Fuente: archive.org

Die Maltechnik des Altertums, nach den quellen, funden, chemischen analysen und eigenen Versuchen .. (1904)

Author: Berger, Ernst, 1857-1919
Subject: Painting, Ancient
Publisher: München : G.D.W. Callwey
Language: German
Call number: 1863697
Digitizing sponsor: University of British Columbia Library
Book contributor: University of British Columbia Library
Collection: ubclibrarytoronto
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Description

Bound with the author’s Quellen und Technik der Fresko-, Oel- und Temprea- Malerei des Mittelalers…2. Aufl. Munchen, 1912

 

U.B.C. LIBRARY

THE LIBRARY

THE UNIVERSITY OF
BRITISH COLUMBIA

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BEITRÄGE

ZUR

ENTWICKELUNGS-GES6HI6HTE

DER MALTECHNIK

MIT UNTERSTÜTZUNG DES KÖNIGLICH PREUSSISCHEN MINISTERIUMS DER GEISTLICH!
UNTERRICHTS- UND MEDIZINAL-ANGELEGENHEITEN

HERAUSGEGEBEN VON

ERNST BERGER

MÜNCHEN 1904.

VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY.

DIE

MALTECHNIK DES ALTERTUMS

NACH DEN QUELLEN, FUNDEN, CHEMISCHEN ANALYSEN UND

EIGENEN VERSUCHEN

VON

ERNST BERGER

VOLLSTÄNDIG UMGEARBEITETE AUFLAGE

ERLÄUTERUNGEN ZU DEN VERSUCHEN ZUR REKONSTRUKTION
DER MALTECHNIK DES ALTERTUMS».

MIT ZWEI FARBIGEN TAFELN UND 57 ILLUSTRATIONEN.

MÜNCHEN 1904.

VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY,

Digitized by the Internet Archive

in 2010 with funding from

University of British Columbia Library

http://www.archive.org/details/diemaltechnikdesOOberg

Inhalt.

Vorwort

I. Teil.

Technik der Malerei bei den alten Aegyptern, Assyriern, Persern

und in Ostasien.

I. Die Maltechnik der alten Aegypter ….

1. Wandmalerei der Aegypter ….

2. Malerei auf Holzunterlage ….
Aelteste Art der Malerei auf Mumiensärgen
Zweite Periode der technischen Arbeitsführung beim

Mumiensärge

Reicher Stil

Neuerungen in koloristischer Beziehung
Kaschierungen mittels Leinwand ….
Realistische Periode der ägyptischen Malerei
Letzte Periode. Mumienporträts der hellenistischen Zeit

3. Farben der Aegypter

II. Die Maltechnik im alten Assyrien, Persieu und Ostasien

111. China und Japan

Seite
IX— XII

Ausschmücken der

3

6

11

13

14
15
16
18
19
21
22

29
37

II. Teil.
Technik der griechischen und römischen Malerei.

AllgemeineUebersicht über die Entwicklung im Altertum
I. Die Wandmalerei bei den Griechen und Römern (Alter und Charakteristik)
II. Der Meinungsstreit über die Technik der antiken Wandmalerei.

1. Aeltere Ansichten

2. Der gegenwärtige Stand der Frage

III. Das antike Tectorium nach Vitrnv und seine besonderen Kennzeichen

1. Massgebende Faktoren für die innere Festigkeit der Mauermörtel im

allgemeinen und des antiken Tectoriums im besonderen .

2. Erzielung der äusseren Erscheinung an dem Tectorium der Aken

IV. Die „Ganosis».

Das antike Verfahren zur Glättung des Stucco mit Hilfe des sog. Pu-

nischen Wachses

V. Das „wie ein Spiegel glänzende» Tectorium des Vitrnv und Stucco lustro
der Italiener

49
58

63

69
83

89
94

98
104

VI

Seile
119
121

123
124

VI. Meine Versuche zur Rekonstruktion der antiken Wandmalerei
Vorbemerkung

1. Versuche zur Herstellung des Tectoriums

2. Versuche, die letzte Stuckschicht durch Zusätze organischer Natui
zu festigen

3. Versuche, den so hergestellten Stucco zu glätten

4. Versuche, mit verschiedenen Bindemitteln auf frischem, nicht ge-
glätteten Stuccogrund zu malen und das Gemalte zu glätten . . 124

5. Versuche , mit Tempera-Bindemitteln auf frisch geglättetem Grund

zu malen 125

6. Versuche, mit Galle auf frischem Stuck zu malen …. 127

7. Versuche, auf dem in Stuccolustro-Manier geglätteten Grund Orna-
mente und Figuren zu malen 128

8. Schlussarbeiten 128

9. Zusammenstellung der durch die Versuche gefundenen Resultate 129
10. Chemisches Verhalten 129

VII. Die chemischen Analysen und ihre Bedeutung für die Kenntnis

der antiken Technik 131

1. Chevreul’s chemische Analysen der gefärbten Bewürfe und Ma-
lereien pompejanischen und römischen Ursprungs …. 135

2. Untersuchung römischer und pompejanischer Farben und Unterlagen

von Geiger 140

3. Faraday’s Analysen von Bewürfen und Farben athenischer Mo-
numente …………. 144

4. Lande rer’s Analysen von Farben antiker Monumente in Athen 145

5. Chemische Analyse von Wilh. Sem per 145

6. Versuche, den Einfluss grosser Hitze, wie sie bei der Verschüttuug
von Pompeji durch den glühend heissen Aschenregen allerwärts ge-
herrscht haben muss, auf die Malerei und das Tectorium zu ergründen 148

VIII. Schlussfolgerungen.

Technische Verschiedenheiten innerhalb der antiken Wandmalerei 151

III. Teil.
Die anderen Arten der Malerei bei den Griechen und Römern

(insbes. Tafelmalerei in Tempera und Enkaustik).

Die Tafelmalerei . 171

I. Tempera und Temperamalerei 172

II. Die Enkaustik.

1. Die litterarischen Zeugnisse 185

2. Die hellenistischen Mumienporträts aus dem Fayüm und andere
Tafelbilder 197

3. Der Instrumenten f und von St. Medard-des-Pres und meine Versuche

in enkaustischer Technik 211

4. Ergebnisse für das Wesen und die Entwicklung der enkaustischen
Technik 219

a) Die Canterium-Techuik 219

b) Cestrum-Technik 223

c) Pinsel-Technik 226

5. Ende der Enkaustik und der Wachsmalerei des Altertums (der Fund

von Herne -St. Hubert) 230

III. Polychromie der Statuen (Malerei auf Marmor, Ton u. a.) . . . 239

IV. Uebergänge zur byzantinischen Zeit (Vergoldung, Miniatur,

Mosaik) 245

VII

IV. Teil.

Anhänge.
Anhang 1. Seite

Die Farben der Alten 255

Anhang II.

Malgeräte im Museum zu Neapel 263

A n h a n g III.
rheinische Analysen.

1. Chevreul’s chemische Analysen römischer Farben und anderer Substanzen
des Fundes von St. Medard-des-Pres

enienz des Fundes von

268

2. Chemische Analysen von Farben römischer Pro 1 ?

Herne -St. Hubert in Belgien 271

a) Analysen von Dr. Fr. Schoofs 271

b) Bericht von Chemiker Georg Buchner 273

Anhang IV.

Verbreitung der alt-römischen Stuckmalerei in Deutschland … 276

Anhang V.

Frühere Rekonstruktionen 285

a) Enkaustik 285

b) Wandmalerei 295

Anhang VI.

Kollektion meiner Versuche zur Rekonstruktion der Maltechnik des Altertums 304

Anhang VII.

Litteratur 307

Register 309

Vorwort.

Zehn Jahre sind verflossen, seit ich anfing-, mit den Ergebnissen meiner
Studien zur Geschichte der Maltechnik in die Oeffentlichkeit zu treten. Die
beiden ersten Hefte meiner ,, Beiträge», welche die Malerei des Altertums zum
Gegenstande haben, sind in den Jahren 1893 und 95 erschienen; mit dem
vorliegenden Bande erscheinen sie jetzt in einer neuen, teils völlig umgearbeiteten,
teils erweiterten Gestalt, von der ich hoffe, dass sie in mehr als einer Hinsicht
sich als eine verbesserte erweisen werde.

Unverändert geblieben sind die Voraussetzungen, die meine Ansicht von
dem historischen Zusammenhange der Tradition bestimmen, und die Forschungs-
methoden, die im einzelnen Falle durch Zahl und Art der uns zu Gebote
stehenden Hilfsmittel bedingt sind.

Ich halte fest an der Ueberzeugung, dass die Maltechnik sich nicht anders
entwickelt haben könne als alle übrige Kultur, nämlich in allmählichem Fort-
schritt und langsam sich vollziehenden, daher erst nach gewisser Zeit bemerk-
baren Uebergängen. Jede Neuerung wird eine Vervollkommnung oder Be-
reicherung der früheren Verfahren gewesen sein und eine aus der natürlichen
Beschaffenheit des Materials geschöpfte Handwerkserfahrung zur Grundlage
gehabt haben. Und keine einmal gewonnene Erfahrung ist völlig spurlos
wieder untergegangen, selbst wenn im Wechsel der Zeiten die Gelegenheit,
sie in der ursprünglichen Art weiter anzuwenden, sich vermindert oder ganz
aufgehört hatte, sondern das Wesentliche davon hat sich auf die Folgezeit
vererbt und, wenn auch in veränderter Form der Anwendung, fruchtbar fort-
gewirkt. Wie innig auch in der Kunst der Zusammenhang ist zwischen den
Ausdrucksmitteln und dem erreichten Ausdruck, zwischen dem technischen
Können und der künstlerischen Auffassung und Durchbildung , so hat doch
die Maltechnik im engeren Sinne nicht unmittelbar und in gleichem Masse
teilgenommen an dem Niedergang der künstlerischen Malerei, deren Höhe und
Vollendung in erster Linie von dem Vorhandensein grosser und schöpferischer
Talente abhängig ist. Vielmehr ergibt sich im Technischen eine fast ununter-
brochene Ueberlieferung vom Altertum durch künstlerisch arme Jahrhunderte
hindurch zum Mittelalter und darüber hinaus, wenn man die grossen Zeiträume
nicht isoliert für sich betrachtet, sondern aufmerksam nach vorn und wieder
nach rückwärts schauend den ganzen geschichtlichen Verlauf im Auge be-
hält und sich den Blick schärft für die Zusammenhänge, die vorhanden sind,
auch wo sie nicht ohne weiteres zu Tage liegen.

Bei einer solchen auf das Ganze gerichteten Betrachtung wird wohl
auch die Hypothese, wenn sie nicht mehr scheinen will als sie ist, die Er-
laubnis erhalten, einmal ergänzend einzutreten, wo die Lückenhaftigkeit des
Quellenmaterials uns die Gewissheit des Beweises versagt. Das ist ja die
grösste unter den mancherlei Schwierigkeiten, die sich der Ergründung längst-

X

vergangener Tatsachen entgegenstellen, dass die unentbehrlichen Hilfsmittel —
bei den hier zu lösenden Problemen die litterarischen Zeugnisse und die er-
haltenen Denkmäler aus dem Altertum und die Ergebnisse chemischer Unter-
suchungen von Farbstoffen und Bindemitteln — nicht in jedem Falle in hin-
reichendem Masse und alle zugleich vorhanden sind, so dass sie einander
unterstützen könnten. Manchmal fehlen die Schriftquellen, manchmal die
Funde und mit ihnen die Gutachten der Chemiker. In dem günstigen Falle
aber, dass alle drei Bedingungen erfüllt sind, entstehen andere Schwierigkeiten
durch den Meinungsstreit derjenigen, die als eigentlich Sachverständige zu
einem Urteil berufen sein sollten. Ueber eine schwerverständliche Textstelle
des Vitruv, einen in seiner Kürze nicht unzweideutig klaren Satz des Plinius
oder einen dunklen technischen Ausdruck der Alten wird man entscheidenden
Aufschluss bei den Archäologen oder den Philologen suchen, die neben der
grammatischen Schulung auch Verständnis haben für das Reale der Gegen-
stände, um die es sich hier handelt; aber nicht selten liegt die Sache so, dass
mehrere Auffassungen mit scheinbar gleich triftigen Gründen sich stützen
lassen; in anderen Fällen ist die von litterarisch-wissenschaftlicher Seite ge-
gebene Erklärung nicht nach dem Sinne des technisch erfahrenen Malers,
der die von seinem besonderen Standpunkt aus gefasste Ansicht in den um-
strittenen Textworten wiederfinden möchte und, wenn er eigensinnig ist, Gefahr
läuft, den Worten Gewalt anzutun, um sie für seinen Zweck brauchbar zu
machen. Von solchem Eigensinn glaube ich mich freigehalten zu haben.
Wedei’ in philologischen noch in chemikalischen Dingen habe ich mir auf Grund
eingebildeten Besserwissens ein eigenes Urteil angemasst, vielmehr mich der
überlegenen Einsicht der Männer vom Fach untergeordnet, allerdings nicht
in blindem Glauben, sondern so, dass ich von der einleuchtenden Beweiskraft
ihrer Gründe mich überzeugen liess. So habe ich unter sorgfältiger Berück-
sichtigung alles erreichbaren Materials und reiflicher Prüfung aller früheren
Ansichten danach gestrebt, die in Betracht kommenden Momente so mit ein-
ander in Einklang zu bringen, dass sich eine theoretisch wahrscheinliche
Restitution der verschiedenen Arten antiker Maltechnik ergibt. Aber um die
letzten Zweifel zu beseitigen, musste noch Eines hinzukommen: das Ex-
periment, der eigene Versuch praktischer Anwendung, der gleichsam die
Probe auf das Exempel der Theorie macht und den augenfälligen Nachweis
liefert, dass die behauptete Technik auch in Wirklichkeit ausführbar ist und
je nach der Geschicklichkeit des Ausführenden verhältnismässig dieselben
Wirkungen erreicht, die an den Denkmälern aus dem Altertum zu beobachten
sind. Auf diese Art der Beweisführung lege ich ganz besonderes Gewicht.
Es gibt kein lehrreicheres Verfahren, sich über die Praxis der antiken Technik
zu -unterrichten , als in methodisch ausgeführten Proben Nachbildungen von
alten Werken zu versuchen; in diesem Sinne gilt auch hier das bewährte
„Probieren geht über Studieren».

Diese Theorie und Praxis kombinierende Methode habe ich den allge-
meinen Grundsätzen nach schon vom ersten Beginn meiner Untersuchungen an
befolgt; nur die Umsicht und Sicherheit in der Anwendung, und hoffentlich
auch die Haltbarkeit der gewonnenen Resultate, ist jetzt gewachsen infolge
der seitdem fast ohne Unterbrechung fortgesetzten Arbeiten und sich mehrenden
Erfahrungen. Dass sich dabei Irrtümer herausgestellt haben, die mir früher
verborgen geblieben waren, ist bei der Schwierigkeit der Sache kein Wunder.
Sie offen als solche anzuerkennen und zu berichtigen ist wissenschaftliche
Pflicht, und die Erfüllung dieser Pflicht würde mir auch dann nicht schwer
gefallen sein, wenn ich nicht den Trost hätte, mich damit in der Gesellschaft
von Männern wie Semper, Hittorff, Montabert u. a. befunden zu haben. Was
die jetzige Formulierung meiner Ansichten betrifft, so stelle ich ihr Schicksal
mit gutem Gewissen der Zukunft anheim. Widerspruch wird nicht ausbleiben,
wie er jedes Abweichen von hergebrachten Meinungen zu treffen pflegt; wenn
er sich an die Sache hält, werde ich von ihm zu lernen suchen, um der
Wahrheit näher zu kommen. Persönliche Antmfle , die wissenschaftlichen

XI

Kontroversen fremd bleiben sollten, sind mir bisher nicht erspart geblieben;
wenn sie sich künftig wiederholen, werde ich sie gelassen ertragen und auf
das unbefangene Urteil Billigdenkender vertrauen. In deren Augen wird mich
vor dem Vorwurf der Leichtfertigkeit die schon äusserlich erkennbare Tatsache
schützen, dass ich es an Mühe und Fleiss im Sammeln und Verarbeiten des
weitschichtigen Materials nicht habe fehlen lassen; wer näher zusieht, wird
auch finden, dass ich keiner Schwierigkeit ausgewichen bin noch bewusster
Weise irgend etwas verheimlicht habe, was auf den Gang der Untersuchung
hätte von EinHuss sein können. Und in jedem Stadium meiner Auseinander-
setzungen ist dem kritischen Leser die genaue Nachprüfung bequem gemacht,
da nicht nur das gesamte Material in authentischer Form und in grösster
Ausführlichkeit und übersichtlicher Anordnung vor seinen Augen ausgebreitet,
sondern auch durch zahlreiche Vor- und Rückverweisungen, selbst auf Kosten
der Lesbarkeit der Darstellung, für die stete Hervorhebung des Zusammen-
hanges gesorgt worden ist.

Blicke ich jetzt, da der vollendete Band seinen Weg in die Oeffentlieh-
keit antreten soll, auf die ganze Summe von Arbeit zurück, die nötig war,
um ihm die Gestalt zu geben, die er schliesslich gewonnen hat, so fühle ich
das lebhafte Bedürfnis, an dieser Stelle in aufrichtiger Dankbarkeit der Männer
zu gedenken, die mit freundlicher Bereitwilligkeit, so oft ich darum bat, meine
wissenschaftlichen Berater gewesen sind und ohne deren Beihilfe ich meine
Aufgabe nicht so, wie es geschehen, hätte lösen können. Vor allen habe ich
meinen verehrten Freund, Herrn Professor Dr. Mayhoff in Dresden, zu nennen,
der, als Herausgeber des Plinius wie als Freund der Malerei für die hier
verhandelten Fragen seit lange interessiert, meine Behandlung des gelehrten
philologischen Materials prüfend und berichtigend verfolgt und sich auch um
die Korrektheit seiner Wiedergabe durch den Druck nach Möglichkeit bemüht
hat. Ei- hat mich noch besonders durch die erste Mitteilung der von ihm
gefundenen Textberichtigung in der Hauptstelle des Plinius (XXX V. 1451)
über die drei Arten der Enkaustik erfreut, die zu einer durchgreifenden Neu-
bearbeitung der betreffenden Abschnitte geführt hat, aber auch zu meiner
Genugtuung geeignet ist, die schon früher von mir aufgestellte Erklärung
jener Technik in allen Hauptpunkten zu bestätigen. Weiter habe ich Herrn
Georg Buch n er hier zu danken für seine Mitarbeit bei allem, was die
Chemie angeht, diese Wissenschaft, die auf allen Gebieten der Technologie
eine wichtige Rolle spielt und besonders auf dem hier betretenen zur Lösung
manches Rätsels berufen ist. Ihm verdanke ich die Möglichkeit, die bisher
bezweifelte Uebereinstimmung der chemischen Analysen mit der litterarischen
Ueberlieferung zu erzielen und das Entgegenkommen des Herrn Francois Huv-
brigts in Tongres (Belgien), des glücklichen Entdeckers des Malergrabes
von Herne-St. Hubert, zu einer so gründlichen und umfassenden Untersuchung
des Bindemittels von Farben aus spätrömischer Periode zu benutzen, wie sie
bisher bei den zur Verfügung stehenden äusserst geringen Mengen gar nicht
möglich war. Nicht minder bin ich dem Direktor der hiesigen Glyptothek.
Herrn Professor Dr. Für twän gier, verpflichtet, der von Anfang an den
Fortschritten meiner Arbeiten eine wohlwollende Teilnahme zugewandt und
sie durch vielfache Hinweise auf die neuesten archäologischen Funde in
dankenswerter Weise gefördert hat.

Endlich spreche ich den Hohen Behörden des Königlich Preussischen
Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- Ange-
legenheiten und des Senates der Kgl. Akademie der Künste in Berlin
für die mir jahrelang gewährte Unterstützung mit geziemender Ehrerbietung
den schuldigen Dank aus. Ich gedenke denselben auch dadurch abzustatten.
dass ich einige Proben meiner Nachbildungsversuche, und zwar vornehmlich
solche, welche die Technik der römisch-pompejanischen Wandmalerei betreuen ,
dem Archäologischen Seminar, der Kgl. Akademie der Künste und der Kgl.
Technischen Hochschule zu München, dem Kaiserl. Deutschen Archäologi-
schen Institute in Rom und anderen Öffentlichen Instituten und Sammlungen,

XII

wie dem Kgl. Albertinum zu Dresden, übergebe. Auf diese Weise werden
diese Versuche einem grösseren Interessentenkreise zugänglich gemacht, und
dieser selbst in die Lage versetzt, der Beweisführung, die ihren Schwerpunkt
darin gesucht hat, durch ausgeführte Proben in die Praxis der alten Mal-
verfahren einzudringen, leichter zu folgen und die Resultate zu prüfen.

Lieber Zweck und Wert einer geschichtlichen Darstellung der Maltechnik
habe ich in der Einleitung zum folgenden Bande (Quellen und Technik der
Fresko-, Oel- und Temperamalerei des Mittelalters) meine Ansicht ausführlich
dargelegt. Mögen meine Herren Kollegen, für die ja in erster Linie das
Studium der Technik alter Zeiten von Nutzen sein dürfte, auch diesem der
Technik des Altertums gewidmeten Bande dasselbe Interesse entgegenbringen,
das den übrigen Bänden bisher in vollem Masse zu teil geworden ist.

MÜNCHEN, im März 1904.

Ernst Berger.

Tafel I. Altägyptische Malereien auf Holz und auf Leinwand.

(Nach Originalen im Besitz des Verfassers.)

Tafel II. Römisch-Pompejanische Stuckmalereien.

(Nach Originalen im Besitz des Verfassers.)

I. Teil.

Technik der Malerei bei den alten Aegyptern,
Assyriern, Persern und in Ostasien.

I. Die Malterhnik der alten Aegypter. l )

Bekanntlich lässt Piaton in seinen Dialogen einen Anonymus sagen. UterderSgypt.
dass man in Aegypten zehntausend Jahre alte Gemälde sähe, und Plinius
erzählt in seiner Natural, histor. (XXXV, 15), dass sich die Aegypter rühmten,
eine um sechs Jahrtausende ältere Malkunst zu besitzen, als die Griechen. Sie
leiteten ihre Königsdynastien direkt von ihren Gottheiten in sagenhafter Vorzeil
ab, und wenn wir auch von der Möglichkeit, derartiger Tatsachen absehen,
so ist doch das Vorhandensein einer dreitausendjährigen hochentwickelten
Kultur vor unserer Zeitrechnung durch die grossartigen Tempelruinen, die
Pyramiden, die Mastaba genannten Gräber und andere Bauten unbestritten.
Dass während einer so langen Zeitdauer Perioden des Aufschwungs mit Zeilen
des Verfalls abwechseln, dass sich auf allen Gebieten künstlerischer Tätigkeit
(Architektur, Bildhauerei und Malerei) allerlei Strömungen und Wandlungen
infolge innerer und äusserer Einflüsse geltend gemacht haben, und dass dabei
Läuterung des Geschmackes, Veredlung der Formen mit technischen Ver-
besserungen Hand in Hand gegangen sein müssen, ist eine zwingende Not-
wendigkeit aller Kulturentwicklung. Mit Recht hat deshalb die veraltete
Ansicht von einer absoluten Unveränderlichkeit der ägyptischen Kunst ihre
Gültigkeit vollständig eingebüsst, seitdem man gelernt hat, die Gesetze, welche
die Kunstübung aller Zeiten und Völker beherrschen, auch in der Kunst der
Aegypter wirksam zu sehen.

Ein Hauptpunkt ihrer religiösen Anschauung war der Glaube an das Ursachen dor
materielle Fortleben nach dem Tode; infolgedessen haben die Aegypter seit
den ältesten Zeiten der Einbalsamierung der Toten und allem, was mit dem
Totenkultus zusammenhängt, die grösste Sorgfalt zugewendet. Wohlausgeri’tstet
sollte der Verstorbene die Fahrt ins Schattenreich antreten, und deshalb hatten
ihm die Zurückgebliebenen allerlei Weihgeschenke, selbst Wegzehrung mit
ins Grab gegeben und Gebete auf die Sargumhüllungen geschrieben, damit
ihm der Eintritt in das Jenseits erleichtert werde. Diesen Gebräuchen und
der fast das ganze Jahr andauernden Trockenheit des Nillandes ist es zu dank im.
dass die Jahrtausende nur wenige Spuren an den ausgegrabenen Schätzen
hinterlassen haben, und da hauptsächlich alle zum Totenkultus gehörigen
Dinge in fast tadellosem Zustande erhalten sind, so kann man dreist l>e-
haupten, in keinem Lande einer ähnlichen durch so lange Zeit wählenden,
ununterbrochenen Reihenfolge gleichartiger Dinge zu begegnen, wie sie aus

Erhaltung.

*) Litteratur:

Perrot et Chipiez, Histoire de l’Art dans l’Antiquite Paris 1882. T. I
p. 781 t.

Prisse d’Avennes, Histoire de l’Art egyptien. Paris 1878-79. Textband,
p. 289 f.

Merimee, Dissertation sur la preparation et l’emploi des couleurs, dos,vernis etc.
in dem Catalogue raisonne et historique des Antiquites decouvertes en Egypte par
J. Passalacqua, de Trieste, Paris 1826, p. 258 f.

M. von Minutoli, Reise zum Tempel des Jupiter Ammon und nach Ober-
ägypten, nebst ehem. Analysen von Prof. John, Berlin 1827, p. 330 f.

1*

— 4 —

den Grabstätten Aegyptens zutage gefördert worden sind. Von der ältesten
Art der einfachen Bemalung von Mumien -Särgen und Mumienhüllen, von
der Behandlung des Materials, des Holzes und der Leinwand,’ die mit
monochromen schematischen Figuren und mit symbolischen Darstellungen,
Götterbildern und Hieroglyphen geschmückt wurden, bis zu den kunstvollen,
reichen plastischen Verzierungen, den vergoldeten Masken und den durch
vielfache Leinwandschichtung hergestellten Kaschierungen späterer Zeit,
dann noch weiter bis in die Zeiten der hellinistischen Mumienporträts, die in
Wachsenkaustik und ähnlichen vorgeschrittenen Techniken gefertigt wurden,
alle diese vielen Stadien der fortschreitenden Entwicklung liegen sichtbar vor
unseren Blicken.
stilistische Dem aufmerksamen Beobachter wird es kaum entgehen, dass die in

Verschieden- . . .. . t-> •

heiteD. irgend einem grosseren Museum (z. B. Paris, London, Berlin, Wien, Florenz
u. a.) aufgestapelten altägyptischen Malereien unter einander Verschiedenheiten
zeigen, die abgesehen von allgemeinen stilistischen Momenten vor allem durch
die materielle Behandlung bedingt sind. Innerhalb der gleichen Formen voll-
ziehen sich nämlich stetige Veränderungen, die ausser auf die Verfeinerung
des künstlerischen Geschmackes auf eine verbesserte Technik hinweisen. Ob
hier äussere Einflüsse sich geltend gemacht haben , oder die naturgemässe
Ausbildung der technischen Fertigkeiten allein die Schuld trägt, ist an sich
gleichgültig; jedenfalls stehen diese Erscheinungen mit dem allgemeinen
Stand der kulturellen Entwicklung im innigsten Zusammenhang. 2 )

2 ) Zum besseren Verständnis der Eutwicklungsstadien der altägyptischen Kunst
und deren Beeinflussung von aussen mögen hier einige Hauptdaten aus der Geschichte
Aegyptens angeführt werden: I. Zeit der Pharaonen (etwa 3000 vor Chr.), welche
nach der Meinung der Aegypter den drei Götterdynastien folgte. Die ersten Pyra-
miden erbaute Uneph es und seinem Beispiele folgten fortan alle Könige von Memphis
(Cheops, Chephren, Mykeriuos der IV. Dynastie). Höhe der Kultur unter Amenemha III
(2221 — 2179). Anlagen der Felsengräber von Beni Hassan, des Mörissees in der Oase
Fayüm und anderer grosser Bauten (Labyrinth) zur Verehrung der Gottheiten. Nach
Amenemba’s Tod Herrschaft der Hyksos während etwa 500 Jahren. König Amosis
von Theben (1684 — 59) vertrieb die Hyksos, und nach deren Vertreibung beginnt die
glanzvollste Periode des Reiches, dessen Pharaonen (18. und 19. Dynastie) Theben
mit den bewunderungswürdigsten Denkmälern schmückten und ihre Macht weit über
die Grenzen des Reichs ausbreiteten. Besonders glänzend waren die Regierungen
Sethos I (1439-1388), Ramses II (1388-28). Unter dessen Nachfolgern beginnt
der Verfall der von der mächtigen Priesteraristokratie abhängigen Herrscher. Es
folgt eine Reihe von Dynastien aus Unterägypten, deren Könige, in vielfache Kriege
mit den eindringenden Assyriern verwickelt, den Verfall des Reiches nicht abzuwenden
imstande waren. Der assyrische König Asserheddon stürzte 672 die Herrschaft der
äthiopischen Könige. Psammetich 1 (655 — 610) gelang es jedoch mit Hilfe griechischer
Söldner aus Kleinasien, Aegypten von der Fremdherrschaft zu befreien; er machte
es wieder unabhängig. Bald mehrte sich die griechische Bevölkerung, nachdem ihr
die Häfen geöffnet worden waren. Nee ho (610—595) begann von neuem den Bau
des Kanals zwischen Nil und dem roten Meer. Sein Vorhaben, den Sturz des assyri-
schen Reiches zur Ausbreitung seiner Macht in Syrien zu benützen, misslang. Das
gleiche Schicksal traf seinen Nachfolger Hophra. Durch Empörung der ägyptischen
Krieger gelangte Amasis (570 — 526) zur Herrschaft, der die Seestadt Naukratis den
Griechen einräumte und dadurch dem Handelsverkehr eröffnete. Niemals war der
allgemeine Wohlstand grösser, und die Zahl der Städte stieg unter Amasis auf 20000.
Auch die Kunst blühte wieder auf. Sein Sohn Psammetich III konnte der stets
wachsenden persischen Macht nicht Widerstand leisten und erlag ihr 525 in der Schlacht
bei Pelusion. Aegypten wurde persische Provinz; nach fast hundert Jahren ge-
wann es zwar seine Unabhängigkeit wieder (405) und stand unter einheimischen
Dynastien, wurde aber 340 von den Persern abermals erobert. Im J. 332 vertauschte
es die persische Herrschaft mit der Alexanders d. Gr. und verblieb bis 305 unter
makedonischer Oberhoheit. Mit dem makedonischen Statthalter Ptolemaeos,
der den Königstitel annahm, begann die Herrschaft der 12 ptolemaeischen Könige.
Das altägyptische Wesen wurde vom Hellenismus mehr und mehr beeinflusst. Alexan-
dria winde der Mittelpunkt griechischer Gelehrsamkeit. Mit dem Tode der Kleopatra
endete diese letzte Epoche äusserer Unabhängigkeit Aegyptens. Die Schlacht von
Aktium entschied die Ein v e i lc ibu ng Aegyptens in das römische Reich
(30 v. Gh.).

Wir unterscheiden demnach mehrere Perioden der ägyptischen Kunst-
geschichte, die sich an die allgemeine Gliederung der politischen Geschichte eng

Die Malerei der alten Aegypter ist vor allem P] äohen kunst, sie hat Charakteristik.
ausschliesslich dekorativen Zweck und steht somit von den ältesten Zeiten an
im Dienste der Architektur; auch die skulpturalen Darstellungen auf Wänden
können die Farben zur besseren Deutlichmachung aller Einzelheiten nicht
entbehren. Wie die Schrift der Aegypter, die Hieroglyphen, vielfach bildartig
erscheint, so haben die Bilder wieder oft Schriftcharakter. Sie bestehen aus
sicheren, auf traditionellem Schema beruhenden Umrissen, die mit einzelnen
Farben ohne jede Tonabstufung ausgefüllt sind. Perspektivische Verkürzung
kennt die ägyptische Malerei nicht, ebensowenig wie die Kunst der anderen
ältesten Kulturvölker. Sollen auf einer Darstellung verschiedene Figuren gleich-
zeitig zur Anschauung gebracht werden, so hilft sich der ägyptische Maler
durch Uebereinanderstellung; ein Hintereinander gibt es nicht. Meist ist der
Kopf im Profil, das darin liegende Auge aber von vorn dargestellt; die Beine
sieht man in profilierter Ansicht, die Brust aber in voller Breite. Dabei ist
jedoch in späterer Zeit ein Eingehen in die individuellen Besonderheiten der
Typen oder bei Porträtdarstellungen ein feines Beobachten des Charakteristischen
zu erkennen, das mehr noch bei plastischen Arbeiten als in der Malerei sich
bemerkbar macht. Besonders Tiere, auch die unbedeutendsten, sind so ge-
zeichnet, dass den Malern eine ausgeprägte Beobachtungsgabe ohne Zweifel
eigen gewesen sein muss. Zur ausgebildeten Malerei in unserem Sinne,
d. h. zur Modellierung der Formen in Licht und Schatten, scheint es in
Aegypten von selbst nicht gekommen zu sein; diese Kunst mag erst durch
späteren griechischen Einfluss dort Fuss gefasst haben. Das eigentliche
Merkmal der älteren Perioden ist die Ausbildung der Linienzeichnung,
wovon manche Beispiele aus den zierlichen Wandgemälden von Beni- Hassan
(musizierende Tänzerinnen), aus den Gräbern zu Abu Simbel und viele andere
Darstellungen (abgebildet in den Werken von Price d’Avennes, Rosselini,
Lepsius) vorhanden sind. Auch die so reizvollen Tierparodien aus der späteren
Saitischen Periode illustrieren die Tatsache einer realistischeren Bewegung
innerhalb der altägyptischen Malerei.

Die Farben Wirkung ist auf die einfachsten Grundsätze gegründet,
wie solche sich von selbst ergeben, wenn die festen Umrisse mit F’arben aus-
gefüllt werden. Meist ist der Untergrund hell gehalten, so dass eine Silhouetten-
wirkung (Schattenriss) entsteht. Erst in späterer Zeit und in kleineren Dar-
stellungen sehen wir die Wirkung umgekehrt, indem der Hintergrund mit
Farbe ausgemalt ist, so dass die Figuren dann hell auf den dunklen Grund
zu stehen kommen. Das Farbenmaterial ist von geringem Umfang und be-
steht aus fünf Farben (Schwarz, Gelb, Rot, Blau und Grün); in späteren
Perioden kommen noch weitere Farben, Abstufungen oder Mischtöne (Fleisch-
farbe, Zinnober, Purpur, Gold) hinzu.

Ueber das rein Technische der Malerei bei den alten Aegyptern in allen Te £f eL der
Einzelheiten abschliessend zu handeln, ist trotz der vielfachen Vorarbeiten,
die Aegyptologen und anderen Forschern verdankt werden, bis heute nicht
möglich. Schriftquellen aus der Zeit, bevor griechischer Einfluss stattgefunden
haben kann, sind vorläufig nicht vorhanden; wir müssen uns deshalb auf
grund des Studiums der Funde sowie der wenigen chemischen Untersuchun-
gen ein Bild von der Technik machen und durch Rekonstruktionsversuche
die einzelnen maltechnischen Fertigkeiten feststellen. Vielleicht verdanken
wir dem glücklichen Zufall noch einmal den Fund eines Papyrus mit An-
weisungen und Rezepten für Malarbeit, so dass wir an Stelle von Vermutungen
wirkliche Zeugnisse setzen könnten. Unmöglich erscheint dies nicht, da unsere

anschliessen, und sondern die Kunst des alten Reiches (I. — XII. Dynastie 3800—
2100 v. Ch.) von der des neuen Reiches (XVIL— XXVI. Dyn. 1700-525 v. Ui.).
Innerhalb dieser grossen Perioden heben sich wieder die Zeiten der IV. Dyn. (mit der
Residenz in Memphis) und der XII. (politische Vereinigung des Landes), weiter der
XVIII. und XIX. Dyn. (Hauptstadt des Reiches Theben), sowie der letzten nationalen
Dynastie, der XXVI. in Sais, als Glanzpunkte der Kunsttätigkeit ab (Handb. der Kunst-
gesch. v. Ant. Springer I. p. 9).

— 6 —

gelehrten Aegyptologen, die in dem Entziffern von Hieroglyphen so bewandert
sind , uns ausser mit alten Novellen und Märchen auch bereits mit einem
altägyptischen Lehrbuch der Geometrie bekannt gemacht haben.. Warum
sollte nicht auch ein Rezeptenbuch in einer Papyrusrolle verborgen sein ?

1. Wandmalerei der Aegypter.

Verschiedene „Ueber die Manier der Aegypter, Wandmalereien auszuführen», sagt Prisse

Ansichten über , . , n nns ■ , • • • i • ■ i

Waudtecimik. d’Avennes (p. 29o), „sind wir wenig unterrichtet; wir vermeiden es aber,
diese mit „Fresken» zu bezeichnen, weil der Untergrund lange vorher zu-
bereitet gewesen ist, und man auf ausgedehnten Flächen unvollendete, quadra-
tisch eingeteilte Entwürfe gefunden hat. Der Grund war mit einem gelblichen
oder perlgrauen Ton überzogen, um das Weiss besser hervortreten zu lassen.
Wenn der für die Malerei bestimmte Grund genügend fest war, skizzierte
man mit roter Farbe, dann brachte man an einzelnen Stellen gesättigte Farben
an, an anderen wieder Halbtöne, vor allem an Flächen, welche weitere
Details erhalten sollten; schliesslich lasierte man einzelne Partien, um sie
kräftiger zu machen oder um das Ganze in Harmonie zu setzen.»

„Die Unterschichten sind meistens ziemlich rauh; mitunter aber mit be-
sonderer Sorgfalt bereitet. Zu derartigem Grund verwendeten die Aegypter
(wie man es auch bei uns im Mittelalter machte) entweder Kreide oder wie
Kalk gebrannten Gips, den man in einem Tongefäss mit Hautleim und
Wasser anmischte und auf Kohlen stellte, um die Masse flüssig zu halten.
In diesem Zustande (warm?) gab man eine leichte Lage, dann eine zweite
dickere, und glättete hierauf die Fläche.»

„Wie die Wahl der Farben, so ändert sich auch die Art ihrer An-
wendung. Die einfachste und zugleich die älteste Art scheint das Ausbreiten
mit Hilfe des Pinsels zu sein, nachdem die Farben in Wasser verrührt worden.
Wenn Gummi oder Leim zugemischt werden, so macht- dies die Farben fester
und lebhafter; diese Methode, Temperamalerei genannt, scheint zur Aus-
schmückung der ägyptischen Tempel angewendet worden zu sein.»

„Der zur Bindung gebrauchte Leim war sehr fest, und diese Tempera-
malereien (Peinture en detrempe) widerstehen so sehr der Einwirkung des
Wassers, hauptsächlich die ältesten in Beni-Hassan, dass die meisten Be-
sucher nicht Anstand nehmen, einen Schwamm über die Wand zu streichen,
um die Malereien lebhafter zu machen (p. 291).»

Nach der Ansicht des genannten Aegyptologen wurden die Farben mit
Wasser und Leim oder Gummi, vielleicht auch mit Milch angemischt. Mon-
tabert (Traite de Peinture IX. p. 416) ist dagegen der Meinung, dass bei
Tempelmalereien die Farben mit Kalk angemacht sind.

Perrot (1 p. 785) berichtet darüber: „In den thebanischen Gräbern sind
die Figuren auf einen sehr feinen Grund aufgezeichnet. Dieser Grund hat
die Glätte des Stucks und scheint aus sehr feinem Gips (plätre tres fin) und
durchsichtigem Leim hergestellt. An unbemalten Stellen erscheint er noch
weiss und an einzelnen Orten sogar glänzend.» Er glaubt, dass die Malereien
mit Gummiwasser, wie Traganth oder einem ähnlichen Pflanzenschleim, an-
gemacht waren.

„Hector Leroux, der auf seiner ägyptischen Reise eine grosse Zahl
von Basreliefs abgedrückt hat, neigt zu der Ansicht, dass in den verwendeten
Farben auch Honig enthalten sei, wie in unseren heutigen Aquarellfarben;
in mehreren Gräbern wurden nämlich die Farben klebrig, sobald er sein an-
gefeuchtetes Papier auf die Wand auflegte. An anderen Plätzen wiederum
konnte er genügend anfeuchten, und die Oberfläche blieb so glatt und fest,
als ob sie mit durchsichtigem Email bedeckt wäre. Manchmal hatte man die
Wandmalereien mit einem harzigen Firnis bedeckt, der mit der Zeit nach-
dunkelte und die Farben, die er bedeckt, verdarb. Es ist der nämliche
schmutzige Firnis, der den kartonnageartigen Mumien-Umhüllungen den röt-
lichen und dunklen Ueberzu«: von heute verleiht und die Farben sehr be-

einträohtigt. Gewöhnlich hatte mau aber die Wandbilder nicht mit einem
Mittel übergangen, das sich verändern könnte, und dank der Gleichmässigkeit
der Temperatur und der Trockenheit haben sie ihre unvergleichliche Frische
bewahrt. »

Die Ansichten der oben erwähnten Forscher sind auf den äusseren
Anschein gegründet und haben deshalb nur bedingten Wort. Viel wichtiger
sind die Schlussfolgerungen aus den wenigen chemischen Analysen, welche
hier angefügt seien :

Minutoli (p. 336 s. Reisewerkes) gibt darüber folgendes Resunie: amÖ*

„Aus einer grossen Anzahl von mit bemalten Steinmassen aus den Kata-
komben und Pyramiden angestellten Versuchen ergibt sich, dass die steinigen
«Wände, sie mögen nun natürlicher Kalkstein oder künstlich sein, zuerst mit
«einer dicken Lage Mörtelmasse aus gebranntem Kalk und Gips beworfen
«worden sind; auf der sorgfältig geebneten und selbst polierten Oberfläche
‘ist Kalktünche nur dünn aufgetragen und auf dieser befindet sich unmittelbar
«die Malerei, welche entweder mit wahrem tierischen Leim oder in
«seltenen Fällen, wie der ziegelrote Anstrich der Katakomben Oberägyptens,
-mit Wachs bindend gemacht worden ist.

Was die Kalktünche anbelangt, so scheint mir diese in den meisten
„Fällen aus wenig gebranntem Muschelkalk bereitet, und nur zu geringeren
«Arbeiten eine Art Kreide oder weichen Kalksteins genommen zu sein. Das
«erstere schliesse ich aus der zarten Beschaffenheit der Teile dieser Kalkdecke
«und dem Mangel der Beimischung erdiger Teile; das letztere aber aus der
»Gegenwart der letzteren (erdigen Teile), die jedoch nie im aufgelösten Zu-
stande, d. i. als Zement im Mörtel, vorhanden sind. Diese Kalktünche ist
«,also durch das Brennen des Kalkes an und für sich bindend geworden und
‘^sie enthält keinen Leimzusatz. Nur in einigen Fällen bemerkte ich durch
«einen äusserst geringen Grad der in der Hitze sich zeigenden Verkohlnng
«die Gegenwart einer Spur Leims; allein es ist sehr wahrscheinlich, dass
«letzterer nur aus dem Farbenanstriche eingezogen ist,»

Die Verwendung von Leim als Bindemittel der Farben kann als zweck- ^ e ^Jäg r
entsprechend bezeichnet werden, da die klimatischen Verhältnisse des Landes
für diese Art des Anstriches günstig sind. Es ist aber sehr wahrscheinlich,
dass auch andere Bindemittel tierischer Natur (etwa Ei oder Milch) von den
Aegyptern frühzeitig gekannt und angewendet wurden. So fand Geiger 3 ),
wie° weiter unten zu ersehen ist, dass bei seiner Untersuchung eines Bewurf-
stückes die tierische Substanz in ihrem Verhalten gegen Reagentien
vom Leim abwich. Hierbei ist noch zu bedenken, dass in Fällen, wie sie
Prisse d’Avennes und Perrot (s. oben) beschreiben, das Bindemittel der auf
den geleimten Gipsuntergrund gemalten Farbenschicht auch teilweise in
den Untergrund eingesogen sein kann, mithin der Chemiker diese innige
Verbindung wohl kaum zu trennen imstande sein wird. Eine Verschiedenheit
der Verfahrungsarten ist auch daraus zu ersehen, dass auf gediegenere Aus-
führung, auf glänzendere Erscheinung der Malerei (vermutlich in spaterer
Zeit) Bedacht genommen wurde, und dass die Aegypter sogar die Benutzung
von Wachs (u. z. in der von den Römern „punisches Wachs» genannten An,
cera punica) gekannt haben. Wir müssen daraus den Schluss ziehen, dass
bei der Wandmalerei der Aegypter verschiedene Techniken in Gebrauch waren.
denn Wasser würde die Leimfarben erweichen, während die oben erwähnten
Malereien in Beni-Hassan der Einwirkung des Wassers widerstehen.

Begründet wird diese Ansicht durch die chemische Analyse von John.
der diese nebst anderen Analysen altägyptischer Farben (s. weiter unten) in
Minutoli’s Werk (p. 330) veröffentlichte. Es heisst daselbst:

•) Chemische Untersuchung alt- ägyptischer und alt-römischer F ‘arben deren
Unterlagen und Bindemittel. Mit Zusätzen über die Malertechnik der Alten von houx.
Karlsruhe 1826.

8 —

Analyse von
Geiger.

Analyse von „Ziegelrot der Freskomalerei aus den Katakomben Oberägyptens. Vor

dem Lötrohre nahm die Intensität der Farbe ab, welches aber, wie sich er-
gab, nicht vom Zinnobergehalte, sondern von einer Desoxydation des Eisens
herrührt. In Salz- und Salpetersäure steht die Farbe, aber die Grundierung löset
sich unter Luftentwickelung und unter ähnlichen Erscheinungen wie die
Schuppen der Austern oder die Eierschalen auf. Die Auflösung enthielt
ausser Kalk keine Beimischung, wie die Prüfungen mit Ammonium, blausaurem
Kali und Barytauflösung bewiesen. Das in Säuren zurückgebliebene
Pigment gab mit Borax eine Perle, welche in der Wärme ölgrün, in der
Kälte aber farblos erschien. Die Mörtelmasse der Wände dieser Katakomben
ist aus Kalk und Gips gemengt. — Wasser, womit ich die Freskomalerei
zuvor benetzte, wirkte nicht darauf; aber siedender absoluter Alkohol
erweichte den sehr glänzenden Anstrich, jedoch konnte ich die Flüssigkeit,
wegen der geringen Menge der darin wahrscheinlich aufgelösten fettigen
Stoffe, nicht weiter untersuchen, und bekanntlich ist leider die Hauptsammlung
dieser Art Altertümer des Freiherrn v. Minutoli ein Raub der Wellen ge-
worden. Es scheint indessen auch diese Prüfung hinzureichen, um daraus
zu folgern, dass die Alten die Wände dieser Katakomben, auf einer
Grundierung von feinem Kalk oder Kreide, mit rotem Eisenoxyd,
das mit Wachsseife bindend gemacht ist, angestrichen haben.»

Mit dieser Untersuchung stimmt die folgende überein, welche Geiger
an einem Stückchen von einer Decke (Tectorium) mit Malerei aus der
von Belzoni entdeckten Katakombe in Biban el Moluk (Oberägypten) an-
gestellt hat:

„Zur Untersuchung kam ein kleines Stückchen einer Decke (Tectorium)
von ungefähr 2 Quadratzoll und J /-2 Zoll Dicke, Fragment eines Pfeilers aus
Kalkstein mit Freskomalerei aus dem von Belzoni entdeckten Grabe in Biban
el Moluk in Aegypten. Die Farben waren: 1. Braunrot, welches die grösste
Fläche einnahm, 2. Grün, ziemlich schmutzig mit helleren und dunkleren
Flecken, 3. Fahlgelb, 4. Schwarz; die drei letzteren dienten zur Einfassung
der roten Farbe. Die Farben waren sämtlich matt, hatten keinen Glanz.
Resultate: 1. Die braunrote Farbe ist grösstenteils Eisenoxyd (Roteisenstein
oder gebrannter Ocker) mit einer geringen Menge Zinnober vermengt. Als Binde-
mittel wurde eine tierische Substanz angewendet, die aber in ihrem
Verhalten gegen Reagentien vom Leim abweicht. Das Verhalten
des weingeistigen Extraktes in der Hitze deutet auf eine Spur vor-
handenen Wachses. 2. Die grüne Farbe ist ein Gemenge von Gelb und
Blau. Ersteres ist organischen Ursprungs, gelber farbiger Extraktivstoff, und
letzteres durch Kupferoxyd blaugefärbtes Glas. 3. Die gelbe Farbe scheint
mit der bei Grün gefundenen identisch zu sein, wenigstens zeigt ihre Zerstör-
barkeit in der Hitze und ihr übriges Verhalten, dass sie organischer Natur ist.
4. Die schwarze Farbe ist ebenfalls organischer Natur und zwar nach den
angestellten Versuchen tierischen Ursprungs, etwa eine Art Sepia. Das
Bindemittel scheint bei allen diesen Farben dasselbe wie bei der braun-
roten gewesen zu sein.

Die Untersuchung des Untergrundes der Farben ergab: kohlensauren
Kalk mit geringen Mengen Gips, Kieselerde, Alaunerde und Eisenoxyd.

Die Decke (Tectorium) war kohlensaurer Kalk mit wenig Kieselerde
und Spuren von Gips, Alaunerde und Eisenoxyd, muss daher als Kreide an-
gesehen werden. Das Bindemittel war tierischer Natur, doch weicht
sein Verhalten sehr vom Leim ab.

(Geiger hält es für Blutwasser; die rötliche Farbe der Decke sowie
die untermengten braunroten Punkte sprachen dafür.)
vo^Wachs 1 ^ as ßi n demittel war Wachs mit etwas aromatischem Harz

Harz und tieri- vermischt und von der oben bei den Farben erwähnten tierischen

scherSubstanz. o u * i i j

Substanz durchdrungen.»

Nach den obigen Untersuchungen fällt vor allem auf, dass bei der alt-
ägyptischen Wandmalerei von einem Freskomalen in unserem heutigen Sinne,

Abbild. 1. Altägyptisclie Malerei. Innerer Deekel eines Mumiensarges.
iSach dem Original im Wiener Hofmuseum. (Nr. 1 m. Versuchskollektion.!

hbild 2 AltSgyptisohe Malereien auf Holz und kaschierter Leinwand.
(Nr. 2—5 ni. Versuchskollektion.)

9

(1. h. Malen auf ganz frischen Bewurf, nicht die Rede sein kann. Selbst die
Verwendung von Kalkfarben ist nicht nachzuweisen, obwohl der Kalk in
manchen Fällen als erste Unterschicht zweifellos in Mischung gekommen ist.
Bei der allgemeinen Verwendung von Stein wird die meist sehr dünne
Kalktünche zur Ausgleichung der Unebenheiten des Steinmateriales gedient
haben, denn die Figuren und Hieroglyphen waren im Relief aus Stein gemeissell
und mussten erst sorgfältig zur Aufnahme der Malerei vorbereitet werden.
Minutoli gibt uns auch darüber Aufschluss; in seinem mehrfach zitierten
Reisewerk (S. 270) zeigt er deutlich die Reihenfolge der Malarbeit an der
nicht fertig gewordenen Kammer der Katakomben des Psamis. 4 )

Er schreibt: „Die am meisten bewunderte, von Belzoni entdeckte
„Katakombe (der Königsgräber bei Biban-el-Moluk) ist teils mit Skulpturen,
„teils mit Freskomalerei geschmückt, besonders sind die Decken sehr reich
„und geschmackvoll geziert. Da diese Katakombe vortrefflich erhalten, aber
„nicht in allen Teilen vollendet ist, so gibt sie zugleich die beste Gelegenheit,
„sich über das von den Aegyptern beobachtete Kunstverfahren zu belehren.
„Die ausgehauenen Wände wurden zuerst sorgfältig geebnet und schad-
hafte Stellen mit Kalk, Gips oder Kitt ausgefüllt, in welchen man nachher
„die Figuren und Hieroglyphen ebenso ausschnitt, wie in den Stein selbst,
„welches ich durch mehrere mitgebrachte Proben dartun kann. Wo der
„Kalkstein durch eingesprengten Kiesel und durch Versteinerungen der Be-
arbeitung Hindernisse entgegensetzte, wurden diese Stellen ausgehoben
„und bessere Steine eingesetzt. Wände, die bemalt werden sollten, wurden
„vorher gewöhnlich mit Schlamm, Kalk oder Gips beworfen und im ersten
„Falle geweisst; worauf alsdann die Malerei aufgetragen wurde. Man
„findet Wände, die zum Teil bloss liniiert sind, auf anderen ist die Zeichnung
„der Figuren und Hieroglyphen mit roter Farbe entworfen und die nötigen
„Korrekturen sind schwarz aufgesetzt. Sowohl in den Zeichnungen als in
„den Korrekturen ist die Freiheit und Sicherheit der Hand bewunderungs-
würdig, so dass man den Aegyptern eine grosse Meisterschaft der Aus-
führung nicht absprechen kann. Man findet selbst schöne Köpfe und an-
„ mutige Stellungen, soweit der aegyptische Kunststil beide zuliess.»

Die äussere Erscheinung der Wandmalereien wird meist als matt ge-
schildert, doch scheint es auch Fälle zu geben, wo die Malereien glänzend,
wie mit einem Firnis überzogen waren. Prisse d’Avennes (p. 289) glaubt
sogar, dass ein grosser Teil der jetzigen brillanten Wirkung aegyptischer
Wandmalereien dem Firnisüberzug zuzuschreiben wäre, da „man beim Be-
treten des Grabes Seti I von der Klarheit und Durchsichtigkeit des Firnisses
völlig überrascht wurde», und fügt hinzu:

„Die Erscheinung der Durchsichtigkeit nach so langer Zeit ist mit un-
serer Meinung, dass diese Firnisse aus Harzen bestehen, im Widerspruch,
weil alle fetten Körper, hauptsächlich wenn sie im Dunkeln aufbewahrt sind,
dunkler werden. Und ausserdem war ein solcher Firnis sehr dick, so dass
er nur sehr schwer gleichmässig auf Mumienkästen aufgetragen werden
konnte; und gerade auf Wandgemälden erscheint dieser Auftrag eher leicht
und gleichmässig gegeben, so dass es schwer zu entscheiden ist, ob er mit
Leimen, flüssigem Balsam oder einfach mit natürlichem Harz hergestellt ist.»
Obwohl es mir bis jetzt nicht vergönnt war, die hier besprochene
glänzende Art der altägyptischen Wandmalerei durch eigene Anschauung kennen
zu lernen, muss ich doch der von Prisse geäusserten Ansicht widersprechen.
da der Glanz oder die Glätte des Tektorium auch auf andere Art als durch
Firnis erzeugt worden sein kann, nämlich durch das Glätten des Bewurfes
und der Malerei in der Art, wie sie bei den Griechen und Römern
üblich war. Dass hierbei auch die von John und Geiger nachgewiesene
Anwendung von Wachs für Wandmalerei, u. zw. in Form der Wachsseife, wovon
später die Rede sein wird, schon bekannt und gebräuchlich war, ist für die Ent-

Katakombe

von Biban-el-

Moluk.

Glänzende

Wand-
malereien.

4 J Psamis oder Psammetich II, Sohn Nechos, 595—589 vor unserer Zeitrechnung.

10 —

Wicklungsgeschichte der Maltechnik von der grössten Wichtigkeit. Denn die
zur ehemischen Untersuchung gelangten Proben stammen aus der Zeit des
Psammetich IL, als infolge der Eröffnung der Hafenstadt Naukratis der
griechischen Einwanderung sich kein Hindernis mehr entgegenstellte und
gleichzeitig mit der griechischen Bevölkerung auch griechische Handwerks-
fertigkeiten sich ausbreiten konnten.

Was die Bemalung von Skulpturen betrifft, so müssen Unterschiede
gemacht werden , je nachdem das Material Stein oder Holz gewesen ist.
Reliefs aus Kalkstein, wie sie die Wände mancher Tempel zeigen, erhielten
stets Bemalung, da wegen der Beleuchtungsverhältnisse sonst ein kräftigeres
Hervortreten der Einzelheiten nicht möglich gewesen wäre. Man nahm des-
halb die Farbe zu Hilfe und verzierte die Reliefs mit Malerei. Als Vorarbeit
wird eine allgemeine Deckung von flüssiger weisser Kalkfarbe am Platze ge-
wesen sein, wodurch die kleinen Rauhigkeiten des Steines ausgefüllt und
wenn nötig eine oberflächliche Glättung erzielt wurde. Auch wurde durch
eine solche Vorarbeit die ungleiche Färbung des Steines ausgeglichen und
gleichzeitig das allzurasche oder fleckige Auftrocknen der Farben vermieden.
Auch auf den ältesten Grabstelen 5 ) kann man Spuren von Farben er-
kennen, und da die Farbe notwendig zur Deutlichmachung der meist nur
ganz flach reliefierten Figuren und Hieroglyphen gehörte, hat sich auch bei
der Bemalung von Reliefs und Figuren aus Stein eine Tradition gebildet,»‘
die mit der Maltechnik im allgemeinen vielfach übereinstimmte. So erinnere
ich mich im ägyptischen Museum zu Berlin ein Bruchstück aus dem Felsen-
grabe Königs Sethos I. (um 1360 v. Oh.) aus Theben (Nr. 2079, Sammlung
Lepsius) mit erhöhten Figuren und Hieroglyphen gesehen zu haben , deren
Bemalung einen ganz glatten Eindruck machte. Wie an schadhaften Stellen
zu ersehen war, ward der Stein zuerst mit einer dünnen Kalk- oder Kreide-
schicht überzogen, keinesfalls aber war die Malerei mit einer Leim- oder
Kalkfarbe, sondern einem viel konsistenteren Bindemittel ausgeführt worden.
Ein ähnliches reich bemaltes Steinrelief im archäologischen Museum zu Florenz,
ist so glatt und glänzend, dass man die Anwendung einer wachs- und harz-
haltigen Tempera oder aber einen firnisartigen Ueberzug auf einer Malerei
mit Eibindemittel vermuten könnte. Diese Beispiele zeigen demnach schon
die durch Erfahrungen geläuterte Technik der glanzvollsten Zeiten ägyptischer
Kunst unter den Regierungen Sethos I. und Ramses IL (18. und 19. Dynastie).

Bei der Bemalung von geschnitzten Holzfiguren verfolgten die alten
Aegypter genau das Verfahren, welches auf den Mumiensärgen üblich war
und im folgenden Abschnitt beschrieben ist.

5 ) Es dürfte den Leser vielleicht interessieren, was Maspero (Guide du Visiteur
au Musee de Boulaq 1883 p. 29) über diese Grabstelen berichtet:

„Jedes Grab enthielt zum mindesten eine Stele, welche den Namen und die
Abstammung des Toten aufwies. Mitunter waren sie an der Aussenseite, meist im
Innern des Grabes angebracht, manchmal auf die Mauer gemalt oder in den Stein
gemeisselt. Zumeist war die Stele aus gesondertem Stein gearbeitet und auf seinen
Platz gestellt im Gange, der zum Grabe führt.

„Noch viel zahlreicher sind die geweihten Stelen, und fast alle diese stammen aus
Ab y dos. Die kleine Stadt Abydos spielte im Glauben der alten Aegypter eine grosse
Rolle. Nach dem das Jenseits betreffenden Doj;ma musste von hier aus die Reise in
die andere Welt angetreten werden, und der genaue Punkt, von wo aus die Seelen
dahingelangen konnten, befand sich im Westen von Abydos. Das Sonnenschiff glitt
am Ende seiner täglichen Fahrt nebst seiner göttlichen Begleitung durch den liier be-
findlh hen Felsenspalt in die Nacht. Die Seelen folgten dann unter dem Schutze des
Osiris nach. Deshalb war es nötig, dass diese sich von allen Seiten Aegyptens dahin
zu begeben hatten. Man stellte sich diese Fahrt zu Wasser vor (wie Charon zur Unter-
welt), und so ist diese Reise vielfach auf den Gemälden der Gräber dargestellt. Viele
Reiche liessen sich auch in Abydos begraben, um Osiris näher zu sein, weitaus die
Mehrzahl errichtete aber dort Stelen für die Verstorbenen, und diese ex voto-Gräber
und Stelen bildeten mit der Zeit eine ungeheure Masse.»

– – 11 —

2. Malerei auf Holzunterlage.

Die ersten Anfänge der späteren sog. Tafelmalerei finden wir in der An MunrienkäBten

. . uriti Sarge, Mü-

der Ausstaffierung altägyptisoher Mumienkästen, insofern nämlich bei beiden mienmasken.

Arten das Holz als Unterlage Verwendung fand. Und da das gleiche Ver-
fahren durch Jahrtausende geübt wurde, so haben wir in dem Studium
der Entwicklungsphasen der altägyptischen Mumienkästen oder Särge die
beste Gelegenheit, über das Technische der Tafelmalerei allerältester Zeit
Aufschluss zu gewinnen. Dabei ist es höchst merkwürdig zu beobachten, dass
der handwerksmässige Sinn jene alten Praktiker ungemein schnell alle die
Dinge finden liess und die nötigen Handtierungen anzuwenden lehrte, die so-
wohl für die schnelle Ausführbarkeit als auch für die längste Dauer des aus-
geführten Werkes am geeignetsten waren. In diesem Punkte waren die Maler
um die Mitte des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung schon genau
so weit, wie die Künstler der Frührenaissance, mit dem Unterschiede allerdings,
dass im Zeitalter der Renaissance ganz andere künstlerische Anschauungen
geltend waren, als zur Zeit der Aegypter.

Die ägyptische Malerei bestand, wie bereits ausgeführt worden ist, in
dem einfachen Ausfüllen der Konturen mit einzelnen Farben ohne jede
Modellierung. Der Maler war also eigentlich ein Handwerker; seine künst-
lerische Tätigkeit bestand darin, die schematischen Konturen der Figuren und
Ornamente zu ziehen, die als Umgrenzung der Farben zu dienen hatten. Für
diese an sich so einfache Arbeit bereiteten sich aber unsere ägyptischen
Kollegen den Untergrund, die Bindemittel und Firnisse mit der gleichen Um-
sicht, wie die Künstler der Renaissance! Ja, man kann in fast allen Einzelheiten
die Vorschriften des Gennini (s. m. Beitr. Mittelalt. p. 97 ff.) über das Grundieren
der Malbretter, das Ueberziehen derselben mit Leinwand, das Abschleifen des
Gipsgrundes, die verschiedenen Vorarbeiten für Vergoldung der plastisch ge-
formten Zieraten bis zum Firnissen des gemalten Gegenstandes auf den Mumien-
särgen des Pharaonenlandes vollkommen richtig angewendet wieder erkennen.

Im allgemeinen zeigt die Bemalung von Mumiensärgen hier rot konturierte Technik.
Zeichnung der Figuren und Hieroglyphen, die mit roter, blauer, gelber und
grüner Farbe ausgefüllt erscheinen, meist so, dass die Figuren auf dem un-
bemalten oder hell-ockergelben Grund stehen, wie es die Figur der Abbild. 1
(Göttin Hathor mit Geierhaube und 2 Federn mit dem gehörnten Diskus
auf dem Haupte) nach einem Original eines inneren Sargdeckels im Wiener
Hofmuseum (Invent. Nr. 232 der Sammig. ägypt. Altert.) zeigt. Hier ist die
ganze Figur in reicher Kleidung, mit prächtigem Kopfschmuck, die Zeichen
der Herrscherwürde in der Hand, dargestellt; Hieroglyphen füllen den ganzen,
leer gebliebenen Hintergrund aus. Der Fall, dass die lichte Erscheinung
der Figuren durch dunkleren Hintergrund erreicht wird, ist in der altägypti-
schen Malerei ein Zeichen späterer Periode und weist auf eine höhere Stufe
der Entwicklung hin (s. Abbild. 2, oberste Figur).

So einfach, wie die Zwecke, sind auch die Mittel in der altägyptischen
Maltechnik. Dabei ist aber eines bemerkenswert und dies steht mit der bereits
erwähnten Pflege des Totenkultus in innigstem Zusammenhang: das ist die
ausgesprochene Sorgfalt, mit der alle die handwerklichen Einzelheiten
ausgeführt wurden, um den bemalten Dingen die grÖsstmögliche Dauer zu
sichern.

Zur Herstellung des Grundes ist wohl der tierische Leim als besonders ^.’//u^’u,’;
geeignet seit den ältesten Zeiten in Anwendung gebracht worden, denn kein
anderes Bindemittel eignet sich hiezu besser, und die Tradition hat sich in
dieser Hinsicht bis in spätere Zeiten gleich erhalten. Als Anreibemittel für
Farben hat sich durch einschlägige Versuche die Ei-Tempera als das zweck-
mässigste erwiesen. Die von Perrot, Prisse d’Avennes und Merimee geäusserte
Ansicht, dass Gummiarten, besonders Traganth, als Bindemittel gedient halten
könnten (s. p. 6), muss nach meinen bezüglichen Proben für irrig erklärt
werden. Traganthgummi ist in dicker Konsistenz als F’arbeubindemittel nicht

— 12 —

geeignet, in dünner Lösung aber nicht bindend genug. Gummi arabicum ist
für Malerei auf Kreidegrund ohne andere Beigaben zu spröde.

Sehr wichtig und für die ägyptische Maltechnik: von grosser Bedeutung
ist eine Stelle des Einbalsamierungs-Papyrus von Bulak (I S. 12, X 19),
in welcher die Verwendung von Honig zur Malerfarbe erwähnt ist. Die Stelle
lautet: „Die Gestalt des Gottes Chem werde mit grüner Farbe (Xenti), die
mit Honig angemacht ist, auf die Binde gemalt.» G )
Honig. Honig als Bindemittel mag für das ägyptische Klima geeignet ge-

wesen sein, weil die Trockenheit der Luft die hygroskopische Eigenschaft
des Honigs aufhebt. Versuche mit Honig als Bindemittel haben gute Resultate
erzielt, insbesondere wenn der Honig nicht allein, sondern in Mischung
mit Gummi oder Ei verwendet wurde.

Es bliebe noch in Erwägung zu ziehen, ob auch die Farben mit Leim an-
gerieben worden seien, wenn nicht Geiger’ s chemische Untersuchungen,
nach denen die als Bindemittel verwendete tierische Substanz in ihrem Ver-
halten gegen Reagentien vom Leim abwich (s. oben p. 7), dagegen sprächen.
Ausserdem war es bei den vorgenommenen Proben auf geleimtem Kreide-
grund selbst mit dem sogenannten Schlepper (einem Pinsel mit langen Haaren)
kaum möglich, so gleichmässige Striche zu ziehen, wie sie die altägyptischen
Originale zeigen, während dies mit der Eitempera (Eigelb, mit Essigwasser
verdünnt) sehr leicht bewerkstelligt werden konnte. 7 )

Diese Annahme steht zwar in scheinbarem Widerspruch mit den
in der Anmerkung gegebenen Untersuchungen von John, welche im III.
und IV. Anhang zu Minutoli’s Reisewerk veröffentlicht sind; wenn man
jedoch bedenkt, dass die Gipsdecke stark mit Leim durchsetzt gewesen
und darauf die dünnflüssige Eitempera aufgemalt war, so wird der Ghe-
miker diese innige Verbindung wohl kaum zu trennen imstande gewesen
sein. Dass aber der Leim eine grosse Rolle in der ägyptischen Malerei
gespielt und ausser zur Gundierung jedenfalls zur Anlage grösserer Flächen
gedient hat, scheint zweifellos festzustehen. 8 )

6 ) Vgl. Heinrich L. Emil Lüring, die über die medizin. Kenntnisse der alten
Aegypter berichtenden Papyri. Leipzig 1888, p. 93.

Hier möge angefügt werden, dass bei Plutarch Alexand. C. 36 von Purpur-
gewändern die Rede ist, deren Farbe und Glanz durch Verwendung von Honig beim
Färben fast 200 Jahre lang frisch geblieben seien, und dass Vitruv VII, 13 er-
wiibnt, die Purpurfarbe werde gegen zu schnelles Austrocknen durch Zusatz von
Honig geschützt. Honig mag demnach in der Farbentechnik der Alten eine Rollo
gespielt haben. Gummi arab. nebst Eiklar und Honig bildete das Bindemittel der
späteren Miniaturen, und bis auf unsere Zeit hat sich die Honigzugabe bei Aquarell-
farben erhalten (sog. Honigfarben).

7 ) S.Nr. 1-4 meiner Kollektion von Versuchen zur Rekonstruktion der antiken
Technik.

8 ) John berichtet darüber in Minutolis Reisewerk (p. 336) wie folgt:

„Was den Holzanstrich und die Hieroglyphenmalerei anlangt, so ist ent-
weder die Kalktünche, jedoch in der Regel bis zur Dicke l / 2— 1 Linie, unmittelbar
„auf Holz getragen und darauf die Farbe mit Leimwasser gestrichen und gemalt;
„oder man hat sich zu den kostbarsten Sachen einer mehr zusammengesetzten
„Methode bedient. Die köstlichen Sarkophage der (von Minutoli) mitgebrachten
„Sammlung z. B. sind zuerst mit Leinwand mittels Leimes überzogen. Hierauf
„folgt eine dünne Decke von geschlämmter Kreide mit Leimwasser, die wieder mit
„einem dicken Leimanstriche , worin ein fadenartiges Gewebe (von wahren Per-
„gamentfäden herrührend), überzogen und zuletzt mit einer zweiten Kalkgrundierung
„gedeckt ist. Auf letzterer sieht man endlich die Malerei, d. i. Anstrich und
„Hieroglyphen, entweder mit blosser Leimfarbe, oder unter Zusatz von geschlämmter
„Kreide aufgetragen. So ist es wenigstens an dem oberen Teil der eine Prüfung
„zulassenden Stellen dieser Sarkophage beschaffen. Auf der grössten Fläche fehlt
„indessen der, wie es scheint, überflüssige Leim und zweite Kalkgrund.

„Meine Versuche mit diesen eben erwähnten Ueberzügen haben über das
„Bindemittel, womit die Alten ihre Farben aufgetragen, den letzten Zweifel gelöst.
„Es befindet sich nämlich an einzelnen Stellen dieses Sarkophages eine so dicke
„Leim läge, dass ich vermögend war, die entscheidendsten Versuche mit einer
„kleinen Quantität, die der Herr General-Lieutenant v. Minutoli der Wissenschaft
„opferte, anzustellen. Durch Erhitzung mit Wasser löste sich nämlich die Leim-

Zu solcher Vollkommenheit konnten die altägyptisohen Maler naturgemäss
nur infolge von Generationen langer Uebung in stufenweiser Entwicklung ge-
langen, und diese musste sich wiederum auch in Wandlungen des Stiles aus-
sprechen. Mit neuen Aufgaben in stilistischer Hinsicht steht meist auch eine
Vervollkommnung der technischen Fertigkeit im innigsten Zusammenhang.
Wenn wir also versuchen, aus stilistischen Merkmalen auf die Perioden der
Technik und umgekehrt von der äusseren Erscheinung der Malerei auf die
Perioden des Stiles Schlüsse zu ziehen, so können wir ein Bild der tech-
nischen Entwicklung gewinnen. Es sei freilich bemerkt, dass es, ohne
eingehendere ägyptologische Forschungen betrieben zu haben, schwer ist,
die Zeitperioden der malerischen Stilarten nach den technischen Einzel-
heiten genau zu bestimmen. Aber nach den genannten Anzeichen kann darauf
geschlossen werden, in welcher Reihenfolge die einzelnen Phasen auf
einander folgten. Wie lange jede einzelne Art der Technik in Uebung ge-
wesen sein mag, soll nicht Gegenstand der folgenden Aufstellungen sein.

1 . A e 1 1 e s t e Art der Malerei auf Mumiensärgen.

Meist findet sich der innere Holzsarg in einen äusseren grösseren L Periofl,J
von einfacherer Form eingesenkt. Malereien und Hieroglyphen bedecken die
inneren Wände des äusseren Sarges, ebenso den ganzen inneren Sarg und in
späterer Zeit auch die Leinenumhüllungen der Mumien selbst. (Die steinernen
Sarkophage, zumeist hervorragenderen Toten angehörig, sind hier nicht in
Betracht gezogen, da ihre Ausschmückung skulpturalen Charakters ist.)

Der obere Teil des Sarges, Kopf mit Brust, ist realistisch behandelt, die
Hautfarbe mit hellrotem oder gelbem Ocker angelegt, Konturen mit dunklerem
Rot gezeichnet, die Augen und Augenbrauen schwarz umrandet, das Kopftuch
und die Haare dunkel- oder blauschwarz bemalt, der Halsschmuck in ab-
wechselnden Farben wie mit Perlenreihen verziert.

Die äussere Erscheinung gleicht einer liegenden Figur, deren Kopf bis
zu den Schultern eingehüllt ist. Das Ganze ist aus Holz gearbeitet und be-
malt. Der Deckel ist der Form gemäss etwas ausgehöhlt und enthält seitliche
Fugen, die in die Zapfen des unteren Teiles passen.

In stilistischer Hinsicht besteht die Bemalung, dem Charakter der
Umwickelungen entsprechend, aus einfachen grösseren Querstreifen, auf denen
die den Toten und seine Reise ins Reich des Osiris betreffenden Szenen dar-
gestellt sind. Unter dem aufgemalten Halsschmuck breitet sich die geflügelte
Uräusschlange (Symbol der schnellen Macht über Leben und Tod), mitunter
auch die. geflügelte Sonnenscheibe oder der Skarabäus, über die ganze Fläche
aus; dann folgen die Szenen: der Tote zwischen Anubis (Wächter der Toten-
städte, abgebildet mit dem Schakalkopf) und Horus (Licht- und Sonnengott,
abgebildet mit Sperberkopf), der die Taten abwägt; darunter die Szenen der
Libationen, Gebete und Opfergaben der Verwandten vor Osiris, dem Gott
der Unterwelt. Es folgen in Hieroglyphenschrift Stellen aus dem „Buch des
Wissens von der Unterwelt» und zu den Füssen abermals geflügelte Symbole
oder die schakalköpfigen Anubisgestalten als Geleiter der Seelen auf dem
Wege ins Jenseits. Auf den dargestellten Szenen sind die leeren Stellen mit

„masse unter Zurücklassung der erwähnten Fäden, welche zu einer zittern ds-n
„Gallerte, die zu einer hornartigen, durchsichtigen Haut eintrocknete, und bei Auf-
lösung durch Alkohol und Gallusinfusion augenblicklich zerstört wurde. — Die auf-
gequollenen Fäden trocknen in der Wärme wieder zusammen und verbrennen
„unter Geruch des Leims. Die Beschaffenheit des Leims und dieser Fäden machen
„es wahrscheinlich, dass die Alten denselben aus harten Häuten, z. B. aus Rhinozeros-
Pfeilen (?) bereitet haben.»

„In Beziehung auf die Kalkdecke der Sarkophage bin ich der Meinung, dass
„liiezu geschlämmte Kreide gedient habe. Denn die Grundierung zerfällt in kochendem
,, Wasser und hiuterlässt, bei Auflösung in Säuren, erdige Beimischung, die nicht
„durch Brennen in Mörtel-Cement umgewandelt gewesen sein konnte und die der
„Mischung der Muschelschalen abgeht »

__ 14 —

Hieroglyphen, dem Namen des Toten, seiner Verwandten und anderen An-
deutungen über ihn bedeckt (s. Abbild. 3).

In den ältesten Perioden (von 2500 v. Ch.) bildet bereits eine ‘weisse
Kreide- oder Gips schichte die Unterlage, worauf alle Hieroglyphen und
figürlichen Darstellungen aufgemalt sind. Diese Schicht mag aus irgend
einer Kreideart oder Gips mit Leim als Bindungsmittel bereitet worden sein.
Die Farben (gelb, rot, grün, blau und schwarz) füllen die Konturen aus
oder sind mit dicken Strichen direkt aufgemalt, so dass der helle Kreide- oder
Gipsgrund den Fond abgibt.

Firnisüberzüge scheint man in der ältesten Zeit nicht angebracht zu
haben. Bei der doppelten Umsargung und dem Einsenken in steinerne Sarko-
phage liegt hiefür kein zwingender Grund vor, weil die Trockenheit des
ägyptischen Klimas eine schädigende Einwirkung kaum befürchten liess. 1 ‘)

Abbild. :i
Gruppe von Mumiensärgen aus der Zeit von 12UU— 1000 v. Ch. im Museum zu Bulak (Aegypton)-

Ein charakteristisches Beispiel dieser ältesten Art der Mumiensargmalerei
ist der Sarg eines Mannes Namens Apaanchu, ca. 2400 v. Chr. im Berliner
Museum (Nr. 10184, Sammlung Lepsius).

2. Periode

2. Zweite Periode der technischen A r b e i t s f ü h r u n g beim
Ausschmücken der Mumiensärge.

Die äussere Form des Mumiensarges bleibt vorerst beibehalten; sie
ändert sich auch späterhin nur insofern , als die Form der menschlichen

9 ) Anders verhalten sich derartige Malereien, sobald sie in andere Klimate ge-
bracht werden. Hier gehen sie vielfach zu Grunde. So befindet sich im Berliner
ägyptischen Museum der erwähnte Sarg des Apaanchu, dessen innere Bemalung jetzt
zum grössten Teil zerstört ist, während zur Zeit der Ausgrabung die Malereien deutlich
genug waren, um eine detaillierte Abbildung davon zu machen, die ebenda aufgestellt
ist. Die berühmte Holzstatue des Dorfschulzen Per-her-nofret (ca. 2600 v. Ch.)
im gleichen Museum zeigt jetzt gar keine Bemalung und nur w T enige Spuren des
weissen Untergrundes: zweifellos war auch sie ursprünglich ganz und gar bemalt.

Figur mehr als früher zur Erscheinung gebracht wird , z. B. dadurch , dass
auch die Hände über der Brust gekreuzt zum Vorschein kommen (Abbild. 3,
dritte Figur von links). Im Stil treten Wandlungen ein, indem die Dar-
stellungen figürlicher Art vorherrschend werden, während die hieroglyphischen
Texte mehr eingeschränkt sind. Durch die Ausbreitung der figürlichen
und ornamentalen Motive, insbesondere durch reichere Anbringung geflügelter
Symbole (Sonne, Uräus, Skarabäus) und selbst geflügelter Figuren (der
Göttinnen Mut und der zu Sais verehrten Neith, dargestellt mit grüner
Gesichtsfarbe) wird die Oberfläche für die hieroglyphischen Texte immer
geringer. „Schliesslich begnügt man sich nur mit kurzen Auszügen aus
dem Totenbuch oder mit Figuren und Namen der 12 Tages- und Nacht-
stunden, durch welche der Gestorbene auf dem Sonnenschiff hindurch-
fährt.» Gleichzeitig beginnt aber in der Ausführung der einzelnen Szenen
und Göttergestalten, die oft die ganze Fläche der inneren Sargdeckel schmücken,
eine gewisse Grazie der Linienführung und eine Leichtigkeit der Hand sich
bemerkbar zu machen , die auch heute noch unser Staunen erregen muss.
Das Hauptaugenmerk des ägyptischen Künstlers ist auf die sichere Pinsel-
führung gerichtet, so dass oft mit einem Zuge, ohne abzusetzen, die Umriss-
linie ausgeführt ist.

Zu derart ausgebildeter Technik musste auch der Grund genügend
glatt vorbereitet und das Bindemittel entsprechend leicht-
flies send zugerichtet werden. Durch die Glättung des Grundes wurden
die Farben viel transparenter zur Geltung gebracht, umsomehr als auch die
F i r n i s ü b e r z ü g e ein charakteristisches Merkmal dieser zweiten
Periode bilden.

Da in dieser Periode auch das Firnissen als Schlussarbeit Eingang fand,
im Altertum aber nur die heisse Lösung von Harzen in fettem Oel 10 ) bekannt
war, und das Auftragen des Firnisses nur in erwärmtem Zustande tunlich er-
scheint, musste als nächste Folge das System des Vergipsen s der Holz-
teile geändert werden; denn das heisse Oel bringt den Gips- oder Kreide-
grund allzuleicht zum Abspringen und Bröckeln. Wir sehen deshalb anfangs
nur auf grösseren Flächen, später aber allgemein das Unterlegen von Lein-
wand unter der Grundierung angewendet. Diese wichtige Neuerung
ist als das Merkmal der 2. Periode zu betrachten.

Die gewölbten Sargdeckel konnten jetzt weniger massiv gearbeitet
werden, auch Hessen kleinere Blöcke von Sykomorenholz sich aneinander-
fügen, ohne dass es auf der Malerei bemerkbar wurde. Das sogenannte Auf-
kaschieren der Leinwand hat für die Vorbereitung des Malgrundes die Mög-
lichkeit eines dickeren oder wiederholten Auftragens der weissen Kreide- oder
Gipsschicht zur Folge, mit darauffolgendem Abschleifen und gleichmässigem
Ebnen der Fläche mit Hilfe des Schabmessers oder mit Bimstein oder dergl.
Auf diese Grundierung folgte dann, wenn nötig, eine nochmalige Leimung,
hierauf die Aufzeichnung und Ausführung der feineren Details und das Aus-
füllen der Konturen mittels der Eitemperafarbe in der üblichen Weise.

Die besten Beispiele dieser Periode stammen aus der 19. und 20. Dy-
nastie (1700 — 1050 v. Ch.). Die Farben sind lebhaft und leuchtend, gleich-
zeitig ist die gelbe Farbe vorherrschend, verursacht durch die goldfarbigen
Firnisse, mit welchen die Malereien ganz oder teilweise überzogen sind.
(Vgl. die farbige Abbildung eines Originales Tafel I.)

3. Periode. Reicher Stil.

Als besondere Neuerung dieser Periode sind die zur Verstärkung des
Eindruckes angebrachten plastischen Verzierungen zu bezeichnen, die

10 ) Einige Forscher, darunter auch John, sind der Ansicht, dass im Altertum
das Terpentinöl bekannt war. Diese Annahme beruht jedoch auf irriger Voraus-
setzung; denn das Terpentinöl ist ein Produkt der trockenen Destillation (von Ter-
pentinbalsamen) und diese Destillationsart ist eine Errungenschaft arabischer Zeit.

3. Periode.

Periode.

– 16 —

von jetzt ab vielfach angewendet erscheinen und technisch als eine direkte
Folge der Gips- und Kreidegrundierung angesehen werden müssen. Solche
plastische Verzierungen dienen dazu, einzelne Hauptteile der Ausschmückung
besser hervortreten zu lassen; sie erscheinen beim ersten Anblick wie aus
dem Holz herausgearbeitet, sind aber bei näherer Untersuchung nichts anderes
als dick aufgelegte Schichten von Grundierungsmasse. In allen grösseren
Museen finden sich derartig ausgezierte Mumienkästen (vermutlich noch
aus der 22. Dynastie, um 800 v. Oh. stammend), auch im Antiquar ium
zu München sind zwei Exemplare gleicher Art aufbewahrt, denen das
in Abbild. 2 (2. Figur von unten) gegebene Detail nachgebildet ist.

Es ist von Interesse, an dem Original zu verfolgen, in welcher Reihen-
folge die Arbeit vor sich gegangen sein muss; an einigen schadhaften
Stellen ist dies leicht zu erkennen. Arbeitsfolge: 1. Auf den mit Leim
angemachten weissen Gips- und Kreidegrund ist 2. eine gleichmässige Lage
von gelber (heller) Ockerfarbe aufgetragen. Darauf stehen 3. mit. roter
Farbe (rotem Eisenoxyd) die Einteilungslinien nebst den Konturen der
Figuren und Hieroglyphen. Als 4. Arbeit wurden die hauptsächlich ins
Auge fallenden Ornamente und Figuren mit Gips erhöht, denn wo diese Gips-
erhöhung abgesprungen ist, zeigt sich darunter die gelbe Ockerfarbe, nebst
der roten Einteilung. Die Gipsornamente liessen sich folgendermassen leicht
machen : feiner Gips mit sehr wenig Kreide (Kreide allein ergab kein günstiges
Resultat) wird in Leirnwasser angerieben und die Mischung in heissem Wasserbad
warm gehalten, damit die Masse nicht ztt schnell erhärte; mit einem lang-
haarigen Pinsel wird auf die leicht benetzten Stellen, die erhöht werden sollen,
so viel Gips aulgetragen , als die Konsistenz des Breies gestattet. Selbst-
verständlich muss die zu behandelnde Holzfläche vvagerecht liegen, und deshalb
nehmen diese erhöhten Gipsverzierungen nach den abgerundeten Seiten des
Mumiendeckels hin stetig ab. Die Fortsetzung der Arbeit bestand 5. in der
Bemalung der weissen Gipsmasse sowie aller übrigen Figuren u. s. w. mit der
blauen, roten, grünen und schwarzen Farbe. Zum Schluss folgte 6. der
Firnisüberzug.

Auf diese Weise wurden sehr reich dekorierte, mitunter sogar überladen
erscheinende Arbeiten ausgeführt.

In dem für die Geschichte der Maltechnik besonders lehrreichen und
reichhaltigen archäologischen Museum zu Florenz befindet sich ein überaus
schön verzierter Sarg, bei dem die zahlreichen reliefartigen Verzierungen
vergoldet waren, wodurch eine entzückende Wirkung erzielt ist.

Naturgemäss mussten auf Zeiten der Höhe auch wieder Zeiten des
Verfalles folgen. Sie verraten sich atif unserem Gebiete in mannigfachen
Uebertreibungen; die Ornamente werden unruhig, die Einteilung der einzelnen
Bilderreihen durch schräg nach aufwärts oder abwärts angeordnete geflügelte
Symbole verwirrt, die plastischen Erhöhungen durch gleiche Wiederholung
derselben Motive um ihre Wirkung gebracht, und in der Farbengebung tritt
mitunter Buntheit oder Monotonie ein.

4. Periode. Neuerungen in koloristischer Beziehung.

Wie lange sich die oben geschilderten Arten der Ausschmückung er-
halten haben, lässt sich schwer sagen. Sie mögen sich in einzelnen Städten
des Landes länger erhalten haben, in anderen aber wieder durch neuere
Methoden verdrängt worden sein. Die nun folgende Periode kennzeichnet
sich durch das Auftreten koloristischer Neuerungen, hauptsächlich durch die
Ausfüllung des Grundes mit roter, blauer oder grüner Farbe. Dadurch
erscheinen die F’iguren hell auf dunklem Grund, während früher durch
die Ausfüllung der Umrisse mit Farben die umgekehrte Wirkung erzielt
wurde. Diese Neuerung kann als ein völliger Umsturz des früheren Systems
bezeichnet werden, da es der alt-nationalen Tradition ganz fremd ist. Es
liegt demnach die Vermutung nahe, dass sich hier ausserägyptische Einflüsse,

— 17 —

etwa assyrische oder griechische, geltend gemacht haben müssen. Jedenfalls
war durch die vielfachen Kämpfe mit den assyrischen Königen und dem
schliesslichen Durchdringen der assyrischen Machthaber die Möglichkeit dazu
gegeben, umsomehr als dann endlich auch mit griechischer Hilfe Aegypten
von der Fremdherrschaft befreit wurde. (S. 4 Note 2.)

In Beziehung auf den Stil ist nach der obengenannten Neuerung keine
erhebliche Aenderung zu bemerken; aber es kommt eine grössere Ruhe in
die Komposition; während früher die Figuren vereinzelt nebeneinander tmd
übereinander gestellt sind, treten sie jetzt wirkungsvoller in Erscheinung.
(S. die Figur auf Abbild. 2 oben.)

Jetzt werden auch hellfarbige Figuren oder Symbole direkt auf dunklen
Grund gemalt, und die schwarze Farbe, die bisher nur als Umrandung ge-
dient hatte, tritt in breiten Flächen, wieder mit hellgelben Hieroglyphen be-
deckt, als neues Glied in die Farbenkomposition ein.

