. an-
gehören. Zwischen diesem Endtermin, der durch die Edikte des Theodosius
(392 n. Oh.) gegeben ist, und dem frühesten liegt demnach ein Zeitraum von
5 — 6 Jahrhunderten 10 ). Wir übergehen die Frage, ob die Porträts, noch zu
Lebzeiten der Dargestellten gemalt und zum Schmuck des Familienzimmers
bestimmt, erst später an der Mumie befestigt worden oder ob sie als Kopien
nach vorhandenen Gemälden zu betrachten seien, die eigens zum Zweck der
Einfügung in die Mumienhüllen angefertigt waren ; wir wollen auch nicht
untersuchen, warum sie der malerischen Fertigkeit nach so ungemein ver-
schieden ausgefallen sind, dass vormutet worden ist, die geringeren unter
ihnen müssten einer Verfallperiode der Kunst angehören : vielmehr schliessen
wir uns gern der Ansicht des gelehrten Aegyptologen an, dass „die höhere
oder geringere Vollendung der Porträts nicht ausschlaggebend ist für ihr
Alter, denn es werden zu jeder Zeit von ärmeren Familien auch geringere
Künstler mit der Herstellung der Mumienporträts betraut worden sein», und
gesellschaftlich höher Stehende gewiss auch in diesem Punkte sich den
grösseren Luxus gestattet haben, von guten Meistern porträtiert der Nachwelt

9 ) G. Ebers, Eine Gallerie antiker Porträts. I. Bericht über eine jüngst ent-
deckte Denkmälergruppe. Leipz. 1888; Donner-v. Richter , Die enkaustische Malerei
der Alten in der Allg. Ztg. Beilage 1888, Nr. 180, sowie Anhang zum Katalog von
Theodor Grafs Gallerie antiker Porträts aus hellenistischer Zeit, Leipz. 1892; Rieh.
Graul, die antiken Porträtgemälde aus den Grabstätten des Fayüm, Leipz. 1888;
G. Ebers, Antike Porträts, die hellenistischen Porträts aus dem Fayüm, Leipz. 1893.

10 ) Die meisten bis jetzt gefundenen Mumienporträts, d. h. Bilder, die am
Kopfteil der Mumie befestigt zu werden pflegten, stammen aus dem beutigen
Fayüm, einer gesegneten von einem Arme des Nils und seinen zahlreichen Aus-
läufern bewässerten grossen Oase in Oberägypten, unweit der Trümmerstätte des
alten Krokodilopolis, das unter den Ptolemäern den Namen Arsinoe empfing. Hier
blühte eine ansehnliehe griechische Kolonie, und noch unter den römischen Kaisern
war Arsinoe die bedeutendste Provinzialstadt der gesamten Landschaft. Als Fund-
ort wird jedoch Rubayät bezeichnet, das von Arsinoe etwa 22 Kilometer entfernt
liegt, so dass, wie Ebers annimmt, man damals der alten Sitte folgte, die Leichen
am Wüstenrande zu begraben, um die Begräbnisplätze vor dem „Ueberschwemmungs-
nass» , das die Mumien, die doch vor allen Dingen konserviert werden sollten, auf-
geweicht und zerstört hätte, zu bewahren. Auch die Bürger und Bürgerinnen eines
anderen kleinen und unberühmten Ortes, der Kerke hiess und mit Arsinoe nur in
lockerer Verbindung stand, scheinen in Rubayät bestattet worden zu sein, wie aus
den zu den Bildnissen gehörigen Inschrifttäfelchen zu ersehen ist.

— 198

Verschiedene
Arten der
Technik.

überliefert zu werden, bis die Edikte des Theodosius es überhaupt für straf-
würdig erklärten, mit solchen Porträts versehene Leichen zu bestatten.

Was den Kunstwert der ausgezeichnetsten dieser Gemälde betrifft, so
gehen wir sicherlich nicht zu weit, wenn wir ihnen alle Vorzüge zusprechen,
die wir an den besten Werken unserer modernen Bildnismaler bewundern.
Wie fein sind die Gesichter modelliert , wie scharf und charakteristisch ist
die Zeichnung, wie harmonisch das Kolorit, obwohl die (wie es scheint, durch
besondere Schminken hervorgerufene) Uebertreibung der Augenbrauen und
Augenlider auf den ersten Blick befremdlich erscheint! „Aber das, was
diesen Blicken den höchsten Wert verleiht, ist die überzeugende Kraft, mit
der sie uns den individuellen Charakter der dargestellten Persönlichkeit vor
Augen führen. Auf das Kostüm ist geringe Sorgfalt verwandt, auf die ge-
naue Charakterisierung die allerhöchste!» (Ebers)

Vom technischen Standpunkt betrachtet, ist die Malerei sehr ver-
schieden, und von vorneherein müssen wir mehrere Arten der Ausführung
annehmen, die in zwei Gruppen zerfallen, je nachdem die Unterlage Holz
oder (wie bei einigen hervorragenden Bildern der Berliner Sammlung) Lein-
wand war.

Die Porträts der Graf ‘sehen Sammlung sind fast alle auf Holzunterlage
gemalt; darunter zeigen diejenigen, deren Technik als „enkaustisch» be-
zeichnet worden ist, keinen anderen Grund als das nackte Sykomorenholz,
die in Pinseltechnik gemalten dagegen den altägyptischen Kreide- oder Gips-
grund, der in zwei Fällen, wie wir es auf ägyptischen Mumienkästen wieder-
holt bemerkten (s. oben S. 15), auf eine Leinwandschicht aufgetragen ist
(s. Nr. 54, 58 des Grafschen Kataloges).

Bei den „enkaustischen» Gemälden müssen zwei Arten unter-
schieden werden:

1. Solche, bei denen ausschliesslich mit einem vom Pinsel ver-
schiedenen Instrument das Ineinanderschmelzen der Wachsfarben be-
wirkt und sowohl das Gesicht als auch d6r Hintergrund und das Gewand
mit Hilfe dieses Instrumentes ausgeführt worden ist. Diese Technik ist in
der Grafschen Sammlung nur durch ganz wenige, aber ausgezeichnete
Porträts vertreten und zwar Nr. 2 (Kopf eines Greises), 12 (Bildnis einer
Frau), 23 (Bartloser Kopf, vermutlich eines Eunuchen, s. Abbildung 34),
vielleicht auch 67 (aussergewöhnlich pastoser Auftrag von Wachsfarbe) und
88 („besonders derbe Art der Technik»).

2. Solche, bei denen das genannte Instrument nur zur Ausführung
der Gesichtspartien gedient hat, während Hintergrund und Gewandung,
mitunter auch Haare und Schmuckstücke, augenscheinlich mit dem Pinsel
und zumeist ganz flüchtig mit Wachsfarben gemalt sind. Hier kann
man deutlich erkennen, dass das aller Wahrscheinlichkeit nach aus Metall
gefertigte Instrument beim Verarbeiten der Farben Eindrücke hinterlassen
hat, die meist rundliche, oder auch Zickzack-Form haben. Oefters erhält das
gemalte Fleisch dadurch etwas pockennarbiges, aber in Fällen, wo das „Cau-
terium» mit vollendetem Geschick geführt ist, entsteht zarter Schmelz und
grosse Weichheit der Uebergänge. Die Dicke der Wachsfarben ähnelt in ge-
wisser Beziehung der pastosen Malerei unserer Realisten. Diese Technik
weisen nicht nur die meisten, sondern auch die durch treffliche Ausführung
interessantesten Porträts der Sammlung auf. Um nur ganz wenige zu nennen:
Nr. 4 (schöner, hoheitsvoller Männerkopf), 6 (Brustbild eines schönen, kräftigen
Mannes mit dunkel-rotbrauner Hautfarbe), 8 (reizvoller Mädchenkopf mit Ohr-
und Halsschmuck und auffallender Haartracht), 16 (Frauenkopf mit klassisch
regelmässigen Zügen), 22 (Porträt eines Mannes mit Goldkranz im Haar und
schärpenartigem Querband), 28 (Männerbildnis von ausserordentlicher Lebens-
wahrheit), 45 (Frauenbildnis, künstlerisch und technisch vollendet), 62 (Bildnis
einer vornehmen Dame), 63 (Mädchenkopf) 66 u. a. (s. Abbild. 35 und 36).

Mehrere Gemälde, die ganz mit dem Pinsel gemalt zu sein scheinen,
zeigen aber in der Art des Farbe nmaterials so auffallende Unterschiede,

— 199 —

dass sie mit unseren gewöhnlich als Tempera bezeichneten Manieren keinerlei
Aehnlichkeit haben. Die Farbentöne sind wie aus dem Vollen und flüssig
mit einer gewissen Virtuosität hingesetzt , dabei scheint die Qualität des
Farbenbindemittels ein pastoseres Malen und Ineinandermodellieren gestattet
zu haben, als es die uns bekannten Bindemittel für Tempera ermöglichen
würden. Das trefflichste Beispiel dieser Art ist vielleicht Nr. -26 (Brustbild
eines Mannes), das in der Malweise „an manches alte Freskogemälde» er-
innert, dann Nr. 21 (Männerbildnis), das wegen „der freien virtuosen Be-

Abbild. 34. Enkaustisches Porträt.
Nr. 23 der Grafschen Sammlung.

Abbild. 35 und 36. Mumienporträts (Enkaustik) Nr. 28 und Xr. 66 der Grafschen Sammlung.

handlung nicht weniger Bewunderung verdient als wegen der energischen,
sicheren Zeichnung und der vollendeten Charakterisierung der dargestellten
Person». Schliesslich dürften auch einige der im Katalog als „Tempera» be-
zeichneten Porträts hierher zu rechnen sein 11 ) (s. Abbild. 37 und 38).

«) Als Temperagemälde sind nach dem Katalog der Grafschen Sammlung
die folgenden verzeichnet: Nr. 9, 11, 15, 19, 24, 25, 26, 36, 37 (angeblich Wachs-
lempera-Enkaustik). 38, 42. 44, 46. 47. 53. 54. 55, 58 (auf mit Kreide grundierter Lein-
wand). 61, 64, 65, 72—74, 77, 92 (Rückseite).

200

Sammlung

von Fhnders

Petrie.

Eine zweite bedeutende Sammlung von Mumienporträts hat der
englische Aegyptologe W. M. PI in de rs Petrie von den Gräberfeldern von
Hawara in Fayüm nach London gebracht, wo dieselben in der Egyptian Hall
(Piccadilly) ini Frühjahr 1889 längere Zeit ausgestellt waren. Zwölf der
besten davon waren schon vorher in den Besitz des Bulak-Museums in Cairo
übergegangen; auch die übrigen sind nicht zusammengeblieben, sondern teils
im Kensington-Mnseum und in der National-Gallery in London, teils in Berlin
u. a. 0.

Nach den Abbildungen in Plinders Petrie’s Werk „Hawara, Biahmu and
Arsinoe» (London 1889) zu schliessen, befinden sich einige ganz ausgezeichnete
Bilder darunter, so (Frontispice) Nr. 9, weibliches Bildnis in sehr delikater
Ausführung und vorzüglicher Modellierung (s. Text p. 44), in gleicher Technik
wie die besten Bilder der Graf’schen Sammlung — nämlich erste Anlage mit
dem Pinsel und Vollendung der Fleischpartien mit dem „Cauterium», —
dann Nr. 10 (Tafel X) Porträt eines bartlosen Mannes mit ungemein energischen
Zügen, in der ersten der oben genannten Malweisen ausgeführt (s. Text p. 43), u )
dem sich nur wenige in gleicher Technik gleichstellen lassen.

■-i*-«TB

Abbild. 37 und 38. Mumienporträts vermutlich in Wachstemperatechnik gemalt. Nr. 37 und
Nr. 26 der Grafschen Sammlung.

Herstellungs-
weise.

Die Entstehungszeit dieser Bilder bestimmt Petrie anders als Ebers ;
während dieser die ältesten dem zweiten Jahrhundert v. Ch. zuschreibt, setzt
Petrie den Beginn dieser Mumien-Porträtmalerei in die Zeit des Hadrian (s.
p. 17) und sieht in der Reise dieses Kaisers nach Aegypten die äussere Ver-
anlassung, dass die plastischen Stuck- oder Cartonnage Porträts durch Er-
zeugnisse griechischer Maler verdrängt wurden.

Ueber die Herstellungsweise dieser graeco-ägyptischen Mumienporträts
stellt Flinders Petrie (a. a. 0. S. 18) auf Grund genauester Untersuchung
von mehr als 60 Originalen folgende Ansicht auf: 13 ) „Die Farben wurden in

12 ) Cecil Smith macht zu diesen Bildern folgende Bemerkungen, u. zw. zu Nr. 9:
Work very careful and good, only spoiled by the hard line of the edge ot the chiton;
otherwise’m the drapery the lighthas been put in withgood transparent effect. Zu Nr. 10:
Drawing excellent, a real character study. Red tone. On the hair and face the colour
is massed very thick, but firm and good clean work. Outlines hardly traceable, in
dark Indian red; clean edge.

13 ) Nach Petrie’s eigenen Angaben (p. 19) waren viele dieser Bilder in sehr
brüchigem Zustande, so dass er sich veranlasst fand, die nur oberflächlich haftenden
Farben durch flüssig gemachtes Wachs an der Unterlage zu befestigen, indem er
glühende Kohle in einem Drahtgeflecht der Malerei nahe brachte, und die neue

— 201 —

Pulverform durchgehends mit Wachs angerieben (das durch Erhitzung zum
Siedepunkt gebleicht worden sein mochte (?)) und, wenn nötig, zum Zweck
der Auflösung in die Sonne gestellt oder bei kühlerem Wetter dem Heiss-
wasserbade unterworfen. Die Holztafel war meist von Cedernholz. manchmal
von Pinienholz und ^16 Zoll (engl.), gelegentlich auch 1 Ji Zoll dick; sie halt«’
eine Grösse von 9X1^ Zoll. Darauf war eine Grundierung in Tempera,
dann eine verschieden getonte Hauptanlage für Hintergrund, Gewand und
Fleischfarbe; darauf wurde die obere Farbenschicht aufgetragen, mitunter in
teigigem (pasty State), öfter noch in rahmälmlichem und leichtflüssigem
Zustande. Diese Einzelheiten zeigt ein unvollendeter Versuch auf einer
Tafel, die später umgedreht auf der Rückseite wieder benutzt wurde (jetzt
im Kensington Museum). Die grossen Flachen des Fleisches sind oft mit
einer dicken rahmigen Farbe und zickzackartigen Strichlagen
je J /e Zoll von einander entfernt, aneinandergereiht und zu einer beinahe
glatten Oberfläche vereinigt. Die Gewandung ist meist flüchtig mit leicht-
flüssiger Farbe und mit langen aus vollem Pinsel gegebenen Strichen
gemalt. In einem Falle ist zu beobachten, wie der volle Tropfen von Purpur-
wachs nach dem ersten Berühren der Fläche mit dem Pinsel sich beim Her-
unterstreichen verdünnte, bis am Ende des langen Striches der Pinsel flach
aufgedrückt erscheint, und jedes Pinselhaar einen Streifen von Wachs-
farbe auf dem Holz zurückliess. In Aegypten wird weisses Wachs
durch die gewöhnliche Sonne im April und Mai nicht nur erweicht, sondern
sogar an der Oberfläche geschmolzen. Es ist demnach evident, dass Wachs
ohne jedes künstliche Mittel während der halben Jahresdauer durch blosse
Sonnenwärme in flüssigem Zustande erhalten und verarbeitet werden konnte.
Unnötig ist es also anzunehmen , dass ein Lösungsmittel für Wachs wie
Terpentin oder Oele gebraucht wurden.» u )

Diese Erklärung des technischen Vorgehens steht nicht im Einklang mit J?» a ,? eT ‘ a

, r . ik » 11 1 , • r^ . 1 hrklarun»

der von Donner 10 ) autgestellten und von den meisten Gelehrten angenommenen der Technik.
Ansicht über die enkaustische Malerei der Alten. Nach dem Bekanntwerden
der Grafschen Gallerie hatte Donner mit einer gewissen Genugtuung kon-
statiert, dass die enkaustischen Mumienporträts seine früher geäusserte An-
sicht vollauf bestätigten. Danach sollten diese Gemälde mit Farben gemalt
worden sein, deren Bindemittel aus gebleichtem, mit „nitrum» oder Soda ge-
kochtem Bienenwachs (sog. punisches Wachs) bestanden, dem zum Zweck
grösserer Geschmeidigkeit und leichterer Verarbeitung in kaltem Zustande
etwas Olivenöl und Chiosbalsam zugeschmolzen wurde. Als Instrument zum
Auftragen und V erarbeiten der „Wachspasten aus punischem Wachs» sollte
ein aus Holz gefertigtes gezahntes lanzettähnliches Instrument (das von
Plinius genannte cestrum oder vericulum) gedient haben. Mittelst dieses In-
strumentes würden die Wachspasten in kaltem Z ustande auf die Tafel auf-
getragen und. wo es nötig war, mit dem’ „gewölbten Rücken» des Cestrum

Wachsschicht mit der alten Malschicht sich verschmelzen und an der Holzunterlage
befestigen Hess. In anderen Fällen war die Oberfläche der Wachsgemälde zer-
setzt und weiss geworden; mit Spiritus und hartem Pinsel reinigte er dann die
weissgewordene Wachsfläche und überzog sie mit einer dünnen Schicht von in Aether
gelöstem Wachs, wodurch die frühere Frische wieder zum Vorschein kam. Auf diese
Prozeduren beziehen sich die den Beschreibungen beigegebenen Notizen, wie „Remelted
with thin layer of wax added», oder ,.Rewaxed’- (p. 43 ff.).

u ) Dieser Ansicht muss entgegengehalten werden , dass die ägyptischen Maler
schwerlich ihre Werkstatt unter freiem Himmel und in der glühenden Sonne auf-
geschlagen haben werden, nur um ihre Wachsfarben weich zu halten. Wachs schmilzt
bei 62° C. also bei einer Temperatur, die nur in direkter Sonne erreicht wird. Mehr
Wahrscheinlichkeit hat die Benutzung des ,,Heisswasserbades» bei kühlerem Wetter;
aber selbst diese Annahme entspricht nicht der Handwerkszweckmässigkeit, weil es
einfacher ist, die Wachsfarben selbst über der Kohlenglut zu erwärmen, ohne sich
erst eines Heisswasserbades, das doch auch warm gehalten werden müsste, zu bedienen.

lb ) S. 0. Donner, Die erhaltenen antiken Wandmal. in techn. Beziehung, Leipz.
1869, S. 10 ff.; Derselbe. Ueber Technisches in der Malerei der Alten, insbes. in
deren Enkaustik, München 1885.

— 202 —

plattgedrückt, falls etwa zu starke Furchungen desselben störend wirken
könnten. Die Vollendung geschähe aber erst nach Schluss der Arbeit
durch das „Einbrennen», indem man entweder einen erhitzten Eisenstab oder
ein mit Kohlen gefülltes Metallgefäss (cauterium nach Donner) dem Bilde
nahebrächte. Dadurch würden die starken Ränder der Furchen weggeschmolzen,
diese sich etwas mehr ausfüllen und sich ein gleichmässiger firnisartiger Glanz
über die ganze Malerei verbreiten.

Aber wie könnte der Beweis geführt werden, dass die enkaustischen
Mumienporträts wirklich zuerst mit kalten Wachspasten gemalt und
n achher „eingebrannt» und dass der Pinsel dabei gar nicht angewandt worden
sei, ja (nach Donners Erklärung der massgebenden Pliniusstelle) bei der alten
Enkaustik überhaupt nicht angewandt werden durfte ? Gerade im Gegenteil
zeigen die besten der Grafschen Porträts unverkennbare Spuren von Pinsel-
technik und deutliche Anzeichen von flüssiger Wachsfarbe; auch Flinders
Petrie spricht von Pinseltechnik, von „leichtflüssiger Farbe und von langen,
aus vollem Pinsel gegebenen Strichlagen». Bei einem so auffallenden Wider-
spruch des tatsächlichen Befundes muss das technische Verfahren ein anderes
gewesen sein, als Donner angenommen hat. Und obendrein widerspricht er
sich selbst, da er in seinem Aufsatze „die enkaustische Malerei der Alten»
in dem (von F. H. Richter und Fr. von Ostini verfassten) Kataloge der
Grafschen Gallerie wiederholt von einer enkaustischen Pinseltechnik spricht
und offenbar die technischen Angaben des Kataloges, so z. B. dass „die Ge-
sichtsteile mit dem Cestrum», Gewand und Haare „enkaustisch mit dem
Pinsel» gemalt seien (Nr. 2, 4, 16, 22, 27, 28, 30, 34, u. s. w.) direkt nach
seiner Erklärung gemacht sind. Nur als „Ausnahme» wird erwähnt, dass
(bei Nr. 12) Kopf und Gewand „enkaustisch mit dem Cestrum» gemalt
worden seien.

Obwohl Donner also zugibt, dass die Maler von Rubayät „mit flüssig-
geschmolzener Wachs färbe in wenigen hastigen Zügen mit dem Pinsel
malten» und „ein rasches skizzenhaftes Aufsetzen von Lichtern und Tiefen
auf den ersten Lokalton hierbei möglich ist» (s. Katalog p. 39), erklärt er
doch an anderer Stelle, in den offenbaren Pinselspuren die „langgezogenen
Furchen seines gezahnten Cestrums deutlich (!) wieder zu erkennen» (s.
Techn. Mitt. f. Mal. 1888 p. 176; Graul p. 26 und allg. Ztg.) und fordert so
selbst den Zweifel an der Richtigkeit seiner Erklärung heraus. 16 )
Mumien- Fast noch lehrreicher, besonders für die Vielseitigkeit der technischen

des Berliner Verfahren, ist die Sammlung von ägyptischen Mumien und Mumienbildnissen
im Berliner Museum, wo die neu erworbenen Stücke in einem besonderen
Saale ausgestellt sind. Gleich im ersten Kasten fällt uns die Mumie auf,
die am Kopfende ein Porträt mit dem chokoladefarbigen Typus eines Negers
zeigt: breite Nase, aufgeworfene Lippen und schwarzes krauses Haar (s. Abb. 39).

Museums.

16 ) Eine Anzahl von Porträts — und dazu gehören die besten unter ihnen — ist
(naoh Donner) durch ein Verfahren hergestellt, das in einer Vermischung der reinen
Wachsenkaustik und der Eitempera besteht und das er daher mit dem Namen
„Wachstempera-Enkaustik» bezeichnet. „Hier ist dem Wachs kein Balsam zu-
gesetzt, sondern es ist in erwärmtem Zustande mit Eigelb und etwas Ei weiss, auch
einem (!) Tropfen Olivenöl zusammengerieben und geknetet und so mit Zusatz des
Farbenpulvers zu einer der Wachsbalsampaste ähnlichen Masse verrieben. Diese Masse
lässt si< h gerade wie die erstgenannte mit dem Cestrum verarbeiten und einbrennen (s. Nr. 5, 8). Sie bietet den Vorteil, dass man mit dem Pinsel und gewöhnlicher Ei- temperafarbe noch einzelne vollendende Striche und Schraffierungen hinzufügen kann» (Katalog der Grafschen Gallerie p. 40). Nach einer späteren Meinung Donners (Katalog der Ausstellung für Maltechnik, München 1893 p. 31) schmilzt die Malerei nicht so rasch wie bei der ersten Art (Cestrumenkaustik) , sondern „bräunte sich stark, wie die dunklen Flecken am Hals und am Ohrläppchen zeigen. Erst wenn man das Eisen darauf drückt . . . schmilzt auch sie. Sie verträgt demnach nur ein leichtes Einbrennen». Vom technischen Standpunkt muss hier eingewendet werden, dass eine Tempera von sog. punischem Wachs und Eibindemittel flüssig genug sein kann, um mit dem Pinsel aufgetragen zu werden, ein Auftragen mit dem ,, Cestrum» mithin als umständlicher Vorgang bezeichnet werden rnuss. 203 — Die Augen sind der damaligen Auffassung der Porträtmaler gemäss vergrössert, was hier bei dem ohnehin überlebensgrossen Kopf doppelt auffällt. Die Technik ist breit, die warmflüssige Wachsfarbe flott hingestrichen; vom Cauterium ist zum Fertigmodellieren wenig Gebrauch gemacht; man erkennt es nur an den Furchen in den Konturen. Auf den ersten Blick scheinen diese vertieften Linien mit dem Pinselstiele eingedrückt zu sein, aber für den mit der enkaustischen Malart Vertrauten wird es klar, worin der Unter- schied besteht, und dass es sich hier um Eindrücke des Metallinstrumentes handelt. Das Merkmal der späteren vereinfachten Enkaustik. die stets warm zu haltende Farbe und den Pinselgebrauch , scheinen mehrere der neuen Er- werbungen aufzuweisen, so Nr. 10126, 10130, vielleicht auch 10271, 10681. Merkmal späterer Enkaustik. **££■ Abbild. 89. Mumie mit eingefügtem Porträt (Enkaustik) graeco-ägypi. Periode (ea. 150 n. Ch Orig. im Berliner Museum. Ihnen ist, durch reichlicheren Gebrauch von Oel veranlasst, ein schlechteres Ansehen und Unscheinbarkeit der nachgedunkelten Farben eigen. Von den 13 an der drehbaren Mittelsäule aufgehängten Porträts aus Rubayät im Fayüm ist kein einziges in der enkaustischen Technik der Graf’schen Gallerie ausgeführt; aber unter den vermutlich in Wachstempera gemalten Bildnissen finden sich zwei von ungeheurem Reiz, das eine in tadel- loser Erhaltung. Das erstere, auf leider stark zersplittertem Holze gemalt (mit Nummer 10272 bezeichnet), zeigt uns einen Mädchenkopf von grosser Schön- heit ; ein tiefdunkles Auge (das andere ist weggesplittert) blickt uns an, so bezaubernd, unergründlich, dass es niemand vergisst, der es einmal gesehen ; ein Goldkränzchen im welligen Haar und das Purpurgewand deuten , wie auch der Goldhintergrund, auf vornehme Abstammung. — 204 — Das zweite, mit Nummer 10974 bezeichnete, das beste der an der Mittelsäule befindlichen Porträts (s. Abb. 40) zeigt einen weiblichen Kopf in dem einem antiken nachgebildeten Rahmen. Der Kopf der in Verkürzung von unten gemalten jungen Frau ist schön zu nennen; ein gewisser über- legener Stolz oder Trotz drückt sich sowohl in der Haltung als im Blick aus und lässt auf eine jener Frauen schliessen , welche eher zu befehlen als zu gehorchen gewohnt sind; sie scheint gleichfalls aus gutem Hause zu stammen, wofür auch der Goldschmuck und die sorgsam gekräuselte Frisur nebst dem purpurvioletten Mantel mit den schwarzen Achselstreifen sprechen. In technischer Beziehung ist dieses Portät von grösstem Interesse, schon wegen seiner aussergewöhnlich guten Erhaltung und der klaren frischen Farben; man könnte versucht sein, die Malweise für enkaustisch zu halten, doch be- Abbild. 40. Mumienporträt. Wachstempera? Schmuck plastisch erhöht und vergoldet (Orig. im Berliner Museum.) lehrte mich die genaue Betrachtung einzelner Partien mit der Lupe, dass hier ein vortreffliches Beispiel von punischer Wachstempera vorliegt; ein „Ein- brennen» dieser Art von Malerei ist untunlich, weil sich das mit dem punischen Wachs gemischte organische Bindemittel, wie z. B. Eigelb, leicht schwärzen würde. Das Eigelb hat aber als solches die gute Eigenschaft, das Auftrocknen zu beschleunigen und dadurch ein rasches Uebereinandermalen zu gestatten; in dieser Art ist meiner Meinung nach jenes Bildnis ausgeführt. Sehr be- merkenswert ist daran noch die plastische Erhöhung der Schmuckteile, wie Ohrgehänge und Halsgeschmeide, welche zeigt, dass diese Art der Aus- schmückung von Gemälden, die sich bis ins XV. Jahrhundert weiter aus- gebildet hat, schon lange vorher auf Mumiensärgen und Mumienmasken an- gewandt worden ist. Ein so frühes Beispiel dieser Verzierungsart auf Bildern — 205 — — der Fund wird um das Jahr 150 n. Ohr. datiert — war bisher nicht bekannt. Wegen der gleichfalls plastisch erhöhten reichen Vergoldungen von Interesse ist noch die Lein wandumhülln ng einer Mumie (Abbildung 41), im spätrömischen Stil vom 8. Jahrhundert n. Oh. (Nr. 11659 der Sammlung, von Professor Brugsch 1892 gefunden, Geschenk des Herrn R. Mosse, dem das Museum eine ganze Reihe hervorragender Stücke der Neuerwerbungen zu verdanken hat.) Die bemalte Leinwandhülle zeigt das lebensgroße Bild- nis einer reich mit Schmuck behangenen jungen Krau in ganzer Figur und ruhender Lage, den Kopf mit offenen Augen auf einem blauen Kissen liegend, mit einer Totendecke bis zu den Hüften zugedeckt, auf der allerlei heilige Tiergestalten in Reliefverzierung dargestellt sind; Arme und Finger tragen reichen Schmuck. Technisch bemerkenswert ist aussei’ der plastischen Re- Abbild. 41. Muniienumhüllung. Malerei auf Leinwand (Kopie nach d. Orig. im Berliner Museum). liefausschmückung, die mit Hilfe des Pinsels hergestellt zu sein scheint, noch der Umstand, dass man keinerlei Grundierung auf der Leinwand wahrnimmt, die Farben vielmehr in dünner einmaliger Schicht die Leinwand bedecken ; im ganzen ist jedoch die Ausführung hier roh und unkünstlerisch. Nach jeder Richtung hervorragend ist der ebenfalls auf Leinwand ge- malte Frauenkopf im letzen Kasten der vorhin betretenen Abteilung. Ich muss bei diesem neuen Fund meine Unkenntnis eingestehen , mit welcher Art von Farbe dieser prächtige, ausgezeichnet modellierte und Jordaens’sche Farbenfrische zeigende Portätkopf gemalt sei. Der Umstand, dass er, wie die oben erwähnte Leinwandumhüllung, auf einfacher ungrundierter Leinwand gemalt zu sein scheint, belehrt uns, dass unsere bisherigen Anschauungen über den Beginn der Malerei auf Leinwand sehr modifiziert werden müssen. Wir glaubten bisher, dass Malereien auf Leinwand nicht vor dem XV. Jahr- Mumien- porträts auf Leinwand. — 206 — hundert aufgekommen seien , dass man vorher wohl auf Stoffen gemalt habe, jedoch nur, wenn es sich um Fahnen, Helmzierden oder Dekorationen für Turniere u. dgl. handelte: jetzt sehen wir einen vorzüglichen, technisch vollendeten Porträtkopf aus den ersten Jahrhunderten n. Ch. auf Lein- wand gemalt in tadelloser Erhaltung vor uns, an dem nur die unterste Partie des Halses schmutzig und fleckig geworden. 17 ) Ausserdem gehört zu dieser Art von Malerei die in demselben Kasten befindliche Mumie mit dem Porträt eines jüngeren Mannes. An ihr ist noch das Folgende sehr bemerkenswert. Die Umwicklungsbänder sind hier ebenso angeordnet, wie auf Abb. 39 ; wir sehen ein System von Bändern oder Leinenstreifen, die so gelegt sind, dass die Figur einer Kassettierung entsteht. Die Mitte der Vierecke nimmt ein vergoldeter oder auch dunkelfarbiger Knopf ein. Es zeigt nur einer der mittleren Bandstreifen eine Färbung in schöner rosa Nuance; diese Farbe ist — Purpur, und zwar der von den Alten so sehr geschätzte tyrische Purpur, dieselbe Nuance, wie sie die Purpur- schnecke Murex brandaris gibt. Auch einzelne von den vergoldeten Masken der späteren Zeit, welche den Verstorbenen in halber Figur mit über die Brust gefalteten Händen darstellen, zeigen uns den Purpur als Farbe in vor- trefflicher Erhaltung; die Totenblumen, welche die Dargestellten in der einen Hand halten, sind mit dieser schönen rosa Farbe überzogen. Ob die blau- violette Farbe, welche mehrfach auf Mumienporträts bei der Gewandung verwendet wurde, Purpur von der Schnecke Murex trunculus ist, kann ich nicht entscheiden; es könnte ebenso die Farbe sein, welche aus Ochsen- zungenwurzel (Anchusa tinctoria) bereitet wurde und in der von Plinius be- zeichneten Mischung mit Wachs dieselbe Nuance bildet; nur bezweifle ich, ob sich die letztere so lange gehalten haben könnte. ,Prau Aiine». Am merkwürdigsten und wegen der sich daraus ergebenden Schlüsse von allergrösstem Interesse ist das auch auf Leinwand gemalte Porträt (Nr. 11411) einer Frau Aline, der Tochter eines Mannes namens Herodes, die nach der Inschrift der Grabtafel 35 Jahre alt starb und deren Mumie mit denen ihrer beiden Kinder in einem gemeinsamen Grabe von Prof. v. Kaufmann zu Hawara im Fayüm i. J. 1892 gefunden worden ist. 18 ) Die beiden Kinder- mumien samt den Porträts befinden sich ebenfalls im Berliner Museum. „Frau Aline’s» Kopf ist in guter Lebensgrösse dargestellt; ihre etwas groben, aufgedunsenen Züge finde ich nicht besonders sympathisch; für 35 Jahre sieht ihr Gesicht ziemlich welk aus und lässt frühere Schönheit nur vermuten. Die Hauptsache aber ist die technische Ausführung. Kenner sollen sich dahin ausgesprochen haben, dass die Malerei in Oelfarben aus- geführt sein müsse; bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass die Untermalung in ihrem grauen Gesamtcharakter dem zuvor erwähnten auf Leinwand gemalten Frauenkopf gleicht. Die wärmeren „Oelfarben- töne» sind darauf lasiert und wenig ineinandergemalt; die strichartig an- einandergereihten durchsichtigen Farbentöne lassen sogar darauf schliessen, dass dazu die warmflüssige Wachsharzfarbe der En- kausten späterer Zeit benützt worden sei. 19 ) «>) Vielleicht sind hier noch zwei bemalte Leinentücher, in welche die Mumien
eingehüllt worden waren, hinzuzurechnen. Die Darstellung (der Verstorbene steht
zwischen den Totengöttern üsiris und Anubis) mit fast lebensgrossen Figuren ist in
flüchtiger, charakteristischer Zeichnung ausgeführt, die Farben erscheinen aber durch
die auch räumlicb grossen Stockflecken sehr beeinträchtigt (Nr. 11651 und 11652,
2 Jhs. n. Chr.).

18 ) Vgl. Verhandlungen der Berliner Gesellsch. f. Anthropol., Bthnolog. und Ur-
geschichte in Zeitschrift f. Ethnologie 1892, p. 716.

lö ) Vgl. die sehr gelungene farbige Nachbildung dieses Porträts in Antike
Denkmäler, herausg. v. kais. deutsch. Archäolog. Institut Bd. II, Heft 2 1893/94.
Ueber die Technik äussert sich Donner v. Richter in derselben Publikation dahin,
das Bindemittel habe „mutmasslich aus Eigelb und Feigenmilch, das ziemlich kon-
sistent und ganz vorzüglich bereitet war», bestanden. Als Ursache des besonderen,
dem Charakter der Oelfarbe sehr ähnlichen Aussehens nimmt Donner die
durch die Leinenumhüllung durchgesickerten öligen Substanzen an, mit denen

— 207 —

Bei der hier in Abbildung 42 gegebenen Zeichnung habe ich sorgfältig
die Strichlagen angegeben, in denen die warmflüssige enkaustische Farbe
aufgetragen war. (Bei der Nachbildung in m. Versuchskollektion hatte ich

Abbild. 42. Porträt der Frau Aline. (Zeichnung nach dem Original des Berliner Museums).

eine Gummitempera als Untermalung gewählt; ähnlichen Erfolg habe ich
bei einem zweiten Versuch mit der punischen Wachstempera erzielt; s. Ab-
bildung 42 a).

die Körper bei den Einbalsamierungen behandelt wurden, und welche die Malerei
beträchtlich tiefer erscheinen lassen , als die nicht vom Oele berührten Teile. Eine
solche Durchtränkung mit öliger Substanz sei auch dem Porträt der Aline
widerfahren. Zum Glück in ganz gleichmässiger Weise, und daher rühre seine tiefe
Farbengebungl Gegen diese Erklärung der Technik hatte Prof. v. Kaufmann ein-
gewendet, dass das Porträt beim Auffinden der Mumie in voller Frische, leicht
glänzend erschien und erst später nachgedunkelt sei. „Die Porträts, auch andere
damals gefundene, schlugen, wie sich H. v. Kaufmann ausdrückt, am Tageslicht etwas
bei». Als Einbalsamierungsmasse wurde nur Pech gefunden. Insbesondere leugnet
derselbe die Existenz der von Donner supponierten „öligen Substanzen», mit denen
die Leiche behandelt sei. Prof. Salkowsky , welcher die Binden sowie die aus der
Mundhöhle ausgelösten Massen chemisch untersuchte, konnte nur eine geringe Menge
eines aromatischen Fettes (3,5 °/o des Extraktes) nachweisen , und zwar „eine so ge-
ringfügige, dass seine Anwesenheit sich durch „Fettflecke» wohl kaum verraten haben
kann». „Auch das sog. Leichenwachs (xidipocire), das ganz farblos ist und in kei ner
Weise eine ölige Beschaffenheit besitzt, könne keine Flecken von der Art der in
Rede stehenden hervorbringen» (vgl. Zeitschr. f. Ethnologie 1896, Heft 3 p. 200).

Trotz aller Vorsicht des Finders zeigte das Porträt der Aline nach einiger
Zeit nicht mehr dieselbe Leuchtkraft wie im Moment des Fiudens, und vor allen
Dingen war der ursprüngliche leichte Glanz zu vermissen, der die Farbe hatte frisch
erscheinen lassen. Um diesen Glanz wieder hervorzurufen, gab der treffliche Restaurator
des kgl. Museums Hauser nach verschiedenen gemeinschaftlich mit Prof. v. Kaufmann
angestellten Proben dem Bilde einen dünnen Ueberzug aus Wachs und Terpentin,
der den vollen Effekt des ursprünglichen Glanzes wieder erzielte (s. a. a. 0.).

In diesem Zustand war das Gemälde im Museum zu sehen, bis durch den
obigen Streit die Veranlassung gegeben ward, den Wachsüberzug wieder zu entfernen.
So ist jetzt dieses merkwürdige Bild wieder ganz matt und trübe. Von den „wie
Oelfarbe» leuchtenden Lasuren und den charakteristischen Pinselstrichen der warm-
flüssigen Wachsfarben ist nichts mehr zu sehen.

– 208 —

Schon die eine unbezweifelbare Tatsache, dass dieses Bildnis mit einer
grauen trockenen Farbe untermalt und einer firnisartigen fetten übergangen
ist, eröffnet den Kombinationen eine ungeahnte Perspektive. So vollkommen
war also schon das technische Können der alten Griechen aus-
gebildet, dass sie Lasuren in voller Farbe aufzutragen verstanden
und demnach die höchsten malerischen Effekte erzielen konnten.

Abb. 42a. Porträt der Frau Alino. (Versuch einer Nachbildung in der Technik des Originals

Porträt9 in

London und

Paris.

Vor den glücklichen Funden von Graf und Flinders Petrie u. A. waren
nur wenige Bilder ähnlicher Art bekannt.

Das British Museum besass anfangs der achtziger Jahre drei Porträts
u. zwar (nach Angabe von Henry 20 ):

1. Das Porträt einer jungen Frau, aus Memphis stammend;

2. die Hälfte eines weibliehen Bildnisses;

3. das Porträt eines jungen Mannes, an dessen Mumie befestigt.

In der Bibliotheque nationale zu Paris befand sich auf einem
Mumiensarge ein Teil eines weiblichen Porträts, der durch Vergleiohung mit
der Hälfte des Porträts im British Museum als zu diesem gehörig erkannt
wurde (abgebildet bei Oros et Henry p. 22).

Sechs weitere Porträts hatte das Louvre-Museum aus der Kollektion
von Clot-Bey erworben. Sie stellten Mitglieder der Familie des Pollius Soter,
Archonten von Theben zur Zeit des Hadrian, dar; davon sind drei in en-
kaustischer Art (abgebildet bei Cros et Henry Fig. 7 — 9), drei in Tempera
gemalt. 21 )

Alle diese Bilder stammen aus ägyptischen Gräbern, und ihre Echtheit
ist unbezweifelt. Bei den zwei in Italien gefundenen, angeblich en-
kaustischen Gemälden ist dies nicht der Fall. Beide sind nicht auf
Holz, sondern auf Schiefertafel gemalt. Verwunderlich kann das kaum
erscheinen, da alle Holzgegenstände, wie in Pompeji, durch die Feuchtigkeit
in fast zOOO jährigem Grabe vermodert sein müssen. Schiefer und Wachs
konnten sich unter günstigen Umständen erhalfen.

20 ) Cros u. Henry, L’Encaustique et les autres procedes de peinture chez les
anciens, Paris 1884 p. 21.

il ) Donner Technisches p. 46 ff. erklärt alle diese Gemälde für Temperamalereien.

209

Das eine stellt eine Cleopatra dar. Ea soll in 16 Stücke zerbroohen
im Schutte der Villa des Hadrian hei Tivoli gefunden worden sein. 1822
war es im Besitz eines Dr. Micheli in Florenz, nachdem es vorher von einem
Restaurator zusammengesetzt worden war. Man hielt es für echt, sogar für
das Originalgemälde, das den Triumphzug des Augustus nach den Siegen
bei Actium und in Aegypten schmückte. Cleopatra ist in lebensgrossem
Brustbild mit dem königlichen Diadem dargestellt ; mit der linken Hand hält
sie die Schlange an die entblösste Brust, von der die rechte Hand, wie es
scheint, eben das Gewand entfernt hat. Hals und Arme ziert reicher
Schmuck (Abb. 43).

Die Echtheit wurde bald bezweifelt, und das Bild für ein Werk des
XVI. Jhs. erklärt. Marchese Cosimo Ridolfi fand bei der chemischen
Untersuchung der Farben Wachs und Mastixharz, was allerdings auf
ein enkaustisches Verfahren hindeuten würde. Im Jahre 1882 befand es
sich in Piano di Sorrento in Privatbesitz.–)

Cleopatra.

Abbild. 43. Das in Tivoli gefundene Cleopatra-Bildnis (nach einem Kupferstich).

Das zweite Gemälde, die sog. „Muse von Cortona», ein Frauenbildnis
mit offener rechter Brust und einem Musikinstrument unter dem linken Arm,
wurde 1732 von einem Bauern zugleich mit antiken Statuetten in der Xähe
von Cortona in Mittelitalien gefunden. Die Schiefertafel, 38,5cm hoch und
33cm breit, ist vollständig intakt; die Figur hat etwa zwei Drittel der
natürlichen Grösse. Von der Familie des Finders als Madonnenbild in Ehren
gehalten, bis der Irrtum sich aufklärte, wurde es bald darauf 1735 von dem
Domänen-Besitzir Tommaso Tommasi erworben und gelangte schliesslich durch
Schenkung an die Accademia Etrusca zu Cortona, wo es im Museum nebst
anderen etruskischen Altertümern bewahrt wird. Marcello Venuti widmete
ihm eingehende Studien (in den Berichten der Accademia 1748 und 1791),

22 ) Vgl. Äntologia di Firenze Hd. VII 1822 p. 298. Lettere al Prof. Petrini :
p. 49 1 Appendice alla iettera di marchese Ridolfi. S. auch Angsb. Allg. Ztg. Beilage
188′, Nr. 227. „Ein Porträt der Kleopatra» von Dr. K. Schöner.

14

Muse von
Cortona.

— 210 —

und der Maler Cavalleri, der einen Aufsatz darüber veröffentlichte, deutet
es als Muse Polyhymma. rs )

Auch dieses Bild (s. Abb. 44) haben Zweifler als nicht antiken Ursprungs
in die Zeit der Renaissance verwiesen. Im Vergleich mit den enkaustischen
Mumienporträts fehlen hier allerdings die charakteristischen Anzeichen für
den Gebrauch eines metallenen Glühstäbchens, die vertieften Eindrücke desselben
und der dicke Farbenauftrag. Das Impasto des Fleisches ist sichtlich mit
dem Pinsel, ziemlich gleichmässig und in dünner Schicht aufgetragen; die
Farben sind klar, selbst in den Schatten, und die Erhaltung ist bis auf wenige
abgesprungene Stellen der Schattenpartie des Kopfes und der Brust (auf der
Photogr. durch Retouchen beseitigt) vortrefflich. Von Uebermalungen späterer
Zeit ist nichts zu bemerken, auch konnte ich nichts darüber erfahren, ob
bei der Reinigung des Gemäldes eine (jetzt entfernte) Firnisschicht vor-
handen war.

Abb. 44. Die sog. Muse von Cortona. Auf Schiefer gemalt. Nach dem Orig. photogr. von

Alinari (Florenz).

Ob das Gemälde wirklich antiken Ursprungs ist, darüber masse ich mir
kein Urteil an ; die Auffassung der Figur, Haltung und Ausdruck des Kopfes,
die Verteilung in dem oben giebelförmig ausgehenden Raum der Schiefer-
tafel sprechen nicht dagegen. Allem Anschein nach aber haben wir hier
kein enkaustisches Gemälde vor uns, eher vielleicht ein antikes Tempera-Ge-
mälde, das einzige, das uns einen Begriff von der hohen Vollendung, deren
diese Technik fähig war, zu geben imstande sein würde.

23 ) Sopra una antica greca pittura esistente nel museo dell’ Accademia etrusca
di Cortona riconosciuta per la musa Polimnia , osservazioni del prof. Ferdinando
Cavalleri, 1852.

211

3. Der Instrumentenfund von St. Medard-des-Pres und meine Versuche in

enkaustischer Technik.

In Verbindung mit den Mumienporträts aus dein Fayüm, die zum Teil
als Werke enkaustischer Technik erkannt worden sind, gewinnt der In-
strumentenfund von St. Mddard- 1 ) für die Erforschung diesei Technik grössere
Bedeutung. Gleich nach seinem Bekanntwerden hatte man in dieser Be-
ziehung die grössten Erwartungen gehegt, weil die chemischen Analysen in
dort gefundenen Farbenresten das Vorhandensein von Wachs und Mischungen
von Wachs festgestellt hatten; dann aber wurde versucht, den Zusammen-
hang der Fund gegen stände mit der Enkaustik zu leugnen oder nicht zu be-
achten ; sie galten einfach als Malutensilien. 25 )

Schon vor zehn Jahren war ich bemüht, diesen Zusammenhang wieder
zur Anerkennung zu bringen, und hatte durch einschlägige Versuche zu be-
weisen versucht, dass die in St. Mddard gefundenen Instrumente für en-
kaustische Malweise und nur für diese geeignet seien. Von diesen Ver-
suchen wird im folgenden die Rede sein, weil sie die Grundlage für die
Beurteilung gar mancher Einzelheiten der Technik geboten haben und weil
der Fund von St. M^dard-des-Pres der weiteren Erklärung der Enkaustik als
feste Basis zu dienen vermag.

Die folgenden Einzelheiten sind dem Buche von Benjamin Fillon,
Description de la Villa et du tombeau d’une femme artiste Gallo-Romaine,
decouverts ä St. Medard-des-Prös (Fontenay 1849) entnommen.

Im Jahre 1845 fanden Arbeiter beim Ausheben von Kalksteinen in
einem Feld südwestlich von St. Medard eine grosse Menge römischer Ziegel,
in der Tiefe eines Meters Reste von Mauern, überdies gebrochene Säulen-
schäfte und die Basis sowie Kapitale von Säulen. Bei fortgesetztem Graben
zeigten sich die Grundmauern einer Villa, das Atrium, Cavaedium mit dem
Compluvium in der Mitte u. s. w. ; dann einige Wirtschaftsräume mit ge-
mauertem Backofen und der Küche. Es fanden sich endlich auch Stücke
von Wandmalerei, welche der von Pompeji ähnlich war und teils mythologische,
teils naturalistische Motive behandelt zu haben schien (s. im Abschnitt: Chem.
Analysen S. 138).

Von grösstem Interesse für uns sind aber die Funde bei den Aus-
grabungen, die von Dr. Dragon am 27. Okt. 1847 begonnen und dann unter
seiner Leitung fortgesetzt wurden : Etwa 80 Meter von der Villa entfernt
fand man einige Glasväschen , und bald darauf wurde eine viereckige Grube
aufgedeckt, welche 4 Meter im Quadrat und in dem nach oben erweiterten
Teile 6 Meter breit war. Der Grund lag 2 Meter unter der Erdoberfläche

Der Fund

von St.M^dard-
des-Prös.

Die Villa.

Das Maler-
Grab.

– 4 ) Die Instrumente sind abgebildet bei Otto Jahn, Darstellung des Handwerks-
und Handelsverkehrs bei den Völkern des Altertums (Abhdg. d. sächs. Akademie d.
Wissenschaften Bd. V, Tafel 10 u. 11); Schreiber, kunsthist. Atlas; Blümner, Technol.
IV. p. 457. Hittorff, Parchitecture polychrome p. 532 ff.; Cros et Henry, L’encaustique
p. 30 u. 31.

2B ) Auch Donner, dem technisch so erfahrenen Künstler, kann der Vorwurf
nicht erspart werden , dass er dem Instrumentenfund von St. Medard nicht die Be-
deutung zuerkennt, die diesem gebührt, da die chemischen Analysen von Chevreul
Wachs, Harz und Gemische dieser Ingredienzien nachgewiesen haben. Donner
(s. Wandmal. p. 107) spricht den Alten die Benutzung derartiger Mischungen iu der
Malerei ab und will sie nur als Mittel zur Konservierung des Holzes, zum Ausstreichen
von Weinfässern, event. mit Farbe zusammengeschmolzen zum Holzanstrich an-
erkennen. Blümner IV 459, der sonst in allen Fragen der Enkaustik Donner recht
gibt, bemerkt dazu: „Allein es will mir doch sehr unwahrscheinlich vorkommen, dass
die Malerin, der dieses Malgerät einst gehörte, sich mit einer so untergeordneten,
handwerksmässigen Arbeit abgegeben haben sollte’ 1 . Und ebd. Anm. 1 : „Dass die
ebenfalls von Chevreul analysierten Reste von Freskomalereien der Villa, zu der das
Grab gehörte, weder Harz noch Wachs aufwiesen, ist hier durchaus nicht von dem
Belaug, wie Donner S. 110 und Techn. S. 65 glaubt; denn das ist ja freilich nicht
anzunehmen, dass die Malerin sich ihre Villa eigenhändig al fresco ausgemalt hat.
Sie dilettierte sicherlich in kleinen Bildern, enkaustisch oder a tempera , und dabei
mögen wohl jene Ingredienzien Verwendung gefunden haben».

14*

— 212

Fundbericht.

(s. d. Durchschnitt). Man fand keinerlei Mauer, nur einige ohne System hingelegte
Steine bedeckten das Grab. Der Sarg wie alle übrigen Gegenstände waren
von feinem Sand und durch Zersetzung organischer Stoffe schwarz gewordener
Erde umgeben; viele Gegenstände hatte die Schwere des Erdreichs zerbrochen.
Gefunden wurden folgende Gegenstände (s. Abb. 45 ; die Nummern ent-
sprechen den Nummern der folgenden Aufstellung):

. i

1 i t i i l i i i i i*.

Abbild. 45. Durchschnitt und Grundriss des Grabes von St. Medard-des-Pres.

— 213 –

1. In der nordwestlichen Ecke des Grabes stand ein Sarg- mit einem
Frauenskelett. 26 )

2. Dieser war umgeben von einer grossen Zahl von Glasväschen von
hellgrüner Farbe und aus künstlichem Kristall ; ferner

3. von farbigen Glasgefässen und Sohälohen aus gebranntem
Ton; in den meisten fanden sich Farbenreste.

4. In einer anderen Ecke standen sechs grosse irdene Amphoren.

5. In der gegenüberliegenden Ecke waren Reste eines hölzernen
Kastens mit ßronzegriff, einige Gefäsae aus sehr feinem Glas, ein gelbes
Töpfchen (Abb. 46a), das zierlich gearbeitete Heft eines Klappmessers
aus Cedernholz, dessen Klinge fast ganz oxydiert war (ebd. b) und zwei
kleine Zylinder aus Bernstein.

6. Daneben ein Mörser aus Alabaster mit Abguss und ein ala-
basterner Reibstein in der Form eines eingebogenen Daumens (Abb. 47 a u. b).

7. In der vierten Ecke wurde ein eisen beschlagener Kasten 27 ) ge-
funden, von dem freilich nur noch Reste erhalten waren. Dieser enthielt:

a) Ein Bronzekästchen mit Schiebedeckel (Abb. 46c), welches
aus vier, durch darüber gelegte silberne Gitter verschliessbaren Ab-
teilungen bestand, in denen Farbstoffe von unregelmässiger Form
lagen (Abb. 47 d und e) ;

b) eine mit Inschrift verzierte Basalttafel 28 ) von 0.14 m Länge und
0,09 m Breite (Abb. 47);

26 ) Wegen des weiblichen Geschlechtes dieses Skelettes steigen mir doch einige
Zweifel auf. Fillon sagt uns nicht, woraus er dies geschlossen und ob er Messungen
an dem Beckenknochen hat vornehmen lassen. Es scheint mir eigentümlich, dass
mau der Verstorbenen ein ganzes Handwerkszeug mit vielen Flaschen und grosse
Koffer mit Habseligkeiten mit ins Grab gegeben, ihr aber keinerlei Schmuck, weder
Ringe noch Armbänder, keine Fibula, nicht einmal eine Nadel im Haar gelassen haben
sollte; ausser dem in Gallien allen Toten beigegebenen Halsschmuck von Eberzähnen
wurde an dem Skelett nichts gefunden. Dann noch ein Bedenken: Unter den Flaschen
und Töpfchen fand sich eines, welches mit einem Phallus geziert warl Ich beraube
allerdings den Fund eines seiner eigentümlichsten Reize und kann auch der Reporter-
phantasie des Herrn Fillon keinen Geschmack abgewinnen, wenn er pathetisch be-
dauert, die junge Gallierin (denn sie musste doch jung gewesen sein) habe ihre im
Süden, also Rom, gereiften Talente ihren barbarischen Landsleuten widmen wollen,
aber sei, von ihnen unverstanden, vor Kummer und Gram im rauhen Norden gestorben.
Viel wahrscheinlicher will mir die Annahme scheinen , der Maler hätte als Gast im
Hause des Prätors der Provinz odor eines sonstigen hochgestellten Galliers geweilt,
sei dort gestorben und nach der in Gallien herrschenden Sitte begraben worden.