Mit dem Einsetzen der koloristischen Epoche, wie ich sie nennen
möchte, kommen auch noch andere technische Erfahrungen zur Geltung, die
von ausserägyptischem Einfluss zeugen. Ebenso wie in der Wandmalerei die
technische Tradition durch griechische Handwerker neue Impulse bekam
(s. oben S. 9) , werden auch bei der Ausstattung der Mumiensärge und
anderer Holzgegenstände (Grabstelen, kleiner Kästchen u. a.) Verbesserungen
in der Grundierung, den Bindemitteln und der Firnisbereitung sehr bald Ein-
gang gefunden haben. Von jetzt ab werden die Farben intensiver, leuchtender
und die allgemeine Erscheinung der Malerei überhaupt glänzender. Man be-
gnügte sich nicht mit dem Glanz, den der Firnis der Malerei verleiht, sondern
man glättete die Malerei selbst.

Auf diesen Umstand wurde ich durch die auf Abbildung 2 (oberste
Figur) gegebene Kopie des Oberteils einer Votivtafel aus der Zeit von etwa
550 v. Ch. im Wiener Hofmuseum (Saal V, Kasten X, Nr. 68, Invent. Nr. 5073)
aufmerksam, welche in der äusseren Erscheinung einem geglätteten Steine
ähnlich war. Die Farben sind viel durchsichtiger und leuchtender, als auf
anderen Holzmalereien, so dass ich diese Wirkung anfangs dem vermeintlich
verwendeten Stein zuschrieb. Erst als der Kustos des Museums, Herr Dr.
Alex. Dedekind mit liebenswürdiger Zuvorkommenheit das Objekt aus der
Vitrine nahm, erkannte ich meinen Irrtum. Das etwa 6cm dicke Holzbrett
zeigte sich von allen Seiten mit einer kreidigen und glatten Schicht über-
zogen, auf welcher die Farben durchsichtig und wie lasiert erschienen.
Durch einschlägige Versuche kam ich darauf, dass die blosse Glättung der
Malerei einen starken Einfluss auf die Farben Wirkung auszuüben imstande
ist. So lassen sich mit Eigelb oder dem ganzen Ei angeriebene Farben auf
entsprechender Unterlage von geleimtem Gips mit einem Glättstein aus
Achat, wie ihn unsere Vergolder benützen, mehrere Tage lang nach dem
Auftrag glätten , und noch leichter ist dies zu bewerkstelligen . wenn dem
Gipsgrund eine geringe Menge einer fettigen Substanz (z. B. Venetianer Seife
d. h. verseiftes Olivenöl oder etwas trocknendes Oel) beigegeben wird. Bei
den erwähnten Versuchen (Nr. 4 meiner Kollektion nach dem Original im
Wiener Hofmuseum) wurde der gleiche Effekt mit sog. punischem Wachs
erzielt, welches in ganz dünner Schicht auf den Gipsgrund aufgetragen
worden war. Bei neuerlicher Untersuchung des Originales fand ich die Ober-
fläche mit einer weisslichen Ausschwitzung bedeckt, die nach Befeuchten mit
genässtem Finger verschwand, und dabei, wie sich herausstellte, alkalisch
reagierte.

Die gleiche Erscheinung zeigt eine ähnliche Stele (ebenda Nr. 63), und
demnach ist es nicht unwahrscheinlich, dass bei diesen Stücken ein durch
Alkali verseiftes Oel oder punisches Wachs verwendet wurde. 11 ) In unserem

«) Bezüglich des panischen Wachses sei auf den Abschnitt über „Ganosis» ver-
wiesen. Vorläufig möge erwähnt sein, dass im Altertum zur Verseifung Pottasche,
i. e. kohlensaures Kali (Nitrum bei Plinius) verwendet wurde.

2

— 18

feuchten Klima kommt das überschüssige Alkali dann auf der Oberfläche als
grauer Ueberzug zur Erscheinung ; es schwitzt aus, wie wir sagen.

Noch auffallender machte sich ein ähnlicher Vorgang an einer mit Malerei
bedeckten Holzurne (im Besitze des Herrn Akademiedirektors v. Löfftz,
München) bemerkbar. Diese wurde nämlich in vollkommen intaktem Zu-
stand vom Maler Bauernfeind in Aegypten erworben; der bekannte
Orientmaler hielt sich auf der Heimreise noch mehrere Wochen an der Küste
von Palästina auf und bemerkte zu seinem Erstaunen, dass der anfangs ganz
trockene Ueberzug der Urne „ins Laufen» kam und sich durch die Feuchtigkeit
der Luft erweichte; dadurch hatte die Malerei natürlich arg gelitten, so dass
jetzt einzelne Stellen ganz runzelig aussehen. In diesem Falle mag vielleicht
die allzureichliche Beigabe von Honig die Ursache gewesen sein; denn eine
Untersuchung des Bindemittels ergab keinerlei Zeichen von Anwesenheit einer
alkalischen Substanz.

5. Kaschier ungen mittels Leinwand.

5. Periode. Als eine weitere Neuerung ist zu betrachten die allgemeinere An-

wendung von kaschierter Leinwand, die jetzt nicht mehr als Hilfsmittel

für den Holzuntergrund , sondern als selbständiges
Material zur Herstellung ganzer Mumiensärge
oder zur Ausschmückung der im Inneren des Holz-
sarges und der mit Masken versehenen Mumien dient.
Anfänglich wurde wohl nur die Mumienmaske und der
Halsschmuck aus kaschierter und bemalter Leinwand
hergestellt, schliesslich ging man aber zur Fabrikation
des Sarges selbst über. Derartige Stücke bestehen
aus lauter aufeinandergeleimten Leinwandschichten,
deren oberste Lagen wieder mit Gips überzogen und
im übrigen genau so behandelt wurden , wie die aus
Holz gearbeiteten Särge. Ueber einer festen Unterlage
geschichtet, nehmen die in heissen Leim getränkten
Leinenstücke beim Trocknen die darzustellenden äusse-
ren Formen willig an, genau so wie auch heute noch
die Karnevalsmasken über der Holzform gefertigt
werden.

Eine besonders schöne Variante dieser Art ist
in Nr. 5a meiner Kollektion nachgebildet (s. Abbild. 4).
Das Original (ein Teil eines Sargdeckels) ist aus lauter
aufeinandergeleimten Leinwandstücken gefertigt; gegen
10 Lagen von Leinwand bilden den vollkommenen
festen und harten Deckel. Die oberste Lage ist ver-
gipst, darauf eine zweite vergipste Leinwand mit aus-
geschnittenen Figuren und Ornamenten, als
ob das Ganze flach reliefiert wäre. Auf der
Oberfläche ist der glänzende gelbe Firnis bemerkens-
wert, welcher die Farben ungemein brillant erscheinen
lässt.

Kaschierte Masken wurden vielfach über die mit
Leinenstreifen umwickelte Mumie gestülpt und der
Hals- und Brustschmuck ebenso aus vergipster Lein-
wand gebildet oder ausgeschnitten. So entstand ein
einfacher, leicht herstellbarer Ersatz für die reichen
Perlenketten und Zierate der früheren Perioden. In
dieser Art findet man vielfach sehr zierlich ausgeführte
Kaschierungen, teils in Form des rund um den Hals gelegten Kragens , teils
in Form von mit den geflügelten Symbolen geschmückten Bändern oder von
Amuletten, auf denen wieder die auf die Wanderung der Seele zur Unterwelt
bezüglichen Szenen gemalt sind.

Abbild. 4.

Teil eines Mumieiisarges ans
kaschierter Leinwand mit ro-
liefartig ausgeschnittenen.ver-
ffipsten Figuren. Etwa 700 v.
Oh. (Original in Privatbesitz).

— 10 —

Die bereits kurz erwähnte Vergoldung einzelner Teile der Aus-
zierung unterstützt auch bei dieser Art die zur reichen Erscheinung der
Kaschierungen angebrachten Ornamente und das figurale Beiwerk. Ja, selbst
grössere Partien, wie das ganze Gesicht und umfangreichere Teile des Brust-
schmuckes, finden sich mit Vergoldungen versehen. Derartige Vergoldungen
sind mit besonderer Sorgfalt hergestellt und erregen oft durch ihre ausser-
ordentlich gute Erhaltung den Zweifel, ob sie wirklich älteren Datums seien. ‘-‘)

Was nun die Technik der Vergoldung betrifft, so haben wir es hier
stets mit der sogenannten Glanzvergold ung zu tun, d. h. die feingeschlagenen
Goldblätter wurden zunächst mit einem Bindemittel (wie dünnes Leimwasser
oder Eiklar) befestigt, und die Oberfläche nach dem Trocknen mit einem glatten
geschliffenen Stein (Achat) oder geeignetem harten Gegenstand (Hunds- oder
Eberzahn) geglättet. Um diese Manipulation ausführen zu können, muss der
Untergrund noch eine gewisse weiche Konsistenz haben, also noch frisch genug
sein, oder aber durch geeignete Beigaben länger traktabel erhalten bleiben.
Die oben (S. 16) erwähnten vergoldeten plastischen Erhöhungen sind in
gleicher Weise ausgeführt, wobei aber eine Glättung noch nicht bemerkbar ist.

Die geglättete Vergoldung ist ein Merkmal der von Maspero als
„griechisch» bezeichneten Periode (um 600 v. Gh.).

6. Realistische Periode der ägyptisohen Malerei.

Im weiteren Verlaufe der Entwicklung spricht sich das Verlangen & Periode,
nach grösserer Naturwahrheit immer mehr aus. Diese Bewegung mag
von der Bildhauerei beeinflusst worden sein , die schon in früheren Perioden
deutliche Anläufe zum Realismus zeigte. In plastischen Darstellungen ist die
ägyptische Kunst bekanntlich früher zur Reife gelangt als in der eigentlichen
Malerei, die im einmal festgestellten Schema zu ersticken drohte. Durch die
Plastik sehen wir die Malerei befruchtet, wenn z. B. ein Schnitzwerk bemalt
werden sollte, und wie realistisch in dieser Art vorgegangen wurde, zeigt die
Abbildung 5 nach einem Mumiensargdeckel des Berliner Museums (etwa
1250—1150 v. Gh.). Je näher der hellenistischen Zeit (300 v. Ch.), desto
mehr verwarf man das althergebrachte Schema und begann ein der Wirk-
lichkeit näher kommendes Verfahren der Bemalung, vor allem des Kopfteiles
der Mumien; die Hautfarbe wird mehr charakterisiert, oft auf ganz dünner
Gipsschicht auf die Mumienhülle selbst aufgemalt , auch wird die Mumien-
umhüllung selbst mit Bemalung geschmückt, wobei man aber immer mehr die
alte Darstellungsart vernachlässigte. Während in früheren Perioden der Mu-
mienschmuck gesondert auf kaschierter Leinwand an der Mumie befestigt
wurde, ist jetzt eine Trennung nicht mehr im Gebrauch: Mumie und Mu-
mienschmuck sind miteinander vereinigt.

Zwei unter sich ähnliche Mumien dieser Art befinden sich im Albertinum
zu Dresden (aus Sakkhara stammend). In der überreichen Ausstattung er-
innern diese Bilder an byzantinische. 13 )

12 ) Maspero beschreibt einige vergoldete „Kartoimagen» in seinem genannten
„Guide» und setzt die Zeit ihrer Entstehung in die griechische Epoche (um 6(J0 v. Chr.).
So Nr. 5604 (Epoque grecque): „Momie. La masque est revetue d’un or si brillant
que les visiteurs ont peine ä le croire ancien. La momie est celle de Peteharpokhrate,
fils de Psametik; eile est enveloppee d’un cartonnage ä tond rouge, sur lequel est
peint en bleu l’imitatioo d’un reseau de perles analogue ä celui de la momie thebaine
(Nr. 3967).»

Ein Beispiel von kaschiertem Mumienschmuck wird in Nr. 1264 der gleichen
Zeit, ebenfalls aus Saqqarah stammend, beschrieben: „Toile stuquee et peint.
La momie, une fois revetue de ses bandelettes, recevait une certaine quantite d’orne-
ments en toile stuquee et peinte. C’etait generalement la reproduetion des ornements
reels , qu’on devait deposer avec eile, un collier, des figurines, des scaraböes, des
sandales. Le collier en toile tenait Heu du collier reel (nomine Onoski) i et eoutaii
moins eher.»

13 ) Maspero, Guide Nr. 5613:

„Epoque byzantine (Saqqarah): Le corps est enferme dans une envoloppe en
toile et en cuir cousu, dont les attaches sont maintenues par des sceaux eneure in-

2*

— 20 —

Die Malerei ist temperaartig aufgemalt, wobei nur eine leichte Grundierung
der Leinwand bemerkbar ist. Gips ist nur zur Erhöhung der ungemein ab-
wechslungsreichen plastischen Zierate mit dem Pinsel aufgetragen und die
Vergoldung glänzend geglättet. Gleichzeitig mit dieser Form der Mumien-
umhüllung scheint aber immer noch die althergebrachte Kaschierung beibehalten
zu sein oder vielmehr sie hat ebenfalls die realistische Tendenz mitgemacht.
Bis zu welch’ hohem Grade der Vollendung schliesslich diese Kunst zu Beginn
unserer Zeitrechnung gelangte, beweist die hier nach dem Kataloge der ägypti-

Ahbild. 5.
Geschnitzter, realistisch be-
malter innerer Deckel eines
Mumiensarges. Etwa 1250—
1150 v. Ch. (XX. Dynastie).
Original im Berliner Museum.

Abbild. 6.
Realistisch kaschierte und
bemalte Mumienhülle einer
graeco-ägypt. Frau; Kopf
und Hals vergoldet. Um VW
n. Oh. Orig. im British Mu-
seum, London.

Abbild. 8.
Mumie des Artemidorus mit
eingefügtem Porträt. Um-
hüllung mit vergoldeten, aus
Stuck gebildeten Darstellun-
gen auf zinnoberrotem Grund.
Um 200 n. Ch. Orig. im Bri-
tish Museum, London.

sehen Abteilung des British Museum zu London gegebene Abbildung 6. Sie
gibt die Mumienhülle einer gräco- ägyptischen Frau in ganzer Figur mit
reichem Haarschmuck und vergoldeten Gesichts- und Halsteilen wieder. Das
tunikaartige Gewand, reich gefaltet gemalt, reicht bis zu den Knöcheln herab ;
von der Schulter fällt noch ein kürzerer Ueberwurf über die rechte Brust.
Arme und Hals ziert schwerer Goldschmuck. Die Realistik der durch-
scheinenden Körperform, der anmutige Ausdruck des Gesichts lässt auf gute

tacts. Sur la face superieur est p einte ä la d 6 trampe la figure de la femme en-
sevelie. Le costume, la chaussure, les bijoux sont byzantines et fort analogues au
costume des mosa’i’ques de Ravenne. Sur les genoux, ä la place oü etaient autrefois
le nom de la defunt et la priere ; Osiris, sont estampes des ügures oü l’on reconnait
un melange d’emblemes chrotiens et paiens, l’epervier d’Horus, un toreau, des ügures
nimbeos etc.» Nr. 5614. Mumie gleichen Stils.

21

Naturbeobachtung ebenso wie auf technische Vollendung bezüglich der Aus-
führung – schliessen.

Bemerkenswert ist, dass die Kasehierungsmasse grossenteils aus mit
griechischen Schriftzeichen versehenen Papyrusstüeken besteht.

Als besondere Form der Mumienmasken müssen die während der letzten
Zeiten des Heidentums, besonders im südlichen Aegypten, aufgekommenen
Terracottabüsten hier noch angereiht werden, welche man an Stelle der
Holz- oder kaschierten Maske an der Mumie befestigte.

Auch solche Terracottamasken (zumeist sind beide Hände noch mit
sichtbar) sind sehr geschickt mit der übrigen kaschierten Umhüllung vereinigt,
und alle Teile realistisch bemalt. An den Männerbüsten sind die Barthaare
sorgsam aufgemalt, bei Frauenbüsten die Gewandung in einfachen, mitunter
purpurfarbigen, Bändern geziert, auch die Bekränzungen in Purpurfarbe
scheinen auf besondere Vornehmheit der Toten hinzuweisen. (S. Originale im
Berliner Museum.)

Variante dieser Art: Die Gesichtsteile sind glänzend vergoldet, die Augen
aus geschliffenen Steinen eingesetzt.

‘errakotta-
Masken.

Abbild. 7. Muniienmaske aus kaschierter, mit Stuck überzogener Leinwand; realistisch bemalt.
Epoche der griechisch-römischen Kunstübung in Aegypten. Orig. im Wiener Hofmuseum.

Ganz .ähnliche Masken, dem Stil nach vermutlich der gleichen Periode
angehörig, wurden auch ganz aus kaschierter Leinwand hergestellt, die oberste
Lage sehr dick mit Gipsmasse aufgetragen und nach der oben geschilderten
Manier realistisch bemalt. Die äussere Erscheinung weicht von den Terracotta-
masken wenig ab. Zwei Beispiele befinden sich in der ägyptischen Abteilung
des Wiener Hofmuseums (Nr. 6608 und 6609), eine männliche und eine
weibliche Maske; die letztere ist in Abbildung 7 gegeben.

7. Letzte Periode. Mumienporträts der hellenistischen Zeit.

Aber keine Neuerung war so epochemachend wie die Einfügung
wirklicher Porträtgemälde in die Wicklungen der Mumien Umhüllung.
Da diese Porträtgemälde selbst gar keinen inneren Zusammenhang mit der boden-
ständigen ägyptischen Kunst zeigen, so ist es zweifellos importierte Kunst,
die uns in diesen Kunstleistungen entgegentritt. Es fehlt jedes Bindeglied
zwischen der auf den einfachsten Prinzipien beruhenden ägyptischen Kunst
(Ausfüllung der Umrisse mit Farben ohne Modellierung) und der in Auffassung
und Ausführung mitunter bewundernswerten Porträts dieser sogenannten

Letzte Periode.

22 —

hellenistischen Periode. Denn die ägyptische Malerei blieb selbst in
ihren besten Beispielen nichts anderes als Flächenkunst ; hier tritt mit einem-
male völlig ausgebildete Raumkunst auf, die mit den Gesetzen der Modellierung,
des Helldunkels , des Kolorits durchaus vertraut ist , und obendrein in einer
ganz neuen Technik, nämlich der enkaustischen , derselben, von der
uns griechische und römische Schriftquellen berichten.

In der äusseren Ausschmückung der Mumien bilden diese Porträts die
letzten Reste der Bemalung früherer Epochen , denn die Mumie ist nur in
Bänder eingeschnürt. Aber es finden sich auch Beispiele gemischter Art.
Die Mumienhülle ist mit plastischen Zieraten reich bedeckt, bemalt und ver-
goldet, und an der Stelle des Kopfes findet sich das gemalte Porträt ein-
gelassen. Besonders schön und prunkvoll ist eine im British Museum be-
wahrte Mumie des Artemidorus (Abbildung 8 nach Tafel XXII des Guide
of the I and II Egyptisch Rooms p. 78). Die vergipste Leinwand ist sehr
dick mit Plastik verziert und vergoldet , die Zwischenräume sind mit Zinn-
ober bemalt. 14 )

Neben dieser enkaustischen Technik sind noch Temperaarten verschiedener
Zusammensetzung von griechischen Künstlern nach Aegypten gebracht worden,
so dass die in ägyptischen Nekropolen gefundenen Mumienporträts ein Museum
für die Geschichte der griechisch-römischen Maltechnik bilden, wie es Griechen-
land selbst uns kaum besser hätte hinterlassen können. In dem Abschnitt
„Enkaustik» wird über die einzelnen Entwicklungsstadien dieser Mal weise ein-
gehender zu handeln sein.

3. Farben der Aegypter.

Farben. Wenn man sich den immensen Verbrauch von Farbstoffen vergegen-

wärtigt, die von den alten Aegyptern zur Verzierung aller ihrer religiösen und
privaten Bauten und Gegenstände benötigt wurden, so ist man dennoch über-
rascht, dass sie sich, sowohl während des zweiten Reiches der Pharaonen
und unter den Lagiden wie in der ersten Periode der ägyptischen Zivili-
sation, mit nur wenigen Farben begnügten. Der Grund hiefür mag in dem
Umstände zu suchen sein, dass alle Farben für die Aegypter eine symbolische
Bedeutung hatten, und deshalb deren Anwendung für religiöse Zwecke des
Totenkultus von vornherein ein für allemal vorgeschrieben war. Aber auch
vom rein materiellen Standpunkt aus betrachtet, war der Umfang des Farben-
materiales besonders für Wanddekorationen beschränkt, weil auf den mit Kalk-
tünche überzogenen Steinwänden (man bedeckte schon in den ältesten Zeiten
die porösen Sandsteine mit Kalkmörtel, um einen geeigneten Untergrund für
Malerei zu schaffen) nur mineralische Farben anwendbar waren. Ebenso
waren die Reliefs und andere skulpierte Dinge, wie Kapitale, Säulen, mit
einem solchen Ueberzug versehen, der bezweckte, die weiteren farbigen Aus-
schmückungen zu erleichtern. Die Palette der alten Aegypter ist demnach
sehr gering: Rot, Blau, Gelb, Weiss und Schwarz sind die Hauptfarben.
Grün ist, wenigstens im alten Reich, seltner verwendet worden. In den
Zeiten der Pharaonen besteht für Rot, Blau und Gelb entschiedene Vorliebe,
während auf Bas-reliefs der ptolemäischen Zeit wieder Blau und Grün vor-
herrschend sind.
Ir^F^b n d 61 r Nach den Untersuchungen, die Merimee über die Farben der alten

aiumAegypier. Aegypter im Anhang des Catalogue raisonne et historique der Sammlung

unter

u ) Maspero beschreibt eine ähnliche Mumie der griechisch-römischen Epoche
Nr. 5607 des „Guide»: (Ep. greco-romaine.) „Cercueil de la dame Terbosti, iille
de Tattiosiri. Couvercle plat. Type de momie assez rare: Elle est doree des pieds
ä la tete; au lieu du masque , eile avait, comme les momies de la famille de Soter
au Louvre, une plaque en bois mince, sur laquelle etait peint ä l’encaustique le portrait
de l’enfant. La main gauche ramenee sur la poitrine tient une figure d’oiseau, pro-
bablement un moineau familier qui avait appartenu au potit mort.

— 23 —

Passalaoqua (Paris 1826, p. 258 u. f.) veröffentlicht hat, sind hauptsächlich
die folgenden im Gebrauch gewesen:

„1. Gelb. Davon sind zwei Arten zn unterscheiden; erstlich ein sehr
häufig angewandtes Gelb, das nichts anderes ist als heller gelber Ocker, wie
er in eisenreichen Gegenden reichlich gefunden wird; zweitens ein leuchtenderes
Gelb, das Schwefelarsenik (Auripigment) zu sein scheint. Diese Farbe kann
künstlich erzeugt werden , findet sich aber auch in der Natur als Mineral.
Dies Urteil gründet sich nur auf die äussere Erscheinung, und es ist nicht
ausgeschlossen, dass diese gelbe Farbe eine dem Neapelgelb ähnlich bereitete
Glasfritte sein kann, deren Herstellung den alten Aegyptern bekannt war.»

„2. Rot. Das auf den Malereien angebrachte Rot ist (wenigstens zum
weitaus grössten Teil) -roter Ocker, den die Natur in grossen Mengen liefert,
oder der durch Brennen des gelben Ockers erhältlich ist. Das Stück roter Farbe
(Nr. 562 der Kollektion Passalacqua) ist roter Ocker von weniger schöner
Färbung als das Englischrot oder der rote Ocker des Handels. Auch be-
richtet Vitruv, dass aus Aegypten sehr schöner roter Ocker bezogen wurde.
Dass auch Zinnober angewendet wurde, ist nicht unmöglich, da diese Farbe
in Indien seit den ältesten Zeiten bekannt war und die Aegypter auf dem
Handelswege sich solchen beschaffen konnten. Zinnober ändert sich an der
Luft und scheint dann nicht lebhafter als roter Ocker; deshalb würde nur
eine chemische Analyse das Vorhandensein beweisen können.»

„3. Blau. Dieses Blau, wovon eine ziemliche Menge in pulverisiertem
Zustande vorhanden war (Kollekt. Nr. 561), ist so leuchtend wie Ultramarin
und ist eine bemerkenswerte Probe der altägyptischen Industrie. Es ist eine
Art von Aschenblau (cendre bleu, künstl. Bergblau), das den jetzt erzeugten
weit überlegen ist, da diese durch Feuer, Säuren und Alkalien angegriffen
werden und auch an der Luft veränderlich sind, während das ägyptische Blau
allen diesen Reagentien widersteht und seine Farbe nach mehr als drei Jahr-
tausenden erhalten hat.»

„Theophrast schreibt die Entdeckung dieser blauen Farbe einem ägypti-
schen Könige zu und erwähnt, dass sie in Alexandria hergestellt wurde.
Vitruv berichtet, dass Vestorius die Bereitungsweise nach Italien brachte und
dass das Blau in Pozzuoli bereitet wurde, indem man gestossenen Sand,
Kupferfeile und Lauge (flos nitri), d. h. Natron oder kohlensaures Kali, zu-
sammenmischte und in Kugelform dem Töpferfeuer aussetzte. (Vitr. VII, 11, 1.)»

„Davy, welcher die Farben alter Malereien in Italien mit grosser Sorgfalt
untersuchte, versichert ein ähnliches Blau erhalten zu haben, indem er 15 Teile
kohlensaures Natron, 20 Teile pulverisierte Kieselerde und 3 Teile Kupferfeile
zwei Stunden lang sehr stark erhitzte (d. h. glühte).»

,, Die Aegypter erzeugten sehr viel Schmuck aus Lapis lazuli; sie mussten
demnach wissen, dass dieser Stein, zu Pulver gerieben, eine schöne blaue
Farbe gibt; vermutlich wurde diese Farbe von einzelnen Malern gebraucht;
aber da das Material zu kostbar ist, um allgemein angewendet zu werden,
mag man davon abgesehen haben, umsomehr als man reichlich mit einem
ähnlich brillanten Blau versorgt war.»

„Nicht so sicher ist es, ob sie Indigo anwendeten; die Aegypter kannten
ihn wohl, da sie ihn in der Färberei gebrauchten; so werden sie ihn auch
zur Malerei benützt haben.»

,,4. Grün. Man findet kein brillantes Grün, alle sind olivgrün.» An-
fänglich glaubte Merimee, dass dieses Grün durch eine Art von grüner Erde,
wie Veroneser Grün, das die alten Italiener und noch zu unserer Zeit Maler
verwenden, hervorgebracht sei; aber bei Untersuchung mittelst des Lötrohrs
und durch Lösung in Salpetersäure erkannte man Kupfer als färbendes
Element. „Es war auch kein Gemenge von Lichtocker und Alexandrinisch-
Blau, denn dieses Blau wird durch Säure durchaus nicht angegriffen. u

„5. Weiss. Die Erhaltung der weissen Farbe auf ägyptischen Malereien
ist sehr bemerkenswert; jedenfalls muss dieser Umstand mehr noch (.lern
Klima und den getroffenen Massnahmen zur Vermeidung der Veränderungen,

_ 24 —

als dem verwendeten Material zugeschrieben werden. Man versichert, dass
die Masse Gips ist, und die chemische Analyse hat dies bestätigt. So bleibt
demnach nur zu untersuchen übrig, ob der Gips ohne Beimischung eines
Bindemittels angewendet wurde ; dies ist wohl möglich, aber hat das missliche,
dass man nur eine kleine Menge anmischen und in kürzester Zeit verwenden
müsste. Es ist deshalb anzunehmen, dass man schon gelöschten Gips mit
einer leimartigen Masse angerührt verwendete.» 15 )

„6. Schwarz und Braun. Der bläuliche Ton dieses Schwarz zeigt, dass
es Kohlschwarz ist. Was die Braun betrifft, so könnte man sie durch Mischung
von Schwarz und rotem Ocker erzielt haben. Auch in Aegypten gibt es viele
natürliche braune r^arben ; aber es wäre von geringer Bedeutung zu wissen,
ob es bituminöse Erden oder Mischfarben sind.» 16 )
Aegypt. Ais Malerfarben, deren sich die alten Aegypter bedient haben, be-

nachjohn. zeichnet John 17 ) die folgenden, welche er an von Minutoli mitgebrachten Ge-
genständen untersuchte.

„I. Grün. Die Farbe hält das Mittel zwischen Laubgrün und Berggrün
und befindet sich auf der Mörtelmasse aus den Katakomben von Theben.
Sie brennt sich unter Entwickelung eines tierischen Geruches vor dem Löt-
rohre schwarz, dann blau. In Säuren und Ammonium verschwindet das Grün
ebenfalls und die Farbe bleibt blau zurück, welche mit Borax eine blaue
Kupferperle gibt. Durch Schmelzen der Farbe mit Salpeter erhält man eine
braune Masse, welche, mit Salzsäure aufgelöst, durch Ammonium blau ge-
färbt wird, und die ammoniakalische Flüssigkeit gibt, nach vorangegangener
Neutralisation mit Salzsäure, mittelst blausauren Eisenkalis einen kupferroten
Niederschlag. Die Farbe ist folglich durch Vermischung eines gelben Farben-
pigments und eines Kupferblau erzeugt und mit Leimwasser aufgetragen
worden.»

„II. Bläulichgrün. Die Farbe ist matt und wegen eines graulichen
Hauches nicht lebhaft. Die Farbe stammt von den kleinen hölzernen Hüllen
der Kindermumien, und es erscheinen besonders die Holzfiguren aus Memphis,
welche um die Mumien gestellt wurden, mit dieser Farbe. Die grüne Farbe
erscheint mir an den der Luft ausgesetzten Stellen grün, beim Abkratzen mit
dem Messer zeigt sie sich blau. Dieses Grün ist Kupferblau, welches durch
den Zahn der Zeit in Blaugrün umgewandelt ist.»

„III. Hell-Lazurblau aus den grossen Denkmälern und Tempeln bei
Theben, welches von Minutoli durch Abkratzen von den Wänden gewonnen,
scheint wie helle Smalte und ist, wie sich aus der Untersuchung ergibt, eine
Art Glasfritte, hauptsächlich aus Kupferoxyd, Kieselerde und Natrum, und
dieses dient als Bestätigung der Meinung, dass das alexandrinische Blau nicht
mit Kobalt, sondern mit Kupfer mittelst jener Bestandteile u. s. w. be-
reitet worden sei.»

16 ) Ausser Gips sind jedenfalls auch Kreiden oder zu Pulver gestossener Muschel-
kalk verwendet worden. Die weisse Farbe ist in den weitaus meisten Fällen nur
als Grundierung, selten als Mischfarbe gebraucht. Minutoli kritisiert in seinem
Essay „Ueber die Pigmente und die Maitechnik der Alten, insbesondere über die der
alten Aegypter» Merimees Aufstellungen als nicht erschöpfend und fügt hinzu: ,,Eine
genaue Analyse dieser weissen Farbe dürfte für den Künstler und den Archäologen
um so willkommener gewesen sein, als die Griechen und Römer bereits mehrere
Arten von natürlichem und künstlichem Weiss kannten und die alten Aegypter ihr
Parätonium hatten, das beim Orte gleichen Namens gefunden ward.» Minutoli
zieht hier die Griechen und Römer heran, er vergisst aber, dass die in Frage kommen-
den Pigmente aus einer Zeit stammen, die viel älter ist als die Kultur der Griechen
und Römer.

lß ) Hiezu bemerkt Minutoli ganz richtig, dass diese schwarzen Pigmente,
die Merimee der Analyse nicht unterwarf, ebensogut aus harzigem Russ oder aus
anderen vegetabilischen und tierischen Stoffen erzeugt sein können.

17 ) Chemische Analysen altägyptischer Farben von Prof. John,
nebst Zusätzen und einem Vorwort von Minutoli (S. 330 s. Reisewerkes).

20

„IV. Dunkel-Lazurblau von einer kleinen Kinderfigur aus Memphis.
Diese Farbe ist beinahe schwarz und besteht aus denselben Bestandteilen
wie die vorige.»

V. Bergblau von einer irdenen Figur, bei welcher die Farbe oben
auflag, sich leicht abkratzen liess und daher nicht mit eingebrannt war, ist
Kupferoxyd mit geringer Beimischung von Eisen.»

„VI. Braun vom Gesicht der auf einen Mumiendeckel gemalten mensch-
lichen Figur. Die Farbe bildet eine wirkliche dünne Rinde, die sich ablösm
lässt und hat auf der unteren Fläche, wie mitten in der Masse dieselbe Nuance.
Vor dem Lötrohr entwickelt sich tierischer Geruch; die Beimischung von
Grau löst sich dann brausend in Salzsäure etc. Folglich hat zu dieser Ge-
sichtsfarbe braunes Eisenoxyd, mit dem zur Nachahmung des den Aegyptern
eigenen braunen Teints nötigen Kreidezusatz vermengt, gedient, welcher durch
Leimwasser bindend gemacht ist.»

„VII. Ziegelrot der Freskomalerei aus den Katakomben Oberägyptens.»
Diese Analyse ist abgedruckt im Abschnitt „Wandmalerei» (S. 8).

„VIII. Braunrot von einer hölzernen Kinderfigur aus Theben. Die stark
ins Mordoreaurot gehende Farbe ist auf weissem Grunde mit Leim aufgetragen,
und erhellet aus der Untersuchung, dass auch diese Nuance wahres
Eisenoxyd sei.»

„IX. Gelb von einem Kasten aus Theben und Abydos. Die Farbe ist
sehr rein, lebhaft schwefelgelb und kommt auch auf anderen Malereien, z. B.
auf den kleinen Kästchen, die wahrscheinlich die Eingeweide der Mumien ent-
halten, vor. Die Farbe ist sehr dünn auf Kalkmasse aufgetragen und ist das
Pigment aus dem Pflanzenreiche von der Natur unseres Schüttgelb, von welchem
es sich wenig oder gar nicht unterscheidet.»

„X. Gelbe Maske aus den Katakomben Oberägyptens. Diese Maske
hat die grösste Aehnlichkeit mit den unsrigen. Auf grober grauer Leinwand
ist eine weisse Masse aufgetragen, welche mit einer schwefelgelben Farbe an-
gestrichen ist. Auch auf der inneren Fläche ist die Maske mit eben derselben
Masse überzogen. (Folgt die detaillierte chemische Untersuchung.) Wir lernen
dadurch die Art und Weise kennen, wie die Alten ihre Masken angefertigt
haben. Auf grober Leinwand trugen sie durch gelindes Brennen in äusserst
zarten Staub verwandelten Muschelkalk (wenn sie nicht etwa geschabte und
geschlämmte Kreide anwendeten), mittelst Leimwasser bindend gemacht, auf;
diesen Grund überzogen sie darauf mit einem äusserst dünnen, unsichtbaren
Gipsanstrich und letzteren bemalten sie mit gelber, wie es scheint, Pflanzen-
farbe welche ebenfalls mit Leimwasser aufgetragen wurde. Auf der inneren
Fläche der Maske ist ebenfalls ein dünner Kreideanstrich aufgetragen, und
man bemerkt hier an einigen Stellen zwischen diesem Anstrich und der Lein-
wand noch eine Lehmbedeckung.»

Schliesslich sei auch noch auf die chemischen Analysen altägyptischer -Q^^’und»
Farben von Geiger hingewiesen, die auf ein Fragment von Wandmalerei
aus dem von Belzoni entdeckten Grabe zu Biban-el-Moluk Bezug haben und
im vorigen Abschnitt (S. 8) mitgeteilt sind.

Von Analysen altägyptischer Farben ist hier noch anzureihen die Unter-
suchung von Baillif (Catalogue raisonne von Passalacqua p. 242), der in
zwei Fällen Kupfer als färbende Substanz des ägyptischen Blau fand;
und zwar erstens bei Untersuchung der blauen Farbe von der Palette mit
den 7 Farben der Sammlung Passalacqua (jetzt im Berliner Museum), und
zweitens bei Untersuchung eines kleinen Stückchens blaugrüner Farbe, die
vom Bug des ägyptischen Schiffes (Totenschiff) sich abgelöst hatte.

Prisse d’Avennes spricht von chemischen Analysen, die Girardin und
Haaxmann im Jahre 1839 an altägyptischen Farben im Museum zu Leyden
anstellten; deren Resultate sind mir jedoch nicht zugänglich.

In neuerer Zeit sind 6 Farben, die Flinders Petrie in einem Grabe von
Hawara, und zwar in nicht angemachtem Zustande, gefunden hat (jetzt im
British Museum), von Dr. Russell untersucht worden.

Baillif.

Farben eines

Grabes von

Hawara.

— 26 —

Es sind die folgenden :

1. Dunkelrot, war Eisenoxyd mit ein wenig Sand vermischt, wie gute
gebrannte Sienaerde ;

2. Gelb, Ocker, ebenfalls Eisenoxydfarbe mit wenig Alaunerde; wurde
durch Erhitzung dunkel-rotbraun;

3. Weiss, schwefelsaurer Kalk (Gips) in Form eines amorphen Pulvers ;

4. Rot (Lack), organische Farbe in einem Medium von schwefelsaurem
Kalk;

5. Blau, durch Kupfer gefärbtes Glas;

6. Rot, Mennig oder Bleioxyd, wahrscheinlich mit Alaunerde gemischt.
(Vgl. Petrie, Hawara, Biahmu and Arsinoe, London 1889, p. 11.)

Die altägyptischen Farben bestanden nach den obigen ‘Ausführungen
aus natürlichen und aus künstlich hergestellten. Die natürlichen waren: Weisse
Kreiden, Gips, Ocker (gelber u. roter), Zinnober, vielleicht auch natürliches
Braun (Umbrabraun) ; künstlich erzeugt waren Blau durch Herstellung
der blauen Glasfritte, ein Pflanzengelb (Extrakt von Gelbbeeren), Braun
aus Sepia, Schwarz aus Russschwarz. In späterer Zeit wurden auch die
kostbaren Purpur bekannt, ebenso auch andere künstliche Farben griechischer
und römischer Fabrikation.

Was das Violett betrifft, so behauptet Champollion (Lettres d’Egypte et
de Nubie p. 130), dass eine solche Farbe im Altertum keine Bedeutung
gehabt habe. Wo man sie ausnahmsweise antreffe, z. B. auf Basreliefs,
bedeute dies nur, dass der heute violett erscheinende Teil früher vergoldet
war. Dieser Ton komme, sagt er, von der Beize oder Mixtion her, die auf
die zu vergoldenden Stellen der Bilder aufgetragen wurde.

Dass diese Ansicht den tatsächlichen Umständen nicht entspricht, braucht
wohl kaum besonders bemerkt zu werden. Im Altertum wurde Violett d. h.
Purpurviolett viel zu sehr geschätzt, als dass man es zur Unterlage oder
Beize (!) verwendet hätte. Die Beize für Gold bestand vielmehr aus Eiklar
oder Leim, nach Befinden mit rotem Ocker vermischt.
Firnis – Firnis. Der auf Mumienhüllen sichtbare Firnis erscheint jetzt sehr gelb,

jedenfalls gelber als zur Zeit des Auftrages; denn alle Harze und fetten Körper
vergilben mit der Zeit, und das um so merklicher und schneller, wenn sie an
dunklen Plätzen aufbewahrt werden. Mitunter sieht man solche Firnisaufträge
sehr dick oder auch ungleichmässig geraten, was auf eine dickflüssige Kon-
sistenz derselben schliessen lässt, und oft. erscheinen sie in entschieden
goldgelbem Ton. Es hat deshalb den Anschein, als ob hiezu schon an sich
gelbe Harzsorten, wie es die orientalischen Gummi-Harze vielfach sind, gedient
haben. So etwa Gummi Galbanum, Storax, Aloeharz und ähnliche. Nebst
flüssigen Balsamen und anderen natürlichen Harzen dienten diese Firnisse als
Ueberzug.* Wenig wahrscheinlich ist es , dass die alten Aegypter auf die
Far blosigkeit des Firnisses ihr Hauptaugenmerk gerichtet hätten, denn
ihre Malerei war keine Naturnachahmung, sondern einfach angewandte Flächen-
dekoration; der goldgelbe Firnis war mithin von vornherein bezweckt.

Merimee (a. a. 0. p. 262) vermutet, dass die Perser schon frühzeitig
die Lösbarkeit der Harze in Naphtha kannten und dass diese Erfindung durch
sie nach Aegypten gelangt sein könne. Wahrscheinlicher ist es, dass sie
Harze und Balsame in Oelen auflösten, wie es auch Plinius von allen Harzen
erwähnt (XIV, 25: Resina omnis dissolvitur oleo). Prisse d’Avennes glaubt
sogar, dass die ägyptischen Maler transparente und ungefärbte Firnisse ihren
Farben beimischten, wie es in späterer Zeit die Griechen (Byzantiner)
taten. Mit Hilfe dieses Firnisses führten sie Lasuren aus, z. B. am Grabe
des Aichesi auf dem königlichen Palankin eine blaue Lasur über gelbem
Grund, wobei die Figuren ausgespart sind (p. 291).

Im Wiener Hofmuseum (Saal IV, Fensterschrank VI) befindet sich ein
kleines Stück Malerei auf Sykomorenholz , das auffallenden Glanz zeigt,
vermutlich aus spätägyptischer Zeit stammend. Die dargestellte Figur (mit
den typischen geflügelten Armen) ist in dicker Schicht erhöht und erstlich

27 —

mit glänzender gelber Farbe bemalt, darauf stehen rote Konturen und darauf
Hellgrün sowie Blau ron so konsistenter Erscheinung, dass man dies tat-
sächlich für Firnisfarbe halten könnte.

Prisse (a. a. 0.) bemerkt, dass viele Mumienmasken auf Holz oder
Kartonnage in enkaustischer Art (mit Wachs in Naphtha gelöst) bemalt worden
seien, aber der Zeitpunkt, von wo ab dies der Fall war, sei unentschieden.

Malgeräte. Es bleibt noch die Frage zu erörtern, welche Art von
Malgerätschaften die Aegypter bei ihrer Malerei benützten. Dass sie ihre
Farben in verschiedener Weise gebrauchten, lässt sich aus einigen erhaltenen
Wandmalereien schliessen, die den Maler bei der Arbeit darstellen. Auf
einer solchen sehen wir die Maler beschäftigt, eine Statue und einen Altai-,
vermutlich mit Hieroglyphen, zu verzieren. In der rechten Hand hält der
Maler den stilartigen Pinsel, in der linken ein Farbenbehältnis oblonger Form :
wie es scheint, ist damit eine der unten beschriebenen Holz-Paletten gemeint,
die hier ohne Verkürzung dargestellt ist. Auf einem anderen Bilde sind
mehrere Maler bei der Arbeit, wobei der eine ein Gefäss in der linken
Hand hält, in dem sich offenbar eine Flüssigkeit befindet. Derartige Töpfchen
finden sich, noch mit Farben gefüllt, in manchen Museen, z. B. im Wiener
Museum aus Steingut, desgleichen im British Museum. Im Berliner Museum
(Nr. 4700 Sammlung Passalacqua) ist ein Farbenkasten mit 6 Töpfchen (grün,
braun und schwarz noch deutlich erkennbar) aufbewahrt.

Malgeräte.

Abbild. 9. Aegypt. Schreib- und Malgeräte. Orig. im Berliner Museum.

Obschon die Erfindung des Pinsels so nahe liegt, dass sie den Aegyptern
wohl kaum hat entgehen können, so hat Passalacqua doch keinen solchen
gefunden. Bei dem Schreibzeug mit zwei Farben (rot und schwarz) waren
zwei kleine Stiele von der Grösse einer Rabenfeder; die Palette (Nr. 551 der
Sammlung Passalacqua) mit den 7 Vertiefungen für ebensoviel Farben war
auch mit sieben den obigen ähnlichen Stielen versehen. Passalacqua hielt
sie für Federn oder Pinsel zum Schreiben und Malen. „Anfänglich, sagt
Merimee, „schien mir diese Voraussetzung nicht zulässig und zur Probe
schnitt ich eine dieser kleinen Stiele an der Spitze ab, tauchte das Ende in
Wasser, ohne davon überzeugt zu sein, dass man mit einem derartigen In-
strument Striche von der Art, wie man sie auf Mumienhüllen sieht, machen
könnte. Solche Striche scheinen schnell gezogen, sie sind völlig oder dünn, je
nachdem der Strich mit geringem oder stärkerem Druck geführt ist. Zu meiner
grossen Ueberraschung bildete der kleine Stiel, der mir wie eine Art Binse
erschien , durch die Teilung seiner Fasern einen Pinsel. Dieser Pinsel hatte
nicht die Elastizität der unseren, aber es war zu bedenken, dass durch die
Länge der Zeit gar viel von seiner ursprünglichen Kraft verloren gegangen
sein musste. Sache der Naturforscher wäre es, unter den in Aegypten

— 28 —

wachsenden Binsenarten eine herauszufinden, deren kleine faserige Stengel
sich zum Pinselgebrauch eignen würden.»

Zum Bemalen von Papyrus oder zum Aufzeichnen der Konturen von
Hieroglyphen mögen derartige Binsen wohl getaugt haben; und die genannten
Geräte sind wahrscheinlich auch vielmehr Schreib- als Malgeräte gewesen. Für
die Bemalung von Flächen, für Grundierungen, zur Wandmalerei in grösserer
Ausdehnung werden wohl auch wie heute Pinsel mit Borsten oder Tierhaaren
erzeugt worden sein.

Die hier (Abbild. 9) vorgeführten Malgeräte des Berliner Museums zeigen
die Anordnung der Farben und den Raum zum Aufbewahren der Binsenstiele.
Das kleinere Schreibgerät enthält nur die zwei Farben rot und schwarz. Das
obengenannte grössere, aus der Sammlung Passalacqua stammend, hat ähn-
liche Anordnung : die Räume für die Farben sind vertieft und die freibleibenden
Flächen sind reich mit eingeschnitzten Hieroglyphen geziert. Die Reihenfolge
der Farben von oben nach unten ist: 1. weiss, 2. gelb, 3. (nicht erkennbar),
4. blau, 5. rot, 6. und 7. schwarz. Allem Anschein nach ist dieses Gerät
nicht für den Gebrauch bestimmt gewesen, sondern zum Zeichen der Ehrung
dem Toten beigegeben worden.

29

II. Die Maltechnik im alten Assyrien. Persien und Ostasien. 18 )

Von Herodot (1 , 98) wird uns überliefert, dass die Meder eine Königs-
burg mit sieben Ringmauern gebaut haben , und dass die Zinnen dieser
Ringmauern verschieden gefärbt waren, die der ersten weiss, der zweiten
schwarz, der dritten purpurn, der vierten blau, der fünften orangerot; die
der vorletzten waren versilbert, die der letzten innersten vergoldet.

An diese offenbar symbolische Anordnung 10 ) wurden Layard und Place
bei den Ausgrabungen zu Khorsabad erinnert, da sie vier noch erhaltene
Stockwerke an einer Tempelruine, welche Place das „Observatorium»
nennt, mit verschiedenen Farben bemalt fanden. Die Stockwerke hatten die
gleiche Höhe von etwa 6 Metern , und wie man während der Ausgrabung
noch bemerken konnte, war das erste Stockwerk weiss , das zweite schwarz,
das dritte rot, das vierte weiss angestrichen. Wie vermutet wird, war dieser
Turm ebenso sieben Stockwerke hoch und werden die Färbungen der obigen
Reihenfolge entsprochen haben (das Weiss des vierten Stockwerkes als ver-
blasstes Blau gerechnet). Wenn man sich diesen „Turm mit sieben Stock-
werken, diesen Tempel der sieben irdischen Leuchter», dessen Wiederherstellung
in grösster Pracht sich Nobuchodonosor rühmte , vorstellen will , so kann
es nur in der Weise geschehen, dass man die Farben wie bunte Bänder von
gleicher Höhe und in der symbolischen Reihenfolge der Färbung übereinander
angebracht sein lässt. Nach der Meinung der genannten Forscher wären
auf dem die Ziegeln bedeckenden Stuck diese Farben und Ornamente
durch Sonne und Regen mit der Zeit unscheinbar geworden und nach Bedarf
wiederholt erneuert worden. Aber auch im Innern verlangte die Ausstattung
die malerische Hebung der Architektur durch Farben , die wahrscheinlich ä
tempera aufgetragen wurden; sie haben sich leider nur in geringen Resten er-
halten. Im Verlaufe der Ausgrabungen fand Place vielfache Spuren dieser
„Fresken», und hauptsächlich in Räumen, deren untere Mauerflächen mit
Basreliefs geschmückt waren (Layard, Nineveh I p. 136; Place, Nineveh II
p. 80-81). Aber die Farben, die bei der Aufdeckung der Stuckteile noch
sehr lebhaft erschienen, verblassten an der freien Luft sehr bald und die Stücke
zerfielen zu Staub. Nur mit grösster Mühe gelang es Place einige dieser Ma-
lereien in den Stand zu bringen, um sie zu kopieren. Nach den Beispielen. JJj»jgS£.
die er gibt, wechselten menschliche Figuren mit reinen Ornamenten, wie Bän- Wandmalerei.
dern, Palmetten und Rosetten. Die verwendeten Farben waren schwarz, grün,
rot und gelb; der weisse Grund, auf den die Farben gesetzt waren, bildete
als fünfte Farbe die Hautfarbe. Auch Layard hat einige Fragmeute solcher
Wandmalereien veröffentlicht; es sind einfache ornamentale Bänder in gelber

18 ) Litteratur: Layard, Monuments of Nineveh, London 1849 und 1853.
Perrot et Chipiez II. Paris 1884.

Place, Nineve et l’Assyrie, Paris 1867—69.
Semper, der Stil II, p. 324 f.

19 ) Die Siebenzahl war geheiligt und im alten Chaldäa als glückbringend ver-
ehrt; von da stammt auch die Einteilung der Woche in 7 Tage als Folge des Kultus
der 5 Planeten nebst Sonne und Mond.

30 —

Inkrustation

mit glasierten

Ziegeln.

oder blauer Farbe mit kleinen anschliessenden Bordüren von roten und blauen
Querstreifen, die durch eine weisse Linie von dem Mittelhände getrennt
werden. In einem reichen Ornamente finden sich die gleichen Farben und
ebenso in einem mit zwei gegenüber gestellten Stieren verzierten Bandstreifen ;
die Körper der Tiere sind weiss, mit einer schwarzen Kontur umzogen, auf
einem hellgelben Grund ; die Zinken, die die Komposition bekrönen, sind von
schöner dunkelblauer f^arbe. Auf den oberen Wandparlien angebracht, konnte
diese Malerei sich lange Zeit erhalten. Place glaubt annehmen zu sollen,
dass die inneren Laibungen der Gewölbe in gleicher Weise ausgestattet waren ;
denn diese Teile, die keine sehr reiche Ausstattung erhalten sollten, konnten
in Temperamanier ausgeführt werden. George Smith (Assyrian discoveries
p. 77-78) fand einfache Farbenbänder in Räumen, deren untere Partie aus
Steinplatten bestand, auf diesen selbst aufgemalt.

In der assyrischen Dekorationsweise musste der Maler zugleich darauf
bedacht sein, seine Farben mit den Details der skulpierten Friese in Ueber-
einstimmung zu setzen, denn die reichen Reliefs wurden gleicherweise farbig
verziert. So hatten Bart, Haare und Augenbrauen schwarze Färbung,
während das Rot und Blau dazu dienten, einzelnes Beiwerk, wie die Franzen
der Gewänder, die Waffengehänge und Blumen, die die Figuren trugen, vom
Grund zu trennen. Es war eben nötig, dem ganzen Räume durch Färbung
der Reliefs in Harmonie zu bringen; sonst wäre der graue kalte Ton des
Alabasters in der vielfarbigen Umgebung zu sehr abgefallen.

Ueber die Art, wie diese Malereien aufgetragen wurden, ob ä tempera
oder ä fresco oder durch ein anderes Medium (Wachs, Oel oder dergleichen),
sind wir nicht unterrichtet. In dieser Beziehung ist diese Art der assyrischen
Malerei meines Wissens nicht geprüft. Nach Semper’s Ansicht (II p. 326)
müssten in einer gewissen Zeit vegetabilische Farbstoffe dabei häufiger be-
nützt worden sein, weil auf den meisten Kalk- oder Stuckwänden die
Malereien dergestalt verblichen seien, dass kaum noch die Umrisse in schwachen
Spuren hier und da von ihrer früheren Existenz zeugen. (Layard, Ninive und
seine Ueberreste; deutsch. Ausg. p. 201.) „Der Stuck ist an einigen Orten
sehr dünn, an anderen dagegen sehr dick aufgetragen, und manchmal finden
sich mehrere Stuckschichten übereinander, jede mit besonderer Malerei, wor-
aus hervorgeht, dass die Wanddekoration an diesen Orten zu verschiedenen
Perioden erneuert wurde. In dem Gebäude südlich des grossen Nordwest-
palastes zu Nimrud liess sich die dekorierte Stuckwand bis über vierzehn
Fuss über die Platten der unteren Mauerbekleidung hinaus, die hier nur zwei
Fuss hoch ist und aus nicht skulpierten Kalksteintafeln besteht, verfolgen;
sie ging wahrscheinlich noch weit über diese Höhe hinaus. Dabei haben die
Räume nur etwa vierzehn Fuss Breite. Der ganze Hügel von Nimrud ist
gleichsam mit Spuren solcher stuckbekleideter Wände bedeckt; nur die den
grossen Centralhallen zunächst liegenden Piecen, die den kleinsten Teil der
Anlage bilden, waren mit Steintafeln bekleidet.»

Wir wissen auch nicht das mindeste über die immerhin wichtigen Arten
der Malerei auf Holz, Leinwand u. s. w. bei den alten Medern, Persern und
den angrenzenden Völkern. Sie hatten nicht den ausgebildeten Totenkultus wie
die Aegypter, nicht die auf ewige Dauer der irdischen Reste berechneten
Gräber und Katakomben; auch klimatisch ist das Hochland ungünstiger für
die Erhaltung der im Schutt versunkenen Baulichkeiten. Aber in einem
Punkte versuchten jene Völker durch Kunst zu erreichen, was ihnen von der
Natur versagt war: sie verstanden es, ihre Ziegel durch eine schützende Glasur
zu festigen. Und durch die Ausbildung dieser Technik nach jeder Richtung
haben sie den Grund gelegt zu einem für alle Zeiten wichtigen Industriezweig,
der heute noch in direkter Tradition im Kaukasus, in Persien und bis nach
Indien weit verbreiteten Inkrustation der Lehmwände mit gebrannten
und bemalten oder vielmehr mit glasierten Ziegeln.

Loftus „Travels and Researches in Chaldea and Susiana» berichtete
zuerst (s. Semper II p. 309) über die merkwürdige Art der Ziegelbekleidungen,

— 31 —

die in den Trümmern der alten Chaldäerraetropolis zu Wurka entdeckt wurden.
Sie bestanden in regelrechtem Mosaik, zusammengesetzt aus Stiften oder
Konen von gebranntem, oben an dem sichtbaren dicken Ende mit farbiger
Glasur überzogenem Tone. Jeder Kegel hatte eine bestimmte Farbe, und
durch das Reihen und Zusammenfügen derselben entstanden regelmässige geo-
metrische Muster, Imbrikationen, Netzwerke u. dergl. Spuren ähnlicher Mosaik-
bekleidungen der Wände finden sich auch unter den assyrischen Trümmer-
haufen. Aber weit häufigere Ueberreste einer ganz anderen Technik, die mit
jener Verwandtschaft zeigt, weil sie den Stoff mit ihr gemein hat. lassen es
unentschieden, ob hier eine alte Tradition durch eine neue Erfindung ver-
drängt ward, oder ob umgekehrt die spätere Erfindung noch nicht Zeit ge-
habt hatte, neben der früheren sich Bahn zu brechen.

In den mit Steintafeln verbrämten Räumen, vorzüglich zwischen den
Eingangspforten, fand man eine Menge gebrannter Ziegel mit Malereien, die in
der technischen Ausführung von den Wanddekorationen zu Wurka durchaus ab-
weichen. Es scheint erwiesen und entspricht den Berichten der Alten über den
buntfarbigen Ziegelschmuck ähnlicher babylonischer Burgen und Paläste, dass
ein Teil der inneren und wahrscheinlich die genannten äusseren Wände
Niniveh’s in ihren oberen Teilen mit dieser solideren Inkrustation gesichert
und zugleich verziert waren. So hat uns Diodor (wahrscheinlich nach Ktesiasi
11,8 überliefert, dass die zweite kreisförmige Mauer der Königsburg zu Ba-
bylon (in ihrem westlichen Teile) geschmückt gewesen sei mit aus dem
weichen Tone der Ziegel geformten und gebrannten Bildwerken von
verschiedenartigen Tieren, die durch kunstvolle farbige Bemalung der Natur
nahe kamen. Innerhalb dieser zweiten Umfassungsmauer habe eine dritte
(Peribolus) die eigentliche Akropolis umgeben, auf deren Türmen und Mauern
mancherlei Tiere sehr kunstreich in Farben und Formen nachgeahmt wären.
Das Ganze stelle eine Jagd vor, mit einer Menge verschiedener Tiere und
mit Figuren mehr als vier Ellen hoch. Man sehe Semiramis dargestellt, wie
sie vom Pferde aus mit dem Wurfspeer einen Panther erlege, nahe bei ihr
den Gemahl Ninus, der mit der Lanze einen Löwen niedersteche.

An diese Darstellungen wird man lebhaft erinnert, wenn man die aus
den Bruchstücken wieder vereinigten Fragmente im Museum des Louvre be-
trachtet (Löwenlries von der Bekrönung der Pylonen vom Palaste des
Artaxerxes Mnemon; Bogenschützen vom Thronsaal des Darius). Die ganze
Dekoration besteht aus ziemlich grossen auf einer Seite glasierten Ziegeln,
dabei treten die Figuren in starkem Relief hervor. Als Randverzierung ange-
brachte reicher ornamentierte Ziegel zeigen Rippen von hellerer oder auch
dunklerer Färbung, um die aufgetragene Glasur in dem dafür bestimmten
Raum festzuhalten. Manche Stücke gleichen demnach der Cloisonnetechnik.
und die Ornamente bekommen dadurch etwas prägnantes. Einige Fragmente
vom Palaste des Sargon (Khorsabad) zeigen diese plastische Vorbereitung für
die Glasur besonders deutlich (Saal I, I. Etage des Louvre-Museums). Bei
anderen Ziegeln lassen sich nur Spuren von Farbe erkennen oder gesinterte
Stellen, deren Charakter vielleicht auf eine andere Herstellungsart hinweist
und die mehr an den direkten Farbenauftrag denken lässt (ohne Rippen-
vorbereitung).

Es scheinen demnach zwei Arten der Herstellung glasierter Ziegel bei Technik.
den Assyriern bekannt gewesen zu sein, wovon die zuletzt genannte wohl die
die ältere war, denn das Herstellen besonders vertiefter Ornamente zur Ver-
hinderung des Auslaufens der beim Brennen in Fluss geratenden Glasur deutet
entschieden auf höhere technische Kenntnisse. Den Vorgang bei der Her-
stellung derartiger Ziegeldekorationen haben wir uns so zu denken, dass
die mauergerecht aufgestellten, vorerst lufttrockenen oder nur massig ge-
brannten Ziegel (ihre Grösse beträgt etwa 22 : 34 cm) mit der Zeichnung
und den Glasurfarben versehen wurden, um dann wieder auseinander ge-
nommen und einzeln, mit einem Merkzeichen von rückwärts versehen, in ge-

— 32 —

eigneter Weise gebrannt zu werden. 20 ) Zweifellos müssen bei den alten
Assyriern schon Brennöfen grösseren Umfanges in Gebrauch gewesen sein,
da in der Sammlung des Louvre ein Ganzstück in Form und Grösse- einer
richtigen Badewanne aufbewahrt ist. In solchen Brennöfen mag man daher
gleichzeitig eine grosse Zahl mit Glasur bedeckter Ziegel dem Brande aus-
gesetzt haben. Nach dem Herausnehmen der Stücke wurden die einzelnen
Ziegel in ihrer richtigen Ordnung an der Wand vermauert, wie man es heute
auch mit sog. Verblendsteinen macht.
T^ireHefs ^ ei re i cnerer Ausführung, wobei die figürlichen Darstellungen (Bogen-

schützen, geflügelte Löwen im Louvre) in Halbrelief über den allgemeinen
Grund erhaben erscheinen, ist der Vorgang insofern komplizierter, als
vorerst die Figuren in dem weichen Ton herausgebildet werden mussten. Be-
sondere Schwierigkeiten sind darin wohl kaum zu finden, denn es mögen
die in Tonrelief gebildeten Teile entweder auf die mauerrecht geordneten Ziegel
aufgelegt, oder aber auch in Ziegelform geteilt worden sein, solange die
Tonmasse noch weich war. Nachdem nun wiederum die einzelnen Ziegel
von rückwärts mit Merkzeichen (Nummern oder dergl.) versehen und einem
vorbereitenden Brande unterzogen worden waren, folgte wie oben der Auftrag
der Glasurfarben und das abermalige Einbrennen der Malereien im Brennofen.
Aus dem Umstände, dass auf einzelnen Ziegeln mitunter die Farbe über deren
Rand hinaus und längs der benachbarten Seitenflächen des Ziegels herabfloss,
schliesst Semper (II p. 330) mit Recht, dass die aneinandergereihten Ziegel
während der Malarbeit horizontal angeordnet waren. Dies hatte vor allem
den Zweck, dass möglichst viel von den Schmelzfarben durch die poröse Ton-
masse aufgesogen werden sollte, und führte naturgemäss dazu, auf den ein-
zelnen Ziegeln jene rippenartige Erhöhungen anzubringen, deren Zweck
zweifellos war, das Auslaufen der im Brennen flüssig gewordenen Schmelz-
farben zu verhindern. 21 )

Das gleiche Verfahren war auch bei den alten Persern in Gebrauch;
dies bezeugen die von Dieulafoy im alten Susa gefundenen emaillierten
Ziegel (Museum des Louvre). Die cloisonneartigen Rippen bilden in ihren
hervorspringenden braun oder grau erscheinenden Höhen die Zeichnung, ent-
weder der Gesamt- Ornamentation oder der einzelnen Teile der figuralen
Darstellung. Naturgemäss musste eine solche erhabene Anlage der Rippen

20 ) Obwohl dieser Umstand Semper bekannt war, stellt er (Stil I, p. 330) die
Hypothese auf, dass „die auf ebenen Boden geordneten und numerierten ungebrannten
Ziegel wieder in gleicher Ordnung vertikal zusammengefügt wurden und hierauf die
Wand, nämlich die ganze innere und äussere Bekleidung eines Raumabschlusses, einer
Glut ausgesetzt wurde, die hinreichte, die sehr flüssige Glasurfarbe in Schmelz zu
verwandeln und zugleich der Wand aus Lehmziegeln eine dünne Terrakottakruste zu
geben». Gegen diese Hypothese des Glasierens ganzer bereits mit Malerei über-
zogener Luftziegelwände spricht aber gerade das Numerieren der Ziegel von rück-
wärts, das doch sonst ganz überflüssig wäre, sowie der Umstand, dass die chemische
Untersuchung der babylonischen Glasurfarben Schmelzpunkte ergab, die nicht geringer
waren als die Glasuren der späteren Zeit, also ein Brennen im Muffelofen erforderlich
machten.

21 ) Die chemischen Untersuchungen altbabylonischer Ziegelglasuren durch Dr.
Percy und Sir Henry de la Beche, Vorsteher des Museums für praktische Geologie
zu London, ergab folgende Resultate: Das Gelb ist ein Antimoniat von Blei und
enthält Zinn; diese Mischung, genannt Neapelgelb, die man für eine moderne Erfindung
hält, war auch den Aegyptern bekannt. Das Weiss ist ein Zinnoxydemail; man
kannte also die Benützung des Zinnoxyds zu der Gewinnung opaker Emailfarben,
welche Erfindung immer den Arabern des VIII. oder IX. Jhds. zugeschrieben wird
und die Lucca della Robbia im XV. Jhd, vielleicht ohne Kenntnis dessen, was so
lange vor ihm gekannt war, aus sich selbst erneuerte und in genialster Weise tech-
nisch und künstlerisch zu benützen verstand. Das Blau, und wahrscheinlich auch
das auf ninivetischen Emails vorherrschende Grün, ist reines Kupferoxyd, verbunden
mit Blei. Das letztere wurde nicht der Farbe, sondern des leichteren Flusses wegen
hinzugefügt, eine Erfindung, die in der Geschichte der Töpferei gewöhnlich erst dem
XII. oder XIII. Jhd. nach Christo zugeschrieben wird. Das Rot ist ein Kupfersub-
oxyd. Ueber das Braun, das vielleicht auf babylonischen Ziegeln nicht vorkommt,
enthält der Bericht keine Mitteilung (s. Semper I. p. 332).

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mit sehr dickflüssiger Masse aufgetragen werden, deren Schmelzpunkt aber
höher war, als die in die Zwischenräume eingetragenen Glasurfarben; denn
sonst wäre das ganze mühevolle Verfahren zwecklos geblieben, falls beim
Brennen ein Zusammenfiiessen der Rippenmasse mit den Füllungsfarben ein-
getreten wäre. Zweifellos war es durch praktische Erfahrung bekannt, durch
welche Zusätze die Schmelzbarkeit der Glasuren verändert werden konnte
(verschiedene Mengen von Quarzsand, Ton, Bleierde und Zinnasche u.a.),
auch konnte man die mit der Rippen-Ornamentation versehenen Ziegel
vorher einem stärkeren Brennprozess aussetzen, ehe die Glasurfarben auf-
getragen wurden.

Bis zu welchem Grade der Vollendung die Orientalen es in dieser Technik M 2!r»!r? I TM 1 _
gebracht haben, zeigen die vor wenigen Jahren gemachten Funde von el-Jahudieh.
Tell-el-Jahudieh, welche sich teils in der ägyptischen Abteilung des Wiener
Hofmuseums, teils in Berlin und London befinden. Bei diesen sieht man
die dargestellten Figuren (äusserst charakteristisch modellierte Typen orien-
talischer Volksstämme) in halbem Relief aus einer glasierten, teils bemalten,
teils weissen oder farbigen Masse gebildet, wobei die Schmelzfarben für einzelne
Teile der Gewandung (Stickereimuster) in vorher gefertigte passende Vertiefungen
eingegossen erscheinen, so dass eine Art Mosaik von eingelegten und mit-
gebrannte» verschiedenfarbigen Glaspasten entsteht. 22 )

Diese glasierten Bilder sind in der Tat höchst merkwürdige Belege für
eine überaus entwickelte Kunsttechnik, die nur durch langandauernde Tradition
auf solche Höhe gebracht worden sein kann. Nehmen wir dazu das äusserst
seltene Vorkommen dieser Dekorationsweise im alten Aegypten (Semper er-
wähnt nur ein einziges derartiges Beispiel von Inkrustation altchaldäischer
Fayencebekleidung in einer Grabkammer zu Saquära; I p. 385), so ist der
Schluss naheliegend genug, dass diese Kunstfertigkeit erst mit der Perser-
herrschaft dort Eingang gefunden haben und, einmal dahin verpflanzt, weiter
geübt worden sein wird. Die vielen Gegenstände glasierter Tonwaren und
Schmelzarbeiten aller Art (cloisonnierter Schmuck, Amulete u. s. w.) ägyptischer
Provenienz sind deutliche Anzeichen davon. Wir kommen aber bei diesen
Erwägungen zu einer weiteren Hypothese, die sich unversehens aufdrängt,
dass nämlich die ältesten Kulturstätten Asiens die Ursprungsgebiete gewesen
sein dürften, von wo aus sich die Kunstfertigkeiten nach allen Seiten strahlen-
artig ausgebreitet haben werden. Diese Anschauung steht zwar mit der
hergebrachten in Widerspruch, welche die griechische Kunst auf den
Schultern der altägyptischen stehen lässt , aber andererseits wird von
neueren Kunstgelehrten der nähere Zusammenhang zwischen der altgriechischen
und der Kunst Kleinasiens und der der alten Phönizier, Meder und Perser
immer mehr erkannt und gewürdigt. Es will mir scheinen, als ob von den
Grenzen des „Fabellandes» Indien aus der Impuls ausgehe und dort die ^^’^^S»
Quellen zu suchen seien, die nach allen Seiten weiterrieseln, sich zu Strömen ältester Kui-
vergrössern und schliesslich , durch die Verschiedenheit der W eltanscnau-
ungen, Religionen und Kulturen beeinflusst, auch verschiedene Aeusse-
rungen des Kunsttriebes hervorgebracht haben. Während aber nach Osten
hin die kulturelle Strömung des Buddhismus einer freien Entfaltung der Kunst
hinderlich gewesen ist und (um im Bilde zu bleiben) versandete, hat nach Westen
hin das Griechentum alle Stufen bis zur höchsten Vollendung der Kunst
erklommen.

Selbst auf dem engeren Gebiete der Maltechnik gilt die gleiche Beob-
achtung; denn während die Indier und Chinesen wie die Aegypter nicht über
die Wasserfarbentechnik in der Malerei hinaus kamen, gelang es den Griechen,
durch die Enkaustik eine Malweise zu finden, die in Bezug auf Realismus
den höchsten Forderungen der Zeit zu genügen vermochte.

22 ) Vgl. die Monographie über diese „Musivischen Flachreliefs aus der Zeit
Ramses’ des Dritten» von Dr. Alex. Dedekind in dessen „Aegyptol. Untersuchungen».
Wien 1902. (Enthält zwei vortreffliche Abbildungen in Heliogravüre nach den Wiener
Originalen.)

3

— 34 —

Indien,

Lieferant von

Farben und

Droguen.

Indische
Wandmalerei.

Indien war, das muss hier sogleich hervorgehoben werden, schon vom
Altertum her durch das ganze Mittelalter, man kann sogar sagen, bis in die
neueste Zeit Lieferant kostbarer, für die Kunst der Malerei wichtiger Droguen
und Farben. Der Indigo wird auch heute noch von Indien bezogen, und im
Altertum waren es die Harze und Balsame, das Drachenblut, das echte Ultra-
marinblau und Zinnober, die auf dem Karawanenweg von Indien zum Helles-
pontus oder über Phönizien nach den westlichen Reichen gelangten. Vitruv
(VII, 10, 4) erwähnt das „indische Schwarz» (chin. Tusche), das man nur
durch besonders sorgfällig hergestelltes Schwarz zu ersetzen imstande ist.
Von dem Umfang des römisch-orientalischen Handels überhaupt können zwei
Stellen des Plinius (XII, 84 und VI, 101) eine Vorstellung geben, wonach
„bei niedrigster Schätzung die drei Gebiete Indien, China und Arabien dem
Reiche jährlich 100 Millionen Sesterzen kosteten, und Indien allein 55 Millionen
aus dem Reiche zog». 23 )

Die eigene Kultur Indiens reicht weit zurück, „denn schon im 12. Jhd.
v. Ch. erhoben sich die prachtvollsten Bauten brahmanischer Herrscher in
dem vom Ganges und Djumna eingeschlossenen Mittelstromland, dem ge-
weihten Duab». Von der Pracht und dem Umfang der Bauten geben die
glänzenden Schilderungen der alten Epen Mahabarata und Ramayana Kunde,
aber auch nicht minder die noch erhaltenen Tempel, Pagoden und Grotten-
bauten, aus den späteren Perioden der Entwicklung des Buddhismus, von
dessen siegreichem Auftreten in Indien das eigentliche monumentale Kunst-
schaffen datiert. Die überschwängliche Phantastik der Dekoration, verbunden
mit der religiösen Symbolik der Tier- und Menschengestalten, die in wilder
Verschlingung und Unordnung Säulen und Wände bedecken, geben Zeugnis
von einer schöpferischen Tätigkeit, deren oberstes Gesetz, wie es scheint, die
„volle Willkür» war. „Meist sind diese Darstellungen in kräftig vorspringendem
Relief dem Aeussern der Tempel und der Pagoden aufgemeisselt oder im
Innern über den Pfeilern, an den Gesimsen und Wandnischen angebracht.
Die Gestalten des brahmanischen Götterhimmels, der mythisch ausgeschmückten
Heldensage verbinden sich hier mit freien phantastischen Gebilden; überall
symbolische Bezüge, tiefsinnige Spekulation, Ergüsse einer überströmend reichen
Phantasie, selten die einfachen Zustände des täglichen Lebens, niemals, wie
es scheint, geschichtliche Vorgänge in festen Zügen versinnlichend. Der Stil
dieser Bildwerke, der im Laufe der Jahrhunderte zwar gewisse Wandlungen
zeigt und von gestrenger Gemessenheit zu freierer Bewegung und endlich zu
ausschweifender Uebertreibung fortschreitet, hat gleichwohl durch alle Epochen
einen gleichmässig ausgeprägten Charakter» (Lübke).

Auch die Malerei tritt frühzeitig in ausgedehnten Wandgemälden, na-
mentlich bei den Grotten von A Junta und Baug, ins Leben, wo grosse
Prozessionen mit Elephanten und der Gestalt des Buddha, Kampfszenen und
Jagden in lebhaften Farben dargestellt sind. Aus den Kopien dieser etwa
aus dem V. Jhd. unserer Zeitrechnung stammenden Malereien, die im Indian
Museum zu London zu sehen sind , kann man kaum auf die Technik einen
Schluss ziehen. Die Figuren drängen sich in Gruppen aneinander und bilden
ein wahres Chaos von Tieren, Menschenleibern, Götterbildern u. dgl., die
sich von einem allgemeinen braun gehaltenen Hintergrund abheben. 24 ) Dass
diese „Fresken von Ajunta» sich als Produkte einer überschwenglich reichen
Phantasie darstellen, ist nicht zu leugnen, aber es fehlt ihnen die gemessene
Ruhe einer ausgereiften Kunst. Ohne Perspektive und richtige Anwendung
von Verkürzungen gleichen diese Malereien mehr lebensgrossen Nachbildungen
von Miniaturmalereien späterer indischer Stilepochen, wie man dergleichen
in europäischen Bibliotheken und Sammlungen begegnet. „Hier zeigt sich der
alte symbolische Gedankenkreis der indischen Kunst ausgelebt und nur in
erstarrter Tradition noch festgehalten.»

23 ) Vgl. Fr. Hirth, Chinesische Studien (München und Leipzig 1890), p. 9.

24 ) Einige Gruppen sind abgebildet bei Gust. le Bon, Les civilisations de l’Inde,
Paris 1887 (Firmin Didot).

— 35 —

Fragen wir nun nach den technischen Hilfsmitteln der indischen
wie auch der persischen Malerei in so früher Zeit, so muss eingestanden
werden, dass darüber nicht das geringste bekannt ist. Alle meine Bemühungen,
quellenmässig etwas darüber zu erfahren, sind bisher erfolglos geblieben. In
der Reiseliteratur oder in Werken über die alte indische Kunst sind nicht
einmal Andeutungen zu finden, so dass ich kaum mehr als Vermutungen aus-
zusprechen wage. Unsere Gelehrten haben sich zwar mit altindischer und
altpersischer Literatur gründlich beschäftigt, aber der Malerei nur soweit In-
teresse entgegengebracht, als zum Verständnis der von ihr dargestellten
Legenden erforderlich schien , und über deren Entwicklung hat man selten,
über das Technische niemals Studien gemacht. Erst in allerjüngster Zeit ist
man durch das berechtigte Interesse, das die japanischen und chinesischen
Malereien in Europa hervorgerufen haben, auch zu historischen Forschun-
gen über die älteren Malerschulen Ostasiens angeregt worden. Man müsste
aber eine viele Jahrhunderte hindurch währende Tradition als feststehend
annehmen, wollte man etwa die im 18. Jh. angewendeten Maltechniken schon
für die frühesten Perioden gelten lassen.

Nicht zu übergehen sind die Einflüsse arabischen Ursprungs,
die infolge der grossen Ausdehnung des osmanischen Reiches sich bis nach
Persien und Indien fühlbar gemacht haben müssen. Wir verweisen in dieser
Beziehung auf die Quellen arabischen Ursprungs (m. Beitr. III p. 57), das
von Berthelot (Chimie au Moyen-age, Paris 1893, I, p. 179 f.) veröffent-
lichte Liber sacerdotum sowie die weiteren Angaben über arabische Schriften
des Dyäber und Ibu Sina (a. a. 0.).

Während der Islam der Kunst der Malerei ausschliesslich ornamentale
Motive gestattete und aus religiösen Gründen die Darstellung der mensch-
lichen Figur verbot, hat sich in Indien die Figurenmalerei reich entwickelt.
Sie war im XVI. Jhd. unserer Zeitrechnung technisch ungefähr auf gleicher

des Westens zu Anfang des XV. Jhd., und
über die Grazie der Auffassung, die Be-
technische Vollendung der Details, mit der
die indischen Miniaturen ausgeführt sind. Ihren Höhepunkt erreichte diese
Kunst unter Akbar, dem Gründer der Moghal-Dynastie in Indien (Zeit der
Königin Elisabeth von England), denn die mit 169 Vollbildern ausgestattete
„Geschichte des Krieges» (Razm Nämah) zwischen Hindu und Muselmanen
kann sich den besten Miniaturen europäischer Kunst kühn an die Seite
stellen. 25 ) Aus Akbar’s Zeit stammen auch Reste von Wandgemälden und
ornamentalen Malereien eines Palastes in Khwabgah, Fathpur Sikri bei Agra
(erbaut 1570-1606), die nach den Abbildungen zu schliessen in den Figuren
persische Einflüsse, in den Ornamenten chinesische Anklänge zeigen. 26 )
Diese Beispiele bezwecken selbstverständlich nur zu zeigen, bis zu welcher
Vollkommenheit die indische Miniaturmalerei gelangt war, um daraus den
Schluss zu ziehen, dass auch die technischen Mittel sich in gleicher Weise
vervollkommnet haben werden. Man kann diese Malereien als Deckfarben-
malereien oder Gouachen bezeichnen, insofern als zum Bindemittel eine
wassermischbare Lösung einer gummösen oder leimartigen Substanz, ver-
mutlich mit Galle und Alaun als Zugabe, gedient hat; denn die ältesten
chinesischen Malereien (angeblich aus dem XII. Jhd. n. Ch.), die ich darauf zu
untersuchen Gelegenheit hatte, waren mit einer schwer löslichen Wasserfarbe
gemalt, ein Umstand, der auf die Zumischung von Alaun zu Leim oder zu Ei-
klar, letzteres ein seit den ältesten Zeiten benutztes Miniaturbindemittel, hinweist.

Höhe wie die Miniaturmalerei
man muss wahrhaft staunen
herrschung der Form und die

Arabische
Einflüsse.

Indische
Miniaturen.

25 ) Diese Prachthandschrift wurde durch die grosse indische Ausstellung be-
kannt und ist veröffentlicht in Memorials of tue Jevpore Eshibition von
Th. H. Hendley, Vol. IV, London 1884.

26 ) Abgebildet in The Journal of Indian Art and Industrie, London 1896, Vol. VI,
p. 65 und Tafeln. Vgl. auch Vol. IV, 1892, Tafel 48 und 49. Blätter aus Razm
Namah, gemalt von Ramdas und Läl, der letztere ein berühmter Tiermaler ; Vol. VII,
1896, Nr. 56. Persische Bilder v. 1627 des Tarubi.

3*

– 36 —

Lackmalerei. M^it dem gleichen Bindemittel scheinen auch die persischen und

indischen Lackmalereien hergestellt zu sein, die auf entprechend
präparierten geglätteten Grund aufgemalt, nur mit einem Firnis über-
zogen sind. 27 ) Bei ihrer Kenntnis des Alkohols und dessen Eigenschaft,
gewisse Harze oder Schellack zu lösen, ist die Kunst des Lackierens früh-
zeitig von den Orientalen geübt worden. Hierbei muss aber auf den prin-
zipiellen Unterschied zwischen der persischen oder indischen
und der chinesischen Lackarbeit hingewiesen werden, der in der
Natur des verwendeten Materials besteht. Die indischen Lacke sind durch-
gehend in Alkohol gelöste Harze und demnach gegen Chloroform, Aether
sehr empfindlich , während die chinesischen und japanischen Lacke von Rhus
vernicifera und ähnlichen, ausschliesslich dort vorkommenden Sumacharten ge-
wonnene Gummiharze sind , die den genannten Lösungsmitteln widerstehen.
In der Kunst des Lackierens ist der Orient, speziell Ostasien, zeitlich
Europa weitaus vorangegangen; sie ist sogar von dort erst im XVII. Jhd.
zu uns importiert worden.

2T ) Der wie Gold scheinende Lack indischer und persischer Lackmalereien ist
meist nur ein gelher Firnis, oftmals auf Silberunterlage aufgetragen. Derartige
„Goldfirnisse» werden durch Lösung von einheimischen Harzen, wie Storax, Gummi
amoniacum, Aloe hergestellt, wobei mitunter noch Safrangelb, Gummigutt bei-
gemischt werden.

37 —

III. China und Japan.

Ueber chinesische und japanische Maltechnik mögen hier im
Anschluss einige Daten mitgeteilt werden, die insofern unserem Thema nahe
stehen, als sie auf ältere Tradition zurückgeführt werden müssen und den
Zusammenhang mit der alt-inclischen Malerei noch deutlicher machen werden.

Bekanntlich wurde der in Indien heimische vielgötterige Volksglauben
des Brahmaismus durch die Lehre des Buddha, dessen Auftreten zwischen
600 und 540 v. Ch. fallt, verdrängt. Es dauerte aber noch längere Zeit, bis
dieser Glaube und mit ihm die indische Kunst nach China gelangte. Nach
alten Ueberlieferungen hat eine indisch-buddhistische Gesandtschaft des Königs
Ming-Ti im ersten Jhd. unserer Zeitrechnung nicht allein das religiöse Stand-
bild , sondern auch Zeichnungen und Malereien sowie andere Kunst-
werke nach China gebracht, und bei der grossen Ausbreitung der neuen Re-
ligion in China wurden durch die Missionäre im Laufe der nächsten Jahrhunderte
diese Schätze stets vermehrt. Auf diese Weise mögen die chinesischen
Künstler reiche Vorlagen in Menge für ihre Tempelbilder und zur Aus-

Auch sprechen noch andere Umstände für
Kunst auf die chinesische , so vor allem

erlangt haben,
der alt-indischen

schmückung

den Einfluss der alt-indischen Kunst auf die chinesische , so vor allem der
vollständige Mangel des mongolischen Typus in den Physiognomien der
buddhistischen Götterbilder; die Gleichheit der Stellung und Kleidung der
Personen und die unverkennbare Aehnlichkeit der Färbung, welche die chi-
nesisch-japanischen Buddha-Bilder oder andere Dekorationen mit indischen
Werken zeigen. Andererseits werden manche der von Westen angenommenen
Typen durch die Verschmelzung mit chinesischen Elementen einen neuen
Kunststil gebildet haben, sei es durch die Einführung des Drachens in der
Ornamentik oder durch Unterdrückung der übertriebenen weibischen Formen
in den Darstellungen der indisch-buddhistischen Kunst.

Hatte die Kunst Übung in China festen Fuss gefasst, so konnte es nicht
bleiben, dass sie in den nächsten Jahrhunderten sich auch nach der koreani-
schen Halbinsel und nach Japan ausbreitete.

Anderson, dessen Werk (Pictorial Arts of Japan, London 1886, p. 23 ff.),
die weiteren Daten entnommen sind, beschreibt die Phasen dieser Malerei
von der ältesten bis zu unserer Zeit. Das Charakteristische der buddhis-
tischen Malerei ist die reiche Anwendung von Gold und die minutiöse kalli-
graphische Durchführung sämtlicher Details, ohne je durch Helldunkel eine
Modellierung der Form zu versuchen. Die mit der Darstellung in Harmonie
gebrachten Farben sind Körperfarben (Deckfarben) von ausgesprochenen
Tinten, aber durch die Kostbarkeit des Goldmetalles, das allerwärts die festen
Farben überdeckt, gemildert.

Einzelne Künstler, wie Yamato oder Tosa, ragen durch ihre besondere
Routine und die Einführung neuer Stilformen hervor und bildeten Schulen.
Die typischen Bilder der Tosa-Schule zeigen noch alle dekorativen Effekte,
die durch den reichlichen Gebrauch von Gold und brillanten Farben möglich
sind ; die farbigen Flächen sind mitunter so eingeteilt, dass sie die sich wieder-

Rindringen in-
discher Kunst.

Chines.u. japau.
Malerschulen.

— 38 —

holenden Muster von Brokatgewändern imitieren, öfters ist ein leuchtendes
Grün in die Komposition eingeführt, das die Harmonie beeinträchtigt; im
grossen Ganzen ist aber die Gesamtwirkung der unserer illuminierten’ Missalien
des XIV. Jhd. nicht unähnlich.

Die Neuerung der Yamato-Schule bestand in der scheinbaren Ent-
fernung der Bedachungen der Räumlichkeiten, wodurch der Innenraum mit
den Figuren, wie von oben gesehen, zur Darstellung kam; im übrigen folgten
sie technisch der alten Tradition.

Die mittlere Zeit des Königtums (XIV — XV. Jhd.) sah die chinesische
Schule aufkommen, die in ihrer weiteren Ausbildung auch der Landschaft
besonderes Studium zuwandte. Erwähnt seien noch die Sesshiu-Schule
(um 1420), welche sich realistisch an die Nachahmung der Natur hielt und
als Vorläufer der heutigen japanischen Kunst grossen Einfluss hatte, und die
Kano-Schule (XVII. Jhd.), deren Mitglieder alle der Priesterschaft ange-
hörten. Dieser kirchlichen Schule stand bald eine „volkstümliche Kano-
Schule» gegenüber, die in Matafei ihren Hauptvertreter, in Moronobu
und Schoko tu weitere Ausbilder fand. In deren Periode fällt die Ver-
vielfältigung der Werke durch bunten Holzschnitt in Büchern und einzelnen
Blättern (Anfang des XVIII. Jhd.). Diese Chromoxylographien wurden
ursprünglich in zwei oder drei Tönen (rot, gelb und blassblau) gedruckt und
erreichten 60 — 70 Jahre später ihre grosse Vollkommenheit.

Derjenige Künstler, der für die neueste japanische Kunst grundlegend
wirkte, war Ogato Korin; ihm sind die realistischen Darstellungen von
Tieren und Pflanzen mit der grossen Grazie des Entwurfs und der unüber-
trefflichen Feinheit der Ausführung zu danken, welche seit Korin’s Tode
(1716) immer in gleicher Weise geübt und vervollkommnet worden sind.
Gonse (l’Art Japonais) nennt ihn „le plus Japonais des Japonais».

Die letzte Periode der Entwicklung fällt in die letzten Jahrzehnte des
achtzehnten Jahrhunderts. Anschliessend an die trefflichen Vorbilder ent-
stand in Kioto eine besondere naturalistische, die Shijo- Schule, die
in dem emsigen Studium der Natur die höchste Vollendung zu erreichen be-
strebt war. Hier verbindet sich der freie Stil der Raumausfüllung mit
der äussersten Sorgfalt der Naturwiedergabe. Innige Vertrautheit der
Künstler mit der Natur, ohne konventionelle Anlehnung an ein Vorbild,
ist die Basis der Shijo-Schule; sie schloss zwar manche beliebte Motive der
früheren „klassischen, akademischen» Richtung aus, aber chinesische Land-
schaften oder Darstellungen mythischer Tiere wurden vorteilhaft durch die
Nachahmung japanischer Tier- und Pflanzenwelt ersetzt. Die Motive der
„volkstümlichen Schule», wie Strassenbilder, Aufzüge oder Theaterszenen,
wurden durch die Shijo-Schule nicht beeinträchtigt, aber wo die beiden Schulen
hinsichtlich der Darstellung übereinstimmten, hatte die letztere stets die
grössere Vollendung für sich.

Technik der Ueber die Technik der Malerei gibt Anderson in dem genannten

japan.u. cnines. ° . , y

Malerei. Werk „The pictonal Arts of Japan» überaus interessante und bemerkenswerte
Aufschlüsse, die mehr als alle weiteren Erläuterungen unsere oben (p. 33)
ausgesprochene Hypothese bekräftigen; denn sowohl Technik als angewandtes
Material sind mit den in westlichen Kulturzentren gebrauchten in so auf-
fallender Uebereinstimmung, dass man dies sicher nicht für zufällig halten
kann. Nur darin kann eine Erklärung gefunden werden, dass sowohl im
Occident als auch im äussersten Orient sich die maltechnischen Gebräuche
und Fertigkeiten aus ursprünglich gleichen Traditionen entwickelt haben.

Die japanische Technik beruht auf älterer chinesischer Tradition ; be-
schrieben ist sie in Quellenwerken , die verfasst worden sind , ehe Einflüsse
der europäischen Kultur sich geltend gemacht hatten.

Diese Quellenwerke sind:

– 39 —

Honohö gwa-shi (Appendix) v. J. 1694,

Gwa-sen „ „ 1722,

E-hon Yamato-hyi (Appendices) „ .. 1742.

Wa-kan Sohiu-gwa yen (Appendix.) „ „ 1759.
Die Materialien, auf denen und mit denen gemalt wurde, sind: 1. Papier.
Seide, Holz. 2. Tinte und Farbstoffe. 3. Gold, Silber, Mica. 4. Pinsel.

Um Papier zur Malerei mit Tinte und Farbe vorzubereiten, dient nach
Gwa-sen (1722) eine Art Kleister, welcher Dösa heisst. Er besteht aus:
durohsiohtigem Leim (nikawa) 10 momme,
gestossenem Alaun (miöban) 5 „

Wasser 1 sho.

(1 momme = 58.33 gr, 1 sho = 109.75 Kubikzoll engl.)

Der Nikawa-Leim wird aus Häuten durch Kochen bereitet. Eine
Abart desselben erhält man durch Einlagern in Schnee für einige Tage, wo-
durch er weicher werden soll. Man färbt ihn auch mit ein wenig Ver-
millon (Minium) oder Gummigutt; zur Präparation des Dösa wird der Leim
so lange im Wasser geweicht, bis er zergangen, dann wird kochendes
Wasser zugesetzt und durchgerührt, der Alaun hinzugefügt, alle Ingredienzien
gesiebt und dann erkalten gelassen.

Im Sommer wird die Menge des Leimes vergrössert, im Winter dagegen
die des Alauns.

Papier und Seide erhalten eine bis zwei Schichten der Dösa, die
Seide von rückwärts, wodurch die Brüche beseitigt und das „Fliessen» der
Farbe vermieden wird.

Holz wird gewöhnlich mit einer Lage von Odo-no-gu (Mischung von
Kreide und gelbem Ocker nebst Leim) überzogen. Mit derselben Masse werden
auch bei weitfaserigen Hölzern die Ungleichheiten ausgefüllt; ein Ueberzug
von Dösa in der doppelten Stärke, als bei Papier oder Seide, macht das Holz
zur Aufnahme der Malerei bereit.

Für das Malen auf feuchtem Holz empfiehlt Shiu-gwa yen (1759), um
der Tinte die richtige Konsistenz zu geben, den Zusatz von ein wenig „Ohren-
schmalz» 28 ) und, um sie in das Holz tiefer eindringen zu lassen, die Bei-
mengung eines Pflanzensaftes, welcher Namomi heisst.

Die Tinte (Sumi), eigentlich Tusche, aus Fichten-Russ mit einer Lösung
von Gelatine (Leim) angemacht, entspricht der allerältesten Art der Bereitung.
Die berühmte chinesische Tusche übertrifft an Qualität alle anderen Fa-
brikate. Auch farbige Tinten aus Rinden, Samen oder Hülsen verschiedener
Pflanzen sind im Gebrauch; Bindemittel ist flüssig gemachter Leim.

Das Farbenmaterial bestand, ehe europäische Fabrikate importiert
wurden, nach den älteren Quellen aus den in der Natur sich findenden mi-
neralischen Produkten, die durch Schlemmen und Reinigen zum Gebrauch
zugerichtet werden, und einigen Pflanzen farbstoffen. Die Liste derselben
hat eine so grosse Aehnlichkeit mit der des frühen Mittel-
alters und selbst mit den von Plinius und Vitruv genannten
Farben, dass man über diese Gleichheit erstaunen muss.

Es werden angeführt:

1. Rokushö, natürliches arsensaures Kupfergrün (Strahlerz), wovon
6 Variationen gezählt werden;

2. Konjö, blaues Kupferkarbonat, Bergblau;

3. Shin-sha, Zinnober (Schwefelquecksilber):

4. Tan, rotes Bleioxyd (Bleirot, Mennige), in Mischung mit der nächsten
Farbe zur Karnation benützt;

Farben.

as ) S. Neapeler Codex (XIV. Jh.) Ruhrica XXII: „Um Zinnober zu florieren ,
wo die Zugabe von Ohrenschmalz als Geheimnis des Schreibers erwähnt wird: m.
Beitr. III Mittelalt., p. 131.

— 40 —

5. Go-fun, das gereinigte Pulver von gebrannten Muscheln oder Austern-
schalen; dasselbe wird den Farben auch beigemischt, um ihnen
Körper zu geben;

6. O-go-fun, weisse Kreide;

7. Tö-no-tsuchi, Bleikarbonat (Bleiweiss);

8. Odo, gelber Ocker;

9. Schido, rotes Eisenoxyd (roter Ocker, Englischrot) ;

10. Sdkiwö, Auripigment (Schwefelarsenik);

11. Sha-seki, Hämatit (Blutstein);

12. Shiwö, Gummigutt (gelber Harzsaft einiger Garciana- Arten) ;

13. Ra-sei, Indigo ;

14. Shö-yenji, Farbstoff einer Pflanze Oto-giriso, welcher in Tuch oder
Leinen eingetränkt wird , von purpurähnlicher Farbe. Man unter-
scheidet zwei Arten. Zum Gebrauch wird das gefärbte Tuch oder
Leinenstück eingefeuchtet und der Farbstoff ausgedrückt 29 );

15. Beniko, Saflor (Stempel und Staubfäden von Carthamus tinct. Lin.);

16. Ai’ro, blauer Pflanzenfarbstoff aus Polygonum tinct.;

17. En-shi, Purpurfarbe aus Santelholz (Caesalpina Sappan), Rotholz
(verzino, brasil, presilgen des Mittelalters);

18. Airo-bö, blaue Farbe, aus alten gefärbten Leinenlappen durch Aus-
kochen gewonnen;

19. Ai, auf gleiche Weise aus blaugefärbtem Papier durch Einweichen in
Wasser und etwas Essig gewonnen ;

20. Sango-matso, Rot von gestossenen Korallen;

21. Lapis lazuli, echter Ultramarin.

Es würde ein leichtes sein, allen diesen Farben die entsprechenden
des griechischen Altertums bis zum späteren Mittelalter beizusetzen. Die
Gleichheit des Farbenmateriales spricht sich auch noch darin aus , dass
den einzelnen Mischungen von Farben untereinander besondere Bezeichnungen
gegeben werden, von welchen Anderson (p. 174) eine ganze Reihe angibt;
darunter befinden sich Namen wie „tote Blatt-Farbe», „Tauben-, Ratten-
oder Gra^saftfarbe» ; Kastanien-, Baumrinden-, Pfirsichfarbe, Teefarbe, „blaue
Totenfarbe», dürre Fleischfarbe u. s. w. , welche vielfach an die ähnlichen
Bezeichnungen des Strassburger Ms. oder bei Bolz erinnern. (Ueber besondere
Namen der Mischungen vergl. auch Theophilus u. Hermeneia.)
Gold- u.Silber- ß e i Verwendung von Gold und Silber zur Malerei der Bilder (Ka-

kemonos und Makimonos) werden die Metalle in Staubform oder Blatt-
folien gebraucht, wie in den ältesten Zeiten. Auch die Anwendung ist ähn-
lich, u. zw. merkwürdigerweise der Methode, welche das Athosbuch (§ 28)
kennt, neinlich mit Hilfe des Knoblauchsaftes. 30 )

Die zu vergoldende Fläche wird mit dem (gekochten) Safte eingerieben
und darüber eine dünne Lage einer Goldbeize gelegt, welche aus einer „funori»
genannten Seepflanze (fucus vesiculosus?) bereitet wird. Das Goldblatt wird
dann in der gewünschten Grösse mit Hilfe eines mit Nussöl eingeriebenen
Papieres auf die betreffende Stelle gelegt und angedrückt. Die Materialien
und Utensilien (Vergolderkissen, Messer) sind dieselben wie in Europa.

Soll auf Vergoldung gemalt werden, so muss das anhaftende Oel
wieder entfernt werden ; das geschieht durch Auflegen von dünnem (Fliess-)
Papier und Darüberstreuen von heisser Kohlenasche , wodurch die Fettigkeit
sich in das Papier einsaugt. Um stärkeren Glanz zu erzielen, wiederholt man

29 ) Die gleiche Methode war auch im Abendland verbreitet, bevor die Herstellung
von sog. Farblacken durch Niederschlag der Lösung bekannt wurde; s. „pezzette» od.
pezzuole des Cennini, m. Beitr. III p. 116, „Tüchleinfarben» des Strassburger Ms.,
ebenda p. 161 (violvarw tüchlin), p. 162 (lin tüchlin blaw); Neap. Codex (Tournesolblau)
loc. cit. p. 126.

30 ) S. m. Beitr. III Mittelalt., Index s. v. Knoblauchsaft,

— 41 —

die Goldlage. Zum Malen auf Gold wird auch eine Beigabe von Reismehl ;| )
mochi-gome (Kleister) empfohlen. Bei Wand- und Deckendekoration wird
Gold auf eine Unterschicht von Firnis oder Lack aufgetragen. Auch wird
in gewissen Fällen das Gold in kleinen Stückchen durch ein Sieb auf die
zu verzierenden, vorher mit Firnisbeize bearbeiteten Stellen aufgestreut.

Zur Malerei mit Goldstauh (Goldschrift) wird das fein zerkleinerte
Metall mit dem Bindemittel (Leim) aufs innigste verrieben, mit Wasser
mehrmals ausgewaschen und die überstehende Flüssigkeit sorgfältig altgegossen,
das gleiche Verfahren, wie es schon die ältesten Quellen (Levdener Pap. u. a.)
beschreiben. Goldmalerei wird mit der Mischung von Goldpulver und Leim-
wasser ausgeführt. Die Unterfläche wird zur Aufnahme des Goldes erst
mit einer Schicht von Gummigutt und Knoblauchsaft (Ki-nikawa) überzogen.
Gold auf plastisch erhöhte Unterschicht (bestehend aus Kreide und Leim)
aufzutragen, ist bei den Japanern nicht beliebt, aber in buddhistischen Bildern
häufig angewendet.

Charakteristisch, obwohl vielleicht erst neueren Datums, ist die An-
wendung von gestossenem Mica (Glimmer) in Verbindung mit schleimigem
Bindemittel zur Erzielung glänzender Wirkung bei Fischschuppen oder glän-
zendem Metall, bei Blumen u. dgl.

Pinsel werden hauptsächlich bereitet aus den Haaren der Hirschkuh, PinseL
auf zweierlei Art, je nachdem das Winter- oder das Sommerhaar genominen
wird; aus den Haaren des Waschbären, Fuchses, Marders, der Hasen,
Ratten, Katzen, und Ziegen. Ausserdem sollen Pinsel aus mazeriertem Reis-
stroh für gewisse Zwecke viel im Gebrauch gewesen sein. Die Handhabe
ist meist aus einem Stück Bambusstiel gebildet, der oft verziert und lackiert ist.

Beim Zeichnen und Malen wird der Pinsel stets senkrecht zur Malfläche
gehalten. Ist die Zeichnung mit Tinte oder Tusche fertig gestellt, so werden
die Farben aufgetragen, wobei je nach dem gewünschten Effekte lasierend,
deckend oder verwaschend vorgegangen wird. Eine besondere Eigentümlich-
keit ist die Unterlegung eines Lokaltones auf der Rückseite von transparenten
Malgründen, wie dünne Seide, Reispapier u. a., was auch die Indier bei ihren
Malereien auf Micaglas (Glimmer) zu tun pflegen. Auf diese Weise scheint
der Farbenton durch, und der Maler kann Details anbringen, ohne die Auf-
lösung der Unterschicht zu befürchten.

Die japanischen Bilder werden je nach ihrer Anfertigung eingeteilt in :

1. Sumi-ye, einfache schwarze Darstellungen mit Tusche ohne Farben, und

2. Sai-schiki, farbige Bilder.

Von den letzteren unterscheidet man :

a) Goku-zaischiki, dick und bunt gefärbte Malereien, wie gewisse
Gemälde der Buddha-, Tosa-, chinesischen und Kano-Schule,

b) Usu-zaischiki, dünn kolorierte, wie es die älteren chinesischen.
Sesshiu- und Kano-Bilder zeigen,

c) Chiu-zaischiki , ein Mittelding zwischen beiden Arten , wie bei den
. meisten Gemälden der Schijo-Schule und den Kano-Bildern der

mittleren Periode angewendet erscheint.

Auch die Verbindung von Gold mit Farben bildet eine beliebte Art
der japanischen Malerei, die in der europäischen Kunst neuerdings von dorther
angenommen worden ist; sie erinnert vielfach an die mittelalterliche Miniatur-
und Missalen Malerei des XV. und XVI. Jh.

In der Komposition folgt der japanische Künstler mehr seinem an- Komposition,
geborenen Geschmack als bestimmten Regeln; es gibt auch keine solchen im
strengen Sinne. Mag der Gegenstand noch so anspruchslos sein, wie etwa

31 ) Reismehl. resp. Reisstärke dient auch zur Herstellung der japanischen Holz-
schnitte. Otto Eckmann, der seine Originalholzschnitte selbst druckte, ist nach
vielen Versuchen auch auf obiges Mittel aufmerksam geworden und hat sich mit Erfolg
desselben bedient. Schreiber dieses besitzt eine handgemalte Kakemono (auf Papier),
welche auf einer durchsichtigen Unterlage von Reiskleister gemalt ist. Vergl. auch
die Angaben arabischen Ursprungs in den obgen. Beitr. p. 60 Note.

42

Perspektive.

Lack-
malereien.

ein Blütenzweig oder ein Bambusbüschel, die wie von ungefähr auf das
Papier hingeworfen sind, unter Ausserachtlassung jeglicher Symmetrie und
ohne irgend eine Spur von vorheriger Ueberlegung im Arrangement ,■ so sind
doch die Zweige jedesmal mit ungezwungener Vollendung gezeichnet. Die un-
gemeine Freiheit und Sicherheit im Entwurf wie in der Detailausführung ist
eine Folge der traditionellen Anschauung und der genauesten Vertrautheit
mit den dargestellten Dingen. Der japanische Maler betreibt seine Kunst als
Handwerk und wiederholt das eine Thema in tausendfacher Variation sein
ganzes Leben hindurch. Daher seine staunenswerte Geschicklichkeit, die
ebenso in Gruppen- und Figurenszenen zur Erscheinung kommt wie in Tier-
und Pflanzenstücken. Im Ausdruck der Leidenschaft, Schrecken u. dergl.,
sind oft meisterhafte Nuancen von feinster Beobachtung zu bemerken , die
keiner unserer europäischen Künstler besser machen könnte. Der Schreiber
dieser Zeilen besitzt z. B. eine kleine Schale mit der Darstellung einer Markt-
szene, wobei ein Händler übelriechende Fische feil hält; wie sich die Um-
stehenden die Nasen zuhalten und die Fische an langen Stöcken von sich
weg halten, unter Grimassen und Geschrei, das ist ganz wundervoll wieder-
gegeben.

Die Kenntnis der Perspektive ist neueren Datums, denn die ursprüng-
liche chinesische Malerei kennt dieselbe nicht. Nach Anderson’s Annahme
(p. 208 des cit. Buches) sind die Prinzipien der Linienperspektive durch
holländischen Einfluss am Ende des XVIII. Jahrhunderts in die japanische
Kunst eingeführt worden. Ein Schreiber, Schiba Gokan, habe die Grundzüge
von einem holländischen Residenten in Nagasaki erlernt und in einem 1794
erschienenen gedruckten Buche „Gwa-to Sai-yu den» seinen Landsleuten mit-
geteilt. Von dieser Zeit an bemächtigten sich die japanischen Szenenmaler
sehr schnell dieser Kunst, wie es die Zeichnungen des Hokusai (1810) und
vieler Anderer beweisen. In realistischen Stimmungsbildern, wobei die Luft-
perspektive eine grosse Rolle spielt, gehen sie ihren eigenen Weg, der von
dem der europäischen Künstler verschieden ist. Erdichtete Wolkenbildungen,
Berge, die in der Luft oder im Nebel stehen, Mondschein bei heller Be-
leuchtung und andere Freiheiten gestatten sie sich mit grosser Ungeniertheit,
die nur durch die wahrhaft malerische Gesamtwirkung wieder entschuldigt
werden kann. Die jetzt im Aufschwung begriffene naturalistische Schule von
Schijo wird aber bald auch hierin sich jene Meisterschaft angeeignet haben,
die sie im übrigen auszeichnet.

Die Kunst des Lackierens stammt vom Ende des 6. Jhd. und bestand
zunächst in dem einfachen Ueberziehen des Gegenstandes mit Firnis; bald ver-
vollkommnete sie sich zu einer eigenen und bedeutenden Industrie. Ein Edikt
vom J. 646 bestimmte, dass eine dreifache Schicht von Lack anzubringen
sei, um die Lackarbeiten wasserdicht zu machen; ein anderes aus dem
Anfang des 8. Jhd. befahl die Anpflanzung von Lackbäumen (Rhus vernici-
fera) in allen Gärten und öffentlichen Gründen, wie die von Maulbeerbäumen
für die Seidenindustrie, zur Hebung des Gewerbes. Roten und schwarzen
Lack erzeugte man im 7. Jhd. unter der Regierung des Temmu (673—686);
mit Perlmutter, Silber und anderen Dekorationen verzierte Lackarbeiten reichen
zurück bis ins 8. Jhd., die Zeit der Gründung von Kioto.

Bezüglich der Technik unterscheidet man

1. Lackarbeiten mit erhöhtem Gold -Dessin auf Goldunterlage (kin
makiy^) ;

2. Gold- oder Silber -Dessin auf schwarzer, roter oder andersfarbiger
Lackunterlage oder auf nashyi. Letzteres ist ein durch Goldstaub
gesprenkelter Lack. Die Zeichnung kann hier entweder erhöht oder
in einer Fläche sein;

3. einfarbige, gewöhnlich schwarze Zeichnung auf farbiger Lackfläche;

4. gold- oder andersfarbige Dekoration auf einem der erwähnten Unter-
gründe (urushi-ye = Lackbilder);

— 43

5. inkrustierte Ladearbeiten, durch Einfügung- dünner Blätter von Perl-
mutter, Sohildkrot, Elfenbein, Metall oder anderen Materien, die mit-
unter erhöht gearbeitet sind, wodurch eine grosse Mannigfaltigkeit
der Arbeit erzielt wird;

6. lackierte Dessins auf irgend einer ungefirnisten Fläche, wie Elfen-
bein, Korallen, Sohildkrot, Hörn, Holz, Porzellan, selbst auf Seide u. a.
Neuerdings sind auch Lackmalereien auf geiirnistem Papier nicht
selten;

7. gravierte Lackarbeit, bei welcher die Zeichnung mit einem scharfen
Instrument vertieft und in die Vertiefung Goldlack eingetragen wird
(Ohinkin-bori) ;

8. geschnittene Lackarbeit, bei welcher das Relief durch eine dicke
Schicht von rotem, schwarzem oder andersfarbigem Lack erzielt
wird. Hier wird auch ein Unterschied gemacht, ob die Holzunterlage
bereits geschnitzt war (Chomoku) oder die Erhöhung durch die Lack-
schichten erzeugt wird, die dann abermals dem Firnissen und Po-
lieren unterzogen werden (Zokuku-nuri) ; endlich

9. Lackarbeit mit Hilfe von Gold- oder Silberdraht, welcher die Konturen
bildet; in deren Zwischenraum wird schwarzer Lack eingestrichen
und dann poliert, so dass die Metalllinien wieder zum Vorschein
kommen.

Ueber chinesischen Lackfirnis, dessen Zusammensetzung lange Zeit
unbekannt war, haben erst Missionäre am Ende des XVIII. Jahrhunderts
nähere Nachrichten gebracht. Besonders hat Pater d’Incarville 32 ) der
französischen Akademie zuerst berichiet, dass der chinesische Lackfirnis
ein Gummi oder Harz ist und aus dem Firnisbaum (Augia chin. , Rhus
vernieifera) , einer auf Japan, in Nepal und anderen ostasiatischen Ländern
heimischen Sumach-Art, gewonnen wird. Der Firnis gleicht im frischen Zu-
stande einem flüssigen Pech von gelb- oder grauweisser Farbe; an der Luft
nimmt er eine rötliche Farbe an und wird bald schwarz, doch ist dies
kein glänzendes Schwarz , weil noch viele Wasserteile darin enthalten sind.
Um den Lack glänzend zu machen, d. h. um ihm die Wasserteile zu be-
nehmen, lassen die Chinesen ihn an der Sonne in breiten Gefässen einige
Stunden stehen, wodurch die Masse zäher wird, oder man dampft ihn bis
zur Hälfte ein, mischt 5 — 6 Drachmen auf ein Pfund Firnis gut eingedickter
Schweinsgalle hinzu und wenn diese eine Viertelstunde lang eingerührt ist,
fügt man noch 4 Drachmen römischen Vitriols auf jedes Pfund der Masse
hinzu; letzterer ist in einer gehörigen Quantität Tee-Oel aufgelöst und dadurch
trocknend gemacht worden. Das Tee-Oel wird aus den Früchten des Tee-
baumes zu diesem Zwecke gewonnen. Um es trocknender zu machen,
wird beim schwarzen chinesischen Lack das Teeöl mittels 50 Gramm Arsenikum
(Realgar und Auripigment zu gleichen Teilen) bis auf die Hälfte eingesotten. 33 )

S2 ) Abgedruckt in Watin L’art du Peintre, Vernisseur. Deutsch. Ausg. Il-
menau 1827, p. 319.

33 ) Semper (I p. 114) gibt folgende Angaben über die Zusammensetzung des
chinesischen Lacks: „Man vermischt die gereinigten und auf verschiedene Weisen
durch Zusätze von Schweinsgalle, Hirschhornkohle u. s. w. präparierten Lacke mit
Wasser, so dass etwa 605 Gramm Lack der ersten Qualität auf ein Kilogramm
Wasser kommen, setzt noch zu derselben Quantität Lack 37 bis 40 Gramm Oel von
der Camellia Sesanqua, eine Schweinsgalle und circa 19 Gramm Reisessig hinzu.
Nachdem diese Stoffe gut zusammengemischt sind, bilden sie einen feinen pastosen
Firnis von glänzend schwarzer Farbe.»

Ueber den japanischen Lack schreibt Andes (Praktisches Handbuch f. An-
streicher u. Lackierer, Techn. Bibliothek v. Hartleben, Leipz. 1892, p. 17): „Der ja-
panische Lack stellt, wie er vom Baume kommt, einen ziemlich dickflüssigen, gelb-
oder grauweissen Saft dar, welcher an der Luft sich rasch bräunt und giftige
Eigenschaften zeigt. Die Zubereitung, welcher derselbe unterzogen wird, ehe man
ihn anwendet, besteht darin, dass man ihn, um ihn von Staub, Insekten und Rinden-
oder Blattteilchen zu befreien, durch besonderes, sehr durchlässiges Papier presst;
dann rührt man denselben längere oder kürzere Zeit an der Luft, um ihn geschmeidiger

Nachrichten
über chines.
Laokflmis.

— 44 –

Das Oel gibt dem Firnis einen vortrefflichen Glanz. Den schönen
schwarzen Lack erhält man durch Zusatz von pulverisierter Hirschknochenkohle
oder Elfenbeinschwarz mit dem genannten Siccativöl. Die weisse Firnisfarbe
wird aus Silberblättchen bereitet, die man mit Firnis zu einem Teige knetet; man
fügt etwas Kampher hinzu, um die Auflösung wasserklar zu machen. Statt
des Silbers wird auch mitunter Quecksilber angewendet. Der mineralische
Zinnober oder die Safnorblume, dem Lack zugesetzt, machen ihn rot; Auri-
pigment allein gibt gelben Lack, vermischt mit Indigo, grünen Lack; zu dem
violetten nimmt man einen fein gepulverten Stein, The-che genannt, oder
wohl auch calcinierten roten Vitriol, der scharf gebrannt ist, um ihm sein Salz
zu nehmen, da der Firnis, wie sie sagen, kein Salz ertrage.

Die Anwendung des Lackes verlangt die allergrösste Sorgfalt; er wird
nur auf ganz geebnete Flächen, die vorher mit dem Oel des Tong-chou-Baumes
bestrichen sind, aufgetragen ; bei farbigen Arbeiten werden die Lacküberzüge
sehr oft wiederholt, bis die Oberfläche glatt und glänzend wie ein Spiegel
ist ; auf diesen glänzenden Grund wird dann Malerei, Vergoldung u. s. w. auf-
getragen, die schliesslich ihren Halt durch einen letzten leichten Lacküberzug
erhalten. Mit der grössten Vorsicht wird während der Arbeit darauf geachtet,
dass die Werkstätte vollständig staubfrei bleibe; auch gilt es als Bedingung,
von der das Gelingen aller Lackarbeiten abhängt, dass diese an einem mehr
feuchten als trockenen Orte erhärten, und in den Trockenräumen wird hierauf
die peinlichste Sorgfalt verwandt.

Zum Polieren der Lacküberzüge wird nach d’Incarville eine Komposition
von Ziegelmehl, das mehrmals gewaschen und durchgesiebt ist, mit Schweins-
blut und Kalkwasser angerührt; daraus werden dann Stangen geformt, die
zum Polieren dienen. Von der oftmaligen Wiederholung des Polierens und
der Anzahl der Firnisschichten hängt die Vortrefflichkeit ab.

Zur Vorbereitung von Goldfirnisverzierungen wird, nach derselben
Quelle, die Zeichnung auf einem Stück Papier entworfen, mit verdünntem
Operment ausgefüllt und auf die weiche Masse der zu dekorierenden Fläche
stark aufgedrückt. Nachher werden mit Operment in Gummi oder Leim
die Züge übergangen. Derselbe Firnis, der zur Goldbeize dient, wird auch
zur Auflösung der Farben gebraucht; um ihn flüssiger zu machen, mischt
man etwas fein gestossenen Kampfer hinzu und bereitet mittelst einiger Tropfen
Firnis einen Teig, den man eine Viertelstunde hindurch mit einem Spatel
durchknetet. Von diesem Teige nimmt man das Nötige zur Auflösung der
Farben. Soll das Gold erhöht erscheinen, so mischt man der Beize etwas
Zinnober bei. Vor der Vollendung bringt man den Gegenstand zum Trocknen
in die Trockenräume. Zwölf Stunden sind hinreichend, ihn soweit zu bringen,
dass man das Gold anlegen kann. Zur Anlegung des Goldes drückt man
Läppchen von Kokonseide auf das Goldpulver (Muschelgold), um sie damit
zu beladen, und reibt sie über die zu vergoldenden Stellen hin und her.
Das Gold bindet sich sofort an die Beize. Ist dies aber nicht der Fall,
weil die Unterlage nicht trocken genug war, so zerstückelt man schnell ein

zu machen, versetzt ihn mit Oel, oder mischt ihn, wenn man schwarzen Lack dar-
stellen will, mit Wasser, welches einige Zeit über Eisenfeilspänen gestanden hat.*

Aus diesen Angaben ist die Eigenartigkeit der Laekmasse ersicbtlich, die an-
fänglich mit Wasser mischbar nach dem Trocknen überaus widerstandsfähig wird.
Dem „grauweissen» Aussehen und allen übrigen Merkmalen nach zu schliessen, haben
wir es hier mit einer emulsionsartigen Masse zu tun, einem Gummiharz, das noch
mit Oelen versetzt wurde, um es gebrauchsfähig zu machen.

Interessant ist eine Bemerkung, die ein arabischer Reisender Masudi im
IX. Jh. über einen eigentümlichen Anstrich der Holzbauten bei den Chinesen ge-
macht hat, dass infolge dieses Anstriches deren Bauten leicht in Brand geraten;
es heisst in der von Renaudet gegebenen Uebersetzung (Auciennes Relations des
Indes et de la Chine, traduites del’Arabe avec des remarques, Paris 1718 p. 59): „Ils
enduisent le tout avec une colle particuliere qu’ils fönt avec de la graine de chanvre,
qui devient blanche comme du lait, et quand les murailles en sont enduites,
elles on un esclat merveilleux». Dies scheint demnach einer emulsionsartigen Flüssig-
keit, die aus Hanföl und irgend einem Gummi hergestellt wurde, zu entsprechen.

— 45 —

wenig weissen Bolus und wischt diesen auf die Stellen: dann kann man un-
bedenklich das Gold auf die Beize auftragen.

Wir haben uns mit dem chinesischen Verfahren des Lackierens vielleicht Wnfiuss des
über Gebühr beschäftigt. Es galt aber hier zu zeigen, wie aus dem örtlichen die Technik.
Vorkommen eines bestimmten Materials sich besondere Bedingungen für die
Ausbildung einer eigenen industriellen Technik ergeben, von der sowohl der
Stil als auch die Art der Malerei beoinflusst ist. Semper (I p. 116) glaubt,
dass „das chinesische Verfahren des Lackierens in vielen Punkten mit dem-
jenigen übereinstimmt, welches die Hellenen und überhaupt alle antiken kunst-
gebildeten Völker (Assyrier, Aegypter, Etrusker u. s. w.) bei ihren polychromen
Flächenverzierungen beobachteten, und manchen interessanten Blick in die
Technik der ältesten Malerei gewährt.» Und in der Tat herrscht von den
ältesten Zeiten an überall das Prinzip, das Material zur Grundlage der hand-
werklichen Ausführung zu nehmen, um möglichst grosse Wirkung zu erzielen.
Durch das Glätten oder Polieren (der chinesische Lack ist ein polierter
Ueberzug, nicht nur ein Firnis) wird gleichzeitig eine innige Verbindung mit
dem Untergrund , eine weit intensivere Farbenerscheinung und die grösste
Dauerhaftigkeit der Malerei erreicht. Diese gegenseitige Unterstützung
aller auf äussere Erscheinung, Solidität und Materialauslese gegründeten Mo-
mente finden wir bei allen älteren Methoden der Malerei vereinigt, und hierauf
beruht jede rationelle Technik der Malerei.

IL Teil.
Technik der griechischen und römischen Malerei.

— 40

Allgemeine Uebersicht über die Entwicklung im Altertum.

Ob die Malkunst in einer bestimmten Zeit und von bestimmten Personen
erfunden worden ist, erscheint uns heute als völlig müssige Frage. Bei den
Griechen füllten jedoch die Namen der „Erfinder» ein beliebtes Kapitel in
ihren kulturgeschichtlichen Schriften; für jede Wissenschaft und Kunst, jedes
Gewerbe, ja jedes Handwerkszeug wusste man einen „Erfinder» zu nennen,
und es schmeichelte dem Stolz einer Stadt, wenn einer ihrer Bürger eine Er-
findung gemacht, einen wichtigen Portschritt zuerst eingeführt haben sollte.
Schon mehrere tausend Jahre vor den Griechen rühmten sich die Aegypter
die Kunst der Malerei gekannt zu haben; in Griechenland nahmen Sikyon
und Korinth das Verdienst der Erfindung und frühesten Pflege für sich in
Anspruch. Später, als die griechische Malerei in sicherer Tradition zu immer
höherer Vollkommenheit sich entwickelte, haben namentlich Xenokrates und
Antigonus sich bemüht, die Fortschritte dieser Entwicklung im einzelnen
festzustellen. Solchen Autoren hatte Plinius sein Material entnommen, als
er in den letzten Büchern seiner sog. Naturgeschichte alles zusammenstellte,
was für das kunstgeschichtliche Wissen der Gebildeten seiner Zeit nötig zu
sein schien, und es wird das Bild, das er von der Entwicklung der
Malerei entwirft, im wesentlichen den Anschauungen der alten Künstler und
Kunstgelehrten entsprochen haben. Wenn uns manches dabei unklar und
unsicher vorkommt, weil uns die Kunstwerke fehlen, die eine Nachprüfung
gestatten, so mag sein Bericht in diesem Falle doch zur Grundlage genommen
werden, um von da aus zu allgemeineren Gesichtspunkten zu gelangen.

Nach Plinius (XXXV, 15) J ) war man im Altertume darüber einig, die Sohattenriss.
erste Malerei hätte darin bestanden, dass man den menschlichen Schatten
mit Linien umzog. Demnach war der so umzogene Schattenriss, mit nur
einer Farbe ausgefüllt und kaum mit der allernötigsten inneren Linienführung
versehen, wie wir dies an allerältesten griechischen Vasen sehen, die erste
Art der Darstellung der menschlichen Figur, denn nur von der letzteren geht
Plinius bei seiner Erörterung aus. Aber welch’ grosser Unterschied zwischen
dem kindisch unbeholfenen Leichenzug auf den bekannten Vasen vom Dipylon
und der Amazonenschlacht der Münchener Vasensammlung! (Abb. 10.) Dort
der Eindruck der absoluten Unfähigkeit, hier die Anzeichen meisterhafter
Form und Linienführung.

Angenommen, es wäre dieser Schattenriss die älteste Art der Darstellung, Monochrome
so konnte dieselbe natürlich nicht lange dem sich freier entwickelnden Ge-
schmack genügen; der Ausfüllung der Kontur mit nur einer Farbe musste
alsbald die Verschiedenfarbigkeit folgen, und es ist meiner Ansicht nach
kaum richtig, den Griechen selbst der ältesten Zeit zuzutrauen, dass sie an
ihren Tempelwänden einfarbige Silhouetten geduldet hätten. Die Auffassung

1 ) Die Zitate aus der Naturalis historia des Plinius gebe ich regelmässig mit der
Buch- und der Paragraphenzahl, ohne die Kapitel und Sektionen zu bezeichnen , wie
63, wenigstens in Deutschland, allgemeinei Gebrauch geworden ist, seitdem Sillig die
bequeme Paragrapbeneinteilung eingeführt hat.

4

— 50 —

der monochromen Malerei in dem eben angedeuteten Sinne kann schon
deshalb nicht zutreffend sein, weil wir bei den Aegyptern vergebens nach
einer Analogie suchen. Die stets schwarze Farbe der altgriechischen Vasen-
bilder wird eher ihren Grund in dem Material haben, weil die Vasenmaler
eine entsprechendere Farbe, die sich eingebrannt vom roten Ton abheben
sollte , nicht kannten und selbst da sehr bald noch Weiss und Violettrot zu
Hilfe nahmen. Ueberdies wird in den Worten des Plinius die sog. Monochrom-
Malerei nicht einmal die erste, als welche der Schattenriss (Skiagraphia) gelten
soll, sondern de zweite Stufe genannt: „Die zweite mit einzelnen Farben
habe man Monochromatos genannt» (XXXV, 15: itaque primam talem, se-
cundam singulis coloribus et monochromaton dictam). Ganz deutlich ist dem-
nach hier schon die Mehrfarbigkeit gemeint, aber die Farben wurden in
der monochromen Malerei nur als Lokalfarbe, ohne jede Modellierung in
Licht und Schatten verwendet, wie es auf den altägyptischen Malereien zu
sehen ist. Dass dabei schon reiche Detailausführung der Stoff-Ornamentik,
jedoch ohne Faltenzüge, und sehr charakteristisches Erfassen des Gesichtes
typus zu bemerken ist, haben wir bei der Besprechung der ägyptischen
Maltechnik hervorgehoben (p. 5).

Abbild. 10. Amazonenkampf. Vasengemälde archaistischen Stiles. Nach einem Original der

Münchener Vasensaminlung.

Monochrome Malerei wurde noch zu Plinius Zeiten ausgeübt (a. a. 0.),
ein Beweis dafür, dass die naive Auffassung der ältesten Vasenmaler nicht
damit gemein sein kann, und dass diese Malerei besondere Eigenschaften gehabt
hat, die sie für bestimmte Zwecke verwendbar erscheinen Hess. Die An-
wendung einer Lokalfarbe, d. h. einer Farbe ohne Tonabstufung hat, ko-
loristisch genommen, den Zweck, die so bemalte Figur aus der Umgebung her-
vortreten zu lassen; die Figur erhielt durch die starke Färbung ihrer einzelnen
Teile ihre volle Wirkung für die Entfernung. Aber während ursprünglich
diese Figuren dunkel auf heller, unbemalter Umgebung standen, vollzieht sich,
genau so wie wir es bei der ägypt. Malerei gesehen (p. 17), in der Folgezeit
eine Wandlung ins Gegenteil. Dadurch machte die Monochrommalerei mit
einem mal einen grossen Fortschritt und ging nun ihrer höchsten Vol-
lendung entgegen. Jetzt hoben sich die Figuren licht von der dunklen
Umgebung ab, und damit begann die Herrschaft des Malerischen in der
Malerei. Der klassische Stil der griechischen Vasenbilder gibt davon tausend-
fache Beweise; der Schwung der Linienführung, die glänzende und höchst
geschmackvolle Raumausfüllung setzen uns heute noch in gerechtes Er-
staunen. (Abb. 11.)

— 51 —

Zu den Monochromen zählen wir alle diejenigen Malereien, bei welchen
durch Linien- und Umrisszeichnung die Flächen ausgefüllt weiden, ohne
Modellierung und ohne Berücksichtigung eines nach der Tiefe (des Raumes)
wirkenden Hintergrundes, mit einem Wort: die Prieskomposition, bei wel-
cher die Figuren auf einer Ebene und auf einem einfarbigen oder ungefärbten
Hintergrunde stehen. So primitiv auch scheinbar eine solche Kunstrichtung
sein mag (vergl. die Malereien in den etruskischen Hypogäen von Ruvo,
Corneto u. s. w.), so lassen sich durch sie doch grosse monumentale Wir-
kungen erzielen, und daraus erklärt sich auch die Erhaltung dieses Kunst-
zweiges bis zur Zeit des Plinius. Zur Steigerung dieser monumental-dekorativen
Eigenschaft der monochromen Malerei wurden im Altertum selbst die grellsten
Farben verwendet; Drachenblut und Zinnober (oinnabaris, minium) erwähnt
Plinius speziell bei dieser Malart, „man hielt aber beide Farben für zu
schreiend und ist zur Rubrica (Rötel) und Sinopisrot übergegangen» (XXXIII,
117). Die Erfahrung lehrte sehr bald auch die Kontrastwirkung der Farben,
so dass mit den weniger grellen Farben der gleiche Effekt für die Ferne er-
reicht werden konnte. 2 )

Abbild. 11. Musikunterricht. Vasengemälde der Blütezeit. Nach einem Original der gleichen

Sammlung.

maierei.

Innerhalb dieser Monochrommalerei werden sich in logischer Reihe alle Verbesaerun-

i i • , i x-r !• i- j. TT- ! ,, i . *»en innerhalb

durch eingehenderes .Naturstudium bedingten Verbesserungen vollzogen haben; d. Monoohrom-
Plinius (XXXV, 16) nennt auch die Namen der Künstler, denen diese zu-
geschrieben wurden: Die primitive Umriss- oder Linienmalerei (linearis) wurde
von Aridikes aus Korinth und Telephanes aus Sikyon durch Hinzufügung
der „inneren Linienführung» bereichert, aber in der Charakteristik des Dar-
gestellten kamen sie über das Roheste nicht hinaus; „daher wurde es ge-
bräuchlich, die Namen der Abgebildeten beizuschreiben». Ekphantos aus
Korinth wird als der erste genannt, der solche Porträts auch kolorierte,
„wie man angibt, mit zerriebenen Scherben», worunter nicht unser Ziegelrot,
sondern der Farbstoff der terra sigillata zu verstehen ist (John p. 110).

2 ) Blümner, Terminol. und Techn. IV, p. 420 und Brunn, Geschichte der
griech. Künstler II, p. 8 sind der Ansicht, dass zu Plinius’ Zeiten unter Monochromen
etwas anderes, nämlich die durch Schattierung einer und derselben Farbe (mittelst
Weiss) hergestellten Gemälde verstanden wurden, also was en camayeu oder chiaros-
curo, „grau iu grau» bedeutet, und dass Zeuxis die von Plinius (XXXV, 64) ex albo
genannten Monochrome so gemalt hätte, denn es liesse sich ein so raffiniertes Ver-
fahren, wie das Malen von „Helldunkel» unmöglich den Anfängen der Kunst zu-
schreiben. Vielleicht meint Plinius damit, dass Zeuxis die Lichtwirkung der mono-
chromen Malerei durch Weiss noch zu steigern verstand.

4*

~_ 52 —

Früher wurde nämlich der Fleischton nicht mit Farbe ausgefüllt, sondern
nur die Gewandung u. s. w., wie auf den altägyptischen Malereien; dann be-
gann Eumaros aus Athen „den männlichen und weiblichen Körper durch
das Kolorit zu unterscheiden» (XXXV, 56), die nächste Folge des Vorigen
und ein Beweis des Strebens, die Natur als Lehrerin zu erkennen. Eumaros
„wagte es, alle Formen nachzumachen» d. h. er individualisierte, mehr als
es bisher üblich war, die verschiedenen Stellungen, Bewegungen und die
Muskulatur des menschlichen Körpers. Immerhin war er in gewisser Richtung
beschränkt, weil jeder Kopf und jede Bewegung im Profil, die Glieder alle
in ganzer Länge sichtbar bleiben mussten, da die Ueberschneidungen und die
nötige Verkürzung der Form ohne Licht und Schatten schwer ausdrückbar
sind; ein nach vorn gestreckter Arm z. B. würde, nur mit Konturlinien ge-
zogen, viel zu kurz aussehen. Aber er war auf dem richtigen Weg. Dann
„bildete Kimon aus Kleonae diese Errungenschaft weiter aus 1 ‘. Er musste er-
kennen, dass viele Bewegungen, insbesondere wenn mehrere Figuren in Be-
ziehung zu einander dargestellt werden sollten, mit reiner Profilansicht nicht
zu geben waren; so hat er denn „erfunden, Katagraphen, Bildnisse von der
Seite, zu malen und das Gesicht willkürlich zu richten, so dass es jemand
bald gerade ansieht, bald aufwärts, bald abwärts blickt». Ihm werden also
die Erfindungen des Porträts im Halbprofil und die Ueberschneidungen nach
oben und unten zuzuschreiben sein. Alles, was ihm sonst noch zur Ehre an-
gerechnet wird, ist die Folge seiner schärferen Naturbeobachtung: „er hat
auch die Artikulation der Glieder unterschieden, die Blutgefässe angedeutet
und ausserdem die Falten und den Wurf des Gewandes in der Malerei er-
funden.» Daraus ergibt sich, dass er sehen gelernt hatte und die Dinge
auch so darzustellen verstand, wie er es sah; er war Realist, wie wir heute
sagen würden. Brunn (Gesch. d. griech. Künstler II, 8) nennt ihn mit
Recht den Begründer der kunstmässigen Zeichnung. Während man vor ihm
die Gewandung in einfachen Linien über die Formen des Körpers hin wegzog,
beobachtete er, wo sich die Falten an die Körperteile anlegen und wie der
Körper selbst durch die Gewandung hindurchwirkt, wie sich die Falten an
solchen Stellen brechen oder der Form nachgeben u. s. f.; es gehört auch
heute noch zu den bekannten Gesetzen des Faltenwurfes, dass die Artikulation
der Glieder damit deutlich zu machen ist.

‘^Kuioriti 68 „Schliesslich», so berichtet Plinius (XXXV, 29), „erzeugte die Kunst

aus sich selbst heraus grössere Mannigfaltigkeit und schuf Licht und Schatten,
wobei die Kontraste von heller und dunkler Farbe sich gegenseitig hoben;
nachher kam dann das Glanzlicht (splendor) hinzu, das vom Licht noch ver-
schieden ist; was zwischen diesen und dem Schatten lag, wurde Ton (tonos),
die Verschmelzung und die Uebergänge der Farben harmoge genannt». Da-
mit ist eigentlich, was wir Kolorit nennen, beschrieben. Durch fortgesetztes
Naturstudium reifte selbstverständlich die Erkenntnis der Forinengebung durch
Licht und Schatten; man beobachtete sogar schon, dass das höchste Licht
einen anderen Charakter hat als der Lokalton (kalt oder warm) und dass erst
durch richtige Abschattierung nach den Seiten hin die harmonische Rundung
der Form eintritt.

In der 83. Olympiade (um 445 v. Oh.) muss der Gebrauch von Farbe
und die Uebung im Zeichnen schon sehr vervollkommnet gewesen sein, da
Panänos, der Bruder des Phidias, auf einem die Schlacht von Marathon
(490 v. Ch.) darstellenden Gemälde die Feldherrn, von den Athenern Miltiades,
Kallimachos und Kynaegiros, von den Barbaren Datis und Artapharnes,

Polygnot. porträtähnlich gemalt haben soll. Ziemlich gleichzeitig hat Polygnot von
Thasos die Malerei ausserordentlich gefördert: „er malte zuerst weibliche
Figuren in durchsichtigem Gewände und schmückte die Köpfe mit vielfarbigem
Putz; er unternahm es zuerst seine Figuren mit geöffnetem Munde und
Sichtbarwerden der Zähne darzustellen, auch den Gesichtszügen die alte Starr-
heit zu nehmen». Polygnot führte also Anmut und Schönheit in die Kunst
ein, welche von nun an in der Darstellung des Weibes, der Krone der

53

Zeuxis und

Piirrhafiios.

Schöpfung, eine ihrer höchsten Aufgaben erblickte. Er hat den sieghaften
Typus der klassischen Schönheit mit dem lächelnd halb geöffneten Munde
erfunden; er hat in seinen berühmten Darstellungen aus der Heldensage (zu
Delphi und in der Stoa Poikile zu Athen) die [dealgestalten so gesohaffen,
wie sie sich die zeitgenössische Phantasie in ihrem höchsten Sohwuuge vor-
stellte; er hob sie „über die Wirklichkeit», indem er idealisierte.

Von da an schreitet die Malerei ihrer höchsten Blüte entgegen. In dcv
93. Olympiade (um 406 v. Oh.) tut sich Apollodor aus Athen durch be-
sonders feine Modellierung der Formen (exprimere species) hervor. Er er-
reichte durch Licht- und Schattenwirkung einen hohen Grad von Körperlichkeit;
Ausdruck und Bewegung sind ganz und gar der Natur abgelauscht, die Farbe
so kräftig und verständig abgewogen, dass der Beschauer schon den Ein-
druck der Illusion, der gemalten Wirklichkeit erlangen musste. „In die
durch ihn geöffneten Pforten trat Zeuxis von Heraklea im 4. Jahre der
95. Olympiade (396 v. Ch.) und führte den schon kühn gewordenen Pinsel
zu hohem Ruhm.» Er war der berühmteste Maler seiner Zeit, und die un-
gemessene Wertschätzung verleitete ihn zum Eigendünkel, so dass „er seine
Werke nur verschenkte, weil kein Preis, wie er sagte, für sie hoch genug
war». An Naturwahrheit wurde er freilich von Parrhasios aus Ephesus
übertroffen, wie aus der bekannten Anekdote von den gemalten Trauben, auf
welche Vögel zuflogen, und dem von Parrhasios gemalten Vorhang, hinter dem
Zeuxis das eigentliche Bild vermutete, hervorgeht. Das fortgesetzte Studium
der Natur führte eben auch zu den allerletzten Konsequenzen, wonach in der ab-
soluten Täuschung das höchste Ziel erblickt wird; es ist der Naturalismus,
der sich ebenso sehr in den Motiven wie in der Ausführung ausspricht. Dem
Parrhasios wird von seinen Kunstgenossen noch besonders nachgerühmt, dass
er in der malerischen Behandlung des äusseren Umrisses (liniis extremis) die
Palme davontrug: er habe die „nur selten erreichte Kunst» verstanden, „bei
den äusseren Umrissen der Körper trotz der verschwindenden Malerei die Be-
stimmtheit der Form zu wahren, so dass die Körper an ihrer Begrenzung
um sich selbst herumgehen (se ipsa ambire, d. h. sich vollkommen runden)
und, wo sie aufhören, ahnen lassen, was noch hinter ihnen ist, und so ge-
wissermassen auch zeigen, was sie verdecken» (XXXV, 67. 68). So gezwungen
auch sich Plinius an dieser (schwer übersetzbaren) Stelle ausdrückt, so ist
doch klar zu erkennen, dass damit nur die freie Erscheinung einer ge-
malten Figur im vorgestellten Raum gemeint sein kann, dasselbe, was unsere
Pleinairisten auch heute anstreben! Von demselben Künstler werden Studien
auf Holz und Pergament erwähnt, „von denen selbst Künstler lernen könnten»,
die älteste Erwähnung von Malerei auf Pergament (Miniaturmalerei).

Der glänzende Ruhm und der reiche Lohn der Kunst in dieser Periode Maierschuieu
zog Talente nach den Städten, in denen sich Malerschulen gebildet hatten;
Pamphilos zu Sikyon insbesondere war als Lehrer sehr gesucht, denn er war
der erste Maler, der eine allgemeine wissenschaftliche Bildung, „namentlich
Kenntnisse in Arithmetik und Geometrie besass, ohne die seiner Meinung nach
die Kunst nie zur Vollkommenheit gedeihen könne». Zu dem praktischen
Studium der Natur gesellte sich noch das theoretische Wissen ; die Linien-
perspektive und anatomisches Erkennen des Körpers müssen in seinem Lehr-
plan einen hervorragenden Platz eingenommen haben. Er verlangte von allen
für zehn Jahre Unterrichts nicht weniger als ein Talent (4500 — 5000 JC),
und dieses Lehrgeld hat ihm auch Apelles entrichtet.

Apelles aus Kos (112. Olympiade, um 330 v. Ch.) übertraf so sehr alle
berühmten Vorgänger und Zeitgenossen, dass die Alten meinten, er weide
auch für alle Zeiten unübertroffen bleiben. Er war der Raffael des Alter-
tums, und von dem Eindruck, den diese blendende Künstlererscheinung hinter-
lassen hat, zeugt eine ganze Reihe von feinen Zügen aus seinem Leben und
von sprichwörtlich gewordenen Aussprüchen, die man sorglich gesammelt
und der Nachwelt überliefert hat. Als die ihn auszeichnende Eigenschaft, in
der niemand ihm auch nur nahe kam, galt die „Grazie» (xapis)- Didier war

Apelles.

— 54 —

er der gefeiertste Maler höchster Frauenschönheit; seine Aphroditebilder wurden
als unvergleichliche, einzigartige Kunstwerke betrachtet und mit Gold auf-
gewogen. Er schuf auch figurenreiche Kompositionen, doch seine Hauptstärke
scheint in Einzelfiguren mit mannigfachem Beiwerk gelegen zu haben, und
hier vereinigte er die grösste zeichnerische Vollendung — von der Sicherheit
seiner Hand und der Feinheit der Linienführung erzählt die bekannte Anekdote
von seinem Besuche in Protogenes’ Werkstätte — mit vollkommener Natur-
treue in der malerischen Behandlung. Daher zeigten seine Porträts eine
„bis zur UnUnterscheidbarkeit gehende Aehnlichkeit» ; Alexander d. Gr. wollte
von niemand anders gemalt werden und ist oft in vielfacher Variation von
ihm gemalt worden. Auch an koloristisch schwierige Aufgaben hat er sich
gewagt, denn er soll „Dinge, die sich nicht malen lassen, Blitz und Donner (I)
und Wetterleuchten» malerisch dargestellt haben — in welcher Weise, ist
freilich nicht mehr zu erkennen. Ueber seine Kunst hat er selbst Bücher
geschrieben, doch muss er, was die Technik betrifft, einiges als Geheimnis
behandelt haben; wenigstens konnte ihm niemand den von ihm erfundenen
eigentümlichen Firnis nachmachen, der „durch Reflexion des Lichtes die Klarheit
der Farbe erhöhte und gleichzeitig durch einen von weitem nicht zu be-
merkenden dunkleren Schein die allzuleuchtenden Farben milderte» (XXXV, 97).
Dass auf dieser Stufe der technischen Entwicklung Gemälde von so hohem
Farbenreiz mit nur vier Farben gemalt worden seien, klingt uns heute
ganz unglaublich, und doch sagt Plinius XXXV, 50 (vgl. auch § 92), dass
die berühmten Maler Apelles, Aetion, Melanthios, Nikomachos mit nur vier
Farben ihre unsterblichen Werke hergestellt hätten, 3 ) und nennt Weiss von
Melos, attischen Ocker, Sinopisrot und Schwarz; Blau kommt nicht vor. Man
könnte etwa daran denken, dass zu dem Zwecke das den Alten bekannte
Rebenschwarz gedient habe , da dieses mit Weiss gemischt einen bläulichen
Ton annimmt. Für die monochrome Maleroi dürften auch wenige Farben
genügt haben , weil hier mit möglichst einfacher Farbenwirkung gerechnet
wird; die Stelle des Plinius scheint aber mehr den Unterschied zwischen
der früheren und seiner eigenen Zeit ausdrücken zu sollen, denn er fügt hinzu :
„Jetzt, wo der Purpur sogar auf die Wände kommt, und Indien den Schlamm
seiner Flüsse und den blutigen Ausfluss seiner Drachen und Elefanten bei-
steuert, gibt es keine edle Malerei mehr.» Er will damit vor allem sagen,
die Schönheit der Malerei hänge nicht von der Kostbarkeit des verwendeten
Materials ab (die gleiche Ansicht bei Vitruv VII 5, 7).

Ein Zeitgenosse des Apelles, Aristides, malte im grossen Stile was wir
Historienmalerei nennen würden, z. B. ein Schlachtenbild mit hundert Figuren,
und war meisterhaft im Ausdruck der Charaktere und der Affekte.

Von der Höhe des technischen Könnens und künstlerischen Verständ-
nisses jener Zeit gibt folgende Anekdote einen erwähnenswerten Beweis:
Apelles soll beim Anblick eines von Protogenes mit unsäglicher Sorgfalt
durchgeführten Gemäldes wahrhaft betroffen gewesen sein und gern dem
Nebenbuhler den Vorrang vor sich eingeräumt haben; nur in einem Punkte
müsse er diesen für sich in Anspruch nehmen, darin nämlich, dass er ver-
stehe, die Hand zur rechten Zeit von der Arbeit zurückzuziehen, denn zu
grosse Sorgfalt tue der Wirkung Eintrag (Plin. XXXV, 80). Im Nebensäch-
lichen mit geringer Andeutung sich zu begnügen, um die grosse Wirkung in
die Hauptsache zu verlegen, darin besteht die höchste Vollendung der Technik,
darin liegt der wahrhaft künstlerische Geist.

3 ) In diesem Punkte befindet sich Plinius nicht im Einklänge mit anderen alten
Schriftstellern. Cicero (Brut. 18, 70) sagt dies speziell von Polygnot, Zeuxis. Timanthes
uud deren Zeitgenossen, während er den Künstlern der Folgezeit, Aetion, Nikomachos,
Protogenes, Apelles hinsichtlich des Kolorits die volle Beherrschung der Technik zu-
schreibt. Vgl. Blümner IV, 465. — Mir will scheinen, als ob die Alten mit den „vier»
Farben nicht die Pigmente, sondern das von griechischen Philosophen aufgestellte
Farbensystem gemeint haben. Geradeso genügten den Späteren nur drei Grund-
farben (gelb, rot und blau) im optischen Sinne, und niemand wird behaupten, dass
sie nur drei Pigmente anwendeten.

— 55 —

Das intimere Studium der Natur führte weiter auch zur Beobachtung St H lot h ei ft’
und Nachbildung unbedeutender Vorgänge und Gegenstünde der allernächsten und ttem-e-
Umgebung, zur Stilleben-, Landschafts- und Genremalerei. Piraeicus
malte z. B. Barbierstuben, Schusterwerkstätten, Gemüse- und Küchenstücke,
dies alles in kleinstem Format, aber mit vollendeter Feinheit der Durchführung,
Kalates und Antiphilos auch komische Szenen und Karikaturen. Derartige
Kontraste finden wir stets in den höchsten Kunstperioden; waren doch Teniers
und Ostade Zeitgenossen von Rubens und Van Dyckl

Dies sind die hervorragendsten in der Reihe der Maler „ersten Ranges»
(proceres), die Plinius als die „Meister des Pinsels», d. h. der Tempera-
malerei auf Wänden und Tafeln, bezeichnet. Ihnen stellt er als ebenbürtige
Vertreter einer anderen Technik eine Reihe der grossen Meister der En-
kaustik gegenüber.

lieber Ursprung und Alter dieser Technik herrschte, nach seinem Bericht , )! (li , sl ‘».,
(XXXV, 122), schon bei den Alten Ungewissheit. Einige behaupteten, er-
funden sei sie von dem Maler Aristides und vervollkommnet von dem Bild-
hauer Praxiteles; beide hatten, dem Lebensalter nach nur um wenige Jahr-
zehnte verschieden, ihre Blütezeit erst nach 370 v. Chr., etwa während der
Regierung Philipps von Macedonien. Aber mit Recht wendet Plinius selbst
dagegen ein, dass es weit ältere Bilder enkaustischer Art gäbe: so von Po-
lygnotos, der ein Zeitgenosse des Phidias, ungefähr 70 Jahre früher auf der
Höhe seines Ruhmes stand, von Nikanor, Mnesilaos aus Paros und Ela-
sippos. Sicherlich ist die Enkaustik schon bekannt gewesen in der Zeit,
wo die Wand- und Tafelmalerei hohen Stils erst anfing, sich zu künstlerischer
Höhe zu erheben, und die „Meister des Pinsels» werden auch enkaustisch
gemalt haben — von P am philo s, dem anerkannten Haupt der sikyonischen
Schule ist bekannt, dass er sogar darin unterrichtet hat — ; aber ebenso
sicher ist, dass dies nur nebenbei geschah, denn es war eine äusserst mühe-
volle Art zu arbeiten 4 ) und nur geeignet, wie es schien, für Bilder von massi-
gem Umfang; die Vorzüge, die sie besass, die Kraft und der Glanz sowie
vor allem die Haltbarkeit der mittelst Wärme zu befestigenden Wachsfarben,
die durch Abwaschen nicht beschädigt wurden, 5 ) mochten nicht gross genug
erscheinen, um die Unbequemlichkeit des Verfahrens, das eine ungewöhnliche
Geschicklichkeit der Hand erforderte, aufzuwiegen.

Jedenfalls ist des Pamphilos Schüler, Pausias aus Sikyon der erste, fausias.
der die Enkaustik als seine Spezialität pflegte, und er hat es darin sofort
zu unübertroffener Meisterschaft gebracht. Sein Name wurde typisch für diese
Technik. Er gehörte auch sonst zu den angesehensten Malern seiner Zeit,
denn er war es, der berufen wurde, die unscheinbar oder schadhaft gewordenen
Wandgemälde des Polygnotos in Thespiä „mit dem Pinsel» zu restaurieren;
aber suum genus, wie Plinius sagt, sein eigentliches Feld waren die Kabinett-
stücke in enkaustischer Technik. Blumenstücke in geschmackvoller Farben-
komposition und Knabengestalten, vermutlich Amoretten, zählten zu seinen
Lieblingsmotiven. Er brachte die Sitte auf, mit solchen Bildern die Kassetten
getäfelter Zimmerdecken auszufüllen. Sein berühmtestes Werk war ein Bild
seiner Geliebten, der Kränze bindenden Glykera, inmitten ihrer Blumen sitzend,
— eine dankbare Erinnerung daran, dass sie einst durch den Verkauf ihrer
Kränze dem mittellosen Kunstjünger durchs Leben geholfen. Wegen der
Langsamkeit seines Arbeitens, die doch in dem besonderen Wesen des en-
kaustischen Verfahrens begründet war, von seinen Neidern verspottet, vollen-
dete er einmal eine kleine Tafel, die einen Knaben darstellte, an einem einzigen
Tage; sie wurde berühmt unter dem Namen Hemeresios (d. h. Eintagswerk).
Die schliesslich erworbene Virtuosität in der Handhabung seiner Technik be-

4 ) Plin. XXXV, 124: tarda pioturae ratio . . . parvae tabellae.

6 ) So werden die Worte Plato’s in Tim. p. 26 C &fY.«.ü[ut.%«. ivsotTcXöxou TP ac P^S ge-
wöhnlich verstanden. Doch werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass der Ausdruck
auch auf axiyjiaxa, mit dem Brenneisen hervorgebracht, also Brandmale auf der Haut
sich beziehen könne.

56 —

Koloristische

Vorzüge der

Enkaustik.

Nikias.

Enkausten der
späteren Zeit.

fähigte ihn denn auch, „grandes tabulas», umfangreiche Gemälde enkaustisch
zu malen. Ein solches war sein noch vierhundert Jahre nachher, zu Plinius’
Zeit, im Porticus des Pompeius zu Rom bewundertes „Stieropfer», worauf er
in unnachahmlicher Weise die Aufgabe gelöst hatte, einen schwarzen Stier in
kühnster Verkürzung von vorn, Schwarz in Schwarz zu so augenfälliger Run-
dung zu modellieren, dass der Beschauer die volle Länge des Körpers zu sehen
meinte. Wir sehen daraus, dass Pausias es verstand, durch die Kraft der Farbe
volle plastische Wirkung zu erzielen, dass es also koloristische Vorzüge
waren, die seine Art zu malen auszeichneten, während von den Temperamalern
mehr Wert auf die Auffassung, den seelischen Ausdruck und die lineare Kom-
position gelegt worden zu sein scheint. Das wäre dann derselbe Gegensatz,
wie wir ihn in der Renaissance zwischen Stilisten und Koloristen, zwischen
der florentinischen und der venetianischen Schule bemerken, und man könnte
versucht sein, Pausias den Tizian des Altertums zu nennen.

Dass das Koloristische das Hauptmerkmal der Enkaustik war, beweisen
auch die Mitteilungen, die Plinius über andere Meister auf diesem Gebiete der
Malerei macht. Euphranor aus Korinth (um 360 v. Ch.), ein ungemein
vielseitiger Künstler, Maler und Plastiker zugleich und als Schriftsteller Ver-
fasser von zwei Büchern über die Symmetrie und über die Farben, hat unter
anderen Heldengestalten einen Theseus gemalt, von dem er im Gegensatz zu
einem gleichnamigen Temperabilde des Parrhasios sagte, der Theseus des
letzteren sei mit Rosen genährt, der seinige mit Fleisch. 6 ) Und höchst be-
zeichnend ist, dass die wenigen charakterisierenden Bemerkungen, die Plinius
den Namen anderer beifügt, sich vorzugsweise auf deren Farbengebung be-
ziehen: 7 ) beim Antidotos, Schüler Euphranors, nennt er sie ernst oder streng,
beim Nikophanes, Schüler des Pausias, hart und mit einem Uebermass von
Ockergelb, beim Athenion aus Maronea, Schüler des Korinthers Glaukion,
herber oder dunkler (etwa ,, toniger», wie wir heute sagen), als beim Nikias,
aber trotz dieser Herbheit manchmal anziehender und sein tiefes Kunst-
verständnis verratend. Im übrigen war Nikias aus Athen, Schüler des Anti-
dotos, ihm überlegen und einer der am meisten bewunderten Künstler seines
Faches, hervorragend als Frauenmaler, aber bei seiner Meisterschaft in natur-
getreuer Darstellung, in Behandlung von Licht und Schatten und dem plasti-
schen Herausarbeiten der Figuren jeder Aufgabe gewachsen (Plin. XXXV,
131 ff). Schon bei seinen Lebzeiten wurden für seine Bilder ausserordentlich
hohe Preise gezahlt, und er war so verwöhnt, dass er seine „Nekyomantie
Homers», worauf Odysseus in der Unterwelt die Toten befragend dargestellt
war, seiner Vaterstadt schenkte, da er den vom König Ptolemäus ihm ge-
botenen Preis von 60 Talenten zu niedrig fand. Von seinen „grandes picturae»
wird eine „Nemea» , auf einem Löwen sitzend, erwähnt, die 75 v. Oh. von
Silanus aus Kleinasien nach Rom gebracht und später von Kaiser Augustus
in der Kurie öffentlich ausgestellt wurde (vgl. Plin. XXXV, 27); ausserdem
waren berühmt sein „Hyakinthos», eine Kalypso, Io und Andromeda. Auch
ein „Alexander» im Portikus des Pompejus wurde ihm zugeschrieben. Eine
besondere Kunstfertigkeit zeigte er in der enkaustischen Bemalung der Marmor-
plastik; Praxiteles legte auf seine Mitarbeit bei der farbigen Tönung
(circumlitio) einen so grossen Wert, dass er auf die Frage, welche von seinen
Marmorwerken er für die besten halte, zur Antwort gab: „Diejenigen, an
welche Nikias seine Hand gelegt hat.»

Aus der späteren Zeit mögen hier noch genannt sein: Der — be-
zeichnenderweise — von der Schiffsmalerei hergekommene Macedonier Hera-
kleides, um 168 v. Oh. in Athen tätig, und sein Zeitgenosse Metrodoros

6 ) Plin. XXXV, 129: Theseum . . . apud Parrhasium rosa pastum esse, suum
vero carne.

7 ) Ebenda 130: Antidotus … in coloribus severus; 134: Niciae comparatur
et aliquando praefertur Athenion . . . . austerior colore et in austeritate iucundior,
ut in ipsa pictura eruditio eluceat; 137: Nicophanes . . . durus in coloribus et sile
multus.

— 57 —

von Athen, zugleich Philosoph, der dem’ Aemilius Paullus oaoh Rom folgte,

und Tiraomachos von Byzanz, dessen Ajax und Medea Julius ( asar für
80 Talente kaufte und im Venustempel zu Rom aufstellte. Zu Varro’s Jugend-
zeit (etwa 90 — 80 v. Oh.) hatte eine Malerin Jaia aus Kyzikos sieh in Rora
einen Namen gemacht. Sie inalte dort „mit dem Pinsel und auf Elfenbein
mit dem Cestrum» meist weibliche Bildnisse, in Neapel auf einer grossen
Tafel das Bildnis einer Greisin und ihr eigenes nach dem Spiegel, und sie
arbeitete mit einer Schnelligkeit, der niemand gleichkam, und solchem ‘Talent,
dass sie weit höhere Preise erzielte, als die gesuchtesten Porträtmaler ihrer Zeit.

Bis hierher sind wir dem Berichte des Plinius über die Blütezeit der
griechischen Malerei gefolgt 8 ); was er ausserdem noch über die spätere Zeil
und über die einheimische italische oder römische Malerei bemerkt, kann hier
ausser Betracht bleiben. Es sind auch nur mehr oder minder dürftige Notizen,
zum Teil wohl deshalb, weil seine Bewunderung allein der grossen Ver-
gangenheit galt; denn er beklagte es, das zu seiner Zeit, deren törichte Prunk-
liebe als Schmuck nur noch kostbare Stoffe schätze, die „einst von Königen
und Freistaaten geehrte, edle Kunst» der Malerei in tiefen Verfall geraten
sei, und nennt diese geradezu eine „absterbende Kunst» (XXXV, 28). Vom
künstlerischen Standpunkt aus mochte er recht haben, denn es fehlten die
hervorragenden Talente; vom rein technischen Standpunkt aus jedoch» nicht,
denn die einmal errungene Technik ging nicht zu (.runde, sondern wurde in
ihren hauptsächlichen Methoden auch von den Epigonen geübt und teilweise
weiter entwickelt ins Mittelalter hinübergerettet.

Zur Betrachtung dieser Technik wenden wir uns jetzt. Bedingt durch
die Verschiedenheit des Malgrundes, der Bindemittel für die Farbstoffe und
der Werkzeuge ist sie verschieden bei der Wand- und bei der Tafelmalerei.
Der üblichen Anordnung folgend beginnen wir mit der Wandmalerei.

8 ) Die geschichtliche Aufzählung der namhaften Maler (celebres in ea arte) be-
ginnt bei Plinius XXXV 53 und reicht bis § 148. Sie zerfällt in drei, dem Umfange
nach sehr ungleiche Abteilungen, und zwar umfassen nach einer Erörterung de
aetate picturae (§ 54—57) und einer kurzen Bemerkung über picturae primum certamen
(§ 58) die §§ 58 — 137 I) die grossen Meister ersten Ranges, die lumina artis,
wie sie § 60, die proceres, wie sie § 138 genannt werden. Und innerhalb dieser
Abteilung werden zwei Gruppen nach dem „genus» picturae unterschieden: a) die
penicillo pingentes (§ 58-120) und b) die encausto pingentes (§ 122—137). Nach der
Aufzählung dieser „proceres in utroque genere» folgeu II) die primis proximi,
die den Ersten am nächsten kommen (§ 138—145), doch ohne die bisherige Unter-
scheidung zwischen den penicillo und encausto pingentes. Diese beiden Abteilungen
werden es sein , die in dem Index des I. Buches unter der Bezeichnung operum et
artificum in pictura nobilitates zusammengefasst werden. Hierauf folgt III) eine
kurze Reihe (§ 146) von „non ignobiles quidem, in transcursu tarnen dicendi, d. h.
von zwar bekannten, aber doch nur beiläufig zu erwähnenden Malern, ebenfalls ohne
Unterscheidung zwischen Temperatecbnik und Enkaustik. auch ohne andere als rein
alphabetische Ordnung, und anhangsweise werden noch die Namen einiger Malerinnen
hinzugefügt (§ 147—148). wobei die Jaia, die in Rom tätig gewesen war, als Vertreterin
der Enkaustik besonders hervorgehoben wird. Der Hinweis auf diese Einteilung
scheint mir notwendig zu sein, um der Annahme entgegenzuwirken, als ob die En-
kaustik eine von verhältnismässig nur Wenigen gepflegte Technik gewesen sei.

— 58 —

I. Die «Wandmalerei bei den Griechen und Römern.

(Alter und Charakteristik.)

Wie weit der Brauch, auf Wänden Malereien dekorativer oder figürlicher
Art anzubringen, im griechischen Altertum zurückreicht, lässt sich nach
den wenigen Nachrichten, welche wir dem älteren Plinius, Pausanias u. a.
verdanken, nicht mit Sicherheit bestimmen. Jedenfalls haben die Griechen
darin schon frühzeitig grosse Fertigkeit erreicht, denn jene Nachrichten lassen
erkennen, dass von jeher in Griechenland die Ausschmückung der Tempel
und öffentlichen Gebäude mit Malerei üblich gewesen ist. Der ausgesprochene
Sinn für reiche farbige Flächenverzierung ist allen Völkern des Altertums
gemeinsam (Aegypter, Assyrer, Perser); es ist demnach natürlich, dass gerade
die Griechen hierin weit vorangeschritten sind, umsomehr als wir von den
ältesten Vasengemälden auf ihre hervorragende Begabung für die Dekoration
mannigfach gestalteter Flächen schliessen können,
stuckfläohen ^* e Grundbedingung jeder Wanddekoration, nämlich die Herstellung

einer geglätteten Fläche zur Aufnahme der Malerei, war schon in den ältesten
Zeiten den Griechen bekannt. Sie verstanden die Bereitung eines vortreff-
lichen Mauerbewurfes (opus tectorium), wie die Ueberreste im Innern des
Theseustempels zu Athen, die Cellawände der altgriechischen Tempel Siziliens
(Selinunt, Metapont) beweisen. ‘) Die Wände des Tempels zu Aegina waren
(nach Wagners Berichten über die äginetischen Giebel und Sempers eigener
Anschauung) innen und aussen mit einem feingeschliffenen , mitunter rot ge-
färbten Stuck überzogen, ebenso ist an dem Travertin der Tempel zu Pästum
der Stucküberzug noch zu erkennen. 2 )

Die ältesten Grabkammern zu % Oorneto zeigen Stuckbekleidung der Wände,
woraus wir auf eine frühe Einführung griechischer Art in Etrurien schliessen
können. In Athen hatte die Ausschmückung der Grabkammern einen solchen
Luxus erreicht, dass dagegen ein Verbot erlassen werden musste. s ^

Wir gehen nicht zu weit mit der Annahme, dass überall der Stucküberzug
nicht zu bloss einfarbigem Anstrich, sondern zu weiterer Ausschmückung mit
Malerei ornamentaler oder figürlicher Art bestimmt war ; so wird auch die
Nachricht des Plinius zu verstehen sein (XXXVI, 177), dass der Bruder des
Phidias, Panänus die Wände des Minervatempels zu Elis mit gelber Safran-
tünche gefärbt hätte, denn aus anderer Quelle (Pausanias V, 11, 4) wissen
wir, dass er ein Künstler war und im Tempel zu Olympia die Schranken, welche
das berühmte Zeusbild umgaben, mit Gemälden» schmückte. 4 ) Die Be-

‘) Vgl. Semper, Der Stil. I., p. 429.

2 ) Wiegmann, Malerei der Alten, p. 55

3 ) Cicero de legg. II, 26 erwähnt das Verbot (aus nachsolonischer Zeit): sepulcrum
opere tectorio exornari; er bemerkt aber, dass dieses Verbot nicht beobachtet
worden sei.

4 ) Die den Hintergrund der chryselephantinen Zeusstatue bildenden Umfassungs-
wände waren mit einfachem Blau überzogen, wodurch die Statue ausserordentlich
gehoben wurde. Um diesen Eindruck nicht zu stören, waren die eigentlichen Gemälde
auf die übrigen Seiten der Umfassungsmauern beschränkt. Diese Gemälde sind es,
welche Panänus gemalt hatte.

— 59 —

malung ist demnach als die gewöhnliche Folge der Stuckbekleidung, oder die
Stuckbekleidung als die Vorarbeit für die Arbeit des Malers anzusehen. Dass
diese Uebung so alt ist, wie die Baukunst selbst, liegt in der Natur der Sache;
es ist deshalb müssig, auf den Gelehrtenstreit zwischen den französischen Aka-
demikern Raoul-Rochette und Letronne einzugehen, zu welchem ein i. J. 1830
von dem Architekten Hittorff veröffentlichter Aufsat/, über die polychrome Ar-
chitektur der Alten die erste Veranlassung gab , und wobei der erstere die
Behauptung aufstellte, dass die Wände nicht bemalt, sondern mit Gemälden
auf Holztafeln geschmückt gewesen wären, und dass die eigentliche Wand-
malerei in der Art der pompejanischen der Verfallperiode der alten Kunst
angehöre.

Ohne Zweifel waren Malereien auf Wänden in Tempeln üblich; Plinius lüüSf« :„

1 M I . I IC I (31t’ U 111

erwähnt solche in den Tempeln zu Ardea, darunter die des Malers Plautius Tempeln.
Marcus, die älter als die Stadt Rom wären und, obwohl ohne Dach und
Schutz dem Wetter preisgegeben, sich dennoch wie neu erhalten hätten.’)
Ebenso unanfechtbare Wandmalerei waren die berühmten Bilder im Tempel
der Ceres zu Rom, von den griechischen Malern Damophilos und Gorgasos
gefertigt, die (nach Varro) beim Umbau des Tempels aus den Wandflächen
gebrochen und in gerahmte Tafeln gefasst wurden; 6 ) nicht minder die von
Murena und Varro zu Lacedämon ausgebrochenen Wandmalereien, die in
hölzerne Behältnisse eingeschlossen nach Rom übergeführt wurden, um das
Comitium zu schmücken, 7 » dann das beim Einsturz des Tempels zu Lanuvium
verschont gebliebene Gemälde „Atalanta und Helena’ 1 , das Caligula in gleicher
Weise hätte abnehmen lassen, wenn es die „Art des Bewurfes» gestattet
hätte. 8 )

Auch darüber sind die Gelehrten einig (vgl. Brunn II, p. 47), dass die
berühmtesten Malereien des Altertums, die des Polygnotos im Tempel zu
Delphi und in der Stoa Poikile zu Athen, Wandgemälde waren, 9 ) nicht minder
diejenigen in Thespis, die Pausias später wieder erneuerte. 10 ) Von Protogenes
wird berichtet, dass er bei der Ausmalung des Propylon vom Tempel der

5 ) Plin. XXXV, 115.

6 ) Plin. XXXV, 154: (auctor est Varro) ex hac (aede), cum reficeretur, crustas
parietum excisas tabulis marginatis inclusas esse.

7 ) Plin. XXXV, 173.

8 ) Plin. XXXV, 18; ausserdem werden Wandgemälde zu Caere angeführt, die
gleichfalls älter wären, als die Stadt Rom.

9 ) Plin. XXXV, 59: (Polygnotus) Delphis aedem pinxit. hie et Athenis porticum.
quae Poecile vocatur.

Nach Pausanias (Phoc. I. 15 und X, 25) enthielten die Gemälde folgende Dar-
stellungen (s. Semper I, 427 1:

In der P. ikile zu Athen waren drei Wandflächen mit je drei Bildern gemalt:
Erste Wand: 1. Schlachtordnung der Athener bei Oenoe,

2. Beginn des Kampfes,

3. Schlachtordnung der Spartaner.
Zweite Wand: 1. Amazonenkampf,

2. Ilions Fall,

3. Die Könige um Aiax und Kassandra.

Dritte Wand: 1. Marathonische Schlacht; Platäer und Athener im Kampfe gegen die
Barbaren,

2. Flucht der letzteren,

3. Kampf und Niederlage bei den Schiffen.

Letztere drei Bilder waren begrenzt durch vier an der Handlung nicht un-
mittelbar teilnehmende Heroen und Götter: Marathon. Theseus, Herakles, Athena.
Aehnlich waren auch die drei Bilder der anderen Wände getrennt.

Noch reicher muss man sich die Kompositionen des Polyguot vorstellen, welche
die Wände der Lesche in Delphi deckten. Einerseits [lions Erstürmung nebst der
Abfahrt der Griechen, andererseits die Höllenfahrt des Odysseus; die getrennten
Handlungen zugleich neben- und übereinander gruppiert, „ein reicher Prachtteppich
von der grössten Figurenfülle».

10 ) Plin. XXXV, 123: Pinxit (Pausias) et ipse penicillo parietes Thespiis, cum
reficerentur quondam a Polygnoto picti.

60

Wand-
malereien in
Italien.

Herkulanum
und Pompeji.

Minerva zu Athen tätig war 11 ), und noch andere Nachrichten sprechen für
das Vorhandensein der Wandmalerei im alten Griechenland.

Dem scheint die Bemerkung des Plinius- zu widersprechen , dass nur
diejenigen Künstler Ruhm erworben hätten, welche Tafelbilder malten; denn
in alter Zeit sei man so weise gewesen, die Wände unbeweglicher Häuser nicht
mit Dingen zu schmücken, welche bei Feuersgefahr nicht schnell weggetragen
werden könnten. Apelles habe in seinem Hause keine Wandgemälde gehabt;
damals habe man noch nicht beliebt, die Wände ganz und gar zu bemalen. 12 )
Sieht man aber auf den Zusammenhang, in dem diese Stelle mit dem Vorher-
gehenden steht, so ist es klar, dass hier nur von Privathäusern , deren Ein-
fachheit dem Luxus der späteren Zeit entgegengesetzt wird, die Rede ist. nicht
von Tempeln und öffentlichen Gebäuden.

Von Griechenland wurde die Sitte der Wandmalerei schon früh nach
Italien verpflanzt, und als der erste vornehme Römer, der eigenhändig diese
Malerei ausübte, wird Pabius Pictor genannt, der i. J. 304 v. Ch. den Tempel
der Salus ausmalte. 13 ) Wandmalereien waren wahrscheinlich auch die Ge-
mälde , welche Cornelius Pinus und Attius Priscus in dem Doppeltempel des
Honos und der Virtus unter Vespasian gemalt haben. 14 j

Sehr zu bedauern ist es, dass weder Pausanias noch Plinius irgend eine
Bemerkung über die Technik hinterlassen haben, in welcher die Wandbilder
der ältesten Epochen gemalt waren, so dass die Frage, ob wir uns diese Ge-
mälde als Fresken, als Temperagemälde oder, wie vielfach angenommen worden,
in enkaustischer Art ausgeführt vorzustellen haben, lange Zeit eine offene blieb.

Am wichtigsten ist die Wiederaufdeckung der vom Vesuv im
Jahre 7 9 verschütteten Städte Herkulanum und Pompeji für die
Beantwortung dieser Frage geworden. In Herkulanum, das genau unter
der neuen Stadt Portici liegt, hat man sich auf unterirdische Gänge und
Aushöhlungen von nicht zu grossen Dimensionen beschränken müssen, in
Pompeji konnte man ganze Strassen offen legen und jene unschätzbare
Masse von interessanten Gegenständen zu Tage fördern , die sich teils
im Museo nazionale (früher Museo Borbonico), teils an Ort und Stelle be-
finden. Dadurch wurde erst die vollständige Anschauung möglich, welche
wir jetzt von der Art der künstlerischen Ausschmückung der öffentlichen
Gebäude und der Privatwohnräume besitzen. Das Beobachtungsmaterial ist
seitdem beständig gewachsen , je mehr auch an anderen Orten Bauwerke
mit ähnlichen Malereien aufgedeckt worden sind, wie die Villa der Livia
auf dem Palatin oder die neuestens ausgegrabenen Villen in den durch die
Tiber-Regulierung miteinbezogenen Gärten der Farnesina zu Rom (jetzt im
Thermen-Museum daselbst), in Boscoreale u. dgl. m.

Da von den Gemälden der grossen griechischen Meister, deren Werke
einst mit vielen Hunderttausenden bezahlt wurden, kein einziges auf die Nach-
welt gekommen ist, das uns befähigte, durch eigene Anschauung von der
Auffassungs- und Kompositionsweise, von dem Grade der Kunstfertigkeit
im Zeichnen und in der Beherrschung der Farbe eine Vorstellung zu ge-
winnen, so bieten uns die Wandgemälde von Pompeji einen zwar nicht aus-
reichenden, aber höchst wertvollen Ersatz, insofern sie, als von der Hand
mehr handwerksmässiger Urheber herrührend, geeignet sind, einen vergleichen-
den Schluss zu gestatten auf das, was die gefeierten Meister der Kunst zu
leisten fähig waren. Von diesem Gesichtspunkte hat man in erster Linie die

«) Plin. XXXV, 101.

12 ) Plin. XXXV, 118: Sed nulla gloria artificum est, nisi qui tabulas pinxere:
eo venerabilior antiquitatis prudentia apparet. Non enim parietes excolebant dominis
tantum nee domos uno in loco mansuras, quae ex incendiis rapi non possent . . .
Nulla in Apellis tectoriis pictura erat. Nondum libebat parietes totos tinguere.

18 ) Plin. XXXV, 19 . . . (Fabius Pictor) aedem Salutis pinxit anno Urbis cond.
CCCCL, quae pictura duravit ad nostram memoriam aede ea Claudii prineipatu exusta.

u ) Ebenda 120: . . . Cornelius Pinus et Attius Priscus, qui Honoris et Virtutis
aedes Imperatori Vespasiano Augusto restituenti pinxerunt.

— 61 —

auf die Wand gemalten Darstellungen mythologischen oder historischen Inhalts
besonderen Studiums für wert erachtet ‘ ■) und erst in zweiter Linie der rein
ornamentalen Ausmalung der Atrien, Peristyle und Gemächer seine Auf-
merksamkeit zugewendet.

Beschrieben wird die Dekoratiousweise von Vitruv VII, 5. „Die Alten»,
sagt er. hätten in den Wandgemälden stets getreue Nachbildungen von wirk-
lichen Dingen gegeben. „Daher haben sie zuerst die wechselnden Bogen der
marmornen Belegplatten nachgeahmt, dann die Gesimse und die versohiedenförmig
miteinander abwechselnden ockergelben (und mennigroten) Felder. Darauf mach-
ten sie den Portschritt, dass sie sich Gebäude und Säulen, wie hochragende und
weitausladende Giebel, in ihren Wandgemälden nachahmten, in offenen Räumen
aber, wie in den Exedren, die Ansicht eines tragischen oder komischen oder
Satyrspielbülmenhintergrundes malten, Gänge aber wegen ihrer ausgedehnten
Länge mit Landschaften schmückten, indem sie in den Gemälden die wirklichen
Eigentümlichkeiten der verschiedenen Plätze wiedergaben — denn es finden sich
Häfen, Vorgebirge, Küsten, Flüsse, Quellen, Meerengen, Heiligtümer, Haine.
Berge, Schafherden, Hirten dargestellt — , an einigen Orten ferner Gruppen-
bilder malten, welche die Bildnisse von Göttern oder mythischen Szenen, wohl
auch die Kämpfe vor Troja oder die Irrfahrten des Ulysses mit landschaft-
lichem Hintergrunde darstellten, und anderes, was auf ähnliehe Weise natur-
getreu gegeben ist. 1 ‘ 16 )

Beim Anblick der Friese im Hause der Livia auf dem Palatin (Tri-
clinium rechts) wird man durch den Augenschein bestätigt finden, was Plinius
(XXXV, 116 ff.) mit sichtlichem Wohlgefallen von der reizvollen Wanddekoration
rühmt, die Ludius (oder Studius, der Name ist ungewiss i zur Zeit des
Augustus aufgebracht hatte: die malerische Schilderung von „Villen mit
Säulenhallen, Lustgärten und Parkanlagen, Hügeln, Fischteichen, Flüssen und
felsigen Gestaden und darauf eine mannigfache Staffage von Leuten, die lust-
wandeln oder umhergehen, sich auf dem Rücken von Trägern oder Trägerinnen
über seichte Stellen tragen lassen, auf Eseln oder zu Wagen nach den Land-
häusern ziehen, mit Fisch- oder Vogelfang sich beschäftigen oder als Winzer
an den Weinstöcken zu tun haben.» Wahrhaft erstaunen muss man über die
äusserst lebensvollen Darstellungen von Gerichtsszenen mit den kaum spann-
grossen Figuren, welche das schwarze Zimmer der römischen Villa aus
den farnesinischen Gärten (Thermen -Museum zu Rom) friesartig umsäumt,
und kaum zu überbieten sind die erst vor wenigen Jahren den Blicken
wiedergegebenen Kinderfriese und die anderen herrlichen Dekorationen im
schönsten aller bisher ausgegrabenen Häuser von Pompeji, in der C a s a der
V e 1 1 i i.

Aber nicht allein in Pompeji, Rom und anderen Orten Italiens bietet
sich uns Gelegenheit, die verschiedenen Arten der antiken Wanddekoration
kennen zu lernen: in neuerer Zeit wurden viel ältere Beispiele griechischer
Wandmalerei aufgedeckt, so die Malereien im „Palast des Minos» auf Kreta
und die gleichfalls neu ausgegrabenen in Orchomenos, die Zeitungsnotizen zu-
folge ganz ähnlichen Charakters sein sollen. Hier wären noch die Aus-
grabungen in Nordafrika an der Stelle des alten Karthago, des „tunesischen
Pompeji», zu erwähnen und Malereien aus Solunto in Sizilien, die gewiss viel
älter sind als die von Pompeji und Rom. Wenn einmal diese vielen
neuen Funde so überblickt werden können, dass es möglich wird, den Zu-
sammenhang unter ihnen festzustellen, dann wird sich auch zeigen, dass die
Art, Wandflächen der Wohnräume und öffentlichen Bauten malerisch zu
schmücken, die in den Städten Italiens und überall verbreitet war, wohin die
Herrschaft des kaiserlichen Rom reichte, griechischen Ursprungs gewesen und

Vitruv
über Wand-
dekoration.

Aeltere Bei-
spiele griechi-
scher Wand-
malerei.

15 ) S. Heibig. Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens,
Leipzig 1869.

t6 ) Uebersetzung von Reber, des Vitruvius Zehn Bücher über Architektur,
Stuttgart 1865.

— 62 –

entweder direkt 17 ) oder auf dem Umwege über Alexandria, das Zentrum der
hellenistischen Kultur, nach Italien gekommen ist.