«) In Betreff der Grössenverhältnisse des Kastens, die Fillon in seiner
Beschreibung gibt, zeigt sich eine für unsere Frage nicht unwichtig scheinende
Differenz. Dort ist die Grösse des „coffret» mitsamt seinem Inhalt, u. zw. 1. Boite ä
couleurs de bronce, 2. Godet ou petit mortier de bronce, 3. Etui contenant deux
petits cuilliers aussi de bronce, 4. Deux manches de pinceaux en os, 5. Une palette
en basalte, mit 0,25 Länge, 0,15 Breite und 0,10 Höhe angegeben. Vergleicht man
aber die Zeichnung des Grundrisses, auf der doch gewiss alle Masse richtig ein-
gezeichnet sind, so ergibt sich, dass das Köfferchen fast die doppelte Grösse hatte;
dagegen stimmen die Länge n und Breitenmasse (0,25 und 0,15) der eingezeich-
neten „boite ä couleurs» mit.Fillons Grössenangabe des „coffret». Im Verhältnis
zum „petit mortier de bronze», den Fillon auf der VI. Tafel seiner „Description» in
natürlicher Grösse abgebildet hat (s. p. 73) und der dort einen Durchmesser von
0,5 hat, würde die ,,boite ä couleurs’ 4 nur etwa 0,7 breit und 0,12 lang sein. Die
Löffelchen messen auf diesen Zeichnungen 0.15— 0,16 m, während auf dem Grundriss
die Länge des Etuis doppelt so gross und der Länge der „boite ä couleurs» gleich ist,

Zur Beseitigung dieser Differenz war ich bemüht, den gegenwärtigen Ver-
wahrungsort der Objekte zu finden, leider vergebens, denn weder in Paris ( Musee de
Cluny, Bibliotheque nationale) noch im Museum der nationalen Altertümer in St.
Germain-en-Laye sind sie bekannt. Sie sind, scheint es, überhaupt verschollen. In
Fillons Nachlass, der 1882 versteigert wurde, fehlten diese Objekte bereits. Sind sie
vielleicht in einem kleinen Provinzialmuseum der Vendee aufbewahrt?

28 ) Die Basaltplatte des Fundes trägt eine Inschrift; da im Fundbericht nur von
einer solchen Platte die Rede ist , scheint diese auf der Abbildung 47 nur deshalb
auch in der Aufsicht gezeichnet zu sein, um die Inschrift zu zeigen. Auf der Jahn-
schen Zeichnung ist diese Wiederholung auch weggelassen; bei Blümner IV p. 457
(Zeichnung nach Jahn) ist der auf Fig. 46 g befindliche Schiebedeckel des Kästchens
fälschlich als Reibplatte bezeichnet.

— 214 —

c) eine runde Büchse oder Mörser aus Bronze (Abb. 46 d) ;

d) ein Etui mit zwei zierlich gearbeiteten Löffelchen aus Bronze
(Abb. 46 e und Abb. 47 g);

e) zwei kleine Schaufeln aus Bergkrystall, von denen die eine zer-
brochen war; sie enthielt Goldpulver mit einer gummösen Substanz
vermengt (Abb. 46 f);

f) endlich zwei Pinselstiele aus Bein (0,12m lang).

– 8. Neben dem eisenbeschlagenen Kasten standen einige grosse Gefässe
aus hellem Glas; dann

9. eine grosse Flasche aus hellem Glas, mit einer blauen Masse gefüllt;

Abbild. 46. Malutensilien des Fundes von St. Mödard-des-Pre’s. (Nach Benj. Pillou und nach
O. Jahn in Abhandl. der Sachs, ües. d. Wissenschaften Bd. V.)

10. ein kleines Pläschchen aus hellem Glas, ein Gefäss aus schwarzem
Ton und ein anderes aus weissem Glas, das erstere mit Terra di Siena,
das zweite mit Aegyptischem Blau, das dritte mit Harz gefüllt;

11, 12 und 13. Reste grösserer Holzkisten mit eisenbeschlagenen Ecken,
deren Inhalt nicht mehr erkennbar war.

Die Anwesenheit der im Bronzekästchen und den zahlreichen Pläschchen
(im ganzen gegen 80) befindlichen B’arben geben dem Funde unzweifelhaft
den Charakter eines Malergrabes. Pillon berichtete darüber unverzüglich an
den damals bedeutendsten Archäologen Frankreichs Letronne, der in seiner
Antwort schrieb :

— 215

„Sie haben einen in seiner Art einzigen Schatz in Händen, und
ich schätze mich glücklich , die gelehrte Welt davon in Kenntnis setzen zu
können. Rechnen Sie auf den Eifer des alten Altertumsforschers. Sie wissen
ja selbst, welchen Wert ich allem beimesse, was geeignet ist, Licht auf die
Frage zu werfen, die von uns mit besonderer Sorgfalt studiert worden ist
und die lange und peinliche Debatten [mit Raoul Rochette] hervorgerufen
hat. Die geschriebenen Dokumente geben mir Recht; ich hoffe, dass die
Chemie mir gleicherweise zu Hilfe kommen wird.»

Einige Tage später beauftragte Letronne seinen Freund Chevreul, der
damals mit seinen „Considerations geneVales sur l’histoire de la chimie chez

Chevreul’a
chemische
Analysen.

Abbild. 47. Malutensilien des Fundes von St. Medard-des-Prös.

les anciens peuples» beschäftigt war, mit der chemischen Analyse einiger
Farbstoffe und anderer Gegenstände des Fundes. Der Bericht darüber er-
schien unter dem Titel : Recherches sur plusieurs objets d’arche’ologie trouves
dans le Departement de la Vendee, Bd. XXII der Memoires de l’Acaddmie
des Sciences, Paris 1850 (s. Anhang III).

Diese Chevreul’schen Untersuchungen, welche reines Bienen wachs
in einer der grossen Amphoren, Harz und Wachs gemengt in einem
anderen Gefäss, Stücke von Pinienharz in einem Glasgefäss und die An-
wesenheit von Oel- oder Fettsäuren in Farbenmischungen konstatierte,

216

Erklärung dt
Utensilien.

sind für die Erklärung der Malutensilien von allergrösster Wichtigkeit. Die
Vermutung liegt nahe, dass es sich bei dem ganzen Funde um eine Wachs-
technik handle und demnach alle dabei gefundenen Instrumente die für
die antike Enkaustik geeigneten sein können.

Unter den einzelnen Objekten des Fundes, fällt unser Blick vor allen
auf die in einem besonderen Bronze-Etui aufbewahrten zwei Löffelchen
(oder Spateln?) aus Bronze von zierlicher langgestreckter Form mit ver-
dickten Enden. Wenn es Löffelchen zum Aufnehmen oder Zumischen von
Farben sein sollten, wozu der überaus lange Stiel und das paarweise Auftreten
in einem besonderen Etui? 29 ) Man betrachte doch ganz genau das Bronze-
kästchen („boite ä couleurs»), die vier durch silberne durchbrochene Gitter
verschliessbaren Abteilungen, dazu den Deckel, der wie ein Schieber ein-
gerichtet das ganze Kästchen hermetisch verschliessen kann! Und das
sollte nur zum Aufbewahren von Farben dienen, die Löcher zum Hinein-
schauen (!) dasein und zu nichts sonst? Die bemerkenswerte oben ab-
geschlossene Ausgu ss Öffnung des Alabastermörsers — muss sie nicht
einen besonderen Zweck haben? 30 ) Die Farbenreste, deren Form erkennen
liess, dass die Masse in flache Näpfchen (oder Muscheln) geschüttet worden

Abbild. 48. Gefässe und Farbenfläschchen des Grabes von St. Medard.

Versuche mit
gleichen In-
strumenten.

war und darin erhärtete, die ungemein engen Hälse der Farbenfläschchen
(Abb. 48), das Klappmesser und die mit Inschrift versehene Basalt –
tafel — deuten diese Dinge nicht auf besondere Eigentümlichkeiten tech-
nischer Art, die von den sonst bekannten ähnlichen Dingen erheblich ab-
weichen? Wie konnte man das alles sehen, ohne sich zu sagen: Das sind
Dinge, die einen bestimmten Zweck haben müssen!

Nachdem fortgesetzte praktische Versuche mit Instrumenten, die den
Originalen genau nachgebildet waren, mich von der Möglichkeit ihrer An-
wendung überzeugt haben, meine ich, dass die beiden Löffelchen sich vor-
trefflich dazu eignen, die heissflüssige Wachsfarbe aus flachen Näpfchen
herauszuschöpfen und bequem auf eine Holzfläche (Malbrett) auszubreiten und
verschiedene so nebeneinander ausgebreitete Farbentöne durch das erwärmte
andere, verdickte Ende des Instrumentes zu vereinigen, wodurch, wie
meine Versuche zeigten, sich eine Modellierung der Form erreichen liess, die
äusserlich einigen der Graf’schen Porträts aus dem Fayüm merkwürdig ähn-

29 ) Aehnliehe Löffelchen , in besonderem Etui eingeschlossen , sind auch in
Pompeji gefunden worden: s. den Abschnitt Malgeräte, Anhang II.

30 ) Der Mörser hat seitlich drei vorspringende Teile , um dadurch über dem
Rande eines Dreifusses Halt zu bekommen. Ein ähnliches Gefäss mit vorspringendem
Rand ist auf der Abbildung des Stuekarbeiters S. 103 zu sehen

— 217 —

lieh war; dass das zweite Instrument erhitzt, worden konnte, während das
erste noch im Gehrauch war, woraus auch sein doppeltes Vorhandensein
sich erklärt; dass das Bronzekästchen mit den durchbrochenen Silber-
deckeln nichts anderes sein kann als ein Wärmapparat zum Heisshalten
der in den Näpfchen befindlichen Wachsfarben 8l ) und zum Erwärmen
der als Brenngriffel oder Glühstäbchen dienenden Bronzelöffelchen; dass der
oben verschlossene Ausguss des Alabastermörsers nur den Zweck ge-
habt haben kann, die beim Schmelzen von Wachs unvermeidlichen Bläschen
zurückzuhalten, damit sie beim Anmachen der Farbentöne nicht hinderlich
werden; dass auch das Klappmesser in Beziehung zur enkaustischen Technik
steht, denn beim Auftragen und Nebeneinanderschichten schnell erhärtender
Wachsfarben bilden sich Unebenheiten oder Anhäufungen von Farbenmassen,
die mit dem Messer leicht abgeglättet werden können u. a. m.

Je mehr ich mich mit dieser Technik befasste und mit den Löffelchen
mit verdickten Enden , dem Wärmapparat und den heissen Wachsfarben zu
hantieren und gewisse Kunstgriffe anzuwenden lernte, desto mehr kam ich
zu der Ueberzeugung, dass sich für diese Art der Technik kaum prak-
tischere Instrumente ersinnen Hessen als die in dem Funde von
St. M^dard vereinigten es sind.

Bei allen diesen Versuchen 32 ) bin ich von der Voraussetzung ausgegangen,
dass jene Instrumente zusammen ein geschlossenes Ganze bilden und
dass sie für sich allein genügen müssten , ein enkaustisches Gemälde her-
zustellen. Vor allem handelte es sich darum zu zeigen, dass ohne An-
wendung eines Pinsels enkaustisch gemalt werden kann und somit

S1 ) Bei der Auffindung lagen in dem Kästchen Farben verschiedener Form:
1. Solche, welche in flachen Schälchen verwendet wurden, wie auf Abbild. 47 Fig. d
und e, die deutlich die Form von Schälehen oder Muscheln erkennen lassen. Die
Schälchen oder Muscheln waren mit der Zeit natürlich in Staub zerfallen. 2. Solche
in Plattenform; der Fundhericht spricht von „unregelmässigen Farbenstüeken , bei
deren Herstellung man sich begnügte, die Masse auf eine ebene Fläche zu schütten
und sie so erhärten zu lassen (pains de couleurs saus forme reguliere; en la fabriquant
on s’est content^ dp verser la matiere reduite en päte liquide sur une surface plane
et de la laisser secher). Vielleicht diente dazu die Basaltplatte des Fundes?

3i ) Bei diesen Versuchen ist es mir auch immer klarer geworden, wie zweck-
entsprechend das Kästchen des Fundes eingerichtet ist, um als Wärmeapparat
zu dienen. Die 4 Abteilungen befremden im ersten Augenblick, sie erscheinen so-
gar überflüssig; wenn man sich aber in die Lage eines mit Wachsfarben und Brenn-
griffeln hantierenden Malers versetzt’, wird man den Zweck der vier Abteilungen
bald herauszufinden verstehen. Beim ersten Teil der Arbeit, nämlich dem Auftragen
der heissflüssigen Wachsfarben, ist eine möglichst gleichmässige Wärme erforderlich;
alle vier Abteilungen sind mit glühenden Kohlen angefüllt , um möglichst viele der
in Näpfchen bereiteten Wachsfarben gleichzeitig zu erwärmen Auch zum Herstellen
der Farbenmischungen ist dies zweckmässig. Im weiteren Verlauf der Arbeit sind
immer weniger Farbentöne nötig, endlich genügt nur eine Abteilung während die
übrigen durch Einschieben des Deckels zum Verlöschen gebracht oder in ge-
linderem Brande erhalten werden können. Zur Erwärmung der beiden Brenngriffel
(Cauterien) genügt das Inbrandsetzen nur einer Abteilung, und — sehen wir genau
auf die Zeichnung — deshalb ist auch ein Deckel von den vier nicht durchbrochen;
er wird einfach aufgehoben, um die Griffel abwechselnd hineinstecken zu können.
Ist der Maler mit der Arbeit fertig oder will er sie unterbrechen, dann verlöscht er
mit dem Schiebedeckel die Glut. Da die Wandungen des Kästchen sehr dünn (aus
gehämmertem Metall auch widerstandsfähiger) sind, kühlt der Apparat bald aus;
man konnte die Kohlenreste und Asche leicht entfernen und den so leer gewordenen
Raum zur Aufnahme der vorher auf dem Apparat befindlichen Näpfchen u. dgl. ver-
wenden (wie ich es auch bei meinem Apparat getan habe, weil sonst ein zweites Be-
hältnis nötig gewesen wäre). Dies mag auch der Grund sein , dass beim Auffinden
des Kästchens Farben darin lagen.

Auf einen weiteren Umstand, der mir erst im Laufe der Versuche aufgefallen
ist, muss hier noch aufmerksam gemacht werden: die glühenden Kohlen erzeugen
auch nach unten starke Hitze, und obwohl mein Wärmapparat von vorneherein
auf allerdings sehr niedrige Füsse gestellt war, kam einmal die Tischplatte in Ge-
fahr versengt zu werden ; ich stellte deshalb das Kästchen in der Folge auf eine
steinerne Reibplatte als Unterlage. Dieser Umstand führt mich darauf, dass die mit
Inschrift versehene Basaltplatte des Fundes, ausser zu dem Anmerk. 31 erwähnten
Zweck, vielleicht auch als Unterlage des Wärmapparates gedient haben kann.

— 218 —

diese Malweise mit den Nachrichten der Alten in Einklang steht. Anlass zu
weiteren Versuchen gaben die deutlichen Pinselspuren an dem Beiwerk,
den Haaren und der Gewandung vieler und gerade der allerbesten enkaustischen
Porträts aus dem Payüm und die bestimmte Angabe bei Plinius, dass bei
der dritten enkaustischen Art heissgelöste Wachsfarben mit dem Pinsel
aufgetragen wurden. Es stellte sich bei diesen Versuchen, den Pinsel zum
Auftrag der heissflüssigen Wachsfarben zu gebrauchen, vor allem die Not-
wendigkeit heraus, dem Wachsbindemittel grössere Mengen von Harz oder
Oel zuzusetzen, als bei der ersten Art. War vorher die Menge des Wachses
grösser als der Zusatz, so musste jetzt mehr Harz und Oel genommen werden.
Bei manchen Farben war es verschieden, aber schon beim Anmischen der-
selben war zu erkennen , ob das Wachs-Harz-Oel-Bindemittel zweckent-
sprechend war: bei zuviel Harz zog sich die Farbe zu Fäden; bei zuwenig
Oel Hess sie sich nicht gut aufstreichen ; bei zuviel Wachs erstarrte sie zu
schnell im Pinsel. Durch richtig gewählte Mengen der Zusätze war sehr
bald das Material gebrauchsfähig hergestellt , und ich versuchte dann mit
Hilfe des Pinsels einen Kopf zu malen.

Was früher die Löffelehen bewirkten, nämlich eine erste allgemeine
Anlage, das konnte jetzt mit den Pinseln bewirkt werden, wenn man so
flink, als nur möglich war, die Farben aus den Näpfchen holte, an ihren
richtigen Platz brachte und den nächsten Ton, schon vorgemischt, mit dem
gleichen Pinsel daran setzte. Auch hier häufte sich die schnell erstarrende
Wachsfarbe an einzelnen Stellen mehr an, aber es war nicht in dem Masse
der Fall wie früher, und die Hauptsache war: durch Regulierung der Zu-
sätze von Harz und Oel Hess sich ein viel längeres Flüssigerhalten der
Farben ermöglichen. Für kleinere Lichter konnten kleinere Pinsel dienen,
und es war ein bei weitem schnelleres Untermalen möglich, also eine
ungleich grössere Erleichterung des ganzen Verfahrens als zuvor.

Diese Untermalung liess auch eine Ausarbeitung zu, genau wie bei der
ersten Art, und diese gelang in ganz derselben Weise mit Hilfe der beiden
heissgemachten verdickten Enden der Bronzelöffel (oder der „Cauterien»), die
immer abwechselnd erhitzt und zum Ineinanderschmelzen , Abgleichen und
Modellieren der Form gebraucht wurden. Nach wenigen Versuchen liess
sich mit diesem Verfahren eine gewisse Vollkommenheit erreichen, und die
Resultate glichen den Vorbildern aus hellenistischer Zeit mitunter in über-
raschender Weise; bei fortgesetzter Uebung darin könnte ein begabter Künstler
es gewiss zu gleicher Vollendung bringen, wie sie die ägyptischen Porträts
zeigen. Dass die Ausübung dieser Technik keine allzugrosse Kunst erfordert
für jemand, der überhaupt malen gelernt hat, braucht kaum besonders betont
zu werden ; die hier beigegebenen Abbildungen nach einigen meiner Versuche
sollen dies anschaulich machen (s. Abb. 49 zweite und dritte Reihe).

Dabei ist mir folgendes klar geworden : dass man auf vielen dieser
Porträts Hintergrund, Gewand, Haare und Beiwerk meist nur flüchtig mit
dem Pinsel in dekorativer Art hingestrichen sieht, hat darin seinen Grund,
dass diese Stellen noch von der ersten Anlage stehen geblieben sind ; die
Gesichtsteile sind aber ursprünglich genau ebenso mit dem Pinsel und
heissflüssigem Wachs angelegt worden, um nachher mit Hilfe der bronzenen
Instrumente, die als Cauterien fungierten, die gewünschten Grade der Voll-
endung zu erhalten. Die Zuhilfenahme des Pinsels bei dieser kombinierten
Art der Technik scheint demnach eine grosse Erleichterung und eine Ver-
besserung der enkaustischen Malweise zu sein.

Abb. 49. Versuche in Tempera und in Enkaustik.
Obere Reihe: Eitempera. Zweite und dritte Reihe: Enkaustik in der Art der hellenistischen

Mumienporträts.

— 219 —

4. Ergebnisse für das Wesen und die Entwickelung der enkaustischen Technik.

Aus den bisherigen, mit möglichst vollständiger Darlegung des Materials
geführten Untersuchungen stellen wir nunmehr die Ergebnisse fest , indem
wir eine Beschreibung der drei verschiedenen Arten versuchen.

a. Die Oauterium-Technik.

Ueber diese ist nach allem Vorangegangenen wenig mehr zu sagen.
Was wir vor allem kennen zu lernen wünschen, die authentische Form des
cauterium, sie bleibt leider noch ungewiss. Echte Exemplare aus der Zeit
des Plinius mögen wohl noch vorhanden sein unter den Massen antiker In-
strumente, die in den Museen aufgehäuft sind, aber wer dürfte sich getrauen,
sie herauszufinden und ihre Identität mit dem enkaustischen Malwerkzeug zu
beweisen ? Vielleicht , sogar wahrscheinlich ist die Form im Laufe der Zeit
nicht dieselbe geblieben, wie auch der Name gewechselt zu haben scheint,
da bei den älteren griechischen Schriftstellern nur vom ^aßoc’cv die Rede ist,
während der von Plinius gebrauche Name griechischen Ursprungs bis in die
letzten Zeiten des Altertums sich erhalten hat. 33 ) Aber so ungewiss seine Form,
so gewiss ist sein Stoff: es war ein Metallinstrument, da es, um seinen
Zweck zu erfüllen, heissgemacht werden musste.

Als eben so sicher ist es anzunehmen, dass auch das Wachs zum Be-
ginn des Malens heissgemacht und für die Dauer der Arbeit in diesem Zu-
stande erhalten worden ist. Die litterarischen Zeugnisse widersprechen dem
nicht, wie wir gesehen haben, und die Natur des Wachses verlangt es. Jeder
Versuch ist ein neuer Beweis, dass das Wachs in kaltem und konsistentem
Zustande, selbst wenn es durch irgendwelche Zusätze weich und bildsam
gleich Modellierwachs gemacht ist, mit heissgemachten Instrumenten
allein sich nicht so verarbeiten lässt, wie es die Ausbreitung einer dünnen
Farbenschicht, deren dauerhafte Befestigung auf dem Malgrunde und das
Ineinanderschmelzen der hingesetzten Töne unbedingt erfordern. Durch Wärme
lässt sich das Wachs zwar leicht schmelzen , aber auch dann erstarrt es
wieder sofort mit beginnender Abkühlung, und dieser harten oder zähen
Sprödigkeit ist nur dadurch zu begegnen, dass man es heiss mit heissen
Werkzeugen behandelt und dafür sorgt, dass diese zweifache Erhitzung
fortwährend vorhanden sei.

Diese beiden Punkte, auf die es wesentlich ankommt, hat auch Arnold
Böcklin, 34 ) in teilweiser Anlehnung an Requeno, zur Voraussetzung seiner

Form des
Cauterium?

88 ) Nach Donner Wandmalereien S. 23 Anm. 72 hätte es noch einen dritten
Namen gegeben, nämlich ÖTtoypoccpig. Er schliesst dies aus Pollux VII, 128 ypoccplg ^
ÖTtoypacpfc;, weil beide verschieden sein müssten und weil Pollux IV, 181 die unoypacpts
auch unter den chirurgischen Instrumenten anführe und Hemsterhuis das Wort ein-
mal mit sector, das andere mal mit spathula übersetze, Es sei eine ypacpig (Zeichen-
stift) mit lanzettförmigem Spatel an dem einem Ende. Blümner IV S. 450 Anm. 1
bezeichnet „diese Vermutung deswegen als sehr fraglich , weil ÖTtoypäcpeiv ein sehr
gewöhnlicher Ausdruck für Zeichnen und Malen sei, ÜTtoypacpic; also vermutlich jedes
dazu geeignete Gerät bezeichne». Will man, obwohl Pollux ypotcpig y/ (nicht xal) urcoypacpis
sagt, durchaus einen Unterschied ausfindig machen, so könnte dieser nur in bnö liegen,
und da ypacptg auch der Ausdruck für Pinsel ist (s. Blümner IV S. 425 Anm. 5), so
könnte uuoypacpig etwa eine besondere Art von Pinsel sein, womit man die Vor-
zeichnung unter dem Gemälde, die erste Anlage in Umrissen, oder auch die erste
Untermalung machte. Damit würde auch der Gebrauch von ÜTtoy passiv und ‘jrcoypaeprj
insofern übereinstimmen, als sich beide auf „das Zeichnen des Umrisses als der Grund-
lage zu weiterer genauerer Ausführung» beziehen und bei Lucian ÖTioypäcpsiv auch
vom Untermalen der Augen gebraucht ist, wofür Blümner IV S. 421 Anm. 4 die Be-
lege bietet — Was das |5aߧiov betrifft, so wird man aus dem Wortwitz des Spötters,
der jSaßSoSiaixog (vom (5aß3iov lebend) statt äßpo5(ai.xos (in Ueppigkeit lebend) auf der
prahlerischen Inschrift setzte, die Parrhasios auf sich selbst gedichtet hatte, nicht
schliessen dürfen , dass Parrhasios ein enkaustischer Maler gewesen sei , als welcher
er sonst nicht genannt wird; vielmehr wird j5aß3£ov hier im allgemeineren, typischen
Sinne für Malerwerkzeug überhaupt gebraucht sein (S. Athenaeus XII, 62 und XV, 35).

3l ) Böcklin ‘s Versuche sind beschrieben von Rud. Schick in seinen Tage
buchaufzeichnungen aus den Jahren 1866-1869 über Arnold Böcklin, herausgeg. von

Böcklin’s
Versuche.

– 220 —

Versuche genommen, als er Ende der sechziger Jahre, vor mehr als drei
Jahrzehnten, auf praktischem Wege die alte Enkaustik wiederzufinden unter-
nahm. Er hatte damals noch keine Kenntnis von den Mumienbildnissen,
er hat sich auch schwerlich den Kopf zerbrochen über die richtige Erklärung
der vielbesprochenen grundlegenden Stelle bei Plinius ; aber seine geniale
Intuition für alles Technische in der Malerei hat auch hier den Kernpunkt
der Frage richtig erfasst, im Gegensatz zu den meisten, ja allen Theorien,
die vorher und gleichzeitig aufgestellt worden und längere oder kürzere Zeit
in Gültigkeit gewesen sind.

Meine eigenen Versuche, die ich, unabhängig von Böcklin und hauptsäch-
lich angeregt durch das Studium des Fundes von St. Me»dard, vor zwölf Jahren
begann, haben mich von Anfang an zu derselben Erkenntnis der Hauptpunkte
geführt. Wenn ich auf Grund derselben das Verfahren bei der Ausführung
eines enkaustischen Gemäldes in allen seinen Einzelheiten beschreibe, so wird
dies die geeignetste Art sein , von der alten Cauterium-Technik eine Vor-
stellung zu geben.
T y ch r ni a 8 ^ hpr An Instrumenten und Materialien sind dazu nötig und von mir als

praktisch befunden: Ein Kästchen aus Metall mit durchbrochenem Deckel
(in der Grösse von 12 cm: 20 cm und 10 cm tief) zur Aufnahme von Kohlen
und zum Warmhalten der Wachsfarben und andererseits zum Erhitzen der
Cauterien. Zwei Cauterien aus Bronze, jedes mit einem verdickten und
einem löflelförmigen Endo. Mehrere niedere Näpfchen aus Steingut oder dgl.
zur Aufnahme und zum Anmischen der Farben, Fläschchen mit ver-
schiedenen Farbenpulvern, weisses Wachs in Stücken, gepulvertes Harz
und ein kleines Fläschchen mit Oel. In einem grösseren Tiegel hält man
eine Mischung von Wachs und Harz oder Oel bereit, die so hergestellt ist,
dass erst das Wachs geschmolzen , dann das Harzpulver (Mastix oder Kolo-
phonium) flüssig gemacht und schliesslich etwas Oel, z. B. Nussöl , zuge-
gossen wurde. Diese Mischung soll im kalten Zustand ziemlich fest sein, so
dass mit dem Daumennagel kaum Eindrucke gemacht werden können. Für den
Wärmapparat benutzte ich zur Erhitzung anfangs kleine Spiritusbrenner, aber

Hugo v. Tschudi , Berlin 1901. Wir finden dort folgende interessante Einzelheiten
(p. 146) vom 19. Aug. 68: „Böcklin sprach über antike Enkaustik, die von der
neueren sog. Enkaustik, bei welcher mit Wachs und Terpentin (kalt) gemalt wird,
himmelweit verschieden gewesen wäre. Man hätte noch genaue Nachrichten darüber,
und im Neapolitanischen Museum würden noch einige von den eisernen Spateln auf-
bewahrt, mit denen man (in glühendem Zustande) die Wachsf’arbe aus den Töpfchen
holte und auf das Bild schmolz. Sie hätten verschiedene Formen , je nach ihrer Be-
stimmung, und ein eisener Kolben diente dazu, recht lange die Hitze festzuhalten,
damit das dünne Maleisen nicht so schnell verkühlte. Der Handgriff war von Holz
oder bewickelt.»

Dann vom 5. Okt. 68 (p. 177): „Er schmolz Harz mit den einzelnen Farben
über Feuer in Töpfen zusammen und tat dann eine gewisse Quantität Wachs dazu.
Dadurch bleiben die Farben schon bei geringem Wärmegrad des Wachses schmelzbar,
während Harz allein viel Hitze erfordern würde. . . Nach diesen Vorbereitungen wurden
die Farben auf einen Kohlenofen gestellt, damit sie flüssig bleiben, und man fährt
dann mit den Maleisen (die sich Böcklin hat machen lassen und die einen Glühkolben
und Handgriff haben) in die Farbentöpfe, holt die Farben heraus und trägt sie mit
dem heissen Eisen auf die Tafel auf. Mit den Eisen selbst kann man die Farben
verbreiten, verstreichen, Uebergänge herstellen etc., da es durch seine Wärme auch
die Nachbarfarben wieder schmilzt. Einen eisernen Spatel benutzte Böcklin als Ver-
treiber (in heissem Zustande) oder vielmehr als Verschmelzer. Man könne einen
Kopf von etwa 5″ noch sehr gut damit zur Erscheinung bringen , und die Farbe
hat etwas schönes, leuchtendes.» . . .

Ueber weitere Versuche Böcklins s. a. a. 0. p. 182 (Sappho auf grundierter
Leinwand gemalt v. 1859) u. p. 185; p. 201 (über gute Erhaltung der Wachsfarben);
p. 242 (Studienkopf eines Italieners).

Welche kolbenartige Instrumente im Neapeler Museum Böcklin als Vorbild
gedient haben, ist ungewiss. Schick erwähnt solche von Eisen und „eiserne Spateln».
Alle Eiseninstrumente aus Pompeji sind aber so vom Rost zerfressen, dass ihre Form
kaum noch zu erkennen ist. Böcklin kann wohl nur jene kleinen kolbenförmigen
Instrumente aus Bronze gemeint haben , die auch meiner Ansicht nach zu einem
solchen Zwecke dienlich sind. S. weiter unter „Malgeräte» Anhang II.

— 221 —

diese erzeugten zu intensive und zu schnelle Hitze, so dass ich zur einfachen
Holzkohle überging und dadurch eine gleichmüssigere Hitze erzielte. 85 ) Ist jene
Mischung auf dein Wärmapparat flüssig- geworden, so giesst man eine geringe
Menge davon in die einzelne Näpfe und schüttet pulverisierte Farbstoffe
nach Bedarf dazu. Einige Farben, wie Schwarz und Braun, erfordern etwas
mein- Harz, andere, wie Ocker und Weiss, mehr Wachs, andere wieder etwas
mehr Oelzusatz. Man erkennt dies bald, wenn die so bereiteten Farben nach
dem Erkalten nicht genügend fest geworden sind. 3,; )

Nehmen wir nun als Beispiel die Aufgabe, einen Kopf zu malen, so
bereiten wir uns aus rotem Ocker, gelbem Ocker und Weiss (Bleiweiss) 37 )
eine Fleischfarbe, durch Zumischung von reinem Weiss einen helleren Mittel-
ton, mit Schwarz und ein wenig Blau zu diesem Mittelton einen Uebergangs-
ton , mit Ocker oder Braunrot einen Schattenton , endlich wählen wir noch
reinen Zinnober zur roten Farbe, reinen Lichtocker zur gelben Farbe, reines
Schwarz zum tiefsten Ton und mischen vielleicht noch ein helleres Grau aus
Schwarz und Weiss zurecht. Mit diesen acht Farben werden wir für den
Anfang auskommen.

Auf ein ungrundiertes Malbrett zeichnen wir dann mit Kreide oder Rötel
(nach Befinden mit einer schwarzen Wasserfarbe) die Konturen des Kopfes,
beginnen mit dem Schattenton, indem wir mit dem löffeiförmigen Ende des
Cauterium die Farbe aus den Näpfchen herausholen und an die ihr zugedachte
Stelle bringen. Dazu gehört ein wenig Flinkheit, denn die heisse Wachs-
farbe erstarrt sehr rasch; da aber das Löffelchen schon durch das Um-
rühren der Farbe genügend heiss geworden ist, so kann man mit
der gewölbten Rückseite desselben die Farbe an dem richtigen
Platz ausbreiten.

Hernach reinigen wir das Löffelchen oder benutzen es gleich zum Auf-
nehmen des nächsten Mitteltons, den wir an die vorige Farbe so ansetzen,
dass wir durch Bearbeitung mit der Rückseite zugleich eine Verbindung der
Farbentöne herzustellen versuchen. Ebenso verfahren wir mit den helleren
Tönen des Fleisches und setzen zum Schluss mit der Löffelspitze noch die
höchsten Lichter auf die hellsten Partien von Stirn, Nase, Wangen, Kinn und
Hals. Eine allgemeine Anlage des Kopfes haben wir so erreicht; das Ge-
mälde wird aber noch sehr roh aussehen. Vor der weiteren Ausführung ver-
stärken wir noch die Tiefen, wo es nötig ist, setzen die Haarpartien mit
kräftiger Farbe hin und suchen auch eiuen entsprechenden Hintergrund auf
dem Brett auszubreiten, noch ehe die Haarpartien gemacht sind, damit diese

85 ) Vgl. oben S. 217 die Bemerkungen über das ,, Farbenkästchen» des Fundes
von St. Medard und m. Ansicht, dass dieses einen sehr praktisch konstruierten Appa-
rat für die enkaustische Malerei darstellt.

86 ) Diese und die folgenden Manipulationen hat man wohl in den Ausdrücken
wiederzuerkennen, die Pollux Onomast. VII, 128 für die Verrichtungen der Maler
der Reihe nach anführt und die doch gewisse Unterschiede der Bedeutung aufweisen
müssen. Danach wäre 1. xr^pöv Tr^aoftai, ^i;aa9-xt., yixad-ot.i = das Wachs erweichen und
dann (mit den anderen Ingredienzien) vermischen und zusammenschmelzen (Be-
reitung des Wachsbindemittels); — 2. xP^a-x ttepäoaaftai, au^saaS-ai, aoYX& aa * aL = die
Farbentöne durch Mischung (der Farbstoffe mit dem Bindemittel) zubereiten , dann
(verschiedene Farben zu neuen Tönen) untereinandermengen und verschmelzen; —
3. xP öoai > &7ttXP ffiaott i ärcoxpwaai = farbig machen d. h. die Farben auftragen (erste An-
lage und Untermalung), darauf übe: malen (Verstärkung der Schattierung u. a.) und
endlich fertig malen durch Stimmen und Vereinigen der Töne (diese drei Ausdrücke
wohl gleichbedeutend mit den folgenden XP äval > ^ixpävou, äuoxpävat, da nach Timaeus
lex. Piaton. p. 264 äTtoxpocivsiv = t& xP a)a ^ v ‘ ca ivorcoislv, das Gemalte einheitlich machen,
ist); – schliesslich 4. ävfreot, cpaiöpOvoc. = mit leuchtenden Farben einzelne lebhafte Töne
hinzufügen und Lichter aufsetzen.

37 ) Bleiweiss hat die Tendenz, bei längerer oder oftmaliger Erwärmung in
Mischung mit Wachs und Oel nachzugilben. Da wir nicht bestimmt wissen , was
die Alten unter „Melinum» verstanden haben, das Plinius unter den zur Enkaustik
verwendbaren Farben anführt (s. oben S. 186), so ist es schwer einen Ersatz für
dieses W T eiss zu nennen. Uebrigens kommt auch Bleiweiss (eerussa) in jener Liste
vor. Als gut geeignet habe ich Zinkweiss befunden.

— 222 —

in den Hintergrundton gleichsam hineinragen. Dann beginnen wir die feinere
Ueberarbeitung der Malerei, deren Farben inzwischen ganz hart geworden
sind. Um sie wieder zu erweichen , stecken wir das verdickte Ende des
zweiten Cauteriums eine Zeit lang in die glühende Kohle und fahren damit,
sobald es heiss geworden, rasch oder wied erholt über die Farbenfläche
hin ; bei einiger Uebung gelingt es bald , kleinere oder grössere Partien in
einen Zustand der Weichheit zu bringen, der es gestattet, die noch vor-
handenen Unebenheiten auszugleichen , die Töne zu verbinden und eine
harmonischere Modellierung zu erzielen. Um in dieser Arbeit nicht gehindert
zu sein, haben wir das zweite Cauterium gebraucht und lassen zu gleicher
Zeit das erste im Kohlenbecken wieder heiss werden. Es sind also immer
zwei Cauterien zugleich nötig. Wir gehen dabei von einer Partie zur andern,
von den Lichtern zum Schatten, und haben es in der Hand, durch schnelleres
Absetzen des heissen Instruments dort, wo zuviel Farbe aufgehäuft ist, Ab-
flachungen oder kleine Vertiefungen herzustellen, denen natürlich wieder Er-
höhungen entsprechen. Eine so bearbeitete Stelle wird zunächst etwa das
Aussehen eines Pockennarbigen haben. Hier war es nur unsere Absicht,
auf diese Weise die Farbe zu zerteilen, um nach dem Auskühlen die allzuweit
heraustretenden Erhöhungen, wenn nötig, einfach mit dem Messer ab-
zuschaben und beim abermaligen heissen Ueberarbeiten mit der Umgebung
in Einklang zu bringen. An anderen Stellen übergehen wir die Farbe mit
schnell und flach geführten Strichen, wobei die oben erwähnten Zick-
zacklinien entstehen, oder wir arbeiten verschieden, je nachdem das Cauterium
noch heiss oder schon im Erkalten ist, kurz wir schaffen uns dem
Material entsprechend nach Bedürfnis eine besondere Technik.
Cauterien von B e i (j em beschriebenen Verfahren wie bei allen meinen Versuchen habe

ich Cauterien in der durch den Fund von St. Medard überlieferten Löffelform
angewandt, und sie haben sich zum Aufnehmen der Farben, zum Auftragen
und weiteren Verarbeiten immer als zweckmässig und handlich bewährt, ganz
besonders darum, weil dasselbe Instrument mit seinen verschieden gebildeten
Enden zwei Zwecken zugleich zu dienen geeignet ist, und diese Zweiseitigkeit
scheint mir charakteristisch zu sein. Ob diese Form in der Tat auch die
alte Form ist, das ist eine andere Frage, die einstweilen niemand zu be-
antworten vermag. Die Form kann, wie gesagt, im Laufe der langen Zeit
sich geändert haben ; die Zeit, der die Instrumente von St. Medard angehören,
ist sicher um mehr als 500 Jahre von der Zeit des Pausias entfernt. Es ist
auch nicht undenkbar, dass je nach den Dimensionen der Malfläche und aus
sonstigen technischen Rücksichten verschiedene Formen gleichzeitig in Ge-
brauch gewesen seien, wie man ja auch verschiedene Pinsel hatte. Böcklin
hat kolbenförmige und spatelartige Cauterien gebraucht, da er sich einiger
ähnlicher Instrumente im Museum zu Neapel erinnerte, die ihm zu diesem
Zweck praktisch zu sein schienen — jedenfalls weniger sichere Anhaltspunkte
als die, welche der Fund von St. Medard bietet. Auch er hat zwei In-
strumente nötig gefunden und, da er bald die Erfahrung machte, dass mit
einem Glühkolben allein nicht auszukommen ist , noch zur eisernen Spatel ge-
griffen. Die Resultate seiner Versuche sind dieselben wie die der meinigen;
ebenso stimmt die Arbeitsmethode in allem Wesentlichen bei uns beiden
überein, und dadurch wird die praktische Ausführbarkeit des Verfahrens,
das durch die richtige Auslegung der litterarischen Zeugnisse sich ergeben
hat, über jeden Zweifel erhoben. Es wird demnach mit einem so hohen
Grade von Wahrscheinlichkeit, wie er überhaupt in solchen Fällen erreichbar
ist, behauptet werden dürfen, dass hierdurch die alte Cauterium-Technik, wenn
nicht in voller Identität , so doch ihren wesentlichen Voraussetzungen nach
wiederhergestellt sei.

Auch das hat sich dabei als begründet erwiesen, dass es eine tarda
picturae ratio war, zumal wenn man bedenkt, dass die umständlichen Vor-
bereitungen für die eigentliche Malarbeit, das Zurechtmachen des Bindemittels,
das Mischen , Anrühren und Zusammenschmelzen der Farbstoffe , kurz die

— 223 —

tadellose Herstellung der eerae, der Wachsfarben, so dass sie gebrauchsfähig
bereit standen, von den Künstlern selbst, wenn auch unter Beihilfe von
Schülern oder Dienern, besorgt worden ist, denn dass die Farbenhändler voll-
ständig zubereitete cerae geliefert hätten, wie die heutigen Farbenfabrikanteil
die verschiedenen Sorten von Farben, ist schwerlich anzunehmen.

Nur eines bleibt ungewiss und ist heute nicht mehr festzustellen, nämlich Harz- und Oei-
ob dem Bindemittel (Wachs) schon in der ältesten Zeit die obengenannten
Zusätze gegeben worden sind, die durch Erhöhung der Geschmeidigkeit die
Arbeit erleichtern und die Festigkeit des Farbenkörpers vergrössern. Wahr-
scheinlich ist es aber, dass schon frühzeitig Harzzusätze üblich waren, denn
die Vereinigung von Harz und Wachs war im Altertum bekannt, wie die
beim Schiffsanstrich gebrauchte Mischung von Pech und Wachs beweist,
Zopissa genannt, wenn sie, vom Meersalz angegriffen, zu medizinischen Zwecken
abgeschabt wurde. 38 ) Ebenso wahrscheinlich ist aber auch der Zusatz von
Oel, da die Lösbarkeit aller Harze in Oelen von Plinius (XIV, 123) aus-
drücklich hervorgehoben wird und die Anwendung von Oelen bei den En-
kausten in späterer Zeit nachgewiesen ist.

b. Cestr um -Technik.

Viel schwieriger, wenn nicht unmöglich, ist es, von der Cestrum-Technik
eine wohlbegründete Vorstellung zu gewinnen. Niemand kann mit Recht be-
haupten, ein Cestrum oder ein damit gemaltes Bild gesehen zu haben. Sicher
wissen wir nichts als den Namen des Instruments und dass der Malgrund
in Täfelchen von Elfenbein oder (in seltneren Fällen) von Hörn bestanden
hat; alles Weitere fällt in das schrankenlose Gebiet der Hypothese. Es ist
Pflicht der wissenschaftlichen Ehrlichkeit, diesen Tatbestand von vorneherein
festzustellen.

Der Name xloxpov oder xeoxpo^ weist, wie wir gesehen haben, auf den
Begriff des Spitzen hin, und wenn der Name, wie natürlich, das Charakter-
istische bezeichnet, so liegt es nahe zu schliessen, dass die Spitze des In-
struments den Gebrauch bestimmt haben müsse. So haben denn auch fast
alle Erklärer von je her an Zeichnungen gedacht, die mit einem grabstichel-
ähnlichen, scharf zugespitzten Stift auf Elfenbein eingraviert und deren Linien
dann mit farbigem Wachs ausgefüllt worden wären, nur dass beim Gravieren
die Einen den glühend gemachten Stift, die Anderen den kalten Stift angewandt
wissen wollten. A.ber gegen beide Auffassungen erheben sich Bedenken. Im
ersteren Falle müsste das ununterbrochene Glühenderhalten eines spitzen In-
struments kaum zu überwindende Schwierigkeiten geboten haben, ganz ab-
gesehen von dem widrigen Geruch, der, dem verbrennender Federn ähnlich,
die Arbeit begleitet hätte. In beiden besteht sehr wenig Verwandtschaft mit
dem, was sonst das Wesen der Enkaustik ausmacht; diese Zeichnungen mit
farbigen Konturen und Schraffierungen hätten koloristisch sich gar nicht ver-
gleichen lassen mit Gemälden im Stile des Pausias und erklären die hohen
Preise nicht, die der Malerin Jaia für ihre vielbegehrten Porträts in Rom ge-
zahlt worden sind.

Zuverlässigeren Aufschluss würden wir erhalten, wenn ein einziges, auch
noch so kleines, unversehrt erhaltenes Stück von echter Cestrum-Enkaustik
gefunden würde. Ist ein solches „Phänomen», wie Goethe es nennen würde,
vielleicht noch vorhanden und uns nur bis jetzt verborgen geblieben ? Be-
findet es sich etwa unter den Elfenbeingegenständen des Museums zu Bulak?
Denn nur in ägyptischen Grabstätten könnte sich eine so subtile Malerei,
wie die Enkaustik auf Elfenbein es gewesen sein muss, in voller Frische er-
halten haben.

Nach dem Katalog von Maspero (1883, p. 386 f.) befinden sich im
Museum zu Bulak Reste mehrerer Elfenbeinkästchen oder vielmehr

Spitze Form
des Cestrum.

Erhaltene
Cestrum-
Malereien?

38 ) Plin. XVI, 56: Zopissam vocari derasam navibus picem cum cera. Vgl.
Diosc. I, 98, wo auch der Name ärcöxu^a erwähnt wird.

— 224 –

mit Elfenbeinplatten belegter Holzkästchen, darunter ein viereckiges, wahr-
scheinlich den Deckel bildendes Stück (Nr. 5667; 0,22 hoch, 0,32 breit) mit
gravierten Zeichnungen, in denen die neun Musen mit ihren Attributen
unter Bogenstellungen zu erkennen sind. Die Umrisse und die den Schatten
bildenden Striche sind mit einem rötlichen Firnis ausgefüllt, dessen
dunkler Ton sich vom Elfenbein abhebt. Auf einem anderen Stück (Nr. 5701,
0,10 hoch, 0,08 breit) ist in gleicher Technik ein Winzer dargestellt, auf
anderen sich streitende Vögel, grosse Körbe tragende Amoretten. Hier sind
die Konturen mit rotem, schwarzem, grünem und weissem (verblasstes Blau?)
Firnis ausgefüllt. 39 )

Aehnliche Darstellungen auf Elfenbein sind auch sonst bekannt. Cartier
(Revue archöolog. 2e annee I pl. XXXII) hat die Reste eines mit Figuren und
Vögeln geschmückten Elfenbeinkästchens in Abbildung veröffentlicht; daher
stammt die Figur bei Cros und Henry, L’Encaustique et les autres proc^des
de peinture chez les anciens (Paris 1884) S. 45. Henry macht S. 43 noch
mehrere ähnliche alte Denkmäler namhaft, die in der vatikanischen Bibliothek,
im British Museum und im Privatbesitz sich befinden.

In der Sammlung des Konservatoren-Palastes auf dem Kapitol zu
Rom (Sala dei piccoli bronzi, Wandschrank links vom Eingang) bemerkte ich
ebenfalls derartig gravierte Elfenbeindeckel, Reste eines grösseren Kästchens,
dessen Längswand 0,70 lang und 0,17 hoch ist. In den vier Feldern sind
geflügelte Genien dargestellt; die Erhaltung ist schlecht, und Farbenspuren
kaum bemerkbar. Zu demselben Kästchen gehören noch vier grössere Flächen
(0,23 : 0,27, Grösse des Mittelfeldes 0,12 : 0,09), auf denen sich bildliche
Darstellungen befinden u. zw.: 1. ein geflügelter Genius, ein Buch tragend;
2. ein solcher mit einem Becken ; 3. eine Gruppe von zwei Genien, der eine mit
einem Blumenkorb, der zweite mit einem Vogel; 4. ein Genius mit Früchten. Im
Randornament sind Farbenieste zu bemerken, u. zw. von blassem Purpur-
rot und Grün (Grünspan). Durch die Lupe betrachtet machten die Linien
mir den Eindruck von Schnittspuren.
Vermutungen Sollten wir in diesen Beispielen die gesuchten Denkmäler erkennen

iinpr diö

Technik. dürfen? Dann würde sich diese Technik tatsächlich als eine Art von Gra-

89 ) Vgl. Katalog des Museums von Bulak von Maspero p. 386—387. „Salle
greco-romaine. Les debris d’un ooffret en ivoire, plaque* sur bois et decore de
dessins graves ä la pointe, viennent de Saqqarah. Les Nr. 5664 (H. m 085; long.
0m44) et 5665 (H. Um 085; long. 0m 35) sont des fragments de la bordure qui encadrait
les panneaux Nr. 5666 (H. 0ml6; larg. du haut 0m35) et 5668 (H. 0m30; larg. du
haut 0m35; larg. du bas 0m27); le panneau carre Nr. 5667 (H. 0m22; larg. 0m32).
etait sans doute sur la partie platt- du couvercle. Les traits qui cernent les figures
et ceux qui forment les ombres sont remplis d’un vernis rougeätre, dont la teinte
sombre ressort sur le lood de l’ivoire. Les figures placees sous les arceaux re-
presentent, autant que je puis juger, huit des muses, chacune avec ses attributs
Le dessin est d’assez bou style et l’execution tres soignee, malheureusement les
plaques d’ivoire sont tordues et brisees en partie.»

p. 390: „Les panneaux de bois plaques d’ivoire, qui vont du Nr. 5693 au Nr. 5708,
proviennent de plusieurs cuffrets aujourd’hui detruits. Les uns (Nr. 5693 — 5698 et
5703 — 5708) sont analogues aux plaques Nr. 5682—5687 [Basreliefs?]: ils representent
des danseuses qui frappent du tambourin, des femmes nues assises dans divers
positions, un jeune homme nu apportant un objet aujourd’bui perdu. Les autres (Nr.
5699—5702) sont graves par le meme procedequi est employe sur les panneaux
Nr. 5666-56 ,; 8, mais avec inoitis de finesse et de precision dans le dessin. C’est sur
le Nr. 5701 (H. 0m 10; larg. 0m08) un vendangeur dansant, sur les deux autres
des oiseaux se battant et des amours charges de gros paniers; les vernis
sont rouges, noirs, verts et blancs.»

Eine auf Elfenbein gravierte Darstellung eines Winzers, wobl des oben er-
wähnten, ist abgebildet bei Prisse d’Avennes p. 839

Hier wären noch die reizvollen, in edlem Stil gehaltenen Figurenbilder auf
Elfenbein anzureihen, die sich im Museum zu Petersburg befinden. Einer Mitteilung
des Herrn Prof. Dr. Furtwängler zufolge, sind auch hier in den vertieften Linien
Farbenreste zu erkennen. Diese Kertsoher Funde stammen aus dem V. .Jh. v. Chr.
(abgebildet in Salomon Rein ach, Antiquites du Bosphore Cimmerien, Paris 1892,
PI. 79 et 80).

— 225 —

.vieren mit dem Grabstichel darstellen, wie es unsere Graveure oder
Kupferstecher auf Metall auszuüben pflegen. Aber wir hätten wieder zu
fragen , was denn eigentlich die Enkaustik, also das Malen mit Wachsfarben
und die Erhitzung , damit zu schaffen hatte. Nur wenn wir uns die Ver-
tiefungen mit einem scharf geschliffenen Eisen auf kaltem Wege hergestellt
(nachdem vielleicht das Elfenbein durch geeignete Prozeduren erweicht worden
war), in die so entstandenen Vertiefungen farbiges Wachs eingetragen und
mit dem erhitzten anderen Endo des Oestrums eingeschmolzen denken,
ist den Forderungen, die an den Begriff einer enkaustischen Technik gestellt
werden müssen, einigermassen Genüge getan.

Viel verlockendes hat es , die Cestrum-Enkaustik auf die Verwendung
gefärbter Wachsschichten beim Schreiben mit dem stilus zurückzuführen.
Dazu dienten bekanntlich mit Wachs überzogene hölzerne oder elfenbeinerne
Täfelchen, auf denen man mit einem Griffel, der an dem einen Ende zugespitzt,
an dem anderen zum Ebnen des Wachses breitgeformt war, die Buchstaben
in das Wachs eingrub. Bei Briefen und Konzepten, die ins Reine zu schreiben
waren , konnte man einzelne Stellen durch Ebnen des Wachses wieder ver-
bessern, indem man mit dem breiten Ende des Griffels das fehlerhafte glatt
drückte ; daher der Ausdruck stilum vertere für verbessern. Die Stelle des
stilus hätte bei der Malerei auf Elfenbein das spitze Cestrum zu vertreten,
und wir könnten uns das Eingravieren der Konturen vielleicht auf folgende
Art vorstellen:

Man überzog die Elfenbeinplatte mit einer gefärbten Wachsschicht, machte
darauf mit dem Cestrum die einzugravierenden Umrisse oder Zeichnungen,
welche erst dann, wenn sie vollkommen korrekt auf die Wachsschicht
aufgetragen waren, mit der scharfen Spitze des Instrumentes vertieft wurden,
mit anderen Worten : man machte auf der Wachsschicht eine vorbereitende
Zeichnung , die man vor dem eigentlichen Eingravieren leicht korrigieren
konnte. Nach Hinwegnahme des Wachsüberzuges zeigten sich die Linien
der Zeichnung , und man füllte ihre Tiefen durch Auftragen von vorschieden
gefärbtem Wachs in heissem Zustande aus. Wurde dann das Ueberflüssige
einfach entfernt, so blieben die Striche farbig auf hellem Elfenbeingrund sichtbar.
Das blanke Elfenbein muss als Lichtton unter allen Umständen stehen ge-
lassen und seine sonstige Färbung nie anders als mit einem dünnen Lasurton
ausgeführt worden sein. Denn es wäre durchaus widersinnig und gegen
jedes Gefühl für richtige Ausnutzung des kostbaren Materials, wenn man
Elfenbein mit dicken Wachsschichten vollständig überzogen und verdeckt
hätte. Wozu dann überhaupt Elfenbein ? Weniger kostbare Unterlagen würden
ebenso genügt haben.