Viel weniger sicher als diese Erkenntnis ist das Urteil über die Technik,
deren die alten Maler sich bedient haben, obwohl von dem Tage an, da
die ersten vereinzelten Reste antiker Wandmalerei auf glattem Stuck , wie
die Grottesken in den Thermen des Titus (zu Raphaels Zeit) ihrem Grabe
entrissen, den staunenden Blicken der Beschauer sich zeigten, ausübende
Künstler, Maler wie Architekten, sich mit der Frage beschäftigt haben:
Wie sind diese Gemälde gemacht worden? Wie haben die Künstler ge-
arbeitet? Mit welchen Materialien, welchen Instrumenten, in welcher
Reihenfolge der Manipulationen, um die Vollendung zu erreichen, die noch
jetzt nach Jahrhunderten als erster Eindruck sich aufdrängt?

17 ) Die ältesten in Italien gefundenen Wandgemälde sind die im archaischen
Stil gehaltenen von Caere (jetzt Cervetri) und Veji (etwa 500 v. Ch.t. Es folgen dann
die Malereien der Grabkammern in den Nekropolen von Tarquinii (Corneto), Glusium
(Chiusi), Vulci und Orvieto.

— 63 —

II. Der Meinungsstreit über die Technik der antiken «Wandmalerei.

1. Aeltere Ansichten.

Diese Technik zu ergründen, genügte auch für den schärfsten Blick

des geübten Praktikers der blosse Augenschein nicht. Man konnte nur

Vermutungen aussprechen und mit einschlägigem Quellenmaterial aus den

alten Autoren zu Hilfe kommen. Die durch die Ausgrabungen bekannt

gewordenen antiken Malereien sahen so ganz anders aus als alles, was

man selbst in der Art leistete oder von Arbeiten der letztvergangenen

Jahrhunderte zu sehen gewohnt war; die leichte, flotte Behandlung und die

Solidität der Arbeit, die in der wunderbaren Erhaltung sich zeigte, wiesen auf

eine seitdem verloren gegangene Technik hin, die durch vielfältige Erfahrung

erprobt und ausgebildet sein musste.

Als anfangs des XVI. Jahrhunderts die sogenannten Thermen des Titus Dj e technische
° B I’ rage zu Ra-

am esquilinischen Hügel zugänglich gemacht und die Malereien an deren phaels Zeit

Wänden und Gewölben bekannt wurden, waren es vor allem der ausser-
ordentliche Reichtum der Formen und der wunderbare Geschmack der An-
ordnung, welche nach Vasaris Berichten Raphael und Giovanni da Udine
begeisterten und zu deren Nachahmung (in den vatikanischen Loggien, der
Villa Madama u. a.) veranlassten. Um eine der antiken möglichst ähnliche
Erscheinung hervorzurufen , widmete man der Zusammensetzung des Stucco
grosse Sorgfalt, während man die Malerei zwischen den Reliefs und plastisch
verzierten Leisten, Simsen, Archivolten u. s. w. in der damals üblichen
Weise ausführte. 1 ) Nun war die Preskotechnik als die haltbarste Art der

x ) Vasari erzählt, wie Giovanni da Udine und Raphael sich dem Studium
der Grottesken mit grossem Eifer hingaben. Im Leben des Giovanni da Udine (Va-
sari, T. III. p. 43 Edit. Roma 1750.) heisst es:

„Giovanni begnügte sich nicht damit, dieselben ein- oder zweimal zu zeichnen
„und abzumalen; wenn es ihm auch gelang, dieselben mit Leichtigkeit und Ge-
schmack nachzuahmen , so fehlte ihm doch die Kenntnis der Ausführungsart des
„Stuckes, auf welchem die Grotesken gearbeitet waren. Und obschon gar Viele
„vor ihm darüber nachgegrübelt hatten, ohne anderes gefunden zu haben, als die
„Manier, den Stuck in heissem Zustande mit Gips, Kalk, griechischem Pech, Wachs
„und gestossenem Ziegel (gesso, calcina, pece greca, cera e matton pesto) zu be-
reiten und darauf zu vergolden, so hatten sie doch nicht die wahre Methode ge-
bunden, den Stuck dem in jenen Gewölben und ausgegrabenen Räumen gleich zu
„machen. Aber als man nachher in S. Pietro die Bogen und die Tribuna dahinter
„(wie es im Leben des Bramante gesagt wurde) aus Kalk und Pozzuolanerde
„fertigte, indem man in Erdformen (wohl gebrannte Tonform) alle Vertiefungen
„des Blattwerkes, der Eierstäbe und anderer Teile goss, fasste Giovanni diese Manier
„mit Kalk und Pozzuolanerde (calcina e pozzolana) ins Auge und versuchte, ob es
„gelingen werde, Figuren in Halbrelief zu bilden und alle anderen Partien in gleicher
„Weise auszuführen; nur der letzte Ueberzug liess sich nicht mit gleicher Weichheit
„und Feinheit herstellen und war auch nicht so weiss, wie die Antiken es zeigten;
„deshalb dachte er, dass es nötig sei, dem aus weissem Travertin (gebrannten)
„Kalk an Stelle der Pozzuolanerde etwas beizumischen, was von weisser Farbe
„war. Nachdem er verschiedene andere Dinge versucht hatte, liess er Abfälle von
„Travertin stossen und fand, dass sie sich sehr gut bearbeiten liesseu, aber immerhin

— 64 –

Wandbemalung bekannt; und so folgerte Vasari, dass auch die römischen
„Grottesken» in dieser Technik ausgeführt sein müssten, 2 ) denn Tem-
pera, d. h. Malerei mit Bindemitteln wie Eigelb, Leim oder .Gummi,
womit die Alten ihre Staffeleibilder auf Holztafeln malten, konnte es nicht
sein; mit dieser Technik war man von jeher wohlvertraut. Gegen das damals
gebräuchliche Fresko schienen allerdings die Glätte und der Glanz der Ober-
fläche, die Leuchtkraft und tiefe Sättigung der Farben, der geschmeidige und
stellenweise pastose Farbenauftrag zu sprechen; deshalb wurden schon früh-
zeitig Stimmen gegen die Freskotheorie laut (s. Cespedes, Kommentar zu
Vitruv), und da die alten Schriftsteller von der Enkaustik, d. h. einer Ma-
lerei mit eingebrannten Wachsfarben, Kunde geben, so glaubten manche, jene
nicht mehr gebräuchliche Technik der Wandmalerei müsste mit der gleichfalls
verloren gegangenen Enkaustik identisch sein, umsomehr als an der En-
kaustik vornehmlich die Dauerhaftigkeit gerühmt wurde, und diese ausgezeich-
nete Eigenschaft gerade an den ausgegrabenen Stuckmalereien in hervor-
ragender Weise sich zeigten.
Fresko odnr g unberechtigt dieser Schluss auch ist, man konnte ihn um so argloser

machen, je weniger man von dem wahren Wesen der enkaustischen Technik
eine klare Vorstellung hatte. Aber ebenso unberechtigt ist der andere Schluss,
nur die Freskotechnik könne in Betracht kommen, weil sie als die einzig
bekannte Art von wasserfester Malerei auf Wandflächen vom Altertum dem
Mittelalter vererbt worden sei und, wie zweifellos auch die antike Wand-
malerei, mit dem Pinsel ausgeführt werde, während die Enkaustik niemals
Pinseltechnik gewesen sei. 3 )

Diese Annahme hat lange Zeit geherrscht, und man kann sagen , dass
wir bis heute nicht viel weiter gekommen sind. Auch wurde immer an der
Behauptung festgehalten , dass nur Freskomalereien ein fast zweitausend-
jähriges Verweilen in feuchter Erde ertragen könnten, so dass die am nächsten
liegende Frage übersehen wurde, nämlich ob nicht ausser der Freskotechnik
noch eine oder mehrere andere Techniken sich nachweisen lassen, die auf
Wandstuck angewandt werden konnten.

In eingehender Weise ist die „Freskofrage» behandelt worden in dem
ersten von der Academia Ercolanese herausgegebenen Bande über die antiken
Gemälde von Herculanum und dessen Umgebung. 4 ) Carcani, der Verfasser

„war die Arbeit fleckig und nicht weiss, auch rauh und körnig. Aber schliesslich
„liess er Abfälle vom allerweissesten Marmor, den man auftreiben konnte, stossen,
„machte ganz feines Pulver davon, siebte es durch, mischte dieses dem Kalk (von
„weissem Travertin) bei und fand so, wenn es genau gemacht wird, zweifelsohne
„den wirklichen antiken Stuck in allen seinen Teilen, wie er es gewünscht hatte.»
Mit diesem so bereiteten Stuck wurden dann die Loggien für Lee X. gemacht.
(Vasari erwähnt nicht, in welcher Weise darauf gemalt wurde). Nachdem die Loggia,
das gepriesenste Werk des Giovanni, vollendet war, hätte Raphael, der auch die reiz-
vollen Pilasterfüllungen ersonnen, so geht die Sage, die Bäder des Titus wieder zu-
schütten lassen, damit die Nachwelt nicht Vergleiche mit dem Vorbilde anstellen
könnte. Heute ist allerdings von den Malereien in den Titusthermen wenig mehr zu
sehen, aber es will mir scheinen, als ob der Rauch der Wachsfackeln, welche Jahr-
hunderte hindurch den Besuchern zur Beleuchtung dienten, die Decken geschwärzt
und im Verein mit der durchsickernden Feuchtigkeit die Malerei unscheinbar gemacht
hat. Die prächtigen Stiche von Ponce zeigen, dass es früher anders gewesen
sein muss.

*) Vasari in der Introduzione zu seinen Vite, Kap. 19 und 27.

3 ) Wiegmann, Mal. d. Alten, p. 62 folgert so, nachdem er die alten Malereien
in ..wasserfeste» und „schutzbedürftige» eingeteilt hat: „Darnach müssen wir alle
Wandmalereien, welche, obgleich dem Wetter ausgesetzt, sich dennoch gehalten haben,
für echte Fresken- und alle Tafelmalereien und Anstriche, welche nicht a fresco sind,
aber dennoch durch Nässe nicht verlöscht worden sind, für enkaustische oder Wachs-
malereien halten. Dagegen würden die leicht verlöschlichen Wandmalereien sowohl,
wie Tafelbilder immer der Temperamalerei angehören.»

„Darnach können wir auch a priori urteilen, dass zu dauerhaften Wand-
malereien die Alten die Freskomalerei, — zu dauerhaften Malereien und Anstrichen
an Dingen, welche die Freskomalerei nicht zuliessen, die Enkaustik gewählt haben
werden.»

4 ) Pitture antiebe d’Ercolano e contorni, Napoli 1757, T. I, p. 273 ff.

— 65 —

des darin enthaltenen Artikels „alcime osservationi», kommt zu dem Schluss.
dass „alle Malereien in dem künigl. Museum zu Portioi, einige ganz un-
bedeutende ausgenommen, die man für Freskobilder halten könne, a tempera
ausgeführt seien, und stützt seine Behauptung darauf:

1. dass die Pinselstriche anderer Natur seien, als »las Wesen der Fresko-
malerei zulasse ;

2. dass Abblätterungen der übereinanderliegenden Farbensohichten, wie sie
sich infolge der Einwirkungen der Zeit und der Feuohtigkeit an jenen Malereien
vielfach zeigten, in der Freskomalerei nicht möglich seien, bei der der nasse
Kalk die Farben derart anziehe, dass sie sich mit ihm gleichsam zu einem
einzigen Körper verbinden und nur durch die Zerstörung des Bewurfes davon
zu trennen seien; und

3. dass man alle Farben ohne Unterschied angewendet sähe, auch
solche, welche sich mit dem nassen Kalke nicht vertragen und deshalb von
der Freskomalerei ausgeschlossen seien.

Es sei hier gleich erwähnt, dass auf diese drei Punkte von fast allen
Altertumsforschern das grösste Gewicht gelegt worden ist, und dass diese
drei Behauptungen erst widerlegt werden müssen, wenn eine andere An-
sicht zur Geltung gelangen soll. So dreht sich der Streit, ob die Alten
a fresco, d. h. mit Wasserfarben auf die nasse Kalkwand, gemalt haben, immer
um den Punkt, ob die pompejanischen und herkulaneischen Malereien reine
Fresken sind oder nicht. 5 )

Winckelmann, der Begründer der archäologischen Wissenschaft, schloss Wlnokelmann.
sich anfangs in einem Briefe aus Portici (11. März 1758) an Raphael
Mengs und iu seinem in Rom (Juli 17&2) veröffentlichten „Sendschreiben
an den Grafen Brühl» der Ansicht Carcanis an; 6 ) aber 20 Jahre später be-
gann er an deren Richtigkeit zu zweifeln: er wendet dagegen ein, „man könne
derart dick aufgesetzte Farben, dass sie von der Seite beleuchtet einen
Schatten werfen , sowie das Abblättern einzelner Farbenschichten auch an
den Fresken Raphaels in den Stanzen bemerken ; er verlangt bessere Be-
weise als nur das Machtwort des königlichen Baumeisters Luigi Vanvitelli,
auf welches sich die Herren der Akademie in solchen Dingen verliessen, weil
er in seiner Jugend einmal den Pinsel geführt habe, und bedauert, dass
man, wie er gewiss wisse, keine chemischon Untersuchungen an den Bildern »
angestellt habe, die jetzt durch den Firnis, womit man sie überzogen habe,
unmöglich geworden seien. Uebrigens wolle er nicht in Abrede stellen, dass
nicht auch Temperamalereien sich erhalten könnten, und fügt dann noch
hinzu : Die Erhaltung (der Bilder) hänge von der trefflicheren und sorgfältigeren
Bereitung des Mauerbewurfes ab.» 7 )

Mit dieser Erklärung hat Winckelmann einen der wesentlichsten Unter-
schiede zwischen der Freskotechnik seiner Zeit und der Stuckmalerei des
Altertums berührt, denn in der Tat ist der Glanz und die Glätte des antiken
Stucco eine Folge seiner kunstvolleren Herstellung.

In unzweideutiger Weise hat auch der als ausgezeichneter Techniker RaphaeiMeDgs.
bekannte Maler Raphael Mengs in einem von Rom 1773 datierten Briefe
seine Ansicht, dass jene antiken Malereien wirkliche Fresken seien, aus-
gesprochen, 8 ) ohne aber besonderen Einfluss auf die Entscheidung der Frage
auszuüben, denn schon vor der Herausgabe der Mengsschen Werke war

5 ) Ein klares Bild dieses Streites findet sich in dem Werke von 0. Donner
(Die erhaltenen antiken Wandgemälde in technischer Beziehung. Einleitung zu Heibig.
Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens: Sonderabdruck
Leipzig 1869) und in J. J. Hittorff (Restitution du temple d’Empedocle ä Selinunt,
Paris 1851), welche beide sich die Mühe gegeben haben, die verschiedenen Ansichten
gegeneinander zu halten oder zu registrieren. Die hier folgende Darstellung schliesst
sich in der Hauptsache an Donners Ausführungen an.

6 ) Winckelmanns Werke von Fernow. T. II, p. 44.

7 ) Winckelmann, Storia delle arti del disegno etc. Ediz. C. Fea (Rom 1784).
T. III, p. 217.

8 ) Opere di Ant. Raff. Mengs, Ediz. Carlo Fea (Rom 1787). p. 395.

— 66 —

eine Schrift des Abbate Vincenzo Requeno „Saggi sul ristabilimento dell’
antica arte» (Napoli 1784, 2. Ed. Parma 1787) erschienen, worin auf die
gänzlich verloren gegangene Technik der enkaustischen Malerei- der Alten
wieder aufmerksam gemacht und die Ansicht ausführlich begründet wurde,
dass in den alten Wandmalereien nur die farbigen Gründe a fresco , die
Ornamente und Bilder aber enkaustisch (mit Wachs?) oder a tempera auf
den getrockneten Grund gemalt seien. Diese Ansicht scheint so viel Beifall
gefunden zu haben, dass sogar Carlo Pea, der Freund von Mengs, meint:
„Es irrten doch wohl jene nicht, die mit Abbate Requeno jene Malereien
für enkaustisch hielten.» 9 ) Das Aufsehen, welches die bedeutsame Schrift
des Abbate Requeno unter den damaligen Altertumsforschern und Kunst-
freunden hervorgerufen hatte, wirkte noch viele Jahrzehnte nach, und
selbst die von dem französischen Chemiker Chaptal 1809 veröffentlichten
Analysen von in Pompeji in Töpfchen aufgefundenen Farben und die
nicht misszuverstehenden chemischen Analysen von Humphry Davy i. J. 1815,
welche die Abwesenheit von Wachs sowohl in den untersuchten Farben als
auch in den Malereien selbst feststellten, vermochten die bei Vielen fest-
gewurzelte Ansicht, dass doch wenigstens ein Teil der erhaltenen antiken
Gemälde „all’ encausto» ausgeführt sei, nicht ganz auszurotten.

In der schon (p. 59) erwähnten Kontroverse zwischen Raoul-Rochette
und Let rönne trat der letztere 1835 in den „Lettres d’un antiquaire ä un
artiste» auf die Seite der Freskogegner: es sei kaum ein erwiesenes Fresko-
gemälde (un exemple constate’ de la fresque) oder dies nur als seltene Aus-
nahme aus dem Altertum auf uns gekommen; „höchstens seien die farbigen
Gründe und auch diese nicht immer, nie aber die Ornamente und Bilder
a fresco behandelt, sondern diese entweder in Temperafarben oder enkaustisch
auf die getrockneten Wände aufgesetzt worden/’ Wir sehen hier wieder
die von Carcani aufgestellten Punkte adoptiert und sogar Requeno’s mit Re-
serve geäusserte Ansicht noch erweitert und aufs hartnäckigste verteidigt.
Enkaustikauf Unter solchen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, wenn die

Maliern

Anhänger der „Enkaustik auf Mauern» in dem Streite die Oberhand gewannen,
und die Versuche von Künstlern und Architekten , eine solche Technik
wieder praktisch anzuwenden, allseitig gefördert wurden, umsomehr als die
Frage der Polychromie der antiken Architektur und Skulptur, die damit in
untrennbarer Verbindung stand, hinzukam und in Hittorff wie in Semper
ausserordentlich gewandte Verfechter fand. 10 ) Diese Verquickung völlig von
einander zu trennender Dinge, nämlich der antiken Wandmalerei und der antiken
Enkaustik, beherrscht während der folgenden Periode die Litteratur über diesen
Gegenstand und die dadurch hervorgerufenen mannigfachen Bemühungen,
die pompejanische Technik durch Erfindung verschiedener Verfahren zu er-
neuern, wie der Wachsmalerei von Montabert in Paris, von F. X. Fernbach
in München, der Harz- und Balsammalerei von Knirim, und schliesslich
der Wasserglasmalerei oder Stereochromie von Fuchs und Schlot tau er,
worüber in dem Abschnitt über die Rekonstruktionsversuche das Nähere zu
finden ist.

Neben diesen beiden Parteien gab es als dritte auch wieder Ver-
teidiger der älteren Ansicht, dass der Tempera ein grösseres Feld in
der antiken Wandmalerei einzuräumen sei, weil man vielfach die Beobachtung
an Wandresten gemacht hatte, dass die oberen Farbenschichten sich wegwaschen
Hessen, während die Grundfarbe fest blieb. So sagt Hirt: 11 ) „Auf den nassen
Anwurf der Wände — al fresco — malten die Alten nicht; wohl aber über-
tünchten sie den noch frischen Anwurf mit einer beliebigen Farbe und malten
dann erst die Gegenstände auf einen solchen farbigen Grund mit Leimfarben.
Auf diese Weise sind alle antiken Mauergemälde, welche auf uns gekommen

9 ) S. Donner, a. a. 0., p. 5.

10 j Vgl. den Abschnitt über d. Rekonstruktionsversuche d. Enkaustik (Anhang III).

11 ) Hirt, Geschichte der bild. Künste bei den Alten. Berlin 1833, p. 162.

— 67 —

sind, gemacht.» Und K. 0. Müller sagt noch kürzer: „In Herkulanum ist
gewöhnlich die Grundfarbe a fresco, die übrigen a tempera.» ‘-)

So wogte der Kampf zwischen Gegnern und Freunden der BYeskotheorie
hin und her; Archäologen, Architekten und Chemiker aus Italien, Frank-
reich, Deutschland und England hatten sich mit grösstem Eifer daran be-
teiligt, ohne die Frage zu einer Entscheidung zu bringen, bis 1836 der
Architekt R. Wiegmann in seiner Schrift „Die Malerei der Alten» 1 ‘) mit Wiegmann’a
neuen Beweisen zu Gunsten der Freskoanhänger auftrat. Während die
früheren Gelehrten ihre Meinung nur mit Vermutungen und der Abwägung
einzelner Momente begründet hatten, stellte Wiegmann zuerst sichere An-
haltspunkte fest. Er hat zuerst nachgewiesen:

1. dass an antiken Wänden, wenn ihre Oberfläche gross ist oder reich
verziert, der letzte Stucküberzug nicht mit einem Male über die ganze
Wand ausgebreitet worden ist, sondern dass nach Massgabe der Einteilung
der Felder der Stuck sich angesetzt zeigt, und dass ausserdem noch die
Bilder, welche sich innerhalb der Felder befinden, ebenfalls von einer Ansatz-
fuge umgeben sind (p. 37) ;

2. dass auf dem noch frischen Stuck mit einem Griffel eingedrückte Um-
risse, Einteilungen und Hilfslinien, die nicht immer durch die Malerei verdeckt
wurden, zu bemerken sind (p. 39) ;

3. dass die auffallende Dicke der antiken Stuckschichten bezwecken
sollte, ein viel längeres Malen auf dem Frischen zu gestatten, als wenn die
Bewurfschicht nur dünn aufgetragen ist (p. 44).

Für die ersten beiden Punkte brachte Wiegmann den Nachweis durch
bestimmte Bezeichnung der Plätze, wo derartige deutlich sichtbare Ansatz-
fugen oder eingedrückte Umrisse oder Hilfslinien in den Häusern und Tempeln
von Pompeji zu finden sind, und was den dritten Punkt betrifft, so hat er in
seinen Versuchen die Vorschriften Vitruvs zur Herstellung des opus tectorium
wohl zum ersten Male auf richtiger Basis wieder befolgt (s. Anhang III:
Frühere Rekonstruktionsversuche).

Ganz neu ist aber die von Wiegmann ausgesprochene Ansicht, dass de r i Glanz und
Glanz und die Glätte des antiken Stucks eine Folge der kry stallinischen derkrystaUim-
Kalkhaut ist, die sich an der Oberfläche des Bewurfes bilde, und dass dieser 80h j£ u f* ,k »
krystallinische , aus Kalkkarbonat bestehende Ueberzug nicht so sehr zur
Bindung der Farben — denn dazu reiche weniges hin – als vielmehr zur Er-
zeugung eines glänzenden, glasähnlichen Firnisses diene (p. 44). Des-
halb verlangten Plinius (XXXVI, 176) und Vitruv (VII, 3 u. 7) die 5 bis 6
Schichten übereinander, deren Zweck, kein anderer sei, als der: „eine möglichst
starke Masse auf der Wand zu haben, die durch und durch noch einiger-
massen feucht und dennoch dem Reissen nicht unterworfen sei» ; die durch-
gängige Feuchtigkeit bewirke „auf der äussersten geglätteten Oberfläche einen
schönen firnisartigen Kry stallisationsüberzug, welcher nicht allein der
Wand ein glänzendes Ansehen verschafft, sondern auch die Farben bindet,
so dass sie selbst beim Waschen nicht ablassen» (p. 175).

Wenn Wiegmann in diesem Punkte Recht hätte und tatsächlich ein
„glänzender und durchsichtiger» (auf diese doppelte Eigenschaft ist das Ge-
wicht zu legen) Ueberzug von kohlensaurem Kalk sich auf der Oberfläche
bildete, dann wäre ihm wohl die Lösung der Frage gelungen. Es wird
aber in der Folge gezeigt werden, dass Wiegmann sich geirrt hat, denn selbst,
wenn die Stuckoberfläche im Nassen schon geglättet war, müsste doch (nach
Wiegmanns eigenen Anweisungen) noch die Malerei daraufgesetzt werden,
wobei die Pinselstriche unter allen Umständen die vorhandene Glätte ver-
dorben haben würden. Malerei mit Kalkfarben wird aber, wie jeder weiss, der
mit solchen auf der Wandfläche gearbeitet hat, immer matt auftrocknen,

,2 ) K. 0. Müller, Handbuch der Archäologie der Kunst (Berlin 1835), § 319, 5.

,3 ) R. Wiegmann, Die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik,
insbesondere der Dekorationsmalerei. Nebst einer Vorrede vom Hofrate K. 0. Müller
in Göttingen. Hannover 1836.

5*

— 68 —

selbst wenn die Kalkfarbe so dick ist, dass sie (wie der reine Kalk im ge-
trockneten Zustande) Sprünge bekommt. Die feine Krystallhaut , welche
das Charakteristische des Fresko und die Hauplursache der Dauerhaftigkeit
ist, bildet sich an der Oberfläche bereits nach kürzester Zeit; in der trockenen
Luft Gampaniens sicherlich viel schneller als im Norden bei Feuchtigkeit.
Dies hat Wiegmann bei seinen Versuchen sehr störend gefunden und deshalb
(p. 199) die sich bildende Kalkhaut künstlich durch Ueberstreichen mit ver-
dünnter Schwefelsäure zu zerstören empfohlen I
Wiegmann’8 Ueber die von Wiegmann angestellten Versuche und seine Erfahrungen

V firsuc hö mit

Leimfarben, bei Bereitung des antiken Stucks wird im weiteren Verlauf dieser Abhandlung
noch zu reden sein. Sehr interessant ist es aber aus seinen Berichten
zu ersehen, dass er schliesslich selbst an der Uebereinstimmung der von ihm
gewonnenen Resultate mit dem antiken Verfahren zweifelte und in Anbetracht
der Vorschrift bei Vitruv (VII, 10) und ebenso bei Plinius (XXXV, 43), wonach
das Russchwarz mit Leim angemacht von den Stuckarbeitern verwendet wurde,
Versuche mit geleimten Farben auf dem nassen Stuck gemacht hat. Seite 206
sagt er:

„Der Erfolg war höchst überraschend, denn ausserdem, dass manche
Farben, wie Caput mortuum, Kobalt etc. weit besser und alle Farben länger
anzogen , erhielt auch die ganze Malerei ein zarteres Aussehen. Die Be-
handlung bekam etwas weit flüssigeres, als mit blossem Wasser und Kalk-
farben und kam der auf der aldobrandinischen Hochzeit so auffallend nahe,
dass ich keinen Augenblick zweifle, dass dieses Bild mit Leimfarben auf dem
frischen Stuck gemalt ist.» Besonders empfehlenswert scheint Wiegmann der
Zusatz von Leim zum Schwarz, weil dies sonst gern ein taubes und totes
Ansehen annehme. Daher verdiene die chinesische schwarze Tusche wegen
ihrer Feinheit und das darin enthaltene Bindemittels den Vorzug. „Die damit
behandelten Flächen nehmen von selbst einen schönen Halbglanz an, während
bei den gewöhnlichen Schwärzen, und vollends, wenn sie ohne Leim sind,
nur eine mühsame Bearbeitung die rauhe Fläche zu beseitigen vermag.»

Der „schöne firnisartige Krystallisationsüberzug» , der sich von selbst
bildet, war also doch nur eine Hypothese! 14 )

Betreffs des Ganosis (Kausis) genannten Verfahrens der Alten, wonach die
Wände nach deren Fertigstellung mit Punischem Wachs überzogen, dann er-
wärmt und schliesslich mittels Leinenlappen abgerieben und glänzend frottiert
wurden, 15 ) glaubt Wiegmann (p. 170), dass „die Kausis nur auf Freskotünchen
u. zw. nur beim Zinnober gebräuchlich war».

Im gleichen Jahre wie Wiegmann’s Buch erschien auch die Abhandlung
von Joh. Fried. John „Die Malerei der Alten» (Berlin 1836), worin bei
der Erwähnung der chemischen Analysen die Ansicht ausgesprochen wird:
Die pompejanische Malerei sei a fresco ausgeführt, wenigstens könne dazu
kein Wachs gedient haben, wie die an einem Stück roten Teotorium an-
gestellten Versuche bewiesen hätten (p. 155). Uebrigens steht John auch
noch auf dem Standpunkt, die Enkaustik auf Wänden dennoch für eine antike
Methode zu halten, denn er sagt p. 157: „Die dritte Art der Alten auf
Wänden zu malen ist die Enkaustik», wobei er die Ganosis (Kausis) meint

14 ) Ueber die unter Wiegmanns Anleitung im Hause des hannoverschen Le-
gationsrats Kestner in Rom ausgeführten Fresken, welche die pompejanische Technik
rekonstruiert zeigen sollten, liess sich Hittorff von dem damaligen (1849) Direktor
der franz. Akademie in Rom, M. Alaux und einigen preisgekrönten Pensionären ein
Gutachten abgeben; es lautet: Der erste Anblick erinnert keineswegs an die
Malereien in Pompeji; die Farben des Grundes sind sehr viel matter; dann: „les
figures comme execution ressemblent assez aux figures antiques ; cependant dans les
nus, les couleurs ne paraisseut pas avoir acquis le merae degre d’adhörence au fond ;
dans plusieurs endroits oü lo frottement d’un meuble les a endommagees , elles se
sont ecaillees, et le fond reparalt entierement». Weitere Punkte beziehen sich auf
die technische Ausführung, welche „indique un emploi difficile des couleurs, au lieu
de la grande facilite d’ex&cution qui caracterise les peintures de Pompei».

15 ) Vitruv VII, 9. – Plin. XXXIII, 122.

— 69 —

(Anmerkung – 232) und hinzufügt: „Die erste Art der Wandmalerei ist nach Yitruv
Fresko, welches in vielen Fällen die Grundlage für Malerei mit Bindemittel

und für Enkaustik (I) war».

Nach John beschäftigte sich Leo v. K lenze in seinen „Aphoristischen
Bemerkungen auf einer Reise nach Griechenland» (Berlin 1838) mit der Frage,
wobei er den besser ausgeführten pompejanischen Bildern wieder die Ehre
abspricht, Fresken zu sein, diese Technik mir auf einfache Anstriche und
wenige Ornamente beschränkt wissen will und auf die Enkaustik als die
Technik der „feiner und anmutiger behandelten Bilder in Pompeji» zurück-
kommt.

Dagegen räumt Kugler in seiner „Kunstgeschichte» (Stuttgart 1H4i^i
der Freskomalerei wieder den Hauptplatz auf den pompejanischen Wänden
ein, der Tempera -Malerei aber nur einen sehr untergeordneten, allerdings
ohne seinen Ausspruch zu begründen. » ; )

Als letztes Werk dieser Reihe ist J. Overbecks „Pompeji» (II. Auflage,
Leipzig 1866) 17 ) zu erwähnen, der unter Mitteilung eigener Beobachtungen
„die Frage als eine noch offene behandelt» und mit dem Hinweis auf
K. 0. Müllers Ansicht die Meinung ausspricht, dass ,, höchstens nur eines
oder das andere der grösseren Bilder inmitten der Wandfläohen der Fresko-
technik angehöre , die Wandflächen selbst aber ohne Ausnahme a fresco ge-
färbt seien, und dass auf diese die meisten Malereien a tempera mit verschiedenen
Bindemitteln aufgesetzt worden wären».

Von Interesse sind auch noch die Aeusserungen von Peter Cornelius,
der die pompejanischen Wandmalereien zwar nur kurze Zeit sah, aber, wie
wir sogleich bemerken, mit jenem sicheren, praktischen Blick, der rasch
den rechten Punkt zu treffen weiss. Besonders auffallend war ihm „ein eigen-
tümlicher, leichter und angenehmer Schimmer, ähnlich dem Fett-
glanz der menschlichen Haut, wie wir ihn weder mit blossen Leimfarben,
noch auch mit unBern Kalkwasserfarben auf nassem Kalkbewurf hervorzubringen
imstande wären». Er vermutete daher ein anderes Farbenbindemittel als
Kalk- oder Leimwasser. Dass es jedoch auch ein schnelltrocknendes gewesen
sei, schien ihm besonders daraus hervorzugehen, dass die Farben nicht in-
einander vertrieben und die Schatten, fast wie bei bedruckten Tapeten, meist
durch Strichelung und Uebereinanderlegung der Töne bewirkt sind. Was
das Malen mit Kalkwasserfarben auf Marmorstuck betreffe (Wiegmann’s Re-
konstruktion), so sei dies, wie er aus eigenen Versuchen wisse, äusserst
schwierig und mühsam, und nur für kleinere Werke, wie etwa die Rundbilder
an den Wänden von Pompeji und die dortigen Dekorationsmalereien, ge-
eignet; die Farbe erstarre im Pinsel in dem Augenblick des Auftrages der-
selben (?), eine Erfahrung, die dem gestrichelten Wesen, zumal in den Fleisch-
partien jener Malereien, allerdings nicht entgegen sei. Aber es liessen sich
auf diese Weise nur kleinere Gemälde mit einer gewissen Vollendung aus-
führen, indem es schon zu den allerschwersten Aufgaben gehöre, mit Kalk-
wasserfarben auf blossem Kalkgrund, der noch lange nicht so heiss ist, als
Marmorstuckgrund, grosse Massen Fleischpartien so zu malen, dass sie ein
in sich verschmolzenes Ganzes bildeten und nichts Gestricheltes zeigten (s.
Marggraff, Münchener Jahrbücher f. bild. Kunst, III. Heft, Leipzig 1840,
p. 235 Note).

2. Der gegenwärtige Stand der Frage.

Zu einem vorläufigen Stillstand kam dieses Suchen, als der jetzt in
Frankfurt lebende Maler 0. Donner eine Abhandlung über „die erhaltenen
antiken Wandmalereien in technischer Beziehung» als Einleitung zu Wolf-

16 ) F. Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. II. Aufl. mit Zusätzen von Dr.
Jac Burkhardt (Stuttg. 1848), p. 241. . .. …

») Die erste Auflage dieses Werkes: Pompeji in seinen Gebäuden, Altertumein
und Kunstwerken für Kunst- und Altertu.nsfreuude, dargestellt von Dr. JU ver-
beck (Leipzig 1856), war erschienen, bevor der Verfasser Pompeji selbst besucht hatte.

Peter Corne-
lius über an-
tike Wand-
malerei.

Der gegenwär-
tig Stand der
Frage.

— 70 —

gang Helbigs Buch über die Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten
Städte Campaniens (Leipzig 1869) veröffentlichte. Auf diese Abhandlung des
gelehrten Kollegen wird hier ausführlicher einzugehen sein, weil es gerade
Donner war, welcher durch eine bestechende Darstellung alle Freskogegner für
sich gewann und durch die Wucht einer scheinbar zwingenden Beweisführung
jede der seinen entgegenstehende Ansicht zu nichte machte. Ueberdies kam
ihm der Ruf als technisch geschulter Maler zugute, und es ist hauptsächlich
diesem Umstände zuzuschreiben, wenn in den letzten 30 Jahren seine Ansicht
als die allein richtige gegolten hat. In neueren archäologischen Werken (siehe
letzte Ausgabe von Overbecks Pompeji) wird die Frage, ob die pompejanischen
Wandmalereien Fresken sind, gar nicht mehr diskutiert, sondern einfach die
Donnersche Ansicht als feststehend angeführt, und alle, die sich über die
Frage zu äussern hatten, stimmten wie Heibig seiner Ansicht bei. Selbst der
so kritisch wägende Blümner in seiner vortrefflichen Technologie der Ge-
werbe und Künste bei den Griechen und Römern (Leipzig 1886, IV, p. 434)
machte sie ohne Vorbehalt zu seiner eigenen. Es erscheint mir deshalb von
Wichtigkeit, im folgenden die Donnersche Freskotheorie ausführlicher zu
besprechen und mit einer Kritik zu begleiten und dadurch gleichzeitig die
Leser über den gegenwärtigen Stand der Frage zu unterrichten.
Froskotheorio Folgendes sind die Hauptpunkte dieser Theorie, die Donner dahin

von Donner. ° r r

zusammenfasst :

1. dass, wenn auch nicht absolut alle, doch ein sehr grosser Teil, ja
bei weitem der grösste Teil jener Wandmalereien, u. zw. sowohl die farbigen
Gründe, als auch die auf ihnen und auf weissen Gründen stehenden Or-
namente, Einzelfiguren und abgegrenzten Bilder a fresco gemalt sind;

2. dass diese Technik die weitaus vorherrschende ist, die Leimfarben
und Tempera-Malerei dagegen eine sehr untergeordnete Stelle einnimmt und
sich mehr aushilfsweise als selbständig angewendet findet;

3. dass enkaustische Malereien absolut nicht vorkommen. 18 )

Um diese Punkte zu beweisen, gibt Donner zuerst eine Darstellung der
enkaustischen Malweisen bei den Alten, wobei er seine von uns später zu be-
sprechenden Ansichten näher auseinandersetzt. Da die Enkaustik niemals
Pinseltechnik gewesen, sondern ausschliesslich mit dem einem Spatel ähn-
lichen „Cestrum» ausgeführt worden sei, unter den alten erhaltenen Gemälden
aber kein einziges existiere, in welchem nicht die sichtbarsten Pinselspuren
zu erkennen wären, so beweise dies allein schon, dass unter denselben kein
enkaustisches Gemälde erhalten sei (p. 24).

Donner gibt dann eine Beschreibung des modernen Fresko- und Tempera-
Verfahrens, um vor allem die Einwände Carcanis (s. oben p. 65), dass
Freskofarben in den Mauerbewurf derart eindrängen, dass sie sich mit ihm
gleichsam zu einem einzigen Körper verbänden und nur durch dessen Zer-
störung von ihm zu trennen wären, zu widerlegen. Er meint dagegen , dass
die Freskofarben nicht tiefer in den nassen Grund eindringen, als jede andere
Wasserfarbe; das Wasser der Farbe dringe wohl tiefer ein, nicht aber der Farben-
körper: dieser werde im Gegenteil durchdrungen von der aus dem
Bewurf herausdringenden Kalkhydrat-Lösung, die sich nur auf der Oberfläche
in die harte Krystallhaut von kohlensaurem Kalk verwandeln könne. Unter
dieser Krystallhaut wäre beim Fresko nur ein schwacher Zusammenhang.
Demnach könne die Behauptung Carcanis, dass Freskofarbe nur durch Zer-
störung des Bewurfes von ihm zu trennen ist, nicht richtig sein. Wo Donner
mit dieser eigens ausgeklügelten Deutung der allbekannten Fresko-Erhärtung
hinaus will, wird sofort klar durch die weiteren Ausführungen über das Ent-
stehen von Abblätterungen nach Schichten, je nachdem auf den frischen,
halbnassen oder schon zu trockenen Grund gemalt worden ist (p. 34). Er
beruft sich auf die Autorität von Praktikern, wie Raphael Mengs, und führt
die „nicht als Fresken angezweifelten» Fruchtguirlanden des Giovanni da

S. Donner (Einleitung), p. t.

— 71 —

Urline in den vatikanischen Loggien an, wo nicht nur häufig die oberste,
sondern auch die zweite Lage abgeblättert ist, und erklärt diese Abbliitierungen
aus dein Freskoverfahren selbst.

Dem stehen aber die ebenso unbezweifelten Tatsaohen entgegen, dass
gerade bei den Freskomalern der Renaissance ein Uebermalen der ersten An-
lage mit Retouohiermitteln allgemein in Gebrauch war, weil man eben kein
anderas Mittel zur Verfügung hatte. Die Maler kannten allerdings die Ge-
fährlichkeit einer derartigen Uebermalung mit Tempera, aber sie hielten sieh
trotz der Warnungen (s. Vasari Introduzione) 1 «» nicht darnach. Uebordies ist es
erwiesen, dass gerade die als Beispiel erwähnte Raphael’sohe Loggia, in welcher
sich Giovanni’s Fruchtguirlanden befinden, schon kurze Zeit nach deren
Vollendung übermalt werden musste. Aus dem Berichte des Vasari (im
Leben des Giovanni da Udine) ist deutlich zu ersehen, dass Giovanni in
späteren Lebensjahren auf päpstlichen Wunsch veranlasst worden ist, die über
der Raphael’schen gelegene Loggia auszuschmücken und hierauf auch die
zuerst gemalte (Raphaelsche) zu übermalen. Dies wurde schon damals Uebermalung
als grosser Fehler angesehen, weil durch die Uebermalungen a secco die Raphael’schen
frühere Frische und die meisterhafte erste Ausführung vernichtet worden Loggia.
sei. 20 , Das von Donner zum Beweis herangezogene Beispiel ist demnach
nicht glücklich gewählt, denn abgesehen von der oben erwähnten sind noch
manche späteren Uebermalungen der Loggien nötig geworden, so dass man
diese ausgezeichneten Werke nicht als „notorische Fresken» ansehen kann.
Selbst Donner gesteht (p. 38) ein, dass es wegen des zu dünnen Verputzes
kaum möglich gewesen wäre, die Pilaster der genannten Loggia a fresco aus-
zuführen, und dass dies nachträglich mit Tempera geschah. Ja, es ist sogar
sehr wahrscheinlich, dass man von einer a Fresco-Ausführung von allem An-
fang an absah, weil wegen der zwischengesetzten plastischen Ornamente,
Figuren und Medaillons hier ein Freskomalen untunlich gewesen wäre.- 1 )
Daraus erklären sich auch zur Genüge die Abblätterungen und die schlechte
Erhaltung dieser Werke. (Abbild. 12.)

Der Unterschied zwischen Abblätterungen an Fresken der späteren Zeit
und an den pompejanischen Gemälden ist darin zu erblicken, dass hier unter
der abgesprungenen (oder mit Absicht abgesprengten) Malschicht eine glatte

,9 ) S. m. Beiträge IV (Renaissance), p. 25.

20 ) Vgl. Vasari (Ed. Roma 1750) III, p. 52 im Leben d. Giov. da Udine: „messo
in opera con buona provisione a dar perfezione e fine all’ ultima loggia , la quäle e
sopra quella, che gli aveva giä fatta fare Papa Leone; e quella finita, gli fece il me-
desimo Papa ritoccare tutta detta loggia prima: il che fu errore e cosa poca
considerata, perciocche il rittoccarla a secco, le fece perdere tutti que’ colpi maestre-
voli, che erano stati tirati dal pennello di Giovanni nell’ eccellenza della sua migliore
etä, e perdere quella freschez^a, che la facea, nel suo pritno essere, cosa rarissima.»

• l ) Von Interesse ist das folgende Rezept, das angeblich Giovanni da Udine
benützte (s. Merrifield, Original Treatises on the art of Painting. London 1849. II.
p. 639. Marciana Ms. Nr. 393): „Ex Magistro Jacopo de Monte S. Savino Scultore —
provato. Stuccho mirabile per fare figure etc. et etiam improntare et colorirlo, et
regge allacqua — Togli travertino macinato sottile V. libra, et se vuoi che sia piu
gentile et delicato, Togli marmo fino in luogo di travertino, et togli dua lib. di calcina
spenta et mescolale insieme con acqua et rimenale et battile bene insieme come pasta
fine et fanne che lavoro tu vuoi, o con mano o impromptato con le forme, et seccbalo
alombra et se lo volessi colorire di bianco, quando il lavoro e tanto seccho che sia
fermo, ma non secco interamente, macina la biaccha con l’acqua ä uso di colore, et
fiore di calcina colata, et dalla col penello, et sara bianchissimo, et stara forte allacqua,
et se lo vuoi colorire d’altro colore, lascia secchare il lavoro poriettamente; poi lo
colorisci , ma questi colori non reggeranno ä lacqua eome quellt» bianco, perclie non
si incorporanno, ne si uniscono con la materia del lavoro come va quello. Se a dunque
tu vuoi che questi colori reghino älacqua, da insul lavoro la inzuppatura di sopra
detta la quäle si da comi qui dice, et poi dipigni k olio.

Puoi etiam colorire lo stuccho co’ colori macinati asciuttj : ma non vonghono
tanto vivi, quanto a colorirgli poi.» Nach Borghini (Riposo p. 402) war dieses Stuck-
rezept das nämliche, welches Giovanni da Udine erfunden hatte undmitdem
er die vatikanische Loggia ausführte. Vergl. Morelli, Gatalogo de Codici della
Libreria Nani p. 32.

— 72

Abblätterun-
gen.

und glänzende Grundschicht zum Vorschein kommt. Dies ist charakte-
ristisch für den antiken Stuck, während an späteren Fresken Abblätterungen
wohl vorkommen, hauptsächlich wenn sie a secco retouchiert sind,- aber nie
eine geglättete Fläche dabei zum Vorschein kommt. Auf diese
Eigenschaft bezieht sich der Einwand des Verfassers der „osservazioni»
Carcani, und die Beobachtungen an antiken Stuckmalereien, wo Ornamente
oder Figuren auf den als Grundfläche durchgehenden farbigen oder weissen
Stuck aufgetragen sind, bestätigen es vollauf.

Abbild. 12. Detail aus den Loggien des Raphael im Vatikau im jetzigen Zustand.
Nach einer pbotogr. Aufnahme.

Schon Wiegmann hatte die Buonfreskotechnik der Renaissance mit
der Technik der pompejanisehen Wandmalerei in Beziehung gebracht,
und durch Beobachtungen an Ort und Stelle sowohl Ansatzfugen an den
Feldern und Bildern, sowie in dem frischen Bewurf eingedrückte Konturen
und Hilfslinien nachgewiesen; er war es auch, der (s. oben p. 67) die
Bildung einer durchsichtigen Kry stallhaut als Ursache des Glanzes mit dem

— 73 —

antiken Tektorium in Verbindung brachte und sich auf Vitruv’s Angaben
(Vfl, 3, 7 ff.) stützte, wonach die Farben nur dann für die Dauer haltbar
bleiben, wenn sie auf die feuchte Wandbekleidung aufgetragen werden. Die
Möglichkeit eines längeren Arbeitens auf frischem Grunde erklärte er aus der
Dicke des Bewurfes, der um so länger die Feuchtigkeit in sich behalte, je
dicker er sei.

Alle diese Argumente bringt in erweiterter Form und unter Zuziehung
einer viel grösseren Zahl von genau präzisierten Beispielen auch Donner vor.
Wer, wie Verfasser, sich die Mühe genommen hat, tagelang in Pompeji die
angegebenen Oertlichkeiten zu suchen und die von Donner bezeichneten Stellen
zum Zweck der technischen Erkenntnis zu vergleichen, muss über diesen Teil
des Buches seine uneingeschränkte Bewunderung aussprechen. Mit einem
ausserordentlichen Spürsinn hat Donner unter vielen Hunderten die besonders
in die Augen springenden Beispiele herausgefunden, und soweit der gegen-
wärtige Zustand der vielfach in Verfall begriffenen Malereien und Wand-
dekorationen es gestattete, habe ich die Richtigkeit der Donnerschen
Angaben bestätigt gefunden. Donners Beobachtungsgabe ist zweifellos ganz
hervorragend, aber in seinen Schlussfolgerungen stellen sich Irrtümer ein, weil
er die Dinge in der vorgefassten Meinung betrachtet, alles hänge mit der
„wahren Leidenschaft der Alten für Freskotechnik» zusammen.

1. So erklärt Donner beispielsweise, dass die in dem Atrium des Hauses Widerlegung
neben der Casa di Diadumeno befindlichen Malereien, nämlich Medaillons, Donner’sohen
die mit oblongen Tier- und Fruchtstücken wechseln, auf den Wandpfeilern
rechts und auf der ununterbrochenen Langwand links schön und unversehrt
geblieben seien, während auf dem zweiten Pfeiler rechts der Platz sauber und
scharf ausgeschnitten mit der ersten Lage gröberen Marmorstücks bedeckt
sei und nur noch die letzte feinere Lage von 0,002 Dicke zur Aufnahme der
Malerei fehle, weil — die Katastrophe von 79 die Vollendung unterbrochen
haben müsse. Eine genaue Betrachtung der übrigen Bilder zeige, dass alle
diese in gleicher Weise eingeputzt waren (p. 61). Die Beobachtung ist,
wie ich mich überzeugte, richtig, aber die Schlussfolgerung ist es nicht; denn
die in dem allgemeinen durchgehenden Grund von rotem Stuck ausgesparten
und für blau gefärbten Stuck bestimmten Medaillons zeigen ganz deutlich die
Grade des Verfalles, wie sie in Pompeji auf allen gegen West oder
Süden gelegenen Wandflächen zu bemerken sind. Der blaue Fond hat,
wie später gezeigt werden wird, nicht die Festigkeit des roten geglätteten
Bewurfes; er bröckelt durch die atmosphärischen Einflüsse, welche im Laufe
der Jahrzehnte an allen unbedeckten Räumen sich in bedenklichem
Masse geltend machen, mitsamt der darauf befindlichen Malerei ab, so dass
nur die erste Lage gröberen Marmorstucks noch übrig bleibt. 22 )

Dieses Abbröckeln von einzelnen Teilen der Wandfläche oder der auf Vl vä$to*
den Flächen befindlichen Malerei geht in Pompeji leider nur zu schnell vor pompej. Ma-

D 1 loroH’ii.

2a ) Wenn man sich die Mühe gibt, die von Donner p. 85 ff. beschriebenen Räume,
bei deren Ausschmückung die verschiedenen Hilfsmittel der Freskotechnik besonders
deutlich zu erkennen wären, auch nur auf dem Plane von Pompeji aufzusuchen,
wird man finden, dass die am schlechtesten erhaltenen Wände, die nach Donners
Ansicht erst in Angriff genommen wurden, nachdem die Wandflächen zur Fresko-
malerei nicht mehr genügend feucht gewesen seien, gegen Westen oder Süden
gelegen sind. Darin ist vor allem der natürliche Grund zu erblicken, dass sich
die auf solchen Wänden befindlichen Gemälde heute in schlechterem Zustande be-
finden , als die Bilder auf den übrigen Wänden! Donner bemüht sich aber mit
grossem Aufwand von Beredsamkeit, diesen Umstand so darzustellen, als ob die un-
gleichartige Erhaltung sich aus der Freskotechnik von selbst ergebe.

Unwillkürlich drängt sich hier dem Beobachter der naheliegende Gedanke auf,
dass der „antike Freskomaler» jede der einzelnen Wände für sich als Ganzes ge-
malt haben würde, also alle Wände in der Erhaltung sich gleich gut zeigen müssten,
wenn das System der Freskotechnik nach Donner richtig wäre.

Die schlagendste Widerlegung finden Donners Ausführungen aber durch die
staunenswerte Erhaltung aller jener Räume, die bald nach deren Aufdeckung durch
Bedachung gegen Sonne und Regen geschützt sind.

— 74 —

sich, hauptsächlich veranlasst durch die Regengüsse, die kalten Nächte des
Winters und die Abwechslung von Sonnenschein und Regen, wodurch die
Feuchtigkeit der Oberfläche immer wieder schnell verdunstet und -die auf-
gemalten Farbenpartien daher zuerst gelockert werden. Durch eindringende
Feuchtigkeit, die nachts gefriert, tagsüber aber wieder auftaut, wird das ein-
mal begonnene Vernichtungswerk beschleunigt. Deshalb sieht man in den
früher ausgegrabenen Häusern jetzt kaum noch Spuren der Bemalung, und an
Oertlichkeiten , deren Bilderschmuck noch vor 30 Jahren deutlich zu sehen
war, z. B. in casa del poeta (Donner p. 86), konnte ich bei meinem Besuche
1902 absolut nichts mehr unterscheiden. Während Donner 1867 noch Unter-
schiede bemerkte und von „erstaunlich guter Erhaltung’ 1 ‘ spricht, waren jetzt
alle diese Bilder gleich schlecht erhalten. Der Verfall war demnach in der
kurzen Zeit bereits vollendet.

In unbedeckten Räumen ist in Pompeji die allmähliche Vernichtung
aller Malereien nicht aufzuhalten, aber selbst an Stellen, die durch Ueber-
dachung geschützt sind, zeigt sich der verderbliche Einfluss des Wechsels von
Feuchtigkeit und schneller Trocknung durch direkten Sonnenschein. Diesen
Vorgang kann man deutlich an dem Gemälde „Toilette des Hermaphroditen»
(Heibig Wandgem. N. 1369) bemerken, das Donner (p. 115) wegen „seines
starken mit einem Instumente geglätteten Impasto» besonders erwähnt. In
der zum Schutz des Raumes errichteten Wand dem Bilde gegenüber ist eine
Oeffnung für die Lichtzufuhr gelassen, durch welche die Nachmittagsonne direkt
auf den unteren Teil des Bildes scheint, und so hat sich vom unteren Rand
nach aufwärts im Laufe der Jahre der Bröcklungsvorgang eingestellt, der das
reizvolle Bild in wenigen Jahren zu vernichten droht. Hier kann man es
deutlich sehen, wie die unter der Farbenschicht befindliche Lage von
Stuck zu Staub verfällt, der in anderen Fällen, wo keine Bedachung dies
hindert, einfach vom Regen abgewaschen wird, so dass endlich die Stelle
bis auf den unteren widerstandsfähigeren und gröberen Stuck blossgelegt er-
scheint.

Ansatzfugen 2. Als wesentliche Bedingung der Freskotechnik ist das Ansetzen der

Tiker Bilder. Flächen aneinander zu betrachten; auch die antiken Stuckarbeiter mussten da-
mit rechnen, wenn die Flächen zu gross waren, um den Auftrag in einem Zuge
machen zu können. Das übliche Dekorationsschema (Fries, Felder und Sockel
in vertikaler, symmetrische Anlage der Flächen in horizontaler Anordnung)
unterstützte ihre Arbeit und es war nur Sache der Uebung, die Ansatzfugen
so wenig als möglich sichtbar zu machen. Ansatzfugen sind in Pompeji fast
bei allen grösseren Dekorationen zu bemerken, besonders dort, wo die
Anordnung einen natürlichen Anlass dazu bietet. Auffallenderweise sind
aber innerhalb der Bildflächen, selbst wenn sie noch so gross sind, keine
Ansätze zu finden, so dass dieses Fehlen entweder eine uns unfassbare
immense Schnelligkeit beim Ausmalen der grossen Fläche voraussetzen hiesse
oder als das Merkmal für eine andere als die Freskoteohnik erkannt werden
müsste. Donner hatte jedenfalls die Empfindung, dass ein Hauptglied in der
Kette seiner Beweisgründe fehlen würde, wenn es ihm nicht gelänge, Fresko-
ansätze innerhalb der antiken Bilder nachzuweisen. Und so fand er auch,
was er suchte, in dem grössten der pompejanischen Wandgemälde, in dem
verwundeten Adonis (Heibig N. 340), oder vielmehr er glaubte in
kleinen Sprüngen, die sich durch die Bewurfschicht schlängeln, die nach
modernen Gesichtspunkten unerlässlichen Ansätze zu erkennen. Ich muss offen
gestehen, dass es mir trotz wiederholten Betrachtens und genaueren Studiums
mit Hilfe der Lupe nicht gelingen wollte, dort die Spuren der Ansätze zu
sehen, wo sie Donner (Tafel C Fig. 1 seines Buches) angegeben hat, obwohl
es auch mir wie so vielen anderen ein Rätsel bleiben wird, wie es möglich
gewesen, eine so grosse Fläche (das Bild ist über 3 m hoch und incl. Seiten-
gruppen 3,70 m breit) a fresko zu behandeln und die überlebensgrossen
Figuren in ihren hellleuchtenden Farben wie aus einem Guss heraus-

— 75 —

zuarbeiten. 23 ) Das grosse Mittelbild ist von zwei tiefrot gefärbten Pilastern
begrenzt, auf deren Sockel je eine Gruppe (Cheiron und Achill) gemalt ist.
Man sieht an den stellenweisen Abblätterungen den roten glatten Grund
unter den Gruppen hindurchgehen, in gleicher Art, wie dies vielfach auf
pompejanischen Wänden der Fall ist. Mit bravourösen Strichen und im grossen
Zuge ist die Figur des Adonis ohne jeden Ansatz gemalt, ebenso auch die
Figur der Aphrodite; jede dieser Figuren ist gewiss an 2,50 hoch, Zeichnung
und Ausführung deuten auf eine grössere Kunstfertigkeit hin, als sie der ge-
wöhnliche Durchschnitt der pompejanischen Maler gehabt hat, und darnach
müssen wir unser Urteil richten. Die hier beigegebene Zeichnung Donner’s
(Abbildg. 13) zeigt in den punktierten Linien die angeblichen Ansätze u. zw.
wurde zufolge der Erklärung (p. 77) „der (rechtzeitige) Teil a bis an die innere
Grenze des Pilasters zuerst beworfen, dieser rot gemalt und das Rot hinab bis

Abbild. 13. Verwundeter Adonis. Porupejan. Wandgemälde mit den angeblichen Freskofugen

nach Donner.

ungefähr unter die Schultern des Cheiron und des Achill geführt, zugleich der
Luft- und der hellgrüne Lokalton des Buschwerkes auf derselben Seite ge-
strichen, u. zw. bis in die Oheirongruppe hinein, welche alsdann der Meister in
Angriff’ nahm, indem er zuerst die Köpfe über den roten Grund des Pilasters,
die unteren Teile aber über jene grüne Unterstreichung malte, und zuletzt
auch über diese das Rot des Pilasters strich, welches wieder zwischen den Pferde-
beinen erscheint. Sodann wurde der ganze Teil b b b angetragen inclusive
des Pilasters (links), an dessen äusserer Gienze der Ansatz hinläuft, und der
Künstler malte alsdann den oberen einfachen Teil des Hintergrundes, liess
sich den roten Pilaster anstreichen und malte die jetzt halb zerstörte Gruppe
darauf, an welcher das Rot tiefer hinabgestrichen worden ist als bei den ersten.
Hierauf malte er der Reihenfolge nach c, d, e. Die Hand der Aphrodite,

23 ) Indem „Buch von der Freskomalerei» (Heilbronn 1846, p. 113 ff.) handelt ein
ungenannter Münchener Professor über pompejanische Malerei und sagt über den ver-
wundeten Adonis: „Dieses Gemälde ist gut erhalten und auf weissen matten Grund
gemalt. An dieser dritthalbhundert Quadratfuss enthaltenden Wandfläohe ist keine
Spur von Ansätzen des frischen St ueco zu bemerken, es kann also auf
unsere heutzutage übliche Art, al fresco zu malen, nicht hervorgebracht worden sein.»

— 76 –

Bedenken
und Einwen-
dungen.

die den rechten Arm des Adonis unterstützt, malte er nicht zugleich mit dem
Stück d, sondern er schnitt sie erst sorgfältig und genau aus, als er das
Stück e malte, und liess frischen Bewurf in die leere Stelle eintragen, eine
sehr schwierige Operation, die aber hier auf das trefflichste und fast un-
merkbar ausgeführt ist. Dies geschah, um diese Hand zugleich mit dem
Kopf und der linken Hand der Aphrodite malen und in denselben Ton
bringen zu können, da es in Fresko schwierig ist, einen gemischten Ton
später genau ebenso hervorzubringen.» 24 )

Diese Arbeitsfolge erscheint mir vom Standpunkte des praktischen
Malers durchaus ungeeignet. Kein Freskant würde auf diese Weise vor-
gehen, und ein Maler des Altertums, dem die Kenntnis und Anwendung von
Kartons ganz unbekannt war, am wenigsten. Es liesse sich das Freskomalen,
im Sinne der Donnerschen Annahme, überhaupt hier nur so denken, dass der
Maler sich auf der Unterschicht, vor dem letzten Stuckauftrag, eine all-
gemeine Vorzeichnung (wie zu Cennini’s Zeit) gemacht hätte, damit das
stückweise Auftragen sich diesem Entwürfe hätte anschliessen können. Er
hätte dann nicht nötig gehabt, die unkluge Durchschneidung der Figur der
sitzenden „Lokalgöttin» zu machen, er hätte die Ansatzfugen an dem oberen
Teil des Bildes nicht mitten im Licht, sondern an den Konturen der
Felspartien anbringen oder noch besser gleich der Armlinie des Adonis
entlang fortführen können; er hätte überhaupt nicht die linksseitige Cheiron-
gruppe mit der Landschaft zusammen gemalt, und auch kaum eine so kleine
Partie, wie das obere über der Figur der Aphrodite stehen gebliebene Stück
b, so abgeschnitten, wie die Abbildung von Donner es zeigt. Er hätte viel-
leicht an dem Felsen und dem kleinen Gebüsch entlang gehen können, wenn
er den oberen Teil des Bildes für sich behandeln wollte; er hätte auch die
beiden inneren Pilasterkonturen als Ausgangspunkte genommen und nicht
einmal die inneren, einmal die äusseren u. s. w. Alles dies würde aber bei
der Art des Freskomalens auf den mehrere Zentimeter dicken Bewurf nach
dem Prinzipe des tagelangen Nassbleibens vielleicht gar nicht nötig gewesen
sein, denn ein Maler, der eine Figur von den Dimensionen des Adonis oder
der Aphrodite in einem Guss, womöglich an einem Tage herunterzumalen
fähig ist, dem macht das klein bisschen Landschaft mit dem Amoretten dar-
über wahrlich keine Schwierigkeit! Meiner Ansicht nach hat der Maler über-
haupt nicht mit den Pilastern, sondern mit der grossen Hauptgruppe begonnen,
ohne jeden Ansatz innerhalb der Landschaft, er hat die Lokalgöttin, dann
die Amoretten hinzugefügt und zum Sohluss erst die Pilaster mit den Cheiron-
gruppen gemalt, vorausgesetzt, dass ein so langes Malen a fresko wie es
Wiegmann, Donner und die BYeskoanhänger glauben, überhaupt, möglich ist.

Auf die eigenartige glatte Farbenbehandlung in diesem Bilde kommt
Donner (p. 113) noch besonders zu sprechen; er glaubt, dass diese Eigen-
schaft der fetteren und dichteren Beschaffenheit des als Weiss benützten
Paraetoniums zu danken ist, auf welchen Umstand er wiederholt aufmerksam
macht (p. 104). In der Folge wird gezeigt werden, dass es vor allem in
der Glättung der Malerei gelegen ist, wenn noch so stark impastierte
Stellen so eben und flach aussehen, dass kaum noch Pinselstriche zu ent-
decken sind.

Das zweite „klassische» Beispiel für Freskoansatz innerhalb der gemalten
Fläche sieht Donner in der berühmten Einzelfigur der Medea (Museum, Heibig
N. 1264). Die die Figur „rundum umgebenden Ansatzfugen» habe ich auch
aufs genaueste untersucht, und ausser an der Partie des Kopfes sind die wie
Fugen sich zeigenden Sprünge auch sehr deutlich zu sehen. Aber einen Be-

‘*) Diese Hand sieht jetzt in der Tat so aus, als ob sie nachträglich gemalt worden
wäre; die Stelle ist mit Erhöhungen und Vertiefungen bedeckt, wie sie die im Verfall
befindlichen Malereien oftmals zeigen. Wenn ich ein Urteil darüber abgeben soll,
würde ich dafürhalten, dass diese Hand erst gemalt wurde, als die Figur des Adonis
bereits geglättet war, und bei der späteren (zweiten) Glättung sich die Schicht
naturgemäss nicht so fest mit dem Untergrunde verbunden hat.

— 77 —

weis für Freskoansätze kann ich darin dennoch nicht erblicken, weil kein
Freskomaler es für zweckmässig erachten würde, die Konturen um die Figur
herum wegzuschneiden, wenn nur handbreit davon iev Bildrand sich befindet.
Auch Donner (p. 79) hat es zugegeben, dass die „Bemalung der übrig
bleibenden Fläche als Zeitverlust bei der Ausführung gar nicht in Anschlag
gebracht werden kann», und hat- deshalb eine andere Erklärung gesucht: ver-
anlasst durch die Vergleiohung des zweiten Medeabildes (Museum, Helb. N. 1202),
das die Figur in sehr ähnlicher Darstellung, aber mit den spielenden Kindern
und dem Pädagogen zeigt, glaubt Donner, die Einzelfigur könnte nur ein Teil
eines dem vorigen gleichen Bildes, dessen übrige Teilo nicht mehr vorhanden
sind, gewesen sein. Aber selbst dann, wenn die Figur nur ein Teilstück wäre,
trifft die Voraussetzung nicht zu, denn, ob sie nun rechts oder links vom
Bildrande gestanden, der Maler hätte niemals den geringfügigen restlichen
Teil des Hintergrundes für sich anzusetzen nötig gehabt. Die Mauerbrüstung
rechts oder die Architekturlinien über dem Kopf wären dazu weit praktischer
gewählt. Vor allem hätte aber Donner den Beweis orbringen müssen, dass
diese Medea wirklich nur ein Teil eines grösseren Bildes ist. Diesen Beweis,
der nur durch die Fundberichte über die herkulanischen Ausgrabungen möglich
wäre, hat Donner aber nicht erbringen können, und damit fällt der Hauptgrund
weg, die Risse im Marmorstuck für Freskoansätze zu erklären. Meines Tr-
achtens sind die Sprünge erst durch die Transferierung des Bildes entstanden
und deshalb beinahe den Konturen folgend, weil beim Glätten der Malerei
stets ein erheblicher Druck auf die Unterlage ausgeübt wird, wodurch die
wie Stuccolustro behandelte Malerei eine grosse innere Festigkeit erreicht.
Die umgebenden Partien sind eben weniger stark geglättet worden, und deshalb
haben sich die Sprünge an den Grenzen (hier der Konturen) zuerst bilden können.

Ansatzfugen in grösseren Bildern müssten, wenn solche beim Adonis
und der Medea wirklich vorhanden wären, sich auch in anderen grossen Bildern
in Pompeji und Herkulanum zeigen oder wenigstens Spuren davon sichtbar
sein. Dies ist aber nicht der Fall: weder an den grossen herkulanischen
Bildern im Museum mit den lebensgrossen Figuren, wie Herakles mit Telephos,
Theseus mit dem Minotaurus (Heibig N. 1143 u. 1214), noch die grossen
pompejanischen, wie Diana und Aktaeon (Heibig N. 249 b) im Peristyl der casa
cli Sallustio oder an den grossen, ganze Wände füllenden Landschaften in casa
della fontana piccola (Heibig N. 1561, 1563) u. a. sind solche zu entdecken.

3. An fast allen pompejanischen Wänden mit reicher Dekoration des wütSSen. e
ornamentalen Stiles finden sich in farbigen Feldern eingeputzte Flächen für
die Gemälde; auch Medaillons sind vielfach in die farbige Fläche in weissem
Stuck eingefügt. Donner hat die Unterschiede solcher Putzflächen genau
studiert und je nachdem dieselben höher oder tiefer oder im Niveau der um-
gebenden Fläche» 1 gelegen sind, verschiedene Arten des Eintragens konstatiert.
Gegen diese Beobachtungen wird kaum etwas einzuwenden sein; nur schliesst
Donner auch hier, dass diese Gepflogenheit des Einputzens der Bildflächen
mit der Leidenschaft für Freskomalerei bei den Alten zusammenhänge. Wenn
man aber bedenkt, dass bei dem pompejanischen Dekorationsstil die farbigen
Flächen, wie dies im weiteren Verlauf meiner Ausführung näher begründet
werden wird, in der Masse gefärbter Stuck war, so ist es einleuchtend,
dass die einen weissen Untergrund erfordernden Mittelbilder auch weissen
Stuck bekommen mussten. Deshalb liess man die Stellen leer und machte
den nötigen Einputz für sich. Je nach der Geschicklichkeit des Arbeiters
lag dann die neueingetragene Fläche im gleichen Niveau, wenn die Arbeit
gut ausgeführt wurde, etwas höher oder etwas tiefer, wenn sie man-
gelhaft ausfiel. Es mag aber auch vorgekommen sein , dass bei Umbauten,
Ausbesserungen der Wanddekorationen u. dgl. schon vorhandene Gemälde
geschont werden sollten; hier mussten dann die umgebenden Stuckflächen an
das vorhandene Mittelbild angeschlossen werden , und so können unter Um-
ständen schräge Ansatzfugen in der von Donner (p. 60) beschriebenen Weise
gebildet worden sein, ja selbst solche, wo der neue Stuck etwas erhöht über

– 78 —

die Ränder des Bildes hinübergreift. Dieses Verfahren erklärt sich aus dem
Umstände, dass nach der ersten teilweisen Verschüttung von Pompeji die
Stadt wieder aufgebaut wurde und jedenfalls Gelegenheit genug vorhanden
war, unter Benützung der intakt gebliebenen Gemälde die Neuherstellung der
Wanddekorationen vorzunehmen. Aber auch umgekehrt konnte es vorkommen,
dass die Wanddekoration intakt geblieben, die Bilder jedoch verdorben waren
oder dem Geschmack des Besitzers entsprechend durch andere ersetzt werden
sollten 25 ); in solchen Fällen war das Entfernen der gefärbten Stuckfiäche
in der für Stuckmalerei üblichen Tiefe angezeigt und erforderlich.

Nach Donner’s Ansicht können alle von ihm geschilderten verschiedenen
Verfahrungsweisen der alten Maler „keinen anderen Grund gehabt haben, als
den Wunsch, immer aul frischen Grund zu malen» (p. 64); man wird
aber aus den obigen Möglichkeiten die ganz natürlichen Ursachen dieses Vor-
gehens viel leichter einsehen.
Donner’s 4. Auf einen in erster Linie wichtigen Umstand, nämlich auf die von

Versuche. Vitruv ausdrücklich hervorgehobene Forderung des „spiegelnden Glan-
zes» beim antiken Tektorium, hat Donner meines Erachtens viel zu wenig
Wert gelegt. Er erklärt Härte und Glanz als natürliche Folge des an der
Oberfläche des Marmorstucks sich bildenden Kalkkarbonats (p. 123) und gibt keine
nähere Aufklärung darüber, ob er durch Versuche sich von der Wahrheit
dieser schon von Wiegmann aufgestellten Behauptung vergewissert hat.
Ausser p. 40, wo er von Freskomalereien auf Gipskalkfläche spricht,
die ihm viertägiges Malen mit Kalkfarben gestattete, und einigen Versuchen,
mit Hilfe von Kreide und Tonarten ein dem antiken ähnliches Impasto her-
zustellen (p. 114), findet sich nirgends ein Hinweis auf praktische Versuche
zur Herstellung des antiken Stuckgrundes , so dass dieser Mangel bei
einem ausübenden Maler mit Bedauern konstatiert werden muss. Aus einer
Bemerkung ist sogar zu schliessen, dass Donner überhaupt niemals den
Versuch gemacht hat, das antike Tektorium zum Zwecke des Vergleichs
wiederherzustellen. S. 63, gelegentlich der Erwähnung eines für ein korre-
spondierendes Bild bestimmten, „noch weiss» gelassenen Raumes im sog.
Priesterzimmer des Venustempels in Pompeji, bemerkt er: „Bei dem Glätten
der umgebenden gelben Wand hat man noch in die offene Fläche hinein
die Ränder derselben mitgeglättet» (s. auch Figur 15. a. a. 0.). Durch
Augenschein kann man sich aber davon überzeugen, dass diese Ränder von
der Arbeit mit einer Spitzhacke herrühren müssen ; das ehemals vorhandene
Bild ist entfernt und der leere Raum einfach mit Zementmörtel neueren
Datums ausgefüllt, wobei scharf ausgezackte Ränder stehen geblieben sind.
Aus der Annahme, dass man solche Ränder mitglätten könne, wurde
es mir klar, dass Donner niemals Versuche angestellt hat, Vitruv’s sechs-
fachen Marmorstuck zu rekonstruieren, geschweige denn Versuche, diesen
Stuck so zu glätten, dass „spiegelnder Glanz» das Endresultat dieser Ar-
beit ist ! Er wäre dann vielleicht zu anderen Resultaten gelangt , und
der ganze mit so grosser Mühe und geistiger Arbeit zusammengebrachte
gelehrte Apparat hätte wenigstens sicherer zum Ziele geführt, als es
der Fall ist. Vor allem wäre er auf diesem Wege dazu gelangt, die Be-
dingungen kennen zu lernen, wie auf geglättetem Stuck weiter zu malen
ist, denn es dürfte jedem doch unwahrscheinlich vorkommen, dass man
mit bloss in Wasser angeriebenen Pigmenten ohne jedes Bindemittel auf

28 ) Eine derartige Erneuerung in der casa del citarista ist von Donner
p. 58 beschrieben; ihm schien es, als ob der untere Teil des kleinen Adonisbildes
„nebst einem angrenzenden Stück der Wand herausgestossen , dann aber sehr
roh und unsauber mit sehr schlechter Masse wieder ausgefüllt und wieder a fresco
bemalt worden sei». Bei genauerem Betrachten dieses Raumes wird man finden,
dass auf der Eläche dieser Wand vorher ein Medaillon sich befand, wie auf den
beiden anderen Wänden, und dass an dessen Stelle das viereckige Bild aufgemalt
wurde. Da der Raum offen liegt, ist jetzt die Stelle verwittert und demnach deutlich
erkennbar, dass nicht eine Ausbesserung, sondern eine Erneuerung der Stelle vor-
genommen wurde.

— 79 —

einer ganz glatten Fläche, noch dazu an senkrechter Wand, überhaupt

hätte malen können, und dass die Farbe, ohne zu „perlen» — wie die Maler

sagen — gehaftet und ein so ebenmässig kraftvolles Kolorit, teils leuchtend hell,

teils tief dunkel und sammetartig voll gesättigt , ermöglicht haben soll. Alle Widerspruche

Malerfarben bedürfen doch eines Bindemittels, »las die pulverförmigen Teilchen öken Quellen.

zusammenhält und ihnen Körper gibt. Und das wichtigste ist: wir haben

das ausdrückliche Doppelzeugnis des Vitruv (Yll, 10, 2 11.) und des Plinius

(XXXV, 43), dass das atramentum teotorium, das aus Kiemuss bereitete

Schwarz wie das Rebenschwarz, für den Stuck von den tectores mit

Leim angemacht worden ist, wie das atramentum librarium, die Sohreibtinte,

mit Gummi. Will Donner dieses Zeugnis etwa bloss für Schwarz gelten lassen

und für die übrigen Farben nicht? Das Aussehen der Farben im Gemälde

müsste ja ein sonderbar verschiedenes sein, wenn die eine ein Bindemittel

hätte und die andere nicht.

In betreff der Farben, die sich mit dem feuchten Kalk nicht vertragen,
ist Donner selbst auch durch ein antikes Zeugnis genötigt, eine Ausnahme
zuzulassen, die ein verhängnisvolles Loch in seine Theorie zu machen geeignet
ist. Plinius zählt sieben Farben auf, die trockenen Kreidegrund lieben und
feuchtem Grund widerstreben 26 ): Purpur, Indigo, Caeruleum (Himmelblau),
Melisches Weiss, Auripigment (od. Rauschgelb), Appianum (od. künstliches
Kupfergrün) und Bleiweiss. Aber einige dieser Farben kamen auch bei
der Wanddekoration vielfach zur Verwendung; sie finden sich fast sämtlich
in den von den Farben handelnden Kapiteln Vitruvs, ja sie waren, da sie zu
den floridi, den „blühenden», leuchtenden Farben gehörten, wegen ihres
prunkenden Aussehens und ihrer Kostspieligkeit bei protzenhaften Bauherrn
vorzugsweise beliebt und wurden daher nicht in den Lieferungskontrakt mit
aufgenommen, sondern mussten vom Bauherrn besonders bezahlt oder an-
geschafft werden. 27 ) Vitruv bemerkt dies mit ausdrücklichem scharfen Tadel
des entarteten Geschmacks, der nur noch auf die Kostbarkeit des Farben-
materials, nicht auf die künstlerische Ausführung Wert lege. Wenn nun aber
diese Farben sich a fresko nicht gebrauchen liessen, wie verfuhr man dann
da? Man präparierte dann eben diese Farben mit einem Bindemittel und
trug sie in arido, auf die schon getrocknete Wand, auf oder man machte
eine Untermalung a fresko mit einer anderen Farbe und überzog diese,
wenn sie trocken war. mit einer Lasur der gewünschten Farbe: so lasierte
man mit Purpur, in Eibindemittel angerieben, eine Untermalung von rotem
Sandyx, wenn man Purpurrot, und eine Untermalung in Blau, wenn man
Purpurviolett haben wollte. 28 ) Plinius erwähnt zufällig nur dies eine Beispiel
vom Purpur und ein zweites vom Kupfergrün ichrysocolla), bei dem der
Gruud vorher mit einem aus Parätoniumweiss und Schwarz gemischten sanften
Grau übermalt zu werden pflegte (XXXIII. 91). Aber ähnliche Prozeduren
müssen auch bei den anderen empfindlichen Farben gebräuchlich gewesen
sein. Das Weitermalen auf dieser mit Eitemperafarben lasierten einfarbigen
Grundfläche konnte, um die Dekorationen darauf anzubringen, natürlich auch
erst geschehen, nachdem sie vollkommen trocken war, und da muss man
doch fragen: Wo bleibt also das Fresko?

5. Noch eine andere Tatsache ist für Donner höchst unbequem. Das ü p2 g h ™
vielbegehrte Minium oder Zinnober, das schon mit dem Kalk sich nicht ver- Waohs.
trug, war überdies nicht wetterbeständig und hielt sich besonders in offenen
Räumen nicht, wo es dem Einfluss des Sonnenlichtts allzusehr ausgesetzt war.
Es verwandelte sich in einen stumpf violetten oder gar schwärzlichen Ton.

– 6 ) Plinius XXXV. 49: Ex onmibus coloribus cretulara amant udoque illini
recusant purpurissum, tndicum, caeruleum, Melinum, auripigmentum . Appianum,
cerussa.

«) Vgl. Vitruv VII. 5, 8.

28 ) Plin. XXXV, 45: Pingentes sandyce sublita. niox ovo inducentes pur-
purissum, fulgorem minii faciunt. Si purpuram facere malunt. caeruleum subliiiunt,
mox purpurissum ex ovo indueunt.

– 80 —

Um es haltbar zu machen und gegen Witterungseinflüsse zu schützen, griff»
man zu einem von Vitruv (VII, 9, 3 ff.) und von Plinius (XXXIII, 122) be-
schriebenen Verfahren, das nach früherer Lesart xaüaic; (Einbrennung), jetzt
yavcoaic; (Politur) genannt wird. Man machte Punisches Wachs mit etwas
Oel vermischt über dem Feuer flüssig und strich es mit einem Borstenpinsel
über die gründlich ausgetrocknete zinnoberrote Wandbekleidung; dann hielt
man glühende Kohlen in einem eisernen Becken nahe an alle Teile der Wand
und brachte den Wachsüberzug zum Schwitzen, um eine gleichmässige Ober-
fläche zu erlangen. Zum Schluss rieb man das Ganze mit reinen leinenen
Tüchern ab. 29 ) Dadurch wurde die Wand nach Vitruv’s Ausdruck mit einem
„Panzer von punischem Wachs» geschützt, der die Haltbarkeit der Farbe ver-
bürgte, und gleichzeitig wurde sie so blank, dass „man sich darin spiegeln
konnte».

Den Stein des Anstosses, den diese Tatsache für ihn bildet, sucht Donner —
in Uebereinstimmung mit Wiegmann (s. oben p. 68) — dadurch aus dem Wege
zu räumen, dass er behauptet, sie beziehe sich nur auf den Zinnoberanstrich,
anlässlich dessen sie berichtet werde, und in Pompeji habe man nach seinen
Beobachtungen von diesem Schutzmittel keinen Gebrauch gemacht (p. 26).
Aber wenn auf Wänden, die seit der Ausgrabung dem Sonnenlicht preis-
gegeben sind, der Zinnober seine Farbe schnell verändert, ist das ein zwin-
gender Beweis? Auf das, was Pompeji zu erleiden gehabt hat, auf die Wir-
kungen des glühendheissen Aschenregens und das nahezu 1700 Jahre währende
Begräbnis in feuchter Erde war auch der „Panzer von punischem Wachs»
nicht berechnet, und wenn er wirklich ganz verschwunden sein sollte —
obwohl einige Chemiker bei ihren Analysen Spuren von Wachs wahrgenommen
haben wollen — wäre dies ein Wunder? 30 )
Die Gauosis Auch das ist nicht zu beweisen , dass das Verfahren der Ganosis auf

alS Wände 2 » .’ er die Zinnoberfarbe beschränkt gewesen sei. Es war in Griechenland bei der
Marmorplastik wie bei der Polychromie der Architektur seit Jahrhunderten in
Gebrauch und stand weder mit dem Zinnober noch mit irgend einer anderen
Farbe in einer durch die Natur der Stoffe bedingten Beziehung. Vitruv sagt
(a. a. 0.), dass die nackten Statuen so behandelt wurden; will man hier auf
den Ausdruck „nackt» den Hauptnachdruck legen und annehmen, dass die
nackten Teile der Statuen ganz ohne farbige Tönung geblieben seien, so be-
weist das erst recht aufs allerdeutlichste, dass es auf die B’arbe gar nicht
ankam und hauptsächlich darauf abgesehen war, die Marmoroberfläche vor
den schädigenden Einflüssen der atmosphärischen Luft zu schützen. Das
Wachs verträgt sich ja auch, selbst wenn es direkt gefärbt wird, mit den ver-
schiedensten Farben, so dass Plinius XXI, 85, wo er, nach der Beschrei-
bung des punischen Wachses, vom Nutzen des Wachses überhaupt spricht,
abschliessend ganz allgemein sagt: das Wachs nehme mannigfache Farben an
und diene unzähligen Bedürfnissen der Menschen, sogar zum Schutz der
Wände und der Waffen. Genug, die Farbe macht hier gar keinen Unterschied,
und nichts kann uns hindern anzunehmen, dass die Erwähnung der Ganosis
beim Zinnober allein lediglich auf Zufall beruht und dass diese auch bei
anderen Farben, wenn auch nicht durchgängig, in gleicher Weise angewendet
worden ist. Gab es doch andere „blühende» Farben genug — wie Armenisch-
blau, Purpur, Drachenblut und Kupfergrün — deren dekorative Wirkung man
besonders liebte und deren prächtiges Aussehen man schon um der Kostbarkeit
willen geneigt sein musste , durch schützende Mittel möglichst lange un-
versehrt zu erhalten. Es kommt hinzu, dass es etwas besseres als den ver-
schönernden Spiegelglanz der Ganosis gar nicht geben konnte, um den polierten
farbigen Marmor nachzuahmen, und diese Nachahmung war doch gerade der
Ursprung und das Kennzeichen des ältesten Stils der hellenistischen Wand_

m ) Vgl. das besondere Kapitel über punisches Wachs und die Ganosis.
80 ) S. weiter unten im Kapitel: Chemische Analysen m. Versuche, mit Wachs
überzogene Stuckproben einem „künstlichen Pompeji» zu unterziehen.

— 81 —

maierei (s. Vitr. VII, 5, 1). Und endlich — denkt man sich den Fall, dass ein
Zimmer eine Anzahl Felder von verschiedenfarbigem Grunde und mehrere
darunter mit glänzend glattem Zinnober in (ianosis aufwies, war man da
durch das Bedürfnis der Gleichmässigkeit nicht geradezu genötigt, die gesamte
Dekoration aller Wandt eile in derselben Weise zu behandeln?

Also einfach bei Seite schieben lässt sieh die Ganosis bei der antiken
Wandtechnik nicht, wie Donner es will, und hier war der Punkt, von dem
ich bei meinen ersten Versuchen ausgegangen bin. Nicht bloss den Stuck-
grund in sechsfacher Schicht genau nach den Angaben des Vitruv habe ich
bereitet und dessen Eigenschaften kennen gelernt, sondern ich habe auch nach
sorgfältger Befolgung des von Plinius (XXI, 84 ff.) wie von dem griechischen
Mediziner Dioskorides (II, 105) überlieferten Rezeptes das sog. Punische
Wachs präpariert und damit ausser der Ganosis noch manche andere Ex-
perimente angestellt.

Bevor ich auf Einzelheiten näher eingehe, möge es gestattet sein, in Meine Ansicht
wenigen Sätzen meine Ansicht über diese technische Frage auszusprechen. Wandteobnik?
Diese meine Ansicht hat sich seit der ersten Veröffentlichung (i. J. 1893) in
einem nicht unwesentlichen Punkte, welcher die dem punischen Wachs zu-
geteilte Rolle bei der Erhärtung des Stuckbewurfes betrifft, geändert.
Im übrigen habe ich aber nach jahrelangen Studien und vielfältigen Versuchen
nicht nur das damals anderen Ansichten gegenüber Behauptete bestätigt ge-
funden, sondern auch neue Beweise dafür in Fülle herbeigeschafft, die in den
folgenden Kapiteln zur Sprache gebracht werden sollen.

Schon vor 10 Jahren hatte ich richtig vermutet:

1. Die farbigen Felder der pompejanischen Wanddekorationen sind
nicht aufgemalt, sondern vielfach in der Masse gefärbt und als
letzte Schicht aufgetragen worden;

2. die Glättung dieser farbigen Felder hatte zu geschehen, solange
der Grund noch feucht war, und nach deren Glättung wurden die
Ornamente und Bilder mit Tempera-Bindemitteln aufgemalt;

3. die oberflächliche Erhärtung des antiken Stucco ist durch
einen chemischen Prozess zu erklären, bei welchem sich (infolge des
Fettgehaltes des Glättungsmittels) eine sog. Kalkseife bilden kann.

Nach meinen neueren Erfahrungen bleiben diese Punkte aufrecht, nur
muss ich den bereits erwähnten Einfluss des punischen Wachses auf den Er-
härtungsprozess dahin richtigstellen, dass es eben nicht das Wachs ist,
sondern die fetten Säuren der Bindemittel, die mit dem Alkali des Kalkes die
genannte Verbindung eingehen. 31 ) Es wird darüber noch genauer gehandelt
werden, ebenso darüber, dass mittels heisser Eisen eine Glättung (gleich- (Härtung mit
zeitig mit der Erhärtung) der Stuckoberfläche möglich ist, wodurch die vorher
auf den noch feuchten Grund aufgetragene Malerei in einer Ebene zu liegen
kommt, wie dies auf vielen Bildern und Wandmalereien in Pompeji, Herkulan um
oder Rom zu beobachten ist. In dem übereinstimmenden Verfahren des
italienischen Stucco lustro werden wir die Reste der antiken Tech-

3I ) Dieser Irrtum meinerseits ist dadurch entstanden, dass ich bei meinen Ver-
suchen zur Herstellung des punischen Wachses nach Vitruv’a Anweisuug bei der
Ganosis stets sogleich das Oel, vielleicht in zu grosser Menge, mitverseifte
oder emulgierte und erst nachträglich die Versuche getrennt vornahm; dabei hat es
sich herausgestellt, dass punisches Wachs allein nicht die Erhärtung des Stucco
bewirken kann.

Ich möchte jedoch hier bemerken, dass mein Irrtum durch die mir von einigen
Chemikern gegebene Erklärung des Vorganges, dass durch die Verseifung des
Wachses die chemische Verbindung mit dem Kalk ermöglicht werde, verschuldet war.
Einer von ihnen hatte mir sogar durch Handschlag das Versprochen gegeben , da>s
er, falls meine Ansicht angezweifelt werden sollte, öffentlich dafür eintreten wolle.
Durch die unerwartete Enttäuschung bei der später heraufbeschworenen Kontroverse
kam ich dann zu der Ueberzeugung, irregeführt worden zu sein. Dass sich Wachs
überhaupt nur sehr schwer und zum geringsten Teil verseift, davon habe ich viel
später erst Kenntnis erlangt.

6

— 82

Unterschiede
zwischen der
antiken und
der Fresko-
technik.

Aehnlichkeit
beider Ver-
fahren.

nik, die sich traditionell bis auf den heutigen Tag erhalten haben,
wieder erkennen.

Bei vielen Malereien in Pompeji und Rom bietet aber nur die untere
Anlage einen geglätteten Grund zur Aufnahme der weiteren Malerei, die
dann mit der Unterschicht weniger innig verbunden ist, und wahrscheinlich
mit einem Tempera -Bindemittel gemalt zu sein scheint. Um nun solche
Malereien, die stets matt auftrocknen, mit dem glänzend glatten Grund
in Einklang zu bringen, war das Ganosis genannte Verfahren, wobei mit
panischem Wachs der letzte Ueberzug hergestellt und glänzend gerieben
wurde, nötig und angebracht.