Den Zweck , die Linien und Striche im Elfenbein zu fixieren , hat man
möglicher Weise auch durch ein anderes Verfahren erreicht, indem man etwa
das Plättchen in eine Flüssigkeit tauchte, die Wachs nicht angriff, dagegen
die von diesem entblössten Stellen des Elfenbeins, also die Zeichnung selbst,
erweichte. Dann konnte diese noch leichter mit der Spitze des Cestrums
nachgezogen und nach Entfernung des Wachses in der obigen Weise gefärbt
werden. Oder man färbte die Wachsschicht selbst, so dass das Wachs beim
Wegwischen sich in die Vertiefungen legen konnte. Sollten die Linien z. B.
rot sein, so mochte man eine rote Wachsschicht heiss auf die Elfenbeinplatte
auftragen, bei schwarzen Linien eine schwarze u. s. f.

Diese Ausführungen haben, wie hier abermals betont sei, nur hypothetischen
Charakter und sind bei dem Fehlen sicherer Unterlagen nicht beweisbar,
aber sie haben den Vorzug, aus der Natur des Materials gefolgert zu sein.

Uebrigens wird diese Elfenbein-Enkaustik in der Malerei der Alten
schwerlich eine grosse Rolle gespielt haben. Mit der Cauterium-Technik hat
sie an künstlerischer Bedeutung sich jedenfalls nicht messen können. Schon
das Miniaturformat wies ihr einen untergeordneten Rang an , und die grosse
Geduld, welche die Technik an sich, die peinliche Sorgfalt, welche die
zierliche Ausführung erforderte, haben, wie es scheint, keine Anziehungs-

15

— 226 —

kraft gehabt für talentvolle Künstler , die sich einen Kamen machen wollten.
Wie auch der Name des Instruments an das Sticken erinnert, war es wohl
recht eigentliche Damenarbeit , und in der Tat sehen wir unter allen antiken
Künstlernamen nur einen einzigen in Verbindung mit der Cestrum-Technik,
den der Malerin Jaia aus Kyzikos.

Man könnte Plinius vorwerfen, dass er in seiner Definition der enkausti-
schen Technik ihre drei Arten, wie auf gleicher Stufe stehend, einfach neben
einander gestellt und es unterlassen hat, den Unterschied der künstlerischen
Wichtigkeit auch nur anzudeuten. Aber wir haben darin einen neuen Beweis,
dass es ihm dort nur darauf ankam, die drei Instrumente zu nennen, durch
die sie sich charakterisieren. Und so äusserlich seine Unterscheidung ist,
der unbefangene Leser hat den Eindruck, dass er alle drei Arten zur Kunst-
malerei gerechnet haben muss , auch die dritte Art , die enkaustische Pinsel-
technik, zu der wir jetzt übergehen.

c) Pinsel-Technik.

hifn^m’iwier -Als dritte Art der Technik kam in der enkaustischen Malerei der Ge-

Schiffsmaierei. brauch des Pinsels hinzu, als „man anfing, die Schiffe zu bemalen»; bis da-
hin hatte es nur die beiden alten Arten gegeben. Dies ist der Sinn der
Worte des Plinius. Indem er nicht tingui, sondern pingi sagt und den Be-
ginn der Schiffsmalerei später ansetzt als die Erfindung der älteren Enkaustik,
bekundet er so deutlich wie möglich , dass er nicht den uralten handwerks-
mässigen Schiffsanstrich gemeint hat, der nur darauf berechnet war, die Schiffs-
wände vor den zerstörenden Einwirkungen des Meerwassers zu schützen.
Dieser bestand in einer Grundierung mit Pech und Teer und darauffolgendem
Ueberstreichen mit einer [xaXD-a genannten flüssigen Wachsmischung, die mit
dem Pinsel aufgetragen wurde (s. Blümner IV S. 454). Es wurden auch
Farben beigemischt; bei Homer erscheinen ausser den bekannten schwarzen
auch „rotwangige» (mit Mennigrot angestrichene) Schiffe. Die Hinzufügung
von Ornamenten und Figuren als Abzeichen wie als Schmuck war ein nahe-
liegender Fortschritt, und auch dieser ist älter, als es nach Plinius’ Worten
scheinen könnte. Eine am Bord sich langhinstreckende Schlange wird schon
vom Dichter Hipponax (um 550 v. Chr.), also fast 100 Jahre vor Polygnotos,
600 Jahre vor Plinius erwähnt; Augen als Schmuck vorn am Bug, ein Delphin
über dem Kiel sind auf Vasenbildern und Reliefs erhalten. Sogar ihren
Namen haben die Maler manchmal beigeschrieben 40 ) und Protogenes, der
ebenbürtige Rivale des Apelles, der bis zu seinem 50. Lebensjahre mit dem
Bemalen von Schiffen sich sein Brot verdiente , ist sicher nicht als blosser
Anstreicher, sondern als Dekorationsmaler im vollen Sinne des Wortes tätig
gewesen. Er ist dabei zum Bewusstsein seines hervorragenden Talentes ge-
kommen und zur hohen Kunst übergegangen, in der er dann als Tempera-
maler es den Grössten gleichtat, ähnlich wie in neuerer Zeit berühmte Künstler
zuerst Stubenmaler gewesen sind. Ein anderer, der ebenfalls von der Schiffs-
malerei herkam, der Macedonier Herakleides, ist seiner altgewohnten Technik
treu geblieben und hat sich in Athen (nach 168 v. Chr.) unter den namhaften
Vertretern der Enkaustik einen Platz erworben.

Ursprünglich beschränkte sich die Bemalung auf Kriegsschiffe ; später,
als das Luxusbedürfnis grösser geworden war , ging sie auch auf Lastschiffe
und Lustfahrzeuge über , und die überaus kostbaren Malereien , von denen
die Beschreibungen gewisser Frachtschiffe 41 ) sprechen, begünstigen die An-

*°) Vgl. Blümner IV p. 454, wo die bezüglichen Quellen angeführt sind
(Athenaeus V, 204 ff.; Seneea, epist. 76, 13: Val. Fl. I. 130 u. a.).

41 ) Kallixenos bei Athenaeus V, 37 — 39 beschreitet zwei solche Frachtschiffe des
Königs Ptolemaeos Philopator (um 220 v. Chr.) und Moschion ebd. 40—44 ein noch
grösseres und kostbareres des Königs Hieron, der um dieselbe Zeit in Syrakus regierte.
Alle drei waren schwimmende Paläste . mit allem erdenklichen Komfort auf das
luxuriöseste ausgestattet. Von dem ersten hoisst es, dass es am Vorder- und am

— 2-21 —

nähme, dass dieser Zweig der Dekorationsmalerei der sog. Kunstmalerei sehr
nahe stand, wie denn überhaupt Kunst und Handwerk im Altertum nicht durch
eine weite Kluft geschieden waren und technisch die eine von der anderen
Vorteil gezogen haben wird. Es würde auch eine unglaubliche Ver-
blendung gewesen sein und bei dem engen Zusammenhang der Kunsttätigkeiten
aller sonstigen Erfahrung widersprechen , hätten die Enkausten sich nicht
die technischen Vorzüge der fortgeschrittenen SchifTsmalerei zu Nutze machen
wollen, die der Hauptsache nach mit denselben Materialien zu arbeiten hatte.

Dass es gerade die Schiffsmalor gewesen sind, die zuerst den Gebrauch Ei « fl « sa auf
des Pinsels in die Wachsfarbenmalerei einführten, ist sehr natürlich. Den
Antrieb dazu mussten sie von der Schwierigkeit empfangen, die umständlichen,
viel Aufmerksamkeit, Mühe und Zeit erfordernden Manipulationen mit den
Cauterien an den in der Werft aufrecht stehenden Schiffswänden vorzunehmen ;
vielleicht war es überhaupt nicht möglich , auf diese Weise die Wachsfarben
so, wie es nötig war, aufzutragen, und andere als Wachsfarben konnten es
nicht sein , wenn sie gegen Seewasser und Stürme widerstandsfähig bleiben
sollten. Und andererseits kam ihnen die lange Erfahrung beim Hantieren
mit Wachs, Harz und verwandten Stoffen bei den Versuchen zu statten, die
Wachsfarben für einige Zeit so flüssig zu erhalten , dass sie mit dem Pinsel
sich verstreichen liessen. Sobald dies gelungen war, erfuhr die Technik eine
willkommene Vereinfachung ; es liessen sich nicht bloss leichter und bequemer
künstlerische Wirkungen erreichen, sondern auch grössere Flächen schneller
mit Farbe bedecken, was bei den Schiffsdekorationen besonders wichtig war,
die ohne feinere Ausführung der Details in die Ferne wirken sollten. Diese
augenfällige Ueberlegenheit musste die Enkausten zur Nachahmung der
Neuerung reizen, die das Feld ihrer Betätigung erweiterte, und dass sie damit
nicht lange gezögert haben, beweist die früher (S. 56) erwähnte Tatsache,
dass schon Pausias und Nikias auch „grandes tabulas» in enkaustischer Art
gemalt haben. Hiernach muss die Annahme des Pinselgebrauchs, also das
Anfkommen der dritten Art der enkaustischen Technik, noch der klassischen,
nicht erst der hellenistischen Zeit angehören.

Ob das koloristische Aussehen solcher nur mit dem Pinsel aus heiss-
fiüssigen Wachsfarben hergestellter Bilder ganz dasselbe gewesen ist wie bei
den Werken der alten Cauteriumenkaustik, können wir nicbt mehr wissen.
Den gewöhnlichen Temperagemälden waren sie an Kraft der Farbe und
plastischer Herausarbeitung der Formen jedenfalls weit überlegen ; es genügt
dafür an die Beschreibung zu erinnern , die Plinius von dem berühmten
„Stieropfer» des Pausias gegeben hat. Man darf demnach sagen: seit der
Einführung jener dritten Art ist die künstlerische Enkaustik bei fortschreitender
Verbesserung des Verfahrens immer mehr befähigt worden , eine Dienerin
der Kunst hohen Stiles zu sein. 42 )

Es bleibt noch die Frage zu beantworten, welche Ingredienzien die

Alten angewandt haben, um die Wachsfarben hinreichend lange in dem heiss-

flüssigen Zustande zu erhalten.

Plinius selbst lässt uns hier mit dem nackten resolutis igni ceris völlig Mischungen

° von w aona

im Stich. Die bekannte Stelle über die Ganosis, die als analog herangezogen mit Oel.

werden kann (XXXIII, 122 cera punica cum oleo liquefacta candens saetis in-

ducatur) , erwähnt wenigstens das Oel. In der zopissa genannten Mischung

erscheint pix (Pech oder Teer) zusammen mit Oel, und Beigaben von Harz

Hinterteil Figuren (£und „Wachsgemälde» und daneben die noch einfachere „Tafelbild» (5XoypoKp£a)
vorherrschend ist. Aus der Anwendung dieser verschiedenen Bezeichnungen
auf dieselben Malereien kann geschlossen werden, dass auch wo das Wachs
nicht im Namen enthalten ist , doch immer Wachsfarbenmalereien gemeint
sind. Es haben sich auch noch Wachsgemälde aus dem 8. Jht. erhalten,
und ihrem Aussehen nach unterscheiden sie sich wenig von den Mumienbildnissen
von El-Fayüm. In der Publikation von Str ygo wsky 50 ) sind einige nach
den Gemälden im Besitze der geistlichen Akademie zu Kiew abgebildet ; eine
Nachbildung in enkaustischer Technik ist in Nr. 20 m. Versuche gegeben
(s. m. Beitr. III p. 20).

Die Wachsmalerei scheint sogar noch länger neben der aus der
Enkaustik hervorgegangenen Oel- Harzmalerei in Gebrauch ge-
blieben zu sein, denn eine Notiz des Lucca-Ms. aus dem 8. Jht. beweist,
dass sowohl zur Malerei auf Mauern als auch auf Holz das Wachs
Verwendung gefunden hat. 51 ) Es wird dort nur „daran erinnert», welche
Operationen nötig sind, um auf Wänden und Holz mit Wachsfarben (cerae
commixtis coloribus) zu malen, ohne dass die Art der Wachstechnik näher
charakterisiert wird. Aus einigen Rezepten des Lucca-Ms. ist aber klar er-
sichtlich, dass der Uebergang von der Enkaustik zur Harz-Oeltechnik der
Byzantiner schon vollständig vollzogen gewesen sein muss, denn diese Re-
zepte (De lucida ad lucidas; De confectione lucidae, m. Beitr. III p. 15)
zeigen die Oel-Harzfarben in ganz richtiger Art der Anwendung; es kann
demnach kaum zweifelhaft sein, dass unter der Wachsmalerei des Lucca-Ms.
die Wachstempera gemeint sein muss, deren Spuren wir sogar im Mal buche
vom Berge Athos und noch später verfolgen können.

In diesem Malbuche, der Hermeneia des Dionysios, sind die Malweisen
des im 11. Jht. tätigen und das Haupt der ganzen Schule bildenden Malers
Panselinos aufgezeichnet ; hier finden wir ein Rezept (§ 37. Wie man Glanz-
farbe machen muss), wonach Wachs, mit Lauge und Leim zusammenge-
kocht, als Farbenbindemittel dienen soll. 52 ) Diese Mischung hat infolge des

60 ) Strygowsky, das Etschmiadzin-Evangeliar, Wien 1891, II. Anhang.

51 ) S. Muratori, Antiquitates Italicae med. aevi T. II Dissertatio XXIV p. 377 D:
„Ita memoriainus omnium operationes, quae in parietibus simplice ligno, caerae
commixtis coloribus, in pellibus ictiocollon commixtum.» Vgl. m. Beitr. III
p. 18 und die Variante dieser Stelle in Mapp. clavic. daselbst.

52 ) Vgl. Handbuch d. Malerei vom Berge Athos, deutsch von Godeh. Schäfer,
Trier 1855 p. 74.

„§ 37. Wie man Glanzfarbe machen muss. — Nimm Leim, Lauge und Wachs,
alles in gleichem Verhältnis, setze dann alle drei aufs Feuer, um es schmelzen zu

Spätesto

enkaustischo

Gemälde.

Wachsmaleroi
im 8. Jht.

Wachsterapera
derByzantiner.

— 238 —

Wachsgehalts die Eigentümlichkeit, dass sie durch Glätten glänzend wird.
Ein anderer Paragraph desselben Buches lehrt, wie man mit dieser Glanz-
farbe „moskowitisch» arbeitet.

Mit „griechischen» Künstlern (greci des Vasari) kam diese Art nach
Italien, und noch bis vor Giotto scheint Wachs das bevorzugte Bindemittel
für Farben gewesen zu sein; denn nach den chemischen Untersuchungen, die
Dr. Jos. Bianchi an frühitalienischen Gemälden der Zeit von 1230 — 1360 an-
gestellt hat, ist zu schliessen , dass das dabei nachgewiesene Wachs von
nichts anderem herrühren kann , als von dem in der Hermeneia näher be-
zeichneten Wachsbindemittel, das als Ausläufer des punischen Wachses
zu betrachten ist. 53 )
Fortdauer bis D as verseifte Wachs in Verbindung mit anderen Ingredienzien hat sich

zum XV. Jht. . . ° , , • . , . ,

aber noch viel langer erhalten und weiter verbreitet. Wohl mit „griechischen»
Künstlern, welche zur Zeit Karls des Grossen und später die zivilisierte Welt
mit den Leistungen byzantinischer Malerei bekannt gemacht haben, ist diese
Wachsmalerei nach dem Norden und bis nach Frankreich gelangt. Der
Miniaturist Jehan le Begue hat das Rezept auf seinen Reisen von einem
Fachgenossen erhalten und gewissenhaft in seiner um 1431 geschriebenen
Sammlung von Anweisungen aufgezeichnet, welche Merrifield in Treatises on
the art of painting, London 1849 abgedruckt hat. 54 ) Schon die Bezeichnung
„yaue conosite» ergibt, dass es sich um ein altbekanntes und bewährtes An-
reibemittel handeln mag. Der Kalk und die Asche, welche eingangs er-
wähnt sind, geben Aetzlauge, durch welche das Wachs verseift wird; dazu
kommt der Fischleim (entsprechend dem Leime des Glanzfarbenrezeptes der
Hermeneia) und endlich eine dem Fischleim gleiche Quantität von Mastix-
harz, das ebenfalls mitverseift wird. Versuche mit einer derartigen Mischung
ergaben das beste Resultat, sowohl auf Mauer als auch auf Pergament- und
Kreidegrund.

Mit diesem Rezepte verlieren wir , soweit sich dies bis jetzt übersehen
lässt, die letzten Spuren der Wachsmalerei des Altertums.

hissen. Setze die Farbe hinzu, zerrühre alles gehörig und überfahre, was du
willst, mit dem Pinsel. Lasse es trocknen und dann poliere es. Wenn du willst,
lege auch Gold auf, und es wird glänzend und schön sein; willst du es nun weg-
nehmen (d. h. bist du fertig), so firnisse nicht.

53 | Vgl. Pisa illustrata: Morona, Maniere di dipingere nei tre secoli dopo il
mille. T. II p. 158—167. S. m. Beitr. III p. 96 Note, welche einen Auszug dieser
wichtigen chemischen Analyse enthält.

B *) (Merrifield, Treatises on the art of painting, London 1849 p. 307.) Ms. des
Jehan le Begue Nr. 325. Se vous voulez laire yaue conosite a destremper toutes
couleurs. — Prenez une livre de chaux et douze de Flandres (Merrif. liest Cendres)
puis prenez eaue boulant et metez tout ensamble et les faictes assez boulir, puis le
laissiez bien reposer, puis le coulez bien parmy un drapel et de celle yaue prenez
livres quatre et la faictes bien ardoir, puis prenez cire blanche environ II onces et la
mettez boulir avec lyaue, puis prenez cole de poisson environ j once et ‘/ 2 , et la
mettez en eaue et li laissiez tant quelle soit bien emollie et si comme fondue puis
la maniez tant que eile soit comme paste puis la mettez en lyaue avec la cire et la
faites ensamble boulir, et mettez mastic dedens environ once et demie et faictes
boulir ensamble, puiz prenez de ceste eaue et mettez sur un coustel ou sur fer pour
savoir sil est bien cuit et sil est comme glue il est bien. Puis adonc coulez celle
yaue cbaude ou tiede parmi ung drap linge, et laissiez reposer et la covrez bien et
de celle eaue povez destremper toutes manieres de couleurs. (Willst Du ein zum
Anmachen aller Farben bewährtes Wasser herstellen , so nimm 1 Pfund Kalk und
12 Pfund Asche, dazu kochendes Wasser, schütte alles zusammen und lasse es tüchtig
sieden, dann sich gehörig setzen und seihe es durch ein Tuch. Von diesem Wasser
nimm 4 Pfund; setze es an ein gutes Feuer, nimm dann weisses Wachs, ungefähr
2 Unzen (12 Unzen = 1 Pfund), und setze es mit dem Wasser zum Sieden. Ferner
nimm ungefähr D/a Unzen Fischleim, lege ihn ins Wasser, bis er gut erweicht und wie
aufgelöst ist, knete ihn, bis er wie ein Teig wird, tue ihn in das Wasser mit dem
Wachs und lasse sie zusammen kochen. Setze auch ungefähr Vz Unzen Mastix
dazu und koche es gleichfalls damit zusammen. Danach nimmst Du ein wenig von
diesem Wasser auf ein Messer oder Eisen, um zu sehen, ob es gut gekocht ist. Ist
es wie Leim, so ist es gut. Alsdann seihe selbiges Wasser heiss oder lauwarm durcb
ein Tuch und lasse es stehen. Decke es gut zu, und mit diesem Wasser kannst Du
alle Arten von Farben anmachen.)

— 239

III. Polychromie der Statuen.

(Malerei auf Marmor, Ton u. a.)

Auf die Vollendung der Bildhauerarbeit folgten bei Marmorbildwerken das
Färben und das Ueberziehen mit Wachs. Das erstere (die Polychromie)
erforderte künstlerischen Geschmack und malerische Fertigkeit und wurde
deshalb von dem Bildhauer selbst oder von einem befreundeten Maler aus-
geführt, der auf die künstlerische Intention des Urhebers einzugehen wusste.
So pflegte Praxiteles sich der Hilfe des Nikias zu bedienen. Das Ueberziehen
mit Wachs (die Ganosis) war eine mehr handwerksmässige Tätigkeit, die
vermutlich in der Regel einem Gehilfen überlassen wurde.

Die Ganosis war das S. 101 nach Vitruv und Plinius beschriebene Ganosis.
Verfahren, das bezweckte, die Marmoroberfläche durch einen dünnen Wachs-
überzug gegen die schädlichen Einflüsse der Witterung zu schützen und ihr
gleichzeitig einen schimmernden Glanz zu verleihen. Es bestand, wie er-
wähnt, darin, auf die Oberfläche mit dem Pinsel einen Ueberzug von heissem,
mit etwas Oel verkochten punischen Wachs zu streichen, der dann abermals
erhitzt und mit Wachskerzen und leinenen Tüchern abgerieben und glänzend
gemacht wurde. Vitruv hebt mit dem Worte curantur das Abreiben, Plinius
mit nitescunt das Glänzendmachen hervor.

Nach Vitruv’s Ausdruck „wie die nackten Statuen behandelt werden
(uti signa nuda curantur)», scheint es, dass die Marmorskulpturen nicht
immer jene doppelte Behandlung des Färbens und des Einwachsens erfahren
haben , sondern dass die unbekleideten Teile des Bildv/erks unbemalt gelassen
und nur der Ganosis unterzogen wurden. Dann wären der durch die
Wachsbeize erzeugte wärmere Ton des Marmors und der Glanz der Ober-
fläche als genügend angesehen und hauptsächlich nur der schützende Ueber-
zug beabsichtigt worden. In der Regel aber war Färben und Einwachsen
verbunden, oder das eine folgte auf das andere. So hatten z. B. die römischen
Censoren die Amtspflicht, den Zinnoberanstrich der Jupiterstatue auf dem
Kapitol von Zeit zu Zeit erneuern zu lassen. Plutarch (quaest. Rom. 98
p. 287 D) erwähnt nur die Ganosis , weil der Zinnober schnell verbleiche,
Plinius XXXIII, 112 nur den Anstrich, der von den Censoren verdungen
werden musste; aber da der Zinnober zu seiner Haltbarkeit die nachträgliche
Ganosis erforderte, so kann kein Zweifel sein, dass beides vereinigt gewesen ‘)
und wie auf Wänden, so auch auf Marmorstatuen angebracht worden ist.

‘) Vereinigt, aber auf verschiedene Arbeiter verteilt, erscheinen die beiden
Tätigkeiten in der Bildhauerwerkstatt auch bei Plutarch de glor. Atheu. b’ p. 348 F, wo
er als dyaA|j.äxci)v eyxauaxai xai xp’ jawxa ^ *ai ß roten Ocker werden in der Hitze fast schwarz. Um es heller zu bekommen,
fügten die alten Maler Kalk oder Gips hinzu („Invenio et calce adulterari»,
sagt PI. XXXIII, 121), wie es sich auch hier vorfand.

Nr. 160 ist ein reiner Ocker ohne merkliche Spuren von Verunreinigung;
das Pulver ist äusserst fein, die rote Nuance ein wenig ins gelbliche gehend.
Möglicherweise ist diese Farbe eine der drei Species von Sinopis, von welchen
Plinius (XXXV, 31) sagt: ,,species Sinopidis tres, rubra et minus rubens at-
que inter has media».

Nr. 166 ist ein Ocker mit Spuren von Kalk, hat eine schöne rotbraune
Farbe, wie Nr. 158, ist aber weniger fein als dieser.

Nr. 167. Ein Ocker, der schwefelsauren Kalk (Gips) enthält. Palmeri
hält die Masse für eine künstliche Mischung von Ocker und Gips , da auch
merkliche Mengen von Eisensulfat darin vorhanden waren, welche durch die
nötigen Waschungen entfernt worden wären , falls die Farbe sich natürlich
vorgefunden und nicht die Folge des langen Zusammenseins des Ockers mit
dem Gipse gewesen sein würde.

Nr. 179 ist eine Mischung von Fragmenten verschiedener Natur: es
sind in der Hauptsache Lapilli, kleine Stücke gebrannter Erde und Bleioxyde,
doch Hess sich nichts Bestimmtes ermitteln. Abgesehen von der letzteren
sind die zehn Farben : Ochra, Rubrica, Minium secundarium, Sinopis, Aerugo,
Viride Appianum.

17

— 258 —

2. Organische Farben.

Nr. 185. Rosafarbige Substanz.

Die Farbe enthält einen mineralischen Teil, der ein weisser, wenig
eisenhaltiger Ton und durch etwas Kalk und Schwefelsäure verunreinigt ist,
und eine organische Substanz, von der die rote Färbung herrührt und die
stickstoffhaltig ist; sie ist auf Ton niedergeschlagen und bildet einen reinen
Lack. Versuche mit Cochenille (coccus lacca) und Krapp haben von dieser
Substanz teils übereinstimmende, teils verschiedene Reaktionen gezeigt, so
dass Palmeri es für möglich hält, sie könnte Purpur aus der Purpurschnecke
sein oder eine Mischfarbe von allen dreien. Vergleichende Versuche mit dem
Farbstoff der Purpurschnecke wurden von Palmeri in Aussicht gestellt , es
ist mir aber nicht bekannt, ob er sein Vorhaben ausgeführt hat. —
Purpur. Der als Purpur bezeichnete Farbstoff der Alten (vgl. Blümner, I 230 ff.,

wo auch die neuere Litteratur darüber zu finden) gehört zu den interessantesten,
nicht allein deshalb , weil er von den Alten so sehr geschätzt worden ist.
Der chemische Prozess , wie aus dem farblosen oder gelblichen Saft der
Schnecke durch die Manipulation des Färbers oder durch das Sonnenlicht der
eigentliche Farbstoff entsteht, ist noch nicht genügend aufgeklärt. Die Alten
unterschieden den Purpur der Purpurschnecke, welche Purpura oder Pelagia,
und einer zweiten, die Bucinum oder Murex genannt wurde. Plinius unter-
scheidet beide Arten genau, doch wurden sie bei der Anwendung gemischt;
man mischte beim Färben der Zeuge, machte Zusätze oder färbte mehrere
male, so dass zuletzt 13 verschiedene Purpurfarben unterschieden wurden.
Lacaze-Duthiers 1 ) erzählt, dass er 1858 in Port-Mahon seinen Fischer
Alonzo beobachtete, der zum Zeitvertreib Figuren auf sein Hemd zeichnete, in-
dem er Holzstäbchen in den Saft einer Schnecke tauchte , die von den Ein-
geborenen Oorn de fei, von den Zoologen Blutmund, Purpura haemostoma, ge-
nannt wird. Lacaze-Duthiers bemerkte ihm , dass man das blasse Gelb
schwerlich werde erkennen können, worauf Alonzo erwiderte: Es wird sich
schon färben, wenn die Sonne darauf scheint. Nach wenigen Minuten waren
die Zeichnungen violett, aber zugleich entwickelte sich ein unerträglich ekel-
hafter Geruch. 5 )

Von Purpurschnecken (Abb. 53), die als Träger des Farbstoffes in Be-
tracht kommen, sind mehrere Arten bekannt, deren Farbennüancen vom tiefsten
Schwarzpurpur bis Violett und Rosa varieren. Von Murex trunculus Linn.
hat man in Pompeji grosse Schalenhaufen neben den Häusern mehrerer
Färber gefunden. Nicht minder hat man Ursache, Murex brandaris Linn.,
von veuetianischen Fischern Türkenblut genannt, als zur Purpurfärberei ver-
wendet zu betrachten. Beide sind am Mittelmeer verbreitet, und es besteht der
Monte testaccio bei Tarent fast ganz aus den Gehäusen der letzteren Art ;
es wäre wohl möglich, dass daselbst eine der von den Alten oft erwähnten
Purpurfärbereien der Kaiser bestanden habe. Der Purpursaft der angeführten
Tiere ist in einem drüsenartigen Häutchen, an der unteren und inneren Fläche
des Mantels , zwischen Darm und Atemhöhle gelegen , enthalten ; die darin
abgesonderte Flüssigkeit ist weiss oder schwach gelblich; dem Licht aus-
gesetzt wird sie erst zitronengelb, dann grünlich und endlich violett oder rosa.
Die letzte Farbe wird dann allmählich intensiver. Anfangs in Wasser löslich,
wird der Purpurstoff völlig unlöslich, sobald er seine Farbe angenommen hat.
Einige von diesen beiden am Mittelmeer häufigsten Murexarten entnommene

4 ) Annales des Sciences naturelles, IV. Serie, Zoologie T. XII. Paris 1859
Eingehende Arbeiten sind auch von Letellier im Archive Zool. Exper. T. VIII, 1890
veröffentlicht. Neuerlich zusammengestellt ist das gesamte Material bei A. Dede-
kind, Ein Beitrag zur Purpurkunde> Berlin 1898.

5 ) Meine an der zoolog. Station in Neapel gemachton Versuche , bei welchen
mich die Herren Dr. Lindner und Dr. Schönlank in liebenswürdigster Weise un-
terstützten, bestätigen diese Tatsachen im ganzen Umfang. Sie haben mir auch die
Gewissheit verschafft, dass die aus den im Mittelmeer verbreitetsten Arten, Murex
trunculus und M. brandaris, gewonnenen Purpurfarben mit den in Pompeji gefundenen
zwei Farben (Violettpurpur und Rosapurpur) identisch sind.

– 259 —

Farbenproben habe ich auf Wunsch des Direktors der kgl. Skulpturen Sammlung
„Albertinmn» in Dresden, Prof. Dr. G. Treu, dieser Sammlung übergeben.
Auf die erwähnten Versuche sei deshalb nochmals hingewiesen, weil sie
direkte Veranlassung waren, eine im kaiserl. Hofmuseum zu Wien (ägyptische
Abteilung) befindliche Mumienumhüllung aus Theben als Purpur zu
erkennen; dieses Objekt, ein mit netzähnlichem Dekor und Hieroglyphen-
Inschriften bemaltes Stück Leinenzeug (Saal IV des Hochparterres, Nr 100
der Fenstervitrine IV), zeigt genau dieselbe Rosanüance wie die im Museum
von Neapel aufbewahrten Farbenreste, die sich mit dem der Purpurschnecke
Murex brandaris entnommenen Farbstoffe identisch gezeigt haben. Es unter-
liegt keinem Zweifel, dass die im Wiener Hofmuseum bewahrte Reliquie mit
Purpur gefärbter Stoff ist; dem Kustos des Museums, Herrn Dr. A. Dedekind,
welcher auch die Hieroglyphen-Inschrift entzifferte u ) , gebührt das Verdienst
auf diese Entdeckung aufmerksam gemacht, zu haben. Bei eingehenderem
Nachforschen fanden sich Reste desselben Farbstoffes und der violetten
Nuance auch an verschiedenen kleineren Gewandstatuen desselben Museums.
Es ist noch bemerkenswert, dass die Purpurfarbe, um auf dem Gewebe
zu haften, keines weiteren Beizmittels, wie die anderen Farbstoffe, bedurfte.
Vermutlich wurde zum Gebrauch für Malerei der gelöste Farbstoff mittelst
Alaun niedergeschlagen , wie bei anderen organischen Farben ; um hellere
Sorten zu erzielen, wurden weisse Tonerden , Bolus darunter gemischt. Bei-

Murex brandaris.

Murex tnmculus.

Abbild. 53. Purpurpchnecken.

mischung von Honig gegen das Eintrocknen des Farbstoffes wird von Vitruv
VII 13, 3 erwähnt. Durch das Aufkommen des orientalischen Krapp und der
Cochenille wurde Purpur immer mehr verdrängt oder mit diesen Farbstoffen
gefälscht. Schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung wurde
der Purpur durch andere Mittel ersetzt. Zur Färbung von Pergament wurde
die alaungare Haut mit dem immer mehr in Aufnahme gekommenen Kermes
(coccus lacca), Krapp oder den Flechtenfarben (Orseille), mit Tournesol u. a.
gefärbt 7 ), so dass es schwer zu entscheiden ist, ob z. B. die mit Goldbuoh-
staben geschriebene Ulfilasbibel auf tiefdunklem, die auf rosafarbigem Pergament
gemalten Miniaturen der Genesis, VI. Jht. (Wr. Hofbibliothek), ächte Purpur-
farbe zur Grundlage haben. Den Farbstoff der zuletzt genannten Miniaturen
halte ich vielmehr für Tournesol oder Folium des Theophilus (C. 40).

Die Erkenntnis der verschiedenenNüancen der eigentlichen Purpurschnecken
führte dazu, auch in anderen Sammlungen ähnliche Forschungen anzustellen
wie im Wiener Hofmuseum. Der Ruhm, den einzigen Purpur zu besitzen,
dürfte der Wiener Sammlung nicht lange bleiben können. So fand ich an

6 ) Vgl. Wiener Zeitschrift f. d. Kunde d. Morgenl. VIII. Bd. p. 74.

7 ) Vgl. Lucca-Ms.: De Pelle allthina tinguere; de prima pandii tinctio; de Porfiro
melino: Tertius Pandius.

17*

— 260 —

verschiedenen Tanagrafiguren sowohl Rosa- als auch Violettpurpur (Albertinum,
Dresden) ; im Berliner ägyptischen Museum sind es die Bandstreifen an der
Mumie des jungen Mannes 8 ) , sowie die rosafarbigen Blumen der im übrigen
ganz vergoldeten Halbbüsten aus Terracotta daselbst ; auf manchen Bildern
der hellenistischen Porträts aus Payüm (Grafsche Porträtgalerie) und Hawära
sehen wir ebenso Purpur auf Gewändern und Achelstreifen , wie auch auf
Ornamenten in einzelnen Wanddekorationen in Rom und Pompeji.

Es wird manchen Leser gewiss erheitern, zu erfahren, dass heutzutage
von den am Mittelmeer so häufig vorkommenden Purpurschnecken ein sehr
profaner Gebrauch gemacht wird. Bei einem Spaziergang in Murano bei
Venedig sah ich vor einer kleinen Weinwirtschaft einen alten Fischer einen
ganzen Korb voll solcher Schnecken feilhalten; dabei fiel mir auf, dass der
Mann mit Leichtigkeit die Schnecke aus dem Gehäuse zog, während dies bei
den Versuchen in Neapel absolut unmöglich war und die Schnecken zer-
trümmert werden mussten. Auf meine Frage erfuhr ich, dass die Schnecken
in heissem Wasser gekocht seien und „zum Wein delikat schmecken» ; ich
sollte doch versuchen ! Das Gericht nannte er Goruzzoli, doch fand ich keine
Veranlassung , den gastronomischen Genuss zu erproben. Für ein paar
Centesimi kaufte ich eine Hand voll davon und wollte versuchen , ob der
Farbstoff sich noch in diesem Zustand extrahieren liesse ; die Versuche hatten
aber negativen Erfolg.

Die Farben nach Plinius und Vitruv.

ParbenKste Der Hauptsache nach waren die Farben der Alten Naturprodukte

wie die Erdfarben, die entweder im Urzustände nur fein gerieben und ge-
reinigt, oder kalziniert wurden, also Ocker, rote Erden, Kreiden, Tone,
natürlicher Zinnober; dann kannten sie noch Kunstprodukte, wie die blaue Glas-
fritte , Bleiweiss , Russschwarz und etliche Farblacke; auch die Pflanzenfarb-
stoffe Indigo und Waid waren ihnen bekannt. Aus der folgenden Zusammen-
stellung wird ihre reichhaltige Farbenskala ersichtlich , wobei so gut als
möglich die heutigen entsprechenden Bezeichnungen nebenangestellt sind.
Wegen näherer Details sei auf die schon erwähnten Werke von Blümner
und John verwiesen.

Weisse Farben.

1. Melinum, MrjXc’a sc. yyj (PI. XXXV, 37), eine der vier Hauptfarben ;
das von Melos war das beste, das von Samos wurde wegen seiner Fettigkeit
nicht gebraucht.

2. Creta (oder Terra) Eretria (PI. XXXV, 38; 192), a) weisse, b) graue,
eretrische Kreide ist wahrscheinlich eine Art weisser Talk (Brianzoner Erde)
oder auch Porzellanton.

3. Paraetonium (PI. XXXV, 36; Vitr. VII, 7, 3), Paraetonisches Weiss,
Kalkkarbonat i. e. eine weisse Kreidenart, wurde als Grundierung für Wände
und Malerei verwendet.

4. Creta anularia, Ringsteinweiss (PI. XXXV, 48), vermutlich Speckstein.

5. Cerussa, ^u^lov (PI. XXXIV, 175: XXXV, 37; 38; 49; Vitr. VII
12, 1) Bleiweiss, aus Blei und Essig bereitet.

6. Creta Selinusia (PI. XXXV, 46; Vitr. VII 14, 2) wurde ebenso
wie die Sa mische Erde von den Frauen zur Verschönerung des Teints be-
nützt ; eine Art Kreide oder Kreidemergel diente auch mit Milch angerührt
zum Weissen der W T ände.

Paraetonium wurde mit Kimolischer Erde i. e. Walkererde gefälscht.

8 ) Vgl. p. 206.

— 261 —

Gelbe Farben.

1. Oohra, Sil, ur/pa (PI. XXXV, 30; 35; 39; XXXVII, 179; 183;
Vitr. VII 7, 1). Natürlicher Ocker, Berg- oder Erdgelb. Es wurden unter-
schieden a) der Attische und beste, b) Skyrische, sil pressum (PI. XXXIII,
158), c) der Gallische, sil lucidum, d) der Lydisoho (PI. XXXIII, 160),
e) marmorosum (PI. XXXIII, 159).

Durch Glühen und Ablöschen des Sil (in Essig) entstand eine tiefroto
Farbe in der Art unseres Englischrot. (Vitr. VII 11, 2.)

2. Cerussa usta, gebranntes Blei weiss (PI. XXXV, 38; Vitr. VII 12,
2), durch Zufall bei einem Brande im Piraeus entdeckt, ist Bleigelb oder
Massicot; bei weiterer Calcination bildet sich Bleiglätte, die bei fortgesetzter
Hitze in Mennig übergeht.

3. Auripigmentum (PL XXXV, 30; 49; XXXIII, 79), unser Rausch-
gelb, gelbes Schwefelarsenik (Operment).

4. Gelb aus der Abkochung der Lackviolen (viola arida) ist gelber
Pflanzenlack (Vitr. VII 14, 1). Mit Gilbkraut, Schüttgelb (lutum), wurde
Blau zu Grün gemischt.

Rote Farben.

1. Rubrica, jxc’XTOg, (PI. XXXV, 31; 33; 36; XXXIII, 115; Vitr. VII
7, 2) Berg- oder Erdrot, Rötel, gehört zu den ältesten Farben, vielleicht
die älteste, a) Die beste Sorte kam aus Kappadozien unter dem Namen
Sinopis Pontica, Sinopische Erde (Mineralsystom). b) Sinopis Lemnia,
Siegelerde, wurde auf der Insel Lemnos einmal im Jahre unter religiöser
Feierlichkeit gegraben und mit dem halbmondförmigen Siegel gestempelt in
den Handel gebracht, o) S. Africana (cicerculum) aus Nordafrika und von
anderen Fundorten wurde teils mit den roten Variationen des Steinmarks, teils
mit div. Bolusarten verwechselt. Alle Rubrica- und Sinopisarten bestehen in
einer Verbindung mehr oder weniger reiner Tone mit rotem Eisenoxyd; hierher
gehören die Varietäten des roten Bolus bis zum roten Ton und gemeinen
roten Lehmmergel.

2. Künstliche Rubrica, (PI. XXXV, 38), durch Calcination von Eisen-
kiesen erzeugt , wodurch unter Umständen unser Englischrot und Caput
mortuum entsteht.

3. Minium, (PI. XXXIII, 114; Vitr. VII 9, 1), Schwefelquecksilber,
unser Zinnober.

4. Sandaraca, natürliche (PL XXXV, 39; Vitr. VII 7, 5), hält man
für roten Schwefelarsenik, Realgar; gefälscht wurde diese mit künstl. S.,
welohe durch Calcination von rotem Bleioxyd, unserem Minium (Mennige),
entsteht.

5. Cinnabaris (PL XXXIII, 116), indisches Drachenblut, ist das rote
Pigment teils des Harzes, teils der EYucht des Calamus Draco.

6. Purpurissum (ostrum), Farbstoff der Purpurschnecken (PL XXXV,
44 ff.). Zur Färberei wurde P. mit noch anderen organ. Farbstoffen ge-
mischt verwendet; zum P. Puteolanum dienten Ooccus, Färberröte, Muschel-
purpur und Creta argentaria. Auch Planzenfarbstoffe aus Hyacinthus und
Hysginum wurden zur Hervorbringung ähnlicher Farben benützt. (Vgl. über
Purpur oben p. 256.)

7. Mischfarben: a) Sandyx, aus gleichen Teilen Rubrica und Sandaraca,
geröstet (PL XXXV, 40). b) Syricum, aus Sinopischer Erde und Sandyx
(ebd.). c) Leukophoron (PL XXXV, 36) diente als Unterlage für Ver-
goldung auf Holz, entspricht nach der Zusammensetzung dem heutigen
Boliment.

Blaue Farben.

1. Armenium, armenisch Blau (PL XXXV, 30; 47), durch Zerreibung
von lapis Armenius gewonnen, ist Kupferlasur.

— 262 —

2. Caeruleum (PL XXXIII, 161), Himmelblau; a) C. Soythicum, Lasur-
stein (Gilbert und John vermuten Ultramarin), b) C. Cypricum, Kupferlasur
i. e. Bergblau (kohlensaures Kupferoxyd) ; c) C. lomentum, eine hellere Sorte.

3. Puteolanum (PL XXXIII, 161; 162), künstliches blaues Kupfer-
glas, die ägypt. blaue Glasf ritte Cyanus Aegypt., welche von Vestorius nach-
gemacht wurde (Vitr. VII 11, 1). Die Bereitung wird dort angegeben: Man
reibe Sand und flos nitri (ausgewittertes Natron) zu Staub , vermenge damit
Kupferf eilstaub, knete daraus Kugeln, drücke sie fest in irdene Schmelztiegel
und lasse sie im Ofen verglasen.

4. Indicum (PI. XXXIII, 163: XXXV, 30; 46; 49; Vitr. VII 9, 6) ist
ächter Indigo, aus Indien bezogen. Auch wurde aus Waid (Vitrum, Isatis)
eine dem Indigo ähnliche Farbe hergestellt (Vitr. VII 14, 2; Plin. XXXV, 46
u. XX 59).

Grüne Farben.

1. Chrysocolla (PI. XXXIIT, 89), natürlicher Malachit oder Kupfergrün ;
unser Berggrün, früher durch Zerreiben von Malachit, jetzt künstlich dargestellt.

2. Appianum, (PL XXXV, 48), eine künstliche Nachahmung der vorigen,
aus grüner Erde bereitet.

3. Greta viridis, Grüne Erde (Vitr. VII 7, 4), auch Theodotion nach
dem Entdecker genannt, scheint unsere Veroneser Grünerde zu sein.

4. Aerugo (PL XXXIV, 110; Vitr. VII 12, 1), Kupferrost, unser Grün-
span, aus Kupfer und Essig bereitet.

Schwarze Farben.

Atramentum (PL XXXV, 41; 42; Vitr. VII lü, 4). Die Arten des
Schwarz sind sehr zahlreich ; einige wurden gegraben, die meisten aber künst-
lich durch Verbrennen von harzigen Hölzern u. dgl. erzeugt.

1. Schwarze Erd- und Braunkohle.

2. Kienruss, beim Verbrennen von Pech und harzigen Hölzern,

3. Kernschwarz, durch Verkohlung von Traubenkernen gewonnen.

4. Weinhefen und Tresterschwarz , Tryginon, hat eine blaue Nuance.
(Rebenschwarz.)

5. Kohlen schwarz, durch Zerreiben der Kohle zarter Hölzer bereitet.

6. Elephantinum, gebranntes Elfenbein, Elfenbeinschwarz, von Apelles
erfunden.

7. Mumie der Leichen, von Plinius als „unbequem und neumodisch»
(importunum ac novicium) erwähnt.

Schreibtinte, atramentum librarium, wurde aus Gummi und Kienruss
hergestellt.

Schusterschwärze, atramentum sutorium, ist Eisen- oder Kupfer-
vitriol. Sepia des Tintenfisches, atramentum sepiae, erwähnt Plinius ohne
Angabe einer technischen Verwendung.

263

Anhang IL

Malgeräte im Museum zu Neapel.

Der Fund von St. Medard in seiner Vollständigkeit ist bis jetzt einzig
in seiner Art geblieben; hauptsächlich verdanken wir diesen der in Gallien ge-
bräuchlichen Bestattungsart, während bei den Römern durch die Verbrennung
der Leichen und das Sammeln der Aschenreste in Urnen dem Forscher soviel
wie nichts von den Lebensgewohnheiten des Verstorbenen Kunde gibt.

Bei dem Besuch des Museums war meine Aufmerksamkeit natürlich Kohlenbecken,
darauf gerichtet, ähnliche Instrumente wie die in St. Mddard gefundenen zu
konstatieren ; ausserdem fahndete ich in allen Sammlungen nach einem Utensil,
welches zur Aufnahme von Kohlen und zum Erwärmen der Wände bei
der Ganosis hätte dienen können. In letzterer Hinsicht war mein Suchen
vergeblich, nur ein einziges Objekt im archäologischen Museum zu
Florenz könnte als hierzu geeignet bezeichnet werden: ein Becken aus
Bronze (aus Chiusi stammend ; der Teil der Sammlung war noch nicht
nummeriert) mit drei Füssen darunter, nach oben zu wie ein Bienenkorb mit
Bronzestäbchen abgeschlossen, welche zwei Drittel des Ganzen bildeten ; ganz
zu oberst eine runde Oeffnung zum Auffüllen von Kohlenstücken. Dieser
Apparat hatte Aehnlichkeit mit demjenigen , welcher heute auch zum Aus-
trocknen feuchter Wände bei Neubauten dient, und hatte eine Höhe von
ca. 1 J2 m. Vitruv (VII 9, 3) erwähnt jedoch ein eisernes Gefäss (ferreum
vas), und da auch in Pompeji alle Eisenteile vollständig vom Rost ver-
nichtet sind, so ist wenig Aussicht, jemals ein solches kennen zu lernen.

Anders ist es mit Bronzegegenständen bestellt, denen das fast 1800 jährige
Grab ausser der grünen Patina nicht viel anhaben konnte. Es war gar nicht
anders zu erwarten, als dass sich im Museum Instrumente finden würden, die
mit den in St. Mödard gefundenen Aehnlichkeit haben ; finden sich ja solche
in allen grösseren Sammlungen, wie in Wien, München, Rom u. a. ; aber die
reihenweise Aufstellung von noch so vielen gleichartigen Objekten kann uns
nicht viel sagen, wenn wir nicht ganz genau wissen, mit welchen anderen
Objekten vereinigt diese Dinge gefunden wurden. Erst dadurch konnte ja
der Fund von St. Medard die Bedeutung erlangen, uns das Ver-
ständnis der enkaustischen Technik zu erleichtern!

Das Museum von Neapel birgt in dem Saal der kleinen Bronzen 1 )
in einigen Kästen (LXVI und daran schliessend) einen Schatz, welcher noch
nicht ganz gehoben scheint. Viele dieser Gegenstände aus Bronze wurden
in einem Laden in Pompeji gefunden; durch einzelne Gegenstände der

! ) Inzwischen ist dieser Teil des Museums neu aufgestellt worden , doch war bei
m. letzten Aufenthalt die Neuaufstellung noch nicht beendet. Die obigen Notizen
stammen v. J. 1893,

264 —

Farben-
Schachteln.

Chirurgie wie Sonden , Zangen und gynäkologische Instrumente 2 ) kam man
wohl auf den Gedanken, den Laden für den eines Chirurgen oder für eine
Apotheke zu halten.

Auf den ersten Blick erkannte ich, dass unter den zahlreichen Objekten
sich solche befinden, die wie die Bronzekapsel des Fundes von St. Mödard
Löffelchen ganz ähnlicher Form enthielten und ebenso paarweise vorkamen;
einige dieser Kapseln waren noch an einer kleinen Basaltplatte festge-
schmolzen, wie auch solche der Fund in der Vendee zu Tage förderte. Der
Kustos, Herr Camillo Lembo, welcher vom damaligen Direktor Herrn de
Petra beauftragt war, mir die Kästen zu öffnen, war Zeuge der folgenden
Ergebnisse : Der Inhalt der viereckigen bronzenen Kästchen Nr. 78202 und
78203 bestand aus Farbstücken, von oblong runder Form; wir überzeugten
uns davon leicht durch Anfeuchten und Anreiben auf der Handfläche; bis
dahin hielt man diese Stücke für — Pillen!

Herr Lembo war ganz erstaunt darüber, dass noch niemand auf diese
einfache Idee gekommen war; wir untersuchten deshalb weiter: Die runden
Schachteln aus Bronze 78206 und 78208 enthielten gleichfalls Farben,
roten Ocker, Umbra, Schwarz in Stangenform und unregelmässigen Stücken,
wie erstere jetzt noch von Architekten zum Anreiben in Porzellannäpfchen

Abbild. 54. Enkaustisches Malgerät und Spachteln. l ja der nat. Grösse.

Bnkaustische

Malgeräte.

verwendet werden; Farben enthielten auch 78215, 78236 und 11350; eine
flache Bronzeschale 78210 enthielt ein braunes Harz, wovon eine ganz
kleine Probe erhitzt sofort unter aromatischem Geruch schmolz. Das Bronze-
kästchen 78198 enthielt grössere Stücke einer sehr schönen Umbrafarbe,
ebenso das Kästchen 78189 mit den 6 Abteilungen und den Schiebedeckeln
unten und oben; die Farben waren auch hier in der kurzen Stangenform,
oblong, und es fanden sich Blau, Grün, Umbra, Schwarz vor, auch einige Stücke
der blauen Glasfritte in Kugelform.

Eine noch an die Basaltplatte festgeschmolzene Kapsel enthielt ausser
zwei Bronzelöffelchen noch eine Pinzette; ganz den gleichen Inhalt
hatten 78136, 78144, 78151 (Abb. 54, 1, 2, 3); Nr. 78153 hatte ausser
diesen Gegenständen auch eine Spachtel in der Form von 4 der Abb. 54
und den Bronzeteil der Stuckatorspachtel (s. 5), deren Eisenteil fehlte,
auch in der Kapsel keinen Platz gehabt hätte ; eine ganze Reihe dieser
Stuckatorspachteln , mehrfach noch mit dem stark verrosteten Eisenteil , sind
in dem rechts anstossenden Kasten zu finden.

*) Overbeck (Pompeji in seinen Gebäuden etc.) scheut sich merkwürdigerweise
wegen dieser Objekte näher auf den Fund einzugehen.

— 265 –

Es war mir jetzt ganz klar: der Fundort konnte keine Apotheke oder
dgl. gewesen sein, es war der Laden eines Instrumenten hü ndlers, der
auch gleichzeitig Farben u. s. w. verkaufte.

Im ersten Moment wusste ich keine Erklärung für die Anwesenheit der
Pinzetten in den Bronzekapseln mit den zwei Löffelchen. Der Fund von St.
Medard wies keine Pinzette auf, hier war dieselbe mehrfach und auch in
zierlicher Form da ; ich erinnerte mich aber an die zweimalige Verschüttung
von Pompeji im Zeitraum weniger Dezennien und kam auf den Gedanken.
dass diese Pinzetten bei der als III. Art von Plinius bezeichneten En-
kaustik nötig waren, um die heissen Farbennäpfchen vom Wärmapparat
abzunehmen oder wieder hinzusetzen. Die Instruinente für Enkaustik werden
überdies durch die einschneidende Veränderung, welche die Pinselenkaustik
mit sich brachte, auch ihre äussere Form gewechselt haben, und dies
ist in der reichhaltigen Sammlung von Neapel sogar zu konstatieren : die
Löffelchen verlieren ihren Hauptzweck, die flüssige Wachsfarbe damit auf-
zunehmen, und werden entweder Zierde, Handhabe oder fallen ganz weg, wie
bei Nr. 78145 und 78141 , so dass auf beiden Seiten verdickte Enden zum
Warmmachen da sind; auch Spachtelformen mit verdicktem Ende sind häufig
anzutreffen. Die Spachtel mag auch zum Zusammenmischen von Farben

Abbild. 55. Bronze-Tnstrutuento.

oder anderen Zwecken gedient haben; ähnliche finden sich in grosser Zahl,
einzelne davon sind doppelseitig, so 77733 und 77734.

Ganz merkwürdig geformt sind mehrere Instrumente mit oben ab-
gerundeter Spitze (Abb. 55) und mitunter sehr reichem und zierlichem j
Griff, für welche noch keine Erklärung gefunden wurde; bis jetzt hielt
man dieselben für Instrumente der Zahnheilkunde. Ein Objekt Nr. 116444
gibt uns jedoch Gelegenheit, eine richtigere, d. h. wahrscheinlichere, Lösung
dafür zu finden. Dieses Objekt ist eine Bronzekapsel von gleicher Form
wie die oben erwähnten, und enthält 7 Stücke, welche ich einzeln in der
Abbildung (Abb. 56, 2 — 8) gebe.

Nr. 1 ist die Kapsel mit den Gegenständen darin (abgebildet auch bei
Nicolini, le case e monumenti di Pompeji, Napoli, Sommer e figlio). Grösse
der einzelnen Stücke 16 — 20 cm;

Nr. 2 zeigt einen länglichen Bronzestil mit nadelartigem Fortsatz
nach oben; der untere wie es scheint abgebrochen;

Nr. 3 ein Bronzestück mit tiefen Löchern oben und unten, in welche
die Spitze d. h. der nadelartige Fortsatz von 2 hineinpasst; es mag demnach
zur Verlängerung dienen, wie sie Architekten ähnlich bei ihren Zirkeln haben ;

Andere

Bronze-

na1 rumente.