Als weiteres gebräuchliches Verfahren kann eine Technik angenommen
werden, wobei mit Hilfe von Bindemitteln auf den noch feuchten
Stuck gemalt wurde, oder aber Varianten und Kombinationen genannter Ma-
nieren.

Die antik-römische oder pompejanische Technik unterscheidet sich dem-
nach von der reinen Freskotechnik:

1. Durch das Verfahren des Glättens des Bewurfes, das ent-
weder mit heissen Eisenoder mit dazupassendenlnstrumenten
unter gleichzeitiger Anwendung von mechanischem Druck
erzielt werden konnte (Stucco-lustro-Verfahren) ;

2. durch Anwendung von besonders geeigneten Bindemitteln
auf trockenem oder noch feuchtem geglätteten Stuccog rund
(Tempera- Verfahren) ;

3. durch die Art des Erhärtens; nach chemischer Bezeichnung
entsteht fett saurer Kalk (Kalkseife), während bei gewöhn-
lichen Fresko verfahren kohlensaurer Kalk sich bildet;

4. durch den Ueberzug mit sog. punischen Wachs, der zum
Schluss über alle Wand flächen gestrichen, erwärmt und
glänzend poliert wurde.

Die Aehnlichkeit beider Verfahren (des antiken Stucco und des
Fresko) besteht in der Bedingung frischer Bewurfmassen, so dass alle die
untrüglichen Anzeichen, die bisher als Beweise für Fresko bei den
Alten angesehen wurden, mit grösserer Berechtigung in die engste
Beziehung zurStuccotechnik zu bringen sind. Denn zur Glättung
der Oberfläche in der Art des antiken Bewurfes ist eine gewisse Feuchtig-
keit der Oberfläche allererste Bedingung. Man könnte sogar versucht
sein, die antike Stuccotechnik mit dem Ausdruck „geglättetes Fresko»
zu bezeichnen, wenn nicht der ganze Glättungsprozess dem Wesen der Fresko-
erhärtung widerspräche.

83

III. Das antike Tectorium nach Vitruv und seine besonderen

Kennzeichen.

Für jede Art von Malerei ist die Unterlage, auf welcher gemalt werden
soll, von grösster Bedeutung. Bei der Wand ist es die Zubereitung des Be-
wurfes, dessen Dicke und Zusammensetzung sowie der Charakter der Ober-
fläche, welche dem Techniker zunächst wichtig sein müssen. Die alten Römer
und Griechen hatten darin wie in so vielen Dingen die grosse Erfahrung von
Jahrhunderten hinter sich, und so bewundern wir heute bei den Ausgrabungen
von Rom, Pompeji u. s. v. die meisterhafte Ausführung ihrer Wände und
Wandbekleidungen. Schon die Stärke des Bewurfes, welcher manchmal
6 — 8 cm beträgt, setzt uns in Erstaunen, dann auch die grosse Glätte der
bemalten Flächen, so dass wir uns fragen : wie und aus welchem Material
ist eine derartige Wand hergestellt worden?

Die Quellenschriften des Vitruv und Plinius geben hierüber gewünschten
Aufschluss; insbesondere ist uns in Vitruv’s „Zehn Büchern über Architektur»
ein Werk des Altertums überliefert, das durch seine umfassende Beherrschung
des Stoffes den gewiegten Fachmann und Praktiker erkennen lässt.

Um sich einen richtigen Begriff davon zu machen, wie die Alten ihre
Wände für die Bemalung herstellten, ist es vor allem notwendig, alle Anweisun-
gen Vitruvs durchzusehen und auch richtig zu verstehen. Es ist auch
ganz unerlässlich, sich Stücke von „Tectorium» genau so zu be-
reiten, wie der als Baumeister gewiss gut unterrichtete Vitruv vorschreibt,
und Versuche damit zu machen.

Zwei Hauptstellen des Vitruv sind es, die meist als Beweise für Fresko-
technik bei den Alten herangezogen werden, und zwar VII, 3, 7: ,,Die Farben
„aber, wenn sie auf die feuchte Wandbekleidung achtsam aufgetragen worden
„sind, gehen deshalb nicht mehr von ihr ab, sondern haften immerwährend,»
und VII, 3, 8: „Daher werden auch Wandbekleidungen, die richtig gemalt sind,
„weder durch das Alter rauh, noch gehen die Farben, wenn man über sie hin-
„wischt, ab, ausser wenn sie nicht achtsam genug und auf das Trockene
„aufgetragen worden sind.» Scheinbar allerdings schlagende Beweise für das
Fresko bei Vitruv! Wenn wir aber das ganze Kapitel „von der Bekleidung
(tectorium opus)» im Zusammenhang durchsehen, so handelt es sich hier
überhaupt kaum um die Malerei, sondern um die Vorbereitung der Wände
für die Malerei; es handelt sich um den vortrefflichen gefärbten Stuck, auf
welchen dann die Malerei zu kommen hat; das lehrt der ganze Zusammenhang.
Die Freskoanhänger haben sich auch darüber nie Rechenschaft gegeben,
was unter „eoloribus cum politionibus inductis», „wenn die Farben gleich-
zeitig mit der Glättung aufgetragen sind», zu verstehen ist, da
doch Freskomalerei nicht gleichzeitig gemalt und geglättet werden könnte.
Die auf den nassen Stuck aufgemalten Figuren und Ornamente würden ja
durch das „Glätten» gleich wieder verdorben werden! Und dann die
Stelle: „dass, wie mannigfach auch die Mischung (des Tectoriums) immer sein
mag, das Ganze dennoch wie aus seiner eigenen Substanz zu bestehen scheint» —
wie wollen die Anhänger des Fresko denn diese Stelle erklären? Es dürfte

6*

Wichtigkeit

der Angaben

Vitruvs

Beweise

für Frpsko-

technik?

84 —

Vitruv’s
Angaben für
Wandstuck.

Schichten von

Sand- und Mar-

mormürteln.

ja dann nur Kalk und Marmorstaub genommen werden, und jede Mannig-
faltigkeit wäre ausgeschlossen. Ausserdem hätte Vitruv es gewiss nicht, un-
terlassen zu erwähnen, dass tageweises oder stückweises Arbeiten .von nöten
ist, „damit die Farben dauernd haften und einen leuchtenden Schimmer von
sich geben!» Auch findet sich nirgends in der langatmigen Erläuterung Vitruvs
eine Andeutung, dass der „wie ein Spiegel das Bild des Beschauers re-
flektierende Bewurf» durch die Krystallhaut von selbst entstehe; er er-
klärt vielmehr aufs deutlichste, dass der Stucco seine Glätte und seinen Glanz
der Arbeit des Polierens oder Glättens zu verdanken habe.

Wenden wir uns nunmehr zu den Angaben, die Vitruv im VII. Buche
macht: Nach einer Einleitung, die sich mit den architektonischen Schriften
des Altertums befasst, folgt als I. Kapitel die Beschreibung des Estrichs,
die Arten ihn herzustellen und seine Zweckmässigkeit; im II. ziemlich kur-
zen Kapitel ist vom Brennen und Löschen des Kalkes zur Herstellung
des Weisstuckes (albarium opus) die Rede, und im III. kommt er auf die
Anlage der Deckeuwölbungen, die mit Stuck verziert werden sollen, zu sprechen.
In gewölbten Räumen empfiehlt er die glatten oder auch ornamentierten
Stuckarbeiten mit einem Gesimse abzuschliessen, so dass die Wandflächen
an dieses Gesims direkt angefügt werden können. Dann heisst es weiter: 1 )
(VII, 3, b) „Nachdem die Gesimse hergestellt sind, bewerfe man
die Wände möglichst rauh, nachher aber bringe man über dem
trockenen Rauhanwurf den feinsandigen Verputz (Sandmörtel) so
an, dass die Richtung genau eingehalten werde, nach der Länge
dem Richtscheit und der Schnur , nach der Höhe dem Senkblei
und in den Ecken dem Winkelmasse entsprechend. So aber wird
die Oberfläche des Verputzes für Gemälde tadellos werden.
Während der Anwurf trocknet, füge man noch einen zweiten und
dritten hinzu , denn je besseren Grund der feinsandige Anwurf
hat, desto mehr steigert sich die Festigkeit und Dauerhaftigkeit
des Verputzes.»
((•) „Nachdem ausser dem Rauhanwurf nicht weniger als drei Schichten
feinsandigen Mörtels (Sandmörtel) angebracht si d, mache man
einen Anwurf von grobgestossenem Marmor zurecht, welches
Material so hergestellt wird, dass es beim Abarbeiten nicht an der
Mörtelscharre hängen bleibt , sondern dass man das Eisen rein
aus der Mörteltruhe herauszieht. Ist der grobe Anwurf hergestellt
und im Trocknen begriffen , so werfe man eine zweite Schicht
aus mittelfeinem Marmorstuck an ; ist diese dicht geschlagen und
gut abgeschliffen, so werfe man einen noch feineren an. So werden
die Wände, nachdem sie durch drei fein sandige (Sandmörtel)
und durch drei Marmorstuckschichten dauerhaft hergestellt
sind, weder Risse bekommen noch in anderer Weise schadhaft
werden.»

l ) Uebersetzung nach Reber, des Vitruvius Zehn Bücher über Architektur
(Stuttgart 1865).

Der Original-Wortlaut sei hier zum besseren Vergleich angefügt nach der Ausg.
von Valent. Rose et Herrn. Müller-Strübing (Lipsiae 1867):

(Vitr. VII 3,5) Coronis explicatis parietes quam asperrime trullissentur, postea
autem supra, trullissatione subarescente. deformentur directiones harenati, uti longi-
tudines ad regulam et ad lineam, altitudines ad perpendiculum , anguli ad normam
respondentes exigantur. namque sie emendata tectoriorum in picturis eiit species.
subarescente, iterum et tertio inducatur. ita cum fundatior erit ex harenato directura,
eo firmior erit ad vetustatem soliditas tectorii.

(6) Cum ab harena praeter trullissationem non minus tribus coriis luerit de-
formatum, tunc e marmore grandi directiones sunt subigemdae, dum ita materies tem-
peretur uti cum subigatur non haereat ad rutrum, sed purum ferrum e mortario
liberetur. grandi indueto et inarescente, alterum corium medioere dirigatur. id cum
subactum fuerit et bene fricatum, subtilius inducatur. ita cum tribus coriis harenae
et item marmoris solidati parietes fuerint, neque rimas neque aliud vitium in se
reeipere poterunt.

85

(7) „Wenn alter die Festigkeit des Verputzes durch Sohlageu mit s ‘ ‘j 1 ;^’,’, 1 .,» 11 ‘ 1
Hölzern noch mehr gesichert und derselbe bis zum harten [?]
Marmorglanz geglättet ist, werden sie in den gleichzeitig

mit dem Verputzen aufgetragenen Parbeneinen schi mmern-
den Glanz erhalten. 1 ‘) Die Farben aber weiden, wenn sie
sorgfältig – auf nassen Verputz aufgetragen sind, nicht schwinden,
sondern von immerwährender Dauer sein, weil der Kalk, nachdem
dessen Feuchtigkeit in den Kalköfen herausgehitzt und derselbe
porös und kraftlos gemacht ist, durch seine Trockenheit gezwungen
alles, womit er in Berührung kommt, an sich zieht und durch
Vermischung mit den von anderen Stoffen beigebrachten Bestand-
teilen und Elen. enten zu einem einzigen festen Körper erhärtend
in einen Zustand versetzt wird, dass er, aus welchen Bestandteilen
immer er dann bestehen mag. nachdem er trocken geworden, die
seiner Natur von Haus aus eigene Beschaffenheit zu haben scheint.» i

(8) „So wird der Verputz, welcher richtig hergestellt ist, weder
durch Alter rauh, noch lässt er, wenn er abgekehrt wird, die
Farben, wenn diese nicht mit zu wenig Sorgfalt oder auf
trockenem Grunde aufgetragen sind. 1 » Wenn also der Ver-
putz an den Wänden so ausgeführt ist. wie dies oben beschrieben
worden, so wird er sowohl Dauerhaftigkeit als Glanz li a b e n
und seine Trefflichkeit bis zu hohem Alter dauernd bewahren.
Wenn dagegen nur eine Schicht von feinsandigem und eine von
Marmorstuck angebracht ist, so wird der dünne Verputz nicht
stark genug sein und zerklüften , und wird beim Polieren wegen
der geringen Dicke den gehörigen Glanz nicht erlangen.»

1 1 merhaftig-
keit.

(7) Sed et baculorum subactionibus fundata Solidität e marmorisque candore firmo
levigata, coloribus cum politionibus inductis nitidos expriment splendores;
colores autem, udo tectorio cum diligenter sunt inducti. ideo non remittunt,
sed sunt perpetuo permanentes, quod calx, in fornacibus excocto liquore facta rari-
tatibus evanida, ieiunitate coacta corripit in se quae res forte contigeruut, mixtionibusque
ex aliis potestatibus coulatis seminibus seu principiis una solidescendo, in quibuscumque
membris est formata cum fit arida redigitur, uti sui generis proprias videatur habere
qualitates.

(8) Itaque tectoria quae recte sunt facta neque vetustatibus fiunt horrida
neque cum extergentur remittunt colores. nisi si parum diligenter et in arido
i’uerint inducti. cum ergo ita in parietibus tectoria facta fuerint uti supra scriptum
est, et firmitatem et splendorem et ad vetustatem permanentem virtutem poterunt
habere, cum vero unum corium harenae et unum minuti marmoris erit inductum.
tenuitas eius minus valendo faoiliter rumpitur nee splendorem politionibus propter
inbecillitatem crassitudinis proprium obtinebit.

2 J Diese Stelle gibt jeder Uebersetzer anders wieder. Bei Rode (Leipzig 1796)
heisst sie: „So sind sie (die Wände) nicht allein vor Rissen und Gebrechen gesichert.
sondern sie werfen, wenn sie mit Stöcken dicht geschlagen und mit festem Marmor-
staube — marmoris grano [statt candore] firmo levigata — geschliffen, zugleich
aber beim Polieren mit Farben überzogen wurden, einen schimmernden Glanz von
sich.» Donner p. 39 also: „so werden in ihnen weder Risse noch andere Fehler ent-
stehen können, sondern sie geben, vermöge ihrer durch das Schlagen mit Hölzern
verdichteten und durch den stäten Glanz der Marmorteilchen glatten Masse, nachdem
auch beim Polieren die Farben aufgetragen worden sind, einen leuchtenden Schimmer
von sich.» Wiegmann p. 178 übersetzt marmorisque candore: mit einem Reibstein von
weissem Marmor, offenbar unrichtig.

») Der Sinn dieser gezwungenen Erklärung soll wohl sein, dass trotz der mannig-
fachen Bereitungsart und der verschiedenartigen Beimischungen das Tectorium schliess-
lich wie „ein selbständiger Stoff von eigenartiger Beschaffenheit» erscheint.

4 ) Rode fp. 105) übersetzt diese Stelle also: „Eine gehörig verfertigte Bekleidung
wird daher weder mit der Zeit rauh, noch lässt sie, wenn sie abgewischt wird, die
Farbe fahren, diese müsste denn nicht sorgfältig genug oder auf die trockene Be-
kleidung aufgetragen worden sein.»

Donner (p. 43) legt Wert darauf „und- statt „oder» zu übersetzen, so dass der
Schlusssatz lautet: ausser wenn sie (die Farben) nicht achtsam genug und aut das
(schon) Trockene aufgetragen wurden Wiegmann übersetzt nicht wortgetreu:
sei denn Absicht auf das Trockene zu malen»‘ (Malerei der Alten p. 42).

— 86

„Spiegelnder ( g, Denn wie ein aus dünnem Blech gearbeiteter Silberspiegel nur

undeutliche und matt glänzende Reflexe gibt, ein aus dickem
Metall getriebener aber, der eine kräftige Politur aushält, den Hin-
einsehenden glänzende und deutliche Bilder zurückwirft , so be-
kommt auch der Verputz, welcher aus einer dünneren Schicht be-
steht, nicht bloss Risse, sondern erblindet auch bald. Derjenige aber,
welcher durch häufige Lagen von feinsandigem und von Marinor-
material gehörig dick ist, wird nach öfter wiederholten Glät-
tungen nicht bloss glänzen, sondern auch das Bild der
Beschauer reflektieren.»
(10) „Die griechischen Verputzarbeiter verfahren nicht bloss nach dieser
Methode . um ihre Arbeiten dauerhaft zu machen , sondern sie
lassen überdies in der Mörteltruhe den Mörtel aus Kalk und Sand
von etwa zehn Mann mit hölzernen Rammklötzen stampfen und
bedienen sich dann des so um die Wette verarbeiteten Materials.
Dabei’ sägen auch einige die Verpatzschichten von alten Wänden
ab und verwenden sie als Belegplatten; ein solcher Verputz aber
hat rings um die Platten oder Felder vorkragende Rahmen.»
Ein folgender Abschnitt (11) gibt dann die Anweisung, auch auf Fach-
werk Verputz herzustellen (durch kreuzweise befestigte Berohrung), und ein
weiteres Kapitel (IV) handelt von dem Verputz an feuchten Stellen.
chr’eült nur Aus ^er vollständigen Wiedergabe dieses ‘feiles der Vitruv’schen

die Herstellung Anweisungen kann ersehen werden, dass der Autor nur die Herstellung
des Verputzes beschreiben wollte, und dies erhellt noch mehr aus der
Reihenfolge seiner Angaben im VII. Buche, die sich genau der bautechnischen
Arbeitseinteilung anschliesst. So wird auch heute noch vorgegangen: Nach-
dem die Mauern und die Bedachung fertig ist, folgt zuerst der Estrich oder
Terrazzo, dann die Arbeiten des Bewurfes u. zw. stets von oben beginnend,
die Anbringung der Stuckarbeit an Decken und Gewölben. Da hiezu Gips-
und Kalkmörtel verwendet wird, ist das II. Kapitel (Löschen des Kalkes fin-
den Weisstuck) von Vitruv hier eingeschaltet. Ist diese Arbeit einschliesslich
der Gesimse fertig, so folgt endlich die Herstellung des Wandbewurfes, hier
also des Marmorstucks, auf dem die Wandmalereien anzubringen sind.

Dass es Vitruv ohne Zweifel darauf ankam, die Methoden der Wand-
bemal ung besonders eingehend zu behandeln, ergibt sich aus dem Umstände,
dass er nach dem allgemeinen Kapitel V. „über die Wandmalerei» , das die
Geschichte und die bereits (p. 79) erwähnte polemische Charakteristik der
Wandmalerei enthält, nocheinmal von d er V erarbeit ung des Marmors
zum Verputz handelt, ein Thema, das im III. Kapitel sonst als erledigt be-
trachtet werden müsste.

Am Schluss des V. Kapitels heisst es nämlich in direkter Verbindung
mit den luxuriösen Extravaganzen seiner Zeit:

„Was ich an Mahnungen zu sagen hatte, dass man von dem Abwege,
auf den man in der Wandmalerei geraten , wieder ablenken möge , habe ich
genugsam auseinandergesetzt: jetzt w T ill ich von der Zubereitung der

des Verputzes.

(9) Quemadmodum enim speculum argenteum tenui lamella duetum incertas et
sine viribus habet remissiones splendoris, quod autem e solida temperatura fuerit
factum, recipiens in se firmis viribus politionem fulgentes in aspectu certasque con-
siderantibus imagines reddit, sie teetoria quae ex tenui sunt dueta materia non modo
fiunt rimosa, sed etiam celeriter evaneseunt. quae autem fundata harenationis et mar-
moris soliditate sunt crassitudine spissa, cum sunt politionibuscrebris subaeta,
non modo sunt nitentia, sed etiam imagines expressasaspicientibus
ex eo opere remittun t.

(10) Graecorum vero tectores non solum his rationibus utendo faciunt opera
firma, sed etiam mortario conlocato, calce et harena ibi confusa, deeuxia hominum
indueta, ligneis vectibus pisunt materiam, et ita ad certamen subaeta tunc utuntur.
itemque veteribus parietibus nonnulli crustas excidentes pro abacis utuntur, ipsaque
teetoria abacorum et speculorum divisionibus circa se prominentes habent expressiones.

— 87 —

Verputzmaterialien, so gut ich kann, spreohen, und zwar, da von dem

Kalke schon zu Anfang gesprochen worden, zunächst vom Marmor». 5 )

Daran anschliessend handelt er im VI. Kapitel wiederum von der Verar-
beitung des Marmors zum Verputz, wie folgt:

(1) „Der Marmor kommt nicht in allen Gegenden in gleicher Be-
schaffenheit vor, sondern nur an gewissen Plätzen haben die Mar
morstücke ein durchscheinendes Korn wie Salz, und diese erweisen
sich gestossen und gemahlen als sehr passend für Verputz und
Stuckatur. Wo aber das Material sich nicht so findet , werden
die Marmorbruchsteine oder sogenannte Splitter, welche bei der
Marmorbearbeitung abfallen, in eisernen Mörsern gestossen. ge-
mahlen und gesiebt. Dieses (in verschiedenen Graden) gesiebte
Material aber wird in drei Gattungen geschieden, und die gröbere
wird, wie dies oben beschrieben worden ist, zunächsl nach dem
feinsandigen Anwurf (Sandmörtel), und zwar mit Kalk gemischt,
aufgetragen, dann die folgende und endlieh die dritte, welche
die feinste ist.

(2) Nachdem diese aufgetragen und durch sorgfältiges Abschleifen
des Verputzes geglättet sind, ist bezüglich der Farben darauf Be-
dacht zu nehmen, dass sie auf der Wand einen durchschimmernden
Glanz erlangen. [Mit dem Unterschiede zwischen diesen und mit
ihrer Herstellung verhält es sich so].»

Hier ist es notwendig, auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der, ,,’; ii(k , e ‘ff

«‘ ltruv sehen

■wie es scheint, bisher unbeachtet geblieben ist. Es findet sich nämlich am Text.

Schlüsse der oben zitierten Stelle die in Parenthese gegebene neuere
Einschiebung: „Quorum haec erit differentia et apparatio», welche den Zweck
haben soll, den Schlussatz des VI. Kapitels mit dem folgenden „von den Farben»
in Verbindung zu bringen. Aus der Anmerkung der deutschen Ausgabe von
Reber, Stuttgart 1865 p. 216, ist zu entnehmen, dass „ausser dieser Ein-
schiebung, welche von Jocundus herrührt und die spätere Editoren, Schneider
und Marini, in der Hauptsache gebilligt haben, noch ein ganzer Satz aus-
geschieden und der Rest einfach an das Ende des folgenden Kapitels ver-
setzt worden ist. Lorentzen (Observationes criticae ad Vitruvium, Gotha 1858)
hat aber sehr scharfsinnig eine andere Ordnung der in den Handschriften
sehr verwirrten Stelle in Vorschlag gebracht, indem er die von den
früheren Editoren ausgeschiedenen Sätze an ihre frühere Stelle versetzt und
dadurch Sinn und Verbindung wiederherstellt». In der neuen Vitruvausgabe
von Valentin Rose und Herrn. Müller-Strübing, Leipzig 1867 findet man diesem
Vorschlag entsprechend die früher ausgeschiedenen und versetzten Worte an
ihrem Platze, doch fehlt bei ihnen nun die ganze zweite Kapitelhälfte
der früheren Editionen ! ,; ) Es ist mithin zweifellos, dass die Schlussstelle

5 ) Vitr. VII 5, 8: Quae commonefacere potui ut ab error? discedatur in opere
tectorio satis exposui, nunc de apparationibus ut suecurrere poterit dicam, et primum
quoniam de calce initio est dictum, nunc de marmore ponam.

6 ) Aus der folgenden Zusammenstellung möge dieser Umstand ersehen werden.
Aelt. Ausg. Vitruv. VII 6: De Marmore, quomodo paretur ad tectoria. Marmor

non eodem genere omnibus regionibus proereatur, sed quibusdam locis glebao (ut salis)
micas perlucidas habentes naseuntur, quae contusae et molitae praestant tectoriis et
coronariis operibus utilitatem. Quibus autem locis hae copiae non sunt, caementa
marmorea, sive assulae dieuntur, quae marmorarii ex operibus dejiciunt . pilis ferreis
contunduntur cribrisque excernuntur. Eae autem exeretae tribus generibus seponuntur,
et quae pars grandior fuerit, quemadmodum supra scriptum est. arenato primum cum
calce inducitur, deinde sequens, ac tertio . quae subtilior fuerit. Quibus induetis et
diligenti tectoriorum fricatione levigatis, de coloribus ratio babeatur, uti in bis per-
lucentes exprimant splendores (Quorum haec erit differentia et appaiatio.) Ed.
Valent. Rose et Herrn. Müller-Strübing Leipz. 1867 (übereinstimmend mit dem Obigen
bis ex operibus dejiciunt): . . . dejiciunt, contunduntur et moluntur. et cum est sub-
cretum in operibus utuntur; aliis locis, ut inter Magnesiae et Ephesi fines. sunt loca,
unde foditur parata, quam nee molere nee eernere opus est, sed sie est subtilis,
quemadmodum si qua est manu contusa et subereta. — Es folgt dann Kap. 7 von den
Farben: Colores vero alii sunt qui per so oertis locis proereantur etc.

Weiten» Be-
weise.

– 88 —

des VI. Kapitels, wie sie in den verschiedenen Ausgaben vorliegt, verstümmelt
ist, dass ein ganzer Paragraph, der eigentlich noch zur „Verarbeitung des
Marmors zum Verputz» gehört, willkürlich an das Ende des nächsten Kapitels
(bei Sandaracha) gesetzt erscheint oder aber bei Wiederherstellung der Stelle
die andere Hälfte des Kapitels wieder gestrichen worden ist. Soviel scheint
darnach klar, dass im Texte eine Lücke sein muss.

Betrachten wir die ganze Kapitelreihe des VII. Buches näher und er-
wägen wir, welche Disposition sich Vitruv bei Abfassung desselben gemacht
haben mag, so wird sich der Schluss ergeben müssen, dass jene Annahme
Berechtigung hat, denn am Schlüsse des Buches schreibt er: „Durch welches
Verfahren und womit der Verputz je nach den Verhältnissen dauerhaft ge-
macht und wie die Gemälde in einer der Kunst geziemenden Weise
ausgeführt werden müssen, ferner welche Eigenschaften alle Farben in
sich tragen , das habe ich , soweit dies in meiner Macht stand , in diesem
Buche behandelt.» 7 ) Was den zweiten Punkt betrifft, hat er es aber nicht
getan! Im V. Kapitel spricht er allerdings von der Wandmalerei, jedoch nur
im allgemeinen und wie man nicht Räume ausschmücken sollte; er übt
scharfe Kritik an der gegenwärtigen verderbten Mode der Malerei; auch
über den grossen Aufwand der damaligen Hausherren spricht er sich abfällig
aus und schliesst (s. oben): „Was ich an Mahnungen zu sagen hatte, dass
man von dem Abwege, auf den man in der Wandmaleroi geraten, wieder
ablenken möge, habe ich genugsam auseinandergesetzt.» Indem er noch-
mals auf die Zubereitung des Verputzes zurückzukommen vorhat, wiederholt
er im VI. Kapitel das bereits im III. Kapitel ausführlicher behandelte Thema
vom Marmorverputz, „von den drei Gattungen des Marmorstucks, wie dies
oben beschrieben worden» (quemadmodum supra scriptum est). Es wäre des-
halb in der Gesamtanlage des Buches meines Dafürhaltens gelegen, jetzt die
weiteren Arbeiten auf der W’andfläche wenigstens in kurzen Worten zu er-
wähnen, da Vitruv Eingangs des V. Kapitels sich über die Art und Weise
ausgesprochen hat, wie „die Alten in den Wandgemälden von wirklichen
Dingen getreue Nachbildungen geben» und wie sich die Wandausschmückung
historisch entwickelt hatte; aber über das „Wie die Gemälde in einer der
Kunst entsprechenden Weise ausgeführt werden sollten», fehlt jede Angabe.

Es erübrigt hier noch anzufügen, welche Anweisungen wohl in den ver-
loren gegangenen Stellen hätten gegeben werden können , um das Werk in
Vitruv’s Sinne zu kompletieren: Nach der „Anweisung der Verarbeitung des
Marmors zum Verputz», hätte noch besprochen werden können, wie auf diesem
Verputz die Einteilung der Felder, die Fries- und Mittelwandung mit ein-
gefügten oder aufzumalenden Bildern und Ornamenten zu machen, wie und
in welchem Verhältnis der Sockel dazu zu wählen, mit welchen Farben die
nasse (dritte) Unterlage zu vermengen wäre, eine Angabe, die auch Plinius
nicht vergass, da er aufzählt, welche Farben sich zum Stuck eignen und welche
nur auf trockenem Grunde mit anderen Bindemitteln zu gebrauchen seien
(Plinius XXXV, § 49 und 45). Auch Verschiedenheiten der malerischen Aus-
schmückung waren ausführlicher zu behandeln, je nach den Zwecken des zu
malenden Raumes z. B. im Atrium, in Peristylen, Tempeln und öffentlichen
Gebäuden, wie Vitruv es für die Winterspeisesäle im IV. Kapitel angibt.

Hauptsächlich wäre es aber von grossem Werte, wenn noch genau
darüber berichtet worden wäre, ob die Malerei a fresco, nur mit Wasser und
Kalk, oder in einer anderen Weise auszuführen war. Vitruv, der sonst in allen
Dingen so überaus genau ist, hätte ganz gewiss darüber Aufklärung gegeben,
was es für eine Bewandtnis habe mit dem „schimmernden Glanz» der Farben,
die gleichzeitig mit dem Verputz aufzutragen waren, ob dieser Glanz von selbst
entstehe und ob „der Schutz der Wände und der Panzer gegen die Unbilden

7 ) Schluss des L. VII: Quibus rationibus et rebus ad dispositionem firmitatis
quibusque decoras oporteat fieri picturas, item quas babeant omnes colores
in se potestates, ut mihi succurrere potuit, in hoc libro perscripsi etc.

— 89 —

der Witterung» durch das punische Wachs auch auf anderen als Zinnober*
wänden nötig gewesen sei u. a. m. Nur dem unglücklichen Zufall, dasa liier
eine besonders wichtige Stelle fehlt oder verloren gegangen, ist es zuzu-
schreiben, dass wir im Unklaren darüber sind und uns deshalb in endlosen
Diskussionen und Vermutungen ergehen müssen.

Ueber die Technik der Wandmalerei erfahren wir also aus
Vitruv nichts Sicheres. Nur die Art der T ectorium- Bereitung
ist deutlich beschrieben, und von diesen Anweisungen müssen wir
ausgehen, um eine Rekonstruktion der antiken Wandmalerei vorzunehmen. In
ihnen sehen wir den Haupt wert auf dir Erzielung einer innerlich ge-
festigten und äusserlich geglät t et e n Stuckschicht gelegt, und auf diese
beiden charakteristischen Momente des antiken Stucco hat sich zu allerersl
unsere Aufmerksamkeit zu richten.

I. Massgebende Paktoren für die innere Festigkeit der
Mauermörtel im allgemeinen und des antiken Tectoriums
im besonderen.

Betrachten wir jene Anweisungen Yitruv’s, so ergibt sich nach dem
Wortlaut, dass die natürliche Bindung der Sandmörtel- und der Marmor-
stuckschichten noch gesteigert ist durch das Bearbeiten der
Fläche mit den Schlaghölzern (baculorum subactionibus). Durch
Versuche konnte festgestellt werden, dass dadurch die Schichten viel dichter
zusammengedrückt werden, weil die feineren Marmorteilchen sich mit den
darunter liegenden gröberen zu einer Masse zusammenfügen. An den Bruch-
flächen römischen oder pompejanischen Stucks sieht man ganz deutlich, wie
der gröbere an den feineren geschichtet ist, und am deutlichsten an solchen
Beispielen, bei welchen die Bewurfmasse aus gestossenen Kalkspathbrocken
besteht. Die ersten, aus gewöhnlichem Sandmörtel zusammengesetzten Rauh-
bewürfe haben keinen anderen Zweck, als der eigentlichen Stuckschicht zur
Unterlage zu dienen, und die Dicke dieser Unterlage bewirkt durch die
darin enthaltene Feuchtigkeit, wie allgemein und richtig angenommen wird,
ein längeres Feuchthalten der obersten Lagen. Dadurch ist die später zu
erledigende Arbeit des Glatt ens leichter ausführbar.

Sehr wichtig ist es zu beachten, dass der vorletzte Stuckauftrag
erfolgt sein muss, bevor mit dem Dichtschlagen der Oberfläche begonnen
tvird. Dies ist aus den Worten des Vitruv zu ersehen, da er sagt: „Ist der
erste grobe Marmor-Stuckbewurf hergestellt und im Trocknen begriffen, so
werfe man die zweite Schicht aus mittelfeinem Marmorstuck an: ist diese
dicht geschlagen und gut (mit, der Kelle) abgerieben, so
noch feineren auf.» 8 ) Aber das Schlagen mit den Hölzern
gönnen werden, wenn der Grund beinahe trocken ist, sonst
morstuck an dem Schlagholz fest und reisst den Grund wieder auf,
richtige Zeitpunkt muss eben abgewartet werden.

Als erste Bedingung sehen wir also das Dichtm achen des Bewurfes
durch mechanischen Druck im Zustande der beginnenden ober-
flächlichen Trockenheit. Nach bisheriger Annahme ist die Festigkeit
des Bewurfes als Folge der Kohlensäureaufnahme des im Mörtel befindlichen
Kalkhydrates oder gelöschten Kalkes angesehen worden, wobei durch die
Verdunstung des Wassers die Kohlensäure der Luft mit dem Kalk sich in
kohlensauren Kalk verwandelt. Mit der Zeit erhärtet die Masse immer mehr,
bis alles vorhandene Kalkhydrat sich durch Kohlensäureaufnahme in einen
„marmorähnlichen» Körper verwandelt hat. Auf diesem chemischen Prozess,
so wird behauptet, beruht die grosse innere Festigkeit der antiken Be-
würfe. 9 ) Dem ist entgegenzuhalten, was der hervorragende Fachmann. Joh.

lege man einen
kann erst be-
haftet der Mar-
Der

8 ) Vitruv VII 3, 6: … Grandi inlucto et inarescente. alterum corium mediocre
dirigatur. id cum subactum fuerit et bene fricatum, subtilius inducatur.

9 ) Der chemische Prozess, welcher beim Löschen des Kalkes und hei der
Verwendung der zu Mörtel benützten Mischung von Sand und Kalk durch sog.

Bearbeiten der
Wandfläohe
mit Schlag-
hölzern.

Dichtmacheu
des Bewurfes.

— 90 —

F° b ‘bs ^b V » Nep. v. Fuchs, in seiner Abhandlung „Ueber Kalk und Mörtel» (gesammelte
Mürtei-Kr- Schriften p. 113) sagt: „Der Zusammenhalt des mechanischen Mörtels wird
lediglich bewirkt durch das an den Teilen des Zuschlags erhärtende Kalk-
hydrat, an welche es durch die Adhäsionskraft so angedrückt wird, wie wenn
es auf eine andere Weise zusammengepresst würde. Es bildet sich dabei
zugleich immer mehr oder weniger Kalkhydrokarbonat. Es kann auch später
unter gewissen Umständen alles Wasser entweichen und durch Kohlensäure
ausgetauscht weiden. Allein dieses erfolgt immer nur äusserst langsam, und
ändert, wie ich glaube, nichts im physischen Zustande des Mörtels. War
zuvor das Kalkhydrat kompakt, so wird auch ein kompaktes Kar-
bonat entstehen; war es aber locker, so wird auch nur ein lockeres Kar-
bonat erzeugt werden. Einige Chemiker und Baumeister waren der
Meinung, dass der Kalk des Mörtels durch Aufnah me von Kohlen-
säure aus der Luft gleichsam in Marmor verwandelt werde und
sich darauf das Erhärten desselben gründe. Allein es ist nicht
einzusehen, warum gerade ein marmorartiges Produkt entstehen
müsste und nicht vielmehr ein der Kreide oder Montmilch ähn-
liches gebildet werden könnte.»
Muspratt’s Auch in Muspratt’s grossem chemischen Werk (II p. 393) ist dieselbe

sichten. Meinung ausgesprochen, dass „die Aufnahme der Kohlensäure allein dem
Mörtel keinen Zusammenhang gibt, wenn derselbe nicht vorher einen ge-
wissen Zusammenhalt durch Abtrocknen erhalten hat. Druck befördert
die Erhärtung. Ein wesentliches Moment für die Festigkeit des
Mörtels ist seine Dichtigkeit.»

Bei Mauerwerk, das durch Mörtel verbunden ist, üben die aufeinander
geschichteten Steinmassen durch ihr Gewicht einen bedeutenden Druck aus,
wodurch die Adhäsionskraft in ihrer Wirkung sehr unterstützt wird. Allein
da, wo kein Druck stattfindet – – bei Gesimsen und architektonischen Ver-
zierungen, beim Anwurf der Wände — ist man darauf angewiesen, sich eines
besseren Mörtels zu bedienen. Nach Fuchs (p. 108 und 111) kann man
den Mörtel aber nur auf zweierlei Weise verbessern, nämlich dadurch, dass
M ^ ch K ,nlHCb u man ihm entweder einen feinen mechanischen oder einen chemischen

und chemische

Zuschläge. Zuschlag (Zement) beigibt. „Bei jenem verbinden sich der Kalk und Zu-
schlag durch Adhäsionskraft, bei diesem durch die chemische Anziehungskraft.
Jener wird gewöhnlich Luftmörtel, dieser Wasser mörtel oder hydrauli-
scher Mörtel genannt. Der Zuschlag des letzteren, welcher von einer

Karbonatbildung stattfindet, ist aus folgender Zusammenstellung ersichtlich. Diese
ist entnommen dem Buch d. Erfindungen. 9. Auflage, VII. Bd. Leipzig 1899,
p. 325:

„Kalk zerfällt beim Erhitzen in die Bestandteile Kalk und Kohlensäure
Kohlensaurer Kalk = Kalk — Kohlensäure,
Ca COs = Ca ü + CO..

Der gebrannte Kalk ist chemisch das Oxyd des Metalles Calcium. Kommt Wasser
an dieses Oxyd, also an den gebrannten Kalk, so vereinigt es sich mit ihm zu Cal-
ciumhydroxyd.

Kalk -f- Wasser — Calciumhydroxyd,
CaO-j-H.O — Ca (OH)..

Durch die Kohlensäure der Luft geht der Kalk wieder in kohlensauren Kalk
über. Dabei muss, wie die Ueberlegung lehrt, das durch die Kohlensäure der Luft
in kohlensauren Kalk zurückverwandelte Calciumhydroxyd des Mörtels sein chemiscb
gebundenes Wasser wieder hergeben :
Calciumhydroxyd (gelöscht. Kalk) -f- Kohlensäure aus der Luft = kohlens. Kalk — Wasser,

Ca(OH) 2 -f- CO. = Ca COs -f- HO.

und daraus erklärt sich, dass, so lange nicht aller Kalk in den Wänden in kohlen-
sauren Kalk übergegangen ist, die Wände immer wieder feucht werden. Das Heizen
solcher Räume an sich kann also das Austrocknen nicht bewirken. Nur wenn man
zugleich für eine reichliche Entwicklung von Kohlensäure sorgt, also möglichst schnell
allen gelöschten Kalk in der Wand in kohlensauren Kalk verwandelt, wird man Erfolg
haben. Dieses ist der Grund, weshalb man in den Neubauten offen brennende Koks-
köriie aufstellt. Sie liefern durch das Verbrennen von Kohle viel Kohlensäure, und
die von ihnen gleichzeitig gelieferte Wärme sorgt dafür, dass das durch die Kohlen-
säure in der Wand frei werdende Wasser rasch verdunstet.»

– 91

solchen Beschaffenheil sein inuss, dass der Kalk chemisch darauf wirken
kann, heisst Zement oder chemischer Zuschlag. Beide Mörtelsorten werden
in der Praxis sehr oft mit Wirteil vereinigt , indem man dem mechanisehen
Mörtel einen chemischen und dem chemischen einen mechanischen Zusohlag
gibt. Dieses Gemenge kann man Doppel in ort el nennen».

Als solchen Doppelmörtel müssen wir den antiken Bewurf Sog ‘ jR*lj pel »
auch betrachten, da als mechanischer Zuschlag der Marmorsand oder das
in drei Siebungen verwendete zerkleinerte Material von ECalkspath zur An
wendung kommt und als chemischer Zuschlag die p n t eo I a n i sc h e Erde ge-
bräuchlich war. Diese von Vitruv (II, 6) beschriebene puteolanisohe Erde
oder Puzzolana 10 ) kommt in der Gegend von Bajä und im Gebiete der Städte,
welche um den Vesuv herumliegen, vor und diente zu allen Arten von Hauten,
insbesondere zu Wasserbauten, weil sie, wie wir sagen, hydraulische Eigen-
schaften hat. Mit Puzzolanerde angemachter Mörtel erhärtet demnach ohne
Zutritt der Luft, vielmehr durch die Einwirkung des Wassers auf die durch
vulkanische Kraft aufgeschlossene Kieselsäure, welche in den natürlichen
Puzzolanen gebildet ist.

Man hat auch vielfach angenommen , dass die Festigkeit der alten (1 J^|f sVin^’a-
Mauern eine Folge der Silikatbildung ist, 11 ) d. h. dass der mit dem Kalk bildung.

10 ) „Puzzolane, hydraulische Zuschläge, welche gleich dem Kalk die Eigenschaft
haben im Wasser zu erhärten, sind zumeist natürliche Produkte. Die Puzzolanerde,
Puzzuolanerde I Pulvis puteolanus) nach dem Fundorte Puteoli (heute Puzzuoli) am Ve-
suv genannt, ist vulkanisches Tuffgestein von körniger, wenig poröser Struktur, von
welchem die Römer schon lange vor unserer Zeitrechnung zu ihren Wasserbauten
Anwendung gemacht haben. Sie war lange Zeit hindurch das einzige und ist noch
beute ein ausgezeichnetes Material zur Bereitung von Wassermörtel. Sie wird in der
Nähe von Neapel in grossen Mengen gewonnen. Auch Rassano bei Torre del Greco
und Monte Nuovo produzieren ein sehr gutes Material. Die besseren Sorten besitzen
eine dunkelbraune Farbe. Die in der Nähe von Rom und im Albanergebirge ge-
wonnene rötlich-violette oder schwarz-graue Puzzolanerde verwendet man an Stelle
von Sand zu Luftmörtel, da in der Nähe von Rom guter Sand schwer zu beschaffen
ist. Der Puzzolanerde ähnliche vulkanische Produkte finden sich auch in Frankreich,
in der Auvergne. Die Puzzolanerde verliert beim Erhitzen Wasser und lässt sich
durch starke Salzsäure ziemlich vollständig zersetzen.

Einen der Puzzolane ähnlichen Tuffstein (Trass) entdeckten die Römer in Deutsch-
land am Rhein. Ob sie ihn schon für Wasserbauten benützten, ist nicht bestimmt
festgestellt. Als sicher kann angenommen werden, dass am Ende des XVII. Jhs.
dieses Gestein in grosser Menge zu hydraulischem Mörtel verwendet wurde.

San toriner de ist ein von den griechischen Inseln Santorin, Therasia und
Aspronisi stammendes vulkanisches Tuffgestein und unterscheidet sich von dem
rheinischen Trass und der römischen Puzzolanerde äusserlich nur duich geringere
Festigkeit und Dichtigkeit. Dagegen ist sie durch ihren bedeutenden Gehalt an feiner
amorpher Kieselerde ausgezeichnet und auch weniger leicht von Säuren zersetzlich.
Sie ist im wesentlichen ein Gemenge von verschiedenen zersetzten Kieselfossilien.

Alle drei vulkanische Tuffgesteine, Puzzolanerde, Trass und Santorinerde, ge-
hören, wenn sie auch als Konglomeratbildungen von sehr wechselnder Zusammen-
setzung sind, offenbar der Trachytformation an. Alle drei enthalten chemisch ge-
bundenes Wasser und aufgeschlossene Kieselsäure. Hierauf beruht im wesentlichen
das Erhärten des mit diesen Zuschlägen angerührten Kalkmörtels, indem sieh hiebei
auf nassem Wege, also auch unter Wasser, eine Verbindung von Kalk und Kiesel-
säure vollzieht.» (Buch d. Erfindungen, 9. Aufl., VII. Bd. Leipz. 1899, p. 48.)

«) Ueher den Unterschied des Erhärtens des Mörtels durch Karbonatbildung
und Silicatbildung vergl. Muspratt II p. 393 ff. Es heisst daselbst die Silicat-
bildung betreffend:

„Es ist allerdings durch Versuche, namentlich von Petzold (Journ. f. prakt.
Chemie ([I] 16, 96) erwiesen, dass die Kieselsäure, auch die unaufgeschlossene, imstande
ist, unter Umständen, namentlich bei genügender Feuchtigkeit, bei sehr feiner Zer-
teiiung und längerer Dauer in Berührung mit Aetzkalk eine Silicatbildung herbei-
zuführen und dadurch das Erhärten des Mörtels zu befördern ; auch spricht dafür, dass
erst mehrere Jahre alter Mörtel sich in Salzsäure unter Zurücklassung der Sandkörner
löst, während die Säure aus Jahrhunderte alten Mörteln gelatinöse Kieselsäure bildet;
allein in vielen Fällen zeigt sich in alten, sehr harten Mörteln eine Silicat-
bildung nicht, auch wird Mörtel gleich hart, wenn man den Kieselsand durch
Kalksand ersetzt.

Es mag die Silicatbildung bei uralten Mörteln eine Rolle gespielt haben, welche
aber für die Erhärtung des gewöhnlichen Mörtels während eines Menschenalters un-

– 92 —

vermengte Sand sich „verkieselt». Dies ist aber nur möglich wenn zum
Mörtel Sand oder Quarz , welches chemisch reine Kieselsäure ist , genominen
wird. Beim antiken Stuck, der in seiner Hauptsache aus Marmor, d. h.’ kohlen-
saurem Kalk, besteht, trifft demnach die obige Art der Silikatbildung nicht zu.
Die in alten Mörteln nachgewiesene aufgeschlossene Kieselsäure rührt
vielmehr von einein Tongehalt der verwendeten Kalke her (s. Note), also
von dem Gebrauch der Zemente (Puzzolane , Trass u. dergl. , welche nichts
anderes sind als natürlich gebrannte Tonsorten). Es dürfte zur Bekräftigung
dieses Umstandes von Interesse sein, auf die in der Note gegebenen Mörtel-
analysen antiker Bauwerke, insbes. auf die altrömischen Puzzolane-Mörtel
hinzuweisen 12 ), und damit die chemischen Analysen der Puzzolane römischen,
campanischen und nordischen Ursprungs zu vergleichen. 13 )

wesentlich ist, vielmehr wird dieselbe nur dem Einflüsse der atmosphärischen Kohlen-
säure verdankt. Nach Winkler (Polyt. Jouru. 154, 58) rührt die aufgeschlossene
Kieselsäure in alten Mörteln von einem Tongehalt der verwendeten
Kalke her.»

1S ) Wallace fand altrömische Puzzolane-Mörtel wie folgt zusammengesetzt:
a) von Hadrian’s Villa im Tivoli bei Rom, bl von der Innenseite einer Mauer
in Pompeji, c) von dem Dache latinischer Gräber, d) von einer Mosaik in den
Bädern dos Caracalla in Rom. (s. Muspratt II p. 400.)

a

b

c d

Kieselsäure und Sand

41,10

33,36

36,26 30,24

Tonerde

14,70

2,86

16,39 10,64

Eisenoxyd

4,92

2,32

1,23 3,67

Kalkerde

15,30

29,88

19,71 25,71

Magnesia

0,30

0,25

0,71 0,90

Kali

1,01

3,40

nicht bestimmt

Natron

2,12

3,39

)? y)

Kohlensäure

11,80

23,70

13,61 17,97

Organische Stoffe

2.28

1,50

– 2,48

Wasser

5,20

1,00

8,20 5,50

Analysen von Mörtel antiker Bauten nach Wallace (a. a. O. p. 395):
a) Phönicischer Mörtel von Cypern, ausserordentlich hart und fest mit 0,52 lös-
licher Kieselsäure (Polyt. Journ. 177, 372), b) u. c) altgriechischer Mörtel, erstere Sorte von
der Pnyx in Athen, stets der Luft ausgesetzt gewesen, sehr hart und graulich, letztere
Sorte aus dem Inneren eines alten Tempels in einer Höhle im Pentelikon bei Athen,
der Luft nicht ausgesetzt gewesen, dj von altrömischen Bauten in Burgh nach Spiller.

a b c d

Steine 28,63 — —

Grober Sand 3,37 1 i 9 nß I q QO * 54 50

Feiner Sand 16,20 ( 1Z ‘ üb | d ‘ yU J ö ‘ dU

Kohlensaurer Kalk — — — 25,75

Kohlensaures Magnesia — 0,08

Kalkerde 26,40 45,70 49,65

Tonerde -,16 2 64 0,98

Eisenoxyd 0,99 0,92 0,82

*Lösliche Kieselsäure — — 0,40

Kohlensäure 20,23 37,00 38,33

Wasser 0,45 0,36 3,07 0,92

Magnesia 0,97 1,00 1,09 —

Schwefelsäure 0,21 — 1,04

Organische Stoffe 0,56 —

Rote Ziegelerde 18,00

Schwefelsaurer Kalk — 0,15

Chlornatrium — — — 0.05

*Zur Silicatbildung beitragende Kieselsäure.

I8 l Zusammensetzung der Puzzolane nach Analysen von Berthier (a und
b) aus den Gruben von St. Paul bei Rom und von Vicat (c) vom Vesuv, d) nach

Demarchi von San Paolo. u „ rt

a b c d

Kieselsäure 44,5 59,15 46,5 47,66

Tonerde 15,0 21,27 10,5 14,33

Kalkerde 8,8 1,90 10,0 7,66

Magnesia 4,7 — — 3,86

Eisenoxyd 12,0 4,76 29,5 10,33

Ko„ y } ^ – } 4 – 18

Wasser 9,2 2,56 2,50 7,03

Sand — — — 5,00

93 –

Wir können demnaoh für die Herstellung des antiken Teotoriums aus
den obigen Ausführungen den Sohluss ziehen, dass dessen innere Festigkeil
abhängt von der Anwendung des sog. Doppelmörtels (Puzzolanmörtel) und
von der mechanischen Manipulation des Schiagens mit den Hölzern, wodurch
die einzelnen Teilchen näher aneinander zu liegen kommen und in diesem
Zustande erhärten. Wir können aber auch selbst aus der oben zitierten,
schwerfällig ausgedrückten physikalischen Erklärung des Vitruv (VII 3, 1)
entnehmen, dass „Zuschläge» gebräuchlich und, wie aus den erwähnten Dar-
legungen von Fuchs und Anderen ersichtlich ist, zweckentsprechend waren.
Vitruv verschweigt zwar, was für „andere Stoffe und beigemengte Elemente»
den Bewurf in den Zustand versetzten, dass er, ,, woraus immer er bestehen
vermag, nach dem Trocknen wie ein selbständiger Stoff von eigen-
artiger Beschaffenheit erscheint» (in quibusoumque tnembris est formata,
cum fit arida. redigitur, uti sui generis proprias videatur habere qualitates);
die Möglichkeiten können sich aber nur nach zwei Seiten bewegen, nämlich
nach den mechanischen oder nach den chemischen Zuschlägen. Zu den me-
chanischen Zuschlägen wären ausser dem Kalkspath, Marmormehl und
anderen gestossenen Erden die Erdfarben (Metalloxyde) zu rechnen, zu den
chemischen Zuschlägen die Puzzolane oder zu Staub gelöschter Kalk,
der nach dem Urteil von Praktikern auch für Doppelmörtel geeignet zu sein
scheint und bei manchen Stuckarbeitern auch heute noch im Gebrauch ist
(s. das Marmorino-Rez. weiter unten sowie m. Versuche).

Nicht ausgeschlossen, ja sogar im höchsten Grade wahrscheinlich sind z «|!^ l 1 1 f!f l ‘. h »;,» 1
Zuschläge von organischen Materien zum letzten oder auch vorletzten
Stuckauftrag, denn es sind in chemischen Analysen organische Substanzen
nachgewiesen worden (s. den betr. Abschnitt), und wir haben überdies die
Nachricht bei Plinius (XXXVI, 177), dass das Tectorium des Minervatempels
zu Elis mit Milch angerührt worden ist, sowie eine Notiz desselben Schrift-
stellers (XXXV, 194), wonach mit Selinusischer Kreide, „mit Milch angerührt.
Weissstuck wiederaufgefärbt wird». 14 ) Mit Milch gemischt, erhält der Kalk-
stuck grosse Härte, und die Kittmassen späterer Zeit bestehen unter anderem
aus Käsestoff und Kalk („malthae» s. m. Beitr. III p. 26). Diese Eigenschaft
des Caseins ist längst bekannt gewesen, ebenso auch die gleiche Eigenschaft
des Eiweiss. Mithin ist es sehr möglich, dass unter den „anderen Stoffen
und beigemengten Elementen» auch solche organischer Art gemeint sein
können (s. den Abschnitt: „meine Versuche» u. chemische Analysen). Ebenso
beweisend ist das bereits (p. 79) kurz erwähnte Doppelzeugnis des Vitruv
und Plinius, wonach die tectores das Schwarz mit Leim vermischt verwen-
deten. Vitruv berichtet darüber ausführlich in einer jeden Zweifel aus-
schliessenden Form und erwähnt die Leimzumischung beim schwarzen Tec-
torium dreimal, u. zw. bei Russschwarz, Kohlschwarz und Rebenschwarz,
wie folgt:

(VII 10, 2 bis 4): „Nachdem man ihn (den Russ) dann ge-
sammelt, wird er zum Teil mit Gummi versetzt und dient so als
Tinte, während das übrige von den Verputzarbeitern unter

Materien.

BeimiscInniK

von Leim zum

schwarzeo

Tectorium.

Nach Sau vage enthielt Puzzolane aus den Ardennen 56 lösliche Kieselsäure,
7 Ton, 17 feinen Quarzsand, 12 Chlorit und 8 Wasser.

Zur Mörtelbereitung nimmt man in Italien dem Volumen nach auf 1 T. Kalk
1 bis 2T. Puzzolane mit (1 T.) oder ohne Sand, oder 3 Kalk, 4 Puzzolane und 4 Sand.
Man mengt auch wohl 1 T. Kalkbrei mit 2 T. Sand und 3 T. Puzzolane. breitet das
Gemenge auf dem Boden aus, schüttet in ein ausgehöhltes Loch 1 T. ungelöschten
Kalk, i>. giesst ihn mit Wasser, bedeckt den Kalk beim Beginn des Löschens mit der
teigigen Masse und arbeitet die Masse unter Zusatz der nötigen Wassermenge ge-
hörig durch, (s. Muspratt II p. 399.)

i4 j Plin. XXXVI, 177: Elide aedis est Minervae, in qua frater Phidiae Panaenus
tectorium induxit lacte et croco subactum, ut ferunt; ideo, si teratur hodie in eo
saliva pollice, odorem croci saporemque reddit.

Ebenda XXXV, 194: eadem (Selinusia terra) lacte diluta tectonorum al-
baria interpolantur.

— 94 —

Beimischung von Leim an den Wänden verwendet wird.
(3) Ist aber solches Material nicht fertig zur Hand, so ist, damit
die Arbeit durch langwieriges Warten nicht aufgehalten werde, dem
Drang der Umsiände in folgender Weise Rechnung zu tragen. Man
verbrenne Reisig oder Kienspäne; sobald sie zu Kohlen verwandelt
sind, lösche man sie aus; dann zermalme man sie in einem Mörser
unter Beifügung von Leim, so wird das Schwarz den Ver-
putzarbeitern nicht unentsprechend sein. (4) Nicht minder
wenn getrocknete Weinhefe, im Glühofen zu Kohle gebrannt und
gerieben, unter Zusatz von Leim im Stuck aufgetragen wird;
sie ergibt einen noch weicheren Ton als gewöhnliches Schwarz, und
je besser der Wein (Trester) , aus dem sie gewonnen , desto mehr
wird sie nicht bloss das gewöhnliche, sondern auch das indische
Schwarz (Tusche) erreichen.» 15 )
Ebenso sagt Plinius bei der Beschreibung der schwarzen Farben, aller-
dings ganz kurz (XXXV, 48) : „Jedes Schwarz wird an der Sonne zubereitet,
für Schreiberzwecke mit Gummi, für Verputz arbeit mit Leim vermischt.
Wenn es mit Essig flüssig gemacht ist, lässt es sich schwer abwaschen.» 16 )
Bei dem schwarzen Tectorium mag ein organischer Zusatz zur Farbe
schon deshalb am Platze gewesen sein , weil die feinen Russteilchen nicht
körperhaft genug sind, und gerade beim schwarzen Bewurf die Kalkzugabe
eine geringere sein musste, weil sonst nur ein grauer Ton erzielt wird.
Versuche haben ergeben, dass Leimzugabe zur letzten Schicht auch bei an-
deren Farben gute Dienste geleistet haben, und es ist nicht ausgeschlossen,
dass die alten Stuckarbeiter die einmal erkannten Vorteile auch bei anderen
Farben auszunützen suchten, z. B. bei der blauen Farbe, welche, künstlich
hergestellt, von ebenso geringer Körperhaftigkeit ist, wie die schwarze.

II. Die Erzielung der äusseren Erscheinung an dem
Tectorium der Alten.

Nach dem Auftrag der drei Schichten von Sandmörtel und der zwei
Schichten von Marmorstuck, nacheinander in noch nicht völlig getrocknetem
Zustand, soll nach Vitruv’s Weisungen noch eine sechste feinste Schicht
von Marmorstuck aufgetragen und so abgeschliffen oder geglättet werden,
dass von den Farben ein schimmernder Glanz ausgeht, „udo tectorio cum
Schwierig- diligenter sunt inducti». Was heissen diese Worte? Die gewöhnliche Ueber-

keiten der Er- . in der Glanzpapier-
fabrikation, wird diese Waohsart deshalb verwendet.

Dies vorausgeschickt lassen wir die Anweisung des Plinius zur Be-
reitung des punischen Wachses hier folgen. Er schreibt XXI, 83 II*., wo
er vom Wachs überhaupt handelt und die Eigenschaften des aus Pontus, Kreta
und Korsika bezogenen Wachses anführt:

„Das beste’ ist das sog. punische. . . (84) Das punische bereit et

man folgendormassen: Gelbes Wachs wird im Freien längere Zeit der

Luft ausgesetzt. Darauf kocht man es in Meerwasser, welches man

aus der Tiefe geschöpft hat, mit einem Zusatz von nitrum (Soda

oder Pottasche), schöpft davon mit Löffeln das oberste ab, d. h.

den weissesten Teil, und giesst es in ein Gefäss mit etwas kaltem

Wasser. Dies kocht man nochmals besonders mit Meerwasser und

kühlt dann das Gefäss ab. Nachdem man dies dreimal wiederholt

hat, trocknet man es im Freien auf einem Binsengeflechte bei

Sonnen- und Mondschein. Das letztere macht es weiss, die Sonne

trocknet es, und damit sie es nicht schmelze, bedeckt man es mit

einem dünnen Leinentuch. Am weissesten wird es, wenn es nach

der Besonnung nochmals gekocht wird. Das Punische Wachs ist zu

Arzneien am tauglichsten. (85) Mit Papierasche wird Wachs schwarz,

mit Anchusawurzel rot gefärbt, und die verschiedensten Farben

gibt man ihm durch färbende Stoffe, um Dinge der Wirklichkeit

getreu nachzuahmen, auch dient es dem Menschen zu unzähligen

anderen Zwecken, sogar zum Schutze der Wände und der Waffen.» ‘)

Dioskorides (II, 105) beschreibt das Verfahren in derselben Weise

und betont noch besonders, wenn kein Meerwasser zu haben sei, könne

man die wiederholten Kochungen in starker Salzlauge vornehmen: (in lat.

Uebers.) nee desunt, qui vice marinae ex alto petitae in muria acerrima semel

aut iterum antedicto modo coquunt. Ebenso wie bei Plinius wird hier mit

Lauge verseift (insperso etiam nitri momento).

Trotz dieser deutlichen Angabe des Laugenzusatzes ist von vielen das
punische Wachs nur für besonders vorsichtig gebleichtes gehalten worden.
Selbst der so genaue John glaubt, obwohl ihm der zersetzende Einfluss von
Natron auf Wachs bekannt war, dass dieses durch die nachherige Behandlung
mit Wasser „wahrscheinlich» vollkommen wieder weggenommen werde. -)

Donner (Technisches p. 12) schreibt aber dem Einfluss des Natron eine
„leichte Verseifung» des Wachses zu, wodurch sein „sprödes, hartes brüchiges
Wesen benommen und es etwas geschmeidiger, zäher, nachgiebiger» ge-
macht werde.

Wenn man das Rezept des Plinius prakti seh versucht, so kommt man
zu folgender Erklärung des Vorgangs: Durch das mehrmalige Kochen in Meer-
wasser, das bekanntlich Kochsalz (Chlornatrium) gelöst enthält, soll der dar-
auffolgende Bleichprozess erleichtert werden; die Wachsmasse schäumt stark
auf. Schöpft man hierbei stets das «oberste ab und giesst es in ein mit kaltem
Wasser gefülltes Becken, so schwimmt das Wachs in flachen Scheibchen
oben auf; diese Form eignet sich für die Bleiche sehr, denn es handelt sieh
ja um möglichste Ausbreitung der zu bleichenden Masse. Der Zusatz von

Plinius

Ubor punisches

Wachs.

l ) Plin. XXI, 83: Optima quae Punica vocatur . . . 84: Puniea fit hoc modo: ven-
tilatur sub diu saepius cera fulva, dein fervet in aqua marina ox alto petita, addito
nitro, inde lingulis hauriunt florem, id est candidissima quaeque, transfunduntque
in vas, quod exiguum l’rigidae habeat, et rursus marina decoeunt separat im, dein vas
ipsum . . . refrigerant, et cum hoc ter fecere, iuncea crate sub diu siccant solo lunaque:
haec enim candorem facit, sol siccat, et ne liquefaciat, protegunt tenui linteo. can-
didissima vero fit post insolationem etiamnum recoeta. Punica medioinis utilissima.
85: Nigrescit cera addito chartarum cinere , sicut anchusa admixta rubet, yariösque
in colores pigmentis trahitur ad reddendas similitudines et innumeros mortalium usus
parietumque etiam et armorum tutelam.

*) John, Malerei der Alten, Berl. 1836, p. 204.

7*

Verseifung

oder

Emulgierung.

— 100 —

nitrum bezweckt die Verseifung oder nur Emulgierung des Wachses, wobei be-
merkt sei, dass unter nitrum der Alten nicht nur Soda d. i. kohlensaures
Natron (mineralische Lauge), sondern ebenso Pottasche d. i. kohlensaures
Kali (vegetabilische Lauge) zu verstehen ist. Auch ist es erklärlich, warum
neben der Verseifung durch die damals angewandte Pottaschenlauge die mehr-
maligen Kochungen mit Meerwasser vorgeschrieben sind: denn durch diese
Prozedur wird das kohlensaure Kali der vegetabilischen Lauge in kohlensaures
Natron umgesetzt, ein Verfahren, welches in der Seifenfabrikation früherer
Zeit überhaupt gebräuchlich war, um aus der sog. weichen Seife eine harte
zu machen. Möglicherweise hatten derartige Kochungen mit Salzlauge nur
den Zweck, den Siedepunkt der Wachsauflösung zu erhöhen und dabei die
Emulgierung zu erleichtern. Ganz auffallend und wichtig zu bemerken ist,
dass das Volumen des Wachses durch diese Prozedur der Emulgierung
auf mindestens das zehnfache vergrössert wird und überdies, um es
praktisch zu verwenden , durch eine beliebige Menge von Wasser verdünnt
werden kann ; die überaus fein zerteilten Wachspartikelchen mischen sich mit
Wasser zu einer milchigweissen Flüssigkeit. 3 )

Noch eine Erwähnung der Lösbarkeit des Wachses durch Lauge,
wie solche zur Verseifung von Fetten diente (Pottaschenlauge), findet sich bei
einem späteren Autor, Q. Serenus Sammonicus, der freilich seinen Stoff
fast ganz aus Plinius geschöpft hat, in einem Rezept zur Heilung der durch
Schläge entstandenen Wunden, Hb. medicinalis v. 7Ü5: Tum lixiva cinis ceras
dissolvit et ova admixtoque oleo vibices comprimet atras, wobei zugleich
auf die Verbindung von verseiftem Wachs mit Ei und Oel aufmerksam ge-
macht sei.

Die Bezeichnung dieser Wachsart als „punisch» wird damit zu erklären
sein, dass die Umgebung von Carthago reich an mineralischer Soda war und
vielleicht von dort aus die Methode der Verseifung des Wachses sich weiter
verbreitet hat.

hI; er ^n n AH n on Was die Verwendung des punischen Wachses bei den Alten betrifft, so

haben wir zu unterscheiden zwischen den sicher überlieferten Nachrichten und
den hypothetischen Annahmen. Plinius berichtet XXI, 84 nur, dass es medi-
cinis utilissima, und § 83, dass es optima, die beste Sorte sei. Der Schluss-
satz (§ 85 nigrescit cera u. s. w.) handelt, da das einfache cera als Subjekt
gesetzt ist, vom Wachs überhaupt ohne Unterscheidung irgend welcher
Sorten; streng genommen sind demnach auch sämtliche Arten unterschiedlos
zu verstehen, so dass keine von vorneherein ausgeschlossen ist. Sollte man
aber noch ungewiss sein, ob auch das punische Wachs mit verstanden werden
müsse, so genügt zur Beseitigung des Zweifels die Tatsache, dass in den
letzten Worten parietumque etiam et armorum tutelam der unverkennbare
Hinweis auf das Verfahren der sog. Ganosis enthalten ist, in dessen Beschrei-
bung bei Vitruv VII, 9, 3 und bei Plinius XXXIII, 122 das punische Wachs
ausdrücklich vorgeschrieben wird und Vitruv sogar mit wiederholtem Aus-
druck den schützenden Wachsüberzug der Wand einen „Panzer von punischem
Wachs» (cerae Punicae lorica) nennt. Mit demselben Recht werden wir also
diese Art auch bei den vorhergehenden Worten mit verstehen dürfen , die
das Wachs als geeignet bezeichnen, sich mit Papierasche, Anchusawurzel und
„anderen Farbstoffen zur Erzeugung mannigfaltiger Farben zu verbinden,
um Dinge der Wirklichkeit getreu nachzubilden» (variosque in colores pig-

bci den Alten.

3 ) Rez. zur Herstellung des punischen Wachses: 100 gr weisses (gebleichtes)
Wachs, 10 gr in Wasser gelöste Pottasche, 250 gr destill. Wasser werden zusammen
gekocht, bis alles Wachs gelöst ist. Beim Erkaltenlassen wird die Masse fortwährend
verrührt, wobei noch kaltes Wasser zur Verdünnung beigemischt werden kann.
Nimmt man statt Pottasche Soda, dann ist es angezeigt, noch 10 gr in Wasser ge-
löste Venetianer Seife (i. e. durch Natronlauge verseiftes Olivenöl) mitzukochen. Die
Masse wird dadurch geschmeidiger. Am einfachsten kann man sich eine Wachs-
emulsion herstellen, indem man Wachs mit Venetianer Seife kocht (z. B. 100 gr
Wachs, 25 gr Venetianer Seife, 250 gr Wasser).

— 101 —

rnentis trahitur ad reddendas similitudines), und nichts hindert uns, ausser der
farbigen Waohsplastik auch an den Gebrauch des punischen Wachsos in der
Malerei zu denken.

Wenn freilich Donner (Technisches p. 12) so weit geht, nur punisches
Wachs zuzulassen, und auf dessen ausschliesslichen Gebrauch seine Theorie
der enkaustischen Technik basiert, so kann ich dieser Ansicht nicht bei-
stimmen. Denn die von dem gewöhnlichen Wachs verschiedenen
Eigenschaften des punischen haben auch eine Verschiedenheit in der An-
wendung zur Folge. Wenn Plinius überall, wo er von der Tafel -Enkaustik
spricht, einfach cera oder cerae sagt, bei der Ganosis der Wände aber und
der Marmorstatuen das mit Namen genannte punische Wachs erwähnt, so ist
dieser Unterschied nicht stilistisch bedeutungslos, sondern technisch wohl be-
gründet, weil gewöhnliches Wachs, wenn es auf Tafelbilder heiss auf-
getragen und mit den heissgemachten Metallinstrumenten (Cauterien) weiter
verarbeitet wurde, dabei immer eine pastose Farbenschicht bildete,
dagegen aufwänden und zur Wachsbeize der Marmorstatuen ein möglichst
dünner Ueberzug vonnöten war. Durch Versuche kann sich jeder leicht
überzeugen, dass heissflüssiges Wachs sich niemals gleichmässig auf einer
Wandfläche ausbreiten lässt. Wäre bei der Enkaustik das punische Wachs
(und obendrein ausschliesslich) gebraucht worden, so würde ja Plinius auch
mit sich selbst in Widerspruch geraten, da er XXXV, 49 die enkaustische
Malerei (mit heissen Wachsfarben) „für Wände ungeeignet» (alieno parietibus
genere) nennt und XXXIII, 122 mit einem Zusatz von Oel heissfiüssig ge-
machtes punisches Wachs mit einem Pinsel auf die Wand streichen und
dann von neuem durch Kohlenglut bis zum Schwitzen erhitzen lässt. Der
Widerspruch löst sich nur durch die Annahme, dass zur Enkaustik nicht
punisches, sondern natürliches Bienenwachs gebraucht worden ist, und
diese Annahme ist im Einklang mit der Tatsache, dass die beiden Wachs-
arten durchaus von einander verschiedene Eigenschaften zeigen.

Die uns sicher überlieferte Anwendung des punischen Wachses bestand „üanusis»
in dem Verfahren, das mit griechischem Ausdruck als Ganosis 4 ) bezeichnet
wurde. Beschrieben wird es von Vitruv, der beim Wandanstrich mit Zinn-
ober, der sich an der freien Luft erfahrungsgemäss schlecht erhalte, VII, 9, 3
darüber berichtet, wie folgt:

„Wenn aber jemand sorgfältiger ist und wünscht, dass die Zinn-
oberwandbekleidung ihre Farben behalte, so überziehe er sie, nach-
dem die Wand geglättet und getrocknet ist, mittels eines Borsten-
pinsels mit punischen Wachs, das über dem Feuer geschmolzen
und mit etwas Oel vermischt ist; nachherhalte er Kohlen in einem
eisernen Becken nahe an die Wand und bringe das Wachs durch
Erwärmung bis zum Schwitzen und zwar so, dass die Ober-
fläche gleichmässig werde. Darauf bearbeite er es mit einer
Wachskerze und mit reinen leinenen Tüchern, so wie man nackte
Statuen behandelt. Dies wird auf griechisch Ganosis genannt. So ent-
steht ein schützender Panzer von punischem Wachs, der nicht
zulässt, dass weder der Glanz des Mondes noch die Strahlen der Sonne
daran leckend diesen Wandbekleidungen die Farben entziehen.» 5 )

4 ) Der Name Ganosis steht seit Welckers Nachweis in den neueren Ausgaben.
Die Handschriften haben (mit leichtem Schreibfehler) gnosis. woraus in den älteren
Ausgaben xaöais gemacht worden ist. Dies hat Verwirrung angerichtet und zur Ver-
wechselung mit der Enkaustik geführt; Salmasius wollte geradezu sy^a-jais dafür setzen.

5 ) Vitr. VII, 9, 3: si qui subtilior fuerit et voluerit expolitionem miniaceam
suum colorem retinere, cum paries expolitus et aridus fuerit, ceram punicam igni
liquefactam paulo oleo temperatam saeta inducat; deinde postea carbonibus in ferreo
vase compositis eam ceram a proximo cum pariete calfaciundo sudare cogat, itaque
ut peraequetur; deinde tunc candela linteisque puris subigat, uti signa marmorea nuda
curantur. haec autem y^vcoais graece dioitur. ita obstans cerae punicae lorica
non patitur nee lunae splendorem nee solis radios lambendo eripere ex bis politionibus
colorem.

— 102 —

Und offenbar aus dieser oder einer gemeinsamen Quelle schöpfend sagt
Plinius XXXIII, 122 fast wörtlich dasselbe über dieselbe Sache:

„Die Berührung durch Sonne und Mond ist ihm (d. h. dem
Zinnober) schädlich. Ein Gegenmittel ist, geschmolzenes puni-
sches Wachs, mit Oel gemischt, glühend heiss mit einem Borsten-
pinsel auf die trocken gewordene Wand zu streichen und zum
zweitenmal durch nahegebrachte Galläpfelkohlen 6 ) bis zum Schwitzen
zu erhitzen, dann mit, Wachskerzen und weiter mit reinen leinenen
Tüchern zu bearbeiten, wie auch die Marmorstatuen glänzend ge-
macht werden.» 7 )
Wir haben hier demnach zwei Anwendungsarten des punischen Wachses,
u. zw. erstens die Herstellung des gleichmäs sigen Glanzes der (mit Zinn-
ober bemalten) Wandflächen und zweitens die Behandlung der Oberfläche der
Marmorbildwerke. Bei beiden haben wir uns das Verfahren gleichartig zu
denken, und da hiebei nichts anderes bezweckt wurde, als eine Art von Wachs-
politur auf der Oberfläche der Wandfläche oder des Marmors hervorzubringen,
so ist ein möglichst dünner Ueberzug von Wachs anzunehmen. Dass das
sog. punische Wachs noch mit ein wenig Oel (paulo oleo) zusammengekocht
und in heissem Zustande mit dem Borstenpinsel aufgestrichen wurde, ist diesem
Zwecke durchaus entsprechend; denn wie Versuche gezeigt haben, wird das pu-
nische Wachs durch Oelzusatz viel geschmeidiger (wobei der eventuelle Ueber-
schuss an Lauge das Oel emulgieren oder verseifen kann). Das Aufstreichen
des Wachses in heissem Zustande scheint für den Prozess des Einsaugens
in die Wandfläche und die auf die Wand gemalten Ornamente zweck-
mässig gewesen zu sein. Um dann das gleichmässige Einsaugen in den
Grund zu erleichtern (itaque ut peraequetur) , sollte die Wachsschicht mittels
der Kohlenbecken bis zum Schwitzen erhitzt werden. Auch dieser Vorgang
wird durch den Versuch verständlich, denn in diesem Zustand des „Schwitzens»
schmelzen die nur emulgierten Teile zusammen, wie bereits erwähnt ist. Um
die Oberfläche glänzend zu machen, rieb man mit Leinentüchern die Flächen ab.
Dieser Vorgang ist vermutlich dargestellt auf der beigefügten Abbild. 14
nach einer pompejanischen Wandmalerei. 8 ) Ein Stuckarbeiter steht auf
einem primitiven Gerüst und ist im Begriff, die Wandfläche abzureiben, wo-
bei er sich (der weisslichen Farbe auf dem Original nach zu schliessen) der
Leinentücher bedient, die in Form einer Rolle zusammengelegt scheinen. Oder
sind darin die in beiden Beschreibungen vorkommenden „Wachskerzen»
(candelae) zu suchen? Die Form des rechts auf dem Gerüst stehenden Ge-
fässes mit den dicken Wandungen und henkelartigen Ausbuchtungen lässt
den Schluss zu, dass die darin befindliche Flüssigkeit (punisches Wachs?),
den obigen Beschreibungen des Vitruv und Plinius entsprechend, länger
warm gehalten werden konnte. Die Prozedur des Glänzendreibens mit
den Leinentüchern konnte übrigens erst erfolgen, nachdem die „bis zum
Schwitzen» erhitzte Oberfläche wieder ausgekühlt war, wie aus meinen be-
züglichen Versuchen hervorgeht; sonst würden die durch die Wärme er-
weichten Stellen sich leicht aufschürfen. Was es für einen Zweck haben

6 ) Versuche haben gezeigt, dass Galläpfelkohlen zu diesem Zwecke ein aus-
gezeichnetes Material sind. Sie sind sehr leicht, halten die Glut auffallend lange und
hinterlassen sehr wenig Asche. Die frühere Lesart gallae ist in Mayhoffs Plinius-
Ausgabe wiederhergestellt, nachdem sie eine Zeit lang durch galea, was ein eisernes
Becken bedeuten sollte, verdrängt gewesen war.

7 ) Plin. XXXIII, 122: Solis atque lunae contactus inimicus: remedium ut pariete
siccato cera punica cum oleo liquefacta candens saetis inducatur iterumque admotis
gallae carbonibus inuratur ad sudorem usque, postea candelis subigatur ac deinde
linteis puris, sicut et marmora nitescunt.

8 j Die Abbildung ist einer Sammlung von „Wandmalereien aus Pompeji» ent-
nommen. Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass auf dem Original die Hand-
stellung undeutlich zu sein scheint. Dadurch ist in anderen Nachbildungen der
gleichen Figur die Handstellung so gegeben , als ob die „Kerze» in der Mitte noch
eine Handhabe hätte und der Arbeiter mit einer Art Kratzeisen handtierte (vgl.
Engelmann, Pompeji, Leipz. 1898, p. 50).

— 103 —

sollte, die bereits überstrichene, durch Würmpfannen gleichmüssig erhitzte
und dadurch in die Wand eingesogene Wachsmasse abermals mit „Wachs-
kerzen» zu bearbeiten, ist unklar. 9 ) Ich neige zu der Ansicht, dass
hier nur die Form der gewickelten Leinentücher mit den Kerzen identi-
fiziert worden ist, oder dass die Leinentücher um die Kerzen ge-
wickelt wurden, so dass die für das Abreiben richtige handliche Form
gebildet werden konnte. Für unsere Untersuchung ist aber von grosser

Abbild. 14. Stuckarbeiter, nach einer pompejanischen
Wandmalerei.

Wichtigkeit, den Vorgang des Glüttens der Wandflüche mit Hilfe des
in Lauge gelösten Wachses, dem noch eine geringe Menge von Oel
beigekocht wurde, in der Beschreibung der alten Autoren zu konstatieren,
und damit die Operation des Polierens der Wandflüchen bei dem Stuccolustro
der Italiener in Vergleich zu ziehen.

Ueber andere Verwendungsarten des punischen Wachses wird in den
Kapiteln über Tafelmalerei und über Polychromie der Marmorstatuen noch
gehandelt werden.

9 ) In betreff des „postea candelis subigatur» erklärt Requeno (Saggi sul rista-
bilimento del antica arte, Parma 1787, I, p. 279), dass die -Kerzen angezündet
durch ihre Wärme wirken sollten, denn wozu die Kerze, wenn sie nicht ent-
zündet wird? Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass man das schon zum
Schwitzen gebrachte Wachs abermals durch die Kerzen erhitzte, weil sich dabei der
flammende Russ zu leicht abgesetzt hätte. Andererseits scheint es mir nicht zweck-
entsprechend, die schon mit einer absichtlich dünnen (in verseiftem Zustand auf-
getragenen) Wachsschicht bedeckten Wandfläohen nochmals mit Wachskerzen zu
bearbeiten, da diese auf der ausgekühlten Wand doch nichts von ihrer Masse abgeben
könnten. Der Wortlaut des Vitruv (candela linteisque puris subigat) gestattet übrigens
die Annahme einer einzigen Operation, nämlich des Bearbeitens der mit Leinen
überwickelten Kerze, während nach Plinius eine Teilung dieser Arbeit des Glänzend-
machens angenommen werden könnte (postea candelis subigatur ac de in de linteis
puris). Vitruv’s Version ist aber gewiss die richtigere.

104

V. Das „wie ein Spiegel glänzende’ 1 Tectorium des Vitruv und
Stucco lustro der Italiener.

Vitruv’s

Forderung des

spiegelglatten

Tectoriums.

Vergleich mit
Stucco lustro.

Wir kehren nunmehr zu unserem Thema zurück, um uns eine Vorstel-
lung von den technischen Vorgängen bei der antiken Wandmalerei zu machen.
Denn eigentlich sind nur zwei Dinge aus Vitruv’s Vorschriften deutlich zu er-
kennen: nämlich 1. die Bereitung des Grundes, auf welchen die Malerei erst
zu kommen hatte, und 2. die Ganosis genannte Schlusspolitur mit punischem
Wachs; es fehlt eine Anweisung darüber, durch welche technischen
Mittel der spiegelnde Glanz des Tectoriums zu erzielen ist. Durch das mehr-
fache Hervorheben dieser Eigenschaft aber wird offenbar auf diese Forderung
des Glanzes das Hauptgewicht gelegt. Vitruv sagt: „wenn nach Auf-
trag der vorletzten Schicht die Masse durch Schlagen mit Hölzern gedichtet
und die Farben gleichzeitig mit der letzten Stuckschicht geglättet worden
sind, dann geben die Wände einen leuchtenden Glanz von sich» (Vitr. Vll 3,
7 : nitidos expriment splendores). Und gleich darauf, nach dem Vergleich mit
dem Spiegel, der umso besser spiegelt, je dicker das dazu genommene Metall
ist, sagt er, dass bei richtiger Zubereitung das Tectorium nicht nur Dauer-
haftigkeit und Glanz (ebd. 8.: firmitatem et splendorem) haben, sondern nach
öfter wiederholten Glättungen auch das deutliche Bild des Be-
schauers reflektieren wird (ebd. 9: sed etiam imagines expressas aspi-
cientibus . . . remittunt).

Eine spiegelnde Fläche also, nicht nur „schimmernder Glanz», soll beim
Tectorium durch die Glätiung der Oberfläche erzielt werden, und aus dieser
spiegelnden Fläche sollen die Farben hervorleuchten, wie es bei der Re-
kapitulierung der Angaben heisst (VII 6: in his perlucentes exprimant colores).
Und einen solchen Effekt sollte der blosse krystallinische Ueberzug von kohlen-
saurem Kalk ohne weiteres zuwege bringen? Mir ist kein einziger Versuch
der Art bisher gelungen und die Freskoanhänger haben uns nicht darüber
aufgeklärt, noch weniger durch praktische Beweise uns vor Augen geführt,
wie Stuck überhaupt geglättet werden muss, um spiegelnden
Glanz auszustrahlen?

Man müsste sich doch sagen: Wenn der Stuccogrund glatt und
glänzend sein soll, so muss er eben geglättet und glänzend gemacht
werden, und die Frage nach der antiken Wandmaltechnik ist untrennbar ver-
knüpft mit der Frage : Wie ist Stuccogrund zu behandeln , um glatt und
glänzend zu erscheinen?

Auf diese wichtige Frage geben uns die Anweisungen der Alten keine
Antwort, ebensowenig darüber, wie auf „spiegelnder» Fläche gemalt
werden soll. Auf dem direkten Wege ist also kaum Aussicht vorhanden,
die alte Technik der Wandmalerei kennen zu lernen ; wir sind vielmehr auf
den indirekten Weg angewiesen , indem wir aus der traditionell erhaltenen
Methode des Stucco lustro der Italiener auf die antike Stucktechnik Rück-
schlüsse ziehen und genauer untersuchen, ob und inwieweit ein Zusammen-
hang zwischen dem Stucco des Vitruv und dem von Italienern geübten Ver-
fahren des Stucco lustro vorhanden ist. Auf diesen Weg weisen uns mehrfache

ior>

Aehnlichkeiten beider Verfahren in der Zusammensetzung des Grundes und in

der Schlussoperation, die beim Stuoco lustro ganz genau der Ganosis der
Griechen entspricht.

Es wäre auch im höchsten Grade verwunderlich, wenn eine so vol-
lendete Technik, wie die antike Stuckbereitung es war, sich nicht durch
Handwerkstradition, wenn auch in veränderter Form, auf die Nachwelt vererbt,
haben sollte. Folgen wir den Spuren, so zeigt sich, dass die heutigen Stuck-
arbeiter, besonders die italienischen, eine ähnliche Technik anwenden, um
den sog. Stucco lustro zu machen. Sie beschränken sich zwar auf die Imitation
von farbigem Marmor, aber die Materialien sind dieselben, Marmorstaub und
Kalk, die Farben werden mit dem Stuck gleichzeitig aufgetragen und mit er-
wärmten Eisen geglättet. Die zur Politur notwendige Wachsmischung bereiten
sich die Italiener, indem sie sog. weisse Seife mit Wachs zusammenkochen und
mit dem Pinsel dünn aufstreichen. Zum Schluss wird mit wollenen oder
leinenen Lappen abpoliert. Das sind ja dieselben Operationen wie bei
der Ganosis. Stucco lustro also ein direkter Nachkomme der so
lange gesuchten Technik der alten Griechen und Römer! 1 )

Zum Beweise wollen wir alle bezüglichen Nachrichten hier einreihen
und dabei die mit der Stuccotechnik der Alten zusammenhängenden Notizen
der späteren Zeit, insbesondere die Anweisungen über Stucco lustro, mit
dem antiken Stucco in Vergleich ziehen.

Die älteste Nachricht über spiegelglattes Tectorium bringt Vitruv selbst
(II 8, 10) bei der Aufzählung berühmter Ziegelbauten:

„Zu Halicarnassus hat der Palast des überaus mächtigen Königs
Mausolus , obwohl alles daran mit prokonnesischem Marmor aus-
geschmückt ist, aus Ziegeln gebaute Wände, welche bis auf
diese Zeit eine vorzügliche Festigkeit zeigen und durch Verputz-
werk so geglättet sind, dass sie die Durchsichtigkeit des
Glases zu haben scheinen. Und jener König tat dies nicht
aus Mittellosigkeit, denn er war reich an unendlichen Einkünften,
w r eil er ganz Oarien beherrschte.» 2 )
Das Verfahren war demnach schon den Griechen bekannt; dann kam es
nach Italien und hat sich hier noch weiter vervollkommnet, vermutlich auch
vereinfacht. Zu Vitruv’s und Plinius’ Zeit war es das allgemein übliche zur
Ausschmückung von Wohnräumen oder öffentlichen Bauten, bis der überhand
nehmende Luxus der Kaiserzeit auch hier wieder neuere Dekorationsmethoden
erfand , durch welche die älteren verdrängt wurden ; wenigstens hat es den
Anschein, als ob die Mosaikdekoration und die reichere Marmorincrus-
tation die weniger kostbare Stuckmalerei früherer Zeit abgelöst hätten. Aber
verloren gegangen ist die Technik nicht, denn es finden sich noch in
späteren Perioden einige Notizen über spiegelglatte Stuckmalereien, deren
Technik, wenn auch nicht mit der antiken identisch, so doch offenbar auf die
Tradition der alten Stuckteehnik zurückzuführen ist, und mit Stucco lustro
unmittelbar zusammenhängt.

Uebereinstim-

murik’ der
( »peraüonun.

Aolteste Nach-
richten.

x ) Diese Ansicht habe ich schon in meiner ersten Publikation i. J. 1893 (Beitr. 1 p.28)
geäussert. Durch den inzwischen verstorbenen Kunsthistoriker Herrn Prof. Carl v.
Lützow (Wien) erfuhr ich, dass der berühmte Architekt und Erbauer des neuen
Parlamentshauses in Wien, Theophil Ritter von Hansen bei diesem Bau durch einen
dort angesiedelten Italiener Stuccolustro- Malereien ausführen Hess und dass sich
dieser zur Ausführung von Figuren und Ornamenten der obengenannten Methode
bedient haben muss; Hansen, der bedeutende Kenner antiker Kunst, wäre immer der
Ansicht gewesen, dass die alten Malereien keine Fresken seien und die antike Technik
mit dem Stucco lustro der Italiener Aehnlichkeit haben müsse. Mit Freude ersah ich,
dass meine Ansicht sich mit der des berühmten Architekten deckt !