— 266 —

Nr. 4 ein Bronzestück mit oben abgerundeter Spitze (gleichartig mit
derjenigen in Abb. 55, 1 und 2), deren unterer Teil ausgehöhlt ist, so dass
er ebenso wie das vorige Stück auf 2 aufgesetzt werden kann ;

Nr. 5 und 6 sind gleich, längliche Bronzenadeln mit dickerem und
abgeflachtem Ende ;

Nr. 7 ist eine Spachtel, wie sie mehrfach vorkommt;

Nr. 8 sind eigentlich 3 Objekte, welche durch die Hitze verschmolzen
sind und sich nicht trennen Hessen ; der länglich unförmliche Teil ist Ambra
oder Bernstein (durch den Geruch beim Reiben erkennbar), die beiden an-
deren Stücke aus Bronze sind teilweise von diesem verdeckt; man er-
kennt jedoch deutlich eine auf einen längeren dünnen Bronzestil aufgesetzte

J,o

Abbild. 56. Instrumente in einer Bronzekapsel (Pompeji). ‘/ 4 der nat. Grösse.

konisch geformte Spitze ; aus der Masse des Bernsteins ragt nach unten noch
ein Bronzeteil etwa 1 cm heraus, dessen Fortsetzung nicht mehr zu sehen ist.
In dem Abschnitt „Schlussfolgerungen» S. 160 Anm. habe ich schon die
Vermutung ausgesprochen , dass oben abgerundete Bronzeinstrumente zum
Ziehen von Markierungslinien in dem weichen Stuck gedient haben mögen ;
das hier vor uns liegende Objekt bestätigt meine Ansicht : wir haben den Zirkel
und das Handwerkszeug eines der Tectores vor uns; es fehlt zur Vollständigkeit
nur der Kopf des Zirkels, welcher entweder unter dem verschmolzenen Teil
zu vermuten ist oder vom Tector irgendwo separat nebst anderem Hand-
werkszeug aufbewahrt wurde. Nr. 5 und 6 dienten zur Markierung kürzerer
Linien oder zum Bezeichnen einzelner Punkte; die unteren Enden mögen

Abb. 57. Tabloche italienischer Stuckarbeiter.

— 267 —

dazu verwendet worden sein, Hilfspunkte wieder zu ebnen. Dass es sich
bei diesem ganzen zusammengehörigen Handwerkszeug um einen Zirkel und
dessen Gebrauch auf weichem Grunde handelt, dafür spricht ausser den
Verlängerungen auch die konische Spitze bei Nr. 8, welche ihrer Form
wegen nicht so tief in den weichen Grund eindringen kann.

Die Erklärung dieses interessanten Objektes macht die Wahrscheinlichkeit,
dass die übrigen Instrumente mit der nach oben gebogenen Spitze denselben
Zweck gehabt haben, sehr gross; möglicherweise sind sie auch anderweitig
gebraucht worden, aber zu dem eben angegebenen Zwecke eignen sie sich
ganz ausgezeichnet.

Hier möge noch ein Gerät angereiht werden, das für Stucktechnik dient Täbloohe.
und heute im südlichen Italien und Sizilien gebräuchlich ist, nämlich die sog.
Tabloche oder Tavolezza. Wahrscheinlich ist das sehr zweckmässige Utensil
schon im Altertum zum selben Zweck verwendet worden. Der Stuckarbeiter
musste , wenn er auf dem Gerüst die letzten Aufträge machen wollte , sich
mit einem vorher angemachten Vorrat von Stuckmasse versehen ; dazu diente
das kleine Brett mit einer unten angebrachten Handhabe , wie es Abb. 57
zeigt. Da vermutlich zwei oder mehr Arbeiter gleichzeitig mit dem Auftragen
der Stuckschicht beschäftigt waren, damit die untere Schicht nicht zu schnell
trocken würde, bot ihnen das eben erwähnte Holzgerät ein bequemes Hilfsmittel
zur schnelleren Arbeit.

— 268 —

Anhang ITL

1. Chevreul’s chemische Analysen römischer Farben und anderer
Substanzen des Fundes von St. Medard-des-Pres.

(Auszug aus Recherches chimiques sur plusieurs Objets d’Ar-
chdologie, trouves dans le Departement de la Vende’e. Abgedruckt in
Memoires de l’Academie des Sciences de lTnstitut de France. T. XXII.
Paris. 1850 p. 183-199.)

Prüfung von Substanzen organischen Ursprunges.

§ 1. Untersuchung einer harzigen Masse.
Harzige Masse. j)[ G Masse, in grossen Stücken, zeigte zwei sehr verschiedene Partien:

eine äussere Partie, bröckelig, undurchsichtig, holzgelb, und eine innere Partie,
leicht gebräunt, durchscheinend, wohlriechend, hatten alle Eigenschaften des
Harzes. Zwischen diesen beiden Partien war kein Mittelding, und es ist ohne
Zweifel die äussere Masse auf eine Alteration der inneren zurückzuführen.
Kochender Alkohol war nicht imstande, die innere Partie vollständig zu lösen.
Die genaue chemische Untersuchung der im Alkohol gelösten Masse ergab deren
Gleichheit mit dem Harz der Strandpinie , Pinus maritimus ; auch die im Al-
kohol nicht gelöste Partie zeigte gleiche Eigenschaften wie Pinus maritimus
oder Pinus silvestris.

§ 2. Untersuchung einer Masse, welche in kleiner zylindrisch konischer
Form war, ergab als Resultat Bernstein oder gelbe Ambra.

§ 3. Masse in einer grossen Flasche enthalten.

Diese Masse war einer augenscheinlichen Veränderung unterworfen, denn
sie verbreitete einen moderigen Geruch ; dem äusseren Anschein nach war sie
nicht gleichmässig; die weissen verwitterten Partien und schwarze Teilchen, die
sich auf dem blassgelben Grund zeigten, deuteten auf Wachs. Die Masse
schmolz und gerann wie dieses bei 64°; Lackmuspapier rötete sie leicht.
Siedender Alkohol löste sie, mit Ausnahme eines leichten Rückstandes, welcher
ein wenig Asche zurückliess, die aus Kalk und Spuren von Eisenoxyd und
Wachs. K a ü bestand. Die Lösung in Alkohol ergab beim Erkalten wirkliches Wachs,
schmelzbar bei 64°, und enthielt eine Spur einer schwarzen Masse.

Die alkoholische Lösung enthielt nach dem Erkalten und nachdem das
Wachs durch Filtration davon getrennt worden , zwei fette Säuren von ver-
schiedener Schmelzbarkeit : die weniger schmelzbare krystallisierte bei der
natürlichen Verdunstung eines Teiles des Alkohols: das Filtrat, mit Wasser
vermengt, gab eine leicht gefärbte Masse, bei 41—42° schmelzbar, und ent-
hielt ohne Zweifel eine schwer schmelzbare Säure. Die Säuren, welche
in relativ geringer Quantität im Wachs enthalten waren, färbten, in Alkohol
gelöst, Lackmuspapier rot, und Wasser, der roten Flüssigkeit hinzugefügt,
veränderte dieselbe wieder in Blau. Die Säuren schienen mir von einer
Mischung von Oel- und Fettsäuren verschieden. Die von ihnen entfernte

— 260 —

Flüssigkeit reagierte leicht sauer, und der Rückstand nach dein Verdampfen
ergab nur eine Spur einer Asche von Kalk und Eisenoxyd. Die Masse
war demnach Bio neu wachs, von welchem sich nur sehr kleine Partien ver-
ändert hatten.

§ 4. Prüfung einer Masse in einer kleinen Phiole mit Hackern
Boden.

Diese Masse wurde in heisses Wasser gebracht und geschüttelt, um die Mischung
im Wasser löslichen Korper zu entternen; sie schmolz, nahm eine braune Waohs.
Farbe an und roch nach Harz oder Pech. Das Wasser war nach dem
Erkalten mit einem weissen Häutchen bedeckt ; die grössere Partie der Masse
war nicht gelöst, auch das abfiltrierte und verdampfte Wasser liess nur einen
leichten gelblichen Rückstand, der auf Lackmus sauer reagierte und ein kalkiges
Salz enthielt; aber es war weder schwefel- noch Stickstoff- oder chlorhaltig.
Die unlösliche Masse schied in kochendem Alkohol Wachs aus, welches sich
im Erkalten zeigte. Dieses Wachs schmolz bei 64° und war nicht säure-
haltig. Der nach der Ausscheidung des Wachses filtrierte Alkohol enthielt
wirkliches Pinienharz d. h. die nämliche (§ 1) gefundene Substanz. Endlich
zeigte das im Alkohol Unlösliche dieselben Eigenschaften, wie die im obigen
Kapitel beschriebenen.

Ohne Zweifel war die Masse ein Gemenge von Harz und Wachs,
zum Gebrauch für Malerei bestimmt.

§ 5. Prüfung einer schwarzen Masse in einer Phiole mit sehr
flachem Boden.

Diese Masse, welche eine ausserordentlich komplizierte Mischung vor-
stellte, ergab ein merkwürdiges Resultat durch die freie Anwesenheit von
öligen und fetten Säuren.

(Chevreul wundert sich darüber, weil Pillon den Fund aus dem III. Jahr-
hundert n. Chr. datiert, und fährt dann fort 🙂 Die Masse hatte eine schwärz-
liche Färbung und den Anschein einer vollständig zu einer festen Masse
innig verbundenen Flüssigkeit. Bei 20° Wärme wurde sie weich, färbte das
feuchte Lackmuspapier stark rot und strömte einen aromatischen Geruch aus,
der nichts Ranziges hatte. In warmem Wasser löste sich nichts von der
Masse, die vollständig gleich blieb.

Bei der Behandlung mit kaltem Alkohol löste sich eine fette Säure, voll-
kommen flüssig bei 20°, welche alle Eigenschaften einer Mischung von Oel-
mit Fettsäure aufwies. Der Schmelzpunkt der beiden Säuren blieb konstant
nach der Lösung in Kali und darauffolgender Isolierung. Das bezeugt, dass
sie nicht mit verseiften fetten Körpern gemischt waren.

Kochender Alkohol sonderte nach dem Erkalten eine neutrale Masse ab,
bei 64° schmelzbar, mit allen Eigenschaften des Bienenwachses ausgestattet,
und der nach dem Erkalten filtrierte Alkohol enthielt eine Masse, schmelzbar
bei 28°, welche Oel- und Fettsäuren enthielt.

Schliesslich ergab die in kochendem Alkohol nicht lösliche Masse Russ-
schwarz, welches nach der Verbrennung in der Asche nur eine Spur von
Kalk, vermutlich eine Kalkseife, enthielt.

Die Anwesenheit der Fett- und Oelsäuren, des Wachses und des Russ- Wachs nütoei-
schwarzes ist demnach nicht zweifelhaft. Woher kommen nun diese Säuren?
Sind sie auf die natürliche Alteration eines neutralen Oeles, welohes man dem
Waohs und dem Schwarz beigemengt, zurückzuführen, so zwar, dass durch
den atmosphärischen Einfluss oder irgend einen anderen das neutrale Oel
in Säure übergeführt worden ist ? Oder rühren sie von einer Zersetzung von
verseiftem Olivenöl, Mohnöl oder einem anderen durch eine Säure wie Essig-
oder Zitronensäure her? Das kann ich nioht bestimmt entscheiden; die
zweite Art erscheint mir übrigens wahrscheinlicher als die erste, u. zw. aus
folgender Ursache: Man fand durchaus keinen in Wasser löslichen Körper,
auch keinen riechenden, welche den fetten verseifbaren Körpern gleichen, die
sauer und ranzig werden, und fürwahr, wenn man die Masse untersucht halte,

— 270 –

ohne ihr Alter zu kennen, würde man ohne Bedenken darauf schliessen, dass
dieselbe direkt aus einer öligen Säure, die ein wenig fette Säure enthielt, ge-
bildet war.

Prüfung von Farben und anorganischen Substanzen des Fundes von

St. Medard.

§ 1. Untersuchung von 4 Materien, Nr. 1. 2. 3. 4,
aus drei Metalloxyden gebildet, welche, wie es den Anschein hat, ursprünglich
in einem dickflüssigen Zustand in die Behältnisse gebracht worden waren
und dort erhärteten. Die Massen waren nicht gleichmässig und keine färbte,
auf Papier gebracht, mit reiner Farbe ab. Die Farben verteilten sich auf
Grün , Orange und Grau ; die grünen Töne waren durch Rot gebrochen, die
orangefarbigen durch Grau.

Materie 1 war gebildet aus kohlensaurem Kupfer, kohlensaurem Blei
und Eisenoxyd ; ausserdem Spuren einer organischen Substanz und Kalk
nebst ein wenig eisenhaltigem Sand. Die Mischung zeigt eine grau-grünlich-
gelbe Färbung.

Materie 2 war der vorigen analog und zeigte ausser den Kupfer-,
Blei- und Eisenoxyden Spuren einer organischen Substanz , überdies Zinn-
und Arsenikoxyde. Ausserdem Sand von Kieselerde , Tonerde und Eisen-
oxyd.

Materie 3 war genau wie die vorige, nur war das Eisenoxyd im Ver-
hältnis grösser, die Färbung mehr braunrot.

Materie 4 genau wie die vorhergehende.

§ 2. Untersuchung einer Masse, aus Metalloxyden und Eisen-
phosphat gebildet, Nr. 5.

Dieselbe war blass-blau-grün mit braunen oberflächlichen Flecken. Die
ehem. Zusammensetzung glich der obigen vollkommen , nur war die Menge
des Eisenoxydes grösser, hauptsächlich durch die braunen Flecken bedingt;
sie enthielt ebenso organische Substanz und eine grössere Menge Eisen-
phosphat, wahrscheinlich phosphorsaure Tonerde, überdies war in der Mischung
kohlensaurer Kalk und ein wenig Sand von eisenhaltiger Tonerde.

§ 3. Untersuchung einer aus 4 Metalloxyden gebildeten Masse Nr. 6.

Die Masse war einem zerbrochenen Fläschchen entnommen, doch haftete
die Materie an den Glasstücken fest ; ohne Zweifel war sie in dickflüssigem
Zustand in dasselbe gebracht worden und trocknete in einzelnen Teilen voll-
kommen fest. Beim Auseinanderbrechen zeigten sich grüne Streifen und
kleine weisse Punkte auf braunem Grund. Siedendes Wasser sondert eine
ganz kleine Menge einer organischen Substanz ab , welche ein kalkhaltiges
Salz enthielt, ein anderes als Sulphat.

Bei der weiteren, ehem. Behandlung blieb ein kleiner Rückstand einer
organ. Substanz, eines Sandes von Ton- und Kieselerde, Eisenoxyd mit einer
Spur von Manganoxyd und Phosphorsäure. Aber das Bemerkenswerte an
der Analyse war, dass die stickstoffhaltige Lösung Blei-, Kupfer-, Eisenoxyde
und eine ziemliche Menge Zinkoxyd enthielt; letzteres war absolut rein er-
hältlich. Die Blei- und Kupferoxyde waren zweifellos kohlensaure.

§ 4. Untersuchung der Masse Nr. 7.

Diese Masse, welche zu den interessantesten der in St. Medard ge-
fundenen gehört, war, wie die weitere Untersuchung gezeigt hat, zur Grun-
dierung eines Gemäldefragmentes (?) benützt und wurde in einem schwarzen
irdenen Töpfchen gefunden ; es waren Stücke von graugrüner Farbe mit
roten Flecken. Ein Teil war kompakt, der andere gab dem Drucke des
Fingers nach und liess sich in verschiedenartige Teile trennen.

Ohevreul unterzog die einzelnen getrennten Substanzen einer eingehenden
Untersuchung, welche ergab :

1. Substanzen, die in Wasser löslich waren.

– 271 —

Diese bestanden aus schwefelsaurem Kalk (Gips), Chlornatrium und
einer organ. Suitstanz, deren Asohe Kalk und Eisenoxyd enthielt.

2. Eine grüne Masse von ungleichartiger Reinheit und Intensität, in
welcher Chevreul die grüne veroneser-Erde erkannte.

3. Eine blaue Masse mit gelbetfi Körnchen oder Blättchen nebst weissem
quarzigem Sand war ein G/imenge von gelbem Schwefelarsenik (Auri-
pigment) mit der blauen Masse, welche mit clor blauen ägyptischen
Glasfritte identisch schien.

§ 5. Untersuchung eines Glases }
welches unter den verschiedenen Gläsern des Grabes von M&lard des Pros
durch seine Durchsichtigkeit und Farblosigkeit besonders auffiel : die Probe
enthielt Bleioxyd, gehörte demnach zu den Bleigläsern, welche wir Krvstall
nennen, und unterschied sich von dem zylinderförmigen, fagonnierten, in einen
Kanal auslaufenden Utensil durch grössere Dichtigkeit ; das letztere war
wirklicher Bergkrystall.

§ 6. Untersuchung des Bronzemörsers u?id des Bronzekästchens.

Die Untersuchung des Mörsers, sowie der „boite a couleur» ergab eine
Komposition von Kupfer und Zinn, war also Bronze ; dabei fiel die ungemeine
Biegsamkeit, insbesondere der dünnen Wände des Farbenkastens auf.

2. Chemische Analysen von Farben römischer Provenienz des Fundes
von Herne-St. Hubert in Belgien.

a. Analysen von Dr. Schoofs.

(s. Compte Rendu du Congres Archeologique et historique de Belgique nr^^h V f D
a Tongres 1901 public par Frangois Huybrigts; Tongres 1902 p. 125 — 130.)

Die Analyse des Dr. Fr. Schoofs (Assistent an der Universität zu
Lüttich) betraf einige Untersuchungen von Farbenwürfelchen und von Farben
aus zwei der 20 cylindrischen Tiegel und eine der in konischem Behälter
befindlichen Materie. Folgende Resultate sind zu verzeichnen :

a) Analyse eines Farben-Würfels von rotbrauner Farbe (1 | jcm
und 8 mm hoch). Die äussere Erscheinung war matt, von brüchi-
ger Konsistenz ; beim Abschaben mit der Messerklinge erhielt man
eine glänzende Oberfläche. Die Analyse ergab als färbende Substanz
Eisensalze (sels ferriques). Bei der Untersuchung auf organische
Substanzen schied die alkoholische Lösung eine trübe gelbliche
Flüssigkeit in geringer Menge ab, die jedoch genügte, um den
Schmelzpunkt auf 70,5° C. zu bestimmen.

b) Ein Stück Farbe von lebhafter roter Nuance wurde als Verbindung
von Schwefel und Quecksilber erkannt (Zinnober).

c) Die mit c bezeichnete Farbenprobe war weiss, dicht und abfärbend.
Die Untersuchung ergab Bleikarbonat mit einer sehr geringen Menge
organischer, in heissem Alkohol löslicher Substanz. Nach deren
Verdampfung blieb auf der Glasschale ein leichter weisslicher Rück-
stand , der in Wasserbad-Temperatur schmelzbar war. (Künstliches
Bleiweiss war im Altertum bekannt; s. Würtz unter „cerussa».)

d) Die mit d bezeichnete Probe von weisslich-grauer Farbe , weniger
kompakt als die vorige, bestand ebenfalls aus Bleikarbonat, war
aber reicher an organischer Beimengung. Aether schied , selbst in
kalter Lösung, eine bei 57,5° 0. schmelzbare weisse Masse ab. Dabei
ist zu bemerken , dass diese Masse in geringer Menge vorhanden
war. In 1,9 gr. der Farbe konnten jedocu durch successive Be-
handlung mit Aether 0,01 19 gr der organischen Substanz d. i. 0,6°/o
extrahiert werden.

e) Das Farbstück bestand aus zwei Teilen ; der innere von grauschwarzer
Farbe schien in Zersetzung befindliches Blei zu sein ; der äussere
in der Dicke von etwa 1 — 2 mm war eine weissliche Schicht von

-_ 972

Bleikarbonat, in welcher eine organische Substanz erkennbar war.
Es wurde 0,7 gr dieser äusseren Schicht abgekratzt und mit Schwefel-
äther behandelt. Nach der Verdunstung verblieb ein weisser Rück-
stand von weicher Konsistenz , u. zw. in Menge von 0,05 gr , also
7,l°/o der Masse, deren Schmelzpunkt mit 58,5° C. ermittelt wurde.
Vermutlich handelte es sich hier um eine zu Zwecken der Blei-
weisspräparation verwendete Bleiplatte.
fl Farbe aus einem konisch geformten, abgeplatteten Näpfchen. Mit
Aether behandelt, gab die bräunliche Substanz an den ersteren eine
Masse ab, die nach der Verdampfung des Lösungsmittels die Er-
scheinung des braun-gelben gefirnissten Ueberzugs hatte. Schmelz-
punkt 59,5° C. ; die Hitze entwickelte empyreumatischen Geruch.

Der Aether löste unter diesen Verhältnissen l,82°/o des Körpers.
Nachher wurde der Lösungsprozess mit kochendem Alkohol fort-
gesetzt, der sich stark braun färbte. Nach der Verdampfung blieb
auf der Glasschale ein firnissartiger, transparenter dunkelbrauner
Ueberzug zurück, der sich beim Abschaben der Oberfläche in Form
kleiner, glänzender Schuppen ablöste. Der Schmelzpunkt lag gegen
95° C. Es war möglich, 7,46°/o dieser Masse, welche den Charakter
der Harze zu haben schien, zu extrahieren. Der Rückstand
mineralischer Substanzen enthielt Kupfersalze , viel Eisen und einen
in Salzsäure unlöslichen Rest, der ein Bleisalz enthielt,
g) Die folgende Probe ist deshalb interessant zu erwähnen, weil diese
als färbende Substanz einen organischen Körper enthielt. Es war
ein Bröckchen blauer Farbe, welche von mineralischen Elementen
Kupfersalze, Calcium, Spuren von Eisen und Kohlenstoff enthielt.
Ausserdem einen in Salzsäure unlöslichen, aber in Chloroform löslichen
Rückstand, der erhitzt violette Dämpfe entwickelte; es ist Indigo,
welcher nach Schmidt (Ausführl. Lehrb. der pharm. Chemie 1896
II p. 1030) im Altertum bekannt und von den Griechen und Römern
in der Färberei und Malerei gebraucht wurde
Schlussfolgerungen:

Es entsteht die Frage: welcher Natur sind die organischen schmelzbaren
Substanzen, die in einzelnen Untersuchungen, besonders in d und e, gefunden
wurden V Handelt es sich um ein Wachs oder um eine fette Materie?

Dr. Schoofs versichert, dass die letztere Hypothese zuzulassen ist, u. zw.
aus folgenden Gründen :

1. Grosse Lösbarkeit des fraglichen Produktes in kaltem Aether; die
Lösung würde viel schwerer vor sich gehen, wenn es sich um
Wachs handelte.

2. Bei der Erhitzung des Produktes zersetzt es sich unter Entwicklung
von Geruch nach Acreolein, der für fette Materien charakteristisch ist.

3. Nach der Verseifung mit alkoholischer Lauge und Verdampfung bis
zur Trockenheit wurde ein in Wasser löslicher, leicht getrübter
Rückstand erhalten ; dies gestattet die Anwesenheit von Wachs in
bemerkbarer Menge auszuschliessen. Wenn Wachs darin enthalten
wäre , würde als Rückstand eine in Wasser unlösliche Materie von
höherem Molekulargewicht verbleiben.

4. Man könnte einwenden, dass die Schmelzpunkte zu hoch gelegen
sind im Verhältnis zu denjenigen der fetten Materien. Berück-
sichtigen wir aber die Anwesenheit von ein wenig Blei in der
durch Aether extrahierten Masse, so kann dies nicht ohne Einfluss
auf den Schmelzpunkt sein.

Infolge der geringen zur Untersuchung gelangten Mengen organischer
Substanzen müssen unserem Schluss Grenzen gezogen werden. Die Schwierig-
keiten werden in dieser Hinsicht noch vermehrt durch die Veränderungen,
denen organische Substanzen in hervorragender Weise ausgesetzt sind ; schon

– lit;: —

der Umstand, dass sie sich in diesem Zustand bis auf unsere Zeit erhalten
konnten, ist wichtig hervorzuheben.

Die Frage dreht sich zunächst um die Erklärung der Anwesenheit fetter
und harziger Substanzen in den oben erwähnten Untersuchungen. Könnte
man vielleicht annehmen, dass die Harze aus der Umwandlung gewisser Oele
zu erklären seien, welche bekanntlich sieh verdicken und in einen harzigen
Körper verwandeln ?

b) Bericht von (liemiker Geonr Büchner (München) über die chemische Analyse von

tt i i-i i_ •• • i t-» ■ T-i i. ,r – «»«cnner.

Untersuchung von Farben römischer Provenienz zur Peststellung
der darin etwa enthaltenen Bindemittel.

1. Untersuchung verschiedener (aus Bronzetiegeln entnom-
mener) Farbpulver von hellbraun -rot er, dunkel-braunroter und
dunkel-grauschwarzer Farbe.

Es liegen hier durchweg makroskopisch und mikroskopisch amorphe
Farbpulver vor, untermengt mit kleineren oder grösseren oxydierten, brüchigen
Bronzeteilchen. Diese Farbpulver entwickeln beim Erhitzen in der einseitig
geschlossenen Glasröhre geringe Mengen sauer reagierender, einpyreumatischer
Dämpfe, enthalten also geringe Mengen von organischen Stoffen. Durch
Behandlung mit Lösungsmitteln wie Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform,
alkoholische Kalilauge werden weder fett-, harz-, noch wachsartige Bestand-
teile erhalten.

2. Die in vier kleinen, fast durch und durch oxydierten brüchigen
Bronzetiegelehen enthaltenen verschieden gefärbten, teils lockeren, teils
zusammengebackenen Farbpulver verhalten sich genau wie unter 1.

3. Der Inhalt eines zusammengefalteten Bleibleches (s. oben
sub f) gibt an Chloroform eine sehr geringe Menge eines spröden, schwarzen
Körpers ab , der weiter nicht zu identifizieren ist. Der wässerige Auszug
hinterlässt nach dem Verdunsten eine Spur klebriger Substanz.

4. Kleine Würfel von nahezu gleicher Grösse (ca. 1 Cubicentimeter)
von lehmgelber, brauner, grauer Farbe, manche mit violettem Anfluge, leicht
zerrei blich. Unter dem Mikroskop zeigen sich neben der amorphen Haupt-
masse des Würfelpulvers geringe Mengen gelber Kryställchen , welche die

Form sechsseitiger Täfelchen aufweisen

Beim Erhitzen auf dem Platin-

V

blech treten brennbare Dämpfe auf, von wachsartigem Geruch, frei von
jedem Gerüche nach Acreolei’n; auch beim Erhitzen der Substanz mit Kalium-
bisulfat tritt kein Acreoleingeruch auf. Beim Erhitzen in der Glasröhre treten
stark saure Dämpfe auf, ganz ähnlich denen, welche Wachs bei der trockenen
Destillation ergibt. Da bei der Behandlung des Würfelpulvers mit Chloroform
verhältnismässig reichliche Mengen eines wachsartigen Körpers er-
halten wurden , extrahierte ich eine grössere Anzahl der Würfel , nämlich
20 Stück Würfel im Gewichte von 24,2 gr, mit Chloroform und erhielt so
2,3 gr (9,5°/o) einer dunkelbraunen , knetbaren , dem äusseren Ansehen und
den äusseren Eigenschaften nach vollkommen wachsähnlichen Masse.
Nach dem Ausziehen mit Chloroform liess das Würfelpulver unter dem
Mikroskop keine Krystalle mehr erkennen. Das mit Chloroform ausgezogene
Würfelpulver gibt weder an Alkohol, Aether, Wasser, alkoholische Kalilauge
noch andere Lösungsmittel etwas bemerkenswertes ab.

Wachsähnliche Masse aus den Farbenwürfeln.

Diese Substanz verbrennt auf dem Platinblech ohne Rückstand , in der
Röhre sublimiert unter Ausstossung gelber Dämpfe von wachsähnlichem Ge-
ruch ein braunes Oel. Beim Erhitzen mit Kaliumsulfat entwickeln sich keine
Acreole’indämpfe, die Substanz enthält also keine Glyceride. In kaltem Alkohol
ist die Substanz wenig löslich ; in heissem Alkohol löst sie sich auf und er-
starrt beim Erkalten zu einem weissen Krystallbrei, der unter dem Mikroskop

18

Untersuchung

der wachsahn-
liclien Masse.

— 274 —

ein öemenge * darstellt von gewundenen Nadeln (ähnlich den Fettsäure-
krystallen) und kleinen Kügelchen , die sich oft der Form von Plättchen
nähern. Ebenso verhält sich die Substanz gegen Aether ; der Schmelzpunkt
der Substanz liegt bei 73—74° C.

Bei der Verseifung mit alkoholischer Kalilauge nach der Methode von
Hübl erhält man folgende Zahlen :

Säurezahl Aetherzahl Yerseifungszahl Verhältniszahl

16,66 122,91 172,89 7,3

Die verseifte Substanz ist nach dem Verdunsten des Alkohols nahezu
vollständig in Wasser löslich. Aus dieser Lösung werden die Fettsäuren
abgeschieden, und es zeigen dieselben einen Schmelzpunkt von 73 — 74° C, einen
Erstarrungspunkt von 68 — 69° 0.

Sowohl die ursprüngliche wachsähnliche Substanz , als auch die nach

der Verseifung daraus erhaltenen Fettsäuren werden der Elementar-Analyse
unterworfen. Dabei ergibt sich folgendes Resultat :

Wachsartige Substanz Fettsäuren

Kohlenstoff 62,72 °/ 63,75 °/

Wasserstoff 11,50 „ 12,82 „

Sauerstoff 23,43 „ 23,43 „

5. Verschiedene Bruchstücke von Farbplatten in verschiedenen
Farben, rot, braun, gelb, weiss und grau. Diese verhalten sich im allgemeinen
wie die Farbenwürfel. Die sich beim Erhitzen in der Röhre entwickelnden
Dämpfe reagieren aber alkalisch; durch Wasser wird eine Spur einer
klebrigen Substanz ausgezogen , die nicht näher identifiziert werden kann.
Beim Ausziehen mit Chloroform erhielt ich 4°/o einer weissen, harten, mehr
fett- als wachsähnlichen Substanz, die sich im allgemeinen ganz wie die wachs-
ähnliche Substanz aus den Farbenwürfeln verhält und ohne Rückstand rer-
brennlich ist. Glycerin kann nicht nachgewiesen werden. Bei der Verseifung
nach der Methode Hübl erhielt ich folgende Zahlen :

Säurezahl Aetherzahl Verseifungszahl Verhältnis zahl

47,0 128,7 175,7 2,7

Zur Vornahme einer Elementar-Analyse reichte die geringe Menge er-
haltener Substanz nicht aus.

Harze konnten in diesen wachsartigen Substanzen nicht nachgewiesen
werden.

Scbluss- Schlussfolgerungen: Aus den Untersuchungen, welche mit den ge-

ringen Mengen erhaltener wachsartiger Substanzen ausgeführt werden konnten,
insbesondere auch aus der Elementaranalyse geht mit Sicherheit hervor, dass
diese Substanz weder ein unverändertes Wachs noch ein unver-
ändertes Fett, auch keine unveränderte Mischung von Fetten,
Oelen oder Wachs darstellt. Der Elementaranalyse nach stellt diese wachs-
artige Substanz eine oxydierte Fettsäure, eine Oxyfettsäure vor, ähnlich der
Trioxystearinsäure z. B., deren Zusammensetzung sich derjenigen der wachs-
artigen Substanz am meisten nähert, wie aus nachstehender Zusammenstellung
zu ersehen ist.

Wachsartige Substanz Trioxy- Fette Bienenwachs
aus den Würfeln Stearinsäure Durchschnitt
Kohlenstoff 62,72 65,07 76,01 81,61

Wasserstoff 11,50 10,84 11,35 13,86

Sauerstoff 23,43 24,09 12,64 4,53

Die Tatsache, dass die wachsartige Substanz, obwohl kein Glycerid und
kein Wachs, dennoch eine verhältnismässige hohe Verseifungszahl hat, bezw.
Aetherzahl, lässt sich so erklären, dass wir es hier mit Anhydriden der Oxy-
fettsäuren zu tun haben, indem zwischen zwei Molekülen derselben Anhydrid-
bildung stattfand, nach Art des Stearolactons (Benedikt 1897 S. 27; Geitel

— 27r, _

Journal f. prakt. Chemie L888 [2] 37, 53). Wir hätten demnach kein.- freien
Fettsäuren, sondern Anhydride von Oxyfettsäuren.

Diese aus den Würfeln und Platten erhaltene waohsartige Substanz ist
also anzusprechen als ein Produkt der Oxydation von Fettsäuren, welche
sowohl einem Oele, Fette oder auch der Palmitinsäure des Bienen-
waohses entstammen können. Wäre ursprünglich ein Fett oder fettes
Oel vorhanden gewesen, so wäre der erste Vorgang- der Veränderung im
Laufe der Zeit eine Spaltung desselben in Fettsäuren und Glycerin gewesen,
letzteres wäre nach und nach vollständig zu Kohlensäure und Wasser oxydiert
worden, dann hätte eine Oxydation der freien Fettsäuren, zuletzt eine Anhydrid-
bildung der gebildeten Oxyfettsäuren stattgefunden. Derartige Produkte sind
bisher nur durch Einwirkung von Oxydationsmitteln auf die Fette im
Laboratorium erhalten worden. Die Veränderungen der Fette und Wachs-
arten im Laufe längerer Zeiträume sind experimentell bisher nicht erforscht
worden.

18*

278

Anhang IV.

Verbreitung der alt-römischen Stuckmalerei in Deutschland.

Wo auch immer die römische Herrschaft festen Puss gefasst und mit
den römischen Cohorten die römische Kultur ihren Einzug gehalten hat,
lässt sich an noch erhaltenen Bauresten die grosse Verbreitung der antiken
Stuckmalerei erweisen. In den befestigten Lagern , den Quartieren der Le-
gionäre und den Hauptplätzen der eroberten Provinzen wurden die Gebäude
nach römischer Art erbaut; die Sieger brachten ihre Baumeister, Zimmerleute
und Arbeiter mit, und ebenso wie sie Heiligtümer, Thermen und Theater
errichteten, schmückten sie ihre Wohnstätten in der Weise der Heimat.

In Gallien bis an die Grenzen der Nordsee, am Rhein und an der Donau,
wo überall Ansiedlungen der Römer bestanden, finden sich derartige Reste,
die von der allgemein üblichen Ausschmückung der Bauten mit Stuckmalerei
Zeugnis ablegen. Für uns ist es deshalb von Interesse, an den hauptsäch-
lichsten römischen Stätten in Deutschland diesen Resten nachzugehen , um
auch an ihnen zu zeigen, wie die römischen Stuckarbeiter unter veränderten
äusseren Umständen ihre Technik auszuüben wussten.

Es ist begreiflich, dass die nordische Stucktechnik nicht in gleichem
Masse die Vollendung der römischen zeigen kann , weil das echte Material
nicht überall zur Stelle war. Statt des Marmormörtels sehen wir deshalb
vielfach nur feinen Sand gebraucht; auch die Dicke des Bewurfes ist eine viel
geringere, als sie z. B. die römischen Stucke zeigen. Einzelne Proben aus
Carnuntum, die sieh in meinem Besitze befinden, haben zwar eine Schicht von
Marmorstuck, aber diese Schicht ist kaum J /2 cm stark, während die römischen
oft mehr als 2 cm stark sind. Auch in der Glättung zeigen sie grosse
Unterschiede, und infolge dessen ist auch die Erhaltung sehr verschieden.
Da die Erhaltung vom Material und der angewendeten Methode abhängt , so
ist es klar, dass die nordischen Stuckmalereien römischer Provenienz schon
aus diesem Grunde nicht mit den südlichen auf eine Linie gestellt werden
können.

Immerhin ist es sehr bemerkenswert, dass sich am Rhein eine weit
grössere Menge antik-römischer Stuckmalereien erhalten hat, weil der praktische
Sinn der eingewanderten Stuckarbeiter gar bald die Fundstätten des sog. Trass
entdeckt und für Bauzwecke ausgenützt haben mag. Der Trass bot ihnen
in seiner Eigenschaft als natürlicher Zement einen willkommenen Ersatz für
die heimatliche Puzzuolanerde. Wo sie das geeignete Material nicht vorfanden
oder der Transport sich nicht verlohnte, nahmen sie zu anderen ihnen be-
kannten Mitteln Zuflucht, wie z. B. zu den zerkleinerten Ziegelsteinen, welche
dem Kalk als zweckmässiger Zuschlag beigegeben wurden. J )

*) Ueber die Verwendung von Ziegelstückchen oder Ziegel mehl zum
Mörtel der römischen Bauten zu Trier schreibt Architekt Schmidt an Wilmowsky
(Jahresber. d. Gesellsch. f. nützl. Forsch. Trier 1865 -08 p. 60) folgendes: „Die zor-

277

Im Folgenden gebe ich eine Aneinanderreihung von Notizen über
römische Stuckmalereien, die in Deutschland gefunden worden sind. Sic
macht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll nur die technische
Uebereinstimmung der nordisch-römischen mit den antiken Stuckmalereien
veranschaulichen :

1. Sehr geringe Anhaltspunkte für Malerei bietet das im Jahre 1859
aufgedeckte Haus des Tribunen M. Pilonius Victorinus zu Trier
worüber v. Wilmowsky (Jahresbericht d. Ges. f. nützl. Forsch, zu Trier
1861 — 1862) ausfübrlich berichtet. Ausser den Grundmauern und dem Mosaik-
belag des Atriums , dessen Wände in reicher Art mit Marmor bekleidet ge-
wesen zu sein scheinen, sind nur wenige Teile den Verwüstungen im Faule
der Jahrhunderte entgangen.

Bemalte Räume kommen kaum in Betracht ; ein Nebengernach des
Atriums „hatte, wie die herabgefallenen Verputzstücke beweisen, schwarz-
und rotpolierte, mit goldgelben Finien und Streifen verzierte
Wände.» Von den meisten der übrigen Räume war die Bekleidung, „wahr-
scheinlich ein Stucküberzug» , ganz verschwunden , ebenso die das Peristyl
schmückende Malerei. Nur die Wände eines kleinen Gemaches am Ende
des Peristyls „waren geschliffen und weiss gefärbt, der Sockel und
die Eckwinkel mit roten Band streifen bemalt». Das Haus des Pilonius
gehört der jüngsten römischen Bauperiode der Stadt an, welche, wie viele
andere, erst friedliche Veränderungen, dann kriegerische Zerstörungen erlitten
hat und stets wieder neu aufgebaut worden ist. In Trier unterschied Wil-
mowsky sechs deutlich getrennte Schichten, von denen die unterste die
noch unberührte Erde bildet. Erst die dritte, über einer früheren römisohen
Schicht befindliche trägt das genannte Haus des Pilonius , nach den ge-
wonnenen Anhaltspunkten in die Zeiten Valentinian’s und Gratian’s fallend.

2. Die Funde in der Rheingegend bieten das sich immer wieder-
holende Bild des in römischen Ansiedlungen angewendeten Verfahrens ; soweit
die Reste es erkennen lassen , sind die Dekorationsmalereien sorgfältig auf
guten Stuckmörtel aufgetragen. So berichtet E. aus’m Werth über eine
„kleine römische Villa bei Stahl im Kreise Bitburg» (Jahrbücher des Vereins
v. Altertumsfreunden im Rheinlande Heft FXII , Bonn 1878 p. 4) und darin
über einige Räume an der Südfront, die als „die eigentlichen Wohnräume
des Fandhauses zu betrachten sind, auf welche Bestimmung der Fund ein-
zelner Stücke sorgfältig bemalten Wand verputzes hindeutete. In einem
der vier Räume, im südöstlichen in gelber Farbe mit roten Linien de-
korierten Eckpavillon, war auch noch der gegossene Estrichboden wohlerhalten.
Im grössten der vier Wohnräume, im Triolinium , zeigten sich Spuren von
roter Bemalung mit grünen Linien.»

3. Bei der Ausgrabung einer römischen Villa zu Nennig wurden
ebensolche Wandreste aufgedeckt, worüber v. Wilmowsky (die römische

kleinerten gebrannten Ziegel, oder besser das Ziegelmehl, geben dem Kalk eine
hydraulische Eigenschaft, weshalb diese Mischung bei in der Feuchtigkeit stehendein
oder sehr dickem Mauerwerk stets mit Nutzen angewendet wird, indem die zum Er-
härten des Mörtels nötige Kohlensäure in solchem Mauerwerk nur sehr langsam aus
der Luft eingesogen wird. Die Römer haben aber diese Sachen hier zu Trier nicht
so genau genommen, und haben in der Regel nur da diese Ziegelstückchen an-
gewendet, wo sie entweder rein mit Ziegeln oder auch mit Ziegeln und anderem
Material, gewöhnlich Kalksteinen, seltener Sandsteinen, in abwechselnden Schichten
bauten. So findet man bei dem aus Kalksteinen errichteten Mauerwerk des Amphi-
theaters, sowie auch dem aus Kalksteinen bestehenden Mauerwerk der sehr massiven
Fundamente der sog. römischen Bäder diese Ziegelstückchen nirgends angewendet.
Dagegen kommen sie in dem Gemäuer über der Erde des letzten Baues, welches
von Ziegellagen durchschichtet ist, und an der Basilika, deren Mauerwerk ganz aus
Ziegeln besteht, durchgängig vor. Bei schwächerem Mauerwerk, wie es bei Privat-
wohnungen gewöhnlich vorkommt, sind aber diese Ziegelstückchen im Mörtel des
Mauerwerkes nur sehr selten zu finden, wogegen sie in dem Mauerverputz gewöhnlich,
in den Estrichen mit wenigen Ausnahmen immer, und in Baderäumen und Wasser-
leitungen immer und zwar ohne Sand angewendet werden.»

Eiaus des
Victorinus
zu Trier.

Funde in der
Kheingegend.

Rom. Villa
zu Nennig.

278

Reste von

Malerei zu

Trier.

v. Wilmowsky

über
die Technik.

Villa zu Nennig, Bonn 1864 p. 2) berichtet: ,,Die Gemächer hatten ver-
putzte Wände, die geschliffen und poliert in zinnoberrotem oder
schwarzem oder hochgelbem und weissem Grunde gemalt waren. Die
Friese waren mit schwimmenden Delphinen geziert, und auf den Flächen der
grossen Wandfelder waren kleine landschaftliche Scenen mit Urnen , Schilf-
büscheln etc. Die Einrahmung der Flächen bestand aus gemalten architektonischen
Gliederungen, aus denen phantastische Blätter und Blumen sich entwickeln.»

4. Ausführlichere Nachrichten über einen „Ueberrest römischer De-
korationsmalerei in Trier» gibt v. Wilmowsky im Jahresbericht der Ge-
sellsch. f. nützliche Forschungen zu Trier, 1865 — 1868 p. 56 ff. Im Mai 1868
stiess man bei Neuausgrabungen für einen Keller auf antike Mauern und
bald sah man einen Teil eines grossen Gemaches — eines Saales — , an das
sich ein kleineres anschloss. Die Wandmalerei des ersteren war gegen sieben
römische Fuss lang erhalten.

Fundbericht: „Der Sockel der Malerei war rötlich-braun, neun Zoll hoch
und lief ununterbrochen über der Sohle hin. Darauf kam der schwarz-
polierte Fries; er war zwanzig Zoll hoch und in Abständen von fünf Fuss
durch rote, aufsteigende, sechzehn Zoll breite Friese geteilt. Ueber den Fries
war eine architektonische Gliederung, ein Sims gemalt, der aus vorstehender
Platte und darunterliegendem Wulst bestund. Die Platte war wie Giallo
antico, der Wulst wie grünlich-weisser Marmor behandelt. Auch er lief, wie
der Sockel, ohne Unterbrechung an den Wänden durch. Ueber ihm begannen
dann die grossen Wandflächen, rot poliert, und durch schwarze, schmälere
nur elf Zoll breite Friese wieder in Felder geteilt.»

„Der hohe, schwarze, horizontale Fries über dem Sockel zeigte auf
grünem , mit aloeartigen Pflanzen bestandenen Boden einen grossen Wasser-
vogel mit weissem Gefieder, langem roten Schnabel und sehr langen roten
Beinen. Zwei feine Federn, die seinen Kopf schmückten, hingen nach dem
Rücken hinab. Seine Flügel und sein Schwanz waren kurz, sein ganzes
Federwerk flaumartig. Die Gestalt , Farbe und Art des Gefieders schienen
den grossen Silborreiher (Ardea egretta) zu bezeichnen , der im südlichen
Europa wohnt, zuweilen auch in Deutschland erscheint.

„Die aloeartigen Pflanzen, vor und hinter dem Silberreiher, waren saftige
kräftige Büsche, und der schöne grüne Boden verlief sich sanft, ohne Härte
in den schwarzen Grund.

„Auf den roten, vertikal aufsteigenden Zwischenfries war eine goldgelbe
Vase gemalt ; ein hohes wohlgestaltetes Gefäss mit kanneliertem Bauche, mit
schlankem Halse und zierlichem Stöpsel , es hatte zwei hohe Henkel , von
denen violette, seidene Schleifen herabhingen. Die Malerei des Fusses war
zertrümmert. Die goldene Vase hatte eine Höhe von 18 Zoll.

„Der Wechsel der Farben vom Schwarzen ins Grüne und gebrochene
Weiss, sowie vom Roten, Gelben und Violetten machte einen sehr gefälligen,
heiteren und ruhigen Eindruck. Matte weisse Linien , welche die Friese
einfassten , hoben die schimmernden Gründe. Die Malerei entspraoh jener
der hiesigen ältesten und der besten pompejanisohen B>iese.» Wilmowsky
setzt sie daher in die Periode der Flavier. — Hiemit stimmt das Material
der Unterlage sowie die Technik des Mauerwerks und endlioh das noch
gänzliche Fehlen von Mosaik und Marmor überein ; vermutlich war der Fuss-
boden, wie auch bei anderswo gefundenen römischen Bauten, mit Holzdielen
belegt (Krypta des Domes zu Trier).

Interessant ist, was v. Wilmowsky von der Technik berichtet, schon
deshalb , weil er mit hervorragender Beobachtungsgabe ausgestattet das
charakteristische der Malerei erkannt und dabei durch eigene Versuche der
Sache näher zu kommen gesucht hat.

Technik : „Das Mauerwerk bestand aus rotem Sandstein, welcher jenseits
des Flusses, am linken Ufer der Mosel, und unweit der Stadt gebrochen
wird. Die Mauer war zwei römische Fuss stark, ihre Steine waren wohl-
abgerichtet und regelmässig geschichtet, wie im Amphitheater. In den Fugen

— 279 —

hatte man zum besseren Eingreifen des Verputzes mit einem spitzen Instrumente
Linien eingerissen.»

,,Der Mörtel der Mauer und ihr Verputz bestanden aus Kalk und
Bachsand, ohne Beimischung von Ziegolbröckohen und Ziegelmehl, sowie auch
die Mauer keine bindenden Ziegelsohichten zeigte.» (Es existierten bei ihrer
Aufführung, wie Wilmowsky daraus vermutet, noch keine römischen Ziegel-
bauten zu Trier.) »

„Der Verputz war zwei Zoll dick, nach Vorschrift der Alten „ge-
schlagen», und liess drei Schiohten erkennen, von denen die oberste feiner
als die unteren war. Auf dieser lag, nur eine Linie dick, eine Schicht von
weissem Marmorstaub oder Kreide, und auf diese war die zinnoberrote und
schwarze Färbung aufgetragen ; die Farbe war dünner als ein Kartenblatt und
bis zum vollen Glänze poliert».

Wilmowsky muss dieser Umstand aufgefallen sein, denn er fügt
hinzu: „Das Bindemittel, dessen sich die Alten bei dem Färben der Wände
dieser Art bediente, ist noch nicht mit Sicherheit wiederentdeckt. Einige
meinen, das Bindemittel sei harziger und öliger Art, und vermuten, dass es
aus der Milch der Feige und dem Dottei des Eies zusammengesetzt sei.»
Bei den Versuchen, die Wilmowsky selbst mit mattgewordenen
Fragmenten anstellte, fand er, dass diese ihren Glanz erst dann wieder-
erhielten, wenn er sie bis zu ihrer Erwärmung rieb. Diese Erscheinung
erklärte er sich dadurch, dass die Wärme die noch nicht ganz erstorbenen
Wachsteile wieder belebe und auf die Oberfläche ziehe , und er bezeichnete
die Malerei daher als enkausti scher Art. Er erinnert dann an die von Vitruv
und Plinius beschriebene Methode, die mit Zinnober bestrichenen Wände oder
Steinfiguren mit punischem Wachse zu überziehen und durch Erwärmung das
Wachs einsaugen zu lassen (Ganosis), und bemerkt hierzu: „Auch hatte ich bei
Untersuchung der Wandbekleidungen mit Marmor und grünen und roten Por-
phvrblättchen sowie bei Prüfung der farbigen Mosaikwürfelchen wahrgenommen,
dass die Römer diese Täfelchen und Würfelchen wohl mit heissem , ge-
schmolzenem Wachs getränkt und poliert hatten. Meine eigenen Versuche
bestätigen diese Beobachtung. In die antiken Steine war das Wachs manchmal
zwei Linien tief eingedrungen. Schliff ich die lebhaft schwarzen rnusivischen
Würfel nun ab, so wurden sie bläulichgrau, wie Schiefermarmor. Erwärmte
und tränkte ich sie dann mit heissem , durch flüchtiges Oel verdünntem
Wachs und rieb sie nach der Erkaltung mit Linnen, so erhielten sie wieder
die Lebhaftigkeit und Politur der römischen Würfel. Gleiches versuchte und
erreichte ich bei Porphyrtafeln.»

Was Wilmowsky weiter von der Technik sagt, zeugt wieder von
treffender Beobachtung, obwohl ihm das Wesen der Unterschiede nicht völlig
klar geworden ist: ,,Die obengedachten Wände, sagt er, sind keine Fresken,
denn ihre Farbe ist nicht in den Kalkstuck eingedrungen ; sie ist auf keinen
nassen, sondern einen trocknen Grund aufgetragen; dieser besteht nicht aus
Aetzkalk, sondern aus einem kreideartigen, kohlensauren Kalkweiss, welches
sich mit allen Farben verträgt und sie gegen den darunter liegenden Aetz-
kalk des Mörtels schützt.»

Bei dem Versuche, die Unterschiede genau zu präzisieren, gelangt Wil-
mowsky zu dem Ergebnis, dass mehr als eine Verfahrungsweise der Malerei
anzunehmen sei; er sagt: „Von antiken eigentlichen Fresken habe ich bis
jetzt in Trier nur ein einziges Bruchstück gefunden. In diesem war die de-
korative Malerei, gekräuselte Bänder vorstellend, in den Stuckbewurf tief ein-
gedrungen (1. Art). Bei einem anderen einfarbigen Bruchstück sah ich die Farbe
in die Kreideunterlage zwar eingesogen, allein die Farbe war nicht poliert, man
sah alle Pinselstriche; sie war sehr dick aufgetragen und nur unvollkommen,
sehr wässrig, von der Unterlage eingesogen (2. Art). Dagegen fand ich
FYagmente , deren Färbung ohne weisse Unterlage unmittelbar auf den ab-
geschliffenen Verputz gebracht und doch nicht im mindesten eingedrungen

— 280 —

war. Hier musste der Grund trocken und das Bindemittel teniDeraartie sein
(3. Art).»

„Was nun das Technische der eigen tlichen Malerei, die von der
Hand des Künstlers auf dem schwarzen und roten Grunde ausgeführte Dar-
stellungen des Silberreihers, des Pflanze nwerkes und der Vase betrifft, so
hatte der Maler sie zuerst mit dünner fast durchsichtiger Farbe angelegt, ‘wo-
durch jede Härte der Umrisse vermieden wurde; dann schattierte er sie mit
stärkeren Farben, wobei er die Pinselstriche nur da vertrieb, wo der Gegen-
stand glatt erscheinen sollte, sie dagegen absichtlich stehen Hess, wo sie,
wie bei den flaumartigen Federn des Wasservogels, wohl angebracht waren;
endlich setzte er die höchsten Lichter mit ganz pastoser Farbe auf, wodurch
der Gegenstand eine Art von Rundung und Modellierung erhielt. Die Farben
hatten hierbei keinen lebhaften Glanz, wie die Gründe, sondern nur einen
milden Schimmer, und traten daher dem Auge, von jedem Standpunkt aus
gesehen, angenehm und deutlich entgegen. In der Naturtreue und geschickten
Ausführung erkannte man den eigentlichen Künstler. — Dagegen war die
Färbung des Sockels, die Einfassung der Friese mit Linien, die Herstellung
des Simses einem untergeordneten Gehilfen überlassen, was schon die Be-
handlung der architektonischen Gliederung verriet.»

Leider konnte Wilmowsky, da die Arbeiter mit dem Ablösen von der Mauer
nicht vertraut waren, der Gegenstand demnach nicht zu retten war, nur eine
Skizze in Farben nach dem Original anfertigen.

Wa^dbeiBonn 5 – Ueber die Ausgrabungen bei Bonn vor dem Kölner Tor im Herbst

1876 berichtet F. Hettner (Eine römische gemalte Wand, Jahrbücher
d. Vereins v. Altertumsfreunden im Rheinlande, Bonn 1878 Heft LXII p. 64)
wie folgt: „Bei den Grundarbeiten für die neue Klinik in Bonn sind im Herbst
1876 eine grosse Anzahl Bruchstücke von römischen Wandbewürfen aufgefunden
worden. Dieselben befinden sich im Universitätsmuseum rheinischer Ahertümer
zu Bonn. Die Bruchstücke sind 2 . 30 m unter der heutigen Erdoberfläche
längs der Süd- und Westmauer des östlicheren der zwei römischen Gebäude
aufgefunden worden, deren Grundrisse im 59. Heft Taf. II abgebildet sind,
und haben darum wahrscheinlich den von diesen Mauern eingeschlossenen
Raum geschmückt.»

Nach den a. a. 0. gegebenen Abbildungen zu schliessen, ist der Charakter
der Malereien dem der pompejan. und römischen völlig gleich. Nur die auf
Tafel V und VI als Nummer 7 und 8 abgebildeten Stücke sind im westlichen
Gebäude gefunden, sie sind von General von Veith a. a. 0. besprochen. 2 ) Sie
gehören, nach Hettner, einer viel späteren Zeit an als die Bruchstücke der
östlichen Gebäude; die Farben scheinen ihm nicht a fresko auf-
getragen zu sein.

Die Zusammenstellung der Bruchstücke ergibt folgende Gesamtanlage:
„Schwarze mit farbigen Ornamenten gezierte Pflaster teilen die Wandfläche,
welche rot gestrichen ist, in einzelne Felder. Ueber den roten Feldern be-
finden sich Friese auf schwarzem Grund mit weissen Ranken und
Amazonenkämpfen, über den Pflastern gelbe Felder mit roten Verzierungen
Die gelben Felder und Friese begrenzt ein grüner Streifen ; an diesen stösst°das
Gesims, welches die Decke trug. — Unter den roten Feldern und den
schwarzen Pflastern zog sich ein breiter Sockel hin, welcher schwarz gefärbt
ist unter den roten Feldern, rot unter den schwarzen Pflastern. Die °Decke

-) „Bemalter Putz zeigt sich an mehreren Stellen noch fest anliegend. Vor
der inneren Südwand des Nordflügels lagen herabgefallene Wandmalereien von 3 cm
Uicke, die eine Nachbildung von Marmorflächen zu sein schienen. Grüne Flächen
0,1b breit und mehr als doppelt so lang, waren von 4 cm breiten roten Streifen um-
geben, und durch diese Streifen von gelblichen Flächen getrennt Sowohl diese
grünen als gelben Flächen waren von unregelmässigen roten Adern durchzogen
An der Nordseite des Gebäudes lagen grössere Verputzstücke mit wechselnd roten
weissen und schwarzen Streifen von 3 cm Breite.»

— 281 —

war weiss gestrichen mit roten, grünen, schwarzen EinfassungslinieD und roten
Hanken mit grünen Blättern geziert.»

Sehr reich sind die Pilaster, wie sie sich zahlreich auf pompejanischen
Wunden finden. Vögel und geflügelten Panthern ähnliche Tiere mit phantastischen
Köpfen sitzen auf Ranken, welche aus dem Stamme des Kandelabers unter
den Schirmdächern ähnlichen Unterteilungen hervorwachsen. Auf dem obersten
Schirmdach steht eine Sehale, aus der ein Vogel zu trinken scheint, auf den
folgenden perspektivisch gezeichnete Scheiben. Von den Amazonenkämpfen
sind vier zusammenhängende Bruchstücke erhalten. Tafel III und IV zeigen
zwei Einzelkämpfe zwischen je einem Griechen und einer reitenden Amazone.
Links erwartet ein Grieche in fester Haltung eine mit geschwungener Doppel-
axt auf ihn zustürmende nackte Amazone. Rechts wird eine Amazone von
einem Griechen verfolgt. Die Amazone wendet sich fliehend nach dem Ver-
folger, um sich zu verteidigen. Die Höhe des Figurenfrieses beträgt ca.
20 cm. Die Technik ist flott und sicher, die Bewegungen sehr lebendig.

Dieses Beispiel zeigt, dass es auch in Deutschland Maler gegeben hat,
welche imstande waren, nicht nur ornamental gehaltene Figuren, sondern
auch ganze Gemälde auszuführen. Demnach liegt der Gedanke nahe, dass
bei der Bonner Wand, deren Friese und Pilaster reich ausgestattet sind, die
Felder mit Bilder geschmückt gewesen seien. Von diesen ist jedoch kein
Bruchstück gefunden worden. Hettner folgert daraus, dass keine eigentlichen
Gemälde die Mittelfelder einnahmen, dass „gerade damals in Bonn kein Maler
zur Hand war, welcher der Ausführung solcher Gemälde gewachsen war».
Dagegen, meint er, „muss im Hinblick auf die Ornamente die Gewandtheit
des Dekorateurs, mit wenig Mitteln einen vollen Eindruck zu erreichen, und die
Sauberkeit der Ausführung anerkannt werden».

Der Bewurf besteht in der obersten 0,002 m hohen Schicht, auf welche
die Farbe aufgetragen ist, aus feinstem Kalkmörtel und Kalkspatkörnchen,
darauf folgt eine 0,007 m dicke Schicht weissen Sandmörtels und zwei
Schichten gröberen Mörtels, jede 0,02 m stark. Der Bewurf entspricht dem-
nach, wie alle „rheinischen Freskoarbeiten», an Güte nicht den Forderungen
des Vitruv und Plinius, zeichnet sich aber immerhin unter den bekannten
einheimischen Freskobruchstücken aus.

0. Bei einer Ausgrabung zu Trier i. J. 1878 für den Bau eines Kellers (Jo- hau^’in^Trier.
hannisstr. 290 c) stiess man auf ein römisches Wohnhaus. Nach Hettners Be-
richt (Jahrbücher d. genannt. Vereins, Bonn 1878 Heft LXIV. p. 111) waren
zwei Bauperioden zu unterscheiden ; die Ueberreste der älteren w aren besser
erhalten, da sie 1,50m unter dem Estrich der jüngeren lagen. Sonach
konnten von der ersten Anlage vier viereckige Räume freigelegt werden und
von einem fünften eine Apsis. Die Wände desselben waren in pompe-
janischer Weise gemalt und mit Tierfiguren geziert. Im ganzen fanden
sich zwei Hirsche, ein Luchs und ein viertes Tier, wie es schien, ein Bär,
indes gelang es nur einen Hirsch und den Luchs von der Wand abzulösen
und zu erhalten. Der Hirsch ist im Laufe dargestellt, er ist 0,80 m lang, mit
grünlich grauer Farbe auf roten Grund gemalt. Der Luchs ist etwas kleiner
und mit derselben Farbe wie der Hirsch auf einen gelblich braunen Grund
aufgetragen. (Im Prozinzialmuseum zu Trier aufbewahrt.)

7. In unmittelbarer Nähe von dem Fundort dieser (Trierer) Wände wurde
im August 1877 bei der vom dortigen Provinzialmuseum vorgenommenen
Freilegung eines grossen römischen Gebäudes in St. Barbara eine Anzahl
von Wandbewurfstücken aufgefunden , deren Zusammensetzung ergab , dass
die Hauptfläche der Wand wiederum rot gemalt und durch schwarze Pilaster
in Felder getrennt war. Auf den Pilastern befindet sich ein Aufbau, welcher
dem auf den Pilastern der Bonner Wand sehr ähnlich ist. Auch hier die Schirm-
dächer und von den Schirmdächern herabhängende Bänder. Aber der Stamm
ist nach Art einer Pflanze stilisiert und mit grüner Farbe und graubraunen
Schattenlinien gemalt.

_ 282

Antikes g Bezüglich einer von Bone (Bd. LXI der Jahrbücher) publizierten Dar-

medaiiion. Stellung- einer weiblichen Figur, welche Eigentum des Provinzialmuseums von
Trier ist, stellte Hettner (ebd. Bd. LXII, p. 70 Anm.) fest, dass die Uni-
rahmung erst in neuerer Zeit durch den Maler Steflgens hergestellt worden ist,
der auch kleine Partien der Gewandung und des Hintergrundes ergänzt hat.
Das Bildchen zeigt den en face gestellten Kopf und einen Teil der Brust. Der
Kopf ist mit einem Kranze geschmückt. Das Haar ist hinter den Ohren in je
zwei Flechten zusammengenommen, welche mit einem weissen Bande durch-
wunden sind und an beiden Seiten des Halses herabhängen. Der Körper ist
mit einem rötlichen Chiton bekleidet, dessen Falten dunkelrot gemalt sind. In
der erhobenen (fehlenden) Linken hält das Mädchen einen Korb. Das Bildchen
ist mit sicherer gewandter Hand gemalt und steht den besseren Malereien
Pompejis nioht nach. Wilmowsky vermutete, dass das Stück in Trier bei dem
Bau des Redemptoristen-Klosters gefunden sei, wenigstens seien um die Zeit, als
das Bildchen auftauchte, ebenda viele Freskobruchstücke (von einem derselben,
einem Olivenzweig mit grünen Blättern und weissen Früchten auf schwarzem
Grunde, besass er selbst eine Abbildung) gefunden worden, deren Technik
mit diesem genau übereinstimme.

Ueber die Unterlage berichtet Bone (p. 47): „Zunächst über dem (neuen)
Rahmenrande erscheint noch ungefähr 3 /4 cm dick eine Lage von feinem
Sandmörtel, von welchem die Kalkteilchen ziemlich mürbe geworden zu sein
scheinen; die Sandteile sind rundlich und meist grauschwarzer Färbung; von
Ziegelbruchstücken oder Gefässcherbenteilchen bemerkte ich keine Spur.
Ueber dieser Sandmörtelschicht liegt eine Schicht Mörtel von viel hellerer
Farbe; sie ist durchsetzt mit kleinen durchscheinend weissen Steinchen (es
sind wohl ohne Zweifel Marmorstückchen); diese sind infolge des Festschiagens
fast mauerartig geordnet und haben im Querschnitt eine Länge von etwa x t,
eine Höhe von etwa 1 Millimeter ; die ganze Schicht hat eine Dicke von ca.
3 Millimeter. Auf diese Schicht folgt endlich diejenige , welche der Malerei
unmittelbar zur Grundlage dient : sie ist etwa l 1 /-2 Millimeter dick; ihre Färbung
ist teils weiss, teils graulichweiss, von kleinen gröberen Teilchen ist sie nicht,
frei, man erkennt solche an vielen Stellen der Bildfläche, wo die schwarze
Grundfarbe besonders dünn aufgetragen ist, besonders deutlich».

Die Technik des Bewurfes entspricht also im ganzen den Vorschriften
der Alten und der Technik, welche an den pompejanischen Wandge-
mälden sich gezeigt hat; ebenso stimmt sie im allgemeinen mit dem, was
v. Wilmowsky bei den Wandmalereien der ältesten römischen Baureste zu
Trier beobachtet hat. Da Bone’s Abhandlung sich hauptsächlich über die
Bedeutung der dargestellten Figur und deren Ursprung verbreitet und seine
Ansichten über die Technik sehr unklar erscheinen, so können wir darüber
hinweggehen.
Waudresto 9 m Kölner Museum Wallraff-Richart z befinden sich Reste von

römischen Wandmalereien, die nicht veröffentlicht und auch nicht photographisch
aufgenommen worden sind. Es sind vier Sockelfelder in rechteckiger Form,
eines schwarz, die andern gelb, mit einfachen breiten Bändern eingefasst.
Die Dekoration beschränkt sich auf 2 — 3 grüne Grasbüschel.

10. Ueber altrömische Wandmalereien in Strassburg i. E. , die alle
früheren Funde der Art bei Aveitem an Schönheit und guter Erhaltung über-
träfen, berichteten die Tagesblätter im Frühjahre 1901: „Auf dem Kleberplatz
sind drei Meter unter dem Pflaster die Bruchstücke einer ganzen Wand auf-
gefunden worden . deren Zusammensetzung die Bemalung der Wand deutlich
erkennen lässt. Die mehrere Meter lange Wandfläche war in drei rechteckige
Bilder geteilt, die von breiten hellgelben Streifen eingefasst wurden. Zwei
der Felder sind nur mit sogenanntem pompejanischen Rot gestrichen, das
dritte ist mit einer Gartenszene geschmückt. Drei Frauen arbeiten in einer
Gartenanlage, Bäume und Weinreben bilden den Hintergrund. Die mittelste
der Frauen hält eigentümliche Fäden , wohl Grashalme oder Bastfäden zum

— 283

A.ufbtnden der Reben, /wischen den Lippen. Der Grund des Hildes ist dunkel,
die Umrahmungen dagegen in lebhaften hellen Farben gehalten. Besonders
schön ist eine aus stilisierten Blumen auf schwarzem Grunde gebildete Um-
rahmung, aus Enzian und grossen Margueriten, welch letztere guirlandenartig
eine Schuppensäule umziehen. Ein anderes Motiv verwertet die stilisierten
Rüben, die später in der Renaissance wieder so viel gebraucht wurden. Auf
einem anderen Bilde endlich ist Herakles dargestellt, das Löwenfell mit dem
nach unten hängenden Rachen über die Schulter geworfen, wie er mit einer
jungen Frau plaudert/’ Aus dieser Schilderung ist ersichtlich, dass diese
Malereien weit über handwerksmässige Dekoration hinausgehen und wirklich
den Namen eines Kunstwerkes verdienen.

11. Weniger reich und auch weniger gut erhalten sind die römischen
Stuckmalereien in Salzburg, die jetzt teilweise im dortigen Museum auf-
bewahrt sind: Nach dem kleinen Modell der i. J. 1841 bei der Grund-
aushebung für das Mozart-Denkmal aufgedeckten römischen Ruinen waren
bei einigen mit Mosaikboden geschmückten Räumen die Sockelbemalungen
noch erhalten, u. zw. 1. ein auf rotem Grund fortlaufender Mäander, in dessen
Felder abwechselnd Vögel und Ornamente hineingemalt waren. Den roten
Sockel schloss ein gelber Streifen nach unten ab. 2. Ein kleiner Raum hatte
schwarzen Sockel, mit Blumengeranke verziert, wovon noch einige Original-
stücke aufbewahrt sind.

Das Museum enthält in sechs Rahmen eingegipste römische Stuckmalereien.
teils von der obigen Ausgrabung, teils von denen des Jahres 1890 in der
nächsten Umgebung (Mozartplatz 5) stammend, dann etwa zwanzig Teile von
einer konvexen Stuckbekleidung (einer Säule?), die Lattichblätter und Ranken
auf weissen Grund gemalt zeigen, endlich kleine Stücke mit gelber Bemalung
und reichen Ornamenten auf sehr festem Stuckgrund.

Die Art der Erhaltung ist sehr verschieden: während die zuletzt erwähnten
ausserordentlich fest sind , zeigt ein erhaltenes Stück des unter 2 genannten
schwarzen Sockels schwammiges, weiches Gefüge ohne inneren Halt; der
Bewurf besteht aus gemeinem Sandmörtel, ähnlich dem oben genannten aus
Carnuntum.

12. In dem kleinem Museum der Stadt Traunstein (Bayern) sind
Mosaiken und etliche Wandreste aus Ruinen einer römischen Villa zu Erl-
stadt bei Traunstein aufbewahrt, Die Farben des Wandstucks sind rötlich,
violett und schwarz.

13. Nach einer Notiz von Hefner in der Archaeolog. Zeitung (Anzeiger
1857 S. 14) über die Auffindung des jetzt im Nationalmuseum zu München
befindlichen römischen Mosaiks von Westenhofe n bei Ingolstadt hatte das
Gemach, worin sich der Mosaikboden befand, die Basilikenform und war
rings mit Ausnahme der Südseite, wo der Eingang gewesen zu sein scheint.
mit einer 4 Fuss hohen rot gemalten Mauer umgeben.

14. Reste von römischer Malerei im bayerischen Nationalmuseum zu
München stammen aus einer römischen Villa in Haltenberg am Lech
(aufgestellt im I. römischen Saal). Es sind verschiedene Malereien, wie
Streifen und Baudornamente, ohne Zusammenhang in einem Rahmen ein-
gegipst.

In Eining bei Kelheim hat sich aus der umfangreichsten römischen
Villa in Bayern von bemalten Resten nichts erhalten. 3 )

15. Im alten Carnuntum, jetzt Altenburg a. Donau, sind wiederholt
alt römische Wandmalereien ausgegraben worden.

Nach J. W. Kubitschek u. S. Frankfurter, Führer durch Carnuntum
(Wien 1891 II. Aufl.) befindet sich „bemalter Stuckbewurf» im Museum des

3 ) Vergl. Eining und die dortigen Römerausgrabungen (v. Wolfg. Schreiner,
Stadtpfarrer, Landshut 1886). Die römische Ansiedlung Abusina (jetzt Abpnsberg)
hat gut erhaltene Thermen mit ihren Heizvorrichtungen, Einzelbilder etc. Von Ma-
lerei ist nichts erhalten.

Stuck-
malereien in

Salzburg.

Erlstadt.

Westenhofen.

Halten! mix
am Lech.

Carnuntum,
Altenburg
a. Donau.

— 28 i —

Vereins zu Deutsch-Altenburg; dann „Proben von Ziegeln mit bemaltem Stuck-
bewurf» , auf zwei Säle verteilt , im Museum des Barons Ludwigstorff eben-
dort, sowie „in freier Kunstübung mit Genrebildern, mythologischen Szenen
u. a. bemalter Stuckbewurf» über den Hohlziegeln (die aus der Zentralheizung
warme Luft in die Räume führte). Es heisst ferner (p. 69) : „Hier (im Lager-
heiligturn) waren auch die Wandmalereien noch gut erhalten , auf gelbem
Grunde rote Streifen und in Feldern Figuren, so z. B. ein Speisenträger mit
weisser Tunica, der eine hellblaue Schüssel mit hellrot gemalter Speise mit
beiden Händen fasst und rechtshin eilt.»

(p. 72): Im Schlosse des Grafen Traun-Ebensperg: „bemalter Stuck,
dann Ziegel mit Stuckbewurf» (p. 78).

Nachtrag vorn Juli 1892 p. 3: Im Zimmer eines Gebäudekomplexes an
der Nordseite der Hauptstrasse „Bewurf mit Malerei»; an einer Stelle sind
die Wände eines Zimmers in anmutiger Weise mit Blumen und Blättern in
roter oder grüner Farbe ausgeziert gefunden , auch gelbe und weisse Orna-
mente; in einem Gemache Reste von Goldfarbe 4 ) auf dem Stuckbewurf.

4 ) Ausser dieser Angabe kenne ich nur noch ein einziges Beispiel von Gold-
omaraenten auf Stuckgrund alter Herkunft u. zw. im Dresdner Altertinum : Gold-
Maeander auf zinnoberrotem Stuck.

285 —

Anhang V.

Frühere Rekonstruktionen.

a) Enkaustik.

Auf keinem Gebiete der Maltechnik: ist soviel gemutmasst und versucht,
geschrieben und gestritten worden wie auf dem der Enkaustik ; denn
ausser dem Namen und den wenigen litterarischen Zeugnissen war über
diese Technik bis vor wenigen Jahren nicht das geringste bekannt. Nichts-
destoweniger oder vielleicht gerade wegen der Unzulänglichkeit der wenigen
Nachrichten ist diese Frage Gegenstand zahlreicher antiquarischer Unter-
suchungen und künstlerischer Experimente geworden, seit man anfing sich
für die antike Kunst und Kunsttechnik zu interessieren.

Alle Erklärungsversuche gehen von den Stellen des Plinius (XXXV, 122
und 149) aus, und der Streit dreht sich fast ausschliesslich um die Deutung
dieser grundlegenden , aber dem bisherigen Wortlaut nach nicht klaren
Stellen. Schon im XVI. Jht. beginnt dieser Streit der Meinungen und er
dauert seitdem fast ununterbrochen fort zwischen den Altertumsforschern
einerseits und den mehr ein praktisches Interesse verfolgenden Kunstlieb-
habern und Künstlern andererseits. Am entschiedensten sprach sich 1629
der als Polyhistor von staunenswerter Belesenheit auf allen Gebieten be-
kannte Franzose Claude de Saumaise 1 ) (Claudius Salmasins) in seinen Salmaaius.
„Exercitationes Plinianae» aus. Auf Grund streng grammatischer Aus-
legung des Wortlautes und in der Voraussetzung, dass die drei Arten der
Enkaustik durch drei einander ausschliessende Merkmale unterschieden sein
müssten , kam er zu folgendem Schluss : Die erste Art werde charakterisiert
durch die Bestimmung „mit Wachs» (cera) ; die zweite Art durch das In-
strument „cestrum» ; die dritte durch den Gebrauch des Pinsels bei heiss-
flüssigem Wachs (ceris igni resolutis penicillo) ; folglich gelte für die erste nicht
das Cestrum , für die zweite nicht das Wachs, und der heissflüssige Zustand
des Wachses mache bei der dritten Art das nachträgliche Einbrennen entbehr-
lich und verlange als notwendigen Gegensatz, dass bei der ersten Art das
Wachs sich in kaltem Zustande und seiner natürlichen Konsistenz befinde.
Darnach konstruierte er sich die Technik so :

1. Auf eine Holztafel wurde das gefärbte Wachs so, wie es ist, aufgetragen
und der Idee des Gemäldes gemäss ausgebreitet und verarbeitet; das fertige
Gemälde wurde hinterher mit Feuer eingebrannt, um die Unebenheiten aus-
zugleichen und die Farben, soweit nötig, zu verschmelzen. (Wie und mit

‘) Claud. Salmasius, Exercit. Plinianae in Solini Polyhistora, Utrecht 1689
p. 163 b D ff. (Erste Ausg. 1629). Von etwa gleichzeitigen Autoren sind noch zu er-
wähnen: Carlo Dati , Della pittura antica. Firenze 1667: Franc. Junius . de pictura
Veterum, Rotterdam 1694.

— 286

Johannes
Scheffer.

welchen Werkzeugen dies vollzogen werden sollte , hat Salmasius nicht an-
gegeben ; vermutlich hat er an ein spachtelähnliches Instrument gedacht.)

2. Auf Elfenbein wurde mit dem glühend gemachten Cestrum – , d. h.
einem spitzigen eisernen Stift oder Griffel, eine Zeichnung eingebrannt —
also ähnlich der modernen Brandmalerei auf Holz.

3. Bei der Schiffsmalerei wurde die heissflüssige Wachsfarbe mit dem
Pinsel aufgetragen. Auf dieselbe Weise wurden auch Türen und andere
Holzteile in der Architektur mit farbigem Wachsanstrich versehen.

Diese Erklärung richtete sich in versteckter Polemik gegen einen anderen
Franzosen, Louis de Montjosieu, 2 ) der etwa 40 Jahre früher i. J. 1585
seine Theorie auf die Ansicht gegründet hatte, dass zwar nicht das „Wachs»,
aber die Bestimmung „mit dem Cestrum» gleichmässig auf die beiden ersten
Arten bezogen werden müsste. Diese Ansicht wurde dann von dem Jesuiten
Hardouin wieder aufgenommen in der grossen Pliniusausgabe, die er 1685
unter Ludwig XIV. in usum Delphini herausgab , und in der er aus ge-
lehrter Eifersucht jede Gelegenheit wahrnahm, Salmasius zu bekämpfen.
Er behauptete, die Sache sei sehr einfach und, so sehr man auch Irrtümer
darüber verbreitet hätte, ein für allemal festgestellt:

1. Auf einer Holztafel habe man eine Zeichnung mit dem Gestrum,
wie der Kupferstecher mit dem Grabstichel, in Linienmanier eingraviert, die
Furchen und Vertiefungen mit farbigem Wachs ausgefüllt und das Gemälde
dann über ein Feuer gehalten , um durch Einbrennen das Wachs auf der
Tafel zu befestigen.

2. Auf Elfenbein aber habe man die Zeichnung mit dem glühenden
Cestrum eingraviert und bei der Kolorierung das Weisse des Elfenbeins
stehen lassen und für die Lichter benützt, die Mitteltöne dagegen und die
Schatten mit gewöhnlicher Farbe — ohne Wachs ausgefüllt.

3. Die dritte Art bedürfe keiner weiteren Erläuterung.

Mit einer geringen Variante hatte der Augsburger Johannes Scheffer 3 )
schon 1669 erklärt, dass man auf Holz oder einer anderen Unterlage die
Linien mit heissem Griffel eingegraben und in die so entstehenden Vertiefungen
farbiges Wachs eingeschmolzen habe; in gleicher Weise sei auf Elfenbein
verfahren worden, so dass das cestrum das für beide Arten gemeinsame In-
strument gewesen sei.

Dies sind die ältesten Auffassungen , die einander gegenüber stehen.
Die Folgezeit hat sich in der Hauptsache (dass das Cestrum beiden ersten
Arten gemeinsam sei und zum Gravieren der Zeichnung gedient habe), auf
Hardouin’s Seite gestellt, und die anderen Bestimmungen kehren fast bei allen
späteren Erklärungen mit unwesentlichen Modifikationen wieder. 4 )

Neben diesem theoretischen Interesse der Gelehrten im engeren
Sinne lief lange Zeit das praktische Interesse der Kunstfreunde und
Künstler her, die durch die Wiederentdeckung einer einst gepriesenen
Technik der Malerei ihrer Zeit einen wichtigen Dienst zu erweisen hofften,
und diese sind es, die zu dem Anschwellen der Fachlitteratur über die En-
kaustik am meisten beigetragen haben. Sie gingen dabei weniger von sorg-
fältiger Analyse der überlieferten Nachrichten als von mehr oder minder
willkürlichen Experimenten aus und gelangten zu verschiedenen Methoden,
bei denen, um den Namen zu rechtfertigen, wenigstens das Einbrennen eine
gewisse Rolle spielte.

‘) Ludovici Demontosii Gallus Romae Hospes (Rom, 1585) p. 13—14.

*) Joannis Schefferi Argentoratensis Grafice id est de Arte pingendi , Nürem-
berg 1669 p. 55.

*) Zu diesen Auslegungsversuchen und deren Unterschieden in grammatischer
und sachlicher Hinsicht vgl. Böttiger kl. Schriften II, p. 88 Anm., Welcker kl. Schriften
III, p. 414 ff. und besonders die Nachweise bei Blümner IV, p. 444 Anm. 2, der selbst
der Auffassung von Donner sich anzuschliessen geneigt ist. Im übrigen sei auf die
früheren Ausführungen (p. 191) und das dort vorkommende Material verwiesen.

•2S7 —

Den nachhaltigsten Anstoss dazu gab der ans Lessings Laokon nooh Cayli«.
heute uns wohlbekannte Kunstmäcen Graf Caylus 5 ), der im Juli 1755 der
Academie des [nsoriptiona zu Paris ein Memoire über die enkaustische

Malerei vorlegte, nachdem er kurz vorher (November 1754) durch die öffent-
liche Ausstellung einer vom Maler Vivien angeblieh in der Enkaustik der
Alten gemalten Minerva eine höchst wirksame Reklame für seine Forschungen
gemacht hatte. Ganz Paris wollte das Gemälde sehen; so sehr war man
von der Nachricht der wieder entdeckten Malart überrascht. In dem mir
vorliegenden Dictionnaire de Peintnre von Pernot y (Paris L 7 ~> 7 ) spiegelt
sich der ungeheure Eindruck, welchen die sensationelle Nenheit in allen
Kunstkreisen damals hervorrief, in interessanter Weise wieder.

Es bildeten sich Parteien, und die ersten Mitglieder der Academie royale
de Peintnre standen vor einem Rätsel, wie man mit Wachs malen könnte,
ohne es vorher zu lösen. Man wollte an dem Geruch des Minervabildes.
welches nur zum Teil in enkanstischer Manier gemalt war (a. a. 0. p. 54),
eine Beigabe von Terpentinessenz erkennen, die zur Auflösung des Wachses
verwendet worden sei, und glaubte darin das Neue zu vermuten, da diese
Auflösungsart damals noch unbekannt war. Als aber das erwähnte Memoire
veröffentlicht wurde, erkannte man den Irrtum, denn die 4 Arten der En-
kaustik nach Caylus waren ohne Terpentinanwendung hervorgebracht.

Diese vier Arten sind :

1. Man trägt mit Farbstoffen gemischtes Wachs, das in Näpfchen über
einem Rechaud mit siedendem Wasser flüssig erhalten wird, mit dem Pinsel
auf ebenso erwärmte Holztafeln auf. Mischungen werden ebenfalls auf einer
heissen Palette gemacht.

2. Das mit Farben gemischte Wachs wird in Wasser gekocht und mit
einer elfenbeinernen Spachtel so lange geschlagen , bis das Wasser erkaltet
ist; dadurch wird das Wachs in kleine Parlikelchen geteilt, und es entsteht
eine Art Poudre, welcher im Wasser schwimmt und stets feucht gehalten
wird. Man gibt von diesen Farben soviel man braucht in Näpfchen und
malt mit gewöhnlichem Pinsel wie a tempera. Das fertige Bild wird dann
mittelst eines Vergolderofens oder dgl. eingebrannt.

3. Auf stark mit Wachs getränkte Holztafeln malt man mit Wasser-
und Gummifarben, erwärmt nach dem Trocknen die Malerei am Feuer, bis
das darunter befindliche Wachs erweicht ist und die Farbenschicht durch-
dringt. Damit die Wasserfarben auf dem Wachse besser haften, bestreut
man die Fläche mit einer feinen Schicht von Blanc d’Espagne.

4. Dasselbe Verfahren wie das vorige, nur wird zuerst mit Gummi- und
Wasserfarben gemalt, auf die fertige Malerei werden dünne Wachslamellen (in
Spielkartenstärke) aufgelegt und wie oben eingebrannt.

Graf Caylus hatte überdies im Vereine mit dem Arzte Majault noch
eine 5. Art, die Peinture ä la cire, gefunden ; sie beruhte auf der Auflösung
des Wachses in Terpentingeist unter Firniszugabe , und von dieser Mischung
sind fünf Sorten, je nach der Menge des beizugebenden fetten Oeles, be-
schrieben (a. a. 0. p. 67) ; da aber die Wärme hier nicht nötig ist . wurde
diese Art nicht als Enkaustik bezeichnet.

Im März 1755, kurz vor dem Bekanntwerden des Caylus’schen Memoires, Bacheher.
war die Pariser Kunst-weit mit einer neuen Entdeckung der Enkaustik über-
rascht worden. Die Maler Bachelier, Halle’ und Lorrain (nicht zu ver-
wecheln mit Claude L., der 1682 starb), hatten Versuche gemacht, das Wachs
mittelst Alkali (sei de tartre) zu lösen ; sie mischten Farben mit dieser Lösung,
malten auf Taflet oder Leinen und erhitzten das Gemälde ziemlich stark von

5 ) Caylus, A. C. Philippe de Tubieres, geb. 1692. f 1765, bereiste Italien,
Griechenland und Kleinasien; von 1717 lebte er in Paris den Künsten und der Alter-
tumswissenschaft. Seine Werke und Abhandlungen sind zahlreich, doch hat er das
Wesen der Antike nicht verstanden, wie dies Lessing im „Laokoon» und sonst ge-
zeigt hat.

__ 288 — –

rückwärts. Die drei Künstler beeilten sich bekannt zu machen, dass sie die
wirkliche Enkaustik der Griechen gefunden, da mit Wachs gemalt und das Ge-
malte eingebrannt werde. Ende März desselben Jahres erschien eine Broschüre,
Histoire et Secret de la Peinture en cire, welche Diderot zum Verfasser
haben soll, und in welcher diese neue Entdeckung gegen die des Grafen
Oaylus in den Himmel gehoben wurde. Die Gemüter schienen sich immer
mehr zu erhitzen, wie es noch jedesmal geschehen, wenn es sich um die
Wiedererweckung der antiken Enkaustik handelte; Frdron veröffentlichte eine
kritische Abhandlung in seiner „Annee litteraire» und in einem Pamphlet
„L’Art de peindre au fromage ou en Ramekin» machte sich ein Witzbold
(Rouquet) über die Bachelier’sche Entdeckung lustig. 6 )

Schliesslich sah die Akademie , von welcher der Sturm ausgegangen
war, sich veranlasst, selbst zur Lösung der Frage zu schreiten, und beauf-
tragte ihr Mitglied, den Gelehrten Monnoye, den Artikel über Enkaustik
für den Dictionnaire Encyclopedique zu bearbeiten. Es ist sehr interessant, zu
sehen , wie dieser sich in der Sache zurechtfand. Zunächst stellte er fest,
welche Forderungen nach Vitruv und Plinius an das Technische der Enkaustik
zu stellen wären, und zwar wie folgt :

1. Die Alten malten mit gefärbtem Wachs, welches sie vielleicht mit ein
wenig Oel vermischten, um es weicher zu machen, und bewahrten die Farben
in mit Abteilungen versehenen Kästchen.

2. Sie schmolzen diese Wachsfarben und verwendeten sie mit dem Pinsel.

3. Sie festigten ihre Gemälde durch Einbrennen mittelst eines mit Kohlen
gefüllten Beckens (Rechaud), welches sie über der Oberfläche hin- und her-
bewegten.

4. Sie machten das Ganze durch Frottieren mit reinen Leinentüchern
glänzend, und

5. sie malten auf Holz ihre transportablen Bilder , wie es an mehreren
Stellen heisst, und auch auf Mauerstuck oder Gips.

Nach diesen von ihm selbst festgestellten Bedingungen erklärte iMonnoye
die erste Art des Caylus für nicht identisch mit der Enkaustik der Griechen,
weil dabei heisses Wasser an Stelle des Feuers verwendet werde; die zweite
Manier hält er nach der Ansicht von Praktikern überhaupt nicht für aus-
führbar. Die dritte und vierte Art aber seien kaum die gesuchte En-
kaustik, w T eil sich diese beiden nicht auf Wandflächen gebrauchen liessen,
wie es Plinius und Vitruv forderten. Ebenso wird auch die Enkaustik
Bachelier’s kritisiert. Die erste von dessen vier vorgeschlagenen Arten (er
durfte doch nicht hinter Caylus zurückbleiben!), beruhend auf der Auflösung des
Wachses in Terpentinessenz , welche Bacheher schon einige Jahre früher
als Caylus verwendet zu haben behauptete (a. a. 0. p. 59), verwirft der Be-
arbeiter des Dictionnaire als in gar keiner Beziehung zur alten Enkaustik
stehend, weil das Wachs nicht heiss aufgelöst werde und die Malerei nicht
eingebrannt zu werden brauche.

Die zweite Art Bachelier’s, welche nur auf Leinwand anwendbar war
und darin bestand , dass mit Wasserfarben auf nicht appretierter Leinwand
gemalt, diese dann von rückwärts mit reinem Bienenwachs oder der eau de
cire genannten Wachslösung getränkt und an einem Vergolderofen eingebrannt
wurde, findet ebensowenig Gnade vor dem Kritiker, da diese Prozeduren sich
auf der Mauer nicht ausführen liessen, überdies das Verfahren mit der dritten
Art des Caylus grosse Aehnlichkeit habe. Die dritte Art Bachelier’s be-
ruhte auf der Verwendung des durch ein Alkali (sei de tartre) gelösten
Wachses, welches er „eau de cire» nennt; man mischt damit die Farben
und malt auf Leinwand, welche man öfters von rückwärts mit diesem

6 ) Mr. Rouquet hat es wohl kaum ahnen können, dass eine Zeit kommen würde,
in welcher man wirklich mit Käsequark nebst Bier malt, und dass diese Malerei
sogar sehr dauerhaft ist. Die grossen von Prof. Geselschap gemalten Wandgemälde
des Zeughauses (Ruhmeshalle) in Berlin sind mit Caseinf’arben gemalt.

— 289 —

Wachs oder Wasser befeuchtet; hernach wird das Einbrennen vorgenommen,
wodurch das Gemälde erst befestigt und die Oberfläche gleichmässig ge-
macht wird. Bei der vierten Art werden die gleichen Farben wie oben
benutzt und durch Auspressen der Feuchtigkeit mittelst Fliesspapier in eine
Art Wachspastelle verwandelt , mit denen gemalt wird ; zum Schluss folgt,
wie vorher, das Einbrennen.

Diese zwei letzten Methoden scheinen den kritischen Anforderungen von
Mr. Monnoye zu entsprechen, denn er macht hier keinerlei Einwände. Umso-
mehr macht der Verfasser des Dictionnaire de Peinture , welcher für Caylus
und seine Auffassung eintritt. Er findet mit Recht, dass diese Methoden
Bacheliers ebensowenig die Bedingungen der wirklichen Enkaustik erfüllen,
und es liesse sich heute seinen Einwänden leicht eine Reihe weiterer hin-
zufügen.

Das Hauptinteresse richtete sich, wie wir sehen, auf die Wieder- „ Caiau’s
11 i t» • i ,ir , „ [ , T • i l’iiniscliesoder

herstell ung des sog. runischen Wachses, die folgende Litteratur be- Bleodorisohes

schäftigt sich ausschliesslich damit, sowohl in Frankreich als auch in Italien
und Deutschland. Abbe Richard (Description historique et critique de l’Italie,
1758) nahm die Priorität für den Prinzen von San Severa in Anspruch,
und im Jahre 1769 gab Benjamin Calau, erst kurfürstlicher Hofmaler in
Leipzig, nachher Hofmaler in Berlin, eine Schrift heraus: Ausführlicher
Bericht, wie das Punische oder das Eleodorische Wachs aufzulösen
(Leipzig 1769). Er zeigte darin an, dass er das „punische oder eleodorische
Wachs, dessen Plinius gedenkt, und welches die Alten zum Auftragen der
Farben in der Wachsmalerei gebrauchten», wieder gefunden habe. Seine Kunst
bestand darin , das Wachs in einer Art Wasser aufzulösen , mit allen Arten
von Oel oder Gummi nebst beliebigen Farben zu vermischen, um damit „die
zartesten Gemälde» zu verfertigen. Er erhielt vom Könige das ausschliessliche
Privilegium , dieses Wachs , welches auch Buchdrucker , Buchbinder , Sattler,
Schuster und Tischler gebrauchen, um ihren Arbeiten damit Glanz zu geben,
in den preussischen Landen verkaufen zu dürfen. Calau starb 1785, ohne
sein „Geheimnis» veröffentlicht zu haben. 7 )

Gleichzeitig mit ihm scheint Joh. Gottlieb Walter das punische J.G.Walter.
Wachs wieder entdeckt zu haben; sein Sohn hat das ihm anvertraute Ge-
heimnis nicht veröffentlicht. Das „Material» besteht aus reinem Wachs, wel-
ches so zubereitet wird, dass man damit gleich wie mit Oel malen kann, dabei
aber die Eigenschaft besitzt, dass es :

1. mit den heterogensten Flüssigkeiten mischbar ist, mit Alkalien,
Säuren, Oelen, und zwar sowohl mit den einzelnen als mit allen zusammen;

2. mit Salzsäure, alkalischer Lauge, Terpentin-Spiritus und Wasser ge-
kocht werden kann, ohne zu zerfliessen ;

3. sich weder im warmen noch im kalten Wasser von selbst löst ;

4. durch Feuer nicht mehr schmelzbar ist. 8 )

7 ) s. Allg. Künstler-Lex. Zürich 1777, Suppl. p. 37. Vgl. auch: Beschreibung
einer mit Calauschem Wachs ausgemalten Farbenpyramide, wo die Mischung jeder
Farbe auf Weiss und drei Grundfarben angeordnet , dargelegt und derselben Be-
rechnung und vielfacher Gebrauch gewiesen wird, von J. H. Lamprecht (Berl. 1772).

8 ) Vgl. Friedr. Aug. Walter, Alte Malerkunst, Berlin 1821, p. 304. Wieg mann,
der sich mit Walters Angaben , die ihm sehr merkwürdig vorkamen, beschäftigt, be-
merkt dazu (Mal. d. Alten, p. 161): Dieser wunderbare Körper muss entweder der Stein
der Weisen sein oder gar nichts. Donner (Technisches in d. Mal. der Alten, p. 57)
berichtet, dass diese Eigenschaften durch Kochen des Bienenwachses unter starkem
Sodazusatz entstehen und fügt hinzu: „Versucht man diese Masse wieder über dem
Feuer zu schmelzen, so findet Schmelzung nur mit Teilchen derselben statt, und es
bildet sich in der Tat ein harter Körper innerhalb desselben, der sich nicht löst. Kocht
man sie in heissem Terpentinöl, so bleibt sie hart ; in kaltem Terpentinöl erweicht
sie sich nach und nach. Sie löst sich auch weder im kalten noch im warmen Wasser
von selbst auf; reibt man sie aber mit letzterem oder auch selbst mit
kaltem Wasser auf dem Reibstein, so bekommt man eine weiche, dick-
flüssige, sehr weisse Masse, die man verdünnen und mit Wasser zum
Anreiben mit Farben pul vern zum Malen sehr gut verwenden kann.

— 290 —

Zweifellos bediente sich Walter zur Lösung- des Wachses eines Alkali
(kohlensaures Kali oder kohlensaures Natron) und erzielte dadurch die ge-
suchte Wachsseife.
Lorgna. Auch Marchese Lorgna von Verona machte Versuche dieser Art. „Er

löste Wachs mit Alkali zu einem Seifenschaum, vermischte es mit arabischem
Gummi, dann mit Farben und malte damit. Aber das in Seife aufgelöste
Wachs wurde beim Einbrennen hart, liess sich nicht gut ineinander
schmelzen und konnte auch nicht mit dem Griffel aufgetragen werden, wie
doch die Alten getan haben. Ueberdies blieb die Befürchtung , das Alkali
möchte mit der Zeit die Farben selbst auffressen. Das Nitrum des Plinius
hielt Lorgna nicht für das uns bekannte, sondern für Natrum. Da das Natrum
bei Karthago häufig gefunden wird, so ist es sehr begreiflich, warum man
dem damit versetzten und in eine Seife verwandelten Wachse den Namen des
punischen Wachses gab.» (Lichtenberg. Magazin III, 3. S. 192; 1786.)
„ Torri. Graf v. Torri zeigte 1785 gleicherweise, dass das Nitrum der Alten

nichts anderes als das Natrum der Neueren sei (ebd. IV, 1. S. 173; 1786),
und eine ähnliche Ansicht muss Peterssen in Halle bei der Wachsmasse
geleitet haben, die er 1792 bereitete (Allg. Reichsanzeiger 1796 Nr. 28,
S. 281). 9 )
Taubenheim. Zu diesen Versuchen ist noch derjenige des Barons v. Tauben heim zu

zählen, durch eine weiche, pomadeartige Komposition von Wachs und Oel ein
neuartiges Bindemittel an Stelle der gewöhnlichen Oelfarben zu schaffen.
Er liess seine Erfindung durch den gleichfalls am Hofe des Ohurfürsten in
Mannheim lebenden Hofmaler Josef Fratrel erproben und glaubte damit
alle früheren Methoden in den Schatten zu stellen. 10 )
Requeno. Wesentlich neue Gesichtspunkte brachte endlich eine bedeutsame Schrift

des spanischen Exjesuiten Abbe Vincenzo Requeno, betitelt: Saggi sul
ristabilimento dell 1 antica arte dei greci e romani (Parma 1794), in welcher
über die alte Malerei bereits nach richtigen und klaren Grundsätzen geurteilt
wird. Inzwischen war nämlich ein ganz neuer Faktor der Beurteilung hin-
zugekommen; während Caylus und Bachelier nur die Quellenschriften als
Grundlage ihrer Versuche hatten, eröffnete die Aufdeckung von Herkulanum und
Pompeji (1748) ganz neue Gesichtspunkte, und die Frage drehte sich um den
einen Punkt, ob die dort gefundenen Gemälde enkaustische wären oder
nicht. Der Weg, den Requeno einschlug, war der einzig richtige, indem er,
von der Verwendbarkeit des Materials ausgehend, auf die Idee kam, mit
metallenen Griffeln verschiedener Form das heissgemachte Wachs auf-
zutragen und mit heissen Instrumenten zu verbreiten. Schliesslich kam
er dazu, 5 Unzen Mastix und 2 Unzen weisses Wachs nebst Farbenpulver
zusammen zu schmelzen und mittelst der „stiletti» die Farben auf ein Brett
aufzutragen, mit der Spitze der heissen Instrumente Farbe an Farbe zu legen
und dann auszugleichen, zu verbinden, andere Farben hinzuzufügen vi. s. w.
Die IL Art des Plinius erklärt Requeno als ein Einbrennen der Konturen
auf Elfenbein mit einem Glühstift. Die III. Art ist für ihn die folgende:
Er schmolz zuerst Wachs , Kolophonium und Weihrauch zu harter Pasta zu-
sammen, rieb die hierauf pulverisierte Masse mit Farbenpulver und Wasser
au, setzte etwas Eiweiss hinzu und malte mit dem Pinsel; zuletzt brannte
er die Malerei ein. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass er schon
damals die Frage der Enkaustik gelöst hätte , wenn er alle uns inzwischen
bekannt gewordenen chemischen Untersuchungen und die spät-ägyptischen
Mumienporträts hätte in Betracht ziehen können.

Mit Oel lässt sich in der Tat dieser dickflüssige Wachsbrei auch zusammenreiben und
als Oelwachsfarbe verwenden.» Donner zieht aber aus diesen, ihm demnach bekannten
Eigenschaften des pun. Wachs nicht die nötigen Schlüsse.

9 ) Vgl. Fr. X av. Fernbach, die enkaust. Malerei, München 1845 p. 24.

10 ) s. Jos. Fratrel, La cire alliee avec l’huile ou la peinture ä huile-cire,
trouvee ä Mannheim par M. Charles Baron de Taubonheim, Mannheim 1770.

– 291 —

Die Liste der Wiederhersteller der Enkaustik ist damit noch lange nioht Koiffeustein.
erschöpft. Auoh Joh. FrieÄr. Reifstein (oder Reiffenstein) 11 ) wollte
17SS in Rom das punische Waohs und die Enkaustik wieder erfunden haben,
und wir sehen sogar Goethe mit dieser Malerei in Verbindung. Mehrere
Stellen der „Italienischen Reise» zeigen, eine wie grosse Bedeutung dieser
neuentdeckten pseudo – enkaustischen Malweise von den Künstlern und
Dilettanten in der damaligen Fremdenkolonie Roms beigelegt worden ist.
Ihr eifrigster Beförderer war natürlich Reiffenstein selbst, der als Direktor
des Erziehungsinstitutes für russische Künstler in Rom und Gothaischer Hofrat
mit zuvorkommender Liebenswürdigkeit beiden Fremden denOicerone und künst-
lerischen maitre de plaisir zu machen pflegte. Goethe war mit ihm gleich nach
seiner Ankunft, Anfang November 1786, bekannt geworden und beschäftigte
sich einige Zeit ebenfalls mit Malversuchen dieser Art. Die grosse Kopie
der Raffaelischen Loggien aber, die nach Reiffensteins Anleitung in mehrjähriger
Arbeit vom Maler Unterberger enkaustisch auf Leinwand ausgeführt worden
war, hat er nicht mehr gesehen ; sie war kurz vorher an ihre Bestellerin, die
Kaiserin Katharina, nach Petersburg abgeschickt worden. Die Technik, in
der man sich so eifrig übte und von der man die grössten Erwartungen für die
Zukunft der Malerei hegte, war nach Goethes Beschreibung die eine Art des
Bachelier , durch die alkalische Lösung des Wachses mittelst Weinstein eine
Art Wachsseife zu erzeugen, die als Bindemittel der Farben diente, und das
Gemalte nachher zu erwärmen. Reiffensteins Methode bestand in der Her-
stellung eines „Gummi- und Wachswassers»; er hat dieses und einige zuge-
hörige Manipulationen in einem Aufsatz „Anweisung über die gegenwärtig in
Rom übliche Wachs-Mahlerey 1789″ umständlich beschrieben und auch ein
Rezept des „eigentlichen Wiederfinders der enkaustischen Malerey Requeno»
hinzugefügt. Der Aufsatz ist in der herzoglichen Bibliothek zu Gotha hand-
schriftlich erhalten und zum ersten Mal veröffentlicht in der „Deutschen Kunst»,
1897 Nr. 32, in meinem Artikel: Römische Wachsmalerei zu Goethes Zeit.

Alle Rekonstruktionsversuche auf Grund des vermeintlichen punischen Fabroni.
Wachses hörten mit einem Male auf, als die Ansicht, dass die Alten
ätherische Oele zur Lösung des Wachses gebraucht hätten, immer
mehr an Boden gewann. Fabroni 12 ) glaubte bei der Untersuchung eines
ägypt. Mumiensarges im Museum zu Florenz konstatieren zu können , dass
ausser dem Farbstoff nur Wachs zur Bemalung genommen worden sei,
und dass dieses Wachs durch Naphtha, das in Aegypten natürlich vor-
kommt, aufgelöst worden sei. Und dadurch wurde die Ansicht verbreitet,
die Griechen hätten das Wachs durch ätherisches Oel in den Zustand der
Pinselflüssigkeit gebracht.

Paillot de Montabert 13 ) griff die Idee der kalten Auflösung des Montabert.
Wachses in Terpentin zuerst auf und schlug ein Verfahren vor, auf ge-
eignet präparierten Wandflächen mit Farben, die in einer bestimmten
Mischung mit Wachs und Terpentinöl angerieben waren, zu malen. Er
fand besonders in den Kreisen der Künstler grossen Beifall und in dem Archi-
tekten Hittorff 14 ) einen ausserordentlichen Anwalt. Dieser hatte in seinem
grossen Werke die Frage der Polychromie der antiken Bauten wieder auf-
geworfen und sprach die Ueberzeugung aus, dass die antike enkaustische
Technik in der Auflösung des Wachses in ätherischen oder flüssigen Oelen
in Verbindung mit durchsichtigen Harzen bestanden habe. Auf Hittorff’s
Veranlassung wurden in der von ihm erbauten Kirche St. Vincent de Paul

«) Vgl. den eingehenden Nachruf in C. A. Böttiger’ s Kleinen Schriften,
Dresden u. Leipz. 1838, II p. 85.

«) Fabroni, Antichitä, vantaggi e metodo della pittura encausto in Antologia
(1796-1797) und in Annales de chimie T. XXVI, p. 104.

18 ) Paillot de Montabert, Traite complet de la peinture. Paris 1829 T. VIII
p. 526 f.

u ) d. J. Hittorff, Restitution du temple d’Empedocle a Selinonte ou l’Archi-
tecture polychrome chez les Grecs, Paris 1851.

19*

— 292 —

in Paris i. J. 1842 alle Malereien, darunter der grosse, das Hauptschiff voll-
ständig umschliessende Pries, von Plandrin und anderen Künstlern in dieser
Technik ausgeführt.
Pernbaoh’s Eine Nachahmung des Montabert’schen Verfahrens erfand , durch die

Erfolge der Pariser Künstler angeregt und um dem damaligen Bedürfnis nach
einem Ersatz des Preskoverfahrens zu entsprechen, der Münchner Konservator
P. X. Fern bach 15 ). Nach seinem Verfahren werden dem in Terpentin er-
weichten Wachs vornehmlich Bernsteinharz und Kautschuklösung beigemischt.
Es wurde in dem neuen Königsbau der Münchner Residenz angewendet, und
im Hohenstaufen- und Habsburger-Saal haben sich die Gemälde von Schnorr
von Carolsfeld, wie man sich überzeugen kann, in den 50 Jahren ihres
Bestehens sehr gut gehalten; dasselbe muss auch von dem nach dem Monta-

15 ) F. X. Fern bach, die enkaustische Malerei, München 1845. Das grosse
Interesse , welches der Sache entgegengebracht wurde , veranlasst mich hier einige
Details nach Fernbach’s zitiertem Buche anzufügen.

Die erste Voraussetzung für Fernbachs Verfahren ist eine trockne Wand-
fläche und die Isolierung des Mauerwerks durch Herstellung eines Luftschachtes von
0,05—0,08 in. Zur Wand , welche das Gemälde bedecken soll , werden nur trockene
Ziegel verwendet und zum I. Anwurf Flussand und 1 Jahr alter gelöschter Kalk
verwendet. Nach dem Trocknen folgt ein II. Bewurf von gleicher Beschaffenheit
wie der erste. Ein III. Bewurf folgt, so lange der II. noch nass ist (wenn jedoch der
II. trocken ist, wird ein engmaschiges Drahtnetz mittels Nägel befestigt, um die
Oberfläche wieder rauh zu machen). Darauf folgt der eigentliche (IV.) Bewurf aus alt
gelöschtem Kalk, fein pulverisiertem Quarz, 1 Teil gewöhnlichen Sand und 1 Teil
fein gestossener Schlacke. Man mischt diese Teile sorgfältig zusammen und giesst
das notwendige Regenwasser nachher zu. Unter fortwährender Benetzung der Wand
mit Wasser wird der Anwurf mittelst grosser und kleiner Holzkellen gemacht, und
soll nur 6—7 mm stark sein. Eine solche Mauer müsse ein Jahr mindestens trocknen,
die Fenster sollen bei gutem Wetter geöffnet, bei Nebel und Regen aber geschlossen sein.
Das Bindemittel für die Farben, mit welchen die Wandflächen getränkt und
dann „cauterisiert» wird, besteht aus:

3 Pf. reinem Wachs

15 „ unrectifiziertem Terpentinspiritus
P/4 „ Venetian. Terpentin
Die Masse wird vorsichtig erwärmt und auf die vorher erwärmte Wand auf-
getragen. Für die „Imbibition» erfordert eine Wandfläche von 16,50 m □ 18 — 20 Pf.
dieser Masse. Ist die Wand gut getränkt, so fügt man zur vorigen Mischung noch
eine schwache Bernsteinlösung im Verhältnis von 1 Pf. zu 3 Pf. hinzu. Mit dieser Mischung
wird die Wand gleichmässig überzogen. Das Rechaud (Cauterium) darf nicht näher
als 2—3 Fuss angewendet werden, und soll die Wachsschicht mindestens 2—3 Linien
betragen.

Darauf folgt die I. Farblage; bestehend aus:
4 Pf. Bleiweiss (cerussa)
1 „ weisse Kreide

in Mischung mit
l’/*Pf. schwacher Ambralösung, die gemildert ist
mit ] /* ,, Mohnöl

und 1 ji „ Wachsbindemittel (siehe unten).
Mit grossem breiten Pinsel wird diese Farblage gleichmässig aufgetragen und
völlig trocknen gelassen. 14 Tage bevor man die Malerei beginnen will, kommt eine
letzte Lage von Wachs, Terpentin und ein wenig Ambra.

Die Farben werden mit einem eigenen Wachsbindemittel angerieben, das
besteht aus 1 Pf. Ambralösung und 12 Unzen gelöstem Kautschuk. Für Weiss
dient als Bindemittel:

1 Pf. Bleiweiss
7 ! /2 Unzen Ambra
2 „ Wachs

2 „ Kautschuk

Die Cauterisation soll erst nach einem Jahre, eventuell 6 Monate nach der
völligen Trocknung der Wand, geschehen und, wo sich Folgen von Wandfeuchtigkeit
bemerkbar gemacht, nach 2 — 3 Jahren. Die zu diesem Zwecke dienliche Wachs-
mischung besteht aus 3 Pf. in Terpentin gelöstem sehr altem Wachs und 4 Unz.
Venet. Terpentin, welche, zusammen leicht erwärmt, bis zur Klärung stehen gelassen
wird. Mit dieser Mischung werden drei Lagen, eine 48 Stunden nach der anderen,
gegeben. Nach weiteren drei Tagen wird die Wandfläche mit den Rechauds sehr
vorsichtig und alle Teile gleichmässig erwärmt. Schliesslich frottiert man das Ganze
mit einer Bürste und endlich mit Flanellappen , was dem Bilde einen angenehmen
Glanz verleiht. Nach 7—8 Wochen wird diese Prozedur wiederholt.