2 ) Vitruv II, 8, 10: „item Halicarnasso potentissimi regis Mausoli domus cum
Proconnesio marmore omnia haberet ornata, parietes habet latero struetos, qui ad
hoc tempus egregiam praestant firmitatem ita tectoriis operibus expoliti uti vi tri
perluciditatem videantur habere, neque is rex ab inopia id focit. infinitis enim
vectigalibus erat fartus, quod imperabat Cariae toti.

„Spiegeludo
Fresken».

— 106 —

Die wichtigsten dieser Nachrichten stehen mit der antiken Stucktechnik
sogar im innigsten Zusammenhang, insofern die Kommentatoren Vitruv’s
darauf hinweisen, dass noch zu Anfang des XV. Jhs. eine Tradition für
die Ausführung von solcher Stuckarbeit vorhanden war. Dadurch gewinnen
die Aufzeichnungen des sog. Anonymus des Morelli für uns grosse Be-
deutung. 3 )

Wir lesen hier von wie Spiegel glänzenden Fresken ältesten Ur-
sprungs in dem erzbischöflichen Hof zu Mailand, von „alten Fresken» in
S. Giovanni in Choncha die „noch bis zum heutigen Tage wie Spiegel
glänzen», und von „Fresken des Pisano im Kastell zu Pavia, die so
glatt und glänzend sind, dass nach Cesare Cesariano’s Angabe man sich
darin spiegeln könne.» Pisano wurde Ende des XIV. Jhs. geboren und
nach Frimmel (a. a. 0. p. XXI) fallen die Eintragungen zwischen die Jahre
1515 und 1521 bis 1543. Der Hinweis auf Cesariano bezieht sich auf
dessen Kommentar zu Vitruv, worin er die Eigentümlichkeit des Glanzes
beim antiken Tectorium in direkte Beziehung bringt mit den „glänzenden
Fresken» im erzbischöflichen Palast und in S. Giovanni zu Mailand, den Ge-
mälden Pisano’s in Pavia und des Antonio del Carco in Piacenza. 4 ) Nord-
italien scheint demnach die Tradition am längsten bewahrt zu haben.

^Mittelalter. Ueber die Herstellungsweise derartiger glänzender Stuckarbeit haben

LeouB.Aiberti. wir auch ein wichtiges Zeugnis des Leon Battista Alberti. Er spricht
bei der Tectorium -Bereitung der Alten in gleicher Weise von einem Ver-
fahren den Stuck spiegelglänzend zu machen, indem man die letzte
Schicht mit reinem Kalk übertünche und vor dem Trockenwerden mit einer
Mischung von Wachs, Mastix und etwas Oel überstreiche, welche Mischung
durch Erwärmen der Oberfläche eingesogen werde. Nach seinen Erfahrungen
werden Sprünge vermieden durch Aufreiben mit Binsen oder durch Ver-
mischung der Stuckmasse mit klein zerschnittenen alten Tauen (Werg); das

3 ) Anonymus des Morelli (Marcanton Micliiel’s Notizia d’Opere del Disegno),
übersetzt von Dr. Theod. Frimmel (Quellenschrift, f. Kunstgesch. Neue Folge I. Bd.
Wien 1888).

Mpt. 29 v. (Mailand): „In la corte archiepiscopale le pitture a fresco che ris-
plendono fin hoggidi come specchii, furono de man de maestri vechissimi.»

„In S. Zuan in Choncha, le pitture a fresco antique che fin hoggidi risplendono
come specchii furono da maestri antiqui.»

Mpt. 36 r. (Pavia): „Le pitture nel castello a fresco furono de mano del Pisano,
tanto lisse et tanto risplendenti, come scrive Cesare Cesariano che fin hoggidi si pol
specchiar in esse.»

Nach Frizzoni’s Kommentar p. 113 gingen diese Mailänder Fresken bei den
Umhauten durch die Kardinäle Carlo und Federigo Borromeo und nachher gegen Ende
des XVIII. Jhs. unter dem Bischof Maria Visconti zu Grunde (vgl. Mongeri, l’Arte in
Milano, p. 430).

4 ) Cesariano’s hier zitierte Worte in dessen Kommentar zu Vitruvius p. 115
sind: „Cum sia ancora si po disponere, como dice Vitruvio, questa composita calce a
recevere la splendita e nitore siecome etiam fanno le vecchie picture facte in la Ar-
chiepiscopale Curia et in Sancto Joanne in Concha inMediolano; cosi etiam in Pavia
et praeeipue in epso castello dove il nobile Pisano dipinse; vel etiam in Placentia
Antonio del Carco.» Frizzoni (a. a. 0. p. 180) hält den genannten Pisano für identisch
mit dem Veronesen Vittore Pisano (geb. um 1380, gest. um 1451), der „in vielen
Städten Italiens tätig» war. Die Gemälde im Kastell von Pavia waren noch im
XVI. Jh. erhalten, wie aus der Geschichte der Stadt von Stefano Breventano, ge-
schrieben 1570 (Lib. I, p. 7), zu ersehen ist: „Die Hallen und Zimmer, sowohl oben
als unten, waren alle gewölbt, und fast ganz bemalt mit verschiedenen Historien und
anderen Bildern. Die Decken waren mit feinstem rtzzurro gefärbt, auf denen eine
Menge von Tieren angebracht schienen, von Gold gemacht, darunter Löwen ,_ Leo-
parden, Tiger, Hunde, Hirsche, Eber und dergleichen, besonders in jenem Teil, der
nach dem Parke liegt, war noch in meiner Jugendzeit vollständig zu sehen ein
grosser Saal von 60 Ellen Länge und 20 Breite mit den schönsten Figuren geziert, und
es waren Jagden, Fischereien und Turniere mit vielen anderen Belustigungen der
Herzoge und Herzoginneu des Reiches dargestellt.» Von diesen Werken wird später
nichts mehr erwähnt.

— 107 —

Technik.

Hittorff’a
Angaben.

Glätten der Oberfläche gelinge am lösten, wenn sie dabei mil in Wasser ge-
löster weisser Seife massig besprengt werde. 5 )

Leon Battista Alberti sehrieb seinen Kommentar um 1452, und dieser
ist eine vollkommen saohgemässe Darstellung der arohitekonisohen Kenntnis

seiner Zeit. Das obige Verfahren ist zweifellos als auf Tradition beruhend
anzusehen, zugleich hat es am meisten Aehnlichkeit mit dem als Stucco
lustro bezeichneten der späteren Italiener. Alberti selbst bringt es in
direkten Bezug mit dem „Stucco der Alten», so dass es wie ein
Mittelglied zwischen dem im Altertum geübten Verfahren Vitruvs
und dem späteren Stucco lustro erscheinen kann.

Dass es sich hier um Stucco lustro handelt, wird sofort klar, wenn Anweisungen
wir die speziellen Stuccolustro-Anweisungen darauf hin näher prüfen. Eigen- stuccoiustro-
tümlicher weise sind aber gerade diese Anweisungen unvollkommen oder mit-
unter einander widersprechend. Der Grund dieser Tatsache liegt in dem noch
immer als Werkstättengeheimnis betrachteten Verfahren, das von italienischen
Stuckateuren mit oftmals raffinierter List gehütet wird. (; ) Ueberdies scheint
es, dass in verschiedenen Zeiten und verschiedenen Gegenden nicht immer
das gleiche Verfahren geübt worden ist.

1. Am deutlichsten wird diese Technik von Hittorf f, l’Architecture po-
lychrome p. 684 in der Art beschrieben, wie in Mailand Stuck gefertigt wird:

„Auf die Mauer wird zuerst eine mehrfache Lage

von gewöhnlichem Mörtel aufgetragen; darauf breitet man, be-

6 ) Alberti, De re aedificatoria L. VI. c. 9, von der Tectorium- Bereitung der
Alten sprechend, nachdem die ersten Schichten aufgetragen, wie es Vitruv beschreibt:

„Ultima cutis in puro albario diligenter perfricata, splendorem dabit speculi,
eandemque faetam penitus siccam , si unxeris caera et mastice modicoque oleo , una
colliquefactis, et sie unetum parietem carbone ignito, ex pelvi concalefaceris ut un-
guenta combibat, vincet marmora nitore. Nos experti sumus crustas eiusmodi rimis
evadere immunes, si inter inducendum ilico apparentes fissuras manipulis virgultarum
ibisci spartive crudi eastigaveris. Quod si per caniculam aut loco aestuoso indueturus
sis, tundito et minutissime coneidito rudentes vetustos et pulti commisceto. Tum
et levigabitur quidem bellissime. si sapone albo tepenti aqua soluto modice inter levi-
gandum superasperseris, multa inunetura expallescit.

6 ) Bekanntlich sind die Italien. Arbeiter ungemein konservativ; durch ihr grosses
Geschick, ich möchte sagen, den künstlerischen Trieb, der ihnen allen angeboren ist,
haben sie gewisse Zweige des Kunstgewerbes schon seit Jahrhunderten an sich ge-
rissen. Der „Figurino» ist fleissig, in seinem Fach geschult und — misstrauisch. Sein
technisches Können ist das Gut, von dem er lebt; seine Erfahrungen teilt er nur
seinem nächsten Verwandten und Landsmann mit. Fragt man ihn etwa nach prakti-
schen Details oder Handgriffen seines Gewerbes, dann wird man meist Ausflüchte,
mitunter absichtlich falsche Angaben von ihm zu hören bekommen. Dieses Versteck-
spielen wird mit grosser Konsequenz, ganz besonders Fachleuten gegenüber, durch-
geführt. Zur Illustrierung dieser Tatsache möge es gestattet sein, folgende Bei-
spiele zu geben: Bei der Ausführung des prächtigen Stiegenhauses im Schlosse zu
Herrenchiemsee ist es einem dort in anderer Sache beschäftigten Herrn passiert, als
er in der Absicht, die Stuckarbeiten zu sehen, länger als nötig in dem Raum zurück-
blieb, dass die italienischen Arbeiter wie von ungefähr Mörtel- oder Steinbrocken vom
Gerüste herabfallen liessen, um die Anwesenden zum Verlassen der Stätte zu
zwingen. Noch eigentümlicher ist der Vorfall, den mir Prof. Bisenmenger in
Wien mitteilte: In der Mittelhalle des neuen Parlamentsgebäudes zu Wien wurde
von dem Genannten und dessen Schülern der grosse Fries (nach Rahl) in Stucco-
lustromanier ausgeführt. Die technische Arbeit halte der Italiener D’etoma über-
nommen, und obwohl die Herren wochenlang an der Arbeit waren, haben sie
nicht ein einziges mal gesehen, wie die Glättung der tags vorher gemalten Stücke
vor sich ging; sie fanden das Gemalte stets fertig geglättet, wenn sie des morgens
zur Arbeit kamen. Auch über die ihnen als Bindemittel eingehändigte Flüssigkeil
(von grünlich-milchiger Farbe) wurde ihnen niemals etwas mitgeteilt; die Farben
fanden sie zur Malarbeit fertig zugerichtet an der Arbeitsstätte vor.

Endlich möge auch das folgende hier erwähnt sein: Um die Stuccolustro-Technik
von italienischen Arbeitern ausführen zu sehen, hatte ich bei Uebernahme einer
Loggia-Ausmalung es so eingerichtet, dass ein Teil der Ausschmückung in Stuccolustro
gemacht werden sollte. Durch mehrere Wochen habe ich tagtäglich den Glättungs-
arbeiten zugesehen und alle Manipulationen sowie das Handwerkszeug kennengelernt,
niemals aber habe ich erfahren, woraus die Stuccolustro-Masse, mit der alle Farben
vermischt waren, bestand, und auf besondere dahingehende Fragen erhielt ich stets
entweder zweifelhafte oder ausweichende Autwort.

— 108 —

vor dieser Bewurf trocken ist, eine neue Lage von noch feinerem
Sand und Kalk in der Dicke einer Linie aus; man bedient sich
dazu einer Kelle aus hartem Holz in der Form eines länglichen
Viereckes. Auf diese noch feuchte Schicht folgt, mit derselben
Kelle aufgetragen, eine zweite gleich starke Schicht von mindestens
14 Tage lang gelöschtem Kalk und Marmorsand. Wenn der Kalk
mager ist, nimmt man 2 Teile Kalk und 1 Teil Marmor; ist er
fett, die Teile gleich. Ist dieser Auftrag, welcher die erste Stuck-
schicht bildet, fast trocken, dann bedeckt man denselben mit einer
Lage von Stuck, bestehend aus 1 Teil Marmormehl, welches durch
ein feines Sieb gegangen, und 2 Teilen Kalk. Will man einen
weissen Grund, so breitet man mittelst einer flachen eisernen Kelle
in Form eines verlängerten Dreieckes reinen Kalk auf die letzte
Stuckschicht aus. Handelt es sich aber um einen Farbenton oder
gefärbten Marmor, so muss die Färbung vorher dem Marmorstaub
und Kalk, welche die zweite Lage bildet, gegeben werden. Dann
überstreicht man den Grund mit Farbe, die sehr flüssig in Seifen-
wasser und Kalk gerieben wurde, zwei- oder dreimal. Auf diesem
so gefärbten oder weiss gelassenen Stuck malt man mit dem
Pinsel, oder nach der Natur des Marmors mit dem Schwamm, die
Aederung oder Lokaltöne, Ornamente, Figuren etc., welche die
Dekoration bilden sollen. Ist das Gemalte fertig, so lässt man es
so lange trocknen, bis die Farbe durch Reiben nicht abgeht. Dann
nimmt man eine kleine Eisenkelle, ähnlich geformt wie die vorige,
nur mit abgerundetem Rücken, erwärmt dieselbe, doch nicht so
stark, dass die Farben verbrennen, und reibt mit ziemlich starkem
Druck über die Oberfläche der ‘Wandbekleidung. Dann bedeckt
man diesen bereits glänzenden Stuck einigemal mit einer Mischung
von 3 l l-i Unzen Wachs in 6 Unzen Seife, welche am Feuer in
etwas Wasser gekocht werden, und vermischt dies dann mit zwei
Flaschen siedenden Wassers; dann fährt man schnell mit der ab-
gerundeten Kelle, aber kalt, darüber hin. Die Farben bekommen
durch diese Lage von Wachs und Seife eine grosse Festigkeit und
der Stuck einen schönen Glanz, welcher durch Frottieren mit
einem in Form eines Zylinders gerollten Stück Leinenstückes (laine)
noch brillanter gemacht wird. Dieses Frottieren kann man nach
Bedarf erneuern, um den Glanz und die Reinheit zu unterhalten.
Güttgetreu. o 3^ Gottgetreu findet sich diese Anweisung für Stucco lustro: 7 )

„Die Masse besteht aus einer Mischung von gutem, fetten Weiss-
kalk und Marmor — oder Alabaster — oder feinem Gipsstaub im
Verhältnis von 1:2; sie wird mit irgend einer Farbe, die den
Grundton des zu imitierenden Marmors haben soll, gleichmässig ge-
färbt und auf einen Unterputz von rauhem Luftmörtel einige Linien
stark aufgetragen, geebnet und mit einem Reibebett, das mit
weissem Filz überzogen ist, abgerieben (ebenso wie man den ge-
wöhnlichen Kalkputz anfertigt). Hierauf wird mit einer flachen
Polierkelle die Oberfläche des Stuckes glatt geschliffen, was grosse
Vorsicht erheischt.

Aederungen und Flecken werden mit dem Pinsel auf den noch
nassen Untergrund aufgemalt, die Farben werden mit Kalkwasser
und verdünnter Stuckmasse, wozu wohl noch chsengalle bei-
gemischt wird, zugerichtet. Werden verschiedene Farben zum

~) Vgl. Gottgetreu. Physische und ehem. Beschaffenheit der Baumaterialien
Berlin 1875, Bd. 1, p. 311. Die Angaben finden sich wörtlich wiedergegeben im Hand-
buch d. ehem. Technologie v. Bolley VI. B. d. ersten Gruppe, IL Abt., bearbeitet v.
G. Fe ich tinger, Die chemische Technologie d. Mörtelmaterialien. Braunschweig 1885,
p. 412,

_ 109 —

Malen verwendet, vermeide! man es. sie doppelt übereinander auf-
zutragen, so dass sie unmittelbar auf der reinen nassen Wand

stehen.

Sind die aufgemalten Farben eingesogen und lassen sie sich mit
dem Finger nicht sofort verwischen, so streicht man sie mit der
Polierkelle behutsam ein und überzieht die ganze Wand mit der
unten angegebenen Politur. Nun erfolgt das Streichen mit der
Polierkelle in gleichmässigen, nebeneinander sich anreihenden Strichen
und dies wird so lange fortgesetzt, bis der genügende Politurglanz
hervortritt. Zu dieser Manipulation ist grosse Uebung erforderlich,
und je sorgfältiger die Arbeit des Streichens geschieht, desto
schöner wird die Politur. Die Politur zum Stuccolustro wird
hergestellt: 2 Quart Flusswasser werden zum scharfen Sieden ge-
bracht und dazu 6 — 8 Lot klein geschnittenes Wachs und 2 Lot
gepulvertes weinsteinsaures Ammoniak (Sal tartari) eingemischt;
ist beides im siedenden Wasser zergangen, bringt man 6 Lot ge-
schnittene Seife dazu und bildet so eine rahmartige Flüssigkeit.
Ist der Stuccolustro stumpf geworden, rührt man 4 Lot Wachs
in 1 Lot Sal tartari tüchtig zusammen, indem man ein wenig
Wasser dazu giesst und die ganze Masse so lange schlägt, bis sie
schmalzartig wird, überstreicht ihn damit, um ihm durch Reiben
mit wollenen Lappen den Politurglanz wieder zu geben; auf die-
selbe Weise lassen sich auch Stuckmarmor und selbst wirklicher
Marmor behandeln.»
Zwischen diesen beiden Angaben ist der erhebliche Unterschied zu ver-
zeichnen, dass das Mailänder Rezept heisse Glättung und Verrühren der
Farben mit Seifenwasser -4- Kalk, Gottgetreu dagegen kalte Glättung
und Anreiben der Farben mit „Stuckmasse u , deren Zusammensetzung nicht
angegeben ist, vielleicht noch mit Zusatz von Ochsengalle, vorschreibt.
Beiden gemeinsam ist die Schlusspolitur, welche nichts anderes ist als eine
Mischung von verseiftem Oel und Wachs (Olivenöl -f- punisches Wachs).

3. Anweisung für Stucco lustro von dem Italiener Detoma, welchen Hetoma.
Baumeister Lohse nach Berlin hatte kommen lassen. 8 )

„Der Grund wird auf der reinen Mauer zunächst mit gewöhn-
lichem Kalkmörtel angefertigt, welcher aber nur rauh aufgetragen,
nicht abgerieben werden darf. Der Stuccolustro- Arbeiter macht
zunächst auf diesem vom Maurer angefertigten Untergrunde eine
Unterlage von venetianischem, mit Marmorstaub gemischtem Kalk.
Es kommt besonders darauf an , dass der Untergrund , bevor
man den genannten venetianischen Kalk aufträgt, gehörig nass
gemacht wird, jedoch nicht mehr, als die lokalen Verhältnisse
es bedingen, und hiergegen wird durch ungeübte Arbeiter am
meisten gefehlt. Auf diese erste Unterlage kommt eine zweite
von demselben Kalk, aber mit feinerem Marmorstaub, und über
diese eine dritte Lage mit noch feinerem Marmorstaub gemischt.
Nachdem auf diese Weise die drei Lagen übereinander gelegt wor-
den, kommt der Maler, welcher die Farben aufträgt, um die ver-
schiedenen Marmorierungen nachzuahmen. Ist dies geschehen, so
wird mit heissen Kellen die ganze Fläche geglättet, wodurch eine
hochglänzende Politur erreicht wird. Ist die Fläche trocken, so
wird sie mit Terpentinwachs aufpoliert. Der so fertige Stucco
lustro ist ausserordentlich fest, die Farben sind echt, da sie fresken-
artig in den feuchten Kalk eingebrannt sind, und es lassen sich
die ganzen Flächen mit einem Schwamm abwaschen.»

8 ) S. F. Fink, Der Tüneher, Stubeomaler, Stuckateur und Gipser. Praktisches
Hand- und Hilfsbuch für obengenannte Gewerbe, für Architekten und Bauhandwerker,
sowie für Bau- und Gewerbeschulen. Berlin 1866, p. 171.

— 110

Völlige Gleich-
heit der Vor-
arbeiten und
der Sohluss-
politur.

Marmorin o-

Roz.

Einige Unklarheiten in der obigen Anweisung müssen hier gleich be-
richtigt werden, denn 1. ist es nicht ersichtlich, was unter venetianischem
Kalk zu verstehen ist, 2. mit was für Bindemittel die Farben angemischt
werden, um die Marmorierungen nachzuahmen; auch muss 3. unter Marmor-
staub jedenfalls Marmorsand verschiedener Stärke verstanden werden.

Aus allen diesen Angaben ist vor allem die Uebereinstimmung mit
Vitruv’s Tectorium ersichtlich, und wenn auch nicht immer alle 6 Schichten
vorgeschrieben werden (Plinius fordert nur 5 Schichten), so ist doch das
System der Aufeinanderfolge ganz das nämliche. Die Vorarbeiten des
Wandverputzes der Alten und die Vorarbeit für Stuccolustro sind
vollkommen gleich, ebenso das darauffolgende Glätten und die
erzielte glänzendglatte Oberfläche! Variationen in der Glättungs-
methode (mit heissen Eisen oder abwechselnd zuerst mit kalten, dann mit heissen)
mögen in verschiedenen Gegenden gebräuchlich gewesen sein, ebenso die Ver-
schiedenheit der Schlusspolitur (punisohes Wachs oder Terpentinwachs). Aber
charakteristisch ist der letzte Ueberzug mit Wachs beim Stucco
lustro, und übereinstimmend damit das Ganosis- Verfahren beim
antiken Tectorium, mithin sind Vorarbeiten und Schlussarbeiten beider
Verfahren vollkommen gleich. Der Schluss ist demnach naheliegend, dass
auch die zwischenliegenden Arbeiten des Malens, wenn auch nicht gleich, so
doch sehr ähnlich gewesen sein können; und da wir aus den alten
Schriften darüber gar keine Nachricht haben, so bietet uns wenigstens die
Stuccolustro-Technik einen Anhalt für die vorzunehmenden Versuche.

4. Der Vorrat an Stuccolustro-Rezepten ist aber mit den obigen dreien
noch nicht erschöpft. Ich lasse hier ein besonders interessantes 4. folgen,
das ich unter der Bezeichnung

Marmorino oder v e n e t i a n i s c h e Mar m ortünche
bei Fink (p. 164) abgedruckt finde u ):

„Für Fagaden und für das Innere von Gebäuden wenden die
Venezianer einen dem Marmor ähnlichen, sehr dauerhaften Verputz
an, welchen man „intonaco a marmorino» oder auch bloss „mar-
morino» nennt. Die Herstellung dieser Marmortünche geschieht
folgendermassen. Zunächst wird das rohe Mauerwerk mit einem
Mörtel beworfen, welcher aus Kalk und Ziegelmehl bereitet
wurde. Man gleicht den Bewurf mit der Kelle aus und macht mit
ihr im Bewurf kreuzweise oder wellenförmige Einritzungen, die zum
besseren Halt des folgenden Anwurfs dienen. Der zweite Bewurf
wird aufgetragen, w r enn der erstere vollständig trocken ist, und
besteht aus einem Mörtel, welcher aus Kalk und feinem Sande
bereitet wurde. Dieser Anwurf wird nur so dick aufgetragen, als
erforderlich ist, um die Unebenheiten des ersten Bewurfs aus-
zugleichen; er wird mit Richtscheit und Reibbrett vollkommen ge-
ebnet und glatt gerieben. Wenn dieser zweite Bewurf noch nicht
ganz trocken ist, trägt man die letzte Schicht, welche aus dem
Marmormörtel besteht, auf. Man bereitet diesen Mörtel aus bestem
weissem Kalk und Mar morpulver. — Bei der Bereitung dieses
und der zwei vorher angewandten Verputzmörtel verfährt man in
der Weise, dass man das Ziegelmehl, den Sand oder den Marmor-
staub trocken aufschichtet, darein oben eine Vertiefung macht,
hierein die Portion ungelöschten Kalks bringt, dieselbe hier ab-
löscht und sodann mit dem umgebenden Zusatzmaterial mischt und
sofort zu Mörtel verarbeitet. — Die letzte Schicht wird nur eine
Linie stark aufgetragen, und wenn sie zu trocknen begiunt, aber
noch dehnbar ist, mit einer stählernen, an den Ecken ab-

9 ) S. Fink p. 164. Es sei hier auch erwähnt, dass die Kustoden in Pompeji
den antiken Bewurf auch „marmorino» nennen, weil er dem Marmor ähnlich ist!

111

gerundeten Polierkollo geglättet, während man die Fläche
mit dünnem Seifenwasser annetzt.

Wenn ein höherer Glanz verlangt wird, lässt man den Verputz
nach dem Folieren mit der Kelle gut austrocknen und poliert
dann nochmals mit erwärmten Eisen; dieselben haben die Form
einer kleinen Kelle, sind ca. 5 Zoll lang, 2 Zoll breit und ] / 3 Zoll
dick und werden über Kohlenfeuer erwärmt. Dieses Verfahren
wird vorzugsweise bei inneren Verputzarbeiten angewendet, sowie
dann, wenn der polierte Marmorin mit Oelfarben bemalt werden
soll. Die bemalten Wände erhalten in der Regel einen sehr dünnen
Ueberzug von Kopallack oder von Wachsfirnis, womit entweder
nur die Malereien oder auch die ganzen Flächen überzogen werden.
Will man einen farbigen Marmor imitieren oder Marmorquader
von verschiedenen Farben nachahmen, so geschieht dies durch
Aufmalen auf die letzte Schicht, bevor dieselbe getrocknet und ge-
glättet ist. Der Erfolg dieser Arbeit hängt natürlich von der Ge-
schicklichkeit des Arbeiters in der Nachahmung farbiger Marmore
ab. — Weisser Marmorin wird auch vielfach mit Fresko-Malereien
versehen, welche auf den noch feuchten letzten Marmorputz auf-
getragen werden, und wobei dann das Polieren des Wrputzes
unterbleibt.

Wenn an den polierten Marmorinwänden der Glanz mit der
Zeit verschwindet, überzieht man sie entweder mit Kopallack oder
mit flüssigem Wachsfirnis. Bei Oelmalereien wendet man Kopalfirnis,
bei Fresko-Malereien und weissen Wänden aber Wachsfirnis an.»
Auf den ersten Blick hat dieses merkwürdige Marmorino- Verfahren
wenig Aehnlichkeit mit der antiken Art, insbesondere ist die Verquickung
mit der Oelmalerei wenig „antik». Aber wir haben es hier mit einem Aus-
läufer jüngeren Datums zu tun, und selbst die Ursprungstechnik erscheint
offenbar auch den lokalen Bedürfnissen gemäss Veränderungen unterworfen.
Wie alt dieses Rezept ist und in welchem Zusammenhang es mit Venedig
steht, entzieht sich unserem Urteil. Fink hat es vermutlich aus einem ähnlichen
Buch älteren Datums entnommen; wir wollen aber versuchen, die inneren
Widersprüche des Rezeptes soviel als möglich aufzuklären.

Die Reihenfolge der Anwürfe ist von Vitruv’s Tectorium nicht ver-
schieden, nur das zuerst angewendete Material, das Ziegelmehl, und der
zu allen Bewürfen geforderte ungelöschte Kalk. Bedenkt man aber, dass
ganz Venedig auf den Lagunen gebaut ist, alle Mauern auf durchfeuchtetem
Grund stehen und nichts für Marmorstuck gefährlicher ist als die von unten
aufsteigende Nässe, so wird es einleuchten, dass das Material von vorne-
herein so gewählt werden musste, dass es diesen Uebelständen entgegenwirkte.
Dazu ist das Ziegelmehl als besonders geeignet schon von Vitruv selbst er-
wähnt. Im 4. Kap. des VII. Buches handelt er davon, wie der Verputz
an feuchten Stellen hergestellt werden soll, und schreibt dabei vor, an Stelle
von Sand gestossene Tonscherben zur ersten Schicht oder, wenn die Mauer
durch Luftkanäle unterbrochen ist, einen Mörtel aus Ziegelmehl zu nehmen.
Das Marmorino-Rezept widerspricht also nicht, im Gegenteil es steht mit
Vitruv’s Angaben im vollsten Einklang. Damit ist aber auch der Umstand
erwiesen , dass das antike Tectorium je nach den örtlichen Verhältnissen
variabel war und im Material den vorhandenen Bedürfnissen angepasst werden
konnte. Dies wird noch deutlicher durch die Anwendung des ungelöschten
Kalkes zum Marmormörtel; die zementartige Eigenschaft der Puzzolane der
campanischen Städte sowie des römischen Mörtels sehen wir hier ersetzt
durch den ungelöschten Kalk, der ebenfalls zementartig wirken kann. 10 )

Verwendung
vonZiegelmelil
u. ungelösch-
tem Kalk.

Machweis bei
Vitruv,

10 ) Ueber die Zumischung von ungelöschten Kalk rinden sich bei Gottgetreu
p. 213 folgende interessante Notizen:

„Schon in der Mitte des vorigen (XVIII.) Jahrhunderts bat der Loriot’scbe
Mörtel viel von sich reden gemacht, und wird derselbe nach Gilly folgendermassen

112

Decarlini’s
Verfahren.

Auftrag der
Schichten.

Und wenn meine bezüglichen Versuche mich nicht täuschen , bietet der mit
ungelöschtem Kalk angemachte Mörtel grösseren Widerstand gegen das Ein-
dringen von Feuchtigkeit als der gewöhnliche mit gelöschtem Kalk. 11 )

Befremdend ist allein das Uebermalen des geglätteten Marmoririo mit —
Oelfarben zu nennen; doch ist hierbei zu bedenken, dass jede Technik in
den Jahrhunderten ihres Bestehens auch die technischen Neuerungen der
Zeit für ihre Zwecke ausnützt, und da wir wissen, dass in den römischen
Zeiten Marmorstuck mit Eitempera bemalt worden ist (Plin. XXXV, 45),
so steht nichts im Wege , dass nach der allgemeinen Einführung der Oel-
technik auch geglätteter Stuck mit Oelfarben habe bemalt werden können. Ge-
nau so sehen wir im 3. Stuccolustro- Rezept des Detoma an die Stelle des
verseiften und wassermischbaren Wachses das spätere in Terpentin gelöste
Wachs treten. Und wohl das gleiche Terpentinwachs ist unter dem „Wachs-
firnis» des Marmorino-Rezeptes zu verstehen , mit welchem die „Fresko-
Malereien» zum Schluss überzogen werden sollen, u. zw. mit der offenbaren
Absicht, diese Malereien mit den unbemalten Teilen des glänzenden Mar-
morino in Einklang zu bringen.

5. Mit dem Mailänder Stuck- Verfahren hat das Detoma’sche viel Aehn-
lichkeit, wenn angenommen wird, dass als Bindemittel für die Malfarben
gelöste Seife (in Mischung mit Kalkmilch) diente , ein Umstand, den Detoma
schlauerweise verschwieg. Und als Mischung beider Verfahren kann das
Verfahren des Italieners Decarlini angesehen werden, das bei der Aus-
schmückung einer Loggia in München unter meiner Aufsicht und nach meinen
Zeichnungen angewendet wurde (s. Abschnitt „meine Versuche»).
Es ist das folgende:

Die Bereitung des Untergrundes geschieht in fast gleicher
Ordnung, wie bei dem von Vitruv beschriebenen Tectorium, u. zw.
wird auf der vollkommen ausgetrockneten Backstein-Mauer zuerst
eine ganz rohe Berappung aufgetragen und diese gut trocknen
gelassen. Es ist selbstverständlich, dass alle Bedingungen für
ein gesundes Mauerwerk auch hier gegeben sein müssen, denn
der Mauersalpeter ist der ärgste Feind des Stuccolustro.

hergestellt: Man mischt 2 Volumina durchgesiebtes Ziegelmehl, 2 Volumina eines
Gemenges von feinem Sand mit so viel abgelöschtem Kalk in hinreichender Menge,
um mit den beiden ersten Ingredienzien und dem Wasser in der Grube einen Mörtel
von gewöhnlicher Konsistenz zu erhalten, welche hinreichend Feuchtigkeit besitzt,
um den hierauf zuzusetzenden ungelöschten Kalk genau zu sättigen. Dieser le-
bendige Kalk, welcher frisch bereitet und vollkommen durchgebrannt sein muss, wird
zuerst für sich fein gepulvert und hierauf in dem Verhältnis wie das Ziegelmehl zu-
gesetzt; ist er nicht ganz frisch, so muss mehr davon genommen werden.

Nach einer anderen Vorschrift besteht der Loriot’sche Mörtel aus 2 Teilen Kalk,
2 T. Ziegelmehl und 3 T. Sand, oder aus 2 T. Kalk, 3 T. Ziegelmehl, 3 T. Sand, und
wird diesen Mischungen 2 T. gepulverter, ungelöschter Kalk beigemengt.

Robert Smirke hat in ähnlicher Weise in England den frisch gebrannten ge-
pulverten Kalk als Beigabe zum Kalk warm empfohlen; er verwendete gepulverten
ungelöschten Kalk, der trocken mit Sand und Gruss innig vermengt wurde: erst nach-
dem dies geschehen, wird Wasser hinzugefügt und das Ganze so rasch als möglich
verarbeitet. Das Gemisch erhitzt sich massig während des Löschens des Kalkes und
beginnt so rasch anzuziehen, dass, wenn nur die Masse gehörig geebnet ist, man sie
zur Fundation selbst der bedeutendsten Gebäude sofort benützen kann.

Vor einigen Jahren hat Dr. Artus mit ähnlichen Mörteln manipuliert und, wie
die Berichte besagen, ganz vorzügliche Resultate erzielt; nach diesen wurde 1 T. gut
gelöschter Kalk mit 3 T. Sand sorgfältig gemischt und dem Gemenge unmittelbar
vor dem Gebrauche 3 /4 T. ganz fein zerteilter, ungelöschter Kalk zugesetzt und
sodann das Ganze gut durcheinander gearbeitet. Der so zubereitete, zu einer Fun-
dationsmauer verwendete Mörtel war nach 4 Tagen bereits zu einer festen Masse
erstarrt, so dass ein spitzes Eisen nicht mehr hineingedrückt werden konnte; auch
haftete derselbe mit gleicher Festigkeit an den Steinen des Mauerwerks, nach 2 Mo-
naten hatte er Steinhärte erlangt.»

Vgl. auch Muspratt II, p. 393 und das Kapitel: Meine Versuche.

n ) Bei zwei Proben von Stuckmalerei, in eine Lösung von Salpeter gelegt, so
dass die Flüssigkeit von unten eindringen konnte, hat sich ergeben, dass die mit un-
gelöschtem Kalk bereitete intakt geblieben ist, während die andere ganz zerstört wurde.

— 113 —

Die erste Schicht, bestehend aus nioht zu reinem SandmÖrtel
(gewaschener Sand mit altgelösohtem Kalk im üblichen Verhältnis
eines guten Mörtels) wird in einer Stärke von l J / 2 — 2 cm mittels
eines Reibebrettes angetragen ; dieses Reibebrett ist gegen 1 Meter
lang und etwa 12 cm breit, aus hartem Holz gefertigt; gleich-
zeitig ist darauf zu achten, dass diese erste Schicht mi» Hilfe
des Winkels und des Richtscheits abgearbeitet werde. Auf diesem
Grunde wird gleich die Einteilung der Flächen gemacht, wie es
die Zeichnung bedingt, so dass die weiteren mit Farben zu
mischenden Lagen an ihre richtige Stelle kommen.

Die zweite Schicht wird mit gleichmässig gestossenem und
gesiebtem Marmorsand nebst altgelöschtem Kalk und der gewünschten
Grundfarbe (sei es schwarz, gelb, rot, grau u. s. w. oder für weiss
ohne Farbenzusatz) angerührt, in der Dicke von ! / 3 cm mit dem
gleichen Reibebrett über die erste Schicht gelegt, sobald diese
gut angezogen hat. Es folgt dann die dritte Schicht aus
gefärbtem oder mit Kalk angemischtem Marmorstuck , welcher
durch ein feineres Sieb gereitert oder direkt mit einer entsprechenden
Menge von feinem Marmormehl anzumachen ist. Die letzte
(dritte) Schicht wird so dünn als möglich (etwa 1—2 Millimeter)
aufgezogen und, wenn sie etwas getrocknet ist, mit der Kante
einer kleinen stählernen Kelle von dreieckiger Form geglättet.
Diese drei Lagen sind an einem Tage herzustellen und zwar in der
Ausdehnung, wie man glaubt in etwa zwei Tagen mit dem ganzen
Teilstück fertig zu werden, wobei noch darauf Rücksicht zu nehmen
ist, dass die Grenzen passend aneinander gefügt werden können.
An heissen Sommertagen versäume man nicht, die Flächen öfters
von oben herab zu befeuchten, indem man mit dem nassen Schwamm
reines Wasser gegen die Wandfläche hinschleudert und ablaufen
lässt; auch vermeide man durch Schliessen der Fenster und Türen
zur Nachtzeit ein zu schnelles Austrocknen der vorgerichteten Flächen.

Damit wäre der erste Teil der Arbeit erledigt, es folgt jetzt der
zweite und wichtigste, die Aufmalung der Grundfarbe und aller
gewünschten Details mittels der Stuccolustro-Farbe. Diese be-
steht in der Hauptsache aus einer innigen Mischung von alt-
gelöschtem Kalk und in Wasser gelöster venetianischer Seife und ist
von ziemlich dicker Konsistenz. Man reibt dem gelöschten Kalk so
lange Seife hinzu, bis die Mischung einen deutlich bemerkbaren
Laugengeruch angenommen hat; ausserdem muss sie einige
Zeit vorher zubereitet und stets feucht aufbewahrt werden:
zwischen den Fingern zerrieben muss sie schlüpfrig anzufühlen
sein. Mit diesem Stuccolustro-Kalk sind alle Farben vorher
gut anzurühren und reichlich mit Wasser vermischt durch ein
äusserst feines Drahtsieb zu treiben. Dieses Sieb spielt bei den
Farben eine grosse Rolle, denn alle Farben müssen „fein» sein,
eine Hauptbedingung für das Gelingen der Malerei.

Als Pigmente sind naturgemäss ausschliesslich die kalkechten,
für Fresko geeigneten Ocker- und Erdfarben Ultramarin u. s. w.
zu wählen; alle anderen verschwinden, sie „gehen in die Luft»
(vanno nell’ aria), wie der Italiener sagt.

Nachdem die letzte, entweder weisse oder mit Farben angemachte
Stucklage etwas getrocknet ist, wird die ganze Fläche mit Stucco-
lustro-Farben, die in der oben gezeigten Art angemacht sind, mittels
breiter, aber sehr weicher Haarpinsel in mehreren Lagen gleich-
massig übergangen, wenn die Fläche einfarbig sein soll, oder es
werden alle Details der Ornamente, Marmorierungen, Linien u. s. w.
aufgemalt. Sobald diese Bemalung sich eingesogen hat (matt ge-
worden), kann mit dem Bügeln begonnen werden.

In der Masse

gefärbteStuck-

sohichten.

Autmalung

der
Grundfarbe.

114 —

Handwerks-
zeug.

Glätten mit
dem Bügel-
eisen.

Hiezu dient das Stuocolustro-Eisen (s. Abbild. 15), mit dem
Ofen das unentbehrlichste Handwerkszeug für diese Technik.
Es besteht aus einem massiven Eisenstück , dem ein- dünneres
Stahlstück aufgeschweisst ist (2 ctm stark, ca. 15 ctm lang),
dessen untere auf’s feinste polierte Fläche gegen 3 — 5 ctm breit
ist; am doppelt gebogenen Knieeisen ist eine hölzerne Handhabe be-
festigt. Ein kleiner Dorn auf der nicht polierten oberen Seite
dient einem Holzstück als Halt, mit welchem die Führung und
ein gewisser Druck auf die Wandfläche ausgeübt werden kann.

Der Ofen (s. Abbild. 16), in welchem diese Eisen, deren mindestens
zwei zum Wechseln nötig sind, erwärmt werden, hat eine gewisse
Aehnlichkeit mit den Oefen, die italienische Kastanienbrater meist
benutzen, nur werden die Eisen direkt in die glühende Kohle ge-
legt. Zur Heizung dienen Holzkohlen.

Ist die Farbenschicht in den Stuck eingesogen , so fährt der
Arbeiter mit dem heissgemachten (reinen) Bügeleisen erst langsam
und die gleiche Stelle so lange übergehend hin und her, bis sich
ein leichter Glanz der Fläche zeigt. Die Hitze des Eisens sei
nicht allzugross, aber immerhin so stark, dass bei dem anfänglichen

Abbild. 15. Stuccolustro-Bisen mit der Holzführung.

Bügeln ein leichtes Zischen vernehmbar ist, wie wenn ein Wasser-
tropfen auf eine heisse Fläche fällt. Ist die Lage leicht gebügelt,
dann werden alle weiteren Details des Ornaments, die Aederungen
oder was immer, mit den angeführten Farben abermals übergangen,
denn durch das Bügeln wird die Farbe satter, aber auch durch-
sichtiger. Hier sei eingefügt, dass bei einfarbigen Flächen eine
vollkommene Gleichmässigkeit schwer zu erzielen und es besser ist,
die Masse vorher gefärbt aufzutragen, wie sie nachher sein
soll; in diesem Falle wird die Fläche mehrmals mit in warmem
Wasser gelöster Venezian. Seife überstrichen.

Bei fortgesetztem Bügeln steigert sich der Glanz bis zum Spiegeln,
die Oberfläche bekommt einen glasartigen, festen Charakter und die
Eigenschaft, gegen Wasser unempfindlich zu sein.

Da die Stuccolustro-Masse als einziges zur Verwendung stehendes
Weiss nur wenig deckt, sind die HauptefTekte mittels Lasurfarben
zu erzielen; nur auf dunklerem farbigem Grund, etwa dunkelrot
oder Schwarz, kommt Weiss zur richtigen Wirkung. Durch das

– 115 —

Ilineinbügoln der verschiedenen Farbenlagen in den Grund erscheint
dann die ganze Malerei wie auf einmal aufgetragen und mit-
einander verschmolzen. Die Farben werden im allgemeinen nach
dem völligen Auftrocknen des Bewurfes (in etwa 2 — 3 Wochen)
etwas heller, gewinnen aber später durch die letzte Politur wieder
an Tiefe.

Ist die Malerei fertig geglättet, was je nach der Witterung und
der Dicke des Marmorstucks in zwei aufeinanderfolgenden Tagen
bewerkstelligt werden muss, so wird dann womöglich an einer
günstigen geraden Kontur das Ueberstehende abgescharrt, um
für die daranstossende Fläche wieder die gleiche Reihenfolge von
frischen Bewürfen anlegen zu können.

Abbild. 16. Stuccolustro-Ofen.

Die ganze Dekoration wird auf die geschilderte Weise Stück
für Stück fertigt gestellt; es folgt nach dem vollständigen Trocknen,
in 4 — 5 Wochen, eine leichte Waschung mit Wasser, um den Staub
zu entfernen, und endlich die letzte Politur, von in Terpentinöl
gelöstem gelben oder weissen Wachs , dem noch ganz wenig
Leinöl beizumischen ist; mit reinen Leinenlappen wird dann
abpoliert. (Vor der letzten Politur geben einige noch eine Schicht
von zur Hälfte mit Terpentin verdünntem Leinöl und verreiben
dieses gut mit Leinenlappen.)

In allen den obigen verschiedenen Rezepten sind zwei Dinge für
uns von massgebender Bedeutung, nämlich 1. die Anwendung der Venetianer

B*

Schluss-
politur.

116 —

Venetianer
Seife.

Oel-Kalk-Kitt
des Vitruv.

Angeblich

griechisches

Stucco-

Kezept.

Seife als Mittel zur Glättung des Tectoriums 12 ), 2. die Anwendung heisser
Glätteisen zur Erzielung von Glätte und Glanz.

Venetianer Seife ist nichts anderes als durch Natronlauge verseiftes
Olivenöl, also eine sog. harte Seife. Wie bei allen Seifen entsteht durch
Mischung mit Kalk eine in Wasser unlösliche Verbindung (fettsaurer Kalk
oder Kalkseife), und zwar wird wie bei vielen chemischen Verbindungen dieser
Prozess durch Mithilfe von Wärme befördert. Mischt man Kalkmilch mit
gelöster Venetianer Seife, dann grieselt die Mischung im ersten Augenblick
und wird flockig, aber nach kurzem guten Verrühren wird sie geschmeidig
und glatt „fliessend», wie die Maler sagen. Als Bindemittel mit Farben
vermischt lässt sich diese Seifen-Kalk-Mischung (Siucco-lustro- Masse) auf
feuchten Grund wohl auftragen, aber auf beinahe getrockneter Oberfläche
bekommt sie nur dann genügenden Zusammenhang, wenn man mit heissen
Eisen die Farben überstreicht, also gleichsam einbrennt. In dem Kapitel der
Versuche wird noch näher davon gehandelt werden ; hier haben wir uns zu-
nächst die Frage zu stellen: Ist die Mischung von Oel (Olivenöl) mit
Kalk im Altertum bekannt gewesen, und zu Bauzwecken ver-
wendet worden?

In der Tat finden wir diese Mischung im Altertum und noch später,
unter dem Namen maltha (s. m. Beitr. III, p. 25), in Verwendung.

Vitruv (VII 1, 6) handelt davon in dem Abschnitt von der Bereitung
des Estrichs und führt als Mittel zu dessen Festigung die Sättigung des
Mörtels mit Oelhefe an: „Damit aber der Mörtel zwischen den Fugen
nicht unter dem Frost leide, sättige man ihn jährlich vor dem Winter mit
Oelhefe; so wird er den Winterreif nicht in sich eindringen lassen.»
Die Festigkeit des Oel-Kalk-Kittes wird gleich darauf erwähnt, da in be-
sonderen Fällen als Zwischenlage noch eine Reihe von Deckziegeln ge-
legt wird: _„ Nachdem man diese zusammengefügt, streicht man sie mit
Kalk, der in Oel angerieben ist (calce ex oleo subacta), aus und schleift
die aneinandergepressten Fugen zusammen. So wird der Kalk, welcher
in den Rinnen lagert, erhärtend und fest werdend weder Wasser noch etwas
anderes durch die Fugen durchdringen lassen.» 13 )

Hier haben wir demnach das antike Zeugnis Vitruvs für die Kenntnis
und den Gebrauch der Oel-Kalk-Verbindung und deren festigende Wirkung
auf den Mörtel. Ein marmoratum genannter Kitt bestand nach dem römi-
schen Historiker Flavius Vopiscus (um 300 nach Oh.) aus Kalk und Marmor-
staub, mit Wasser und Eiweiss oder noch besser mit Leinöl gemengt, und
wurde als Zement für Mosaikarbeit benützt. u ) Da wir also das Oel in direkter
Vermischung mit Kalk bei den alten Römern verwendet sehen, so wird uns
das folgende beinahe phantastisch erscheinende Verfahren nicht so sehr in
Erstaunen setzen.

In dem Buch der Fr esko maierei (Anonym, Heilbronn 1846) p. 122
linden sich die folgenden Anaraben :

12 ) Dieselbe Erfahrung hat der als Freskomaler sehr erfahrene Joh. Ant.
Gegen bau er (f 1876) in Stuttgart gemacht und darin das Verfahren der Alten ver-
mutet; den aus feinstem Marmormörtel bestehenden Grund habe man mit einer Wasser-
farbe angestrichen, dann mit Seifenwasser angespritzt und endlich mit einem heissen
Bügeleisen getrocknet. Ueber das Bindemittel der Temperafarben war Gegenbauer
aber sowohl wie alle Anderen, die nicht ausschliesslich Freskotechnik annehmen,
ganz im Unsicheren. (Vgl. Herrn. Riegel, die bildenden Künste, IV». Aufl. Frank-
furt a. M. 1895, p. 212.)

13 ) Vitr. VTI 1, 6: . . uti autem inter coagmenta materies ab gelicidiis ne laboret,
fracibus quotannis ante hiemem saturetur. ita non patietur in se recipere gelicidii
pruinam.

Vitr. VII 1, 7: Quibus iunctis impleantur calce ex oleo subacta coufri-
centurque inter se coagmenta compressa. ita calx quae erit haeiens in caualibus
durescendo contexteque solidescendo non patietur aquam neque aliam rem per coag-
menta transire.

u ) Vgl. Haas, Ueber Mosaikmalerei. Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission
zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, Wien 1859, p. 173 ff.

— 117 — –

„Eine andere bis jetzt noch unbekannte Malart wurde von einem
grossen deutschen Maler (Namen werden in dem Buche grund-
sätzlich verschwiegen!) aus Griechenland mitgebracht. Nach alten
Malereien , die er in Ruinen fand und die ihm mit eigentümlicher
Technik gemalt schienen, suchte er jene Technik aufzufinden, und
es gelang ihm wirklich , ein Manuskript zu entdecken , welches
diese Malart erwähnt. Sobald der wie zum Freskomalen zubereitete
Mauergrund angeworfen und geglättet ist , wird der nasse Putz
sogleich mit Leinöl überstrichen, und dieses Ueber streichen
so lange wiederholt, bis der Putz kein Oel mehr schluckt.
Alsdann werden mit gewöhnlicher Wasserfarbe, ohne irgend ein
Bindemittel, die Farbentöne aufgetragen, und sodann der Trocknung
überlassen; hernach reibt man sie einige Tage nachher mit. wollenen
Lappen ab, worauf die Farbe f ostsitzt und Spiegelglanz an-
nimmt.

Dieses Verfahren, so sonderbar es auch ist, schien uns merk-
würdig genug, um es zu versuchen, und wir erlangten folgende Re-
sultate und machten ebenfalls folgende Bemerkungen : Kalkweiss
kann in dieser Malerei nicht angewendet werden (?), Bleiweiss
wird in Bälde der Zeit schwarz; mit einem zu diesem Zwecke
jedoch eigens präparierten Weiss erhielten wir die besten Resultate,
weshalb hier unsere Bereitungsart, beigesetzt wird (folgt die
Bereitung von Zinnweiss).

Der Mauerputz , aut welchen die Malerei kommen soll , muss
sehr fein geglättet sein , und es darf in der Mauer kein Gedanke
von Gips enthalten sein. Ferner muss die Mauer, sobald das
Glätten vollendet ist, mit Oel überstrichen, und dieses nicht eher
ausgesetzt werden, als bis sie nichts mehr schluckt.

Sind diese Bedingungen erfüllt, so kann man willkürlich malen.
Dann kommt aber das wichtigste, nämlich das Abreiben. Fängt
man zu früh damit an , so geht die Farbe auch ab ; reibt man
zu spät, dann nimmt sie keinen eigentlichen Spiegelglanz mehr an;
auch müssen die Ockerfarben und das Ultramarin früher gerieben
werden als die roten.

Nach solchen eigenen Erfahrungen glauben wir , dass sich
diese Malerei wohl zu ornamentalen Zwecken, zu grossen glänzenden
und nicht vielfarbigen Ausschmückungen von Gebäuden, schwerlich
aber zu Figuren eignen würden. Uebrigens muss hier noch
immer der Ansatz wie beim Freskomalen beibehalten werden. 1 * 1V )

Diesen Angaben sei gleich hinzugefügt, dass mir bisher nur sehr
unvollkommene Erfolge in diesem Verfahren gelungen sind. Wahrscheinlich
ist die Anweisung ungenau oder nicht vollständig, denn auf mit Oel ge-
tränktem und vollständig durchfettetem Grund lässt sich ,, Wasserfarbe»
überhaupt nicht aufstreichen, eine innigere Verbindung derselben mit dem
Grunde ist somit ausgeschlossen und das darnach geforderte Glänzendreiben
kaum ausführbar. Wie dem auch sein mag, das wichtigste ist hier die durch

ls ) Mit diesen Angaben beinahe identisch sind die bezüglichen Aufzeichnungen
von Martin Knoller (datiert 1768), der das Verfahren aus einem altgrieehischen
Manuskripte der vatikanischen Bibliothek entnommen hat. Dieses Manuskript ent-
hielt „ganz originelle Tatsachen und Gedanken über Malerei» und darunter die fast
gleichlautende Beschreibung des obigen Verfahrens.

Auch Martin Knoller hat auf die beschriebene Weise „ausserordentlich schöne
Farben, die einen wunderschönen Glanz besitzen 4 , erzielt und das Verfahren ganz
bewährt gefunden. (S. die Aufzeichnungen über Freskomalerei von M. Knoller in der
„Mappe», illustr. Fachzeitschrift für Dekorationsmalerei. München 1902, Jahrg. XXII.
Heft V, p. 48.)

Zugabe von Galle angerieben sind, bemalt, nach oberflächlicher Trock-
nung in Stuccolustro-Manier mit kaltem, mitunter auch mit heissem
Eisen geglättet. Diese Manier eignet sich sogar, grosse einfarbige
Flächen zu färben oder ganze Dekorationen auszuführen.

5. Gemischte oder enkaustische Manier.

Der Grund wird in pompejanischer Manier vorbereitet und in Stucco-
lustro-Manier geglättet oder in Tempera- Manier mit Galle -j- Kalk
vorbereitet und ebenso geglättet (heiss); die Malerei in Tempera-Manier
ausgeführt und schliesslich mit Venetianer Seife heiss geglättet.
Die Farbenschichten liegen teils in einer Ebene, teils etwas erhaben,
zeigen aber stets die Oberflächen der Farben durch das Eisen nieder-
gedrückt. Schlussüberzug mit heissem, punischem Wachs.

6. In Stuccolustro-Manier geglättetes Fresko.

Als Grund dient feiner, reichlich mit Kalk vermischter Sandmörtel
(als letzte Schicht über gröberen aufgetragen); als Farben die für
Freskomalerei üblichen Kalkfarben. Am nächsten Tag wird die Flächt’
mit verdünnter Venetianer Seife ein- oder zweimal überstrichen, und
mit heissem Eisen glänzend geglättet. 10 )

9 ) Ich nenne diese Manieren: griechische, pompejan., römische u. s. w., nicht
um damit auszudrücken, dass in Griechenland, Pompeji oder Rom ausschliesslich diese
ausgeübt wurden, sondern nur im Hinblick auf gewisse charakteristische Erscheinungen.
Selbstverständlich lässt sich heute gar nicht mit Bestimmtheit sagen, in welcher dieser
Manieren die einzelnen antiken Stuckmalercieu ausgeführt worden seien , und es ist
sehr wahrscheinlich, dass die Kollegen im Altertum derartige genauere Unterscheidungen
gar nicht gemacht haben.

10 ) Diese Manier scheint mir von allen die einfachste und für unsere heutigen
Zwecke am besten verwendbar; man geht dabei genau so zu Werke wie bei der
Freskomalerei, nämlich stückweise, und glättet nach dem Ueherstrich mit Venetianer

11*

— 164 —

Diese sechs Varianten der Technik lassen sich in folgende drei Manieren
einreihen :

1. Manier: Die Glätt ung des nach Vit ruv’s Vorschrift her-
gestellten Stuckgrundes geschieht vor der eigen t-
liehen Malerei, so lange der Grund es gestattet; die
Ornamente und figürlichen Darstellungen werden
dann mit Tempera aufgemalt (Tempera-Manier).

2. Manier: Der Auftrag der Malerei geschieht auf noch
frischem, schon in der Masse gefärbtem oder weissem
Stuck mit Kalkfarbe unter Zusatz bestimmter Mittel,
welche die Glätt ung erleichtern; die Glättung erfolgt
auf einmal (Stuocolustro-Manier).

‘S. Manier. D e r G r u a d wird nach der ersten allgemeinen
Anlage der Felder geglättet, die Malerei darauf mit
geeignetem Bindemittel aufgetragen und, so lange es
die Weichheit des Stuccogrundes zulässt, abermals
geglättet (gemischte Manier).
Durch den wiederholten Hinweis auf das Glättverfahren werden wir zu
der Frage geführt, welche Form die antiken Glätteisen gehabt haben
mögen und ob die oben p. 114 beschriebenen Stuccolustro-Eisen im Altertum
bekannt gewesen sind. Das wäre freilich der schlagendste Beweis für meine
Behauptungen, wenn sich unter den antiken Instrumenten Stuccolustro-Eisen
fänden, die den oben beschriebenen gleich oder nicht unähnlich sind. Meine
Bemühungen waren darauf gerichtet, unter den in den Museen zu Neapel
und Rom aufbewahrten antiken Instrumenten auch solche Eisen zu suchen,
wenn auch , wie gleich bemerkt sei , der Rost alle Eisengeräte bis zur Un-
kenntlichkeit vernichtet haben musste.
Antike Die im Museum zu Neapel im Saale der kleinen Bronzen aufgestellte

(rlattkellon. rr ., . ,. r . »

Kollektion antiker Eisengerate pompejanischen Ursprungs enthalt zwei
Exemplare von abgerundeten Kellen (Nr. 71877 und 71878, Abb. 26)u; die
Grösse der einen beträgt 30 cm, die der anderen etwa 24 cm in der ganzen
Länge; die Handhabe ist im Knie gebogen, genau so wie die Stuccolustro-
Eisen. Unter den Eisengeräten im Konservatoren-Palast zu Rom, Sala
dei piecoli bronzi (Wand links vom Eingang) befinden sich ebenfalls zwei ganz
ähnliche Exemplare von abgerundeten Kellen (Abb. 27). Wie die pompe-
janischen sind auch die römischen ganz von Rost zerfressen, und man kann
ausser der Form nur erkennen, dass die Klingendicke gering ist. Zur ein-
fachen Glättung würde diese Dicke wohl hinreichen; aber zur Erhaltung der
Hitze für einige Zeit ist eine viel grössere Dicke des Eisenstückes nötig;
auch fehlen in beiden Fällen die zur Führung des Instrumentes nötigen Dorne.
Aus diesem doppelten Mangel könnte man schliessen, dass die hier in Frage
kommenden Instrumente mit den Stuccolustro-Eisen nicht identisch sind.
Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die alten Stucco-Arbeiter andere
Formen von Glätteisen gebrauchten, die mit den heute üblichen keine Aehn-
lichkeit hatten, ja dass sie bei einzelnen Dekorationsmanieren die Stuckmalerei
glätteten, ohne sich der heissgemachten Kellen zu bedienen. In den oben
beschriebenen Versuchen ist auch wiederholt vom „kalten Glätten die Rede,
und es ist evident, dass zu dieser Prozedur jede am Rande abgerundete Kelle
passend ist, ja bei vielen meiner eigenen Versuche bediente ich mich
kleiner viereckiger Stuckateurspateln mit dem besten Erfolg und konnte z. B.

Seife (nicht vor dem nächsten Morgen) zuerst mit kaltem, dann mit heissem Eisen
{wenn spiegelnder Glanz gewünscht wird).

Das Glätten mit der Stahl- oder Elfenbeinwalze nach der Methode des Kollegen
M. Matthiessen in Charlottenlund (Kopenhagen) bringt ähnlichen Effekt hervor,
wie das Glätten in obiger Manier mit kaltem Eisen. Nur ist die Gefahr vorhanden,
wenn der Grund noch zu feucht ist, dass dicker gemalte Farbenpartien durch die
Walze abgehoben und beim Umdrehen der Walze an anderer Stelle wieder abgesetzt
werden. Ich ziehe deshalb das Glätten mit flachem Eisen vor, weil hier die Farbe
wohl niedergedrückt (und eventuell verschoben), aber nicht weggenommen wird.

L65

in der Tempera-Manier auf frischem Grund ta’juiv7 ; ).
wonach die Verfertiger der Mauermalerei Enkausten genannt wurden. n )
Diese Nachricht stammt wohl aus späterer Zeit. Wir wissen aber auch aus
früherer Zeit, dass Enkausten jene Arbeiter hiessen, welche die farbige De-
korierung von Baugliedern an Monumentalbauten auszuführen hatten: aus
den Inschriften vom Erecht he um zu Athen erfahren wir sogar den Preis,

ntterarisohe
Beweise.

«) Die Stelle im Etymologieum Magnum p. 810. 40 lautet : ‘Ey/.i7.%’)iäv7 i . i^toYpacprjuivYj,
i~i: syxa’jxat oi ^oiypicpot. oi SiaypäcpovTss toög xotypoq (in leoersetzung: Der Ausdruck
s-,’y.=-/.xuuivYj [eingebrannt] bedeutet gemalt, da iyxauxa( die Maler neissen, welche
die Wände bemalen).

— 166 —

den sie für den laufenden Fuss gewisser Arbeiten erhalten haben. ,2 ) En-
kausten waren demnach Arbeiter, die sich mit der Wandtechnik be-
schäftigten, und der Name Enkaustik beschränkte sich nicht ausschliesslich
auf die enkaustische Tafelmalerei.

, l ‘i!!

der atucco- . . T

technik. nachzugehen , warum die antike Art der Wanddekoration aufgegeben worden
ist, so dass die Technik des Stuccolustro heute nur noch zur Herstellung von
Marmor-Imitationen verwendet wird. Uie Schuld trägt die im Laufe der
Kaiser zeit einreissende Verrohung des Geschmacks, die ins ungemessene
gesteigerte Prunksucht, die nicht mehr in der künstlerischen Ausführung,
sondern nur noch in der unerhörten Kostbarkeit und der blendenden Pracht
des Materials ihre Befriedigung suchte. Bemalte glatte Stuckwände konnte
sich jeder begüterte Privatmann gestatten, für den brutalen Luxus eines Nero
mussten neue Mittel der dekorativen Ausstattung ersonnen werden, die dem
gewöhnlichen Sterblichen unerreichbar blieben.
I kru’tatin -^ Semper CStii I p. 463) darf man Plinius ,3 ) glauben, dass es haupt-

und Imitation, sächlich das Ueberhandnehmen der luxuriösen Marmor-Inkrustation ge-
wesen ist, welche die Malerei von den Wänden verdrängt hat. Die aus Klein-
asien stammende Sitte, ganze W r ände mit polierten, dünnen Platten (crustae)
buntfarbigen Marmors in verschiedenen Mustern zu bekleiden, hatte schon
gegen Ende der Republik in Rom allmählich Eingang und in der nächsten
Zeit, wenn auch von ernsteren Geistern heftig getadelt, weitere Verbreitung
gefunden. Die Kostspieligkeit dieser Dekorationsweise ist Anlass geworden
zu ihrer malerischen Nachbildung in Farben auf Stuckgrund, wie Vitruv
(VII, 5, 1) sie beschreibt und wie z. B. in Pompeji im Triclinium der Casa
dei Vettii (Abb. 25) der Sockel mit gemalter Marmorimitation so aus-
gestattet ist, als ob er aus verschiedenen Marmortafeln inkrustiert wäre. Aber

12 ) S. die Baurechnungen des Erechtheums (Böckhs Corp. Inscr. Atticarum I
324a col. 1 Zeile 42 (erstes Fragment ): „Die Enkausten, welche die Cima des inneren
Architravs eingebrannt haben (£vxauxalg xb jiup,äx;ov Ivxsavxi, 1 , 5 Obolen den Fuss: Dio-
nysodor von Melita, Heraclides von Oa soviel wie xxx Drachmen: Summe für die En-
kausten. xxx Dr.»; und II p. 2^2, wo das Bemalen der Wände und der Gesimse und
das „Einbrennen» der Türen genannt wird (xyjv ypa^Tjv twv xs -zoiyßw xal ifc, öpexpvjs %a –
xtjv ixauoiv [statt syxauaiv] xwv 9-upcov). Vgl. die Zusammenstellung der auf Enkausten
und Vergolder bezügl. Inschriften b. Hittorff p. 755—757.

13 ) Plinius XXXV, 2 u. 3: „Jetzt ist sie (die Malerei) gänzlich verdrängt durch
die Marmorarten, ja auch schon durch das Gold, und man bekleidet nicht mehr bloss
ganze Wände damit , sondern schneidet auch den Marmor aus und setzt Bilder von
allerhand Gegenständen und Tieren mosaikartig ein. Die viereckigen Felder und die
Flächen, die das Gestein der Berge an den Wänden der Zimmer ausbreiten, sind
schon nicht mehr Mode: wir haben auch angefangen, mit dem Gestein zu malen.
Diese Erfindung wurde unter dem Kaiser Claudius gemacht, unter Nero aber wurden
nicht vorhandene Adern und Flecken mit buntem Gestein in das einfarbige Marmor-
getäfel zum Schmucke eingelegt: der numidische Marmor erhielt eiförmige, der syn-
nadische purpurne Flecken, wie der verwöhnte Geschmack sie von Natur wünschte.»
(Wenn Semper u. A. annehmen, unter Claudius sei es aufgekommen, den Marmor zu
bemalen, so beruht diese Auffassung auf der als unbeglaubigt erkannten und ver-
alteten Lesart lapidem (st. lapide) pingere , und die Bemerkungen, die sie daran
geknüpft haben, erledigen sich hiernach von selbst.) Uebereinstimmend äussert sich
der ältere Zeitgenosse des Plinius, Seneca epist. 86, 6: „Heutzutage kommt jemand
sich arm und gemein vor, wenn seine Wände nicht von grossartigen und kostbaren
Marmortäfelungen strahlen . wenn nicht alexandrinischer Marmor mit Einlagen von
numidischem verziert ist, wenn nicht überall die kunstvolle und nach Art der Malerei
farbig gehaltene Umrahmung wirkungsvoll hervortritt, wenn nicht die Deckenwölbung
mit Glas verdeckt wird» u. s. w. Mit den letzten Worten ist Glasmosaik gemeint,
wie Plinius XXXVI, 189 sagt, dass infolge einer neumodischen Erfindung das Stein-
mosaik der Fussböden als Gla«mosaik auf die Decken übertragen worden sei. — Im
übrigen vgl. Blümner, Technol. III p. 184 ff.

— 107 —

der raffinierten Verschwendung genügte dies nicht mein-. Unter Claudius
erfand man das Verfahren, die Platten noch durch allerlei bildliche Darstel-
lungen mittelst andersfarbigen Marmors (etwa in der Art des florentinischen
Mosaiken) zu verzieren, und unter Nero verfiel man darauf, der natürlichen
Einfarbigkeit der gesuchtesten und schönsten Marmorarten durch künstliches
Einsetzen von Stücken anderer Arten „verschönernde» Flecken und Adern zu
geben. So schimmerten denn die Wände von dem Glanz des Goldes und
edlen Gesteins aller Arten und Farben, wie die Natur sie nicht kannte, aber
der Luxus sie sich wünschte.

Mit dieser Schilderung hei Plinius, Seneea u. A. stimmen auch die
Beobachtungen überein, die man in den sog. Thermen des Titus zu
Rom machen kann. An den wenigen noch erhaltenen Resten dieser Bauten
ist deutlich zu erkennen , dass die Räume fast zur halben Höhe der
8 — 10 m hohen Wandflächen mit Marmorplatten bedeckt gewesen sind, und
dass erst über diesen Dekorationen die farbigen und bemalten Stuck-
flächen beginnen (nur in dem als Bad bezeichneten Räume reichen die
Stuckwände bis zum Boden). Verschiedenfarbiger Marmor in gemusterter
Anordnung mag diese Wände, ebenso wie den Fussboden, bedeckt haben.
und Meisterwerke der statuarischen Kunst hoben sich von dem vielfarbigen
Marmorhintergrunde wirksam ab. Fand man doch unter anderen die berühmte
Laokoon-Gruppe in dem Tricliniuml

Die weitere Entwicklung blieb in dieser Richtung. Im byzantinischen
Stil hatte die Mosaikdekoration schon dermassen die Alleinherrschaft ge-
wonnen, dass für die alt -römische Wandmalerei kaum mehr ein Platz
zur Verfügung stand. Es folgten später die Zeiten des Bildersturmes, die
Einflüsse der orientalisierenden Ornamentation unter Ausschliessung jeder Art
von figürlicher Darstellung, so dass der Stuccolustro-Malerei nicht viel mehr
übrig blieb, als eben die Imitation des Marmors, in Fällen, wo man von
Anwendung des echten Materiales absehen musste. In dieser Technik hat
sich die Tradition bis heute erhalten. Hier sehen wir also die berühmte
antike Stucco-Technik zurückgedrängt auf ein enges Gebiet besonderer Art,
nämlich auf das Imitieren von Marmor-Inkrustation.

Ein anderer Grund ist die Bedingung der ebenen Flächen in der V otf den wfauif
malerischen Wanddekoration. Nur auf solchen kann der geglättete Stuck zur flächen.
Geltung kommen. Als in spätrömiscber Zeit mit dem Inkrustationsstil reicher
plastischer Schmuck in echtem Marmormaterial oder im erhöhten Relief
der Friese, Pilaster, Sockel immer mehr die Wandflächen ausfüllte, und dann
noch später in byzantinischer Zeit Bogen und Kuppelwölbungen auf massiven
Steinpfeilern aufgebaut wurden, die Wandabschlüsse mit Marmorbekleidung
und reichen Mosaiken abwechselten, da blieben für die Malerei über-
haupt kaum mehr Flächen übrig, wo sie sich hätte entfalten können. In den
Kuppelwölbungen hätte diese Kunst noch einen Platz gehabt, falls nicht wieder
Mosaiken auf Goldglas oder blauem Grund dazu verwendet wurden. Aber
gerade für Kuppel mal er ei hätte der römisch-pompejanische Stuck am
wenigsten Aussicht gehabt, eine spätere Blüte zu erleben, weil die Stuck-
schichten viel zu dick und zu schwer gewesen wären und entweder die
Kuppeln eingedrückt hätten oder durch die eigene Schwere hätten herunter
fallen müssen. Für den antiken Stuck mit seinen sechs Schichten war also
in dieser Zeit des aufstrebenden byzantinischen Stiles keine Verwendung mehr:
man musste eine möglichst leichte Bekleidung herzustellen suchen und kam
folgerichtig auch auf den mit Stroh- und Wergkalk bereiteten Bewurf, wie er
im Handbuch der Malerei vom Berge Athos beschrieben ist und sich dort
noch bis zum heutigen Tage erhalten haben mag.

Einzelne Beispiele späterer Zeit sind im Laufe dieser Abhandlung er-
wähnt worden (s. oben p. 106), aber diese bilden doch nur Ausnahmen und
Uebergangsstadien zu anderen Arten der Wandtechnik. In der Renaissanze-Zeit
kommt noch ein weiterer Konkurrent der Stuccolustro-Technik hinzu, nämlich

— 168 —

der Kunst- oder Stuckmarmor H ), so dass der letzte Rest der antiken Technik
(Marmor zu imitieren), auch hier noch Einschränkung erfahren hat. So ist
tatsächlich die antike Technik der Wandmalerei wegen „Raummangels» ver-
schwunden und fristet jetzt ihr Dasein neben dem Kunst- oder Stuckmarmor
in Einfahrten oder Korridoren grösserer Bauten , wo das echte Material zu
teuer wäre und wegen der billigeren Herstellung des Stuccolustro dieser mit
seinem Glanz und seiner Glätte das Auge darüber hinwegtäuschen soll, dass
nicht alles Marmor ist, was so aussieht,
wieder- Tj nc j [ m heutigen Stil und der gegenwärtigen Hast der Bauweise?

Wäre da ein Platz für die Wiederbelebung der antiken Stuckmalerei? Ich
glaube es nicht. Vor allem ist die Technik zu edel, sie erfordert zu viel Arbeit
und Schulung und würde, einmal von irgend einem Unternehmer wieder in
Aufnahme gebracht, nur zu bald durch schlechteres Material und schleuder-
hafte Ausführung in Misskredit gebracht werden. Deshalb wird der all-
gemeinen Aufnahme dieser Technik niemals ein Boden geschaffen werden
können, und die einstmals so grossartig gepflegte Stuckmalerei des Altertums
hat für alle Zeiten ihre Rolle ausgespielt. Sie hatte in ihrer Blütezeit die
denkbar höchste Vollendung erreicht und einen eigenen Stil geschaffen,
der aufs innigste mit dem Material zusammenhängt. Nur wenn auf diesen
Stil zurückgegriffen würde, könnte die Technik der alten Stuckmalerei wieder
belebt werden. An andere Stile wird die Technik sich aber niemals an-
schmiegen lassen. In Anbetracht der schönen und bis jetzt unerreichten
antiken Stucktechnik ist dies wohl aufs innigste zu bedauern, aber, wie mir
scheint, nichts daran zu ändern.

u ) Stuckmarmor oder Kunstmarmor besteht aus einem Gemenge von Gips, Farben
und Leim, und wird so hergestellt, dass die Aederungen des darzustellenden Marmors
durch die ganze Masse gehen. Man färbt zu diesem Zwecke die Gipsmasse ver-
schieden, zerteilt die Brocken auf einem Werktisch, schüttet den Adern entsprechend
gefärbten Gips dazwischen und rollt das Ganze in Form eines Brotlaibes zusammen.
Von diesem werden dann Scheiben (ital. scoglia — Schuppen) geschnitten, die auf
die entsprechend rauh beworfene Wandfiäche fest angetragen werden. Nach dem
Trocknen folgen in verschiedenen Graden das Abschleifen, Neuausfüllen der kleinen
Zwischenräume und wiederholtes Schleifen bis zum völligen Glanz. Genauere An-
weisungen sind zu linden in Kunst- Werkschul- und anderen Kunstbüchern des
XVIII. Jhs.

III. Teil.

Die anderen Arten der Malerei bei den Griechen

und Römern

(insbes. Tafelmalerei in Tempera und Enkaustik).

171 –

Die Tafelmaleroi.

Der allgemeine Ausdruck Tafelmalerei, der zum Unterschied von der

Wandmalerei alle malerischen Darstellungen auf transportabler Unterlage
umfasst, enthält an sich nichts, was die besondere Art der Technik andeutete.
Wie heute, so konnte man auch im Altertum mit denselben Farben und Binde-
mitteln auf Wänden wie auf Tafeln malen. So war es bei den ägyptischen
Malereien schwer, in dieser Beziehung irgend einen durchgreifenden Unterschied
zuerkennen (s. p. 6); auch für die älteste Zeit der griechischen und römischen
(oder etruskischen) Malerei dürfte es kaum möglich sein, das Vorhandensein
technisch verschiedener Malweisen durch deutlich erkennbare Merkmale nach-
zuweisen.

Anders verhält es sich mit der Zeit fortgeschrittener Entwicklung.
Als bei den Griechen im Rückblick auf ein reiches Kunstleben die Schrift-
stellerei auch die Geschichte der Malkunst in ihren Bereich zog, fing man
an, die Gattungen von einander zu sondern und durch eigene Namen kenntlich
zu machen. Daher stammt bei Plinius auch wohl die Unterscheidung zwischen
den Pinselmalern und den Enkausten, die er als die beiden Hauptgruppen
einander gegenüberstellt. Diese Gruppierung trifft freilich den Kern der Sache
nicht, denn unter den Pinselmalern sind hier neben den Tafelmalern auch
die Wandmaler mitinbegriffen, und noch weniger zutreffend wäre es, die Unter-
scheidung auch auf die spätere Zeit auszudehnen , als die Enkausten sich
gleichfalls des Pinsels bedienten und dieses Malinstrument aufgehört hatte,
das spezifische Merkmal der einen von den beiden Gruppen zu sein. Der
eigentliche Unterschied liegt vielmehr, wie sich zeigen wird, einzig und
allein in der Anwendung von Hitze, die den Enkausten durch die Natur
des Bindemittels, des Wachses, ursprünglich aufgenötigt war, während die
sog. Pinselmaler mit einem schon in kaltem Zustande geschmeidigen und
leicht zu behandelnden Material arbeiteten. Es ist daher sachgemässer , bei
der alten Tafelmalerei nach modernem Sprachgebrauch zwischen Tempera-
malerei und Enkaustik zu unterscheiden.

Wir beginnen mit der ersteren, die allem Anschein nach die ältere und
in der Blütezeit der griechischen Malerei die verbreitetere war, und behandeln
dabei zugleich auch das , was , wie z. B. die Holztafeln als Malgrund , den
beiden Gattunsren gemeinsam ist.

172

Mangel
direkter Nach-
richten.

Pinsel.

I. Tempera und Temperamalerei.

Eine auch nur einigermassen ausreichende Ueberlieferung über das
Technische der Malerei bietet die alte Litteratur leider nicht. Die griechischen
Maler, die selbst über ihre Kunst Bücher geschrieben haben, sprachen, nach
deren Titeln zu schliessen, sich mehr über theoretische Grundsätze und Forder-
ungen, über Symmetrie, über Licht und Schatten u. a., oder über die Vorzüge
und Mängel von Vorgängern und Nebenbuhlern aus als über das eigentlich
Handwerkliche, das in den Werkstätten im persönlichen Verkehr mit dem
Meister durch praktische Unterweisung erlernt werden musste. Die Werk-
statt war die alleinige Schule, und ein Lehrbuch seiner Kunst zu schreiben
ist vermutlich keinem Künstler der klassischen Zeit eingefallen. Die späteren
Kunstschriftsteller aber, die lediglich Gelehrte waren, hatten es neben dem
Chronologischen und Anekdotischen im Leben der Künstler hauptsächlich auf
das Geistige, das Aesthetiseho der fertigen Kunstwerke abgesehen. Ueberdies
sind alle diese Schriften verloren gegangen; erhalten sind nur geringe Ex-
zerpte oder spärliche Zitate , und so sind wir darauf angewiesen , die ver-
einzelt sich findenden Notizen zusammenzustellen und die Lücken des Materials
durch Vermutungen zu ergänzen.

Zunächst seien die Werkzeuge und Gerätschaften in Betracht gezogen:

1. Pinsel (ypacpecov oder ypacpc’g, penicillus, saeta). Dass es deren ver-
schiedene gab, ist selbstverständlich. Es werden zwar nur Borstenpinsel
(saeta) als besondere Gattung und für die gröbere Arbeit des Ueberstreichens
und Tünchens erwähnt, 1 ) aber gerade daraus ist zu schliessen, dass für die
feinere Arbeit des Malens andere, und zwar Haarpinsel, im Gebrauch
waren; ohne solche konnten die Maler der älteren Zeit, die in der Feinheit
der Konturen ein Zeichen höchster Kunstfertigkeit sahen, unmöglich aus-
kommen. a ) Ein Beweis dafür ist die berühmte Atelieranekdote bei Plinius
(XXXV, 81): Apelles wollte den Protogenes besuchen; da er ihn nicht antraf,
zog er mit dem Pinsel und einer gerade bereitstehenden Farbe, um seinen
Besuch zu bezeugen , eine ganz feine Linie quer über eine unbemalte Tafel
(penicillo lineam ex colore duxit summae tenuitatis per tabulam) , dann kam
Protogenes und zog auf dieser ersten Linie eine zweite feinere mit einer anderen
Farbe (alio colore tenuiorem lineam in ipsa illa duxisse), und endlich zog Apelles

‘) S. Blümner, IV 429; Vitr. VII, 9, 3 und Plin. XXXIII, 122 erwähnen die
Borstenpinsel zum Ueberstreichen der Wandfläche bei der Ganosis s. oben p. 101.

2 ) Zu den feinsten Haarpinseln zählt man heute die von Marderhaaren, von
Fischot.terschwänzen und Dachshaaren, die in Gänsekielen oder Kielen von Schwänen
festgemacht werden. Borstenpinsel werden aus Schweinsborsten hergestellt, für
einzelne Zwecke werden aber auch die Haare bestimmter Teile anderer Tiere ver-
wendet, z. B. von den Rindsohren. Deshalb scheint es nicht unmöglich, in den Worten
des Naevius (bei Fest. p. 230 M : Lares ludentis peni pinxit bubulo.) „er malte mit
dem Ochsenschwanz die scherzenden Laren» nicht bloss einen „Scherz des Komikers»,
sondern die Andeutung einer bestimmten Pinselart zu sehen.

— 173 —

auf (d. h. innerhalb) dieser zweiten Linie eine dritte, die allerfeinste, die
nun nicht mehr zu übertreffen war. Dieser Vorgang ist nur unter der Voraus-
setzung äusserst feiner elastischer und Haarpinsel zu erklären. Nach Plinius 3 )
wurden auch aus einer weichen Schwammart brauchbare Pinsel gemacht;
es mag sein, dass solche zum Herauswaschen verdorbener Stellen, ja selbst
zum Weichermachen von Uebergängen dienlich gewesen sind. Jedenfalls ge-
hörte ein Schwamm zum Malgerät; er wird wiederholt so erwähnt und hat,
wenn auch nicht zum Malen selbst , so doch zum Entfernen von fehlerhaften
Stellen oder zum Waschen der Pinsel gedient.

2. Paletten, wie wir sie zum Aufsetzen der Farben und zum Mischen Vermeintliche
der Töne gebrauchen, scheint man im Altertum nicht gekannt zu haben.
Blümner IV p. 459 ff. gibt zwar einige Beispiele in Abbildungen nach
antiken Gemälden, auf denen Maler oder Malerinnen dargestellt sind mit
einem ovalen Brettchen in der linken Hand, das für eine Palette angesehen
werden könnte. Aber abgesehen davon, dass nicht einmal der griechische
oder lateinische Ausdruck dafür erhalten ist, scheint mir, dass die ovale
„Palette» in jenen Abbildungen mit den Muscheln (conchae) verwechselt
werde, die zum An mischen einzelner Farben töne und gleichzeitig
zum Abstreifen oder Zuspitzen des Pinsels gedient haben. 4 ) Solche
Muscheln sind als zum Handwerkszeug des Malers gehörig ausdrücklich ge-
nannt bei Martianus in den Digest. XXXVIII, 7, 17. Ihre Verwendung
wird klar ersichtlich aus der hier gegebenen Abbildung (Abb. 30) des Malers
auf dem berühmten Miniaturgemälde im Dioskorides-Ms. der Wiener Hof-
bibliothek. Der Maler sitzt in Handwerkertracht auf niedrigem Klappstuhl
vor einer Staffelei; auf dieser steht eine Tafel, an der mit Nägeln ein Blatt
befestigt ist mit einer Abbildung der bekannten Alraunwurzel , woran der
Maler gerade arbeitet, sich dabei rechts nach einer Frauengestalt umschauend,
die ihm das Original, die Wurzel, entgegenstreckt. In der Linken hält er
wag recht die Muschel, und die Haltung der Hand verrät, dass der Inhalt
flüssig sein muss ; 5 ) auf dem niedrigen Tischchen neben ihm befinde! sich,
in gleichen Muscheln angerieben, eine Anzahl von Farben.

Eine ganz ähnliche Darstellung, mit demselben schemelartigen Tischchen
und mehreren Reihen solcher Farben darauf, zeigt das nur in einer Zeichnung
nach einem pompejan. Wandgemälde erhaltene Pygmaeen-Ateli er») (Abb. 31 1.
In der Mitte steht eine Staffelei, auf ihr eine Maltafel mit der Zeichnung
eines Kopfes, davor sitzt der Maler selbst auf niedrigem Schemel; er malt
mit dem Pinsel an dem Kopf, ohne Zweifel das Porträt des Mannes, der
in einiger Entfernung davon in ernster Haltung auf einem niedrigen Sessel

3 ) Plin IX, 148: (genus spongearum), tenuedensumque, ex quo penicilli, Achillium
(vocatur).

4 ) Am meisten Aehnlichkeit mit einer „Palette» hat die Darstelluug des Hand-
werkszeuges der vor einer Herme sitzenden Malerin auf einem pompejan. Bilde im
Museum zu Neapel, das Donner (Wandmal. p. 109. Abb. 29) in „genauester Kopie»
gibt. Aber selbst Donner gibt zu, „dass die Palette hier klein und oval, vielleicht
etwas tellerartig vertieft» ist, mitbin einer Muschel viel ähnlicher ist als einer
Palette. Ich habe dieses Bild, ebenso wie auch das zweite, im Museum befindliche,
auf dem nach Heibig (Atlas Taf. IV Nr. 1444) eine Malerin dargestellt ist, „in der
Linken die Palette, in der Rechten, welche gegenwärtig zerstört ist, vermutlich den
Pinsel», genau angesehen und konnte keine Palette darin entdecken. Auch Donner
(Technisches, p. 50 An-u. I) findet „eine vertiefte Schale, die man hier als solche
genau erkennt, da sie im Profil gezeichnet ist», und hebt die charakteristische in die
Höhe gerichtete Stellung des Daumens noch besonders hervor, damit „er nicht in die
flüssige Farbe der Schale gerät».

«) Das ganze Miniaturgemälde in photogr. Abbildung bei J. .1. Bernoulli, Griech.
Ikonographie II. p. 214 ; auch bei Blümner IV p. 461 nach Visconti. Beide halten
die mit Farben gefüllte Muschel für eine „flache Palette». Donner (Technisches p. 49)
erklärt aber das grosse schemelartige Farbenbrett ganz treffend für die Palette, die
„tavolezza» der italienischen Dekorationsmaler.

e ) Zuerst «abgebildet bei Mazois, Maison deScaurus p. 118 pl. 7 und Ruines de
Pompei II p. 68, dann bei anderen und bei Blümner IV p. 462, woraus die um-
stehende Abbildung entnommen ist.

— 174

Abbild. 3Ü. Maler auf einem Miniatnrgemälde des Dioskorides Ma- (Wiener Hofbibliothek).

sitzt. (Die linke Hand ist hier nicht sichtbar, es ist also nicht zu erkennen,
ob auch dieser Maler die Muschel beim Malen wagrecht hält.) Neben dem
Tischchen mit den Farben steht ein grösseres Gefäss mit Henkel, wohl Wasser
enthaltend zum Flüssigmachen der Farben (oder zum Ausschwenken des
Pinsels) ; weiter rechts neben einem breiten niedrigen Becken ein anderer
Pygmaee, die rechte Hand hineinhaltend, vermutlich ein mit Farbenreiben
beschäftigter Gehilfe. Dahinter erscheint ein anderer Gehilfe oder Diener;
noch mehr im Hintergrund ein jüngerer Arbeiter (oder Schüler), der auf den
Knieen eine Tafel hält und zeichnet und dabei den Kopf nach der Mitte um-
wendet. Links kommen zwei Pygmaeen , einander an der Hand haltend, im
Gespräch heran, wohl Fremde, die dem Atelier einen Besuch abstatten. In
ihrer Nähe ein grosser Vogel, „offenbar ein Kranich, den die Kunst so gern
in Verbindung mit seinen Todfeinden, den Pygmaeen, zu bringen pflegt».
Eine Palette im heutigem Sinne ist also wohl nicht nachweisbar, sondern
die Farbentöne wurden jedenfalls vorher gemischt und in den Muscheln
oder auch in tiefen irdenen Tiegeln oder Töpfchen für den Gebrauch bereit
gestellt. Solche Töpfchen , deren eine ganze Anzahl in einem mit Deckel
versehenen Kästchen aufbewahrt wurde, sind auf dem bekannten pompejanischen
Bilde einer Malerin zu sehen (Abb. 32). In eines der Töpfchen taucht diese
soeben ihren Pinsel ein , um an dem zu Füssen einer Herme angelehnten
Bilde zu malen. Da hier unzweifelhaft ein anderes Handwerkszeug abgebildet

Abbild. 31. Pygmäeu- Atelier nach einer pomjiejan. Wandmalerei.

_ 1 16 —

Abhild. 33. Römisches Grabrelief mit der Darstellung einer Malerin (a&oh Santi Hartoli).

ist, als bei den obigen beiden Malern, so könnte man versucht sein, an eine
andere Technik zu denken. 7 )

Eine andere Darstellung nach einem verlorenen Basrelief (abgebildet
bei Blümner IV p. 462 Fig. 72) zeigt am Pusse der Staffelei einen Farben-
kasten mit drei rundlichen Oeffnungen oder Näpfchen, dessen Deckel ge-
öffnet ist. Die dem Manne die rechte Hand reichende verhüllte Frau hält
in der erhobenen Linken einen Pinsel, wobei deutlich der Stiel, die Haare
und die Umwicklung sich unterscheiden lassen (Abb. 33). Aber aus der geringen
Zahl und der Form der Näpfchen sowie aus der Form des Kästchens Schlüsse
auf die Technik (Tempera oder Enkaustik?) zuziehen, halte ich für schwierig.

3. Staffeleien (öxpc’ßa; oder xtXXißag, machina) wurden von den alten
Malern in ähnlicher Weise benützt wie jetzt. Sie waren den vorhandenen
Darstellungen zufolge dreifüssig (siehe Abb. 31 u. 33) und durch beiderseitig
angebrachte Löcher , durch welche kurze Hölzer gesteckt werden konnten,
verstellbar eingerichtet.

4. Die Gemäldetafeln (7c:vaxeg, tabulae) bestanden meist aus Holz, iioiztafein.
seltener aus anderem Material. Ausser Lärchenholz, das wegen seiner
Zähigkeit am beliebtesten war , wurden auch andere Hölzer , vornehmlich die

Staffeleien.

7 ) So vermuten Cros et Henry (l’Enoaustique p. 109) in dem Pinsel ein
„Cestrum»‘ und in den Töpfchen „Wachsfarben in flüchtigen Oelen aufgelöst», so dass
die Malerin nicht mit Temperafarhen , sondern in enkaustischer Art zu malen im
Begriffe wiire.

Abbild. 3£ MaljjerSit der Malerin auf einem yompej. Wandgemälde (nach Donner).

— 176 —

Zypresse und Tanne verwendet. ) Die g’raeco-ägyptischen Mumienporträts
sind vielfach auf Zedern- oder Pinien holz gemalt (s. Plinders Petrie,
Hawara p. 18), in einzelnen Fällen, wenn anders die fraglichen Bilder wirklich
aus antiker Zeit stammen, wurde Schiefer (Cleopatra-Bildnis der Villa
Hadriana, Muse von Cortona), in späterer Zeit auch Leinwand (s. die
Mumienbildnisse im Berliner Museum) als Malgrund benutzt. Interessant
ist, dass Plinius als Neuheit «in auf Leinwand gemaltes Kolossalbild des Nero
von 120 Puss Höhe erwähnt, das in den horti Mariani aufgestellt wurde; 9 )
wahrscheinlich bestand die Neuheit in der ungeheuren Grösse des Gemäldes,
nicht in dem Material, auf dem es gemalt war. Denn Leinwand mag als
Malgrund in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung schon in Ge-
brauch gewesen sein, da Boethius unter den Materialien der Maler ausser
den Tafeln, dem Wachs und den Farbstoffen auch die Leinwand aufzählt. 10 )
Holztafeln aber waren entschieden der bevorzugte Grund , und vermutlich
wurden sie, wenn grössere Tafeln nötig waren, aus mehreren Stücken zu-
sammengefügt. Pur enkaustische Malerei bedurften, wie es scheint, die
Tafeln keiner weiteren Zubereitung, denn auf Mumienporträts dieser Art
Grundierung. findet man direkt auf dem Holz Spuren einer Vorzeichnung. Die Temperamaler
dagegen konnten einen besonders präparierten Grund nicht entbehren, und
dieser scheint in hergebrachter Art aus weisser Kreide (und Leim) bereitet
worden zu sein. Die Worte [des Plinius (XXXV, 49: ex omnibus coloribus
cretulam amant udoque inlini recusant purpurissum u.s.w.) lassen kaum einen
Zweifel darüber, zumal da das Verfahren sich ununterbrochen bis heute er-
halten hat 11 ) und schon bei den Aegyptern zur Vollkommenheit ausgebildet
war (s. p. 11). Den Kreidegrund haben wir uns demnach als weiss und
vollkommen geebnet zu denken, sodass die Farben darauf ihre volle Leucht-
kraft behielten. Zuerst wurde jedenfalls die Zeichnung der Umrisse auf-
getragen , ehe Farbe und Pinsel an die Reihe kamen , genau so wie es in
der Frührenaissance üblich war. Dazu dienten schwarze Kohle oder rote Kreide
(Rötel), 12 ) vielleicht auch für feinere Dinge der Silberstift. Denn dass man mit
diesem schwarz angehende Linien ziehen kann, war den Alten bekannt, und es
scheint, dass er für Zeichnungen auf Holz oder Pergament benutzt worden ist. 13 )
Buxbaumtäf eichen sind wegen ihres festen Gefüges sehr geeignet
als Grund für kleinere Gemälde; nach Plinius (XXXV, 77) wurden sie beim
Zeichenunterricht gebraucht. u )

8 ) Nach Plato(Legg. V, p. 741 C.) wurde vornehmlich Zypressenholz genommen:
Theophrast (Hist. pl. III, 9, 7) erwähnt Tannenholz; Pliu. XVI, 187 nennt Lärchen-
holz als das bevorzugte, da es „unverwüstlich sei und niemals Risse bekomme»
(inventum pictorurn tabellis immortale nullisque fissile rimis).

9 ) Plin. XXXV, 51: Nero princeps iusserat colosseum se pingi CXX pedum
linteo, incognitum ad hoc tempus.

10 ) Boeth. de arithm. praef. I p. 1079 (Migne): At picturae manibus labulae
commissae fabrorum , cerae rustica observatione decerptae, colorum fuci mercatorum
perquisiti, lintea operosis elaborata textrinis multiplicem materiam praestant.

«) Die ältesten ausführlichen Anweisungen z ur Grundierung von Tafeln
sind zu finden im Handbuch der Malerei vom Berge Athos (§ 4—6) und im Trattato
des Cennino Cennini (cap. 114—120): vergl. m. Beitr. III. Mittelalter p. 75 und 113.

ia ) Vgl. Horaz Sat. IL 7, 98: proelia rubrica picta aut carbone. Zeichnungen
von Gladiatorenkämpfen mit Rötel- oder Kohlestift. In der Anekdote bei Plinius
(XXXV, 89) von Apelles, der beim Gastmabl des Ptolemaeus mit einer crloscbenen
Kohle das Bildnis des Hofnarren, von dem er arglistiger Weise geladen war, auf die
Wand zeichnete, ist die Kohle zwar nur Notbehelf,’!zeugt aber von dem Bekanntsein
ihrer Eigenschaft, leicht abzufärben (s. Blümner IV, 428).

1S ) Plin. XXXIII. 98: lineas ex argento nigras praeduci plerique mirantur.

u ) Plin. XXXV,77: „Pamphilus, der Lehrer des Apelles, setzte es durch, dass zuerst
in Sikyon, später in ganz Griechenland das Zeichnen aufBuxbaumtafeln regelmässi-
ger Unterrichtsgegenstand für freigeborene Knaben wurde» (huius (Pamphili) auctoritate
effectum est Sicyone primum, deinde in tota Graecia, ut pueri ingenui omnia ante
graphicen, hoc est picturam, in buxo docerentur recipereturque ars ea in primum
gradum liberalium). Vgl. uogiov bei Pollux X, 59 und ragoYpayf t»jv elx6va noi&i cpftapiöv
cp&apxoö ilC|M]|m). — Vgl. auch Cros et Henry p 58 und die Stellennachweise, welche
Blümner IV p. 443 Anm. 1 gibt.

,9 ) Unser berühmter Kollege Prof. HansThoma, früher in Frankfurt a/M., jetzt
Galeriedirektor zu Karlsruhe, hat im letzten Jahrzehnt wiederholt mit einer Mischung
von punischem Wachs und Gummi arab. gemalt. In einigen Briefen an mich spricht
er sich sehr begeistert über dieses Bindemittel aus; manche seiner vielbewunderten
Gemälde der letzten Ausstellungen in München (Sezession) sind mit solchen Farben
gemalt, Vielfach vorwendet Thoma auch das punische Wachs als Bindemittel zum
Kolorieren seiner Lithographien uud erzielt dabei durch nachheriges Frottieren vor-
treffliche Wirkung und zarten Glanz.

30 ) Mit Casei’n zusammen gibt das punische Wachs ein Bindemittel, das für
Dekorationsmalerei vortrefflich geeignet ist, und ich wiisste keinen Grund anzugeben,
warum dieses Wachs nicht auch heute noch vielseitig angewendet werden könnte.
Nur einen Nachteil hat es. nämlich den Gehalt an Alkali, der bei zu grossem Ver-
hältnis für manche empfindliche Farben schädlich ist, bei richtiger Bereitung aber
und entsprechender Neutralisierung leicht beseitigt werden kann.

Verwendbar-
keit dea
Punischen
Wachses.

Technisches
zur Tempera-
malerei.

— 182

Befolgung von
Sohulregeln.

Untermalung

und
Uebermalung.

Tiefenwirkung, haben wir ein lehrreiches Beispiel in den Schlachtenszenen
auf den bemalten etruskischen Sarkophagen des archäologischen Museums
zu Florenz, die entschieden griechischen Einfluss aufweisen (abgebildet bei
Baumeister p. 1556). Sie geben uns, so schadhaft die Malerei auch geworden
ist, eine genügend anschauliche Vorstellung von der Art dieser Kunst. Die
Farben — lauter Deckfarben, so weit sich heute noch urteilen lässt — sind
sehr harmonisch angeordnet. Die ganze figurenreiche Komposition spielt sich
auf einfarbigem blauen Hintergrunde ab , so dass der friesartige Charakter
des Ganzen klar hervortritt. Von beiden Seiten stürmen Amazonen mit fliegendem
Gewand auf ihren Quadrigen nach der Mitte zu, wo das Handgemenge mit
den ebenbürtigen männlichen Kämpfern schon begonnen hat ; die Gruppen
der Kämpfenden und der Gefallenen halten einander das Gleichgewicht in
Linien und Masse; aber es fehlt die eigentliche Rundung der Komposition
(z. B. Vermeidung von Rückenansichten), und die richtige Modellierung der
Formen an diesem jedenfalls nach gutem Vorbilde hergestellten Beispiel
handwerksmässiger Kunstübung lässt zu wünschen übrig.

Wie die sich steigernde Vollkommenheit der künstlerischen Auffassung
und Durchbildung der Gemälde nur nach und nach erreicht worden ist unter
dem Einfluss der grossen, neue Ziele zeigenden Talente, so haben wir uns
auch den Fortschritt in der technischen Behandlung der Farben als einen
langsamen zu denken, wobei die erfolgreichen Neuerungen anerkannter
Koloristen sowie Lehre und Beispiel der Schulhäupter bewirkt haben, dass
gewisse Gewohnheiten sich bildeten, die dann durch die Tradition zu förmlichen
Regeln wurden. So feste, ja schablonenhaft befolgte Regeln freilich, wie sie
z. B. für die Farbenmischung in der byzantinischen Zeit das Athosbuch 21 )
aufweist, das für die Karnation genau detaillierte Vorschriften gibt und ge-
wisse Mischungen mit eigenen Namen , wie Glykasmos, Proplasma u. a., be-
zeichnet, hat es in den alten Zeiten schöpferisch vorwärtsstrebender Entwicklung
gewiss noch nicht gegeben, doch findet sich die Spur einer technischen
Tradition in der bisher wenig beachteten Notiz bei Plinius, 22 ) dass das
Indicum (Indigo) zur Herstellung der „incisurae» diene, womit die Ueber-
gänge vom Licht zum Schatten beim Fleischmalen gemeint sein mögen;
denn mit dieser Farbe lassen sich die weichen grauen Uebergangstöne sehr
treffend wiedergeben , und in der ganzen Skala der den Alten bekannten
Farben ist wohl keine für diesen Zweck geeigneter als Indigo.

Im übrigen können wir bei der Bekanntschaft der Alten mit den
Unterschieden von Deckfarben und Lasurfarben vermuten, dass die
verschiedenen technischen Prozeduren, die aus der Untermalung (mit
deckenden Farben) und der Uebermalung (mit Lasurfarben) sich von selbst
als notwendig ergeben, von den alten Tafelmalern in dem Masse angewendet
worden sind, wie die wassermischbaren Bindemittel das Uebermalen überhaupt
gestatteten. Denn das Uebermalen mit dem gleichen Bindemittel kann nur
geschehen, wenn die erste Farbenlage genügend erhärtet ist; sonst würde
die Uebermalung die Unterschicht auflösen und den Zweck der Lasur,
nämlich das Durchscheinenla-ssen des Grundes, vereiteln. Bei dem in
der Wandmalerei gegebenen Vorbilde ist die Gefahr des Auflösens der Grund-
farbe ausgeschlossen , weil der getrocknete Stuckgrund durch Wasser nicht
oder nur sehr schwer aufgelöst werden kann , so dass die Eifarbe ohne
weiteres ihrem Zweck entspricht. Bei der Tafelmalerei ist schon eine ge-
wisse Vorsicht nötig, um das Auflösen der unteren Lagen durch Uebermalungen
zu verhüten. In der Zeit der Frührenaissance, da vornehmlich mit Eibinde-
mittel gearbeitet wurde, half man sich mit Strichelungen und vermied das flächige
Anlegen der Töne; wenn aber das ganze Ei genommen wird, und die
Malerei genügend Zeit zum Trocknen gehabt hat, dann kann man dreist mit

il ) Handbuch der Malerei vom Berge Athos § 16—21, und Beitr. III p. 75.
* 2 ) Plin. XXXIII, 163: Indicum …. ratio in pictura ad incisuras, hoc est
umbras dividendas ab rumine. Blümner IV p. 507 erklärt diese Notiz für unverständlich.

— 183 —

Eiterapera übermalen; 23 ) ja das Auffrischen eingeschlagener Stellen
lässt sich bei einiger Flinkheit und unter der zu beobachtenden Vorsicht,
dass die Stelle kein zweitesmal berührt werde, mit verdünntem Eiklar aus-
führen. Nach dem Trocknen dieses Ueberzuges können dann Uebermalungen
vorgenommen werden.

Eine in dieser Beziehung merkwürdige, wenn auch oft bezweifelte Wiederholtes
Notiz berichtet Plinius von einem Gemälde des Protogenes: dieser soll
sein Bild des Jalysos viermal übermalt haben, damit, wenn durch Alter
oder irgendwelche Beschädigung eine der oberen Schichten zu Grunde ginge,
die untere Malschicht sie ersetze. 21 ) Wenn auch das Verfahren wirklich aus-
führbar ist und wir uns denken, dass Protogenes in gutem Glauben und
bester Absicht es angewandt habe, so bleibt es doch fraglich, ob er seinen
Zweck damit erreicht hätte. Angenommen , er hätte die Farbenschichten
durch Firnis isoliert (s. Anmerkung), und dann das Bild abermals auf dieser
Lage neu gemalt, so würden die verschiedenen Lagen von Bindemittel und
Zwischenschichten mit ihren wechselnden Eigenschaften ein Springen der
Farbenschichten unvermeidlich zur Folge gehabt haben. Wenn aber das
mehrfache Schichten von Farben so geschieht, dass die einzelnen Lagen
miteinander eine feste Decke bilden können, dann ist ein Widerstand
gegen äussere Einflüsse gewiss möglich. Ich erinnere hier nur an den Aus-
spruch eines Grossen in der Kunst, Albrecht Dürers, der in einem Briefe
an Jak. Heller schreibt : „Und ich hab sie (die Tafel) vier-, fünf- und sechs-
mal unter-, über- und ausgemalt mit sonderlichen Fleiss der Dauerhaftigkeit
wegen. 25 )

Im Anschluss an diese Notiz treten wir der Frage näher, welche Mittel Schützende

o ‘ Firnisse.

die Alten besassen, um ihre Gemälde überhaupt vor äusseren Einflüssen zu
schützen, und insbesondere ob sie die Wirkung der schützenden Firnisse
kannten. Die Klagen, dass Bilder berühmter Meister durch die Zeit gelitten
haben, verblasst und unkenntlich geworden seien, sind auch im Altertum
nicht selten. Andererseits wurden in Rom hervorragende Bilder manchmal
auf öffentlichen Plätzen allgemein zugänglich gemacht, so dass sie unbedingt
eines Schutzmittels bedurften. Enkaustische Gemälde waren durch Feuchtigkeit
nicht gefährdet, wohl aber die Temperagemälde, und diese suchte man dadurch
zu schützen, dass man sie, wie die Altarbilder in der christlichen Kunst, mit
Flügeltüren versah. Auf pompejanischen und römischen Wandgemälden
sieht man häufig solche Bilder mit aufgeschlagenen Flügeltüren. Daraus etwa
zu schliessen, dass die Alten schützende Ueberzüge überhaupt nicht gekannt
hätten, 26 ) halte ich für zu weitgehend. Da im Altertum die Lösung von
Harzen in Oelen bekannt war (Plin. XIV, 123: resina omnis dissolvitur
oleo), so ist nicht einzusehen, warum die griechischen Maler keine Firnisse
angewendet haben sollten, wie wir deren Anwendung auf Malereien ägyptischer

2S ) Vgl. meine Versuche nach den Anweisungen des Cennino Cennini in m.
Beitr. Mittelalter p. 114 und 264.

24 ) Plin. XXXV, 102: huic picturae quater colorem induxit ceu tria (so nach
Mayhoff für contra) subsidia iniuriae et vetustatis, ut decedente superiore inferior
succederet. Blümner IV p. 441. 442 hält ein solches Verfahren für kaum denkbar
und sieht darin „eine alberne Atelieranekdote oder ein Missverständnis einer ander-
weitigen Prozedur». Croset Henry L’encaustique p. 106 sind der Ansicht, dass
Protogenes als jeweilige Zwischenschicht einen enkaustischen Firnis (Wachschicht)
angebracht habe, worauf er das Bild abermals mit Temperafarben gemalt hätte.

-‘ 5 ) S. Briefwechd von A. Dürer, herausg. von Dr. Lange und Dr. Fuchse,
Nürnberg 1893 p. 48.

*°) Blümner (IV p. 440) ist der Ansicht, dass die alten Maler „schützende
Firnisse offenbar nicht gekannt haben», und stützt sich auf Donner, Wandm. p 29.
der eher geneigt ist anzunehmen, dass „die Alten etwa einen Eiweissfirnis oder eine
Gummi-, Leim- oder Stärkemehl-Lösung, event. auch eine mit Lauge bereitete milch-
artige Wachslösung» zum Schutz ihrer Temperagemälde genommen hätten. Dem
ist entgegen zu halten, dass nichts weniger geeignet wäre, als ein derartiger wässe-
riger Ueberzug; er hätte schon beim Einstreichen die Temperafarben (Gummi, Leim,
oder Ei) gelöst und einen Schutz gegen Feuchtigkeit hätte er nie bilden können.

— 184 —

Mumiensärge beobachten können. Alle diese Lösungen von Harzen in Oelen
waren mehr oder weniger gelb- oder braunfarbig, nur in ganz dünnen Schichten
anzubringen, und so mochte mancher Maler lieber auf den Firnis verzichten.
Das Bedürfnis eines solchen, auch wegen der Herstellung der vollen Farben-
harmonie, ist jedoch immer empfunden worden, und aus der Notiz über den
wunderbaren und nur dem Apelles bekannten „unendlich feinen, schwarzen
Ueberzug», der dessen Bilder vor Staub und Unreinigkeit schützte,
(Plin. XXXV, 97), geht deutlich hervor, dass es ein Firnis war, da durch
seine Wirkung „die Klarheit der Farben in unnachahmlicher Weise erhöht
wurde». Mir will scheinen, dass Apelles bei seinem firnisartigen Ueberzug
die natürliche gelbe Farbe des Oelfirnisses durch sein atramentum so zu brechen
verstand, dass sie fast vollständig aufgehoben wurde. Ja, er mag bei seiner
Farbengebung schon von vorneherein den lasierenden Schlusseffekt seines
Atramentum-Firnisses im Auge gehabt haben. Das Neue und für die Zeit-
genossen Erstaunliche an der Sache war, meiner Meinung nach, nicht das
Uebergehen eines Gemäldes mit einem gefärbten Firnis, sondern der Umstand,
dass Apelles es verstand , diesen Ueberzug so unendlich fein und kaum be-
merkbar zu machen, die überaus subtile Berechnung der Firnismischung,
deren Wirkung man sah, ohne das Mittel zu erkennen. 27 )

In dieser Mischung von Firnis mit färbenden Substanzen sehen wir
schon die Andeutung einer Technik, die später sich weiter ausgebildet haben
wird , nämlich eine Kombination der Tempera mit Lasuren durch farbigen
Firnis bei den Enkausten der hellenistischen Zeit (s. weiter unten: Ahne’s
Porträt).

«) Die Hypothese John’s (p. 150), dass jener Ueberzug des Apelles „eine Auf-
lösung von Asphalt in Terpentinöl oder in Bergnaphtha oder ein anders dunkles oder
helles Harz ohne oder mit Zusatz eines lasierenden Pigmentes» gewesen sei, berührt
die Möglichkeiten eines solchen Firnisses, kann aber nicht der Wahrheit entsprechen,
da Auflösungen von Harz in Terpentinöl im Altertum unbekannt waren.

— 185 —

II. Die Enkaustik.

Nichts ist geeigneter uns einen sicheren Beweis von dem Streben der
griechischen Maler nach Verbesserung ihrer technischen Ausdrucksmittel zu
geben, als die von den alten Schriftstellern erwähnte sog. Enkaustik. In
ihr haben wir ein technisches Verfahren vor uns, das allen Ueberlieferungen
zufolge schon durch das Material an sich der Ausführung besondere Schwierig-
keiten bereitete und dessen Verbreitung in der besten Zeit der altgriechischen
Kunst uns den Gedanken nahelegt, dass die Maler das unabweisliche Be-
dürfnis empfunden hatten, den Temperamethoden ein den Anforderungen
an Realistik besser entsprechendes Material an die Seite zu setzen. Ja,
schon der Umstand allein , dass sie vor Schwierigkeiten der Handhabung
nicht zurückschreckten und eingreifende technische Neuerungen einzuführen
für nötig erachteten, beweist die oben (p. 179) berührte Unzulänglichkeit
der alten Temperamethoden. Dass sie dabei zum Wachs gegriffen haben
und zur Befestigung der Wachsfarben mittels der Wärme, muss darin seine
Ursache haben, dass geeignetere Mittel, künstlerische Wirkung mit der
Dauerhaftigkeit des Gemäldes zu vereinigen , ihnen noch nicht bekannt ge-
wesen sind.

Der Name ziyyr eyxauaxcxrj (der Künstler hiess eyxauaxrjs, seine Tätigkeit
syxauaic;) kommt von dem Verbum eyxa-‘to (lat. inuro) her, das herkömmlich
mit „einbrennen» übersetzt wird, obwohl dieses deutsche Wort, wie wir weiter
unten sehen werden , dem Begriff nicht völlig entspricht und geeignet ist,
Missverständnisse hervorzurufen. Die Enkausten zeichneten ihre Bilder mit
evexae (lat. inussit : s. Plin. XXXV, 122 und 27), nicht mit lypcKpe (pinxit),
wie die anderen Maler. Darin liegt nicht nur dass ein enkaustisches Bild
unter Anwendung von Hitze zustande kam, sondern auch dass die Erhitzung,
von der die Benennung entlehnt ist, das eigentlich Wesentliche, das unter-
scheidende Merkmal dieser Technik gewesen sein muss. Mehr ist aus dem
blossen Namen allerdings nicht zu schliessen ; für weitere Aufschlüsse müssen
wir uns nach anderen Quellen der Erkenntnis umsehen. Als solche bieten
sich uns litterarische Zeugnisse bei den Alten sov/ie Denkmäler und
sonstige Funde dar, so viele deren bis jetzt zu Tage getreten sind.

1. Die litterarischen Zeugnisse.

Eine wirkliche Beschreibung der enkaustischen Technik oder gar eine H»?™ 1 ?,^ 6
schriftliche Anleitung zu ihrer Ausübung hat es auch im Altertum vielleicht
nie gegeben. War es doch der Fall , so hat sie das Schicksal aller kunst-
theoretischen Schriften der Griechen geteilt. Was sich von schriftlicher
Ueberlieferung über die enkaustische Technik erhalten hat, beschränkt sich
im wesentlichen auf eine nicht grosse Zahl vereinzelter und weit zerstreuter
Erwähnungen bei Prosaschriftstellern wie bei Dichtern ; in den meisten wird
die Sache in der Form eines Vergleiches oder einer Anspielung nur gestreift,
in ganz wenigen mit der Absicht der Belehrung gleichsam fachmännisch be-
sprochen, in allen als bekannt, weil noch regelmässig geübt, ohne weiteres
vorausgesetzt. Die wichtigsten verdanken wir dem Werke des Plinius.

– 186

Plinius.

Varro.

Es erscheint zweckmässig, hier gleich an der Spitze die wenigen grund-
legenden Stellen in bestimmter Ordnung zu einer Uebersicht zu vereinigen:

1. Plinius XXXV, 122 (am Anfang seiner Geschichte der enkaustischen
Maler) :

Ceris pingere acpicturaminurere

quis pnmus excogitavent, non constat.

Wer zuerst auf den Gedanken ge-
kommen ist, mit Wachsfarben zu malen
und ein Gemälde einzubrennen 1 ),
ist nicht bekannt.

2. Plinius XXXV, 49 (in der Beschreibung der Farbstoffe):

Ex omnibus coloribus cretulam
araant udoque inlini recusant pur-
purissum , Indicum , caeruleum , Me-
linum , auripigmentum , Appianum,
cerussa. cerae tinguuntur isdem
his coloribus ad eas picturas,
quae inuruntur, alieno parieti-
bus gonere, sed classibus fatnili-
ari, iam vero et onerariis navibus.

Von allen Farben lieben den Kreide-
grund und lassen auf feuchten Grund
sich nicht auftragen Purpur, Indigo,
Himmelblau, Melisches Weiss, Auripig-
ment (Rauschgelb), Appianum (künst-
liches Kupfergrün) und Bleiweiss. Mit
eben diesen selben Farben werden
die Wachsmassen gefärbt zu den Ge-
mälden , die eingebrannt werden : ein
Verfahren , das für Wände nicht ge-
eignet, aber bei Kriegsschiffen, jetzt
sogar auch bei Lastschiffen , ganz
gewöhnlich ist.

3. Plinius XXI, 85 (in dem Abschnitt überlas Wachs und seine Eigen-
schaften) :

Nigrescit cera addito chartarum
cinere, sicut anchusa admixta ru-
het, variosque in colores pigmentis
trahitur ad reddendas similitudines.
(Vgl. ebenda 99: anchusa inficiendo
ligno cerisque radicis aptae).

Ueber die Malkästen und
Andeutung:

4. Varro de re rust. III. 17, 4:
Nam ut Pausias et ceteri pictores
eiusdem generis loculatas magnas
habent arculas, ubi discolores
sint cerae, sie hi loculatas habent
piscinas, ubidispares disclusos habeant
pisces.

Das Wachs wird durch Zusatz von
Papierasche schwarz, sowie durch Bei-
mischung von Anchusa (Ochsenzunge)
rot gefärbt und überhaupt durch Ver-
setzung mit Farbstoffen genötigt,
mannigfache Farben anzunehmen, um
Dinge der Wirklichkeit getreu nach-
zubilden. (Die Anchusa hat eine
Wurzel, die geeignet ist, Holz und
Wachs zu färben.)

ihre Farben enthalten zwei Stellen eine

Denn wie Pausias und die anderen
Maler derselben Gattung in Fächer
eingeteilte grosse Kästen haben, in
denen die verschiedenen Wachsfarben
sich befinden, so haben diese [die
römischen Grossen] in Fächer ein-
geteilte Fischteiche, in denen sie die
verschiedenartigen Fische von einander
gesondert halten.

J ) „Gewöhnlich wird übersetzt „und das Gemälde einzubrennen» und daraus die
Folgerung abgeleitet, dass das Gemälde zuerst mit kalten ^Wachspasten» gemalt
und nachher durch Erhitzen oder „Einbrennen» an der Oberfläche überarbeitet worden
sei. Der lateinische Wortlaut zwingt dazu keineswegs, im Gegenteil lässt sich die
Richtigkeit der neuen Uebersetzung von verschiedenen Gesichtspunkten aus erweisen.
Der Ton ist auf inurere zu legen, und „ein Gemälde einbrennen» bedeutet „es heiss
auftragen, mittelst Erhitzung zustande bringen», so dass das picturam inurere nicht
eine zweite Handlung bezeichnet, die auf das pingere folgt, sondern ein erklärender Zu-
satz zu ceris pingere ist, da die Wachsfarben sich nur mit Anwendung von Hitze so be-
handeln Hessen und eben hierin das Neue und Eigentümliche dieser Technik lag»(Mayhoff).

187

5. Seneca epist. 121, 5:

Pictor colores, quos ad reddendam Der Maler trifft unter den Farben,

similitudinem multos variosque die er, um die natürliche Erscheinung
ante se posuit, celerrime denotat getreu wiederzugeben, in grosser Zahl
et inter ceram opusque facili voltu und mannigfacher Abstufung vor sich
ac manu commeat. aufgestellt hat, aufs schnellste seine

Wahl und eilt mit Auge und Hand
zwischen dem Wachs und seinem Werk
behende hin und her.

Die für die Erkenntnis der Technik wichtigste Stelle ist die über
die nach den Malinstrumenten unterschiedenen drei Arten:

ß. Plinius XXXV, 149:
Encausto pingendi duo fuere anti-
quitus genera, cera (?) et in ebore
cestro, id est vericulo, donec classes
pingi coepere. hoc tertium genus
accessit resolutis igni ceris penicillo
utendi, quae pictura navibus nee sole
nee sale ventisve corrumpitur.

Seneoa.

Enkaustisch zu malen hat es in alter
Zeit [nur] zwei Arten gegeben, mit Wachs
(?) und auf Elfenbein mit dem Cestrum,
d. h. einem spiessähnlichen Werkzeug,
bis man anfing, die Kriegsschiffe zu
bemalen. Dadurch kam als dritte die
Art hinzu, die Wachsfarben durch
Feuer flüssig zu machen und den Pinsel
zu gebrauchen: eine Malerei, die an
Schiffen weder durch die Sonne noch
durch das Salzwasser oder durch Winde
beschädigt wird.

Von verschiedenen Mal gründen handeln noch

7. Plinius XXXV, 147:

Jaia Cyzicena … et penicillo pinx’t
et cestroinebore imagines mulierum
maxime . . .

8. Plinius XI, 126:

(Urorum cornua) apud nos in
lamnas seeta tralucent atque etiam
lumen inclusum latius fundunt multas-
que alias ad delicias conferuntur, nunc
tineta, nunc sublita, nunc quae c es-
trot a a picturae genere dieuntur.

9. Plinius XXXVI, 189:

Agrippa . . in thermis, quas Romae
fecit, figlinum opus encausto
pinxit in calidis, reliqua albario ador-
navit.

Jaia aus Kyzikos . . . hat sowohl
mit dem Pinsel wie auch mit dem
Cestrum auf Elfenbein Bildnisse, haupt-
sächlich weibliche, gemalt . . .

Bei uns werden sie (die Hörner der
Auerochsen) in dünne Blättchen zer-
schnitten, die dann durchsichtig sind
und ein eingeschlossenes Licht noch
weiter leuchten lassen, und zu manchen
anderen Zieraten verwendet, bald ge-
färbt, bald von unten bemalt, bald
mit der Art von Malerei geschmückt,
die vom Cestrum ihren Namen hat.

Agrippa Hess in den Thermen, die er
in Rom erbaute , [die Wände nicht
mit dem erst später erfundenen Glas-
mosaik, sondern] die Tonfliesen in den
heissen Räumen mit enkaustischer
Malerei, die übrigen Räume mit Weiss-
stuck verzieren.

Andere Stellen aus römischen wie aus griechischen Schriftstellern werden
später bei gegebener Gelegenheit herangezogen werden. Sehen wir zunächst,
was sich aus den obigen mit mehr oder weniger Sicherheit ergibt.

Wir wissen schon aus der geschichtlichen TJebersicht, dass die künstlerischen
Bilder enkaustischer Art Tafelbilder, grösstenteils sogar recht kleine Tafel-

Haupts teile

des Plinius.

Untergrund
für Tafelbilder.

— 1!

Elfenbein.

Wachshinde-
raittel.

bilder, gewesen sind; hier haben wir in Nr. 2 (alieno parietibus genere) das
ausdrückliche Zeugnis, dass die künstlerische Enkaustik auf die Tafelmalerei
beschränkt und für Wände, soweit es sich um feuchten Bewurf handelte,
nicht geeignet befunden worden ist — ein sehr wichtiges Zeugnis, das
aber nicht in der unberechtigten Beschränkung verstanden werden darf,
als ob enkaustische Malerei auf Wänden überhaupt ganz ausgeschlossen oder
unmöglich gewesen wäre. Denn bei dem cretulam amant udoque inlini re-
cusant (in Nr. 2) ist die Hauptsache der Gegensatz von trockenem und
feuchtem Malgrund, und in betreff der Enkaustik wird nur gleichzeitig be-
merkt, dass bei ihr Farbstoffe verwendbar seien, die einen feuchten Malgrund
nicht vertragen, d. h. einen trockenen verlangen. Völlig trockenen Marmor-
stuck hätte man gewiss ebenso gut enkaustisch bemalen können , wie die
cretula, den trockenen und porösen Kreidegrund, wie marmorne Architektur-
teile und Marmor bei der Polychromie der Statuen oder auch Terracotta, denn
an bunt verzierte Fliesen aus diesem Material werden wir doch wohl bei den
Thermen des Agrippa (in Nr. 9) zu denken haben. Möglich also, um das
beiläufig zu bemerken , dass gelegentlich auch eine Marmor- oder Terracotta-
Tafel mit einem enkaustischen Gemälde bedeckt worden ist. Ob übrigens
die Holztafeln für die Enkaustik einen präparierten Kreidegrund erhalten
haben, mag eine offene Frage bleiben. Nötig war dies jedenfalls nicht, wie
der Anstrich von Schiffen, auch von Türen und Pfosten, beweist, von denen
nicht anzunehmen ist, dass sie vorher mit einer Kreideschicht grundiert
worden seien.

Als eine zweite Art von Malgrund erscheint in Nr. 6 und 7 das Elfen-
bein, beidemal mit dem Zusatz eines besonderen Instrumentes, des Gestrums.
Es werden , der Natur des Materials entsprechend , gewöhnlich sehr kleine
tabellae gewesen sein , nur für Miniaturporträts und andere zierliche Klein-
malerei. Dieselbe Technik scheint man, wenn der Ausdruck cestrota in Nr. 8
richtig überliefert ist, 2 ) auch auf Blättchen aus Auerochsenhorn über-
tragen zu haben, deren Oberfläche allerdings ganz ähnliche Eigenschaften
dargeboten haben muss. Indes diese Notiz steht ganz vereinzelt da und
reicht für sich allein nicht aus, uns Gewissheit über die Sache zu verschaffen.

Das spezifische Bindemittel für die Farbstoffe war Wachs — spezifisch
deshalb, weil es die Anwendung von Hitze nötig machte , die in der Malerei
sonst nicht nötig war und daher diesem Verfahren den Namen gegeben hat.
Man hat gemeint, dass Plinius unter Wachs das Punische Wachs verstehe,
aber der Tatsache gegenüber, dass Plinius an allen die Enkaustik betreffenden
Stellen den einfachen Ausdruck cera ohne irgend welches Beiwort gebraucht,
während er XXXIII, 122 bei der Ganosis der Wandmalerei und XXI, 85
und XXX, 70 bei medizinischen Angaben ausdrücklich cera Punica sagt und
anderwärts cera Pontica und Cypria mit Namen nennt, um anzudeuten, dass
es sich nicht um cera schlechthin handele, ist es angezeigt, bis zum Beweise
des Gegenteils anzunehmen, dass er einfaches Bienenwachs gemeint habe.
Auch ist bei anderen Schriftstellern, wenn sie von enkaustischen Farben
sprechen, immer nur von cera, nie von cera Punica die Rede. Natürlich
konnte nur wohlgereinigtes und gebleichtes Wachs sich dazu eignen, jeder
Farbe ihren besonderen Charakter ungetrübt zu bewahren.

2 ) „Die Handschriften haben übereinstimmend cestrota, und so lesen auch mit
Recht die ältesten Ausgaben und seit Harduin (1685) wieder alle neueren. Was eine
zeitlang in früheren Ausgaben stand, cerostrota (xspcöaxpcoToc), ist nichts als eine un-
massgebliche Vermutung des Hermolaus Barbaras, der dieses Wort nach Analogie
von lithostrota (Steinmosaik) gebildet hat und ein Mosaik von Hornblättchen darunter
verstanden wissen wollte. Dalechamp hat es dann als tessellae cornuum vario colore
pictae et ligno infertae, vulgo „marqueterie» , erklärt. Der erste, der sich dagegen
aussprach und cestrota als Beispiel enkaustischer Technik wiederherstellen wollte,
war Salmasius in seinen Exerc. Plin. p. 164 a B. Vom Standpunkt der Textkritik ist es
sicher unmethodisch, zu Gunsten einer blossen Vermutung eine einstimmig beglaubigte
Lesart zu verdrängen in einer Sache, die in dem einen Falle ebenso unsicher bleibt
wie in dem anderen» (Mayhoff).

— 189

Was die Farben betrifft, so lernen wir durch Nr. 2 und 3 eine Aus-
wahl von neun mit Namen angeführten Karbon kennen, unter denen schon
alle unentbehrlichen Hauptfarben vertreten sind; ausserdem sind wohl einige
aus ihnen gemischte Töne in verschiedenen Abstufungen schon vor dem Be-
ginn des Malens als besondere Farben präpariert worden. Und bei dorn Zu-
sammenhange, in dem Plinius die ersten sieben Farben in Nr. 2 erwähnt, ist
es durchaus nicht ausgeschlossen, dass unter den anderen Farben , die dem
feuchten Malgrund der Wandfläche nicht widerstrebten, manche auch die
Vermischung mit Wachs sehr wohl vertrugen. Ja, Seneca (Nr. 5) sagt es
mit deutlichen Worten, dass es „viele und m aunigfaltige Farben» waren,
unter denen der Maler zu wählen hatte. Auf den leicht erstarrenden Zustand
der warmflüssigen Wachsfarben zielt die treffsichere „Schnelligkeit bei ihrer
Auswahl», die Seneca veranlasst hat, jenen Satz als schlagendes Beispiel
für den Gedanken anzuführen, dass jedes lebende Wesen seine Glieder, jeder
Künstler und Handwerker die ihm eigentümlichen Werkzeuge bewundernswert
flink und gewandt zu gebrauchen wisse. Die Farben hatte der Maler ge-
brauchsfertig und wohlgeordnet vor sich; zu dem Zweck waren sie in die
verschiedenen Fächer eines grossen Malkastens verteilt, wie dies aus Varros
Vergleich (Nr. 4) mit den Fischteichen hervorgeht, in denen jede der ver-
schiedenen Arten von Fischen ihre eigene Abteilung hatte.

Bis hierher gewährt uns die schriftliche Ueberlieferung bei exakter und
vorsichtiger Auslegung einen im ganzen sicheren Boden. Für die übrigen
und gerade die wichtigsten Punkte, die in Frage kommen, sind wir einzig
angewiesen auf die Pliniusstelle in Nr. 6, die als die klassische Haupt stelle
von jeher viel besprochen und fast immer verschieden gedeutet worden ist,
ohne einen befriedigenden Aufschluss zu geben. Ueber sie möge der Heraus-
geber des Plinius, Prof. Dr. C. May hoff in Dresden, das Wort haben, dem
ich folgende, hier zum erstenmal veröffentlichte Mitteilung verdanke:

„Im V. Bande meiner Ausgabe (Leipzig, Teubner 1897) habe ich gleich
allen Früheren den überlieferten Text unverändert gelassen , nicht weil ich
ihn für unverdorben hielt, sondern weil ich einen sichern W r eg zu seiner
Berichtigung nicht wusste. Nur schien mir für ein unbefangenes Stilgefühl
der Salz seiner ganzen Fassung nach auf eine Unterscheidung von drei
Werkzeugen angelegt zu sein, durch welche die drei Arten der enkaustischen
Technik sich charakterisieren. 3 ) Damit würde auch etwas wirklich Neues,

Farl. cn.

3 ) „Denselben Eindruck hat auch C. Robert gehabt, der in den „Knöchel-
spielerinnen des Alexandros 14 , Halle 1897 S. 10 ff. zuletzt diese grundlegende Stelle
ausführlich behandelt hat. Er bemerkt gegen Donners Auflassung von cera mit
vollem Recht (S. 11), dass man dann „durebaus cestro mit ebore eng verbinden und
für die erste nicht ausdrücklich genannte Malweise, die auf Holz, ein anderes In-
strument als das cestrum postulieren» und annehmen müsste, „dass hinter cera einige
Worte ausgefallen wären» (Anm. 27), — freilich um gleich darauf zu Gunsten einer
anderen Auslegung diesen jetzt als richtig bestätigten Gedanken wieder fallen zu
lassen. Donner hat dann in den Mitteil, des arebäol. Instit. Rom. Abteil. XIV (1899)
S. 131 ff. gegen diese und die anderen Ausführungen Roberts eingehend polemisiert,
in philologischer Beziehung mit wenig Glück; denn wie dureb seine parenthetische
Auffassung von et in ebore die Worte cera— cestro in eine natürlich und lesbar stilisierte
Konstruktion gebracht werden sollen, in der zwei genera pingendi genau und deutlich
unterschieden werden, das ist für den Kenner des Plinianischen ötiles wie für jeden
Anderen gleich schwer zu begreifen. Und dass lateinisch cera pingere gesagt werden
könne, wie im Deutschen „in Oel malen», ist leichter behauptet als bewiesen Ge-
malt wurde mit gefärbten Wachsmassen d. h. Wacbsfarben; daher erscheint in Ver-
bindung mit pingere oder wo von Waehsmalerei die Rede ist, immer der Plural
cerae, wie schon von anderen beobachtet worden ist; so § 12- (oben Nr. 1), hier
§ 149 resolutis igui ceris , bei Varro (Nr. 4) discolores cerae, bei Statius silv. I, 1,
100 Apelleae cuperent te scribere cerae und an den Stellen, die Blümner Technol.
IV, S. 443 A. 1 gesammelt hat. Wenn Donner sich gegen Robert für den Singular
cera im Sinne von Wachsfarben auf Vitruv IV, 2, 2 beruft, so begegnet ihm das
Missgeschick, nicht zu bemerken, dass es sich dort um eine einzig e Farbe, die cera
caerulea, handelt, der Plural also überhaupt nicht möglich war. Umgekebrt steht
natürlich auch von nicht gefärbtem, sondern erst zu färbendem oder in anderer Weise
behandeltem Wachs bei Plinius jedesmal der Plural, wenn einzelne Wachsstücke

Mayhoff’s

Krklärung der

Pliniu89tellc

— 190 —

im Vorhergehenden noch nicht Erwähntes ausgesagt werden, worauf es Plinius
offenbar abgesehen hatte, als er hier am Schluss des ganzen Abschnittes
über die Malerei diese Bemerkung über die enkaustische Technik nach-
träglich als Anhang hinzufügte. Wie die Worte jetzt lauten, beschränkt
sich das Neue für den Leser eigentlich auf die Notiz, dass der Gebrauch des
Pinsels durch die Schiffsmalerei aufgekommen ist und dass man technisch
drei Arten von Enkaustik unterschieden hat. Und wenn er von diesen
drei Arten eine klare und vollständige Definition geben wollte, wie doch
anzunehmen ist, so musste er die unterscheidenden Merkmale unzweideutig
bezeichnen. Diese konnten bei gleichem Farbenmaterial im Malgrund
oder in den Werkzeugen oder in beiden zugleich bestehen, aber worin
sie auch bestehen mochten, er musste sie bei jeder der drei Arten gleich-
massig und einander entsprechend angeben. Statt dessen sehen wir drei —
oder genau genommen vier — ganz ungleichartige Begriffe scheinbar koordiniert
einander gegenübergestellt : cera — in ebore und cestro — penicillo. Dieser
Gegensatz ist natürlich unmöglich, aber jeder Versuch, ihm durch künstliche
Interpretation auszuweichen, stösst auf andere Hindernisse. Denn mag man
cera als Material des Bindemittels (worauf der Singular hinweisen würde)
oder als Wachsfarben verstehen (wofür übrigens der Plural ceris stehen
musste), in beiden Fällen wäre cera ein allen drei Arten gemeinsamer
Begriff, also kein Unterscheidungsmerkmal für die erste Art allein, für
die dann gar nichts, weder Malgrund noch Werkzeug, angegeben sein würde:
denn cestro auch auf die erste Art zu beziehen und so zum gemeinsamen
Werkzeug der ersten und zweiten Art zu machen, verbietet erstens die
Wortstellung und zweitens die unvermeidliche Konsequenz, dass wir dann
nicht drei, sondern nur zwei Arten, nämlich Cestrumtechnik und Pinsel-
technik, haben würden und innerhalb der ersten Art zwei Unterarten nach
dem Malgrund der (zu ergänzenden) Holztafel und des Elfenbeins. Dasselbe
ist der Fall, wenn man sprachwidrig cera für in cera nimmt und darunter
eine mit einem Wachsgrund überzogene Tafel versteht. Es würde hier zu
weit führen und, wie sich zeigen wird, auch überflüssig sein, alle Erklärungs-
versuche geschichtlich aufzuzählen und mit kritischen Einwendungen zu
begleiten. Wie man sich auch drehen und wenden mag , man kommt aus
den Schwierigkeiten nicht heraus und behält immer ein sachlich unklares
und lückenhaftes, stilistisch ungeschicktes Satzgebilde, wie es auch dem
spröden Exzerptenstil des Plinius, der mehr verrufen ist, als er verdient,
nicht zuzutrauen ist. Da also mit allen Künsten der Auslegung sich nichts
ausrichten lässt, so liegt die einzige Möglichkeit einer Lösung auf dem
Wege der Emendation des Textes , und diese hat sich mir — ich darf
wohl sagen: zu meiner eigenen Ueberraschung — wie von selbst dargeboten,
als ich vor mehreren Jahren die Indices im I. Buche für eine neue Aus-
gabe durchzuarbeiten unternahm.»

„Es wird nötig sein, die Bemerkung vorauszuschicken, dass die
von Plinius selbst verfassten sog. Indices, die das I. Buch ausmachen,
den Inhalt der folgenden 36 Bücher angeben, indem sie dem Text der
Bücher folgen und jeden Abschnitt — darauf beruht die von Harduin
eingeführte Einteilung in Sektionen — mit Schlagworten oder mit kurzen

gemeint sind: so § 49 cerae tinguuntur, XXI, 99 (Nr. 3) inficiendo ligno cerisque ;
XXXVII, 95 ceras signantibus his (carbunculis) liquescere sind Wachsiegel, XIII, 69
monumenta . . privata linteis confici coepta aut ceris Wachstafeln zum Schreiben
zu verstehen, und die natürlichen Wachsgebilde der Bienen, Wespen und Hummeln
sehen wir XI, 11. 18. 71. 75 im Plural als cerae bezeichnet. Als blosser Stoff gedacht
steht cera im Singular, daher immer in medizinischen Vorschriften, als firnisartiger
Wandüberzug XXXIII, 122, als „Träger» einer aufzunehmenden Farbe XXI, 85 (Nr. 3)
nigrescit cera. In der Senecastelle (Nr. 5) inter ceram opusque bezeichnet der
Singular kollektiv das Material, das Handwerkszeug im Gegensatz zu der damit zu
verrichtenden Arbeit ; ebenso kollektiv Apuleius apol. I quod vel cera inustum vel
pigmento inlitum. Von rhetorischer oder poetischer Diktion darf man überhaupt
keine technische Genauigkeit des Ausdrucks erwarten.»

— 101 —

Sätzen bezeichnen , wie man sie früher als Kapitelüberschriften liebte. Da
also das I. Buch als ein zuverlässiges Exzerpt von der Hand des Autors
selbst nur enthalten kann, was in den folgenden Büchern vorkommt, und um-
gekehrt in diesen übereinstimmend sich wieder finden muss , was in jenem
steht, so dienen beide zur gegenseitiger Kontrolle, und die Indices erweisen
sich als ein ungemein wichtiges textkritisches Hilfsmittel, dessen Wert erst
in neuerer Zeit völlig erkannt worden ist, seitdem Sillig in seiner Ausgabe
von 1851 zum ersten Mal in allem Wesentlichen die ursprüngliche Passung
aus den Handschriften hergestellt hat. Vor ihm hatte zwar Ilarduin den
Versuch gemacht, auch in den Indices sich enger an die alte handschriftliche
Ueberlieferung anzuschliessen, aber er hatte doch noch viel willkürliches aus
dem durch Verkürzung, Umänderung oder Einschiebung stellenweise fast
unkenntlich gewordenen Wortlaut beibehalten, . wie er von dem allerersten
Herausgeber veröffentlicht und 200 Jahre lang in allen Ausgaben prüfungs-
los nachgedruckt worden war. Aber gerade an der Stelle des Index zum
XXXV. Buche, die uns hier angeht, hat Sillig, wenn auch in gutem Glauben,
eine Verfälschung der überlieferten Worte verschuldet, die leider auch in die
beiden folgenden Ausgaben v. Jans und Detlefsens übergegangen ist, und da
die Letzteren nicht einmal die Lesarten der Handschriften ihren Lesern mit-
geteilt haben, so ist es kein Wunder, dass der nunmehr vorzulegende Tat-
bestand bis jetzt der öffentlichen Aufmerksamkeit sich gänzlich hat entziehen
können».

„Nach Aussage sämtlicher verglichenen Handschriften, vor all.en der
ältesten und ausschlaggebenden in Bamberg, die ich selbst nachverglichen
habe, lautet die ursprüngliche Fassung der Inhaltsangabe im Index zu XXXV
sect. 41 so: qui encausto cauterio vel cestro vel penicillo pinxerint. 4 ) Statt
sie aufzunehmen , hat Sillig , weil er mit cauterio nichts anzufangen wusste
und die notwendige Uebereinstimmung mit der Textstelle XXXV, 149 (s. oben.
Nr. 6) herstellen wollte, wo es cera et in ebore cestro heisst, aus Konjektur
cauterio in aut ceris verändert. Ist diese Veränderung schon den Schrift –
zügon nach recht unwahrscheinlich und stilistisch sinnlos, so ist sie vollends
der kritischen Methode nach als unbedingt falsch abzuweisen. Denn da
cauterio auch nicht den Schatten eines Verdachtes gegen sich hat, vielmehr
einen tadellosen Sinn gibt, cera dagegen, das im Text unüberwindliche
Schwierigkeiten macht, im höchsten Grad verdächtig ist, so hat man logischer
Weise gerade umgekehrt zu schliessen: nicht dass der Index nach der
Textstelle, sondern dass die Textstelle nach dem Index zu korrigieren d. h.
dass cauterio, das auch im Text gestanden haben muss, in sein Recht
wiedereinzusetzen ist. Und zwar halte ich es für die einfachste Lösung,
cauterio geradezu statt des fehlerhaften cera zu schreiben, dessen Entstehung
aus einer Verstümmelung des ursprünglichen cauterio zu erklären sein wird,
so dass die ganze Stelle in berichtigter Textgestalt so aussieht: 48 )

4 ) „Diese Fassung des Satzes ist zwar vollkommen verbürgt, aber nicht durch-
gängig fehlerfrei und unverstümmelt überliefert; ich gebe daher hier die handschriftl.
Varianten: statt encausto hat der Bamb. B mit mehrfach vorkommender Verschreibung
encauto, der Riccard. R encausta , der Voss. V und Paris. E causta; statt cauterio
hat B cauteri (o vor u ausgefallen). Vollständig bietet den Satz nur B; im Stamm-
codex der jüngeren Handschriften waren durch Versehen des Schreibers, dessen
Auge vom ersten vel auf das zweite übersprang, die Worte cestro vel ausgefallen.
Da der Bamb. erst 1831 aufgefunden worden ist. so kannten die ältesten Heraus-
geber den Satz nur in der unvollständigen Ueberlieferung der jüngeren Handschriften;
sie wussten daher erst recht nichts mit cauterio anzufangen und strichen es, so dass
übrig blieb: qui encausto vel penicillo pinxerint, als ob die Worte sich auf die Scheidung
,der Maler in Enkaustiker und Temperamaler bezögen! Da übrigens unmittelbar darauf
folgt: quae quis primus invenerit in pictura, so’ist statt encausto höchstwahrschein-
lich mit RVE encausta zu schreiben, worauf sich dann quae (statt haec) mit unge-
zwungenem Anschlues bezieht».

* a ) „Selbstverständlich kann man die Emendation des Textes auch auf andere
Weise versuchen, z. B. so, dass man hinter cera eine grössere oder kleinere Lücke an-
nimmt, in der cauteno mitausgefallen sei, obwohl dann die oben bezeichneten Schwierig-

– 192 –

Enoausto pingendi duo fuere antiquitus genera, Cauterio et in

ebore cestro, id est vericulo, doneo olasses pingi coepere. hoc

tertium genus aocessit resolutis igni ceris penicillo utendi u. s. w.

„Jetzt haben wir das bisher unbekannte dritte Werkzeug, das wir ver-

missten, weil es unentbehrlich war für eine klare und zureichende Definition

der Sache und eine unanstössige, sofort verständliche Konstruktion der Worte.

Alle früheren Bedenken sind beseitigt und zugleich bestätigt. Und dieses

Werkzeug ist weder beliebig erfunden noch willkürlich herbeigeholt, 5 ) sondern

die Notwendigkeit seiner Einsetzung ist durch die urkundlich beglaubigte

Tatsache des qui encausto cauterio vel cestro vel penicillo pinxerint im Index

unumstösslich festgestellt. Ziehen wir hieraus die teils notwendigen, teils

wahrscheinlichen Folgerungen , was ergibt sich dann für die Erkenntnis der

enkaustischen Technik?»

1. „Die drei verschiedenen genera derselben werden von Plinius durch
drei verschiedene Werkzeuge charakterisiert. Der Malgrund
macht keinen charakeristischen Unterschied : er ist gewöhnlich Holz,
wie bei der ersten und dritten Art, und wird darum nicht ausdrücklich
genannt; nur bei der zweiten ist er Elfenbein, und nur auf Elfenbein
wird das Cestrum gebraucht. Denn in ebore cestro gehört untrennbar
zusammen, und daher erklärt sich auch, warum der Ausdruck cestrum,
der überhaupt nur bei Plinius und auch bei diesem im Text nur
zweimal (s. oben Nr. 6 und 7) vorkommt, beidemal den Zusatz in
ebore bei sich hat.

2. Was die Wachsfarben (cerae) betrifft, so wird bei der dritten Art
hervorgehoben, dass sie über lebendigem Feuer (igni) „aufgelöst» d. h.
in einen dünnflüssigen Zustand versetzt worden sind, der so lange an-
hielt, als die Malarbeit dauerte. Erst dadurch war der Gebrauch des
Pinsels möglich. Das resolutis ist hier, in Uebereinstimmung mit
dem in vielen Verbindungen bei Plinius auftretenden Gebrauch, gleich-
bedeutend mit dem liquefacta (cera cum oleo) bei der Ganosis (XXXIII,
122), und die nachdrückliche Voranstellung des resolutis (nicht des
igni oder ceris ) als des wesentlichen Unterscheidungsmerkmals deutet
auf den Gegensatz, der im Vorhergehenden unausgesprochen geblieben
ist. Diesen Gegensatz nun sofort in dem konträren Gegenteil, also in
dem kalten und festen Zustand des Wachses zu finden, ist zwar nahe-
liegend und scheinbar streng logisch, aber weder erweislich notwendig
noch der Natur des Wachses entsprechend, das überhaupt nur im
geschmolzenen Zustande die geforderte Bearbeitung zulasst ; er wird
vielmehr darin zu suchen sein , dass das Wachs in dem einen Falle
(wohl durch einen Zusatz von Oel) bei der Erhitzung seine Natur ver-
ändert und in einen relativ dauernden flüssigen Zustand übergeht, in
dem anderen dagegen seine natürliche Eigenschaft behält, nach dem
Schmelzen rasch wieder zu erkalten und fest zu werden, und demnach
der Behandlung mit dem Pinsel widerstrebt.

3. Die Werkzeuge sind im Text wie im Index einander koordiniert
und als instrumenta pingendi bezeichnet: also malte man mit ihnen
d. h. man trug die Farbenmassen auf und bearbeitete sie so, dass ein
Gemälde entstand. Folglich müssen, was bei der dritten Art der
penicillus leistete , bei den beiden anderen das cauterium und das

keiten bestehen bleiben, die das Wort cera verursacht. Aber an der Sache selbst
auf die es hier allein ankommt, wird dadurch nichts geändert Im Text muss
cauterio als Gegensatz zu cestro ehemals gestanden haben.»

6 ) „Bekmnt war es bisher schon durch die beiden auch von ßlümner Technol.
IV S. 451 A. 4 angeführten Stellen: Digest. XXXIII, 7, 17, wo in dem Legat eines
Malers als dessen Handwerkszeug genannt werden cerae, colores, item peniculi, cau-
teria et conchae, und Tertullian. adv. Hermog. 1 bis falsarius et cauterio et stilo.
Doch wurde seine Verwendung in der enkaustischen Technik verschieden gedeutet
oder gar bestritten; jetzt ist ihm durch die Pliniusstelle der ihm zukommende Platz
gesichert.»

— 193

cestrum, jedes in seiner Weise, geleistet haben: alle drei hatten dem
Effekt nach dieselben Funktionen.

a) Oauterium heisst wörtlich das Brenneisen. Nur in dieser Be-
deutung lässt es sich als ein auch anderweitig vielgebrauchtes
Instrument nachweisen, undPlinius setzt das ursprünglich griechische
Wort ohne jede erklärende Beifügung, betrachtet es als bekannt
oder ohne weiteres verständlich, so dass eine Abweichung von
der gewöhnlichen Bedeutung nicht anzunehmen ist. Da es also
vom Brennen seinen Namen hat, so muss, wenn Malen und
„Einbrennen» zwei getrennte Operationen waren, das cauterium
beide nach einander besorgt haben; wenn beides dagegen in eine
Operation zusammenfiel, so kann nur mit dem von Anfang an
heissgemachter. cauterium gemalt worden sein.

b) Der Name cestrum hat zwar nichts mit Brennen zu tun, denn
er hängt mit xevxso) (stechen) und xsaxo; (gestickt) zusammen,
aber da es sich bei aller Enkaustik immer um Malen und „Ein
brennen» handelt, so müssen auch dem cestrum diese beiden
Funktionen zugeschrieben werden, nur irgendwie modifiziert durch
die besondere Natur des ihm allein vorbehaltenen Elfenbeingrundes.

c) Dass man mit dem Pinsel malte, ist selbstverständlich, aber ebenso
versteht sich, dass er zum „Einbrennen» nicht geeignet war. Nun
besteht aber der Unterschied der neuen dritten Art von den beiden
älteren darin, dass die Erfindung einer Methode, das Wachs durch
Feuer dünnflüssig zu machen, es möglich gemacht hatte, auf das
cauterium zu verzichten und es durch den Pinsel zu ersetzen.
Folglich muss der Gebrauch des Pinsels den Effekt des sog. „Ein-
brennens» schon durch den heissflüssigen Zustand des Wachses
erreicht haben. Und von hier aus darf man jetzt rückwärts
schliessen, dass

4. auch bei den beiden älteren Arten das Malen d. h. das Auftragen und
Bearbeiten der Wachsfarben kein nachträgliches „Einbrennen» erforderte,
sondern von vorne herein mit heissgemachten Werkzeugen stattfand,
so dass in der Tat Malen und „Einbrennen» – was vorhin zu-
nächst hypothetisch gesetzt wurde — in eines zusammenfiel
und das eigentliche Wesen aller Enkaustik zum Unterschied von den
anderen Malweisen , die mit Farben im kalten Zustande arbeiteten,
darin bestand, dass die Farben vermöge verschiedener Verfahren
durch Erhitzung auf dem Malgrunde befestigt und unter einander
verbunden wurden: bei den beiden älteren Arten so, dass die Werk-
zeuge erhitzt, bei der neuen, der Pinseltechnik, so, dass die Wachs-
farben unmittelbar über dem Feuer für die Dauer der Arbeit heiss-
flüssig erhalten wurden. Das vielumstrittene ceris pingere ac picturam
inurere bedeutet dann nicht, wie man beharrlich gemeint hat: „mit
Wachsfarben malen und nachher das Gemälde einbrennen ; , sondern:
„mit Wachsfarben malen und mittelst Hitze ein Gemälde herstellen
(oder: Hitze beim Malen anwenden V’ und erklärt sich grammatisch
als eine die Sache sprachlich auseinanderlegende Umschreibung 6 ), in-

6 ) „In derselben Weise haben auch C. Robert und mit ihm Fr. Leo in den
„Knöchelspielerinnen» S. 10 A. 24 die Worte aufgefasst. Der Letztere fügt hinzu:
„Ein Anderer hätte ceris pingere et quidem picturam inurere gesagt. Dass hier, wo
vom eupsTr ( g [dem Erfinder] die Rede ist. das Verfahren in seinen Stadien beschrieben
sein sollte, kommt mir sogar stilwidrig vor.» Uebrigens würde die von Donner
auch jetzt noch festgehaltene Auslegung in gut lateinischer Diktion statt des Sub-
stantivs picturam vielmehr das passive Participium von pingere erwarten lassen, so
dass es hiesse ceris pingere pictaque inurere, und man darf wohl fragen, ob Plinius
nicht diese gewöhnliche und unzweideutige Form vorgezogen haben würde. — Den
Ausdruck „mittelst Hitze ein Gemälde herstellen» gebraucht Plutarch Amator. 16
p. 759 C fast wörtlich, wenn er in einem Vergleich die vergänglichen Gemälde, die
durch das £cp’ uypolc; ^Mypacpslv entstehen, den dauerhafteren eixövsj iv lyy.aOiiaai
yp acpöjisvai S’.ä Tzuptc, entgegensetzt. 11

b3

– 194 —

dem zu der in Wirklichkeit einheitlichen Handlung noch die hesondere
Art und Weise ihrer Ausführung erklärend hinzugefügt wird.»

„Mit dieser Auffassung stimmt auch der Sprachgebrauch der Verba
kfx.ods.iv und inurere durchaus überein. Das deutsche „einbrennen» erweckt
eine täuschende Vorstellung, indem es die richtige Beziehung der Präposition
verkennen oder nicht deutlich genug erkennen lässt. Im allgemeinen be-
deuten eyxaieiv und inurere (wie incendere) „in oder an eine Sache Feuer
bringen» und sie dadurch erhitzen oder entzünden, anbrennen. Aber in der
besonderen Anwendung auf ein Brandmal oder Brandzeichen erhalten die
Präposition und zugleich der Begriff des Brennens durch den hinzutretenden
oder zu denkenden Dativ eine andere Beziehung, und es entsteht die Be-
deutung „durch Brennen etwas wohin bringen oder dort anbringen, entstehen
lassen.» 7 ) Hiermit ist die nächste Analogie zu unserem Falle gegeben. Denn
die Sache liegt doch nicht so, dass das Zeichen auf der Haut schon vor-
handen wäre und dann noch nachträglich gebrannt oder eingebrannt würde,
sondern es wird durch Aufdrücken eines brennend heissen Instruments dort
überhaupt erst hervorgebracht und entsteht mit einem mal durch diese einzige
Operation. Wie man hier im Deutschen treffender sagt „jemand ein Zeichen
aufbrennen», so müsste man auch für picturam inurere (näml. tabulae) sagen
„eine Malerei aufbrennen» d. h. heiss (und zwar mit heissen Instrumenten
oder mit heissen Farben) auf den Malgrund auftragon ; dann würde die Vor-
stellung gar nicht aufkommen können, als ob ein Gemälde mit kalten Farben
und kalten Instrumenten erst vollständig fertig gemalt und hinterher (als
eigentlich nebensächliche „Schlussbehandlung») erhitzt oder „eingebrannt»
worden wäre».

„Zum Schluss noch einiges zu den litterarischen Nachweisen über die
beiden Malwerkzeuge, das cauterium und das cestrum».

7 ) „Die Belege bietet jedes grössere Lexikon in hinreichender Zahl, wenn auch
nicht immer gehörig geordnet. Für die allgemeine Bedeutung will ich nur die
Stellen aus Plinius selbst hersetzen: XII, 82 tus . . inurentium (anzünden) XXIII,
148 putamine nucis iuglandis dens cavus inuritur (wird erhitzt), XVII. 229 sol acrior
insecutus inussit ipsum vitium (urucas) und XVIII, 275 rorem inustum sole acri
frugibus rohiginis causam esse (erhitzt), endlich XXXIII, 122 pariete siccato cera
Punica . . candens saetis inducatur iterumque . . inuratur ad sudorem usque (erhitzen),
was Vitruv. VII, 9, 3 genau entsprechend durch eam ceram . . calfaciundo
sudare cogat ausdrückt. Bei dieser Bedeutung wäre nur die Konstruktion tabulam
inurere pictura möglich, und so sagt denn auch Auson. epigr. 26 ceris inurens
ianuarum limina und in gleichem Sinne mit dem Simplex urere Ovid. fast. III, 831
tabulamque coloribus uris. Für die besondere Verbindung mit dem Begriff des
Brandmals weise ich im Griechischen auf Lucian. piscat. 46 hin , wo befohlen wird,
was man einem falschen Philosophen antun soll : srcl xoö iezwno’j axty[iaxa e7ußaXexto rj
eyxaoaaxw xaxä xö jieadcpp’jov. 6 5s xbiioc, xoö xa>jxY)poc; saxco &Xa)7iYji; yj TiiS-rpcoc;. Daher syxaieiv
xiva geradezu für „jemand mit einem Brandmal zeichnen», wie ebenda 52 f t ax3 y; eyxäsxe, wg eY/v und Phot. Lex. axigai, xö syxa’jaa-. Erotov oder bei Arrian ßoög eyxexau-
jjLövai ßonaXöv, und syy.ai>|j.a — Brandmal, wie bei Lucian. catapl. 24, wo ein Philosoph,
als oxiy[iaxias, ixvyj xal aristo noXXä. xöjv eyxaujjLäxwv an sich hat. Daraus ergibt sich leicht
die Metapher des unverwischbar und tief eingeprägten, wie vermutlich in der Stelle
des Plato Tim. 26 C, die gewöhnlich, da die Prozedur in beiden Fällen dieselbe ist,
auf enkaustische Malerei bezogen wird : oiaxe olov eyxaö|j.axa ävexTrXöxou ypatprjs i(j.jj,ovä
ioi yeyovs (von Lehren, die bleibend dem Geiste eingeprägt sind) — eine Metapher,
die auch später (nach Steph. Thes.) wiederkehrt bei Basil. Magn. I p. 314 C: SuaexviTixog
xal oiovel syxexaujjisvog und Nicet. Js. Ang. 3, 8 p. 287 B: xrjv avsxuXuxov xai ofov slg
frä&oc, ^yxexau|ievTjv xf) iautoö : >’r/ri npöc, xöv xaaCyvrjxov axopyr;v. Im Lateinischen finden
sich die entsprechenden Wendungen häufig, von dem eigentlichen Ausdruck (notae
corpori inustae bei Justin) an bis zu den figürlich gebrauchten, wie notam turpitudinis
vitae alicuius inurere oder signa probitatis inusta (Cic.) und in freierer Weise mala
rei oublicae inurere (Cic.) und maculam genti inurere (Liv.J. Auch die Metapher
des Einprägens fehlt nicht, wie leges alicui inurere und odium inustum animis bominum
oder motus in ipso oratore inpressi atque inusti (Cic). Hierher gehört auch unser
tabulae inurere picturam. Dass daneben auch eine Umbildung der Konstruktion (nota
aliquem inurere) vorkommt, wo inurere geradezu „zeichnen» bedeutet, kann nach be-
kannten Analogien, wie inspergere, nicht verwundern.»

— 195

„Die für das cauterium von Einigen noch immer behauptete Bedeutung
„Kohlenbecken» hat schon Blümner a. a. O. IV 8. 451 A. 4, Welcker
folgend, mit Recht abgelehnt. Sie ist nirgends nachweisbar ; dass das zur
Ganosis der bemalten Wände gebrauchte vas ferreum bei Vitruv VII, 9, 3
so geheissen habe, ist eine willkürliche Vermutung. Vielmehr erscheint das
xauxTjpcov (auch xauxr’jp, cauter) als Instrument zum Brandmarken, und
seine Anwendung hiess xaoxr^pca^Eiv : Lucian. piscat. 46 o xönoc, xoü xauTfjpo?
und 46 extr. dndyeiy ekI xb xauxrjptov, 52 extr. toAXwv §e xauxrjpowv Serjaou.e^a,
apol. 2 xb xauxr^poov Soanupov , Strabo. V p. 215 xauxrjpcaaao xa^ Imzouq Auxov
und xb xaux’/jpcov cpuAa£ai. (Bildlich bei Diodor. XX, 54, 4 xodc,

 

IvSov warcep xauxr^pta xtva TxpoaYjyev). Sodann war es ein chirurgisches
Instrument zum Brennen von Wunden, Geschwülsten, erschlafften Muskeln u. ä.,
bei Menschen und bei Tieren gebraucht und von griechischen und lateinischen
Medizinern öfters erwähnt, von Plinius nur XXII, 102 und XXV, 80, wo die
brennende Wirkung pflanzlicher Arzneien mit der eines Gauteriums verglichen
wird, und ähnlich von Scribonius 114 und 240 (vgl. Maroellus 27, 4). In
der Tierheilkunde spielte es eine so wichtige Rolle , dass es nach Pallad. I,
43, 3 neben den Werkzeugen zum Scheren, Kastrieren, Aderlassen und anderen
Verrichtungen zu dem unentbehrlichen Inventar eines wohlausgestatteten Land-
gutes gehörte. Ausführlich handelt davon Vegetius mulomed. I, 14 , 3 und
besonders I, 28 ; er erklärt die kupfernen (cuprina) für besser, weil wirksamer,
als die eisernen, und schreibt in einigen Fällen vor, „gerade Cauterien» zu
gebrauchen (inuri rectis cauteriis convenit); es muss also auch krumme ge-
geben haben. Auch hier war das Verbum xauxripia^eiv üblich, lateinisch in
cauterizare oder cauteriare verändert. Ein drittes Cauterium endlich, das
unserem Malwerkzeug der Handhabung nach am nächsten kommt, finde ich
bei Palladius I, 41, 2 erwähnt in einer Stelle, die fast gleichlautend sich
wiederfindet in einem späten Exzerpt (angeblich aus Vitruv) De diversis
fabricis architectonicae c. 30 im Anhang zu Val. Rose’s Vitruvausgabe:
dort wird zur Ausbesserung von Eugen und Ritzen im Baderaum des Hauses
empfohlen, mit einem Gemisch von hartem Pech, weissem Wachs, Ammoniak
und Schwefel, alles zu der maltha genannten Masse zusammengeschmolzen,
die Fugen auszustreichen und dann das Ganze mit dem Cauterium zu über-
gehen (iuncturis adline et cautere cuncta percurre bei Pallad., iuncturas omnes
linito et cauteriato bei Pseudo-Vitr.) Diese Manipulation hatte offenbar den-
selben Zweck des Befestigens , Ausgleichens und Glättens, den bei Metallen
der Klempner mit dem heissen Lötkolben erreicht und den bei Wachsfarben
der Maler mit seinem Cauterium zu erreichen suchen musste. – Bei den
Griechen scheint xauxTjpiov als Name für das enkaustische Malwerkzeug nicht
üblich gewesen zu sein, sondern als solches wird ein heissgemachter metallener
Stab, £aßoi’ov, erwähnt: Plutarch. ser. num. vind. 22 p. 568 A xaü xi paßSwv,
oiaTiep ol ^wypacpot, aarcupov upoaayetv gebraucht den Ausdruck allerdings nur
bildlich, Timaeus lex. Piaton. p. 264 aber auch technisch : napd xoic, ^wypacpot?
Aeyexat. xö jxev ypacveiv xö ypw^e’.v 8ia xoö ^aßScou , xb 5e dbicr/patvav xö xa
Xpwafrevxa evortocecv, und er bezeichnet zugleich die Funktionen des Werkzeugs.
Da ypw^ecv nur eine andere Form für ^pwvvuvac ist, so kann es auch nichts
anderes bedeuten als „farbig machen» d. h. in diesem Falle die Farben auf-
tragen, und da, nach der Satzform zu schliessen, das d;to)(poav£v, das „Ein-
heitlichmachen», das Ausgleichen und Verschmelzen des Farbenauftrags,
ebenfalls als 5ta xoö paß5iou geschehen zu denken ist , so muss das £aßS:ov
dieselben Dienste getan haben wie das cauterium, und es kann kein Zweifel
sein, dass Welcker und nach ihm Blümner a. a. 0. IV S. 451 mit Recht
die beiden für identisch erklärt haben».

„Ueber cestrum als Name des Malwerkzeuges ist schon bemerkt worden,
dass es so nur bei Plinius und sonst nirgends vorkommt; Plinius selbst hat denn
auch den Namen als einen wenig bekannten oder nicht aus sich selbst ver-
ständlichen behandelt, da er ihn durch den Zusatz id est vericulo erklären
zu müssen glaubte. Dieser erklärende Ausdruck steht nun zwar auch nicht

13*

— 196 —

unbedingt fest, denn handschriftlich ist viriculo überliefert; aber die Lesart
vericulo 8 ) hat am meisten Wahrscheinlichkeit für sich, da sie paläographisch
so gut wie gar keine Aenderung erfordert und die Gestalt des Instruments
anschaulich macht gemäss derjenigen Etymologie, die als die nächste sich
ungesucht darbietet und darum die glaubwürdigste ist. Hiernach gehört
cestrum (xeaxpov) zu der Gruppe von Wörtern , die mit dem Stamme von
xevxetv, „stechen, sticken», verwandt ist: xeaxö; ist „gestickt», pouaidpioc,
xevTr;XYj5 hiess in der späteren Kaiserzeit der Mosaikkünstler, der Bilder auf
die Wand „stickte» (s. Blümner, Maximaltarif des Diocletian S. 106 ff.);
xevxrjTTjptov ist bei Lucian. catapl. 20 der Pfriemen des Schusters und nach
Suidas s. v. axtyeuc; auch das Instrument zum Tätowieren oder Brandmarken.
Ferner: xsaxpa ist bei Pollux X, 160 ein eisener Spitzhammer, bei Hesych
ausserdem eine Waffe (aixuvxrip’.ov otcXov) , xeaxpo:; bei Hesych ein axovx’.ajxa,
ein speer- oder pfeilartiges Wurfgeschoss , ebenso bei Suidas, der es eine
fremde Erfindung zur Zeit des Krieges gegen Perseus nennt und auch den
Namen xeaxpoacpevSovrj anführt, beides in Uebereinstimmung mit Livius, der
XLIi, 65, 9. 10 die Spitze als bipalme spiculum crassitudine digiti beschreibt:
die Beamten, deren Aufsicht diese Waffen anvertraut waren, hiessen in attischen
Inschriften aus der Kaiserzeit xeaxpocpuXaxe;; (s. Boeckh. C J G. I, p. 372. 374,
388). Ausserdem bedeutet xeaxpo^ nach Hesych auch die zuerst hervor-
kommende Spitze des keimenden Samenkorns und das Rauhe auf der Zunge
(r; ev xrj yXwxxrj xpayüxrjC,). Derselbe bezeichnet xsaxpwxov £6Aov als ein Holz-
stück mit schwerer (wahrscheinlich in Feuer gehärteter) Spitze und gibt für
xsaxpwacc; die Erklärung ßacpcxYj u.:u.ouuiv7}, die Salmasius, da sie unverständlich
ist, in f XYjV Yp«T LX V u.’l^uuivrj korrigieren wollte. Ueberall erscheint also
der gemeinsame Grundbegriff des Spitzigen; es fehlt auch nicht an Andeutungen
des Erhitzens. Bei den geringen Dimensionen der Gemälde auf Elfenbein
(und Hörn) wird auch das Cestrum nur klein gewesen sein. (Uebrigens
bleibt es nach den obigen Nachweisen zweifelhaft, ob als Nominativform zu
dem Ablativ cestro das Neutrum cestrum oder das maskuline cestros zu
denken ist, wie Georges in seinem Lexikon angenommen hat.)»

So weit mein philologischer Gewährsmann. Seine Berichtigung der
Hauptstelle im Plinius hat die Basis für die Frage der enkaustischen Technik
verändert, und wir können nicht umhin, uns auf diese zu stellen, so weit
sie als völlig sicher und haltbar gelten muss. Dadurch erleidet die Hypothese,
die ich vor zehn Jahren aufgestellt habe, einige Modifikationen ; in anderen
und zwar wesentlichen Punkten dagegen erfährt sie eine willkommene Be-
stätigung. Was aus den schriftlichen Zeugnissen sich nicht mit zwingender
Notwendigkeit ergibt, sondern noch dem Zweifel Raum lässt, wird zu prüfen
sein durch einen Vergleich mit dem, was uns die Denkmäler und Funde lehren.

Zu diesen wenden wir uns im Folgenden. Sie bestehen in den Mumien-
porträts hellenistischer Zeit aus El-Fayüm in Oberägypten und dem Instrumenten-
fund von St. Medard-des-Pr6*s.

8 ) „Vericulo ist zuerst von Sillig in den Text gesetzt worden, während man
vor ihm viriculo schrieb ; aber die Emendation ist nicht von ihm , sondern von
Salmasius. der in den Exerc. Plin. ad. Solin. S. 163 b ausführlich über die Stelle ge-
handelt hat, nachdem schon Dalechamp in demselben Sinne veruculo vorgeschlagen
hatte. Es beruht auf einem Versehen Roberts, wenn er a. a. 0. S. 10 A. 23 viriculo
als Lesart des Bambergensis, verriculo als „Lesung der geringeren Handschriften»
bezeichnet. Denn das erstere steht in allen Handschriften, das letztere in keiner
einzigen, vielmehr ist verriculo (von verrere) eine blosse Vermutung Donners zu
dem Zwecke, seine Hypothese über die Form und die Handhabung des Cestrums
und die Ableitung des Namens von dem gezahnten Blatte der Pflanze cestros (vgl.
Plin. XXV, 84) zu unterstützen. Das erklärende Wort würde dann noch seltener
sein als das zu erklärende: es kommt nur an einer einzigen, noch dazu kritisch un-
sicheren Stelle vor (Serv. ad Verg. Aen. I 59). Ich kann auch nicht finden, dass
es den römischen Lesern des Plinius, die nicht wussten, wie ein cestrum aussah, eine
klare Vorstellung davon verschafft haben würde; wir verstehen es ja auch erst dann,
wenn wir Donners Beschreibung des von ihm erfundenen Cestrumskennengelernthaben. 1 ‘

— 197 —
2. Die hellenistischen Mumienporträts aus dem Fayüm und andere Tafelbilder.

Dem glücklichen Zufall und der unermüdlichen Spatenarbeit unserer Alter-
tumsforscher haben wir es zu verdanken, dass sich wirkliche enkaustische
Gemälde aus dem Altertum in nicht geringer Menge und von grösster
Schönheit der Ausführung gefunden haben. Manche Gelehrte standen diesen
Funden anfangs mit Misstrauen gegenüber und waren geneigt sie für
Fälschungen zu halten, um so mehr als den ersten umfangreichen Fund von
ägyptischen Mumienbildnissen, die „Gallerie antiker Porträts» des Wiener
Teppichhändlers Theodo r Graf, der erste Besitzer nicht selbst ausgegraben, ra a *tiker Pne
sondern von Beduinen käuflich erworben hatte, die wegen ihrer Verschlagen- Porträts.
heit berüchtigt sind. Erst nach und nach und als auf dieser und anderen
Fundstätten von Männern der Wissenschaft, wie Flinders Petrie, Dr. Brugsch,
Prof. v. Kaufmann u. a., gegraben wurde und immer neue Mumien mit den
noch auf dem Kopfteil befestigten Porträts zu Tage kamen, wurde es allen
klar, dass man hier originale Schöpfungen vor sich hatte, die für die Kenntnis
der antiken Malerei völlig neue Aufschlüsse zu geben geeignet waren. In
diesem Sinne ist denn auch alsbald in einer Reihe von Schriften lebhaft dar-
über verhandelt worden 9 ).

Die Zeit der Entstehung der Graf sehen Porträts, die aus den
Gräbern von Rubayät stammen, hat Ebers (Ant. Portr. S. 48) in der Weise
bestimmt, dass die ältesten der Ptolemäerzeit und spätestens dem
zweiten Jahrhundert v. Oh., die jüngsten dem vierten Jahrhundert n. Oh. an-
gehören. Zwischen diesem Endtermin, der durch die Edikte des Theodosius
(392 n. Oh.) gegeben ist, und dem frühesten liegt demnach ein Zeitraum von
5 — 6 Jahrhunderten 10 ). Wir übergehen die Frage, ob die Porträts, noch zu
Lebzeiten der Dargestellten gemalt und zum Schmuck des Familienzimmers
bestimmt, erst später an der Mumie befestigt worden oder ob sie als Kopien
nach vorhandenen Gemälden zu betrachten seien, die eigens zum Zweck der
Einfügung in die Mumienhüllen angefertigt waren ; wir wollen auch nicht
untersuchen, warum sie der malerischen Fertigkeit nach so ungemein ver-
schieden ausgefallen sind, dass vormutet worden ist, die geringeren unter
ihnen müssten einer Verfallperiode der Kunst angehören : vielmehr schliessen
wir uns gern der Ansicht des gelehrten Aegyptologen an, dass „die höhere
oder geringere Vollendung der Porträts nicht ausschlaggebend ist für ihr
Alter, denn es werden zu jeder Zeit von ärmeren Familien auch geringere
Künstler mit der Herstellung der Mumienporträts betraut worden sein», und
gesellschaftlich höher Stehende gewiss auch in diesem Punkte sich den
grösseren Luxus gestattet haben, von guten Meistern porträtiert der Nachwelt

9 ) G. Ebers, Eine Gallerie antiker Porträts. I. Bericht über eine jüngst ent-
deckte Denkmälergruppe. Leipz. 1888; Donner-v. Richter , Die enkaustische Malerei
der Alten in der Allg. Ztg. Beilage 1888, Nr. 180, sowie Anhang zum Katalog von
Theodor Grafs Gallerie antiker Porträts aus hellenistischer Zeit, Leipz. 1892; Rieh.
Graul, die antiken Porträtgemälde aus den Grabstätten des Fayüm, Leipz. 1888;
G. Ebers, Antike Porträts, die hellenistischen Porträts aus dem Fayüm, Leipz. 1893.

10 ) Die meisten bis jetzt gefundenen Mumienporträts, d. h. Bilder, die am
Kopfteil der Mumie befestigt zu werden pflegten, stammen aus dem beutigen
Fayüm, einer gesegneten von einem Arme des Nils und seinen zahlreichen Aus-
läufern bewässerten grossen Oase in Oberägypten, unweit der Trümmerstätte des
alten Krokodilopolis, das unter den Ptolemäern den Namen Arsinoe empfing. Hier
blühte eine ansehnliehe griechische Kolonie, und noch unter den römischen Kaisern
war Arsinoe die bedeutendste Provinzialstadt der gesamten Landschaft. Als Fund-
ort wird jedoch Rubayät bezeichnet, das von Arsinoe etwa 22 Kilometer entfernt
liegt, so dass, wie Ebers annimmt, man damals der alten Sitte folgte, die Leichen
am Wüstenrande zu begraben, um die Begräbnisplätze vor dem „Ueberschwemmungs-
nass» , das die Mumien, die doch vor allen Dingen konserviert werden sollten, auf-
geweicht und zerstört hätte, zu bewahren. Auch die Bürger und Bürgerinnen eines
anderen kleinen und unberühmten Ortes, der Kerke hiess und mit Arsinoe nur in
lockerer Verbindung stand, scheinen in Rubayät bestattet worden zu sein, wie aus
den zu den Bildnissen gehörigen Inschrifttäfelchen zu ersehen ist.

— 198

Verschiedene
Arten der
Technik.

überliefert zu werden, bis die Edikte des Theodosius es überhaupt für straf-
würdig erklärten, mit solchen Porträts versehene Leichen zu bestatten.

Was den Kunstwert der ausgezeichnetsten dieser Gemälde betrifft, so
gehen wir sicherlich nicht zu weit, wenn wir ihnen alle Vorzüge zusprechen,
die wir an den besten Werken unserer modernen Bildnismaler bewundern.
Wie fein sind die Gesichter modelliert , wie scharf und charakteristisch ist
die Zeichnung, wie harmonisch das Kolorit, obwohl die (wie es scheint, durch
besondere Schminken hervorgerufene) Uebertreibung der Augenbrauen und
Augenlider auf den ersten Blick befremdlich erscheint! „Aber das, was
diesen Blicken den höchsten Wert verleiht, ist die überzeugende Kraft, mit
der sie uns den individuellen Charakter der dargestellten Persönlichkeit vor
Augen führen. Auf das Kostüm ist geringe Sorgfalt verwandt, auf die ge-
naue Charakterisierung die allerhöchste!» (Ebers)

Vom technischen Standpunkt betrachtet, ist die Malerei sehr ver-
schieden, und von vorneherein müssen wir mehrere Arten der Ausführung
annehmen, die in zwei Gruppen zerfallen, je nachdem die Unterlage Holz
oder (wie bei einigen hervorragenden Bildern der Berliner Sammlung) Lein-
wand war.

Die Porträts der Graf ‘sehen Sammlung sind fast alle auf Holzunterlage
gemalt; darunter zeigen diejenigen, deren Technik als „enkaustisch» be-
zeichnet worden ist, keinen anderen Grund als das nackte Sykomorenholz,
die in Pinseltechnik gemalten dagegen den altägyptischen Kreide- oder Gips-
grund, der in zwei Fällen, wie wir es auf ägyptischen Mumienkästen wieder-
holt bemerkten (s. oben S. 15), auf eine Leinwandschicht aufgetragen ist
(s. Nr. 54, 58 des Grafschen Kataloges).

Bei den „enkaustischen» Gemälden müssen zwei Arten unter-
schieden werden:

1. Solche, bei denen ausschliesslich mit einem vom Pinsel ver-
schiedenen Instrument das Ineinanderschmelzen der Wachsfarben be-
wirkt und sowohl das Gesicht als auch d6r Hintergrund und das Gewand
mit Hilfe dieses Instrumentes ausgeführt worden ist. Diese Technik ist in
der Grafschen Sammlung nur durch ganz wenige, aber ausgezeichnete
Porträts vertreten und zwar Nr. 2 (Kopf eines Greises), 12 (Bildnis einer
Frau), 23 (Bartloser Kopf, vermutlich eines Eunuchen, s. Abbildung 34),
vielleicht auch 67 (aussergewöhnlich pastoser Auftrag von Wachsfarbe) und
88 („besonders derbe Art der Technik»).

2. Solche, bei denen das genannte Instrument nur zur Ausführung
der Gesichtspartien gedient hat, während Hintergrund und Gewandung,
mitunter auch Haare und Schmuckstücke, augenscheinlich mit dem Pinsel
und zumeist ganz flüchtig mit Wachsfarben gemalt sind. Hier kann
man deutlich erkennen, dass das aller Wahrscheinlichkeit nach aus Metall
gefertigte Instrument beim Verarbeiten der Farben Eindrücke hinterlassen
hat, die meist rundliche, oder auch Zickzack-Form haben. Oefters erhält das
gemalte Fleisch dadurch etwas pockennarbiges, aber in Fällen, wo das „Cau-
terium» mit vollendetem Geschick geführt ist, entsteht zarter Schmelz und
grosse Weichheit der Uebergänge. Die Dicke der Wachsfarben ähnelt in ge-
wisser Beziehung der pastosen Malerei unserer Realisten. Diese Technik
weisen nicht nur die meisten, sondern auch die durch treffliche Ausführung
interessantesten Porträts der Sammlung auf. Um nur ganz wenige zu nennen:
Nr. 4 (schöner, hoheitsvoller Männerkopf), 6 (Brustbild eines schönen, kräftigen
Mannes mit dunkel-rotbrauner Hautfarbe), 8 (reizvoller Mädchenkopf mit Ohr-
und Halsschmuck und auffallender Haartracht), 16 (Frauenkopf mit klassisch
regelmässigen Zügen), 22 (Porträt eines Mannes mit Goldkranz im Haar und
schärpenartigem Querband), 28 (Männerbildnis von ausserordentlicher Lebens-
wahrheit), 45 (Frauenbildnis, künstlerisch und technisch vollendet), 62 (Bildnis
einer vornehmen Dame), 63 (Mädchenkopf) 66 u. a. (s. Abbild. 35 und 36).