— 293 —

bert’schen Verfahren 1842 gemalten Pries von Plandrin in der Kirche
St. Vinoent de Paul gesagt werden. Da man aber in Paris wie in München
vom Einbrennen des Gemalten als überflüssig abkam, so konnte von
einer wirklichen Erneuerung der alten Enkaustik nicht die Ilede sein.»‘)

Das Auffallendste an diesen auf die praktische Wiedereinführung
der „unverwüstlichen» antiken Technik gerichteten Versuchen war, dass man
die von den Chemikern Ohaptal (1809) und Humphry Davy (1815) ver-
öffentlichten Untersuchungen, wonach die Anwesenheit von Wachs in Mischung
mit Harzen in den antiken Wandresten von Pompeji und Ilom nicht erwiesen
werden konnte, völlig ausser acht liess und sich in Widerspruch setzte mit
den Worten des Plinius, dass die Enkaustik auf Wänden ungebräuchlich
(alieno parietibus genere) sei. Die Vertreter der Wandenkaustik (mit Hilfe
von in ätherischen Oelen gelöstem Wachs) gingen aber von der Meinung aus,
die Griffelenkaustik, auf Tafeln von den Alten mit Wachspasten oder
Wachspastellen und mit heissgemachten Instrumenten ausgeführt, sei zwar
selbstverständlich von der Mauermalerei ausgeschlossen gewesen, nicht
aber die dritte Art, die Pinselenkaustik, da ja in beiden Stellen bei Vitruv
(VII 9, 3) und Plinius (XXXIII, 122) übereinstimmend vom Waohsüberzug
mit Hilfe des Pinsels die Rede sei, und da unter dem beizumischenden
Oel auch ätherisches gemeint sein könnte, (das sich überdies vortrefflich dazu
eignet), so wurde an dieser Lösung der Frage nicht gezweifelt.

Und doch hatte schon 1836 der Architekt R. Wieg m an n 17 ) den Beweis W ^SS°»
zu .erbringen versucht, dass auf Wänden im Altertum überhaupt nicht mit Wachs-
farben gemalt wurde und dass die obige Anwendung (als „Kausis») sich aus-
schliesslich auf Zinnoberwände beziehe ; die antike Enkaustik wäre nie etwas
anderes als eine Griffeltechnik auf Tafeln gewesen. Dieser Ansicht hat sich
auch Priedr. Knirim 18 ) in seiner 1845 erschienenen Schrift angeschlossen und
folgende Erklärung der drei genera encausto pingendi gegeben : Bei der ersten
Art „mit Wachs» wurde mit Hilfe eines Griffelspatchens (auf einer Seite spitz
wie ein Schreibgriffe], auf der anderen Seite spatelartig verbreitert) die Zeich-
nung auf einem mit Wachs überzogenen Täfelchen von Buchsbaumholz (nur
kleine enkaustische Gemälde konnte man ausführen) in den erhärteten glatten,
hellfarbigen Grund eingerissen. DieParbengebung geschah durch vorläufig nicht
verschmelzendes Aufsetzen der verschiedenen bis zu einem gewissen Grade er-
weichten W T achstinten mittelst eines hölzernen Griffelspatels; „nach und nach
sollten alle Tinten an den gehörigen Orten nebeneinander in schicklicher Dicke
und natürlicher Abstufung* aufgetragen werden , bis allmählich das ganze Täfel-
chen bedeckt ist. „Ein heisser eiserner Griffel taugte zu dieser Vorarbeit darum
nicht, weil von einem solchen Spatchen das weiche Wachs abgeflossen sein
würde, ehe man es an Ort und Stelle gesetzt hätte» (a. a. 0. p. 211). Das

16 ) Ein grosser Erfolg der vielfachen Bemühungen der Zeit bestand in der Ent-
deckung des Wa s serglases und der Einführung eines neuen vom Chemiker J. N.
Fuchs und dem Maler Schlottauer erfundenen Verfahrens. In der Geschichte
der Rekonstruktionen der alten Enkaustik kann dieses Verfahren nicht unerwähnt
bleiben, weil es infolge direkter Anregung des kunstsinnigen Königs Ludwig I. ge-
funden wurde. Der König, dem das damalige München den grossen Aufschwung auf
dem Gebiete der bildenden Kunst verdankt, veranlasste Schlottauer, Schüler von
Cornelius, in Pompeji selbst Studien zu machen, um das antike Verfahren der en-
kaustischen Wandmalerei wiederzufinden. Dies ist ihm zwar nicht gelungen, aber
seine Bestrebungen waren direkte Veranlassung zu obengenannter Erfindung. Das
neue Verfahren nannten sie Stereo chrom ie. Die ersten Versuche wurden 1846
durch Wilh. von Kaulbach gemacht, welcher das Verfahren dann im grossen an den
Wandgemälden des Treppenhauses im Berliner Museum anwendete: s. J. Nep. v. Fuchs,
gesammelte Schriften, München 1856, p. 260 f.

n ) R. Wieg mann, die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik,
Hannover 1836.

18 ) Fried r. Knirim , die endlich entdeckte wahre Malertechnik des klassischen
Altertums und des Mittelalters, sowie die neuerfundene Balsamwachsmalerei etc.
Nebst einer vollständigen Lösung des Problems der alten Enkaustik und der angeblich
alten Freskotechnik, Leipz. 1845.

— 294 —

Vermalen, Verschmelzen und Einbrennen der bereits aufgetragenen Tinten
hatte dann mittelst eines erhitzten eisernen Griffel-Spatels zu geschehen.

Die zweite Art „auf Elfenbein mittelst des Grabstichels (cestrum
oder viriculum)» würde so ausgefühlt, dass Elfenbeinplättchen mit schwarz
oder rot gefärbtem Wachs gleichmässig überzogen würden, indem man es ge-
schmolzen aufgoss und völlig ebnete. Auf diesem durch Erkalten fest ge-
wordenen farbigen Wachsüberzuge habe man durch Einreissen mit einem
spitzen Griffel die Konturen und innere Linienführung entworfen , die man
dann mit dem Grabstichel in das Elfenbein oder Hörn eingrub. In die Ver-
tiefungen konnte man farbiges Wachs einlassen , so dass die eingravierten
und mit dem gefärbten Wachs ganz ausgefüllten Linien das weisse Elfenbein
als Hintergrund hatten.

Bei der dritten und letzten Art hätte man unzweideutig bloss gefärbtes
Wachs am Feuer zerschmolzen und dann ohne weiteres mittelst geeigneter
Pinsel von verschiedener Grösse auf die dazu vorbereiteten (mit der Zopissa
versehenen) Schiffe gebracht, rasch anstreichend und grob malend. Das zer-
schmolzene gefärbte Wachs befand sich natürlich in einem während der
Arbeit stets heiss zu erhaltenden Wachsschmelzgefässe auf einer leicht tragbaren
Glutpfanne, dem „Cauterium» , so dass das Wachs flüssig genug blieb, um
„ohne sanfte Verschmelzung, die bei dieser Schiffsmalerei auch gerade nicht
nötig war», die Farben aufzumalen. Zur Tafelmalerei wurde diese Art überhaupt
nicht gebraucht, sondern nur zu blossen Anstrichen von Architekturteilen
aus Holz (z. B. Triglyphen).
» ‘ , «‘ 1 «° > 1 ; Unter Berücksichtigung dieser Vorgänger und nach sorgfältigen Studien,

freilich die Ergebnisse des Fundes von St. Medard ganz bei Seite schiebend,
hat. dann zuletzt 0. Donner-v. Richter in Frankfurt die Frage von neuem
in Angriff genommen und eine Methode erfunden, die, im Laufe von dreissig
Jahren im einzelnen etwas modifiziert, mehrmals von ihm beschrieben worden
ist: zuerst 1867 in Verbindung mit seinen Ausführungen über die campanische
Wandmalerei, dann 1885 in einer Abhandlung aus Anlass des kurz zuvor
(Paris 1884) erschienenen Buches von Gros und Henry und zuletzt 1899 in
einem polemischen Aufsatz in den Mitteilungen des Archäol. Instituts in Rom
(Bd. XIV, S. 131 ff.). Hiernaoh stellt er sich die Sache im Wesentlichen
jetzt so vor:

Von den drei Arten des Plinius ist die letzte, die Schiffsmalerei, als
rein handwerksmässige Anstreicherarbeit ganz auszuscheiden. Die beiden
ersten Arten, die allein zu künstlerischem Gebrauch geeignet waren, arbeiteten
beide mit demselben Material und demselben Instrument und unterschieden
sich nur durch den Malgrund, im ersten Falle Holztafel und allenfalls Mar-
mor, im zweiten Elfenbein. Das Instrument ist das Cestrum, das Material
verschieden gefärbtes Wachs, und zwar das Punische Wachs, das mit einem
geringen Zusatz balsamischen Harzes und einem Minimum von Olivenöl zu
einer gleichmässig weichen, geschmeidigen, leicht zu verarbeitenden pasten-
artigen Masse sich präparieren lässt. Von diesen Wachspasten wird, nachdem
der Umriss des Gemäldes aufgezeichnet worden, auf die nackte, weder mit
Wachs noch mit Kreide und Leim vorher grundierte, sondern in ihrer natür-
lichen Porosität belassene Tafel, so viel als nötig ist, mit dem Cestrum in
kaltem Zustande aufgetragen und bei geschickter Führung bald in dieser,
bald in jener Richtung je nach Bedarf einfach ausgebreitet oder ineinander-
gearbeitet mit wohlberechneter Zusammenstellung der Farbentöne. Zu diesen
Manipulationen eignet sich nach Donners Meinung das Cestrum vortrefflich,
wenn man Namen und Gestalt von dem Blatte der Pflanze xioxpo^ (lat.
ettonica) ableite und es sich konstruiere als ein lanzettförmiges Instrument
mit sägeartig gezahnten Rändern ; er hat sich mehrere der Art in verschiedener
Grösse aus Holz, Knochen oder Hörn — Metall sei unnötig — zu seinem
Gebrauch herstellen lassen. Als „Schlussbehandlung» lässt er endlich ein
„Einbrennen» des Gemalten folgen, das mit einem zweiten Instrumente,
einem vorsichtig darüber gehaltenen und nicht zu stark erhitzten Metallstabe,

— 295 —

zu geschehen habe. Diese „Sohlussbehandlung» sei eine Notwendigkeit, weil
durch das Hin- und Herbewegen des Cestrums „ein störender, in verschiedenen
Richtungen laufender Glanz entstehe, der erst durch das Einbrennen, das wie
ein Firnis wirke, beseitigt» werde, und „eine noch wichtigere Wirkung» sei
die, dass es „die Eindrücke der gebrauchten Oestren an ihren Rändern schmelze,
dadurch dio Furchungen ausfülle und der ganzen Bildoberfläche ein weiches,
angenehmes und einheitliches Aussehon gebe.»

Diese Theorie hat bis jetzt am meisten Anhänger gefunden; auch
Blümner hat sich ihr, wenn auch oicht ohne einige Bedenken und Vorbehalte,
angeschlossen. Was sachlich gegen sie, und ebenso gegen die von Cros und
Henry, einzuwenden ist, ist in den früheren Abschnitten unserer Darstellung
ausführlich zur Sprache gekommen. Hier kam es darauf an, in der historischen
Aufzählung der Erklärungsversuche beiden ihre Stulle anzuweisen, wenn auch
durch die Textberichtigung der massgebenden Pliniusstelle die quellensehrif’Uiche
Grundlage sich zu ihren Ungunsten verändert hat.

b) Einige Versuche der Rekonstruktion der antiken Technik der Wandmalerei.

1. Von Wieg-mann’s Versuchen, das antike Tectorium zu rekonstruieren, Wiegmanu.
ist schon oben (p. 67 und p. 72) die Rede gewesen. Er ist vielleicht der
erste gewesen, der versucht hat, die Schichtungen des Sand- und Marmor-
mörtels in der von Vitruv vorgeschriebenen Weise aufzutragen, mit den
Schlaghölzern zu härten und mit Hilfe von geschliffenen Steinen unter öfterem
Benetzen mit Wasser zu glätten (p. 178). Zu seinen Versuchen nahm er
gut gebrannten und möglichst altgelöschten Kalk, der so klebrig sein müsse
dass man nur mit Mühe einen hineingesteckten Stecken herausziehen könne.
Bei den einzelnen Marmorstuckschichten achtete er darauf, dass auch bei
dem gröberen Mörtel genug feinere Beimischungen vorhanden wären, um
ihm festeren Halt zu geben (p. 180). Jeder Ueberzug von diesem Stuck —
der gröbste etwa 1 i Zoll, und der zweite oder dritte 1 js bis ‘/ig Zoll stark —
wurde, sobald es seine Konsistenz erlaubte, nach allen Richtungen mit schwanken
Stöcken Streich bei Streich geschlagen, wodurch das Volumen merklich ver-
ringert und die Festigkeit und Härte in demselben Verhältnis erhöht wurde.
War die letzte und dünnste Lage auf diese Weise behandelt, so ebnete er
deren Oberfläche vermittelst eines glattgeschliffenen flachen Steines , der mit
einer daran befestigten Handhabe in kreisender Bewegung und unter öfterem
Anfeuchten mit Regenwasser darauf umhergeführt wurde. Sind so alle kleinen
Löcher und Unebenheiten ausgeglichen und stellt sich die Fläche als ein
matter Spiegel dar, so scheint sie ihm, falls der Grund weiss bleiben soll, fertig
und bereit, die beabsichtigten Ornamente aufzunehmen. Soll aber der Stuck
ganz oder teilweise mit Farbe überzogen werden, so habe man, ohne Zeit
zu verlieren, diese mit einem Pinsel aufzutragen und dann mit dem Reib-
steine in den Grund einzureiben und zugleich zu glätten 11 ‘), wie es oben bei
dem weissen Grunde geschah. Auch hiebei sei ein öfteres Benetzen mit
Wasser notwendig. Durch fortgesetztes Reiben und bei steter Aufmerksamkeit,
dass kein Sand oder dgl. die Mühe verderbe, erlange man eine beliebige Glätte,
welche als Grund der nun folgenden Malerei alle wünschenswerten Eigenschaften
besitze. -°) Ich gebe diese und die weiteren Details , ohne hier gegen diese

‘») Nach Wiegmann p. 178 Note ist diese Operation von Vitruv mit den Worten:
marmoris oandore lirmo levigare bezeichnet; denn candor bedeute nicht allein die
Weisse, sondern auch den Glanz. „Da nun die Römer vielerlei politurfähige Steine
Marmor nannten, so wollen jene etwas poetischen Worte nichts anderes sagen, als
dass man mit einem polierten und seine Politur nicht leicht verlierenden Steine —
mag es immerhin auch weisser Marmor gewesen sein — den Stuek glätten solle.»

20 ) Hittorff, Restitution du temple d’Empedocle S. 675 bemerkt zu der von
Wiegmann angegebenen Art, das Tectorium zu glätten: Bei dem Versuche der Glättung,
einer Operation, welche nach W. eine grosse Geschicklichkeit erfordert, hat die Ver-
wendung des von ihm angegebenen glatten Steines nicht den Zweck erfüllt. Von

— 296 —

Rekonstruktion Einwände zu machen, damit der Zusammenhang nicht gestört
werde, und lasse in gekürzter Form Wiegmanns Angaben über die Aus-
führung der Preskof arbenanstriche (p. 194 ff.) folgen: 21 )

Sobald ein durch die Einteilung gegebenes Feld, welches teils durch die Grösse
und Anordnung der Wand, teils durch den Grad des Reichtums der beabsichtigten
Dekoration bedingt wird, auf die angezeigte Art gegründet, gefärbt und geglättet
worden, schreitet man zur Malerei. Die Zeichnung lässt sich zweckmässig mittels
eines stumpfen Stiftes in den noch frischen Stuck eindrücken oder durch einen
Karton kalkieren. Darauf werden zunächst die Linien mit ziemlich flüssiger
Farbe an einem Lineale und mit leichter Hand gezogen und alle Ornamente
gemalt, deren Farben keinen Kalkzusatz haben und deshalb einen noch ganz
frischen Grund erfordern, um sich damit fest zu verbinden. Nicht alle Farben
werden gleich gut angezogen. Caput mortuum und Blau verlangen den frischesten
Stuck , weshalb man mit deren Auftragung eilen muss. Wegen der Glätte des
Stuckes lassen sich Patronen nicht anwenden, sondern es muss alles mit dem
Pinsel gemalt werden. Die brauchbarsten Pinsel, namentlich zu zarten Sachen, sind
solche aus Marderhaaren, oder bei Farben mit Kalkzusatz dünne langhaarige Borsten-
pinsel. Diese werden reichlich mit dünnflüssiger Farbe gefüllt , öfter ausgewaschen
und von dem Kalkschleime, der die Borsten auseinander spreizt, gereinigt.

Nach Beendigung der Ornamente etc. in kalkfreien Farben lege man die eigent-
lichen Bilder und Figuren mit einer Mitteltinte an, zu der viel Kalk gemischt ist;
dies wiederhole man so oft, bis der Grund vollkommen und gleichmässig gedeckt ist.
Dann male man die Schatten und Halbschatten, erstere jedoch ohne Kalk, und setze
die Lichter breit und markig auf.

Da die Farben nass viel dunkler erscheinen, als sie nach dem Trocknen
wirklich sind , so probiert man die gemischten Töne mit einem Stück Umbra , da
sich dieselben durch den augenblicklichen Verlust alles Wassers sogleich in dem
Zustande der Trockenheit zeigen. Die bequemsten Paletten sind hiefür aus Weiss-
blech mit einem schmalen aufgebogenen Rande.

Wenig Töne und leichte Behandlung eignen sich für diese Malerei am besten :
man setze die Farben unverbunden nebeneinander und überlasse der Entfernung vom
Auge deren Vertreibung. Markiger Auftrag der reich mit Kalk versetzten
Farbe n, Lasier ung mit gebrann terTerra diSiena in den tiefsten Schatten
und Druckern ist das ganze Gesetz dieser Malerei.

Zur Mischung aller Mitteltinten ist die Veroneser grüne Erde die treff-
lichste und unentbehrlichste Farbe. Sie dient hier wie in der Oelmalerei
das Ultramarin. Man muss jedoch vermeiden, sie allein dick aufzutragen, weil sie
dann leicht abspringt.

Soll die Malerei besonders zart und glatt worden , so ist es zweckmässig , die
Anlage vor der letzten Uebermalung mit einem stumpfen Instrumente
eben zu schaben oder mit einer kleinen metallenen Rolle an einer Handhabe
niederzulegen.

Zuweilen wird über der Arbeit mit Farben ohne Kalkzusatz soviel Zeit ver-
fhessen , dass der Stuck die Farben nicht mehr gehörig anzieht; man erkennt dies
daran, dass ihr Wasser nicht in wenigen Sekunden verschluckt wird, sondern längere
Zeit an der Oberfläche sichtbar bleibt. Man hüte sich deshalb bei reichen Dekorationen
und namentlich unmittelbar auf dem geglätteten Grund den Anfang mit kalkfreien
Farben zu machen, sondern lege zuvor mit vollem Pinsel einen tüchtigen
Grund mit der dahin gehörigen Mitteltinte, die aus möglichst viel Kalk
und der angemessenen Menge grüner Erde und den übrigen beabsichtigten Farben
gemischt ist. Wenn diese Unterlage einigermassen trocken geworden ist, etwa nach
15 Minuten, so dient sie für die fernere Malerei als Freskogrund und zieht alle Farben
vollkommen an. Aufdiese Weise kann man noch den zweiten und dritten
Tag auf dem Stuck malen, und die Farben verbinden sich immer noch fest genug
mit dem Grunde, wenn auch nicht so innig und unablöslich, als wenn der Stuck noch
ganz frisch gewesen wäre.

Sollte der Stuck aber schon zu alt und zu trocken sein, etwa nach drei bis vier
Tagen, so kann man sich eines Mittels bedienen, auf welches Wiegmann die genaue Be-
trachtung des beim Binden des Stuckes und der Farben vor sich gehenden Prozesses
geführt hat, und dessen Anwendung sich vielleicht auch auf die gewöhnliche Fresko-
malerei ausdehnen liesse.

Auf der Oberfläche des Stuckes und der aufgetragenen Farbe bildet sich ein in
Wasser schwer löslicher, glänzender und durchsichtiger (?) Ueberzug von kohlensaurem

welcher Seite man auch immer anpackte, wurden von der stets befeuchteten Ober-
fläche des Stuckes durch das Reiben immer Partien abgelöst , während ein ovales
glattes Brett mit einer Handhabe bessere Dienste leistete.

21 ) Diese Angaben sind fast wörtlich aufgenommen und als Freskotechnik be-
zeichnet in F. Reinnel’s Praktische Vorschriften, III. Aufl. neu bearbeitet v. Ernst
Nöthling (Leipz. 1898, Bernh. Fried. Voigt) p. 207 II’.

— 297 —

Kalk, der auf dem Kalkwasser Kalkrahm genannt wird. Wenn nun dio Farben

auf den Stuck gebracht werden, nachdem diese feine Kruste sich schon gebildet hat,
so können sie nicht mehr von der im Innern der Stuckmasse vorhandenen Kalkauf-
lösung erreicht und durchdrungen werden und folglich worden sie sich später leicht
ablösen. Sobald man nun jenen feinen Ueberzug von kohlensaurem Kalk beseitigen
kann, wird der weiteren Malerei koin Hindernis mehr im Woge stehen. Die Zer-
störung jenes feinen Ueberzuges geschieht nun einfach dadurch, dass
man die zu bemalondo Stelle mittels eines Pinsels mit stark verdünnter
Schwefelsäure benetzt. Dadurch verwandelt sich unter Aufbrausen der foine
Ueberzug von kohlensaurem Kalk in einen leichten alle Feuchtigkeit willig
durchlassenden Ue berzug von schwefelsaurem Kalk, also Gips, der übrigens
nicht weiter in Betracht kommt. Ist alle Säure neutralisiert, was sehr bald durch
den im Stuck enthaltenen Zuschlag geschieht und sich durch den Geschmack erkennen
lässt , so zieht der Grund wieder so gut an, als wäre er eben aufgetragen.

Die Vorteile, die dieses Hilfsmittel bietet, sind von grosser Bedeutung, da auf
diese Weise der Anwurf wochenlang feucht genug zur Freskomalerei
bleibt(?), dessen Feuchtigkeit uns aber nicht mehr nützt, sobald sie durch die nur
zu bald entstehende Kalkhaut von unserer Arbeit auf der Oberfläche abgesondert ist.
Bei der gewöhnlichen Freskomalerei, wo der Anwurf viel dünner ist, leistet dieses
Mittel natürlich nur geringe Dienste.

Wenn die besprochene dünne Haut von kohlensaurem Kalk noch sehr fein und
im Entstehen begriffen ist, und die zu bemalende Fläche sehr gross ist, so kann man
dieselbe auch dadurch entfernen, dass man sie unter Benetzung mit Wasser
mittelst der Kelle oder eines Glatt Steines abreibt. Dies ist nicht nach-
teilig für das Werk, sondern je öfter sogar die Haut sich bildet und
durch Reiben wieder zerstört wird, desto schöner und glänzender
wird die Oberfläche. (?)

Nachdem die eigentlichen Malereien vollendet sind, was nicht später als 5 Tage
nach der Glättung des Stuckes der Fall sein sollte, so schreite man zu den einfarbigen
Linien und Verzierungen in reinem Kalkweiss oder solchen Farben, denen viel Kalk
beigemischt wird. Der Pinsel ist stets so voll flüssiger Farbe zu nehmen, dass an
dessen Spitze ein Tropfen hängt; mit diesem Tropfen, kaum mit dem Pinsel selbst,
berühre man die Fläche. Dann wird die Farbe das Ansehen einer glatten
Emaille (?) haben und weit dauerhafter sein, als wenn sie trocken und mager auf-
getragen ist. Anfangs scheint die Schleimigkeit und Transparenz des Kalkes und
der damit gemischten Farben das Decken des Grundes sehr zu erschweren. Sehr
bald jedoch, wenn man den rechten Grad der Flüssigkeit ausprobiert und die passenden
Pinsel aufgefunden hat, geht die Arbeit leicht von statten, Teile des Kalkrahms,
der sich bald auf der Oberfläche der Kalkfarben, auf der Palette oder im Farbentopf
bildet, dürfen durchaus nicht in den Pinsel kommen, da sonst die Linien unrein
werden und die Arbeit aufgehalten wird. Man füllt deshalb den Farbentopf mit
Wasser bis zum Ueberlaufen, wodurch der Rahm sich abhebt und fortgeschwemmt wird.

Ist die Arbeit beendet, so lasse man sie langsam trocknen, und schütze sie
vor den Sonnenstrahlen und vor Staub; denn nach einigen Tagen fängt die
Wand an, so heftig zu schwitzen, dass grosse Wasserperlen darauf
stehen, welche niebt selten herab f Hessen. Wenn dann Staub sich an die
feuchte Wand setzen kann, so werden die Stellen der Perlen und herabgeflossenen
Tropfen mit unauslöschlichen Spuren bezeichnet sein.

Mit dieser Art der Malerei kann man sehr gut die Temperamalerei ver-
binden, indem man die einfarbigen Ornamente al fresko malt und erst, nachdem
der Stuck vollständig trocken ist , die Bilder in Temperamanier aufmalt. Wir haben
gesehen, sagt Wiegmann, dass die Alten es öfter so gemacht haben, und müssen ge-
stehen, dass es manchmal nicht allein passend, sondern sogar notwendig
sein kann. Zu sehr reichen und umfangreichen Malereien würde nämlich der Zeit-
raum , während dessen der Stuck die Farben gehörig anzieht, nicht hinlänglich sein.
Zu häufige Ansätze innerhalb der Gemälde aber sind zu vermeiden, da das Ansehen
darunter leidet.

Wiegmann fügt hinzu: „In solchen Fällen wäre dann die Temperamalerei eine
ganz zweckmässige Aushilfe und dürfte uns um so weniger um die Dauerhaftigkeit
besorgt machen , als die besseren und vom Boden entfernteren Malereien ohnehin
mehr geschont werden, als andere. Aber nicht allein für Temperamalerei ist dieser
Stuck der schönste und dauerhafteste Grund, sondern auch für Oel- und Wachs-
malerei, wenn man diese passend fände». 22 )

2. Mit der Wiegmann’schen Rekonstruktion haben die Angaben zur ^of^LouiB 11
Herstellung des glänzenden pompejanisohen Wandverputzes, der bei
der Erbauung des bekannten Pompejanum in Aschaffenburg zur An-
wendung kam, grosse Aehnliohkeit. Die nachstehenden Mitteilungen sind von

22 ) s. oben p. 68 Wiegmanns Versuche mit Leimfarben auf nassen Stuck zu
malen, und ebd. Anm. das Gutachten über seine in pompejan. Technik ausgeführten
Fresken.

– 298 —

dem an dem Bau beteiligten Prof. Louis für Baurat Harros, den Mitarbeiter
der „Schule der Baukunst» , nach dessen Beobachtungen und Erfahrungen
niedergeschrieben. 23 )

„Die Materialien, welche zur Herstellung des Stueco verwendet werden, sind
Kalk, Sand, Marmorpulver und Wasser. Für farbige Verputze werden dem
letzten Auftrag die nötigen Farben (Metalloxyde und Erdfarben) zugesetzt.

Kalk. Es wird weisser Kalk verwendet, von dessen Güte man sich vorhor
durch Versuche überzeugt hat. Derselbe muss vollkommen gut ausgebrannt sein
und, zu Mörtel angemacht, bald erhärten. Auf das Ablöschen des Kalks ist alle Auf-
merksamkeit zu verwenden. Zu diesem Zwecke wird er mit reinem Wasser in der
Löschvorrichtung so dünn und flüssig abgerührt, dass sich sämtliche Kalkteilchen
möglichst vollkommen ablöschen und das Ganze ein milchähnliches Ansehen gewinnt.
Diese Kalkmilch lässt man durch ein feines Sieb in die zur Aufbewahrung vorbereitete
Kalkgrube laufen. Die Kalkgrube soll sich an einem vor der Sonne geschützten und
feuchten Orte befinden. Der Kalk muss sorgfältig gedeckt und stets feucht gehalten
werden, damit sich der Löschungsprozess in allen Teilen vollendet, was erst nach
Verlauf längerer Zeit erfolgt. Je länger der Kalk im feuchten und von der Luft ab-
geschlossenen Zustande erhalten wird, desto besser eignet er sich für den fraglichen
Verputz.

Der Sand, welcher dem Kalk bei der Mörtelbereitung zugesetzt wird, muss
möglichst grobkörnig und vollkommen tonfrei sein, damit der Mörtel, wenn er einmal
ausgetrocknet und hart geworden ist, keine Feuchtigkeit mehr anzieht. Die Sand-
körnchen haben durchschnittlich einen Durchmesser von 1—2 Millimeter. In Er-
manglung eines grobkörnigen, vollkommen tonfreien Sandes wendet man zerstossone
Steine bester Qualität (tonfreie) an, deren Pulver vermittelst verschiedener Sieb^ in
Körner von gleichförmiger Grösse sortiert wird. Besonders geeignet hierzu ist reiner,
fester Sandstein, Basalt, Fayence und Marmor. Die zerstossenen Steine bilden ein
gleichmässiges, grobkörniges Pulver, dessen Körner ca. I —2 Millimeter lang und
dick sind.

Der Marmor. Wie wir weiter unten sehen werden, wird zu den letzten
Verputzaufträgen anstatt des Sandes zerstossener weisser Marmor von verschiedenem
Korn dem Kalk als Mörtelzusatz beigemischt. Das Zerkleinern des Marmors muss un-
bedingt durch Pochen , Schlagen oder Zerstossen bewirkt werden und darf nicht auf
Steinmühlen durch Vermalen geschehen , weil sonst die einzelneu Körnchen eine
runde, kugelige Gestalt annehmen und sich nicht so gut in kompakter Mörtelmasso
verbinden, als wenn sie scharfkantig und von unregelmässigen Formen sind. Das
Marmormehl, welches bei Flächen, die einen vollkommenen Glasglanz erhalten sollen,
dem letzten Auftrag zugesetzt wird, kann gemahlen werden und muss jedenfalls vor
der Verwendung nochmals auf einem Stein, ähnlich wie man die Farben reibt, ab-
gerieben werden, um sicher zu sein, dass es keine Körnchen mehr enthält, welche
später beim Glätten des Verputzes Kritze in die Fläche veranlassen würden. — Die
Körner des zerstossenen Marmois sollen durchschnittlich ‘/- Millimeter stark sein:
das Marmormehl muss sich ganz zart anfühlen und darf beim Anfühlen keine
Körner erkennen lassen.

Das Wasser, welches zum Anmachen des Verputzmörtels verwendet wird,
soll reines, klares Regenwasser sein. Die geringste Beimengung von Salzen, Ton etc.
ist für die Dauor des Verputzes nachteilig.

Mischung des Mörtels. Das Verhältnis des Kalks zu dem Sand und dem
Marmorpulver kann im allgemeinen nicht mit Bestimmtheit angegeben werden, indem
dies von der Qualität des Kalkes, welche sehr verschieden sein kann, abhängt. Ist
der Kalk sehr fett, so verträgt er 3— 4 1 /« Teile Zusatz; ist er mager nur 2— 2 1 /* Teile.
Dem Kalk wird beim Anmachen des Mörtels so viel Wasser zugesetzt, als erforderlich
ist. denselben zu einor Anstreichfarbo zu verdünnen, um solche mit dem Pinsel auf-
zutragen; er muss hiernach die Beschaffenheit einer nicht zu wässerigen Kalkmilch
haben. Zu dieser Kalkmilch wird dann nach und nach so viel Sand oder Marmor-
korn beigemischt und gewaltsam damit gemengt und geknetet, dass sämtliche Ober-
flächen der beigemengten Körnchen mit Kalkmilch umgeben sind und somit alle
Körnchen sich nicht unmittelbar berühren. War die Kalkmilch zu dick, so kommt
zuviel Kalk zwischen die sich berührenden Flächen der Sand- oder Marmorkörner,
und der Verputz wird dann weniger fest und braucht auch längere Zeit zu seiner
Erhärtung. War dagegen die Kalkmilch zu dünn und w 7 ässerig, so kommt zu wenig
Kalk oder Bindungsmittel zwischen die Körnchen, und dieselben vereinigen sich dann
nicht zu einer dauerhaften Masse.

Anf er tigung d es glänzenden Wand Verputzes. Die Mauer, auf welcher
der Verputz angebracht werden soll, muss 1. aus vollkommen gutem Material aus-
geführt sein; 2. soll sich diese Mauer an einem trockenen Orte befinden und keine

23 ) Abgedruckt b. Fink p. 166 ff. Obwohl darin vielfache Wiederholungen des
bereits früher gesagten enthalten, glaube ich dennoch diese Abhandlung vollständig
wiedergeben zu müssen. 1. um den Zusammenhang zu wahren, u. 2. weil die lang-
jährigen Erfahrungen von Fachleuten stets von grossem Werte sind.

OOQ

Feuchtigkeit aus dem Fundamente aufziehen; 3. soll die Mauer schon längere Zeil
stehen und sieh vollkommen gesetzt haben, denn bei der geringsten Senkung der Mauer
würden sieh sofort Haarrisse auf der Glanzfiäche des Verputzes zeigen: 4. miiss der
Mauerkern vollkommen ausgetrocknet sein: 5. muss die Mauerfläohe vor dem Auftrag
des Mörtels gerauht, d. h. mit der Zweispitze überspitzt worden, damit sie rauh wird
und somit der Anwarf leichter und fester auf ihr haftet.

Wenn die Mauer für den Mörtelbewurf so vorbereitet ist, wird dieselbe, wie os
bei jedem Verputz üblich ist , zunächst mit reinem Wasser angenetzt . und zwar so
lange als die Mauer das Wasser anzieht und aufnimmt. Hiernach wird der grob-
körnige Mörtel mit aller Kraft mittels der Mauerkelle angeworfen . so dass sich der
Mörtel in die offenen Mauerfugen und sonstigen Vertiefungen kompakt einwirft. Man
beachte hierbei, dass der Mörtel möglichst gleiohmässig , ungefähr 3 -4 Linien dick.
über die ganze Mauerfläche aufgetragen wird. Ist die Mauerfläche in dieser Weise
überwerfen, so wird dieselbe mittols eines kleinen, stumpf abgestutzten Reiserbesens
ziemlich kräftig gestupft oder aufgestampft, wodurch sich der Mörtel möglichst dicht
in die Vertiefungen und Mauerfugen eintreibt, und die einzelnen Sandkörnchen des
Mörtels sich dichter und fester nebeneinander legen. Das Stupfen mit dem Besen
hat forner >,]ei Zweck, die heworfene Fläche gleiohmässig rauh zu machen, damit der
folgende Bewurf leichter und fester darauf haftet.

Hat der eben beschriebene erste Mörtelauftrag mehrere Tage an der Luft ge-
trocknet und ist fest geworden, so wird der zweite Auftrag, mit Mörtel aus grobem
Marmorkorn, ganz auf dieselhe Weise gegeben. Nach dem Abstupfen mit dem Besen
wird aber die hierdurch rauh gewordene Oberfläche des Bewurfes mittelst der Reib-
scheibe geebnet, und die Masse dadurch auch mehr und mehr kompakter in einander
verarbeitet. Bei dieser Art muss Sorge getragen werden, dass die ganze Wand-
fläche genau nach allen Richtungen nach dem Richtscheit geebnet wird, weil dio
nachfolgenden Aufträge mit einem feineren Korn und so dünn geschehen, dass grössere
Unebenheiten nicht mehr wohl ausgeglichen werden können.

Ist dieser Auftrag trocken und hart, so wird die Fläche mit reinem Wasser
angenetzt, und es folgt nun der dritte Auftrag. Derselbe besteht aus einem Mörtel
von feinerem Marmorkorn und wird mittels einer grossen Reibscheibe, liniendick
aufgestrichen, geebnet und aufgerieben. Die Stelle, welche man aufreibt, wird hierbei
öfters, mittels eines Pinsels, mit reinem Wasser angefeuchtet. Die Bewegung der
Reibescheibe erfolgt in einer fortschreitenden kreisförmigen Linie, wodurch der
Mörtel nicht von seiner Stelle verschoben und eine vollkommnere Ehene erlangt wird.

Hat dieser dritte, oder vielleicht auch der vierte, Auftrag einigermassen an-
gezogen, was wegen seiner dünnen Beschaffenheit in kurzer Frist erfolgt, so wird
der letzte aus Marmormehl gemischte Auftrag mittels der Reibescheibe ein bis zwei
Kartenblatt dick aufgestrichen und vollkommen eben gerieben. Zu diesem Auftrag
und dem ferneren Ein- und Aufreiben bedient man sich kleiner Reibescheiben von
Holz (Reihebrettchen mit stark abgefassten Kanten , 4 Zoll lang und bei 4 Linien
Dicke 2 1 /» Zoll breit).

Hat auch dieser feine Auftrag: angezogen, so wird zum Glätten desselben ge-
schritten, wobei vor allem erforderlich ist. dass man den Auftrag nicht hat zu trocken
werden lassen, weil sonst der gewünschte Glanz nicht erreicht wird. Das Glätten
erfolgt mittelst eigens hierzu geschliffener Gläser von ca. 6 Quadratzoll Fläche, mit
einem hölzernen Handgriff versehen, der auf die Glasplatte aufgekittet ist. Die Glas-
platte ist 4 Zoll lang und 1’/ü Zoll breit, in der Mitte 2 Linien dick und nach allen
4 Seiten (Kanten) abgerundet, so dass sie im Querschnitt eine schwach gekrümmte
Linie zeigt. Hat der Auftrag noch Feuchtigkeit genug, so dass er, während man
mit dem Glättglas die Fläche mit massigem Druck in gerader Richtung überfahrt,
sich nicht zusammenschiebt, so fährt man mit dem Glätten in der Art fort, dass man
einen Strich oder Streif mit dem Glättglas dicht neben dem anderen anreiht. Hier-
durch wird die Fläche allmählich zwar glatt, eben und glänzend, aber auch streifig und
bildet noch keine reine Glanzfiäche. Bei der Fortsetzung des Glättens bedient man
sich sodann des Netzpinsels. Derselbe ist ein ganz flacher langhaariger Borstenpinsel
von 1 ‘/ä Zoll Breite und 2 Zoll Länge in Blechfassung. Man nimmt denselben in die
linke Hand und feuchtet ihn spärlich mit reinem Wasser an, während man das Glätt-
glas mit der rechten Hand führt. Wird dieses rechtzeitige Anfeuchten versäumt, so
gleitet das Glättglas nicht über den Auftrag hinweg und es entstehen matte, raube
Streifen, welche nur schwer wieder zu beseitigen sind.

Während des Glättens wechselt man mit dem Glättglas nach Umständen in der
Längs- und Querrichtung oder im Diagonal die Richtung des Strichs, damit sich die
Striche mehr oder weniger kreuzen und desto leichter eine reine, egale Glanzfläche
bilden. Bemerkt man , dass sich wärend des Glättens eine feine schmierige Masse
zeigt, so muss dieselbe alsbald mit einem zarten, weichen Waschleder abgeputzt werden,
was den egalen Glanz der Fläche sowie die egale Färbung farbiger Wände besonders
befördert.

Soll eine Verputzfläche farbig gemacht werden , so setzt man die Farben dem
letzten Mörtelauftrag zu. Die Farben sind dieselhen , wie sie zur Freskomalerei
angewendet werden, nämlich Metalloxyde und Erdfarben. Sämtliche Farben müssen
vollkommen fein mit Wasser abgerieben und stets vor Staub und sonstigen l’n-

— 300 —

reinlichkeiten geschützt aufbewahrt werden. Ist eine abgeriebene Farbe vor der
Verwendung wieder aufgetrocknet , so muss dieselbe mehrere Stunden vor dem Ge-
brauch in Wasser eingeweicht und frisch aufgerieben werden.»

Mit welchen Bindemitteln auf diesen Stuckmörtel weiter gemalt werden
soll , ist aus der Anweisung nicht zu ersehen. Einer Mitteilung des beim
Pompejanum tätig gewesenen kgl. bayer. Hofmalers Schultze zufolge wurde
dort die Pernbach’sche Enkaustik mit Wachs, Balsam, Terpentin unter Bei-
gabe von gelöstem Kautschuk angewendet. Das Verfahren hat sich dort nicht
bewährt, denn es ist nur unter fortgesetzten Reparaturen möglich, den Bau
in leidlichem Zustand zu erhalten.
Schwierig- W as das Auftragen der Farben auf die oben bezeichnete Art be-

des Farben- trifft, so bemerkt Schaf hau tl 24 ) : „Das Auftragen von Farben auf den ge-
ebneten, obwohl noch nassen Grund hat grosse Schwierigkeiten. Trägt man
die Farbe mit Wasser angerieben auf, so macht sie entweder den bereits ge-
glätteten Grund so flüssig, dass eine Politur unmöglich ist, oder der Kalk
des Grundes vermischt sich mit der Farbe und macht sie lichter und un-
scheinbar. Deshalb ist es am besten die feingeriebenen Farben mittels Baum-
wolle trocken (?) aufzutragen und dann die gefärbte Oberfläche zu glätten.
Auch hier darf man, wenn die Stelle fleckig wird, nicht mit Wasser nachhelfen,
oder nur höchst vorsichtig, denn sonst reibt sich die Farbe während des
Glättens nur allzuleicht von der benetzten Fläche w r eg und es erscheint der
weisse Untergrund , auf welchem die trockene Farbe auch schwer haftet.
Selbst wenn man die Oberfläche färbt, ehe man sie poliert, wie dies
beim Stucco der Römer fast immer der Fall war, trägt man die Farbe am
besten in Pulverform mittels Baumwolle oder dgl. auf; denn rührt
man die Farbe mit Wasser an, so reicht das Wasser der Farbe hin, die Ober-
fläche wieder flüssiger zu machen und sie am Erstarren zu verhindern. Zum
Glätten, das erst beginnen darf, wenn der Stucco im Anziehen begriffen ist,
bedient man sich nach Plinius (?) glatter Steine mit etwas gewölbter Ober-
fläche, da beim Glätten nur ein kleiner Teil der geglätteten Steinoberfläche
wirken darf, denn eine ebenso glatte Oberfläche saugt sich sehr rasch am
Steine fest, so dass man sie nicht mehr verschieben kann, ohne den Stucco
zu zerreissen. Die polierte Fläche beginnt nach dem Anziehen in einigen
Tagen zu schwitzen, wenn man den Stucco nicht zuvor festgearbeitet oder
geschlagen hat, indem sich ein leichter Tau von Kalkwasser ausscheidet und
auf die Oberfläche legt, der vorsichtig weggewischt werden muss, ehe er auf-
trocknet und die polierten Flächen mit einer Kalkkruste überzieht.»

Nach diesen verschiedenen Angaben wird man schliessen, wie grosse
Mühe sich die Obengenannten gegeben haben, um die antike Technik wieder-
zufinden, aber der Erfolg zeigt auch, dass die Mühe vergebens war; durch
Versuche kann dies leicht festgestellt werden. Schon das Auftragen der
Farben auf den Grund lässt sich auf obige Art nicht ausführen, am wenigsten
in trockenem Zustand mit Baumwolle; dies wäre ein so umständliches und so
wenig „handwerksinässiges» Verfahren, dass es von den praktischen Alten ge-
wiss nicht gekannt war. Sehr bedenklich ist das von Wiegmann und Sohaf-
häutel bemerkte Schwitzen der Fläche nach einigen Tagen! Dadurch würde
die eventuell auf noch nassen Grund aufgemalte Dekoration vollkommen ver-
dorben werden , auch wenn es möglich wäre, die Wassertropfen schnellstens
zu entfernen ; denn dieses Wasser enthält gelösten Kalk und dieser würde
sich mit den Farben verbinden und sie fleckig machen.
Schafhäuti. Schafhäutl hat es selbst eingesehen, dass auf Stuccogrund, der so

geglättet würde, sich nicht a fresko weiter malen lasse, und bemerkt (s. Fink
p. 173) darüber: „Da der geglättete Grund sich nur schwer befeuchten
lässt, so würde sich mit blossen Wasserfarben in der kecken, kräftigen Weise
der Alten gar nicht malen lassen. Man muss sie deshalb mit einem ätheri-
schen Oele, etwa Spiköl, oder einem zähen Firnisse (1) anmachen; ge-

4 ) Vgl. Dingler’s polyt. Journal Bd. 122 S. 289 (s. Fink p. 172).

— 301 —

wohnlich gebrauchten die Alten beim Russ eine Art Gummi und Leim. –
Indessen auch mit Kalk angemaoht halten die Farben nie so fest auf dem
gefärbten Grunde , als die Farbe des Grundes selbst auf dem noch nassen
Mörtel.» Schafhäutl fand, dass in Pompeji sich einige Farben mit Wasser
aufweichen Hessen; Winckelmann hätte mehrere Gemälde von den polierten
Wänden abgewaschen. So sehen wir sogar Schafhäutl, den Verfechter der
Freskotechnik bei den Alten, klein beigeben und auf die Seite der Tempera-
maler und selbst der Enkausfen neuerer Methode treten I

3. Wenig bekannt sind die Versuche des Italieners Giocondo Viglioli. versuche
In einer kleinen Schrift, betitelt: Lettera del Professore Giocondo Viglioli al
chiariss. Sig. cav. Prof. Michele Leoni, Segretario della R. Accad. di belle
Arti in Parma (Parma 1848), spricht der Autor von Versuchen, die er ge-
macht hat, um die antike Art des Intonaco und Fresko wiederzufinden.
Von den Angaben Vitruv’s ausgehend kommt er zu dem Schluss, dass das
Tectorium ausser dem Kalk, Sand und Marmorstuck noch aus anderen Sub-
stanzen bestand, und begründet dies mit der sonst nicht verständlichen
Stelle von dem Kalk, der „alle Dinge an sich zieht und durch Vermischung
mit den von anderen Stoffen beigebrachten Bestandteilen oder Elementen
zu einem festen Körper erhärtet.» Da Vitruv diese „anderen Stoffe und
Elemente» nicht näher bezeichne, so sei anzunehmen, dass er die Beigaben
entweder als bekannt voraussetzte oder absichtlich verschwieg.

In welcher Weise Viglioli die antike Freskotechnik wieder herstellen
wollte, ist aus seinen Ausführungen nicht erkennbar; nur p. 5 (Note) sagt
er: „Jo ho ottenuto im ottimo resultato sciogliendo la cera insieme col
mastice nell’ alcali ; le quali sostanze, allungate coli’ acqua e unite ai colori,
producono una pittura che presenta tutti i caratteri dell 1 affresco per essere
molto transparento e di toni vigorosi» 25 ), es geht aber daraus nicht hervor,
ob er diese Mischung a fresco oder aufs trockene auftrug. Sein erster grösserer
Versuch bestand in einer Malerei an der Fassade der Chiesa del Quartiere
(Parma) in einer Ausdehnung von 9 Ellen Breite zu 6 Ellen Höhe. Die Fi-
guren waren fast in doppelter Lebensgrösse. Doch scheint ihm das Auftragen
des Intonaco Schwierigkeiten bereitet zu haben. Bei seiner Methode sollten
auch alle von Vitruv beschriebenen Farben für Wandmalerei tauglich sein,
vorausgesetzt dass sie rein und unverfälscht gebraucht würden.

In einer späteren Schrift 20 ) kommt Viglioli genauer auf seine Methode
zurück. Wieder geht er von derselben Idee aus, dass Vitruv eine gewisse
Zusammensetzung des Intonaco gemeint habe, wenn er sagt: „colla mescolanza
de’ semi raecolti da prineipi elementari tra loro disparati etc.», und versucht
zu beweisen, dass Vitruv unter „marmorato» nicht Marmor (kohlensauren Kalk),
sondern Quarz oder Kiesel verstanden habe; nur in Fällen, wo solcher nicht
zu erreichen gewesen sei, habe man Marmor gebraucht (Vitr. Lib. VII cap. 6),
und tatsächlich habe er bei seinen Untersuchungen viele antike Bewürfe aus
Kalk und Kieselerde bestehend gefunden.

Von einem Stücke eines Bewurfes aus Herkulanum sagt er , dass die
letzte Schicht des Marmoratum mit einer rotfarbigen Flüssigkeit (tinta
rossastra) hergestellt worden sein müsse, die auch gleichzeitig geeignet wäre,
die ätzende Wirkung des Kalkes auf die organischen und animalischen Farben
zu verhindern. Auch darauf scheint er Gewicht zu legen , dass erst durch
die Zumischung neuer Elemente die Festigkeit des Stucco entstehe, da
Vitruv noch hinzufüge: „formandosi un corpo solo (cioe, lo stucco), nel
seccarsi egli si riduce in maniera di ritenere tutte le qualitä della sua specie ;

25 ) In deutscher Uebersetzung: „Ich erhielt das beste Resultat durch Lösung von
Wachs und Mastix in Alkali ; diese Substanzen ergeben, mit Wasser verdünnt und dem
Farbenpulver beigegeben, eine Malerei, welche ganz den Charakter von Fresko hat
und sehr durchsichtig und von kräftiger Tonfülle ist.

26 ) Del Modo di Dipingere a Fresco sull’ intonaco Greco-Romano. Parole
dirette al Cav. Caimi Dottar Giulio del Prof. Giocondo Viglioli, Pittore e scultore
giä maestro d’Anatomia nella Reggia Accademia di Belli Arti in Parma (Parma 1885).

— 3Ö£ —

perche la calce perduto il suo umore nella fornace etc.», woraus er schliesst:
das Kalkkarbonat sei in ein Sulfat verwandelt!?). Danach begann Viglioli allerlei
zu versuchen, u. zw. zuerst den Kalk in gesättigtem Salzwasser zu lösen oder
zu löschen (scioglere la calcina con acqua satura di sali), ohne aber günstige
Resultate zu erzielen. Auf einem Intonaco von Kalk und reinem Quarz liess
sich zwar gut al fresco malen , aber nur mit tonhaltigen Erdfarben (colori
minerali argillosi). Ausserdem benutzte er die Anweisung des Plinius (XXIX.
51) zu einem Kitt für zerbrochene Vasen und Geschirre, bestehend aus Eiklar
und Kalkstaub (albume d’uovo stemperato con fior di calcina), oder aus dem
gleichen Kalkstaub mit Wein gemisoht (fiore di calce con vino), und ver-
suchte es nunmehr mit Wein und anderen alkoholischen Flüssigkeiten , bis
er zum Weinessig (aceto di vino) gelangte, durch den es ihm möglich schien,
die zur festeren Bindung des Stucco wünschenswerte Menge von Kohlensäure
zu vergrössern (?) und den ätzenden Kalk zu neutralisieren. Mit dieser Flüssig-
keit glaubte er jetzt endlich die von Vitruv angedeuteten „principi elemen-
tari» gefunden zu haben.

Für die unteren beiden Lagen nahm er den weissesten Kalk (Travertin
oder Veroneser Kalk, wie er in den Flüssen gefunden wird) nebst Kiesel
(Quarz), für die letzte Stucklage aber nur die reinsten Brocken von gebranntem
Kalk (le piü pure zolle di calcina), tränkte sie mit Wasser und sobald sie zu
Pulver zerfallen waren, mengte er sie vor dem völligen Erkalten mit reinem
und farblosem Essig (aceto limpido ed incolore). Der Kalk wurde dadurch wie
eine Paste, und mit hölzerner Spatel im Mörser zu einer Art sehr feiner Kitt-
masse (glutine tenacissimo) verarbeitet. In diesem Zustande liess er sich
längere Zeit in geschlossenen Gefässen aufbewahren.

Nach Vitruv’s Angaben bereitete Viglioli dann den Bewurf aus Quarz
(gestossen, in verschiedenen Siebungen angewandt) und Kalk, u. zw. 2 Teile
Quarz und 3 Teile Kalk, machte mit Richtscheit und Winkel die Lagen und
ebnete mit dem Holzschläger (battuto con mazzuolo di legno) die vorletzte
Schicht, die, mit Einteilungen für die weitere Arbeit versehen, dann die
letzte Schicht erhalten sollte. Die oberste Schicht des Marmorato (i. e. Silicato)
trug er mit der Kelle auf, glättete aber nicht mit dieser, weil der Stucco
durch das Eisen verdorben würde , sondern mit einem besonderen zylin-
drisch geschliffenem Glättinstrument aus weissem Marmor oder Glas, das
wie ein Walkholz beiderseitig mit eisernen Zapfen drehbar befestigt war.

Auf dem so hergestellten Stucco versuchte Viglioli zunächst aquarell-
artig zu malen, fand es ‘aber nötig, um bei figürlichen Malereien die Farben
besser zu impastieren , eine leimige Substanz (glutine) zu verwenden, die mit
dem Stucco homogene Eigenschaft besitze. Er stellte sich die Frage, ob die
von Plinius und Vitruv für die Farbenmischung bei der Tafelmalerei an-
gegebenen Bindemittel Leim und Gummi (Sarcocolla) auch für Wandfresko
anwendbar seien, und kam zu dem Ergebnis, dass unter den animal. Leimen
seinen Versuchen nach das Eiklar am meisten Verwandtschaft mit dem Kalke
besitze (l’albume d’uovo ha maggiore affinitä colle qualitä della calcina).

Bei der Arbeitsführung ging Viglioli so zu Werke, dass er die mit den
einzelnen Lagen bereitete Wand (je nach dem zu bemalenden Teilstück gleicher
Grundfarbe) mit Hilfe des zylindrischen Glätters glättete (si preme , si lustra
uniformamente) und dann die Grundfarbe, mit dem oben erwähnten Eiklar-
bindemittel aufs feinste angerieben , überstrich. Darauf trug er die Pause
mittels Staubbeutels auf und sicherte die Kontur durch Nachgehen mit einer
eisernen Pfrieme oder durch Nachmalen mit dem Pinsel in der durch den
Gegenstand bedingten Farbe.

(Auf Stucco, der im Freien zu stehen hat, sollte mit flüssiger Farbe und
mehr lasierend gemalt werden, aber alle „trockenen» Farben sollten auch mit
,, glutine» gemischt sein.)

Für mehr durchgeführte Malerei würden die Farben stets mit dem
gleichen Mittel d. i. gut geschlagenem Eiklar, Kalk w asser unter Zugabe
von etwas Glvcerin dick angerieben. So könnten sie in Zinntuben ver-

— 803 —

schlössen lange erhalten und. wenn man sieh ihrer bediene, auf der Glas-
tafel vermischt weiden, wie man es bei Tempera oder Aquarell gewohnt
sei. Zwei Behältnisse dienen nooh dazu, u. zw. eines mit Wasser zum Reinigen
der Pinsel (oder nasser Schwamm), das zweite mit nicht zu dickem (non tanto
denso) Bindemittel (Eiklar mit Kalkwasser) zum Anmischen der Töne. Bei
rotem Lack soll zu diesem noch Zitronensaft (succo di liraone) beigegeben
und als Weiss das in der Art des Paraetonium 27 ) genannte gebraucht
werden.

Für Seccom alere i auf gleichem Wandstuck bediente sich Viglioli
verschiedener Methoden, sowohl in Tempera als auch mit Oel und Wachs, das
letztere auf zwei Arten gelöst, nämlich in trocknendem Oele oder mit Alkali.
Bei der ersten Art nahm er auf 1 Pfund gekochtes Oel (Nuss- oder
Leinöl) 8 Unzen weisses Wachs. 2 Unzen Mastixharz (alles am Feuer
gelöst), und mischte die Farben damit, an. Die Wand sollte vor dem
Grundieren mit Glutpfannen erwärmt werden; damit die Masse besser ein-
dringen könne, wurde etwas Terpentinöl beigegeben. Die zweite Art
bestand in der Lösung von Wachs in Pottasche, u. zw. auf folgende Art:
Auf je ‘/b Pfund im Sandbad geschmolzenes Wachs werden 3 Unzen
gestossenes Mastixharz gegeben und gleichzeitig in heissem Wachs auf-
gelöst; sobald die Lösung geschehen, schüttet man gut gesättigte Pot t-
aschenlauge kochend heiss hinzu und lässt die erfolgte Lösung erkalten.
Dann scheidet man die Lauge von dem Wachs und Mastix und verdünnt
die leimartige Masse mit Wasser, um die Stuckschicht damit zu grun-
dieren, wie bei der ersten Art. Auf diesen Grund kann man mit Oelfarben
wie auf Leinwand malen, nur ist es angezeigt, die Farben flüssig zu halten,
weil das Einsaugen sich von selbst vollzieht.

Zur Temperamal er ei auf Mauern seien manche Mittel geeignet, am
besten jedoch diejenigen, welche nach dem Trocknen dem Abwaschen Wider-
stand leisten, und diese seien: der Käseleim (auch colla di fiaschetta genannt),
das Eiweiss , und der in Alkohol gelöste Mehlkleister (glutine di farina di
frumento sciolto coli’ alcool). Den von Plinius besonders gerühmten Leim von
Stieren hatte Viglioli keine Gelegenheit zu versuchen.

– 1 ) Die im Museum zu Neapel befindlichen, mit dem Stempel des Fabrikanten
versehenen Stücke weisser Farbe hält Viglioli für das Paraetonium der Alten. Nach
seiner Uutersnchnng bestand dieses Weiss aus gebraunten Austeruseiialen und sehr
weisser Tonerde. Die klebende Eigenschaft käme on der seifenartigen Natur der
Tonerde her.

304

Anhang VI.

Kollektion meiner Versuche zur Rekonstruktion der Mal-
technik des Altertums.

I„ Alt-ägyptische Malerei.

Restitution nach den chemischen Untersuchungen von John, Geiger,
Merimee und anderen. Die Grundierung wurde aus Gips und Kreide mit
Leim angemacht, als Bindemittel diente Eigelb, Gummi oder Honig.

1. Mumiensargdeckel. (Original im Wiener Hofmuseum.) Die Holz-
tafel ist mit Leinwand überklebt und darauf der Grund aufgetragen.

2. Teil eines Mumien sarges. (Original im Münchener Antiquarium.)
Eitempera.

3. Detail eines Mumiensarges. (Original derselben Sammlung.) Die
Ornamonte sind teilweise mit Gips plastisch erhöht.

4. Oberteil einer ägyptischen Grabtafel. Spätere Zeit. (Orig. im
Wiener Hofmuseum.) Das Holzbrett ist mit Gips grundiert und mit
Wachsüberzug versehen, die Farben sind mit Ei temperiert und
geglättet.

5. Malerei auf vergipster Leinwand. Eitempera und Firnisüberzug.

6. Teil eines Mumien Sargdeckels aus kaschierter Leinwand her-
gestellt, mit reliefartig ausgeschnittenen Figuren. Gipsgrund und
Eitempera bemalt. Firnisüberzug.

7. Malerei auf vergipster Leinwand mit Vergoldung. (Orig. im
Dresdner Antiquarium.) Teils Ei-, teils Honigtempera. Nicht ge-
firnist.

II. Griechische und Römische Malerei.

Restitution nach den Quellenschriften des Plinius, Vitruv, Dioskorides u. a.,
den Funden von St. Mddard-des-Pres, den graeco-ägyptischen Mumienporträts,
chemischen Untersuchungen von Chevreul, Geiger und Buchner, sowie eigenen
Beobachtungen und Versuchen.

A. Zur Charakteristik der ältesten Zeit.

8. Archaisches Vasenbild (alter Stil). Amazonenkampf (Orig. in
der Münchner Vasensammlung). Die Figuren sind in schwarzer
Silhouette auf hellem Grund gemalt, die Zeichnung eingeritzt, die
weisse und rote Farbe nachträglich aufgetragen.

9. Vasengemälde des strengen Stils. Musikunterricht. (Orig.
wie oben.) Die Figuren sind auf schwarzem Grund ausgespart, an-
dere Farben sind selten und wenig (bei Kränzen oder Bändern) an-
gewendet.

— 305 –

10. Vasengemälde der Spätzeit (sog. reicher, malerischer Stil). De-
tail einer * Darstellung auf Nr. 810 der Münchner Vasensammlung.

Die Zeichnung ist schwarz auf rotem Ton, die weisse, gelbe und
violett rote Farbe reich zur Belebung der Komposition verwendet.

11. Teil eines Frieses aus einer Grabkammer zu Ruvo. Orig. im
Museum von Neapel. Die Zeichnung gleicht im Charakter derjenigen
auf Vasengemälden. Die Konturen sind schwarz gezogen ; die Karben
sind in einfachen Lokaltönen ohne Modellierung aufgetragen (Mono-
chrom maierei).

(Nr. 8 — 11 sind nicht in der Technik der Originale ausgeführt.)

B. Tempera und Enkaustik (Technik d. Mumienporträts).

12. Eitempera mit den 4 Farben des Plinius (XXXV, 50).

13. Eitempera mit Eiklar gefirnist.

14. Tempera-Porträt ägypt. Provenienz. Orig. im archäolog. Museum
zu Florenz.

15. Enkaustik nach den Restitutionen des Grafen Caylus (1757 3. Art),
auf Wachsunterlage mit Gummifarben gemalt und dann „eingebrannt».

16. Cauterium-Enkaustik nach Plinius. Nach dem Orig. der Grafi-
schen Porträtgalerie. Die Wachsfarben sind in heissem Zustande
mit dem Cauterium aufgetragen und mit dem erhitzten, verdickten
Ende desselben verarbeitet worden.

17. Enkaustik der dritten Art nach Plinius (Pinselenkaustik).

18. Technik der Grafschen Porträts. Die Anlage mit heissflüssigen
Wachsfarben und dem Pinsel, die Vollendung mit Hilfe des Gauteriums.

19. Enkaustik ähnlicher Art, auf Schiefer gemalt. (Die Muse von
Cortona sowie ein Cleopatrabildnis aus der Villa des Hadrian bei
Tivoli sind auf Schiefer gemalt.

20. Enkaustik aus byzantin. Zeit, VIII. Jht. Orig. im Museum der
geistlichen Akademie zu Kiew.

21. Tempera von punischem Wachs, Kreide-Grundierung, ungefirnist.

22. Gleiche Tempera (Punische Wachstempera), ohne Grundierung, ge-
firnist mit Wachs und Harz, heiss verwendet.

C. Wandmalerei in Griechenland und Rom.

a) Aeltere Versuche zur Rekonstruktion der antiken Stuckmalerei.
Die Grundfarben sind mit der letzten, in der Masse gefärbten Stuckschicht
aufgetragen. Für Ornamente und Malerei ist das Farbpulver mit punischem
Wachs als Bindemittel verwendet und hernach die gemalten Stellen „bis zum
Schwitzen» erwärmt und das ganze in der Art der „Ganosis» geglättet.

23. Ornamentale Verzierungen nach pompejan. Muster.

24. Fischstilleben. Orig. im Neapeler Museum.

25. Verkäuferin von Liebesgöttern, nach einem pompej. Gemälde.

26. Faun und Nymphe ; auf blau gefärbtem Stuckgrund mit Wachstempera
(pun. Wachs mit Ei) gemalt.

27. Arkadia und Faun. Detail nach einem herkulanischen Wandgemälde

im Neapeler Museum.

b) Neue Versuche.

Die Grundfarben sind teils mit der letzten, in der Masse gefärbten
Stuckschicht aufgetragen oder in verschiedener Art aufgemalt. Die Ornamente
und Bilder sind entweder auf die geglättete Unterlage mit Tempera (Ei, Leim
oder Case’i’n) aufgemalt oder in Stuccolustro Manier gemalt und geglättet.
Schlussoperation wie oben : Ueberzug mit punischem Wachs (Ganosis).

28. Verkleinerte Darstellung einer einfachen Wanddekoration.

29. Darstellung der Schichten und des in der Masse gefärbten und ge-
glätteten Auftrages.

30. Maske auf blauem geglätteten Grund. Ei-Tempera.

20

— 306 —

31. Blumenguirlande. Leimtempera auf dunkelrotem geglätteten Grund.

32. Weibliche Figur auf weissem Grund. Geglättete- Tempera.

33. Tänzerin auf schwarzem Stuckgrund. Reine Stuccoluslro-Technik.

34. Verkleinerte Darstellung einer Wanddekoration aus dem Hause der
Livia. Stuccolustro und geglättete Tempera.

35. Entwurf einer Wanddekoration in modernem Stil. In der Masse ge-
färbter Stuck, Malerei und Glättung in Stuccolustromanier.

36. Arkadia und Faun, Detail nach einem herkulanischen Wandgemälde
im Neapeler Museum. Gemischte Manier.

Nachträge.

37. Malerei auf Marmor (Circumlitio). Orig. im Berliner Museum.

38. Dekoration auf Ziegel (farbiger Stuck), nach den Funden von Caere.
Orig. wie oben.

39. Malerei spät.-röm. Zeit auf Leinwand mit reicher Vergoldung. Nach
einer Mumienhülle des ägypt. Museums in Berlin. (Eiklar-Alaun-
tempera auf ungrundierter Leinwand.)

40. Porträt der Aline. Orig. im selben Museum. (Untermalung mit Wachs-
tempera , Uebermalung mit enkaustischer Wachsfarbe , heiss ver-
wendet, Leinwand.)

307 —

Anhang VII.

Litteratur.

1. Malerei des Altertums im Allgemeinen und Technik der

Wandmale rei.

Winkelmann, Geschichte der Kunst des Altertums, VII. B. 4. Kap. (Werke V,

149 ff)
Rode und Riem, Ueber die Malerei der Alten, Berlin 1(87.
A. Hirth, Deutsche Abhandlungen der kgl. Akademie z. Berlin f. 1798 — 1803,

S. 209.
J. J. Grund, Die Malerei der Griechen, Dresden 1810 und 1811, 2 Bände.
C. A. Böttiger, Ideen zur Archäolog. d. Malerei, Dresden 1811, T. I, S. 133 ff.
L et rönne, Lettres d’un antiquaire ä un artiste, Paris 1835.
J. F. John, Die Malerei der Alten, Berlin 1836.
R. Wieg mann, Die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik,

Hannover 1836.
K. 0. Müller, Handbuch der Archäologie der Kunst, Berlin 1835.
Raoul-Rochette, De la peinture sur mur chez les anciens. Journal des

Savants, Paris 1833.
J. J. Hittorff, Restitution du temple d’Empedocle ä Selinonte ou l’Architec-

ture polychrome chez les Grecs, Paris 1851.
H. Brunn, Geschichte der griech. Künstler, 2 Bände, Braunschweig und

Stuttgart 1853 — 59.
0. Donner, Die erhaltenen antiken Wandmalereien in technischer Beziehung.

Einleitung zu Helbigs Wandgemälden der vom Vesuv verschütteten

Städte Campaniens, Leipzig 1869. (Sep.-Abdr.)
Presuhn, Die Pompejanischen Wanddekorationen, Leipzig 1882.
Mau, Geschichte der dekor. Wandmalerei in Pompeji, Berlin 1882.
H. Blümner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste der

Griechen und Römer, IV. p. 414 ff. Leipzig 1886.
P. Girard, La Peinture antique, Paris 1892.

2. Enkaustik.

Caylus in den Memoires de l’Acad. des Inscriptions. Paris 1755, T. XXVIII.
Requeno, Saggi sul ristabilimento dell’ antica arte, Napoli 1784; 2. ed.

Parma 1787.
Montabert, Traitö complet de la peinture, T. III, Paris 1829.
Welcker, in der Hall. Litter .-Ztg. für 1836, Oktober, S. 149 ff.; s. kleine

Schriften III, 412 ff.
F. Knirim, Die Harzmalerei der Alten etc., Leipzig 1839.

20*

— 3US —

F. Knirim, Die endlich entdeckte wahre Maltechnik des klassischen Altertums

und des Mittelalters, sowie die neuerfundene Baisaniwachsmalerei etc.,
nebst einer vollständigen Lösung des Problems der alten Enkaustik
und der angeblich alten Freskomalerei. Leipzig 1845.

v. K lenze, Aphoristische Bemerkungen auf einer Reise nach Griechenland,
Berlin 1838.

Cartier in der Revue archeol. II, 278; 865; 437.

H. Cr os et Ch. Henry, L’encaustique, Paris 1884.

0. Donner-von Richter, Ueber Technisches in der Malerei der Alten, ins-
besondere in deren Enkaustik (Sep.-Abdr..), München 1885.

R. Graul, Die ant. Porträtgem. aus den Grabstätten des Faijüm, Leipzig 1888.

G. Ebers, Eine Gallerie antiker Porträts, Berlin 1889.

Th. Graf, Katalog z. Gallerie ant. Portäts aus heilenist. Zeit, Leipzig 1892.

3. Chemische Untersuchungen.

Chaptal, Annales de Chimie, T. LXX (1809) p. 22.

Davy, Some experiments and observations on the coulour used in painting
by the ancients, in Philos. Transactions of the Royal-Society,
1815 p. 97 (übersetzt mit Anmerkungen von Gilbert in dessen Annalen
der Physik. Bd. LH. [1816] S. 1 ff.).

Geiger, Chem. Untersuchungen altägyptischer und altrömischer Farben, mit
Zusätzen und Bemerkungen von Roux, in Geigers Magazin für
Pharmacie, 1824, Bd. XIV; auch bes. erschienen, Karlsruhe 1826.

v. Minutoli, in Erdmanns Journal für Chemie VIII, 2 (auch in dessen Ab-
handlungen II. Cykl., I, 49).

Landerer, Ueber die Farben der Alten, in Buchners Repertorium für
Pharmacie, XVI (1839) p. 204.

Fillon, Description de la villa et du tombeau d’une femme artiste Gallo-
Romaine, decouverts ä St. Medard-des-Pres, Fontenay 1849.

Chevreul, Recherches chimiques sur plusieurs objets d’Archeologie, trouves
dans le Departement de la Vendee . in Memoires de l’Academie des
Sciences de l’lnstitut de France. T. XXII (1850), vgl. Hittorf f,
L’ Arohit ecture polychrome, p. 512 ff.

Palmeri, Ricerehe chimiche sopra dodici colori solidi trovati a Pompeji, in
Giornale degli Scavi di Pompeji, Napoli 1875, p. 159.

REGISTER.

(Abkürzungen: Mal. = Malerei, n = Anmerkung, Mus- = Museum, Plin. = Plinius

Vitr. = Vitruv.)

Abblättern d. Farben 65, 71.

Accademia Ercolauese 64, Etrusca 209.

„Adonis. verwundeter» 75, 134, 160.

Aegypt. Mal. 3, Wandmal. 6. Mumien-
sargmal. 11, Farben 22.

Aerugo 257, 262.

Aetius 228, 231. 246:

A Junta, Grotten v.. 34.

Alabastermörser 213.

Alberti, Leon Batt. 106.

Albumin 126 n.

Alaun 247, 259.

Alaunzusatz 35. 39.

Alexandersarkopbag 240.

Alexandrinisch Blau s. Glasfritte.

Alkali 17, 81, 98, 287, 290, 301.

Alter der Mal. 3.

Anacreon 181 n.

Analysen, chemiscbe, v. Merimee 22, John
24, 133, Rüssel 25, Chaptal 132,
Davy 132. Chevreul 135, 268, Geiger
140, Faraday 144, Landerer 145, Sem-
per 145, v. Stuccolustromasse 123 n,
des Farbenkästchens 235 n, v. Pal-
meri 256, Schoofs 271, Büchner 273.

Anchusa 99. 186.

Anderson über Japan. Mal. 37.

Angaben f.Wandstuck 84, Stuccolustro 107.

Anonymus des Morelli 106.

Ansatzfugen 67, 74, 161.

Apelles 53, 181 n, 179, 184.

Appianum 79, 186. 257, 262.

Arbeitsfolge b. ägypt. Mal. 16.

Architekturstil 151, 155.

Aristides 54, 55.

Armenium 261.

Arsenicum s. Auripigment.

Asphalt 229.

Assyrische Mal. 29.

Athenapriesterinnen 241.

Atramentum 262.

Auerochsenhorn 187, 188.

Aufzeichnung f. Mosaik 250.

Auripigment 23, 40, 79, 186. 247, 261.

Austernschalenweiss 40.

Bachelier 287.

Balsame 24, 228.

Basalttafel 213.

Beizen 241, 246.

Belzoni 8.

Bemalung von Skulpturen 10, 240.

Beni-Hassan, Mal. v. 6.

Bergblau 23, 25, 39, 262.

Bieneuwachs s. Wachs.

Bindemittel für ägypt. Mal. 7, für Tempera

177, für Marmormal. 241, v. röm

Farben 273.
Blaue Farben 26..
Bleirot s. Mennig.
Bleiweiss 40, 79, 186.
Blutstein 40.
Böcklin, A. 120, enkaustische Versuche

v. 219.
Bogenschützen assyr 31.
Bolus, weisser 256, 259.
„Brautschmückung» 158.
Bronzeinstrumente 265.
Bronzelöffelchen 214.
Bronzemörser 214.

Bronzetiegel von Herne-St. Hubert 232, 273.
Buchner’s Analyse 234, 273.
Buxbaumtäfelchen 176, 293.

Caere. Funde v. 243.

Caeruleum 79, 262.

Galau 289.

Calixtus-Katakomben 249, 250 n.

Carcani 64.

Carnuntum 147.

Casa dei Vettii 61, 151, 157. 160 u; di Dia-

dumeno 73; di Livia 151, 154, 157;

di Sirico 156; d’Adonide ferito 74,

159: del poeta 160 n.
üasein 93, 120, 123, 126, 181 n.
Cauterium 191, 193, 195, v. St. Medard 222.
Cauterium-Technik 219.
Caylus 287.
Cennini 11, 251.
Cera, cerae 186, 187, 190, 192.

— 310 —

Cerussa 260, 261.
Cespedes 64.

Cestrum 187, 193, 195, 285, 294.
Cestrum-Technik 219.
Chaptal’s Analysen 66, 132.
Charakteristik d. ägypt. Mal. 5.
Chemische Analysen s. Analysen.
Chemisches Verhalten 129.
China 37.

Chevreul’s Analysen 135, 215.
Chrysocolla 79, 262.
Cinnabaris 261.
Cleopatra-Bildnis 209.
Cochenille 259.
Cornelius 69.

Creta 260, s. weisse Kreiden.
„ viridis 262.

Davy’s Analysen 23, 66, 132, 255 n.
Decarlini’s Stuckverfahren 112, Stuckmasse

123 n.
Deckfarben 35, 37, 182.
Dedekind 17, 33, 259.
Dekoration antik. Wandmal. 61, 153.
Detoma’s Stuckverfahren 109.
Dichtmacheu d. Bewurfs 89, 122.
Dicke der Stuckschicht 67, 161.
Dieulafoy 32.

Dioskorides über pun. Wachs 81, 99.
Dioskorides-Manuskript 173, 174.
Donner’s Freskotheorie 70, Enkaustik 201,

294.
Doppelmörtel 91.
Dörpfeld 95.
Drachenblut 34, 51, 182.

Eibindemittel, auf Wandfläche 79. 125;
z. Tempera 178.

Eigelb 7, 143 n, 178.

Eiklar 123, 125, 128, 178, 302.

Einbalsamierungs-Papyrus 12.

Einbrennen d. enkaus’t Mal. 193.

Eingeputzte Flächen 77.

Einölen 128.

Einwachsen 129.

Eitempera s. Tempera.

Eleodorisches Wachs 289.

Elephantinum 262.

Elfenbein 187, 188.

,, -Enkaustik 223.

Email 252.

Emulgierung v. Wachs 99.

Englischrot s. roter Ocker.

Enkaustik 33; auf Mauern 66, 164, 165;
auf Tafeln 185; spätere 203; Böek-
lin’s Versuche 220 n ; Rekonstruk-
tionen 285.

Enkaustische Technik 22, 185, 219, 229;
Maler 55; Gemälde 198.

Essigzusatz zu Leim 124.

Faraday’s Aualyse 144.

Farben der Aegypter 22, 24; d. Japaner

39; pompej. Ursprungs 135, 140, 256;

f. Enkaustik 189: v. St, Medard 268;

der Alten 255, 260.
Farbenfläschchen 216.
Farbenfund v. St. Medard 214, 268; d.

Strada di Stabiae 229, 255: v. Herne-

St. Hubert 230, 271, 273.
Farbenkasten 175.

Farbenreste auf Elfenbein 224.
Farbenstücke 231 : im Neapeler Museum

264.
Farbenwürfel 232, 235, 273.
Farbstoffe 177.
Fayüm 197 n.

Feigenmilch 125, 143 n, 179.
Fernbach’s Enkaustik 292.
Festigkeit d. Mörtels 89.
Fettsäuren d. Bindemittels 150, 234, 269,

274.
Figurenmalerei 158.
Firnis d. altägypt. Mal. 6; goldfarbiger 15,

26; d. Griechen 183; des Apelles

184; auf Elfenbein 224; z. Mal. 300.
Firnisbaum 43.
Firnisüberzüge 14.
Fla vi us Vopiscus 250.
Flinders Petrie 200.
Frau Aline’s Porträt 206.
Freskoglättung 82, 163.
Fresko-Technik 70, 251, 296.
v. Fuchs über Mörtel-Erhärtung 90.

Galle s. Ochsengalle.
Ganosis 80, 98. 101, 23!).
Geiger’s Analysen 140.
Gelbe Farben 25, 261.
Gemäldetafeln 175.
Giovanni da Udine 63, 71 n.
Gipsgrund, ägypt. 14.
Glanzfarbe-Rez. 237.
Glanzvergoldung 19, 245.
Glänzende Mal. d. Aegvpt. 28.
Glasfritte, blaue 23, 24.’ 262.
Glasierte Ziegel 30.
Glasur, assyr. 31, 32 n.
Glättkellen 164, 165.

Glättung d. Mal. 14, 17, 76: mit heissem
Eisen 81, 114; d. Stucco 124, 154, 159.
Goldbeize 44.
Goldfarbe 40.
Goldschrift 41, 247.
Goruzzoli 260.
Gouache s. Deckfarben.
Grabstelen, ägypt. 10; bemalte grieeh. 241 n.
Graf’sche Porträts 197.
Gravieren auf Elfenbein 225.
Griffelenkaustik 293.
Grüne Erde 257, 262; Veroneser 23.
Grüne Farben 23, 24, 262.
Grundierung s. Kreidegrund.
Gummi 6, 94, 178, 247.
Gummiemulsion d. Chinesen 44 n.
Gummigutt 39, 40.

Hanföl 44 n.

Hardouin 286.

Harze 34, 183, 228; Harz-u.Wachsmischung
215, 269; Harzzusatz 223, Harz-
masse 268.

Hausenblase 179.

Helldunkel-Malerei 51.

Heraclius 251.

„Herakles u. Telephos» 159.

Herculanum 60.

Herculan. Wandgemälde 158, 159.

Hermeneia v. Berge Athos 237, 251.

Herne-St. Hubert 230, 271.

Herodot 29.

Herstellung des Verputzes 85, 121, 298.

Hilfslinien 67, 160, 160 n, 244.

— 31.1

Hittorff 66, Stuekanweisung v. 107.

llolzgrundierung 12. d. Japaner 39.
Honig 6, 12. 12 n, 259.
Huybrigts 233, 235.

Indien 33, 34.

Indigo (Indicum) 23, 34, 40, 79, 186, 262.

Inkrustation, assyr. 30, 33.
Inkrustationsstil 151.
instrumentenfunde 211, 233, 265.

Jaia aus Kyzikos 57, 187.

Japan. Mal. 37.

John’s Analysen 7. 12 n. 24, 133

Kakemonos 40.

Kalk 85, 90: gelöschter 93, 127: Staubkalk
110, 111: röm. 121; hydraulischer 90.

Kalkseife 81, 149.

Kalkspath 122.

Kampferzusatz 44.

Kaschierungen mit Leinwand 18, 19 n.

Kästchen des Malergrabes 213, 217 n.

Katakombenmal. 8, 9; d. Calixtus 249.

Kausis 68.

Kautschuklösung 292 n.

Kernschwarz 262.

Khorsabad 29.

Klappmesser 213.

Kleister 39, 41.

Knirim 143 n. 293.

Knoller, Martin 117 n.

Kohlenbecken 236.

Kohlschwarz 24, 262.

Koloristische Neuerungen 16.

Kolorit 52.

Komposition, jap. 41.

Konturen, eingedrückte 72, 160.

Korallenrot 40.

Krapprot 259.

Kreide, weisse 26, 40, 256. 260.

Kreidegrund ägypt. Mal. 6. 14: griech. u.

röm. Mal 79, 176.
Kry stallin. Kalkhaut 67, 78, 2 C J7.
Kupferlasur 24, 261.

I

Lackarbeiten, Japan. 42.

Lackfirnis, chines. 43, Japan. 43 n.

Lackieren 36, 42.

Lackmalerei 36.

Lackrot 26.

Landerer’s Analysen 145.

Landschaften, gemalte 77.

Lapis lazuli 23.

Lasuren 26, 79, 179.

Lasurfarben 182.

Lauge s. Alkali u. Pottasche.

Leim, in ägypt. Mal. 6, 7, 12: z. Stuck-
arbeit 68, 79, 93, 123, 126: f. Tafel-
mal. 178.

Leinöl 117, 231.

Leinwand zu Kaschierungen 18.

Leinwandumhüllung f. Mumien 205.

Leinwandunterlage f. Grundierungen 15.

Leroux 6.

Leukophoron 246, 261.

Leydener Papyrus 41, 247.

Linienführung 51, 181.

Linienzeichnung 5.

Lithostrotum 249.

Litterarische Nachweise, f. Enkaustik 186,
f. Stuccolustro 10(i. f. spätere Wachs-
mal. 236.

Löffelartige Utensilien 216.

Loggien d. Raphael 64 n, Jl.

Loriot’scher Mörtel Hin, 122.

Löwenfrios 31.

Lucca Ms. 237, 252.

Lücke bei Vitr. 87.

Ludius 61.

Malbuch vom Berge Athos 237.

Maler auf antiken Darstellungen 174.

Malerei m theban. Gräbern 6: im Neapider
Mus. 158. 160 n: im Thermen-Mus
161: v. Solunto 162; auf Marmor-
Grabstelen 241 n: s. Wandmal., Tafel-
mal., Enkaustik u. s. w.

Malerschulen, Japan. 37; griech. 53.

Malergrab v. St. Medard 211; v. Herne-
St. Hubert 231.

Malgeräte, ägypt. 27: enkaustischo 217:
d. Neapeler Mus. 263.

Malgründe 176, 187.

Malkästen 186.

Maltechnik d. Aegypter 3: Assyrier, Perser
u. in Ostasien 29: d. Japaner 38;
d. griech. u. röm. Mal. 47; Tempera
u. Enkaustik 171.

Malutensilien 214, 231.

Manieren der Stucktechnik 163.

Marmoratum 116, 251.

Marmorimitation 157, 166.

Marmorinkrustation 166.

Marmorino-Rez. 110, 122.

Marmormehl 110, 113, 123.

Mastixharz 209, 229, 303.

Matthiessen 164 n.

Mavhoff’s Erklärung der Plimusstello 189—
196.

„Medea» 76.

Meinungsstreit über d. antike Wandmal-
technik 63.

Meister der Enkaustik 55.

Melinum (Melisches Weiss) 54, 79, 186.
255, 260.

Mennig 26, 39.

Mengs, Raf. 65.

Merimee 22, 27.

Micaglas (Glimmer) 41.

Milch, ägypt. Mal. 6; Zusatz zum Mörtel
93, 123.

Miniaturmal., indische 35; griech. u. röm.
53, 246; d. Dioskorides Ms. 173.

Minium 257, 261 ; s. Mennig u. Zinnober.

v. Minutoli 7, 12 n.

Monochrome Mal. 49.

Montabert 291.

Montjosieu 286.

Mosaiktechnik 250.

Mumie 262.

Mumienmasken 18, 21.

Mumienporträts hellenist. Zeit aus Fayüm
21, 197: d. Berliner Mus. 202:’ auf
Leinwand 205, 206: im Louvre 208.

Mumiensargmal. 13; hellenist. Zeit 19.

Murex s. Purpurschnecken.

,,Muse von Cortona» 209.

Nachweis von Wachs 136, 139, 142, 144,

145, 146. 268, 269.
Näpfchen f. Farben 216.

312 —

Naplitha 26, 228 n, 291.
Natron (Lauge) 100.
Naturalistische Mal. 58.
Nikawa-Leim 39.
Nikias 56, 239.
„Nitrum» 100.
Nussöl 228, 231.

Ochra 257, 260.

Ocker, gelber 26, 40. 54, 261.

„ roter 23, 40, 257.
Ochsengalle 43, 108, 109, 125, 127. 128, 248.
Oele 228.

Oel- und Fettsäuren 150, 269, 274.
Oel-Kalk-Kitt 116.
Oelharzmal. 231, 237.
Olivenöl 116, 123.
Oelvergoldung 246.
Oelzusatz 223.
Ornamentaler Stil 151, 154.
Ostasien 29.

Paletten 172.

Pamphilos 53.

Panänos 52, 58, 95.

Papier 39.

Papierasche 99, 100, 186.

Papyrus 179; Leydener 247.

Paraetonium 76, 79, 256, 260.

Parrhasios 53, 179.

Passalacqua, Sammlung 23. 27.

Pausias 55.

Pergament 53, 179.

Persische Mal. 29, 35.

Pflanzenfarbstoffe 40.

Pflanzengelb 26, 261.

Phantastischer Stil 151.

Pinienharz 215.

Pinsel 27, 41, 172; f. Enkaust. 187, 198,

218. 226.
Pinselmaler 55, 177.
Piaton 3.
Plinius über Entwicklung d. Mal. 49; Pu-

nisches Wachs 99; Ganosis 102; En-

kaustik 186, 187.
Polieren des Lacküberzugs 44.
Polierkelle 108, 111.
Politur f. Stuccolustro 109, 115.
Polychromie 66, 80; d. Statuen 239.
Polygnot 52, 55, 59, 255.
Pollux 221 n.

Pompeji 60, Bewürfe aus P. 140, 146.
Pompejanum 297.
Pottasche 100, 303.
Porträts, antike s. Mumienbildnisse.
Praxiteles 55, 56, 239.
Protogenes 54, 177, 183, 226.
Punisches Wachs 17, 80, 99, 100, 180; s.

Wachstempera.
Purpur 21, 26, 40, 79, 186, 206, 229, 258.
Purpurgewänder 12 n.
Purpurissum 261.
Purpurschnecken 258, 259.
Puteolanum (Puzzolanerde) 63 n, 91, 121,

262.
Pygmaeen- Atelier 173.

Baphael 63.
Realgar 43.

Realistische Mal. 19, 53.
Reiffenstein 291.
Reismehl 41.

Reispapier 41.

Rekonstruktionen, frühere 285.

Requeno 66, 103 n, 290.

Rezept, f. punisches Wachs lOOn; f. Stucco-

lustro-Masse 123 n.
Rhabdion Q5aß5tov) 195, 219 n.
Ricinusöl 228.
Rippenvorbereitung 31.
Römische Bewürfe 147.
Rote Farben 261.
Rötel (Rubrica) 51, 257, 261.
Russel’s Analysen 25.
Russschwarz (Kienruss) 26, 93, 262.

Saflor 40.

Safran 58, 95, 248.

Sal tartari 109.

Salmasius 285.

Sandaraca 261.

Sandmörtel 84. 107, 113, 298.

Sandy x 79, 261.

Santelholz 40.

Santorinerde 91 n.

Schafhäutl 133, 300.

Schattenriss 49.

Scheffer 286.

Schiefertafel 208.

Schiffsmalerei 226.

Schildkrötengalle 248.

Schlagen des Bewurfs 85, 89.

Schlagholz 122.

Schlussarbeit f. Stucco 128.

Schlussbetrachtungen 248.

Schlussfolgerungen, v. Chevreul 140: v.

Geiger 143. 151.
Schlusspolitur 98, 109, 115.
Schreib- u. Malgeräte, ägvpt. 27.
Schreibtinte 79, 93, 262.
Schulen, jap. Maler 38: grieeh. 53.
Schulregeln 182.
Schüttgelb 25, 261.
Schwamm 173.
Schwarz (indisches) 34.
Schwarze Farben 262.
Schweinsgalle 43.
Schwitzen, des erwärmten Wachses 101,

102, 119: der Freskomal. 300.
Seide 39.

Seife, weisse s. Venezianer Seife.
Seifenwasser 109.
Selinunt 96.

Semper 30. 32, 43 n, 45. 66.
Semper’s Analvse 145.
Sepia 8, 26, 262.
Sienaerde 26.
Sil s. Ocker.
Silberfarbe 40.
Silberschrift 247.
Silberstift 176.
Silikatbildung 91.
Sinopisrot 51, 54, 257, 261.
Solunto 61, 162.

Spiegelnder Glanz d. Tectoriums 86, 104.
Spiköl 300.

St. Medard-des-Pres 138, 211, 222. 234, 268.
Staffeleien 175.
Stereochromie 293 n.
Stilistische Verschiedenheiten 4, 158.
Stucco lustro 81, 104, 163; Anweisungen f.

Stucoo lustro-Eisen 114.
„ -Ofen 115.

— 313 –

Stucco lustro-Rezept 123.
„ „ -Manier 128.

Stuck, in der Masse gefärbt 77. 81, 93, 96.
Stiukarbeiter, pompej. L02-
Stuckatorspachtel 264.
Stuckmal., assyr. 80: alt-röm. 270; s. Wand-
malerei.
Stuckmarmor 168 n.

Tabloche (Tavolezzai 178 n. 267.

Tafelmal. 11, 171.

Tagesarbeit I). Fresko u. Mosaik 251.

Tanagraiiguren 242.

Taubenheim 290.

Tectores 79.

Tectorium nach Vitr. 83; gpiegelglänzen-

des 104; Herstellung 121. 295.
Tee-Oel 43.
Tell-el- Jalmdieh 33.
Tempera 177. 181; Versuche mit Tempera-

bindemitteln 125.
Temperamal. 172.199,210: s. Wachstempera
Terpentinöl 130, 228 n, 292.
Terracottamasken 21.
Theophilus 252.
Thermen-Museum 161.
Thermen d. Titus 63, 167.
Thoma. Hans 181 n.
Tonsarkophage 182, 244.
Tonziegel, bemalte 248.
Tournesol 259.
Trass 91 n. 276.
Trocknende Oele 228, 231.

Ueber malung 182: d. Raphael’schen Log-
gien 71.

Ultramarin 34, 40.

Untermalung 182: b. Mosaik 250.

Untersuchung v. Farben röm. Provenienz
273; s. Analysen.

Ursache der Erhaltung ägypt. Mal. 3; des
Verfalls pompejan. Mal. 73.

Ursprung d. Freskotechnik 273.

Varro 186.
Vasengemälde 50.
Venetianer Seife 17. 116, 124.
Vergipsen der Holztafeln 15.

Vergoldung, ägvpt. Mal. 19; Japan. 40; v.
Bildwerken 242; Beispiele v. 204, 245.

Verseifung, s. Wachsseife.

Versuche z. Rekonstruktion d. Enkaustik
21ti. 285; d. Wandmal. 119. 295.

Verzierungen, plastische 15, 204; ver-
goldete 16, 240.

Viglioli’s Versuche 124 n, 301.

Villa Hadriana 142. 209.

Vitruv über antikes Tectorium 83, 105;
über Ganosis 80, 101; Wanddekora-
tion 61; Marmorputz 86.

Vorzeichnung f. Mosaik 250.

Votivtafeln, ägypt. 17.

Wachs, in ägypt. Mal. 7, 27: f. Enkaustik
186, 188; gefunden in St. Medard
215. 268.

Wachsähnliches Bindemittel 235, 273.

Wachsemulsiora 100 n.

Wachsfirnis 111, 112.

Wachsmalerei 180; der spät. Zeit 236; s.
Enkaustik.

Wachsseife 8. 98, 99, 238, 290, s. Punisches
Wachs.

Wachstempera 119. 180, 237.

Walter J. G. 289.

Wandmal., d. Aegypt. 6; glänzende 9;
indische 34: d. Griechen u. Römer 58;
älteste in Italien 62: Stilverschieden-
heiten 151: v. Herkulanum 158;
Pompeji 60, 73; im Neapler Mus. 160;
Römische 161.

Wärmapparat 217 n.

Westenhofer Mosaik 120, 283.

v. Wilmowsky 278.

Wurka 31.

Xenti 12.

Yamato-Schule 38.
„Yaue conosite» 238.

Zement 90, 121.

Zeuxis 53. 179. 255.

Ziegel, glasierte 30.

Ziegelmehl 44, 110, 276 n.

Zopissa 223 n. 227.

Zuschläge zum Mörtel 90, 93, 121. 123.

Berichtigungen.

S. 59 Text Zeile 2 von unten lies Thespiae statt Thespis.
„ 68 „ „ 1 „ oben „ ausser „ selbst.

Zur &ef. Notiznahme.

Die Besitzer dieser Ausgabe werden gebeten, die jetzt nicht mehr zutreffenden
Rückverweisungen in der III. Folge (Mittelalter) wie folgt zu ändern.

S. VIII Zeile 14 von oben muss es jetzt heissen: Altert. S. 230.
„ 12 „ 1 „ unten „ „ „ „ 260.

, 14 Anm. 13 , „ , ■ „ „ „ 245.

„ 15 Zeile 18 von unten „ » „ » » * 231.

„ 18 mittlerer Absatz ist richtig zu stellen nach „ 81u.82.

„ 26 Zeile 20 von oben muss es jetzt heissen: Altert. „ 250.
unten „ „ „ „ „ 207.

„ 9 50

246;

v » » » » 238.

„ „ „ „ , . 252.

Diejenigen Stellen, an denen nach der frühereu Auffassung das Cestrum ge-
nannt ist, während es nunmehr l’auterium heissen müsste, wird der aufmerksame
Leser leicht selbst bemerken.

37

n

7

103

21

109

»

26

ebd.

28

141

Anm.

5

208 Anm.

16

265

Anm

. 1

Kgl. Hofbuchdruckerci Kästner & Oallwey, München.

BEITRÄGE

ZUR

ENTWIGKELUN6.S- GESCHICHTE

DER MALTECHNIK

MIT UNTERSTÜTZUNG DES KÖNIGLICH PREUSSISCHEN MINISTERIUMS DER GEISTLICHEN.
UNTERRICHTS- UND MEDIZINAL-ANGELEGENHEITEN

HERAUSGEGEBEN VON

ERNST BERGER

MALER

III. FOLGE

MÜNCHEN, r?rz

VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY

QUELLEN UND TECHNIK

DER

FRESKO-, GEL- und TEMPERA- MALEREI

DES

MITTELALTERS

VON DER BYZANTINISCHEN ZEIT BIS EINSCHLIESSLICH DER
„ERFINDUNO DER ÖLMALEREI»

DURCH DIE
BRÜDER VAN EYCK

NACH DEN QUELLENSCHRIFTEN UND VERSUCHEN
BEARBEITET VON

ERNST BERGER

MALER

ZWEITE. DURCHGESEHENE AUFLAGE.

MÜNCHEN. ju.
VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY

Inhalt

Vorwort zur ersten Auflage: Seite

Allgemeine Uebersicht über die Quellenschriften und deren Wert für unsere

moderne Maltechnik VII — XII

Vorwort zur zweiten Auflage XIII

I. TEIL.

Quellen für Technik der Malerei
vom IX. — XIII. Jahrhundert.

Geschichtliche Einleitung 3

I. Das Lucea- Manuscript 8

II. Mappae Clavicula 22

III. Das III. Buch des Heraclius 35

IV. Theophilus Presbyter, Schedula diversarum Artium 47

(Technik des Theophilus 51; Miniaturmalerei 54; Tafelmalerei des Theo-
philus 55; Vergoldung 60; Anhang 62.)
V. Quellen arabischen Ursprunges. Liber sacerdotum 64

II. TEIL.

Quellen und Technik des Südens.
XIV. und XV. Jahrhundert.

I. Handbuch derMalerei v omBerge Athos. (Hermeneia des Dionysios) 71

IL CenninoCennini’s Traktat von der Malerei 102

(Inhalt des Trattato 108; Malerei auf Mauern 111; Tafelmalerei des Gennini
117; Vergoldungstechnik im allgemeinen 119; Malerei mit Tempera 124.)

III. Bologneser Manuskript 128

IV. Der Neapeler Codex für Miniaturmalerei 132

III. TEIL.

Mittelalterliche Quellen des Nordens

aus dem XIV. und XV. Jahrhundert.

I. Le Begue’s Schriften 149

II. Das Strassburger Manuskript, die älteste deutsche Quelle für

Maltechnik 155

(Inhalt des Strassburger Manuskripts 156; Vergleich mit anderen Quellen 160;
Farben und Technik des Strassb. Manuskripts 163.)

Text des Strassburger Manuskripts 167

(Kapitel-Index zum Strassb. Manuskript 190.)
III. Note zu einigen deutschen Manuskripten aus dem XV. Jahr-

hundert über Maltechnik . . 191

Anhang. Die sechs Temperaturwasser des Boltz von Rufach 202

IV. TEIL.

Ueberblick über die Maltechniken

der romanisch-gotischen Periode bis zur Neuerung der Van Eyck.

Ueberblick über die nordischen Techniken 207

I.Miniaturmalerei 208

11. Wandmalerei 218

III Tafelmalerei . 225

Ueberblick über die Entwicklung der Mal technik im Süden . . . 232

V. TEIL.

Die Oeltempera.

Ein Versuch zur Lösung der Frage von der „Erfindung der Oelmalerei»

durch die Brüder Van Eyck. Seite

I. Vorbemerkung 2H9

IL Ansichten über die Technik der Van Eyck 242

III. Die Oeltempera und Vasari’s Bericht über die „Erfindung» der
Van Eyck 247

IV. Weitere Nachrichten über die Van Eyck-Technik 258

V. Die „Disciplina di Fiandra» und die Tecbnik des Malens mit

Oeltempera 20(5

VI. Moderne Rezepte für Oeltempera 276

VII. Schlussbemerkungen 280

ANHÄNGE.

Kapitelreihe des Lucca Ms. mit den korrespondierenden der Mapp. clav. … 31

Kapitelreihe des Handbuches der Malerei vom Berge Athos 100

Kollektion von Versuchen zur Geschichte der Maltechnik. II. Serie 285

Register 289

VII

Vorwort zur ersten Aurlage

Allgemeine Uebersicht über die Quellenschriften und deren Wert
für unsere Maltechnik

Der zweite Teil einer Arbeit, welche dio Entwicklungsgeschichte der
Maltechniken von den ersten kulturellen Anfängen bis zur höchsten Stufe der
Vollendung durch Versuche und Erläuterungen zu zeigen sich zur Aufgabe ge-
stellt hat, liegt hier vor. Der zu diesem Zweck eingeschlagene Weg bestand
ebenso wie bei dem ersten Teil darin, die Reihenfolge der Maltechniken und
deren naturgemässe Stufen der geschichtlichen Entwicklung auf Grundlage
des vorhandenen quellenschriftlichen Materials durch parktisch ausgeführte
Proben festzustellen. Dabei wurde stets auf das Handwerksmässige einer
Technik Rücksicht genominen und der Grundsatz festgehalten, dass neue
Techniken zumeist Verbesserungen oder Vereinfachungen einer früheren sein
dürften. Dieses Prinzip, dass die künstlerischen Techniken sich wie jede Kul-
tur überhaupt stufenweise entwickelt haben werden, ist vor allem massgebend
gewesen, um die geschichtliche Entwicklung der Maltechnik durch eine Reihe
von Tatsachen von technischer Bedeutung zu erklären, die wie die Ringe
einer Kette ineinandergreifen.

Was die Quellen für die Maltechnik des Mittelalters betrifft,
von welchen in diesem Bande die Rede ist, so wird es angebracht sein, die-
selben vorerst in Kürze Revue passieren zu lassen, um zu zeigen, wie sich
die technischen Traditionen eng an diejenigen des Altertumes anschliessen
und dabei die Schwierigkeiten zu kennzeichnen, welche sich uns bei deren
Beurteilung entgegenstellen. Es sei nur daran erinnert, dass wir über die
Malerei der Griechen und Römer durch die wenigen Stellen der Werke des
Vitruv, Plinius u. a. nur sehr unvollkommen unterrichtet sind. Man wird
dies jedoch begreiflich finden; denn ausser einigen Rezepten für Farben-
bereitung sind die alten Angaben nur für den Praktiker von damals ver-
ständlich. Ein spezielles Werk über Maltechnik ist uns aus dem Altertume
nicht überliefert. Umso bemerkenswerter musste uns ein in Leyden auf-
bewahrter Papyrus erscheinen, der in einer Mumienumhüllung verborgen,
zu Theben anfangs vorigen .Jahrhunderts aufgefunden wurde, (s. Maltechn. d.
Altert. S. 247). Es ist der Rezeptenschatz eines Goldschmiedes, der mit edlen
Metallen und Legierungen umzugehen wusste und sich auch mit der geschätzten
Purpurfärberei und Miniaturmalerei (Goldschrift) beschäftigt zu haben scheint.
Aus dem III. Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammend, in griechischer
Sprache verfässt, ist diese Rezeptensammlung nicht nur charakteristisch für
die Zeit, sondern auch für die alten Handwerker überhaupt. Schon der Um-
stand ist bemerkenswert, dass der Tote sich von seinen Rezepten nicht trennen
wollte und sich dieselben mit ins Grab geben liess. Zweifellos sind manche

VIII

dieser Rezepte römischen Ursprungs, denn wie Berthelot in seinem Werke
(Chimie au moyenäge, Paris 1893) nachweist, finden sich einige derselben
inhaltlich, einzelne sogar wörtlich in späteren Manuskripten. Es zeigt dies
zweifellos, dass die technische Tradition ^auch durch die dunklen Zeiten der
Völkerwanderung erhalten geblieben ist.

Erst aus dem IX. Jahrhundert (nach Gregorovius, Gesch. der Stadt
Rom, II 378, vom Ende des VIII. Jahrhunderts) stammt die erste auf uns ge-
kommene Rezeptensammlung, das Lucca Manuscript. Es enthält aus-
führliche Anweisungen über Glasmosaik, Färben von Fellen, Goldschrift, Be-
reitung von Farben und allerlei Materialien für Metallarbeit, aber es ist nicht
leicht, die Rezepte, welche für Malerei speziell bestimmt sind, herauszulösen;
darin scheint gar manches als selbstverständlich und wird daher nicht be-
sonders bemerkt. Ganz ähnlich ist das Sammelwerk Mappae clavicula
(Kleiner Schlüssel der Malerei) aus dem XIII. Jahrhunderts angelegt, worin
ein grosser Teil der im Lucca Ms. enthaltenen Rezepte aufgenommen ist.
Mit diesem Ms. zeigen wieder die ersten zwei in Versen geschriebenen Bücher
des Heraclius „Von den Farben und Künsten der Römer» grosse Ver-
wandtschaft; auch hier sind die verschiedenartigsten Angaben für Glas- und
Metallverarbeitung, für Gemmen und gebrannte Thonaibeit zu finden; erst ein
dritter, späterer Teil ist der Malerei gewidmet. Bei Durchsicht dieser alten
Quellen handelt es sich für uns darum, alle jene Rezepte abzusondern, die
sich speziell auf Malerei beziehen, eine mitunter schwierige Arbeit, denn es
sind oft Anweisungen vorhanden, deren Zweck man von vornherein nicht er-
kennen kann, wieder andere lassen es zweifelhaft erscheinen, ob sie überhaupt
technischen oder alchemistischen Inhalts sind und schliesslich sind die Rezepte
nicht selten, bei denen technische Ausdrücke und Kryptogramme angewendet
sind, deren Uebersetzung und Sinn dem gewiegtesten Philologen unüberwind-
liche Hindernisse entgegenzusetzen imstande sind.

So kommen im Lucca Ms., im Liber sacerdotum des XIII. Jh., das
aus arabischen Quellen geschöpft ist, und selbst in dem viel späteren „Hand-
buch der Malerei von Berge Athos» Bezeichnungen von Droguen etc.
vor, die bisher nicht erklärt werden konnten; für die frühmittelalterliche Technik
sind aber die genannten Manuskripte von grösster Bedeutung.

Das Handbuch der Malerei vom Berge Athos, dessen uns^von^Didron
zuerst mitgeteilte Niederschrift wohl jüngeren Datums ist, enthält die Technik
des im XII. Jh. vielbewunderten griechischen Malers Panselinos, beruht aber
jedenfalls auf älterer Tradition; schon die eigentümliche Bezeichnung der ein-
zelnen Farbenmischungen z. B. für Karnation, wie Propiasmus, Glykasmus etc.
sprechen für höheres Alter, eine Eigenart, die auch in dem berühmten Werke
des deutschen Mönches Theophilus, Schedula diversarum artium, dem
XI — XII. Jh. angehörig, wiederkehrt.

Im Gegensatz zu den früheren Quellen sind in der Schedula, ebenso wie
im „Handbuch» ganze Abschnitte ausschliesslich der Malerei und den dazu-
gehörigen Praktiken gewidmet, aber es ist noch nicht jene bestimmte Ord-
nung zu bemerken, derzufolge immer genau ersichtlich ist, ob die einzelnen
Angaben für Wand-, Tafel- oder Miniaturmalerei zu gelten haben. Den diversen
Vergoldungsarten, die bei der byzantinischen und der ganzen mittelalterlichen
Technik eine grosse Rolle spielen, ist ein breiter Raum gewidmet. Man muss
sich aber einigermassen mit dieser wichtigen Technik vertraut gemacht haben,
um alle einschlägigen Anweisungen richtig zu verstehen.

Durch ein weniger bekanntes Ms. des XIV. Jhs., den Neapeler Kodex
über Miniaturmalerei ist es nunmehr auch möglich geworden, alles speziell
aui Miniaturmalerei Bezügliche abzusondern, so dass mit Hilfe dieses Ms. eine
Art Schlüssel für die anderen vorhanden ist, der die Arbeit erheblich erleichtert,
wenn es sich darum handelt, die technischen Rezepte auf ihre Anwendungs-
arten richtig zu beurteilen.

Für die nordischen Techniken der Zeit sind ausser dem bereits genannten
Ms. des Theophilus noch die von dem französischen Münzmeister Le Begue

IX

gesammelten Schriften des Aloherius, P. de St. Audemar von grossem
Interesse, die die gelehrte Airs. Merrifield in ihrem umfassenden Werke (Original-
Treatises, dating from the XII th to XVIII th oenturies on the Arts of Painting,
London 1848, 2 Bde.) veröffentlicht hat.

Wegen der Ausführlichkeit und der überaus klaren Diktion ist das all-
bekannte Buch des Cennino Cennini, Trattato della Pittura von grösster
Wichtigkeit für uns; die Technik Giotto’s und seiner Schüler ist in diesem
Buche bis ins kleinste Detail und mit minutiöser Genauigkeit wiedergegeben,
so dass nicht der geringste Zweifel über die damalige Technik herrschen kann.
Es gibt keine noch so unbedeutende technische Handhabung, die hier nicht
beschrieben ist, von der Zubereitung der Holzkohle, des Malbrettes, der Farben,
Pinsel und der Vergoldungsarbeit bis zum letzten Firnis.

Dieser italienischen Quelle für Alaltechnik der Frührenaissance kann^keine
gleichartige aus dem Norden entgegengestellt werden, wohl aber eine, die ihr
an Wichtigkeit nicht nachstellt, nämlich das Strassburger Als. vom Ende
des XIV. oder Anfang des XV. Jhs. Die Veröffentlichung dieses durch den
Brand der Bibliothek im Jahre 1870 verlorenen Als., des ältesten in
deutscher Sprache verfassten Werkes dieser Art, das hier allgemein
zugänglich gemacht wird, wurde ermöglicht, durch die Auffindung einer für
Eastlake in den 40 er Jahren angefertigten Kopie. Eine der interessantesten
Quellen für mittelalterliche Alaltechnik ist dadurch der Vergangenheit entrissen.

Lassen sich die Techniken der Alalerei bis zum Ausgang des XIV. Jhs.
an der Hand des reichen quellenschriftlichen Alateriales mit ziemlicher Ge-
wissheit rekonstruieren, so treten ganz besondere Schwierigkeiten zu Tage,
wenn es sich darum handelt, die in Mitte des XV. Jh. durch die Brüder Van
Eyck eingeführte technische Neuerung in den Schriftquellen zu verfolgen.
Ein allgemeines Schweigen deckt das berühmte „Geheimnis» ihrer Erfindung.
Nur die vielumstrittene Erzählung des Vasari im Leben des Antonello da
Alessina gibt einzelne Anhaltspunkte, aus welchen zu schliessen möglich ist.
dass es nicht die Oelmalerei an sich, denn diese war längst bekannt, sondern
eine neue Art der Oelmalerei war, die die Brüder Van Eyck zu Urhebern
gehabt hat. Es sprechen ganz deutliche Anzeichen dafür, dass die sog. Oel-
tempera, eine innige Alischung von Gummi oder Eigelb mit Oelen oder Oel-
firnissen, wodurch diese letzteren mit Wasser mischbar werden, das Bindemittel
der altniederländischen und kölnischen Schule bis zu Dürer und Holbein ge-
wesen sein mag. Es wird in diesem Hefte ausführlicher davon gehandelt
werden und auch erörtert werden, wie sich folgerichtig aus dieser Technik erst
durch die Einführung der ätherischen Lösungsmittel für Oele und Harze unsere
neuere Oelmalerei entwickelt haben mag.

Für das ganze XVI. Jh. ist aus Vasari’s Introduzione zu seinem
Werke „Das Leben der berühmtesten Architekten, Alaler, Bildhauer» mancher
wertvolle Hinweis auf die Technik zu entnehmen: auch Lomazzo und Ar-
menio unterstützen ihren berühmten Kollegen in ihren Büchern über die
Alalerei (Idea del Tempio della Pittura, 1590, desselben Trattato dell’ arte
della Pittura 1585; und De veri Precetti 1587). Eigentümlicherweise behandeln
die Malerbücher dieser und der folgenden Zeit immer mehr die ästhetische
und didaktische Seite der Kunst und berühren das rein Technische nur neben-
her; Lomazzo z. B. gibt bei Oelmalerei nur an, dass die Farben mit Leinöl.
Nussöl- und anderen „Dingen» angerieben werden; wie Alalbretter oder Lein-
wand präpariert werden, davon schweigt er vollends. Selbst Lionardo da
Vinci, der in bezug auf Technik ein Experimentator, wenn auch kein Ver-
besserer gewesen, versäumt es in seinem gross angelegten Trattato über Farben
und Technik speziell zu schreiben, obschon er es selbst für wichtig hält und,
wie er sagt, „dies nur aus Alangel an Papier vorläufig unterlassen .habe»
(^Quellenschr. f. Kunstgesch. Bd. XVIII S. 100). Für einen grossen Geist,
wie es Lionardo war, mag es sehr nebensächlich erschienen sein,- Dinge zu
beschreiben, die ohnehin jedem Lehrling bekannt sein mussten, er mochte
vielleicht eingesehen haben, dass sich die Hauptsachen der Technik nur durch

X

fortgesetzte Uebung erlernen lassen, weshalb er auf eine schriftliche Darlegung
derselben vorerst verzichtete.

In den spärlichen Druckschriften der nordischen Autoren erhält- sich aber
lange Zeit noch das Rezeptenwesen. Boltz von Ruf ach rechtfertigt sich
in der Vorrede zu seinem „Illuminierbuch» (1562) vor seinen Fachgenossen,
dass er überhaupt Dinge veröffentliche, die eigentlich geheim zu halten
wären, und tatsächlich war seit der Erfindung der Buchdruckerkunst in
Deutschland kein Werk darüber erschienen. Nach Boltzens erstem Wagnis
werden aber die Bücher mit ausführlichen Rezepten immer häufiger, bis in dem
Nürnberger „Kunst- und Werkschul » (erste Ausg. 1707) ein dickleibiges
Sammelwerk erschien, das in seiner Ausführlichkeit und Vielseitigkeit kaum
mehr überboten worden ist.

Der Holländer Karel van Man der in seinem „Schilderboeck» (1604),
ebenso wie Wilh. Beurs in „De groote Waereld int Kleen geschildert»
schliessen sich der Art der Italiener an und betonen mehr die ästhetisch-
optische als die rein technische Seite der Kunst. Für die Kenntnis der
spanischen Malart des XVI. Jh. wären noch Pächeco’s und Palomino’s
einschlägige Malbücher zu erwähnen. Ich möchte diese nur in grossen Zügen
gegebene Aufzählung der Quellenschriften für die Technik der Blütezeit der
Malerei nicht schliessen, ohne noch auf das Manuskript des De Mayerne
aufmerksam gemacht zu haben, der durch den persönlichen Verkehr mit
Rubens, Van Dyck und anderen in die Lage kam, über deren Technik
in hohem Grade wichtige Details zu hinterlassen; das Ms. ist im IV. Teil
dieses Werkes veröffentlicht, so dass wir uns ein genügend klares Bild über
die Malweise der Zeit zu machen imstande sind.

Schon aus der Fülle des hier aufgeführten Materials x wird es begreiflich,
wie wichtig es ist, die Technik bestimmter Zeitperioden in allen Details kennen
zu lernen und die Systeme zu beachten, nach welchen die alten Maler bei
ihren Werken vorgingen, denn das eine wird jedem Einsichtigen klar sein,
dass so planlos wie heute zu keiner Zeit verfahren wurde. Es entsteht nun
aber die Frage, auf welche Weise und zu welchem Zwecke man sich der Mühe
unterziehen sollte, eine fast unabsehbare und zeitraubende Arbeit durchzuführen,
um ein so kostbares Material wie es die Quellenschriften sind, für uns und
unsere Nachfolger fruchtbringend zu verwerten, denn es ist noch lange
nicht erwiesen, dass eine Technik rationell ist, weil sie alt ist.

Um sich über die alten Techniken vollkommen zu unterrichten, müssen
deshalb zuerst die Quellen gesichtet und alles was sich auf das Technische
der Arbeitsführung, insbesondere auf die Grundierung und die Art der Binde-
mittel bezieht, geprüft und praktisch erprobt werden. Bei derartigem Vor-
gehen müssen sich nicht nur die verschiedenen älteren Malsysteme feststellen
lassen, es werden sich auch von selbst aus den gefundenen Resultaten Ge-
sichtspunkte für rationelles Malverfahren ergeben, die durch die gute oder
schlechte Erhaltung gleichzeitiger Denkmäler der Kunst sich selbst kontrollieren.
Zunächst wird der Wert einer solchen Arbeit in der kunstwissenschaft-
lichen Seite gelegen sein, denn mit Hilfe einer derart im Detail durchge-
führten Quellenforschung und entsprechenden ausgeführten Malproben, müssen
sich genau bezeichnete Merkmale einer bestimmten Kunstperiode auch in tech-
nischer Beziehung feststellen lassen, welche die kunsthistorische Forschung
unterstützen und für sie von Wichtigkeit sein dürften.

Der praktische Wert dieser Arbeit für unsere moderne Mal-
technik muss darin erblickt werden, dass durch die Erkenntnis der alten

1 Von wichtigeren Mss. und Quellen wären noch zu erwähnen: Das Paduaner
Ms. (Ende des XVI. Jh.), das Ms. des Giov. Batt. Volpato betitelt „Modo da tener
nel dipinger (XVII. Jh.), das Brüsseler Ms. des Pierre Lebrun (1635), dann noch
Wandmalerei, betreffend: der Commentar zu Vitruv des Spaniers Guevara (Anfang
des XVI. Jh.), das Werk „De Re Aedificatoria des Leon Battista Alber t i, Raffaello
Borghini’s Riposo (1584), Andrea Pozzo (geb. 1G42), Jobannes Martinus (1699), Raph.
Mengs u. A.

Techniken auoh die Syst eine bekannt werden, nach welchen die alten
Meister ihre gepriesenen Schöpfungen angefertigt haben. So haben, um nur
ein eklatantes Beispiel anzuführen, die Künstler der Frührenaissance das Prinzip
gehabt, die Bindemittel zu wechseln und /.war nahmen sie zu unterst die
schneller trocknenden, wie Leim zur Grundierung, dann kam Eitempera zur
Untermalung; darauf folgte die Uebermalung mit Oellasuren und endlich liessen
sie das Gemälde vor dem Firnissen über ein Jahr lang trocknen. Wir hin-
gegen untermalen mit Oelfarben auf ölgrundierte Leinwand oder Brett, über-
malen und lasieren mit (»eleu und Firnissen, sogar mit Essenz- oder Spiritus-
firnissen, die schneller trocknen als die Unterlagen und infolge dessen das
Reissen und Brüchigwerden beschleunigen. Diesem einen Beispiel werden
sich eine grosse Reihe ähnlicher anschliesseu lassen, sowohl was Wandmalerei,
als auch was Tafel- und Miniaturmalerei betrifft. Auch muss es für den
modernen Techniker von eminenter Wichtigkeit sein, zu erfabren, mit welchen
Bindemitteln und nach welchen Grundsätzen gewisse Bildwerke gemalt sein
konnten, die durch ihre tadellose Erhaltung Jahrhunderte lang die Bewunderung
aller hervorgerufen haben; ebenso wird sich ganz genau feststellen lassen,
warum andere viel später gemalte Werke zu Grunde gingen und zu Grunde
gehen mussten. Ein Beispiel dieser Art will ich hier erwähnen: Für manche
Kunstforscher dürfte es neu sein zu erfahren, dass die bekannten Loggien
des Raffael nicht, wie man allgemein annimmt, al fresco ausgeführt sind;
es hat sich nämlich das genaue Rezept des Giovanni da Udine erhalten,
aus dem hervorgeht, dass diese „notorischen Fresken» mit Oelfarbe auf den
mit Bleiweiss gefärbten Stuck gemalt worden sind; daraus erklärt sich aber
auch zur Genüge ihre schlechte Erhaltung!

Nur auf dem historischen Wege werden sich derartig wichtige Er-
fahrungen sammeln lassen ; hier Klarheit zu schaffen, ist eine der Hauptauf-
gaben dieser ganzen Arbeit 1 Nicht weniger wichtig wird die Arbeit für die
Erhaltung und Restaurierung alt er Gemälde sein, denn durch die genaue
Kenntnis der Technik wird auch die Wiederherstellung schadhaft gewordener
Stellen modifiziert werden müssen, während man heutzutage alle alten Bilder
nach ein und derselben Methode behandelt, gleichgültig, ob ein Gemälde aus
dem XIV. oder aus dem XVIII. Jahrhundert stammt. Wie will man aber
ein Bildwerk, sei es Wandmalerei oder Tafelbild, richtig restaurieren, wenn
die einzelnen Techniken der verschiedenen Kunstepochen nicht einmal genügend
erkannt sind?

Für Kopisten alter Bilder wird es von grösster Wichtigkeit sein, sich
mit den Resultaten dieser Arbeit vertraut zu machen, um getreue Kopien der
Originale fertigen zu können.

Ausser diesen Momenten, die die Durchführung der hier begonnenen
Arbeit für wünschenswert erscheinen lassen, wird aber ein noch viel wichti-
gerer Faktor für den denkenden und ausübenden Künstler die nächste Folge
davon sein: er wird sich von vorneberein über seine Technik klar werden können
und durch das Vertrautsein mit den verschiedensten Techniken aller Kunst-
epochen nicht blindlings jedem Angebot von neuen Erfindungen der Farben-
fabrikanten und Händler entgegenkommen, um schon nach kürzester Zeit
Enttäuschungen zu erleben, wie es in den letzten Jahren zu widerholten Malen
geschehen ist. Dann wird der Künstler sich auch vor den Augen halten
können, was er von einer bestimmten Art von Technik zu erwarten hat, und
was er derselben zumuten kann, ohne Schaden für die Solidität seines Werkes.
Solches Wissen aber muss der Kunst selbst nur zu gute kommen!

Aus dem Vorstehenden ist sowohl der Umfang der Arbeit als auch
die Intention des Verfassers ersichtlich In dem Bestreben, die Resultate
seiner Studien und Versuche auf dem Gebiete alter Maltechnik durch deren
Zusammenfassung in einer Druckschrift der Oeffentlichkeit zugänglich zu
machen, wurde derselbe in wesentlicher Weise durch das Entgegen-
kommen des hohen Senates der königlichen Aka de mie der Künste
zu Berlin, sowie ganz besonders durch die Sub ven tionier ung

XII

von seiten des Königlich Preussischen Ministeriums der geist-
lichen, Unterrichts- und Medizinal- A ngelegenheiten gefördert.
Der Verfasser folgt demnach nur seinem Gefühl der Dankbar-
keit, wenn er den genannten hohen Behörden auch an dieser
Stelle seinen ehrerbietigen Dank ausspricht, in erster Linie dafür,
dass er bei den hervorragendsten Vertretern seines Kunstfaches neuen An-
spornend Aufmunterung zur Fortführung der begonnenen mühsamen Arbeit
gefunden, und zweitens dafür, dass er in der materiellen Beihilfe eine Aner-
kennung des faktischen Wertes seiner Bestrebungen erblicken zu dürfen glaubt.
Zu nicht minderem Danke verpflichtet ist der Verfasser noch einer Reihe
von Männern, die durch ihre Stellung als Leiter von Sammlungen und Biblio-
theken, oder durch ihr reiches Wissen ihn in freundlichster Weise unter-
stützten, -[insbesondere den Herren Prof. Christomanos in Athen, Prof.
Karabacek in Wien, Prof. Mayhoff in Dresden, Mr. Edw. J. Poynter,
Präsident der Royal Academy in London, sowie den Dozenten der Universität
Dr. Panzer und Dr. Traube in München.

MÜNCHEN, im Juni 1897.

DER VERFASSER.

XIII

Vorwort zur zweiten Auflage

Schneller als es anfänglich den Anschein hatte, ist eine Neuauflage des
Bandes meiner „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik» nötig
geworden, der die Quellen und die Techniken des Mittelalters behandelt. Dies
mag darin seinen Grund haben, dass gerade den mittelalterlichen Malweisen
in den Kreisen der Künstler und Kunstgelehrten am meisten Interesse ent-
gegengebracht wird und für gar viele das Verlangen vorhanden war, sich an
der Hand der Quellen ein Urteil selbst zu bilden. Ein Beweis dafür sind die
zahlreichen Zuschriften von Kollegen , denen mein Buch, wie erst kürzlich
einer von diesen hervorhob, „immer wieder eine Quelle der Belehrung und der
Anregung» gewesen ist.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch meiner freudigen Genugtuung
Ausdruck geben, dass meine „Beiträge» vielfach als Quellenwerk nicht nur
bei uns, wie ich zu konstatieren in der Lage war, sondern auch von der
Literatur des Auslandes herangezogen worden sind, ganz besonders muss dies
von der Englands hervorgehoben werden, die ja von jeher für Geschichte der
Maltechnik massgebend gewesen ist.

Bei der Neuauflage des Bandes habe ich es für richtig gehalten, mit
Ausnahme der nötig gewordenen Verbesserung einzelner Stellen, die Anord-
nung und den Umfang unverändert zu lassen, obwohl ich mir sehr gut be-
wusst war, dass manche der Quellen ausführlicher zu behandeln gewesen
wären, als es geschehen ist, und dass vor allem der Farbenherstellung ein
besonderer Abschnitt hätte eingeräumt werden können. Die Erwägung jedoch,
dass ein solcher Abschnitt den Umfang des Bandes erheblich vergrössert
hätte, hat mich veranlasst, die schon vorbereiteten Bogen wieder zurückzu-
legen, und was die grössere Ausführlichkeit der Quellen betrifft, so muss ich
den Leser aus gleichen Ursachen auf die Originalausgaben verweisen, aus der
sie geschöpft sind, und die er in dem Bande aufs genaueste angegeben findet.

Zum Zwecke der leichteren Auffindung der Bezugsstellen, die aus den
übrigen Bänden der „Beiträge» auf die Technik des Mittelalters verweisen,
habe ich die Seitenzahlen der ersten Auflage auf den Marginalien der Neu-
auflage in Klammern gesetzt, und ich glaube, dass dadurch den Besitzern
des Werkes gedient sein wird.

Der überwiegend günstigen Aufnahme meines Buches steht der Wider-
spruch von Seiten einzelner Fachleute gegenüber und dieser richtet sich haupt-
sächlich gegen meinen „Versuch zur Erklärung der Van Eyck-Technik» :
Ich habe auch diesen Abschnitt, nur mit wenig Aenderungen versehen, wieder
abgedruckt und was ich zur Rechtfertigung meiner Ansicht zu sagen hatte,
in einem besonderen Kapitel zusammengefasst. In den fünfzehn Jahren, die
seit Erscheinen der ersten Aullage verflossen sind, ist auf dem Gebiete der
Erforschung alter Maltechniken manches Neue gefunden worden, vor allem
hat die Wissenschaft der mikrochemischen Analysen unserer Erkenntnis neue
Bahnen eröffnet und manch’ wichtige Resultate gezeitigt. Die schwierigste
aller der Fragen auf diesem Gebiete, die der Beantwortung harrt, ist aber

XIV

die der Van Eyek-Technik. Prof. Dr. Raehlmann in Weimar, dessen Arbeiten
in dieser Hinsicht bis jetzt am meisten Beachtung gefunden, gesteht es selbst
zu, dass er in dieser Frage nicht über Ausschlussdiagnosen hinweggekommen
ist, so dass eine endgültige Entscheidung noch aussteht. Dieser Umstand
war für mich mit ausschlaggebend, den die Van Eyck-Technik behandelnden
Abschnitt in seiner ersten Fassung beizubehalten, selbst für den Fall, als sich
meine Theorie von der „Oeltempera der Van Eyck» als unhaltbar erweisen
sollte, was nach den bisherigen Ergebnissen der mikrochemischen Analysen
und den Ansichten neuester Zeit nicht einmal wahrscheinlich erscheint.

Möge die Neuauflage des Buches in den Kreisen der Kollegen und Fach-
leute, wieder die beifällige Aufnahme rinden, die der ersten in so reichem
Masse zuteil geworden ist.

MÜNCHEN, im November 1912.

ERNST BERGER.

I. Teil.
Quellen lür Technik der Malerei

vom IX. — XIII. Jahrhundert.

Geschichtliche Einleitung.

Mannigfach waren die Ursachen, welche zum Zusammenbruch des grossen
römischen Reiches führten. Die wiederholten Einfälle nordischer Völker-
schaften, die über die Hauptstadt Kriegsnot, Plünderung und Verwüstung
brachten, vermochten die Römer nicht einzudämmen; die durch Theodosius
erfolgte Teilung des Reiches unter seine beiden Söhne (i. J. 395 unserer Zeit-
rechnung) wurde demselben zum Schaden, da deren Nachfolger, statt vereint
die Einbrüche der Barbaren abzuhalten, mit Schadenfreude auf die Unfälle des
anderen blickten, ja sogar Barbarenstämme zu Einfällen in deren Gebiete auf-
forderten. Die andauernde Gefahr für Rom ward schliesslich Veranlassung, die
Residenz des alten Reiches in das durch Natur und Kunst befestigte Ravenna
zu verlegen (403), denn Rom war Ziel und Preis des heissen Kampfes. Schon
wenige Jahre später drangen Alarichs Westgoten siegreich bis zur Hauptstadt
vor; Rom kaufte sich zwar (408) durch Geld los, wurde aber später (41ü) doch
erobert und geplündert, wiederholt in Angst und Schrecken versetzt, als die
Hunnen unter Attila bis an die Tore des Reiches vorgedrungen. 455 wurde
Rom abermals geplündert und durch Brand verheert, als Eudoxia, die Witwe
Valentinians gegen Petronius Maximus die Vandalen aus Afrika zu Hilfe gerufen.

Diese geschichtlichen Angaben dürften genügen, um den Untergang von
Roms einstiger Kunstblüte zu verstehen. Denn mit der Verwüstung und Besitz-
ergreifung der italienischen Länder durch barbarische Stämme, in deren Folge
Plünderungen und Feuersbrünste alles vernichtete, was Generationen vorher
an Kunstschätzen angehäuft hatten, hörte auch jegliche Art des Kunstbetriebes
auf. Wie Vasari schmerzvoll klagt, ,, gingen zugleich alle trefflichen Künstler,
Maler und Architekten zugrunde, indem sie selbst und mit ihnen die Kunst
beim Sturz jener hochberühmten Stadt unter ihren Trümmern begraben wurden».

Nur langsam begann wieder erneute Kunstpflege durch die Bauten Theo-
dorichs in Ravenna, die mit Hilfe von griechischen Künstlern ausgeführt wurden.
„Diese Künstler, die besten ihres Berufes, weil sie die einzigen waren, brachten
Mosaik, Bildhauerkunst und Malerei nach Italien und lehrten die plumpe und
rohe Manier, in der sie sie übten, den Italienern, welche sich ihrer in der
Folgezeit bedienten.»

Ungleich günstiger gestalteten sich die Verhältnisse im oströmischen
Reiche, wo durch Konstantins Gründung eine neue Hauptstadt entstand, die
durch den Bau von neuen Palästen, Kirchen, Rennbahnen und Thermen den von
allen Seiten herbeigerufenen Künstlern Beschäftigung und reichen Ertrag
sicherte. Hier strömte denn auch während der Zeit des Friedens unter Justinians
glänzender, obwohl grenzenlos tyrannischer Regierung (527 — 565) alles
zusammen, was an Intelligenz und Kunst hervorragend war. Die durch starke
Festungen erreichte Sicherung der Grenzen war zwar nicht von langer Dauer,
denn unter seinen Nachfolgern begannen die Einfälle nordischer Völker von
neuem; immerhin konnten Kunst und Kunstgewerbe, durch prachtliebende, an

Ende des

römisohen

Reiches

(4)

GrüU’iuujj
von Kon-
stantinipol

— 4 —

orientalischen Luxus gemahnende Herrscher gefördert, stetigen glänzenden
Aufschwung nehmen. x Der Reichtum der Kirchen und Kirchengeräte, sowie
deren Ausschmückung durch Mosaiken und kostbare Steine stellte alles bis
dahin Dagewesene in den Schatten. Die Malerei und auch die Bildhauerkunst,
den Traditionen der alten Kunst folgend, hatten sich der neuen Weltanschauung
angeschlossen und durch hervorragende Werke den christlichen, kirchlichen
Bedürfnissen ihre Dienste geweiht; ja vielen dieser Heiligenbilder wurde in heid-
nischer Art eine Verehrung entgegengebracht, welche für die Kunst selbst in
der Folgezeit höchst verhängnisvoll werden sollte.

Die gebildete Laienwelt der Romäer und ein erheblicher Teil des höheren
Biidverebrung Klerus betrachtete damals mit Besorgnis und Missbehagen die Richtung, in
welcher sich mehr und mehr das religiöse Leben der Massen bewegte; es
wurde immer deutlicher eine Art der Frömmigkeit bemerkbar, die sehr stark
an antikes, um nicht zu sagen derb heidnisches Kolorit gemahnte. Die allgemein
beliebte Verehrung der kirchlichen Bilder ging allmählich in ganz rohen
Aberglauben über; enthusiastische Gläubige kratzten wohl einen Teil der Farbe
ab und schütteten sie in den Abendmahlswein, Mütter legten neugeborene
Kinder heiligen Bildsäulen in die Arme, um sie des Segens der Heiligen teilhaftig
worden zu lassen, Kranko rieben ihre Binden und Decken an ihnen, um gesund
zu werden u. a. 2

Kaiser Leo III., diesem abergläubischen Wesen tief abgeneigt, richtete
seine Reformen zunächst gegen den ,, Bilderdienst». Ein durch den Senat
sanktioniertes Dekret (726) verdammte die Anbetung der Bilder als eine Art
Götzendienst und verfügte, dass in den Kirchen die Bilder höher gehängt werden
sollten, um sie der unmittelbaren Berührung zu entziehen. Ein weiteres neues
Dekret (728), im Sinne der entschlossensten Gegner des Bilderkultus, entfernte
(5) nunmehr alle Bildnisse Christi, der Panagia (Maria), der Heiligen und Märtyrer
aus den Kirchen und heiligen Orten, die, falls sie sich an den Wänden befänden,
mit Farben überstrichen werden sollten.

Sympathie auf einer Seite, bitterer Groll auf Seite der Bilderfreunde war
Bildersturmer zunächst die Folge und ein durch drei Generationen mit furchtbarer Leiden-
schaftlichkeit geführter kirchlicher Kampf entwickelte nun erst in ganzer
Schroffheit den grimmigen Gegensatz zwischen den Ikonoklasten (Bilderstürmern)
und Ikonodulen (Bilderfreunden). Die Klostergeistlichkeit, an ihrer Spitze die
gelehrten Dozenten der Zentralschule von Konstantinopel, die vielen Mönche,
welche sich materiell in ihrer Tätigkeit als Künstler, namentlich als Maler
bedroht sahen, waren natürlich die eifrigsten Gegner der kaiserlichen Reformen.
Ein neues Konzil wurde nach Konstantinopel in den Palast Hieron berufen (754)
und durch eine Reihe von Beschlüssen schroffster Art der Kampf zwischen
beiden Parteien noch einmal in höchst bedauerlicher Weise angefacht. „Nicht
nur dass der Bilderdienst als götzendienerisch verworfen und der Gebrauch
der Bilder und Statuen, selbst der Kruzifixe in den Kirchen untersagt wurde,
die Energie der versammelten Väter richtete sich auch gegen die Kunst selbst,
die man der Reinheit der Religion opfern zu müssen für geboten erachtete.
Es wurde nun auch streng untersagt, fortan kirchliche Bilder und Skulpturwerke
herzustellen, solche in Kirchen oder auch Privathäusern zu halten, und dagegen
Handelnde sollten dem Anathema verfallen sein.»

1 Von geschichtlich wichtigen Daten seien die folgenden hier angereiht:

Die byzantinischen Kaiser behaupteten

Karthago in Nordafrika bis 653. wo es an die Araber verloren ging,

Süditalien bis 660 (wo die Langobarden es teilweise besetzten) und den
Rest bis 880.

Sizilien bis 825, Syrakus bis 880,

R a v e n n a (im sog. Exarchat) bis 728, wo es infolge des Bilderstreites
verloren ging.
Endgültige Trennung der orientalischen von der römischen Kirche 1054.

1 Hertzberg, Geschichte der Byzantiner und des Osmanischen Reiches, Berlin 1883,
S. 103 H’.

— 5 —

Bald nach Konstantins Tode und mit der Regentschaft der schönen, aber (6)
ehrgeizigen und herrschsüchtigen Irene, welche als Frau und als Tochter
von Hellas eifrig dem Bilderdienste ergeben war, trat die Reaktion in dem
kirchlichen Kampfe zu Tage. Ein neues Konzil wurde in Nikaa (787) ein-
berufen, um die alten, im Hieron gefassten Beschlüsse wieder aufzuheben ;
wen die Ikonoklasten wurde das Anathema ausgesprochen. Das kirchliche
Restaurationswerk der Kaiserin Irene hatte aber keineswegs die Kampfe für
immer abgeschlossen. Nach ihrem Sturze (802) lebte der Bilde» reit m, neuer
Leidenschaft wieder auf und dauerte die nächsten Jahrzehnte unter Michael II.
und seinem Sohne Theophilos noch fort, bis unter der Regentschalt von des
letzteren Wüte, nach einem neuerlichen Konzil (18 Febr. 842) die lang be-
gehrten Bilder und Kruzifixe in feierlicher Weise wieder in der Sophienkirche
aufgestellt wurden und der vollständige Sieg der Inkonodulen errungen war.
Die Aufstellung von Statuen ist aber in der griechischen Kirche niemals wieder

gestattet woi J 5 «-^ Bildersturmes natten auch im Norden sich fühlbar gezeigt
und durch das Verbot jeder figürlichen Darstellung auf die Ausgestaltung der rein
ornamentalen Kunst grossen Einfluss genommen. Als durch die Beschlüsse
des Konzils von Nikäa die Bilderverehrung wieder in vollem Umfange hergestellt
worden, nahm auch Karl der Grosse gegen diese Beschlüsse und deren
unmittelbare Urheberin energische Stellung. Seine Anklage- und Verdammungs-
schrift ist uns erhalten in den vier Büchern über die abgöttische Bilderverehrung
(De impio imaginum cultu), einem Werke, das unter unmittelbarer Teilnahme
Karls wahrscheinlich von Alcuin abgefasst und niedergeschrieben wurde.
Nicht bloss die Anbetung (adoratio) der Bilder wird als Abgötterei verworfen
auch die Verehrung (cultus) wird wesentlich eingeschränkt; aber es wird
gestattet, Bilder zu haben, wegen des Gedächtnisses vollfuhrter Taten (hb.
II c. 22), und empfohlen, diese zum Schmuck der Wände (amore ornamenti)

anZUb £ef Gebrauch von Allegorien, die dem heidnischen Kunstvorrat entnommen
sind insbesondere wenn Erde, Flüsse oder Himmelszeichen personifiziert und
mythologische Gestalten, Sirenen, Zentauren usw. dargestellt werden, scheint
dem karolingischen Schreiber verwerflich. Durch solche Stellungnahme ist es
begreiflich, dass die Bilderproduktion sich in einem sehr engen Kreis bewegen

‘° nnt Viele griechische Mönche, die wegen des Bildersturmes ihre Heimat
verlassen mussten, fanden Beschäftigung im Schreiben und Verzieren der Evan-
gelien und Missalen für den Bedarf des Hofes und der Bischöfe und so ee en
wir schon in der nachfolgenden Generation eine wohlgebildete Schule von
Mönchen in allen Teilen des fränkischen Reiches tätig. Ihre Vielseitigkeit
als Baumeister, Maler, Goldschmiede und Mosaikisten spricht sich in alten
Quellen deutlich genug aus; es kam auch oft genug vor, dass ein und derselbe
Mönch in vielen Künsten Meister war. So heisst es von Dagaeus der 586
Sorben sein soll (im Kalender von Cashel, Acta SS. Aug. III 656): „Dieser
EWeus war ein Mann, der Erz und Eisen zu bearbeiten verstand und ein aus-
gezeichneter Schreiber. Dreihundert Glocken hat er gegossen dreihundert
Bischofsstäbe gearbeitet und dreihundert Evangelien geschrieben. Du.ch
rölche Universalität ist es auch erklärbar, dass sich Darst ellungsart und
Motive in gleicher Weise auf Geräten und Miniaturen wiederfinden. Die Spirale,
Durohfleohtungen und Durchwindungen der Bänder, ebenso wie die verschiedenen
Systeme von Gitterwerk und dreieckigen oder anderen geometrischen Figuren
vereinigen sich mit Tiergestalten in der griechisch-byzantinischen und frühen
nordischen Kunst. Waren doch die griechischen Mönche und künstlet : mit
ihren i eichen technischen Erfahrungen überallhin gerufen ; worden, ^ir eben
sie als Architekten in Ravenna tätig, um die Hauptstadt Theodorichs mit
Kirchen und Palästen zu zieren, als Maler entfalteten sie ihr Können in Italien
ebenso wie am Hofe Karls des Grossen, und ihre Tätigkeit lässt sich auch in
Asien verfolgen, wo das neugegründete osmanische Reich ihre Dienste zu

Endo de»
BilderstreiteH

Klösterliche
Kunstpflege

_ 6 —

schätzen wusste. 3 Wie auf anderen Gebieten war Karl auch hier bestrebt,
durch Berufung von Künstlern und Lehrern die Entwicklung der Kunsttätigkeit
in den nordischen Ländern zu fördern; zur Ausführung seiner Königsschlösser
in Aachen und Ingelheim brachte er tüchtige Kräfte aus Byzanz und Italien,
die ihr Wissen dann weiterverbreiteten. Im Münster zu Aachen wurde die
Kuppel in Mosaik, zweifelsohne von byzantinischen Arbeitern ausgeführt.
Quellen des Quellenschriften, die uns über den Stand der technischen Kenntnisse

Jahrhunderts Kunde geben könnten, fehlen in den dunklen Zeiten der Völkerwanderung
und den späteren für die Kunstentfaltung nicht weniger unglückseligen des
Bildersturmes fast ganz. Ohne Zweifel hatten die griechischen, d. i. oströmischen
Künstler traditionell alle Fertigkeiten weitergepflegt, die im alten Rom zur Zeit

Abb. 1. Heuresis zeigt Dioskorides die Mandragorapflanze.
Aus dem Wiener Dioskorides Ms. (Nr. 51 der Versuchskollektion.)

des Glanzes geübt wurden. Das wenige, was uns an Malerei des V. bis
VII. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung erhalten ist, zeigt auch noch in Auf-
fassung und Ausführung den grossen Zug der Antike ; so erinnern die prächtigen
Miniaturen, welche als Widmungsblätter der Dioskorides – Handschrift
(Wiener Hofbibliothek) vorgebunden sind, unverkennbar an den Stil mancher
pompejanischer und römischer Gemälde; so das Titelblatt mit der Darstellung
Kaiserin Eudoxia Anicia, welcher die Handschrift zugeeignet ist, zwischen zwei
allegorischen Figuren, umgeben von einer Reihe kleiner durch Ornamentik
verbundener kameenartiger Kindergruppen; das vortreffliche mit der Darstellung,
wie Heuresis (die Forschung) Dioskorides die Pflanze Mandragora (Alraunwurzel)
zeigt, mit dem verendenden Hunde (Abb. I); ein weiteres Blatt, Dioskorides die

8 Vergl. v. Schack, Poesie und Kunst der Araber. » Bd. II. S. 179 über den Bau der
Moschee zu Damaskus: „Werkleute aus Konstantinopel, die der Chalife (Walid I. reg.
705—715 n. Chr.) sich durch eine eigene Gesandtschaft vom byzantinischen Kaiser

— 7 —

ihm von einer weiblichen Gestalt dargereichte Pflanze beschreibend, während
ein Maler diese abmalt, lassen den bestimmten Schluss zu, dass ähnliche
Auffassung und ähnliches Beherrschen des Figürlichen allgemein gewesen ist,
bevor die schweren Einschränkungen durch die Bilderedikte jegliche figürliche
Darstellung unterdrückten. Ein Jahrhundert des Kampfes hatte genügt, die
Tradition im Komponieren der menschlichen Gestalten vollkommen zu ver-
nichten. Dabei muss aber die Technik des Malens an sioh nicht verloren (8)
gegangen sein ; die Eindämmung der figürlichen Darstellung hat vielmehr
zur vollen Ausbildung des Ornamentes führen müssen, wie wir dies auch an
der raschen Entwicklung der arabischen Ornamentik sehen, die auf ähnlicher
Grundlage, d. h. mit Ausschluss jeglicher Verwendung der menschlichen Figur,
die allerreichsten Blüten zeitigte.

Als dann nach Beendigung des Bildersturmes wieder schüchterne Versuche
gemacht wurden, Wände und Bücher mit Darstellungen aus der Heiligenlegende
zu schmücken, tritt die Härte der Form, das Unbeholfene und Steife im
Komponieren zu Tage, was man als kindlichen Ausdruck eines ursprünglichen,
neuen Stiles zu bezeichnen pflegt, in Wahrheit aber doch auf das Unvermögen
der damaligen Künstler, denen es an der richtigen Schulung und Tradition
fehlte, zurückgeführt werden muss. Oder sollten nur die ungeschickten
Miniaturen uns erhalten und die vorzüglicheren Leistungen alle zu Grunde
gegangen sein?

Die „plumpe und rohe Manier», von der Vasari berichtet, dass sie von ö K« chi t 8 i che
,, griechischen» Künstlern nach Italien verpflanzt worden sei, kann lediglich auf
die figürliche Produktion bezogen werden, denn in der Technik selbst war
kein Stillstand, am wenigsten ein Rückschritt eingetreten, im Gegenteil: Die
„Greci» brachten die Baukunst durch Ausbildung des Kuppelsystems zur Blüte,
sie hoben die von den Römern bereits gekannte Ausschmückung der Wände
und Bogenwölbungen mit Mosaik durch Verbesserung des Materials, indem sie
statt der früher üblichen Steine künstliche Glaswürfel in grosser Vollkommenheit
erzeugten; sie verbreiteten die Kunst des Emaillierens auf Gold und Kupfer
und übten die Goldschmiedekunst ohne Unterbrechung weiter; die reichsten
Aufgaben boten ihnen Gelegenheit in Menge. Die Sophienkirche in Konstan-
tinopel, die Kirchen in Ravenna, in Jerusalem sowie an anderen Orten Klein-
asiens erforderten die tüchtigsten Kräfte. Und ist nicht jeder von der Gross-
artigkeit und Schönheit der Markuskirche in Venedig, die im X. Jahrhundert
von griechischen Künstlern erbaut winde, entzückt und begeistert?

erbitten lies, waren bei der Ausführung des Baues tätig»; S. 199: „Was die Verzierungen
betrifft, so lässt sich deren byzantinischer Ursprung nicht verkennen. In der Tat ist
die Fesifissa, d. h. die aus Glasstücken und kleinen Steinen zusammengefügte Mosaik
des Mihrab ganz das opus graecum, wie es sich in den Kirch«n von Ravenna findet;
auch wird ausdrücklich berichtet, dieselbe sei ein Geschenk des Kaisers von Konstantinopel
gewesen.»

I. Das Lucca-Manuskript.

,, Griechische» Künstler und Kunsthandwerker waren es, die sich in allen
Teilen des alten Reiches ansässig machten und so verdanken wir auch griechischen
Mönchen die im folgenden näher zu besprechende Rezeptensammlung, das
Lucca-Manuskript. 4 Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, dass
£ echD t iy . ch9 ^ e Klöster die Pflegestätten für Religion, Wissen und Künste durch das ganze
Mittelalter gewesen sind, die Mönchsschriften demnach die hauptsächlichsten
Anhaltspunkte für quellenschrifi liehe Nachweise bilden werden; damit ist jedoch
nicht gesagt, dass nur die Mönche technische Kenntnisse hatten und weiter-
verbreiteten; aber sie waren durch ihre höhere Bildung in der Lage, und das
zurückgezogene klösterliche Leben bot ihnen dazu Gelegenheit, ihre Erfahr-
ungen niederzuschreiben, während der gewöhnliche Arbeiter das Erlernte im
besten Falle auf seine Gesellen übertragen konnte, des Schreibens jedoch in
den seltensten Fällen kundig gewesen ist. Aus diesem Grunde wird es oft
möglich sein, bestimmte in den Klöstern mehr gepflegte technische Fertigkeiten
zu verfolgen, während die Spuren anderer Techniken im Dunkel der Unge-
wissheit verschwinden. So lässt sich z. B. die Goldschrift der Miniaturisten
durch alle Jahrhunderte durch Rezepte und Anweisungen kontrollieren , 5
während es schwer möglich ist, die Tradition des antiken Stucco (Tektorium
des Vitruv und Pliuius) in späteren Quellen zu verfolgen ; Stuckarbeiter hat
es aber gewiss zu allen Zeiten gegeben. Noch eines ist bemerkenswert : Je
kostbarer oder schwieriger ein Verfahren ist, desto genauer und ausführlicher
sind die Vorschriften, während das Alltägliche als selbstverständlich gar nicht
erwähnt wird. In dieser Beziehung ähneln die alten Rezeptensammlungen
auffallend (man verzeihe den trivialen Vergleich) denen unserer Köchinnen ;
seltenere Brühen, Kuchen, eingemachte Früchte zu Geldes, feines Gebäck und
besondere Braten zu bereiten, das steht säuberlich, wenn auch unorthographisch,
darin verzeichnet, aber niemals wie Rindfleisch zu sieden, Kartoffeln zu schälen
und Gemüse zu bereiten oder wieviel Eier zum Eierkuchen zu nehmen sind.

In gleicher Art sind auch bei den alten Rezeptensammlungen die An-
weisungen ohne bestimmte Ordnung aneinandergefügt, wie sie der betreffende
Schreiber nach und nach erhalten oder wie sie ihm in den als Vorlage dienenden

4 Muratori, Antiquitates Italicae med. aevi T. II, S. 364 — 387, Dissertatio XXIV».
Das Ms. befindet sich in der Kapitelsbibliothek der Kanoniker zu Lucca. (Arm. I. C. L.)
Muratoris Ausgabe ist betitelt: Compositiones ad tingenda Musiva, Pelles et alia, ad
deaurandum ferrum, ad Mineralia, ad Chrysographiam, ad glutina quaedam conficienda,
aliquae artium documenta, anie annos nongeutos scripta (Rezepte zum Färben von
Mosaik, Fellen und anderen Dingen, zur Vergoldung von Eisen, zum Gebrauch von
Mineralien, zur Goldschrift, zur Erzeugung jedweden Bindemittels und anderer Künste
Nachweis, vor neunhundert Jahren geschrieben).

8 Ueber die ununterbrochenen, quellenmässig zu verfolgenden technischen Tra-
ditionen, von den Aegyptern angefangen bis in die Zeit des christlichen Mittelalters
vergleiche man die bezügl. Ausführungen, die Berthelot in seinen vortrefflichen
Werken gibt: Introduction ä la Chimie des Anciens in Collection des anciens Alchi-
mistes Grecs (Paris 1888) S. 200 ff.; La Chimie au moyen-äge (Paris 1893) T. I.; vergl.
auch Kopp, Beiträge zur Geschichte der Chemie, Braunschweig 1869.

— 9 —

Manuskripten zur Verfügung standen. Nicht allein das Luoca-Ms. aus dem Lucoa-M 8 .
IX. Jahrhundert, auch spätere Handschriften, wie die Mappac olavioula, das (10)
Liber sacerdotum, die Bücher des Heraclius, Alcherius, Le Begue bilden solche
Konglomerate aneinander gefügter Anweisungen, deren Verständnis dadurch
erschwert ist. Erst in der Schedula des Theophilus Presbyter erscheint die
Form der Einteilung in die einzelnen Kunstfächer aufgenommen.

Treten wir diesen Qellen etwas näher, so erkennen wir auf den ersten
Blick zumeist, mit welchen besonderen Kunstzweigen der ursprüngliche Schreiber
sich am meisten beschäftigt hat, denn es ist nur natürlich, dass er die für
ihn wichtigeren Rezepte in erster Linie niedergeschrieben haben wird. Im
Lucca-Ms. ist es ein Mosaikist, welcher die Rezepte für die Bereitung ver-
schiedenfarbiger Glaspasten zuerst bringt, in der Mappae clavicula ein
Miniaturmaler, der Farbenrezepte und anderes für seine Kunst ihm wichtig
Scheinendes an die Spitze setzt; in dem Leydener Papyrus aus dem III. Jahr-
hundert war es ein Goldschmied, der sich auch mit Goldschrift und Purpur-
färberei beschäftigte; Theophilus war Maler, in Glas- und Metallarbeiten
erfahren usw.

Inhaltlich umfasst die Rezeptensammlung des Lucca-Ms. folgende Dinge 6 : Inhalt dee *»■

Färbung von künstlichen Steinen zur Mosaikdekoration, deren Vergoldung,
Versilberung und Polierung ; Fabrikation von farbigem Glas, in Grün, Milchweiss,
verschiedenen Nuancen Rot, Purpur und Gelb; Färbung von Häuten, Holz, Bein
und Hörn.

Liste von Mineralien, diverser Metalle und Erden, welche für Goldschmiede-
kunst dienlich sind.

Anweisungen zu einzelnen Präparationen , wie die Extraktion von
Quecksilber, von Blei, Schmelzen von Schwefel, Bereitung von Bleiweiss,
Grünspan, Galmei, Zinnober, von Bleiolätte, Auripigment etc.

Metallegierungen, wie Bronze, weisses und goldfarbiges Kupfer.

Die Erzeugung von Pergament und von Firnissen ist Gegenstand besonderer
Rezepte, ebenso die Herstellung von Pflanzenfarben zum Gebrauch von Malern
und Färbern.

Eine ganze Reihe von Anweisungen ist der Vergoldung, der Erzeugung
von Goldblättern, die sich ebenso schon in den Schriften der griechischen
Alchemisten, wie in den späteren des Theophilus u. a. finden, gewidmet:
Vergoldung auf Glas, auf Holz, auf Leder, Blei, Zinn und Eisen; Erzeugung
von Goldfäden für Stickerei; Verfahren, um mit Goldschrift zu schreiben;
Rezepte, um Gold oder Silber durch Amalgamierung in Pulverform zu bringen
(chrysorantista oder aurisparsio ; argyrosantista oder argentisparsio). Daran
schliessen sich noch Methoden zum Schmelzen und Legieren von Metallen
unter dem allgemeinen Namen Gluten, worunter auch Kitte und Leime für
Holz, Stein, Bein usw. verstanden werden.

Dass der Verfasser der Oompositiones des Lucca-Ms. ein Grieche war, Der d y 8 er ^ 8äer
der der lateinischen Sprache sehr unvollkommen mächtig gewesen, ist wahr-
scheinlich; viele Ausdrücke sind griechisch oder mit griechischer Endung,
doch laufen bereits frühitalienische Sprachwendungen mitunter, und die Kon-
struktion ist fast durchgängig mit dem klassischen Latein in Widerspruch. 7
Dadurch wird ein vollkommenes Verständnis fast zur Unmöglichkeit, umsomehr

6 Berthelot, Chimie au moyen-äge I. S. 8.

7 Wie der Schreiber einfach nach dem griechischen Diktat in lateinischen Lettern
niedergeschrieben, zeigt der Artikel Chrysorantista (126); man findet im Ms.: Crisor-
catarios sana, megminos, metaydos argiros et chetes, cinion chetis, chete, yspureornm.
ipsincion. ydrosargyros, chetmati. aut abaletis sceugmasias. dauffira hecnamixon . . .
pulea ai buli. Mit Zuhilfenahme des nachfolgenden Rezeptes (127) liest Berthehit
(a. a. , S. 9): Xpooög xaihcpö; &vap.eii,£Yl lsx0 S V- Z ~’ J – &8pdpYi)pog xal -.i- . . . . slg äJop . . . .
Safran soviel als nötig ist. Mische alles zusammen
mit Wasser und lasse es kochen.»

„Diese drei Arten sind anzuwenden, wenn mit Blattgold zu ver-
golden ist.» 14
Zu bemerken ist bei der dritten Art, dass diese Mischung von Gummi,
Leinöl und Wasser der sogen. Emulsion entspricht, durch welche es
möglich ist, Oele wassermischbar zu machen. Eine ähnliche Anweisung findet
sich noch einmal, um Zinnfolie goldfarbig zu machen (113).

Gleich darauf folgen dann zwei Anweisungen, wie Leinöl für Zweoke der
Vergoldung zu präparieren ist, mithin um Oelbeizen (Mordants) zu bereiten.

86. De Oompositio linei (Mapp. CXIII). Von der Zubereitung des
Leinöls.

Leinöl wird mit Gummi und Tannenharz zusammengekocht.

87. Lineleon exauratione (Mapp. wie oben). Leinöl Vergoldung.

Leinöl, Gummi, Harz und Safran werden miteinander wie oben
gekocht. 15

Die Gewichtsangaben in den beiden Ms. variieren, in Mapp. ist das Ver-
hältnis der Harze zum Oele grösser angegeben.

Das nächste Rezept (88. De operatio externiture; Mapp. OXIV) Von
Vergoldung an Aussenwänden lehrt auf rohen Pellen zu vergolden, indem
als Unterlage zunächst ein Ueberstrich von Bleiweiss oder anderer Farbe ge-
geben wird; dieser ist nach dem Trocknen mit dem Leinölmordant, dem Crocus
beigemischt ist, einzureiben, um dem Blattgolde als Unterlage zu dienen.

Diese Anweisung führt uns zu den farbigen Oelbeizen, die geeignet
sind, nicht nur Metallen wie Silber oder Zinn einen leuchtenden, meist goldigen
Ueberzug zu verleihen, sondern auch zur Verwendung auf mit Farben bemalter
Fläohe. Im Zusammenhang mit diesen Rezepten steht eine eigene Art von
Malerei, die wir auch bei Theophilus (Schedula Kap. XXIX.) wiederfinden
werden und dort die „durchscheinende oder goldige» (translucida sive aureola)
genannt wird. Das Verfahren bestand , darin, auf mit Zinnfolie belegtem Holz,
oder auf Metall selbst, Farben dünn aufzutragen, so dass das darunter befind-
liche Metall durchleuchtet. Man pflegte auch den Zinnfolien vorher eine
goldige Färbung zu geben, um dieselben für reichere Verzierungen vorrätig zu
haben. Ein solches Rezept ist beschrieben in :

89. De inductio exaurationes (Mapp. CXV) Von Vergoldung der
Zinnfolie.

Uer Zinnfolie wird hier mittelst einer Mischung von Crocus , Auripigment
und Schöllkraut, die mit Gummi und Leinöl angerieben werden, ein goldfarbiger
Ueberzug gegeben. 16

14 Nach Lucca-Ms. ist die erste Art ebenso auf Holz, wie auf Tüchern und
Wänden gebräuchlich (. . . operarit in ligno, in pannis, vel in parietibus). Die Mapp.-
Rez. machen einen genaueren Unterschied und bezeichnen die erste Vergoldungsart
für Holz gebräuchlich (. . . operare in ligno quando opus est. In pannis vero, vel
parietibus, tolles albuginem ovi . . .). Auch im letzten Teil sind kleine Unterschiede,
doch ist Mapp. textlich jedenfalls richtiger; Lucca-Ms.: lineleo •/. 1, gummam
infusam •/. 1, grogum, quod sufficit. Commiscet cum aqua. Decoque ista tria capitula;
ubi necesse est in exauratione petalorum operare. Mapp.: Item, lineleon •/■ 1, gummae
infusae •/. 1, crocum, quod sufficiat, commisce: cum aqua decoques. Rubrica. Ista
tria capitula sequenta ubi necesse fuerit in exauratione petalorum operare.

15 Aus dem Text ist nicht genau ersichtlich, was für Gummi und welche Harze
gemeint sind.

16 Der goldfarbige Ueberzug auf Zinnfolie, mittelst Schöllkraut, Safran und
Auripigment sind ebenso im Papyrus Leyden und im Pseudo-Demokrit zu gleichem
Zwecke genannt. Berthelot, Introduct. ä la chimie des Anciens p. 59. Färbung von
Zinnfolie zu gleichem Zwecke bei Theophilus K. XXIV, XXV, XXVI; Heraclius III
K. XIII.

— 15

Durch-
scheinende
Malerei

Ein weiteres Rezept (113. De tinctio petalorum; Mapp. OXVI und Luooa-Ms.
CCVIII), Von der Färbung der Metallblätter, ist genauer, und zeigt
wie oben (85) die Verwendung der Gummi-Oel-Emulsion zu Zwecken der
Vergoldung :

„Nimm reinen Safran 1 Unz., gut geriebenes Auripigment 2 Unz.,
mische diese mit 1 I* Unz. Gummi und x /a Unz. Leinöl nebst Regen-
wasser und lasse zusammen sieden, so dass es sich vermischt. Ver-
reibe es tüchtig und färbe mit einem Schwämme die Zinnblätter; wenn
diese trocken sind, färbe ein zweites Mal, nachher reibe sie mit dem
Onixstein, damit es glänzt.»
Die Hauptanwendung besteht aber darin, die farbigen Oelbeizen zu öih ar zmaierei
malerischen Zwecken zu verwenden und da zu diesem Oele allerlei Harze
genommen werden, ist diese Malart als Oel harz mal er ei zu bezeichnen, über
deren Ursprung aus der altrömischen Enkaustik im I. ßd. dieses Werkes (S. 234;
einige Andeutungen gemacht wurden.

Auffallend kompliziert sind die bezüglichen Rezepte des Lucca-Ms:
57. De confectio Lucidae (Mapp. CCXLVI). Von der Herstellung der
durchscheinenden Malerei.
„Wie auf Goldblättern durchscheinend gearbeitet wird. Leinöl
5 Unz., Galbanharz 2 •/., Terpentin (terebentina) 2 •/•, Pinienharz 1 •/.;
diese drei Spezies löse zusammen mit etwas Leinöl auf, hernach füge
noch hinzu: 1 Unz. oriental. Crocus, 4*/. Weihrauch, 2*/. Myhrren-
harz, 27. Mastix, 2 ■/. Pinienharz, 2 •/• ungereifte Pappelblüten, 2-/.
Vernix (veronioe.) Das Leinöl und die Goldleime (auricolla) vermische
und wenn die Masse zergangen, seihe sie durch. Lasse das Ganze
am Feuer erwallen und mische noch Kirschgummi 2 Unz. hinzu. Ist
alles (Crocus, Weihrauch, Myrrhe, Kirschgummi, Fichtenharz, Pappel-
blüten, Vernix) vereinigt, so lasse es mit 4 Unz. Leinöl zusammensieden.
Nachher seihe es durch ein Tuch. Du magst auch diese Spezies
miteinander mischen, d. h. Galbanharz, Terpentin und Pinienharz, und
wenn irgend ein Fehl daran sei oder es nicht trocknen sollte, füge
Mastix, soviel du magst, etwa eine oder eine halbe Unze hinzu, es
wird dann fehlerfrei.» 17
Das Rezept dient, wie schon erwähnt, dazu, als transparentes Medium
von goldgelber Farbe (durch den Crocus bedingt), die Goldblätter noch goldiger
erscheinen zu lassen. Ein zweites Rezept (62. De lucide ad lucidas; Mapp.
CCXLVII) lehrt die gleiche transparente Wirkung auch auf gewöhn-
lichen Farben, mithin als Lasur anzuwenden; es ist demnach ein farbiger
Firnis, der über die Malerei gestrichen wurde und den Giotto’s Zeitgenossen
noch vielfach verwendet haben.

Ebenso wie bei dem vorigen Rezepte wird Leinöl 4 Unz., Terpentin 3 •/.,
Galbanharz 2 ■/’., Lärchenharz (larice) 2 •/., Weihrauch 3 •/•, Myrrhe 3 •/., Mastix
3 ■/., Vernix 1’*/., Kirschgummi 2 •/•, Pappelblüten 2 •/., Mandelbaumgummi 3 •./,
Pinienharz 2 •/. zusammengeschmolzen, nachdem die Spezies gestossen worden
und die Masse durch ein Leinent