Mehrere Gemälde, die ganz mit dem Pinsel gemalt zu sein scheinen,
zeigen aber in der Art des Farbe nmaterials so auffallende Unterschiede,

— 199 —

dass sie mit unseren gewöhnlich als Tempera bezeichneten Manieren keinerlei
Aehnlichkeit haben. Die Farbentöne sind wie aus dem Vollen und flüssig
mit einer gewissen Virtuosität hingesetzt , dabei scheint die Qualität des
Farbenbindemittels ein pastoseres Malen und Ineinandermodellieren gestattet
zu haben, als es die uns bekannten Bindemittel für Tempera ermöglichen
würden. Das trefflichste Beispiel dieser Art ist vielleicht Nr. -26 (Brustbild
eines Mannes), das in der Malweise „an manches alte Freskogemälde» er-
innert, dann Nr. 21 (Männerbildnis), das wegen „der freien virtuosen Be-

Abbild. 34. Enkaustisches Porträt.
Nr. 23 der Grafschen Sammlung.

Abbild. 35 und 36. Mumienporträts (Enkaustik) Nr. 28 und Xr. 66 der Grafschen Sammlung.

handlung nicht weniger Bewunderung verdient als wegen der energischen,
sicheren Zeichnung und der vollendeten Charakterisierung der dargestellten
Person». Schliesslich dürften auch einige der im Katalog als „Tempera» be-
zeichneten Porträts hierher zu rechnen sein 11 ) (s. Abbild. 37 und 38).

«) Als Temperagemälde sind nach dem Katalog der Grafschen Sammlung
die folgenden verzeichnet: Nr. 9, 11, 15, 19, 24, 25, 26, 36, 37 (angeblich Wachs-
lempera-Enkaustik). 38, 42. 44, 46. 47. 53. 54. 55, 58 (auf mit Kreide grundierter Lein-
wand). 61, 64, 65, 72—74, 77, 92 (Rückseite).

200

Sammlung

von Fhnders

Petrie.

Eine zweite bedeutende Sammlung von Mumienporträts hat der
englische Aegyptologe W. M. PI in de rs Petrie von den Gräberfeldern von
Hawara in Fayüm nach London gebracht, wo dieselben in der Egyptian Hall
(Piccadilly) ini Frühjahr 1889 längere Zeit ausgestellt waren. Zwölf der
besten davon waren schon vorher in den Besitz des Bulak-Museums in Cairo
übergegangen; auch die übrigen sind nicht zusammengeblieben, sondern teils
im Kensington-Mnseum und in der National-Gallery in London, teils in Berlin
u. a. 0.

Nach den Abbildungen in Plinders Petrie’s Werk „Hawara, Biahmu and
Arsinoe» (London 1889) zu schliessen, befinden sich einige ganz ausgezeichnete
Bilder darunter, so (Frontispice) Nr. 9, weibliches Bildnis in sehr delikater
Ausführung und vorzüglicher Modellierung (s. Text p. 44), in gleicher Technik
wie die besten Bilder der Graf’schen Sammlung — nämlich erste Anlage mit
dem Pinsel und Vollendung der Fleischpartien mit dem „Cauterium», —
dann Nr. 10 (Tafel X) Porträt eines bartlosen Mannes mit ungemein energischen
Zügen, in der ersten der oben genannten Malweisen ausgeführt (s. Text p. 43), u )
dem sich nur wenige in gleicher Technik gleichstellen lassen.

■-i*-«TB

Abbild. 37 und 38. Mumienporträts vermutlich in Wachstemperatechnik gemalt. Nr. 37 und
Nr. 26 der Grafschen Sammlung.

Herstellungs-
weise.

Die Entstehungszeit dieser Bilder bestimmt Petrie anders als Ebers ;
während dieser die ältesten dem zweiten Jahrhundert v. Ch. zuschreibt, setzt
Petrie den Beginn dieser Mumien-Porträtmalerei in die Zeit des Hadrian (s.
p. 17) und sieht in der Reise dieses Kaisers nach Aegypten die äussere Ver-
anlassung, dass die plastischen Stuck- oder Cartonnage Porträts durch Er-
zeugnisse griechischer Maler verdrängt wurden.

Ueber die Herstellungsweise dieser graeco-ägyptischen Mumienporträts
stellt Flinders Petrie (a. a. 0. S. 18) auf Grund genauester Untersuchung
von mehr als 60 Originalen folgende Ansicht auf: 13 ) „Die Farben wurden in

12 ) Cecil Smith macht zu diesen Bildern folgende Bemerkungen, u. zw. zu Nr. 9:
Work very careful and good, only spoiled by the hard line of the edge ot the chiton;
otherwise’m the drapery the lighthas been put in withgood transparent effect. Zu Nr. 10:
Drawing excellent, a real character study. Red tone. On the hair and face the colour
is massed very thick, but firm and good clean work. Outlines hardly traceable, in
dark Indian red; clean edge.

13 ) Nach Petrie’s eigenen Angaben (p. 19) waren viele dieser Bilder in sehr
brüchigem Zustande, so dass er sich veranlasst fand, die nur oberflächlich haftenden
Farben durch flüssig gemachtes Wachs an der Unterlage zu befestigen, indem er
glühende Kohle in einem Drahtgeflecht der Malerei nahe brachte, und die neue

— 201 —

Pulverform durchgehends mit Wachs angerieben (das durch Erhitzung zum
Siedepunkt gebleicht worden sein mochte (?)) und, wenn nötig, zum Zweck
der Auflösung in die Sonne gestellt oder bei kühlerem Wetter dem Heiss-
wasserbade unterworfen. Die Holztafel war meist von Cedernholz. manchmal
von Pinienholz und ^16 Zoll (engl.), gelegentlich auch 1 Ji Zoll dick; sie halt«’
eine Grösse von 9X1^ Zoll. Darauf war eine Grundierung in Tempera,
dann eine verschieden getonte Hauptanlage für Hintergrund, Gewand und
Fleischfarbe; darauf wurde die obere Farbenschicht aufgetragen, mitunter in
teigigem (pasty State), öfter noch in rahmälmlichem und leichtflüssigem
Zustande. Diese Einzelheiten zeigt ein unvollendeter Versuch auf einer
Tafel, die später umgedreht auf der Rückseite wieder benutzt wurde (jetzt
im Kensington Museum). Die grossen Flachen des Fleisches sind oft mit
einer dicken rahmigen Farbe und zickzackartigen Strichlagen
je J /e Zoll von einander entfernt, aneinandergereiht und zu einer beinahe
glatten Oberfläche vereinigt. Die Gewandung ist meist flüchtig mit leicht-
flüssiger Farbe und mit langen aus vollem Pinsel gegebenen Strichen
gemalt. In einem Falle ist zu beobachten, wie der volle Tropfen von Purpur-
wachs nach dem ersten Berühren der Fläche mit dem Pinsel sich beim Her-
unterstreichen verdünnte, bis am Ende des langen Striches der Pinsel flach
aufgedrückt erscheint, und jedes Pinselhaar einen Streifen von Wachs-
farbe auf dem Holz zurückliess. In Aegypten wird weisses Wachs
durch die gewöhnliche Sonne im April und Mai nicht nur erweicht, sondern
sogar an der Oberfläche geschmolzen. Es ist demnach evident, dass Wachs
ohne jedes künstliche Mittel während der halben Jahresdauer durch blosse
Sonnenwärme in flüssigem Zustande erhalten und verarbeitet werden konnte.
Unnötig ist es also anzunehmen , dass ein Lösungsmittel für Wachs wie
Terpentin oder Oele gebraucht wurden.» u )

Diese Erklärung des technischen Vorgehens steht nicht im Einklang mit J?» a ,? eT ‘ a

, r . ik » 11 1 , • r^ . 1 hrklarun»

der von Donner 10 ) autgestellten und von den meisten Gelehrten angenommenen der Technik.
Ansicht über die enkaustische Malerei der Alten. Nach dem Bekanntwerden
der Grafschen Gallerie hatte Donner mit einer gewissen Genugtuung kon-
statiert, dass die enkaustischen Mumienporträts seine früher geäusserte An-
sicht vollauf bestätigten. Danach sollten diese Gemälde mit Farben gemalt
worden sein, deren Bindemittel aus gebleichtem, mit „nitrum» oder Soda ge-
kochtem Bienenwachs (sog. punisches Wachs) bestanden, dem zum Zweck
grösserer Geschmeidigkeit und leichterer Verarbeitung in kaltem Zustande
etwas Olivenöl und Chiosbalsam zugeschmolzen wurde. Als Instrument zum
Auftragen und V erarbeiten der „Wachspasten aus punischem Wachs» sollte
ein aus Holz gefertigtes gezahntes lanzettähnliches Instrument (das von
Plinius genannte cestrum oder vericulum) gedient haben. Mittelst dieses In-
strumentes würden die Wachspasten in kaltem Z ustande auf die Tafel auf-
getragen und. wo es nötig war, mit dem’ „gewölbten Rücken» des Cestrum

Wachsschicht mit der alten Malschicht sich verschmelzen und an der Holzunterlage
befestigen Hess. In anderen Fällen war die Oberfläche der Wachsgemälde zer-
setzt und weiss geworden; mit Spiritus und hartem Pinsel reinigte er dann die
weissgewordene Wachsfläche und überzog sie mit einer dünnen Schicht von in Aether
gelöstem Wachs, wodurch die frühere Frische wieder zum Vorschein kam. Auf diese
Prozeduren beziehen sich die den Beschreibungen beigegebenen Notizen, wie „Remelted
with thin layer of wax added», oder ,.Rewaxed’- (p. 43 ff.).

u ) Dieser Ansicht muss entgegengehalten werden , dass die ägyptischen Maler
schwerlich ihre Werkstatt unter freiem Himmel und in der glühenden Sonne auf-
geschlagen haben werden, nur um ihre Wachsfarben weich zu halten. Wachs schmilzt
bei 62° C. also bei einer Temperatur, die nur in direkter Sonne erreicht wird. Mehr
Wahrscheinlichkeit hat die Benutzung des ,,Heisswasserbades» bei kühlerem Wetter;
aber selbst diese Annahme entspricht nicht der Handwerkszweckmässigkeit, weil es
einfacher ist, die Wachsfarben selbst über der Kohlenglut zu erwärmen, ohne sich
erst eines Heisswasserbades, das doch auch warm gehalten werden müsste, zu bedienen.

lb ) S. 0. Donner, Die erhaltenen antiken Wandmal. in techn. Beziehung, Leipz.
1869, S. 10 ff.; Derselbe. Ueber Technisches in der Malerei der Alten, insbes. in
deren Enkaustik, München 1885.

— 202 —

plattgedrückt, falls etwa zu starke Furchungen desselben störend wirken
könnten. Die Vollendung geschähe aber erst nach Schluss der Arbeit
durch das „Einbrennen», indem man entweder einen erhitzten Eisenstab oder
ein mit Kohlen gefülltes Metallgefäss (cauterium nach Donner) dem Bilde
nahebrächte. Dadurch würden die starken Ränder der Furchen weggeschmolzen,
diese sich etwas mehr ausfüllen und sich ein gleichmässiger firnisartiger Glanz
über die ganze Malerei verbreiten.

Aber wie könnte der Beweis geführt werden, dass die enkaustischen
Mumienporträts wirklich zuerst mit kalten Wachspasten gemalt und
n achher „eingebrannt» und dass der Pinsel dabei gar nicht angewandt worden
sei, ja (nach Donners Erklärung der massgebenden Pliniusstelle) bei der alten
Enkaustik überhaupt nicht angewandt werden durfte ? Gerade im Gegenteil
zeigen die besten der Grafschen Porträts unverkennbare Spuren von Pinsel-
technik und deutliche Anzeichen von flüssiger Wachsfarbe; auch Flinders
Petrie spricht von Pinseltechnik, von „leichtflüssiger Farbe und von langen,
aus vollem Pinsel gegebenen Strichlagen». Bei einem so auffallenden Wider-
spruch des tatsächlichen Befundes muss das technische Verfahren ein anderes
gewesen sein, als Donner angenommen hat. Und obendrein widerspricht er
sich selbst, da er in seinem Aufsatze „die enkaustische Malerei der Alten»
in dem (von F. H. Richter und Fr. von Ostini verfassten) Kataloge der
Grafschen Gallerie wiederholt von einer enkaustischen Pinseltechnik spricht
und offenbar die technischen Angaben des Kataloges, so z. B. dass „die Ge-
sichtsteile mit dem Cestrum», Gewand und Haare „enkaustisch mit dem
Pinsel» gemalt seien (Nr. 2, 4, 16, 22, 27, 28, 30, 34, u. s. w.) direkt nach
seiner Erklärung gemacht sind. Nur als „Ausnahme» wird erwähnt, dass
(bei Nr. 12) Kopf und Gewand „enkaustisch mit dem Cestrum» gemalt
worden seien.

Obwohl Donner also zugibt, dass die Maler von Rubayät „mit flüssig-
geschmolzener Wachs färbe in wenigen hastigen Zügen mit dem Pinsel
malten» und „ein rasches skizzenhaftes Aufsetzen von Lichtern und Tiefen
auf den ersten Lokalton hierbei möglich ist» (s. Katalog p. 39), erklärt er
doch an anderer Stelle, in den offenbaren Pinselspuren die „langgezogenen
Furchen seines gezahnten Cestrums deutlich (!) wieder zu erkennen» (s.
Techn. Mitt. f. Mal. 1888 p. 176; Graul p. 26 und allg. Ztg.) und fordert so
selbst den Zweifel an der Richtigkeit seiner Erklärung heraus. 16 )
Mumien- Fast noch lehrreicher, besonders für die Vielseitigkeit der technischen

des Berliner Verfahren, ist die Sammlung von ägyptischen Mumien und Mumienbildnissen
im Berliner Museum, wo die neu erworbenen Stücke in einem besonderen
Saale ausgestellt sind. Gleich im ersten Kasten fällt uns die Mumie auf,
die am Kopfende ein Porträt mit dem chokoladefarbigen Typus eines Negers
zeigt: breite Nase, aufgeworfene Lippen und schwarzes krauses Haar (s. Abb. 39).

Museums.

16 ) Eine Anzahl von Porträts — und dazu gehören die besten unter ihnen — ist
(naoh Donner) durch ein Verfahren hergestellt, das in einer Vermischung der reinen
Wachsenkaustik und der Eitempera besteht und das er daher mit dem Namen
„Wachstempera-Enkaustik» bezeichnet. „Hier ist dem Wachs kein Balsam zu-
gesetzt, sondern es ist in erwärmtem Zustande mit Eigelb und etwas Ei weiss, auch
einem (!) Tropfen Olivenöl zusammengerieben und geknetet und so mit Zusatz des
Farbenpulvers zu einer der Wachsbalsampaste ähnlichen Masse verrieben. Diese Masse
lässt si< h gerade wie die erstgenannte mit dem Cestrum verarbeiten und einbrennen (s. Nr. 5, 8). Sie bietet den Vorteil, dass man mit dem Pinsel und gewöhnlicher Ei- temperafarbe noch einzelne vollendende Striche und Schraffierungen hinzufügen kann» (Katalog der Grafschen Gallerie p. 40). Nach einer späteren Meinung Donners (Katalog der Ausstellung für Maltechnik, München 1893 p. 31) schmilzt die Malerei nicht so rasch wie bei der ersten Art (Cestrumenkaustik) , sondern „bräunte sich stark, wie die dunklen Flecken am Hals und am Ohrläppchen zeigen. Erst wenn man das Eisen darauf drückt . . . schmilzt auch sie. Sie verträgt demnach nur ein leichtes Einbrennen». Vom technischen Standpunkt muss hier eingewendet werden, dass eine Tempera von sog. punischem Wachs und Eibindemittel flüssig genug sein kann, um mit dem Pinsel aufgetragen zu werden, ein Auftragen mit dem ,, Cestrum» mithin als umständlicher Vorgang bezeichnet werden rnuss. 203 — Die Augen sind der damaligen Auffassung der Porträtmaler gemäss vergrössert, was hier bei dem ohnehin überlebensgrossen Kopf doppelt auffällt. Die Technik ist breit, die warmflüssige Wachsfarbe flott hingestrichen; vom Cauterium ist zum Fertigmodellieren wenig Gebrauch gemacht; man erkennt es nur an den Furchen in den Konturen. Auf den ersten Blick scheinen diese vertieften Linien mit dem Pinselstiele eingedrückt zu sein, aber für den mit der enkaustischen Malart Vertrauten wird es klar, worin der Unter- schied besteht, und dass es sich hier um Eindrücke des Metallinstrumentes handelt. Das Merkmal der späteren vereinfachten Enkaustik. die stets warm zu haltende Farbe und den Pinselgebrauch , scheinen mehrere der neuen Er- werbungen aufzuweisen, so Nr. 10126, 10130, vielleicht auch 10271, 10681. Merkmal späterer Enkaustik. **££■ Abbild. 89. Mumie mit eingefügtem Porträt (Enkaustik) graeco-ägypi. Periode (ea. 150 n. Ch Orig. im Berliner Museum. Ihnen ist, durch reichlicheren Gebrauch von Oel veranlasst, ein schlechteres Ansehen und Unscheinbarkeit der nachgedunkelten Farben eigen. Von den 13 an der drehbaren Mittelsäule aufgehängten Porträts aus Rubayät im Fayüm ist kein einziges in der enkaustischen Technik der Graf’schen Gallerie ausgeführt; aber unter den vermutlich in Wachstempera gemalten Bildnissen finden sich zwei von ungeheurem Reiz, das eine in tadel- loser Erhaltung. Das erstere, auf leider stark zersplittertem Holze gemalt (mit Nummer 10272 bezeichnet), zeigt uns einen Mädchenkopf von grosser Schön- heit ; ein tiefdunkles Auge (das andere ist weggesplittert) blickt uns an, so bezaubernd, unergründlich, dass es niemand vergisst, der es einmal gesehen ; ein Goldkränzchen im welligen Haar und das Purpurgewand deuten , wie auch der Goldhintergrund, auf vornehme Abstammung. — 204 — Das zweite, mit Nummer 10974 bezeichnete, das beste der an der Mittelsäule befindlichen Porträts (s. Abb. 40) zeigt einen weiblichen Kopf in dem einem antiken nachgebildeten Rahmen. Der Kopf der in Verkürzung von unten gemalten jungen Frau ist schön zu nennen; ein gewisser über- legener Stolz oder Trotz drückt sich sowohl in der Haltung als im Blick aus und lässt auf eine jener Frauen schliessen , welche eher zu befehlen als zu gehorchen gewohnt sind; sie scheint gleichfalls aus gutem Hause zu stammen, wofür auch der Goldschmuck und die sorgsam gekräuselte Frisur nebst dem purpurvioletten Mantel mit den schwarzen Achselstreifen sprechen. In technischer Beziehung ist dieses Portät von grösstem Interesse, schon wegen seiner aussergewöhnlich guten Erhaltung und der klaren frischen Farben; man könnte versucht sein, die Malweise für enkaustisch zu halten, doch be- Abbild. 40. Mumienporträt. Wachstempera? Schmuck plastisch erhöht und vergoldet (Orig. im Berliner Museum.) lehrte mich die genaue Betrachtung einzelner Partien mit der Lupe, dass hier ein vortreffliches Beispiel von punischer Wachstempera vorliegt; ein „Ein- brennen» dieser Art von Malerei ist untunlich, weil sich das mit dem punischen Wachs gemischte organische Bindemittel, wie z. B. Eigelb, leicht schwärzen würde. Das Eigelb hat aber als solches die gute Eigenschaft, das Auftrocknen zu beschleunigen und dadurch ein rasches Uebereinandermalen zu gestatten; in dieser Art ist meiner Meinung nach jenes Bildnis ausgeführt. Sehr be- merkenswert ist daran noch die plastische Erhöhung der Schmuckteile, wie Ohrgehänge und Halsgeschmeide, welche zeigt, dass diese Art der Aus- schmückung von Gemälden, die sich bis ins XV. Jahrhundert weiter aus- gebildet hat, schon lange vorher auf Mumiensärgen und Mumienmasken an- gewandt worden ist. Ein so frühes Beispiel dieser Verzierungsart auf Bildern — 205 — — der Fund wird um das Jahr 150 n. Ohr. datiert — war bisher nicht bekannt. Wegen der gleichfalls plastisch erhöhten reichen Vergoldungen von Interesse ist noch die Lein wandumhülln ng einer Mumie (Abbildung 41), im spätrömischen Stil vom 8. Jahrhundert n. Oh. (Nr. 11659 der Sammlung, von Professor Brugsch 1892 gefunden, Geschenk des Herrn R. Mosse, dem das Museum eine ganze Reihe hervorragender Stücke der Neuerwerbungen zu verdanken hat.) Die bemalte Leinwandhülle zeigt das lebensgroße Bild- nis einer reich mit Schmuck behangenen jungen Krau in ganzer Figur und ruhender Lage, den Kopf mit offenen Augen auf einem blauen Kissen liegend, mit einer Totendecke bis zu den Hüften zugedeckt, auf der allerlei heilige Tiergestalten in Reliefverzierung dargestellt sind; Arme und Finger tragen reichen Schmuck. Technisch bemerkenswert ist aussei’ der plastischen Re- Abbild. 41. Muniienumhüllung. Malerei auf Leinwand (Kopie nach d. Orig. im Berliner Museum). liefausschmückung, die mit Hilfe des Pinsels hergestellt zu sein scheint, noch der Umstand, dass man keinerlei Grundierung auf der Leinwand wahrnimmt, die Farben vielmehr in dünner einmaliger Schicht die Leinwand bedecken ; im ganzen ist jedoch die Ausführung hier roh und unkünstlerisch. Nach jeder Richtung hervorragend ist der ebenfalls auf Leinwand ge- malte Frauenkopf im letzen Kasten der vorhin betretenen Abteilung. Ich muss bei diesem neuen Fund meine Unkenntnis eingestehen , mit welcher Art von Farbe dieser prächtige, ausgezeichnet modellierte und Jordaens’sche Farbenfrische zeigende Portätkopf gemalt sei. Der Umstand, dass er, wie die oben erwähnte Leinwandumhüllung, auf einfacher ungrundierter Leinwand gemalt zu sein scheint, belehrt uns, dass unsere bisherigen Anschauungen über den Beginn der Malerei auf Leinwand sehr modifiziert werden müssen. Wir glaubten bisher, dass Malereien auf Leinwand nicht vor dem XV. Jahr- Mumien- porträts auf Leinwand. — 206 — hundert aufgekommen seien , dass man vorher wohl auf Stoffen gemalt habe, jedoch nur, wenn es sich um Fahnen, Helmzierden oder Dekorationen für Turniere u. dgl. handelte: jetzt sehen wir einen vorzüglichen, technisch vollendeten Porträtkopf aus den ersten Jahrhunderten n. Ch. auf Lein- wand gemalt in tadelloser Erhaltung vor uns, an dem nur die unterste Partie des Halses schmutzig und fleckig geworden. 17 ) Ausserdem gehört zu dieser Art von Malerei die in demselben Kasten befindliche Mumie mit dem Porträt eines jüngeren Mannes. An ihr ist noch das Folgende sehr bemerkenswert. Die Umwicklungsbänder sind hier ebenso angeordnet, wie auf Abb. 39 ; wir sehen ein System von Bändern oder Leinenstreifen, die so gelegt sind, dass die Figur einer Kassettierung entsteht. Die Mitte der Vierecke nimmt ein vergoldeter oder auch dunkelfarbiger Knopf ein. Es zeigt nur einer der mittleren Bandstreifen eine Färbung in schöner rosa Nuance; diese Farbe ist — Purpur, und zwar der von den Alten so sehr geschätzte tyrische Purpur, dieselbe Nuance, wie sie die Purpur- schnecke Murex brandaris gibt. Auch einzelne von den vergoldeten Masken der späteren Zeit, welche den Verstorbenen in halber Figur mit über die Brust gefalteten Händen darstellen, zeigen uns den Purpur als Farbe in vor- trefflicher Erhaltung; die Totenblumen, welche die Dargestellten in der einen Hand halten, sind mit dieser schönen rosa Farbe überzogen. Ob die blau- violette Farbe, welche mehrfach auf Mumienporträts bei der Gewandung verwendet wurde, Purpur von der Schnecke Murex trunculus ist, kann ich nicht entscheiden; es könnte ebenso die Farbe sein, welche aus Ochsen- zungenwurzel (Anchusa tinctoria) bereitet wurde und in der von Plinius be- zeichneten Mischung mit Wachs dieselbe Nuance bildet; nur bezweifle ich, ob sich die letztere so lange gehalten haben könnte. ,Prau Aiine». Am merkwürdigsten und wegen der sich daraus ergebenden Schlüsse von allergrösstem Interesse ist das auch auf Leinwand gemalte Porträt (Nr. 11411) einer Frau Aline, der Tochter eines Mannes namens Herodes, die nach der Inschrift der Grabtafel 35 Jahre alt starb und deren Mumie mit denen ihrer beiden Kinder in einem gemeinsamen Grabe von Prof. v. Kaufmann zu Hawara im Fayüm i. J. 1892 gefunden worden ist. 18 ) Die beiden Kinder- mumien samt den Porträts befinden sich ebenfalls im Berliner Museum. „Frau Aline’s» Kopf ist in guter Lebensgrösse dargestellt; ihre etwas groben, aufgedunsenen Züge finde ich nicht besonders sympathisch; für 35 Jahre sieht ihr Gesicht ziemlich welk aus und lässt frühere Schönheit nur vermuten. Die Hauptsache aber ist die technische Ausführung. Kenner sollen sich dahin ausgesprochen haben, dass die Malerei in Oelfarben aus- geführt sein müsse; bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass die Untermalung in ihrem grauen Gesamtcharakter dem zuvor erwähnten auf Leinwand gemalten Frauenkopf gleicht. Die wärmeren „Oelfarben- töne» sind darauf lasiert und wenig ineinandergemalt; die strichartig an- einandergereihten durchsichtigen Farbentöne lassen sogar darauf schliessen, dass dazu die warmflüssige Wachsharzfarbe der En- kausten späterer Zeit benützt worden sei. 19 ) «>) Vielleicht sind hier noch zwei bemalte Leinentücher, in welche die Mumien
eingehüllt worden waren, hinzuzurechnen. Die Darstellung (der Verstorbene steht
zwischen den Totengöttern üsiris und Anubis) mit fast lebensgrossen Figuren ist in
flüchtiger, charakteristischer Zeichnung ausgeführt, die Farben erscheinen aber durch
die auch räumlicb grossen Stockflecken sehr beeinträchtigt (Nr. 11651 und 11652,
2 Jhs. n. Chr.).

18 ) Vgl. Verhandlungen der Berliner Gesellsch. f. Anthropol., Bthnolog. und Ur-
geschichte in Zeitschrift f. Ethnologie 1892, p. 716.

lö ) Vgl. die sehr gelungene farbige Nachbildung dieses Porträts in Antike
Denkmäler, herausg. v. kais. deutsch. Archäolog. Institut Bd. II, Heft 2 1893/94.
Ueber die Technik äussert sich Donner v. Richter in derselben Publikation dahin,
das Bindemittel habe „mutmasslich aus Eigelb und Feigenmilch, das ziemlich kon-
sistent und ganz vorzüglich bereitet war», bestanden. Als Ursache des besonderen,
dem Charakter der Oelfarbe sehr ähnlichen Aussehens nimmt Donner die
durch die Leinenumhüllung durchgesickerten öligen Substanzen an, mit denen

— 207 —

Bei der hier in Abbildung 42 gegebenen Zeichnung habe ich sorgfältig
die Strichlagen angegeben, in denen die warmflüssige enkaustische Farbe
aufgetragen war. (Bei der Nachbildung in m. Versuchskollektion hatte ich

Abbild. 42. Porträt der Frau Aline. (Zeichnung nach dem Original des Berliner Museums).

eine Gummitempera als Untermalung gewählt; ähnlichen Erfolg habe ich
bei einem zweiten Versuch mit der punischen Wachstempera erzielt; s. Ab-
bildung 42 a).

die Körper bei den Einbalsamierungen behandelt wurden, und welche die Malerei
beträchtlich tiefer erscheinen lassen , als die nicht vom Oele berührten Teile. Eine
solche Durchtränkung mit öliger Substanz sei auch dem Porträt der Aline
widerfahren. Zum Glück in ganz gleichmässiger Weise, und daher rühre seine tiefe
Farbengebungl Gegen diese Erklärung der Technik hatte Prof. v. Kaufmann ein-
gewendet, dass das Porträt beim Auffinden der Mumie in voller Frische, leicht
glänzend erschien und erst später nachgedunkelt sei. „Die Porträts, auch andere
damals gefundene, schlugen, wie sich H. v. Kaufmann ausdrückt, am Tageslicht etwas
bei». Als Einbalsamierungsmasse wurde nur Pech gefunden. Insbesondere leugnet
derselbe die Existenz der von Donner supponierten „öligen Substanzen», mit denen
die Leiche behandelt sei. Prof. Salkowsky , welcher die Binden sowie die aus der
Mundhöhle ausgelösten Massen chemisch untersuchte, konnte nur eine geringe Menge
eines aromatischen Fettes (3,5 °/o des Extraktes) nachweisen , und zwar „eine so ge-
ringfügige, dass seine Anwesenheit sich durch „Fettflecke» wohl kaum verraten haben
kann». „Auch das sog. Leichenwachs (xidipocire), das ganz farblos ist und in kei ner
Weise eine ölige Beschaffenheit besitzt, könne keine Flecken von der Art der in
Rede stehenden hervorbringen» (vgl. Zeitschr. f. Ethnologie 1896, Heft 3 p. 200).

Trotz aller Vorsicht des Finders zeigte das Porträt der Aline nach einiger
Zeit nicht mehr dieselbe Leuchtkraft wie im Moment des Fiudens, und vor allen
Dingen war der ursprüngliche leichte Glanz zu vermissen, der die Farbe hatte frisch
erscheinen lassen. Um diesen Glanz wieder hervorzurufen, gab der treffliche Restaurator
des kgl. Museums Hauser nach verschiedenen gemeinschaftlich mit Prof. v. Kaufmann
angestellten Proben dem Bilde einen dünnen Ueberzug aus Wachs und Terpentin,
der den vollen Effekt des ursprünglichen Glanzes wieder erzielte (s. a. a. 0.).

In diesem Zustand war das Gemälde im Museum zu sehen, bis durch den
obigen Streit die Veranlassung gegeben ward, den Wachsüberzug wieder zu entfernen.
So ist jetzt dieses merkwürdige Bild wieder ganz matt und trübe. Von den „wie
Oelfarbe» leuchtenden Lasuren und den charakteristischen Pinselstrichen der warm-
flüssigen Wachsfarben ist nichts mehr zu sehen.

– 208 —

Schon die eine unbezweifelbare Tatsache, dass dieses Bildnis mit einer
grauen trockenen Farbe untermalt und einer firnisartigen fetten übergangen
ist, eröffnet den Kombinationen eine ungeahnte Perspektive. So vollkommen
war also schon das technische Können der alten Griechen aus-
gebildet, dass sie Lasuren in voller Farbe aufzutragen verstanden
und demnach die höchsten malerischen Effekte erzielen konnten.

Abb. 42a. Porträt der Frau Alino. (Versuch einer Nachbildung in der Technik des Originals

Porträt9 in

London und

Paris.

Vor den glücklichen Funden von Graf und Flinders Petrie u. A. waren
nur wenige Bilder ähnlicher Art bekannt.

Das British Museum besass anfangs der achtziger Jahre drei Porträts
u. zwar (nach Angabe von Henry 20 ):

1. Das Porträt einer jungen Frau, aus Memphis stammend;

2. die Hälfte eines weibliehen Bildnisses;

3. das Porträt eines jungen Mannes, an dessen Mumie befestigt.

In der Bibliotheque nationale zu Paris befand sich auf einem
Mumiensarge ein Teil eines weiblichen Porträts, der durch Vergleiohung mit
der Hälfte des Porträts im British Museum als zu diesem gehörig erkannt
wurde (abgebildet bei Oros et Henry p. 22).

Sechs weitere Porträts hatte das Louvre-Museum aus der Kollektion
von Clot-Bey erworben. Sie stellten Mitglieder der Familie des Pollius Soter,
Archonten von Theben zur Zeit des Hadrian, dar; davon sind drei in en-
kaustischer Art (abgebildet bei Cros et Henry Fig. 7 — 9), drei in Tempera
gemalt. 21 )

Alle diese Bilder stammen aus ägyptischen Gräbern, und ihre Echtheit
ist unbezweifelt. Bei den zwei in Italien gefundenen, angeblich en-
kaustischen Gemälden ist dies nicht der Fall. Beide sind nicht auf
Holz, sondern auf Schiefertafel gemalt. Verwunderlich kann das kaum
erscheinen, da alle Holzgegenstände, wie in Pompeji, durch die Feuchtigkeit
in fast zOOO jährigem Grabe vermodert sein müssen. Schiefer und Wachs
konnten sich unter günstigen Umständen erhalfen.

20 ) Cros u. Henry, L’Encaustique et les autres procedes de peinture chez les
anciens, Paris 1884 p. 21.

il ) Donner Technisches p. 46 ff. erklärt alle diese Gemälde für Temperamalereien.

209

Das eine stellt eine Cleopatra dar. Ea soll in 16 Stücke zerbroohen
im Schutte der Villa des Hadrian hei Tivoli gefunden worden sein. 1822
war es im Besitz eines Dr. Micheli in Florenz, nachdem es vorher von einem
Restaurator zusammengesetzt worden war. Man hielt es für echt, sogar für
das Originalgemälde, das den Triumphzug des Augustus nach den Siegen
bei Actium und in Aegypten schmückte. Cleopatra ist in lebensgrossem
Brustbild mit dem königlichen Diadem dargestellt ; mit der linken Hand hält
sie die Schlange an die entblösste Brust, von der die rechte Hand, wie es
scheint, eben das Gewand entfernt hat. Hals und Arme ziert reicher
Schmuck (Abb. 43).

Die Echtheit wurde bald bezweifelt, und das Bild für ein Werk des
XVI. Jhs. erklärt. Marchese Cosimo Ridolfi fand bei der chemischen
Untersuchung der Farben Wachs und Mastixharz, was allerdings auf
ein enkaustisches Verfahren hindeuten würde. Im Jahre 1882 befand es
sich in Piano di Sorrento in Privatbesitz.–)

Cleopatra.

Abbild. 43. Das in Tivoli gefundene Cleopatra-Bildnis (nach einem Kupferstich).

Das zweite Gemälde, die sog. „Muse von Cortona», ein Frauenbildnis
mit offener rechter Brust und einem Musikinstrument unter dem linken Arm,
wurde 1732 von einem Bauern zugleich mit antiken Statuetten in der Xähe
von Cortona in Mittelitalien gefunden. Die Schiefertafel, 38,5cm hoch und
33cm breit, ist vollständig intakt; die Figur hat etwa zwei Drittel der
natürlichen Grösse. Von der Familie des Finders als Madonnenbild in Ehren
gehalten, bis der Irrtum sich aufklärte, wurde es bald darauf 1735 von dem
Domänen-Besitzir Tommaso Tommasi erworben und gelangte schliesslich durch
Schenkung an die Accademia Etrusca zu Cortona, wo es im Museum nebst
anderen etruskischen Altertümern bewahrt wird. Marcello Venuti widmete
ihm eingehende Studien (in den Berichten der Accademia 1748 und 1791),

22 ) Vgl. Äntologia di Firenze Hd. VII 1822 p. 298. Lettere al Prof. Petrini :
p. 49 1 Appendice alla iettera di marchese Ridolfi. S. auch Angsb. Allg. Ztg. Beilage
188′, Nr. 227. „Ein Porträt der Kleopatra» von Dr. K. Schöner.

14

Muse von
Cortona.

— 210 —

und der Maler Cavalleri, der einen Aufsatz darüber veröffentlichte, deutet
es als Muse Polyhymma. rs )

Auch dieses Bild (s. Abb. 44) haben Zweifler als nicht antiken Ursprungs
in die Zeit der Renaissance verwiesen. Im Vergleich mit den enkaustischen
Mumienporträts fehlen hier allerdings die charakteristischen Anzeichen für
den Gebrauch eines metallenen Glühstäbchens, die vertieften Eindrücke desselben
und der dicke Farbenauftrag. Das Impasto des Fleisches ist sichtlich mit
dem Pinsel, ziemlich gleichmässig und in dünner Schicht aufgetragen; die
Farben sind klar, selbst in den Schatten, und die Erhaltung ist bis auf wenige
abgesprungene Stellen der Schattenpartie des Kopfes und der Brust (auf der
Photogr. durch Retouchen beseitigt) vortrefflich. Von Uebermalungen späterer
Zeit ist nichts zu bemerken, auch konnte ich nichts darüber erfahren, ob
bei der Reinigung des Gemäldes eine (jetzt entfernte) Firnisschicht vor-
handen war.

Abb. 44. Die sog. Muse von Cortona. Auf Schiefer gemalt. Nach dem Orig. photogr. von

Alinari (Florenz).

Ob das Gemälde wirklich antiken Ursprungs ist, darüber masse ich mir
kein Urteil an ; die Auffassung der Figur, Haltung und Ausdruck des Kopfes,
die Verteilung in dem oben giebelförmig ausgehenden Raum der Schiefer-
tafel sprechen nicht dagegen. Allem Anschein nach aber haben wir hier
kein enkaustisches Gemälde vor uns, eher vielleicht ein antikes Tempera-Ge-
mälde, das einzige, das uns einen Begriff von der hohen Vollendung, deren
diese Technik fähig war, zu geben imstande sein würde.

23 ) Sopra una antica greca pittura esistente nel museo dell’ Accademia etrusca
di Cortona riconosciuta per la musa Polimnia , osservazioni del prof. Ferdinando
Cavalleri, 1852.

211

3. Der Instrumentenfund von St. Medard-des-Pres und meine Versuche in

enkaustischer Technik.

In Verbindung mit den Mumienporträts aus dein Fayüm, die zum Teil
als Werke enkaustischer Technik erkannt worden sind, gewinnt der In-
strumentenfund von St. Mddard- 1 ) für die Erforschung diesei Technik grössere
Bedeutung. Gleich nach seinem Bekanntwerden hatte man in dieser Be-
ziehung die grössten Erwartungen gehegt, weil die chemischen Analysen in
dort gefundenen Farbenresten das Vorhandensein von Wachs und Mischungen
von Wachs festgestellt hatten; dann aber wurde versucht, den Zusammen-
hang der Fund gegen stände mit der Enkaustik zu leugnen oder nicht zu be-
achten ; sie galten einfach als Malutensilien. 25 )

Schon vor zehn Jahren war ich bemüht, diesen Zusammenhang wieder
zur Anerkennung zu bringen, und hatte durch einschlägige Versuche zu be-
weisen versucht, dass die in St. Mddard gefundenen Instrumente für en-
kaustische Malweise und nur für diese geeignet seien. Von diesen Ver-
suchen wird im folgenden die Rede sein, weil sie die Grundlage für die
Beurteilung gar mancher Einzelheiten der Technik geboten haben und weil
der Fund von St. M^dard-des-Pres der weiteren Erklärung der Enkaustik als
feste Basis zu dienen vermag.

Die folgenden Einzelheiten sind dem Buche von Benjamin Fillon,
Description de la Villa et du tombeau d’une femme artiste Gallo-Romaine,
decouverts ä St. Medard-des-Prös (Fontenay 1849) entnommen.

Im Jahre 1845 fanden Arbeiter beim Ausheben von Kalksteinen in
einem Feld südwestlich von St. Medard eine grosse Menge römischer Ziegel,
in der Tiefe eines Meters Reste von Mauern, überdies gebrochene Säulen-
schäfte und die Basis sowie Kapitale von Säulen. Bei fortgesetztem Graben
zeigten sich die Grundmauern einer Villa, das Atrium, Cavaedium mit dem
Compluvium in der Mitte u. s. w. ; dann einige Wirtschaftsräume mit ge-
mauertem Backofen und der Küche. Es fanden sich endlich auch Stücke
von Wandmalerei, welche der von Pompeji ähnlich war und teils mythologische,
teils naturalistische Motive behandelt zu haben schien (s. im Abschnitt: Chem.
Analysen S. 138).

Von grösstem Interesse für uns sind aber die Funde bei den Aus-
grabungen, die von Dr. Dragon am 27. Okt. 1847 begonnen und dann unter
seiner Leitung fortgesetzt wurden : Etwa 80 Meter von der Villa entfernt
fand man einige Glasväschen , und bald darauf wurde eine viereckige Grube
aufgedeckt, welche 4 Meter im Quadrat und in dem nach oben erweiterten
Teile 6 Meter breit war. Der Grund lag 2 Meter unter der Erdoberfläche

Der Fund

von St.M^dard-
des-Prös.

Die Villa.

Das Maler-
Grab.

– 4 ) Die Instrumente sind abgebildet bei Otto Jahn, Darstellung des Handwerks-
und Handelsverkehrs bei den Völkern des Altertums (Abhdg. d. sächs. Akademie d.
Wissenschaften Bd. V, Tafel 10 u. 11); Schreiber, kunsthist. Atlas; Blümner, Technol.
IV. p. 457. Hittorff, Parchitecture polychrome p. 532 ff.; Cros et Henry, L’encaustique
p. 30 u. 31.

2B ) Auch Donner, dem technisch so erfahrenen Künstler, kann der Vorwurf
nicht erspart werden , dass er dem Instrumentenfund von St. Medard nicht die Be-
deutung zuerkennt, die diesem gebührt, da die chemischen Analysen von Chevreul
Wachs, Harz und Gemische dieser Ingredienzien nachgewiesen haben. Donner
(s. Wandmal. p. 107) spricht den Alten die Benutzung derartiger Mischungen iu der
Malerei ab und will sie nur als Mittel zur Konservierung des Holzes, zum Ausstreichen
von Weinfässern, event. mit Farbe zusammengeschmolzen zum Holzanstrich an-
erkennen. Blümner IV 459, der sonst in allen Fragen der Enkaustik Donner recht
gibt, bemerkt dazu: „Allein es will mir doch sehr unwahrscheinlich vorkommen, dass
die Malerin, der dieses Malgerät einst gehörte, sich mit einer so untergeordneten,
handwerksmässigen Arbeit abgegeben haben sollte’ 1 . Und ebd. Anm. 1 : „Dass die
ebenfalls von Chevreul analysierten Reste von Freskomalereien der Villa, zu der das
Grab gehörte, weder Harz noch Wachs aufwiesen, ist hier durchaus nicht von dem
Belaug, wie Donner S. 110 und Techn. S. 65 glaubt; denn das ist ja freilich nicht
anzunehmen, dass die Malerin sich ihre Villa eigenhändig al fresco ausgemalt hat.
Sie dilettierte sicherlich in kleinen Bildern, enkaustisch oder a tempera , und dabei
mögen wohl jene Ingredienzien Verwendung gefunden haben».

14*

— 212

Fundbericht.

(s. d. Durchschnitt). Man fand keinerlei Mauer, nur einige ohne System hingelegte
Steine bedeckten das Grab. Der Sarg wie alle übrigen Gegenstände waren
von feinem Sand und durch Zersetzung organischer Stoffe schwarz gewordener
Erde umgeben; viele Gegenstände hatte die Schwere des Erdreichs zerbrochen.
Gefunden wurden folgende Gegenstände (s. Abb. 45 ; die Nummern ent-
sprechen den Nummern der folgenden Aufstellung):

. i

1 i t i i l i i i i i*.

Abbild. 45. Durchschnitt und Grundriss des Grabes von St. Medard-des-Pres.

— 213 –

1. In der nordwestlichen Ecke des Grabes stand ein Sarg- mit einem
Frauenskelett. 26 )

2. Dieser war umgeben von einer grossen Zahl von Glasväschen von
hellgrüner Farbe und aus künstlichem Kristall ; ferner

3. von farbigen Glasgefässen und Sohälohen aus gebranntem
Ton; in den meisten fanden sich Farbenreste.

4. In einer anderen Ecke standen sechs grosse irdene Amphoren.

5. In der gegenüberliegenden Ecke waren Reste eines hölzernen
Kastens mit ßronzegriff, einige Gefäsae aus sehr feinem Glas, ein gelbes
Töpfchen (Abb. 46a), das zierlich gearbeitete Heft eines Klappmessers
aus Cedernholz, dessen Klinge fast ganz oxydiert war (ebd. b) und zwei
kleine Zylinder aus Bernstein.

6. Daneben ein Mörser aus Alabaster mit Abguss und ein ala-
basterner Reibstein in der Form eines eingebogenen Daumens (Abb. 47 a u. b).

7. In der vierten Ecke wurde ein eisen beschlagener Kasten 27 ) ge-
funden, von dem freilich nur noch Reste erhalten waren. Dieser enthielt:

a) Ein Bronzekästchen mit Schiebedeckel (Abb. 46c), welches
aus vier, durch darüber gelegte silberne Gitter verschliessbaren Ab-
teilungen bestand, in denen Farbstoffe von unregelmässiger Form
lagen (Abb. 47 d und e) ;

b) eine mit Inschrift verzierte Basalttafel 28 ) von 0.14 m Länge und
0,09 m Breite (Abb. 47);

26 ) Wegen des weiblichen Geschlechtes dieses Skelettes steigen mir doch einige
Zweifel auf. Fillon sagt uns nicht, woraus er dies geschlossen und ob er Messungen
an dem Beckenknochen hat vornehmen lassen. Es scheint mir eigentümlich, dass
mau der Verstorbenen ein ganzes Handwerkszeug mit vielen Flaschen und grosse
Koffer mit Habseligkeiten mit ins Grab gegeben, ihr aber keinerlei Schmuck, weder
Ringe noch Armbänder, keine Fibula, nicht einmal eine Nadel im Haar gelassen haben
sollte; ausser dem in Gallien allen Toten beigegebenen Halsschmuck von Eberzähnen
wurde an dem Skelett nichts gefunden. Dann noch ein Bedenken: Unter den Flaschen
und Töpfchen fand sich eines, welches mit einem Phallus geziert warl Ich beraube
allerdings den Fund eines seiner eigentümlichsten Reize und kann auch der Reporter-
phantasie des Herrn Fillon keinen Geschmack abgewinnen, wenn er pathetisch be-
dauert, die junge Gallierin (denn sie musste doch jung gewesen sein) habe ihre im
Süden, also Rom, gereiften Talente ihren barbarischen Landsleuten widmen wollen,
aber sei, von ihnen unverstanden, vor Kummer und Gram im rauhen Norden gestorben.
Viel wahrscheinlicher will mir die Annahme scheinen , der Maler hätte als Gast im
Hause des Prätors der Provinz odor eines sonstigen hochgestellten Galliers geweilt,
sei dort gestorben und nach der in Gallien herrschenden Sitte begraben worden.

«) In Betreff der Grössenverhältnisse des Kastens, die Fillon in seiner
Beschreibung gibt, zeigt sich eine für unsere Frage nicht unwichtig scheinende
Differenz. Dort ist die Grösse des „coffret» mitsamt seinem Inhalt, u. zw. 1. Boite ä
couleurs de bronce, 2. Godet ou petit mortier de bronce, 3. Etui contenant deux
petits cuilliers aussi de bronce, 4. Deux manches de pinceaux en os, 5. Une palette
en basalte, mit 0,25 Länge, 0,15 Breite und 0,10 Höhe angegeben. Vergleicht man
aber die Zeichnung des Grundrisses, auf der doch gewiss alle Masse richtig ein-
gezeichnet sind, so ergibt sich, dass das Köfferchen fast die doppelte Grösse hatte;
dagegen stimmen die Länge n und Breitenmasse (0,25 und 0,15) der eingezeich-
neten „boite ä couleurs» mit.Fillons Grössenangabe des „coffret». Im Verhältnis
zum „petit mortier de bronze», den Fillon auf der VI. Tafel seiner „Description» in
natürlicher Grösse abgebildet hat (s. p. 73) und der dort einen Durchmesser von
0,5 hat, würde die ,,boite ä couleurs’ 4 nur etwa 0,7 breit und 0,12 lang sein. Die
Löffelchen messen auf diesen Zeichnungen 0.15— 0,16 m, während auf dem Grundriss
die Länge des Etuis doppelt so gross und der Länge der „boite ä couleurs» gleich ist,

Zur Beseitigung dieser Differenz war ich bemüht, den gegenwärtigen Ver-
wahrungsort der Objekte zu finden, leider vergebens, denn weder in Paris ( Musee de
Cluny, Bibliotheque nationale) noch im Museum der nationalen Altertümer in St.
Germain-en-Laye sind sie bekannt. Sie sind, scheint es, überhaupt verschollen. In
Fillons Nachlass, der 1882 versteigert wurde, fehlten diese Objekte bereits. Sind sie
vielleicht in einem kleinen Provinzialmuseum der Vendee aufbewahrt?

28 ) Die Basaltplatte des Fundes trägt eine Inschrift; da im Fundbericht nur von
einer solchen Platte die Rede ist , scheint diese auf der Abbildung 47 nur deshalb
auch in der Aufsicht gezeichnet zu sein, um die Inschrift zu zeigen. Auf der Jahn-
schen Zeichnung ist diese Wiederholung auch weggelassen; bei Blümner IV p. 457
(Zeichnung nach Jahn) ist der auf Fig. 46 g befindliche Schiebedeckel des Kästchens
fälschlich als Reibplatte bezeichnet.

— 214 —

c) eine runde Büchse oder Mörser aus Bronze (Abb. 46 d) ;

d) ein Etui mit zwei zierlich gearbeiteten Löffelchen aus Bronze
(Abb. 46 e und Abb. 47 g);

e) zwei kleine Schaufeln aus Bergkrystall, von denen die eine zer-
brochen war; sie enthielt Goldpulver mit einer gummösen Substanz
vermengt (Abb. 46 f);

f) endlich zwei Pinselstiele aus Bein (0,12m lang).

– 8. Neben dem eisenbeschlagenen Kasten standen einige grosse Gefässe
aus hellem Glas; dann

9. eine grosse Flasche aus hellem Glas, mit einer blauen Masse gefüllt;

Abbild. 46. Malutensilien des Fundes von St. Mödard-des-Pre’s. (Nach Benj. Pillou und nach
O. Jahn in Abhandl. der Sachs, ües. d. Wissenschaften Bd. V.)

10. ein kleines Pläschchen aus hellem Glas, ein Gefäss aus schwarzem
Ton und ein anderes aus weissem Glas, das erstere mit Terra di Siena,
das zweite mit Aegyptischem Blau, das dritte mit Harz gefüllt;

11, 12 und 13. Reste grösserer Holzkisten mit eisenbeschlagenen Ecken,
deren Inhalt nicht mehr erkennbar war.

Die Anwesenheit der im Bronzekästchen und den zahlreichen Pläschchen
(im ganzen gegen 80) befindlichen B’arben geben dem Funde unzweifelhaft
den Charakter eines Malergrabes. Pillon berichtete darüber unverzüglich an
den damals bedeutendsten Archäologen Frankreichs Letronne, der in seiner
Antwort schrieb :

— 215

„Sie haben einen in seiner Art einzigen Schatz in Händen, und
ich schätze mich glücklich , die gelehrte Welt davon in Kenntnis setzen zu
können. Rechnen Sie auf den Eifer des alten Altertumsforschers. Sie wissen
ja selbst, welchen Wert ich allem beimesse, was geeignet ist, Licht auf die
Frage zu werfen, die von uns mit besonderer Sorgfalt studiert worden ist
und die lange und peinliche Debatten [mit Raoul Rochette] hervorgerufen
hat. Die geschriebenen Dokumente geben mir Recht; ich hoffe, dass die
Chemie mir gleicherweise zu Hilfe kommen wird.»

Einige Tage später beauftragte Letronne seinen Freund Chevreul, der
damals mit seinen „Considerations geneVales sur l’histoire de la chimie chez

Chevreul’a
chemische
Analysen.

Abbild. 47. Malutensilien des Fundes von St. Medard-des-Prös.

les anciens peuples» beschäftigt war, mit der chemischen Analyse einiger
Farbstoffe und anderer Gegenstände des Fundes. Der Bericht darüber er-
schien unter dem Titel : Recherches sur plusieurs objets d’arche’ologie trouves
dans le Departement de la Vendee, Bd. XXII der Memoires de l’Acaddmie
des Sciences, Paris 1850 (s. Anhang III).

Diese Chevreul’schen Untersuchungen, welche reines Bienen wachs
in einer der grossen Amphoren, Harz und Wachs gemengt in einem
anderen Gefäss, Stücke von Pinienharz in einem Glasgefäss und die An-
wesenheit von Oel- oder Fettsäuren in Farbenmischungen konstatierte,

216

Erklärung dt
Utensilien.

sind für die Erklärung der Malutensilien von allergrösster Wichtigkeit. Die
Vermutung liegt nahe, dass es sich bei dem ganzen Funde um eine Wachs-
technik handle und demnach alle dabei gefundenen Instrumente die für
die antike Enkaustik geeigneten sein können.

Unter den einzelnen Objekten des Fundes, fällt unser Blick vor allen
auf die in einem besonderen Bronze-Etui aufbewahrten zwei Löffelchen
(oder Spateln?) aus Bronze von zierlicher langgestreckter Form mit ver-
dickten Enden. Wenn es Löffelchen zum Aufnehmen oder Zumischen von
Farben sein sollten, wozu der überaus lange Stiel und das paarweise Auftreten
in einem besonderen Etui? 29 ) Man betrachte doch ganz genau das Bronze-
kästchen („boite ä couleurs»), die vier durch silberne durchbrochene Gitter
verschliessbaren Abteilungen, dazu den Deckel, der wie ein Schieber ein-
gerichtet das ganze Kästchen hermetisch verschliessen kann! Und das
sollte nur zum Aufbewahren von Farben dienen, die Löcher zum Hinein-
schauen (!) dasein und zu nichts sonst? Die bemerkenswerte oben ab-
geschlossene Ausgu ss Öffnung des Alabastermörsers — muss sie nicht
einen besonderen Zweck haben? 30 ) Die Farbenreste, deren Form erkennen
liess, dass die Masse in flache Näpfchen (oder Muscheln) geschüttet worden

Abbild. 48. Gefässe und Farbenfläschchen des Grabes von St. Medard.

Versuche mit
gleichen In-
strumenten.

war und darin erhärtete, die ungemein engen Hälse der Farbenfläschchen
(Abb. 48), das Klappmesser und die mit Inschrift versehene Basalt –
tafel — deuten diese Dinge nicht auf besondere Eigentümlichkeiten tech-
nischer Art, die von den sonst bekannten ähnlichen Dingen erheblich ab-
weichen? Wie konnte man das alles sehen, ohne sich zu sagen: Das sind
Dinge, die einen bestimmten Zweck haben müssen!

Nachdem fortgesetzte praktische Versuche mit Instrumenten, die den
Originalen genau nachgebildet waren, mich von der Möglichkeit ihrer An-
wendung überzeugt haben, meine ich, dass die beiden Löffelchen sich vor-
trefflich dazu eignen, die heissflüssige Wachsfarbe aus flachen Näpfchen
herauszuschöpfen und bequem auf eine Holzfläche (Malbrett) auszubreiten und
verschiedene so nebeneinander ausgebreitete Farbentöne durch das erwärmte
andere, verdickte Ende des Instrumentes zu vereinigen, wodurch, wie
meine Versuche zeigten, sich eine Modellierung der Form erreichen liess, die
äusserlich einigen der Graf’schen Porträts aus dem Fayüm merkwürdig ähn-

29 ) Aehnliehe Löffelchen , in besonderem Etui eingeschlossen , sind auch in
Pompeji gefunden worden: s. den Abschnitt Malgeräte, Anhang II.

30 ) Der Mörser hat seitlich drei vorspringende Teile , um dadurch über dem
Rande eines Dreifusses Halt zu bekommen. Ein ähnliches Gefäss mit vorspringendem
Rand ist auf der Abbildung des Stuekarbeiters S. 103 zu sehen

— 217 —

lieh war; dass das zweite Instrument erhitzt, worden konnte, während das
erste noch im Gehrauch war, woraus auch sein doppeltes Vorhandensein
sich erklärt; dass das Bronzekästchen mit den durchbrochenen Silber-
deckeln nichts anderes sein kann als ein Wärmapparat zum Heisshalten
der in den Näpfchen befindlichen Wachsfarben 8l ) und zum Erwärmen
der als Brenngriffel oder Glühstäbchen dienenden Bronzelöffelchen; dass der
oben verschlossene Ausguss des Alabastermörsers nur den Zweck ge-
habt haben kann, die beim Schmelzen von Wachs unvermeidlichen Bläschen
zurückzuhalten, damit sie beim Anmachen der Farbentöne nicht hinderlich
werden; dass auch das Klappmesser in Beziehung zur enkaustischen Technik
steht, denn beim Auftragen und Nebeneinanderschichten schnell erhärtender
Wachsfarben bilden sich Unebenheiten oder Anhäufungen von Farbenmassen,
die mit dem Messer leicht abgeglättet werden können u. a. m.

Je mehr ich mich mit dieser Technik befasste und mit den Löffelchen
mit verdickten Enden , dem Wärmapparat und den heissen Wachsfarben zu
hantieren und gewisse Kunstgriffe anzuwenden lernte, desto mehr kam ich
zu der Ueberzeugung, dass sich für diese Art der Technik kaum prak-
tischere Instrumente ersinnen Hessen als die in dem Funde von
St. M^dard vereinigten es sind.

Bei allen diesen Versuchen 32 ) bin ich von der Voraussetzung ausgegangen,
dass jene Instrumente zusammen ein geschlossenes Ganze bilden und
dass sie für sich allein genügen müssten , ein enkaustisches Gemälde her-
zustellen. Vor allem handelte es sich darum zu zeigen, dass ohne An-
wendung eines Pinsels enkaustisch gemalt werden kann und somit

S1 ) Bei der Auffindung lagen in dem Kästchen Farben verschiedener Form:
1. Solche, welche in flachen Schälchen verwendet wurden, wie auf Abbild. 47 Fig. d
und e, die deutlich die Form von Schälehen oder Muscheln erkennen lassen. Die
Schälchen oder Muscheln waren mit der Zeit natürlich in Staub zerfallen. 2. Solche
in Plattenform; der Fundhericht spricht von „unregelmässigen Farbenstüeken , bei
deren Herstellung man sich begnügte, die Masse auf eine ebene Fläche zu schütten
und sie so erhärten zu lassen (pains de couleurs saus forme reguliere; en la fabriquant
on s’est content^ dp verser la matiere reduite en päte liquide sur une surface plane
et de la laisser secher). Vielleicht diente dazu die Basaltplatte des Fundes?

3i ) Bei diesen Versuchen ist es mir auch immer klarer geworden, wie zweck-
entsprechend das Kästchen des Fundes eingerichtet ist, um als Wärmeapparat
zu dienen. Die 4 Abteilungen befremden im ersten Augenblick, sie erscheinen so-
gar überflüssig; wenn man sich aber in die Lage eines mit Wachsfarben und Brenn-
griffeln hantierenden Malers versetzt’, wird man den Zweck der vier Abteilungen
bald herauszufinden verstehen. Beim ersten Teil der Arbeit, nämlich dem Auftragen
der heissflüssigen Wachsfarben, ist eine möglichst gleichmässige Wärme erforderlich;
alle vier Abteilungen sind mit glühenden Kohlen angefüllt , um möglichst viele der
in Näpfchen bereiteten Wachsfarben gleichzeitig zu erwärmen Auch zum Herstellen
der Farbenmischungen ist dies zweckmässig. Im weiteren Verlauf der Arbeit sind
immer weniger Farbentöne nötig, endlich genügt nur eine Abteilung während die
übrigen durch Einschieben des Deckels zum Verlöschen gebracht oder in ge-
linderem Brande erhalten werden können. Zur Erwärmung der beiden Brenngriffel
(Cauterien) genügt das Inbrandsetzen nur einer Abteilung, und — sehen wir genau
auf die Zeichnung — deshalb ist auch ein Deckel von den vier nicht durchbrochen;
er wird einfach aufgehoben, um die Griffel abwechselnd hineinstecken zu können.
Ist der Maler mit der Arbeit fertig oder will er sie unterbrechen, dann verlöscht er
mit dem Schiebedeckel die Glut. Da die Wandungen des Kästchen sehr dünn (aus
gehämmertem Metall auch widerstandsfähiger) sind, kühlt der Apparat bald aus;
man konnte die Kohlenreste und Asche leicht entfernen und den so leer gewordenen
Raum zur Aufnahme der vorher auf dem Apparat befindlichen Näpfchen u. dgl. ver-
wenden (wie ich es auch bei meinem Apparat getan habe, weil sonst ein zweites Be-
hältnis nötig gewesen wäre). Dies mag auch der Grund sein , dass beim Auffinden
des Kästchens Farben darin lagen.

Auf einen weiteren Umstand, der mir erst im Laufe der Versuche aufgefallen
ist, muss hier noch aufmerksam gemacht werden: die glühenden Kohlen erzeugen
auch nach unten starke Hitze, und obwohl mein Wärmapparat von vorneherein
auf allerdings sehr niedrige Füsse gestellt war, kam einmal die Tischplatte in Ge-
fahr versengt zu werden ; ich stellte deshalb das Kästchen in der Folge auf eine
steinerne Reibplatte als Unterlage. Dieser Umstand führt mich darauf, dass die mit
Inschrift versehene Basaltplatte des Fundes, ausser zu dem Anmerk. 31 erwähnten
Zweck, vielleicht auch als Unterlage des Wärmapparates gedient haben kann.

— 218 —

diese Malweise mit den Nachrichten der Alten in Einklang steht. Anlass zu
weiteren Versuchen gaben die deutlichen Pinselspuren an dem Beiwerk,
den Haaren und der Gewandung vieler und gerade der allerbesten enkaustischen
Porträts aus dem Payüm und die bestimmte Angabe bei Plinius, dass bei
der dritten enkaustischen Art heissgelöste Wachsfarben mit dem Pinsel
aufgetragen wurden. Es stellte sich bei diesen Versuchen, den Pinsel zum
Auftrag der heissflüssigen Wachsfarben zu gebrauchen, vor allem die Not-
wendigkeit heraus, dem Wachsbindemittel grössere Mengen von Harz oder
Oel zuzusetzen, als bei der ersten Art. War vorher die Menge des Wachses
grösser als der Zusatz, so musste jetzt mehr Harz und Oel genommen werden.
Bei manchen Farben war es verschieden, aber schon beim Anmischen der-
selben war zu erkennen , ob das Wachs-Harz-Oel-Bindemittel zweckent-
sprechend war: bei zuviel Harz zog sich die Farbe zu Fäden; bei zuwenig
Oel Hess sie sich nicht gut aufstreichen ; bei zuviel Wachs erstarrte sie zu
schnell im Pinsel. Durch richtig gewählte Mengen der Zusätze war sehr
bald das Material gebrauchsfähig hergestellt , und ich versuchte dann mit
Hilfe des Pinsels einen Kopf zu malen.

Was früher die Löffelehen bewirkten, nämlich eine erste allgemeine
Anlage, das konnte jetzt mit den Pinseln bewirkt werden, wenn man so
flink, als nur möglich war, die Farben aus den Näpfchen holte, an ihren
richtigen Platz brachte und den nächsten Ton, schon vorgemischt, mit dem
gleichen Pinsel daran setzte. Auch hier häufte sich die schnell erstarrende
Wachsfarbe an einzelnen Stellen mehr an, aber es war nicht in dem Masse
der Fall wie früher, und die Hauptsache war: durch Regulierung der Zu-
sätze von Harz und Oel Hess sich ein viel längeres Flüssigerhalten der
Farben ermöglichen. Für kleinere Lichter konnten kleinere Pinsel dienen,
und es war ein bei weitem schnelleres Untermalen möglich, also eine
ungleich grössere Erleichterung des ganzen Verfahrens als zuvor.

Diese Untermalung liess auch eine Ausarbeitung zu, genau wie bei der
ersten Art, und diese gelang in ganz derselben Weise mit Hilfe der beiden
heissgemachten verdickten Enden der Bronzelöffel (oder der „Cauterien»), die
immer abwechselnd erhitzt und zum Ineinanderschmelzen , Abgleichen und
Modellieren der Form gebraucht wurden. Nach wenigen Versuchen liess
sich mit diesem Verfahren eine gewisse Vollkommenheit erreichen, und die
Resultate glichen den Vorbildern aus hellenistischer Zeit mitunter in über-
raschender Weise; bei fortgesetzter Uebung darin könnte ein begabter Künstler
es gewiss zu gleicher Vollendung bringen, wie sie die ägyptischen Porträts
zeigen. Dass die Ausübung dieser Technik keine allzugrosse Kunst erfordert
für jemand, der überhaupt malen gelernt hat, braucht kaum besonders betont
zu werden ; die hier beigegebenen Abbildungen nach einigen meiner Versuche
sollen dies anschaulich machen (s. Abb. 49 zweite und dritte Reihe).

Dabei ist mir folgendes klar geworden : dass man auf vielen dieser
Porträts Hintergrund, Gewand, Haare und Beiwerk meist nur flüchtig mit
dem Pinsel in dekorativer Art hingestrichen sieht, hat darin seinen Grund,
dass diese Stellen noch von der ersten Anlage stehen geblieben sind ; die
Gesichtsteile sind aber ursprünglich genau ebenso mit dem Pinsel und
heissflüssigem Wachs angelegt worden, um nachher mit Hilfe der bronzenen
Instrumente, die als Cauterien fungierten, die gewünschten Grade der Voll-
endung zu erhalten. Die Zuhilfenahme des Pinsels bei dieser kombinierten
Art der Technik scheint demnach eine grosse Erleichterung und eine Ver-
besserung der enkaustischen Malweise zu sein.

Abb. 49. Versuche in Tempera und in Enkaustik.
Obere Reihe: Eitempera. Zweite und dritte Reihe: Enkaustik in der Art der hellenistischen

Mumienporträts.

— 219 —

4. Ergebnisse für das Wesen und die Entwickelung der enkaustischen Technik.

Aus den bisherigen, mit möglichst vollständiger Darlegung des Materials
geführten Untersuchungen stellen wir nunmehr die Ergebnisse fest , indem
wir eine Beschreibung der drei verschiedenen Arten versuchen.

a. Die Oauterium-Technik.

Ueber diese ist nach allem Vorangegangenen wenig mehr zu sagen.
Was wir vor allem kennen zu lernen wünschen, die authentische Form des
cauterium, sie bleibt leider noch ungewiss. Echte Exemplare aus der Zeit
des Plinius mögen wohl noch vorhanden sein unter den Massen antiker In-
strumente, die in den Museen aufgehäuft sind, aber wer dürfte sich getrauen,
sie herauszufinden und ihre Identität mit dem enkaustischen Malwerkzeug zu
beweisen ? Vielleicht , sogar wahrscheinlich ist die Form im Laufe der Zeit
nicht dieselbe geblieben, wie auch der Name gewechselt zu haben scheint,
da bei den älteren griechischen Schriftstellern nur vom ^aßoc’cv die Rede ist,
während der von Plinius gebrauche Name griechischen Ursprungs bis in die
letzten Zeiten des Altertums sich erhalten hat. 33 ) Aber so ungewiss seine Form,
so gewiss ist sein Stoff: es war ein Metallinstrument, da es, um seinen
Zweck zu erfüllen, heissgemacht werden musste.

Als eben so sicher ist es anzunehmen, dass auch das Wachs zum Be-
ginn des Malens heissgemacht und für die Dauer der Arbeit in diesem Zu-
stande erhalten worden ist. Die litterarischen Zeugnisse widersprechen dem
nicht, wie wir gesehen haben, und die Natur des Wachses verlangt es. Jeder
Versuch ist ein neuer Beweis, dass das Wachs in kaltem und konsistentem
Zustande, selbst wenn es durch irgendwelche Zusätze weich und bildsam
gleich Modellierwachs gemacht ist, mit heissgemachten Instrumenten
allein sich nicht so verarbeiten lässt, wie es die Ausbreitung einer dünnen
Farbenschicht, deren dauerhafte Befestigung auf dem Malgrunde und das
Ineinanderschmelzen der hingesetzten Töne unbedingt erfordern. Durch Wärme
lässt sich das Wachs zwar leicht schmelzen , aber auch dann erstarrt es
wieder sofort mit beginnender Abkühlung, und dieser harten oder zähen
Sprödigkeit ist nur dadurch zu begegnen, dass man es heiss mit heissen
Werkzeugen behandelt und dafür sorgt, dass diese zweifache Erhitzung
fortwährend vorhanden sei.

Diese beiden Punkte, auf die es wesentlich ankommt, hat auch Arnold
Böcklin, 34 ) in teilweiser Anlehnung an Requeno, zur Voraussetzung seiner

Form des
Cauterium?

88 ) Nach Donner Wandmalereien S. 23 Anm. 72 hätte es noch einen dritten
Namen gegeben, nämlich ÖTtoypoccpig. Er schliesst dies aus Pollux VII, 128 ypoccplg ^
ÖTtoypacpfc;, weil beide verschieden sein müssten und weil Pollux IV, 181 die unoypacpts
auch unter den chirurgischen Instrumenten anführe und Hemsterhuis das Wort ein-
mal mit sector, das andere mal mit spathula übersetze, Es sei eine ypacpig (Zeichen-
stift) mit lanzettförmigem Spatel an dem einem Ende. Blümner IV S. 450 Anm. 1
bezeichnet „diese Vermutung deswegen als sehr fraglich , weil ÖTtoypäcpeiv ein sehr
gewöhnlicher Ausdruck für Zeichnen und Malen sei, ÜTtoypacpic; also vermutlich jedes
dazu geeignete Gerät bezeichne». Will man, obwohl Pollux ypotcpig y/ (nicht xal) urcoypacpis
sagt, durchaus einen Unterschied ausfindig machen, so könnte dieser nur in bnö liegen,
und da ypacptg auch der Ausdruck für Pinsel ist (s. Blümner IV S. 425 Anm. 5), so
könnte uuoypacpig etwa eine besondere Art von Pinsel sein, womit man die Vor-
zeichnung unter dem Gemälde, die erste Anlage in Umrissen, oder auch die erste
Untermalung machte. Damit würde auch der Gebrauch von ÜTtoy passiv und ‘jrcoypaeprj
insofern übereinstimmen, als sich beide auf „das Zeichnen des Umrisses als der Grund-
lage zu weiterer genauerer Ausführung» beziehen und bei Lucian ÖTioypäcpsiv auch
vom Untermalen der Augen gebraucht ist, wofür Blümner IV S. 421 Anm. 4 die Be-
lege bietet — Was das |5aߧiov betrifft, so wird man aus dem Wortwitz des Spötters,
der jSaßSoSiaixog (vom (5aß3iov lebend) statt äßpo5(ai.xos (in Ueppigkeit lebend) auf der
prahlerischen Inschrift setzte, die Parrhasios auf sich selbst gedichtet hatte, nicht
schliessen dürfen , dass Parrhasios ein enkaustischer Maler gewesen sei , als welcher
er sonst nicht genannt wird; vielmehr wird j5aß3£ov hier im allgemeineren, typischen
Sinne für Malerwerkzeug überhaupt gebraucht sein (S. Athenaeus XII, 62 und XV, 35).

3l ) Böcklin ‘s Versuche sind beschrieben von Rud. Schick in seinen Tage
buchaufzeichnungen aus den Jahren 1866-1869 über Arnold Böcklin, herausgeg. von

Böcklin’s
Versuche.

– 220 —

Versuche genommen, als er Ende der sechziger Jahre, vor mehr als drei
Jahrzehnten, auf praktischem Wege die alte Enkaustik wiederzufinden unter-
nahm. Er hatte damals noch keine Kenntnis von den Mumienbildnissen,
er hat sich auch schwerlich den Kopf zerbrochen über die richtige Erklärung
der vielbesprochenen grundlegenden Stelle bei Plinius ; aber seine geniale
Intuition für alles Technische in der Malerei hat auch hier den Kernpunkt
der Frage richtig erfasst, im Gegensatz zu den meisten, ja allen Theorien,
die vorher und gleichzeitig aufgestellt worden und längere oder kürzere Zeit
in Gültigkeit gewesen sind.

Meine eigenen Versuche, die ich, unabhängig von Böcklin und hauptsäch-
lich angeregt durch das Studium des Fundes von St. Me»dard, vor zwölf Jahren
begann, haben mich von Anfang an zu derselben Erkenntnis der Hauptpunkte
geführt. Wenn ich auf Grund derselben das Verfahren bei der Ausführung
eines enkaustischen Gemäldes in allen seinen Einzelheiten beschreibe, so wird
dies die geeignetste Art sein , von der alten Cauterium-Technik eine Vor-
stellung zu geben.
T y ch r ni a 8 ^ hpr An Instrumenten und Materialien sind dazu nötig und von mir als

praktisch befunden: Ein Kästchen aus Metall mit durchbrochenem Deckel
(in der Grösse von 12 cm: 20 cm und 10 cm tief) zur Aufnahme von Kohlen
und zum Warmhalten der Wachsfarben und andererseits zum Erhitzen der
Cauterien. Zwei Cauterien aus Bronze, jedes mit einem verdickten und
einem löflelförmigen Endo. Mehrere niedere Näpfchen aus Steingut oder dgl.
zur Aufnahme und zum Anmischen der Farben, Fläschchen mit ver-
schiedenen Farbenpulvern, weisses Wachs in Stücken, gepulvertes Harz
und ein kleines Fläschchen mit Oel. In einem grösseren Tiegel hält man
eine Mischung von Wachs und Harz oder Oel bereit, die so hergestellt ist,
dass erst das Wachs geschmolzen , dann das Harzpulver (Mastix oder Kolo-
phonium) flüssig gemacht und schliesslich etwas Oel, z. B. Nussöl , zuge-
gossen wurde. Diese Mischung soll im kalten Zustand ziemlich fest sein, so
dass mit dem Daumennagel kaum Eindrucke gemacht werden können. Für den
Wärmapparat benutzte ich zur Erhitzung anfangs kleine Spiritusbrenner, aber

Hugo v. Tschudi , Berlin 1901. Wir finden dort folgende interessante Einzelheiten
(p. 146) vom 19. Aug. 68: „Böcklin sprach über antike Enkaustik, die von der
neueren sog. Enkaustik, bei welcher mit Wachs und Terpentin (kalt) gemalt wird,
himmelweit verschieden gewesen wäre. Man hätte noch genaue Nachrichten darüber,
und im Neapolitanischen Museum würden noch einige von den eisernen Spateln auf-
bewahrt, mit denen man (in glühendem Zustande) die Wachsf’arbe aus den Töpfchen
holte und auf das Bild schmolz. Sie hätten verschiedene Formen , je nach ihrer Be-
stimmung, und ein eisener Kolben diente dazu, recht lange die Hitze festzuhalten,
damit das dünne Maleisen nicht so schnell verkühlte. Der Handgriff war von Holz
oder bewickelt.»

Dann vom 5. Okt. 68 (p. 177): „Er schmolz Harz mit den einzelnen Farben
über Feuer in Töpfen zusammen und tat dann eine gewisse Quantität Wachs dazu.
Dadurch bleiben die Farben schon bei geringem Wärmegrad des Wachses schmelzbar,
während Harz allein viel Hitze erfordern würde. . . Nach diesen Vorbereitungen wurden
die Farben auf einen Kohlenofen gestellt, damit sie flüssig bleiben, und man fährt
dann mit den Maleisen (die sich Böcklin hat machen lassen und die einen Glühkolben
und Handgriff haben) in die Farbentöpfe, holt die Farben heraus und trägt sie mit
dem heissen Eisen auf die Tafel auf. Mit den Eisen selbst kann man die Farben
verbreiten, verstreichen, Uebergänge herstellen etc., da es durch seine Wärme auch
die Nachbarfarben wieder schmilzt. Einen eisernen Spatel benutzte Böcklin als Ver-
treiber (in heissem Zustande) oder vielmehr als Verschmelzer. Man könne einen
Kopf von etwa 5″ noch sehr gut damit zur Erscheinung bringen , und die Farbe
hat etwas schönes, leuchtendes.» . . .

Ueber weitere Versuche Böcklins s. a. a. 0. p. 182 (Sappho auf grundierter
Leinwand gemalt v. 1859) u. p. 185; p. 201 (über gute Erhaltung der Wachsfarben);
p. 242 (Studienkopf eines Italieners).

Welche kolbenartige Instrumente im Neapeler Museum Böcklin als Vorbild
gedient haben, ist ungewiss. Schick erwähnt solche von Eisen und „eiserne Spateln».
Alle Eiseninstrumente aus Pompeji sind aber so vom Rost zerfressen, dass ihre Form
kaum noch zu erkennen ist. Böcklin kann wohl nur jene kleinen kolbenförmigen
Instrumente aus Bronze gemeint haben , die auch meiner Ansicht nach zu einem
solchen Zwecke dienlich sind. S. weiter unter „Malgeräte» Anhang II.

— 221 —

diese erzeugten zu intensive und zu schnelle Hitze, so dass ich zur einfachen
Holzkohle überging und dadurch eine gleichmüssigere Hitze erzielte. 85 ) Ist jene
Mischung auf dein Wärmapparat flüssig- geworden, so giesst man eine geringe
Menge davon in die einzelne Näpfe und schüttet pulverisierte Farbstoffe
nach Bedarf dazu. Einige Farben, wie Schwarz und Braun, erfordern etwas
mein- Harz, andere, wie Ocker und Weiss, mehr Wachs, andere wieder etwas
mehr Oelzusatz. Man erkennt dies bald, wenn die so bereiteten Farben nach
dem Erkalten nicht genügend fest geworden sind. 3,; )

Nehmen wir nun als Beispiel die Aufgabe, einen Kopf zu malen, so
bereiten wir uns aus rotem Ocker, gelbem Ocker und Weiss (Bleiweiss) 37 )
eine Fleischfarbe, durch Zumischung von reinem Weiss einen helleren Mittel-
ton, mit Schwarz und ein wenig Blau zu diesem Mittelton einen Uebergangs-
ton , mit Ocker oder Braunrot einen Schattenton , endlich wählen wir noch
reinen Zinnober zur roten Farbe, reinen Lichtocker zur gelben Farbe, reines
Schwarz zum tiefsten Ton und mischen vielleicht noch ein helleres Grau aus
Schwarz und Weiss zurecht. Mit diesen acht Farben werden wir für den
Anfang auskommen.

Auf ein ungrundiertes Malbrett zeichnen wir dann mit Kreide oder Rötel
(nach Befinden mit einer schwarzen Wasserfarbe) die Konturen des Kopfes,
beginnen mit dem Schattenton, indem wir mit dem löffeiförmigen Ende des
Cauterium die Farbe aus den Näpfchen herausholen und an die ihr zugedachte
Stelle bringen. Dazu gehört ein wenig Flinkheit, denn die heisse Wachs-
farbe erstarrt sehr rasch; da aber das Löffelchen schon durch das Um-
rühren der Farbe genügend heiss geworden ist, so kann man mit
der gewölbten Rückseite desselben die Farbe an dem richtigen
Platz ausbreiten.

Hernach reinigen wir das Löffelchen oder benutzen es gleich zum Auf-
nehmen des nächsten Mitteltons, den wir an die vorige Farbe so ansetzen,
dass wir durch Bearbeitung mit der Rückseite zugleich eine Verbindung der
Farbentöne herzustellen versuchen. Ebenso verfahren wir mit den helleren
Tönen des Fleisches und setzen zum Schluss mit der Löffelspitze noch die
höchsten Lichter auf die hellsten Partien von Stirn, Nase, Wangen, Kinn und
Hals. Eine allgemeine Anlage des Kopfes haben wir so erreicht; das Ge-
mälde wird aber noch sehr roh aussehen. Vor der weiteren Ausführung ver-
stärken wir noch die Tiefen, wo es nötig ist, setzen die Haarpartien mit
kräftiger Farbe hin und suchen auch eiuen entsprechenden Hintergrund auf
dem Brett auszubreiten, noch ehe die Haarpartien gemacht sind, damit diese

85 ) Vgl. oben S. 217 die Bemerkungen über das ,, Farbenkästchen» des Fundes
von St. Medard und m. Ansicht, dass dieses einen sehr praktisch konstruierten Appa-
rat für die enkaustische Malerei darstellt.

86 ) Diese und die folgenden Manipulationen hat man wohl in den Ausdrücken
wiederzuerkennen, die Pollux Onomast. VII, 128 für die Verrichtungen der Maler
der Reihe nach anführt und die doch gewisse Unterschiede der Bedeutung aufweisen
müssen. Danach wäre 1. xr^pöv Tr^aoftai, ^i;aa9-xt., yixad-ot.i = das Wachs erweichen und
dann (mit den anderen Ingredienzien) vermischen und zusammenschmelzen (Be-
reitung des Wachsbindemittels); — 2. xP^a-x ttepäoaaftai, au^saaS-ai, aoYX& aa * aL = die
Farbentöne durch Mischung (der Farbstoffe mit dem Bindemittel) zubereiten , dann
(verschiedene Farben zu neuen Tönen) untereinandermengen und verschmelzen; —
3. xP öoai > &7ttXP ffiaott i ärcoxpwaai = farbig machen d. h. die Farben auftragen (erste An-
lage und Untermalung), darauf übe: malen (Verstärkung der Schattierung u. a.) und
endlich fertig malen durch Stimmen und Vereinigen der Töne (diese drei Ausdrücke
wohl gleichbedeutend mit den folgenden XP äval > ^ixpävou, äuoxpävat, da nach Timaeus
lex. Piaton. p. 264 äTtoxpocivsiv = t& xP a)a ^ v ‘ ca ivorcoislv, das Gemalte einheitlich machen,
ist); – schliesslich 4. ävfreot, cpaiöpOvoc. = mit leuchtenden Farben einzelne lebhafte Töne
hinzufügen und Lichter aufsetzen.

37 ) Bleiweiss hat die Tendenz, bei längerer oder oftmaliger Erwärmung in
Mischung mit Wachs und Oel nachzugilben. Da wir nicht bestimmt wissen , was
die Alten unter „Melinum» verstanden haben, das Plinius unter den zur Enkaustik
verwendbaren Farben anführt (s. oben S. 186), so ist es schwer einen Ersatz für
dieses W T eiss zu nennen. Uebrigens kommt auch Bleiweiss (eerussa) in jener Liste
vor. Als gut geeignet habe ich Zinkweiss befunden.

— 222 —

in den Hintergrundton gleichsam hineinragen. Dann beginnen wir die feinere
Ueberarbeitung der Malerei, deren Farben inzwischen ganz hart geworden
sind. Um sie wieder zu erweichen , stecken wir das verdickte Ende des
zweiten Cauteriums eine Zeit lang in die glühende Kohle und fahren damit,
sobald es heiss geworden, rasch oder wied erholt über die Farbenfläche
hin ; bei einiger Uebung gelingt es bald , kleinere oder grössere Partien in
einen Zustand der Weichheit zu bringen, der es gestattet, die noch vor-
handenen Unebenheiten auszugleichen , die Töne zu verbinden und eine
harmonischere Modellierung zu erzielen. Um in dieser Arbeit nicht gehindert
zu sein, haben wir das zweite Cauterium gebraucht und lassen zu gleicher
Zeit das erste im Kohlenbecken wieder heiss werden. Es sind also immer
zwei Cauterien zugleich nötig. Wir gehen dabei von einer Partie zur andern,
von den Lichtern zum Schatten, und haben es in der Hand, durch schnelleres
Absetzen des heissen Instruments dort, wo zuviel Farbe aufgehäuft ist, Ab-
flachungen oder kleine Vertiefungen herzustellen, denen natürlich wieder Er-
höhungen entsprechen. Eine so bearbeitete Stelle wird zunächst etwa das
Aussehen eines Pockennarbigen haben. Hier war es nur unsere Absicht,
auf diese Weise die Farbe zu zerteilen, um nach dem Auskühlen die allzuweit
heraustretenden Erhöhungen, wenn nötig, einfach mit dem Messer ab-
zuschaben und beim abermaligen heissen Ueberarbeiten mit der Umgebung
in Einklang zu bringen. An anderen Stellen übergehen wir die Farbe mit
schnell und flach geführten Strichen, wobei die oben erwähnten Zick-
zacklinien entstehen, oder wir arbeiten verschieden, je nachdem das Cauterium
noch heiss oder schon im Erkalten ist, kurz wir schaffen uns dem
Material entsprechend nach Bedürfnis eine besondere Technik.
Cauterien von B e i (j em beschriebenen Verfahren wie bei allen meinen Versuchen habe

ich Cauterien in der durch den Fund von St. Medard überlieferten Löffelform
angewandt, und sie haben sich zum Aufnehmen der Farben, zum Auftragen
und weiteren Verarbeiten immer als zweckmässig und handlich bewährt, ganz
besonders darum, weil dasselbe Instrument mit seinen verschieden gebildeten
Enden zwei Zwecken zugleich zu dienen geeignet ist, und diese Zweiseitigkeit
scheint mir charakteristisch zu sein. Ob diese Form in der Tat auch die
alte Form ist, das ist eine andere Frage, die einstweilen niemand zu be-
antworten vermag. Die Form kann, wie gesagt, im Laufe der langen Zeit
sich geändert haben ; die Zeit, der die Instrumente von St. Medard angehören,
ist sicher um mehr als 500 Jahre von der Zeit des Pausias entfernt. Es ist
auch nicht undenkbar, dass je nach den Dimensionen der Malfläche und aus
sonstigen technischen Rücksichten verschiedene Formen gleichzeitig in Ge-
brauch gewesen seien, wie man ja auch verschiedene Pinsel hatte. Böcklin
hat kolbenförmige und spatelartige Cauterien gebraucht, da er sich einiger
ähnlicher Instrumente im Museum zu Neapel erinnerte, die ihm zu diesem
Zweck praktisch zu sein schienen — jedenfalls weniger sichere Anhaltspunkte
als die, welche der Fund von St. Medard bietet. Auch er hat zwei In-
strumente nötig gefunden und, da er bald die Erfahrung machte, dass mit
einem Glühkolben allein nicht auszukommen ist , noch zur eisernen Spatel ge-
griffen. Die Resultate seiner Versuche sind dieselben wie die der meinigen;
ebenso stimmt die Arbeitsmethode in allem Wesentlichen bei uns beiden
überein, und dadurch wird die praktische Ausführbarkeit des Verfahrens,
das durch die richtige Auslegung der litterarischen Zeugnisse sich ergeben
hat, über jeden Zweifel erhoben. Es wird demnach mit einem so hohen
Grade von Wahrscheinlichkeit, wie er überhaupt in solchen Fällen erreichbar
ist, behauptet werden dürfen, dass hierdurch die alte Cauterium-Technik, wenn
nicht in voller Identität , so doch ihren wesentlichen Voraussetzungen nach
wiederhergestellt sei.

Auch das hat sich dabei als begründet erwiesen, dass es eine tarda
picturae ratio war, zumal wenn man bedenkt, dass die umständlichen Vor-
bereitungen für die eigentliche Malarbeit, das Zurechtmachen des Bindemittels,
das Mischen , Anrühren und Zusammenschmelzen der Farbstoffe , kurz die

— 223 —

tadellose Herstellung der eerae, der Wachsfarben, so dass sie gebrauchsfähig
bereit standen, von den Künstlern selbst, wenn auch unter Beihilfe von
Schülern oder Dienern, besorgt worden ist, denn dass die Farbenhändler voll-
ständig zubereitete cerae geliefert hätten, wie die heutigen Farbenfabrikanteil
die verschiedenen Sorten von Farben, ist schwerlich anzunehmen.

Nur eines bleibt ungewiss und ist heute nicht mehr festzustellen, nämlich Harz- und Oei-
ob dem Bindemittel (Wachs) schon in der ältesten Zeit die obengenannten
Zusätze gegeben worden sind, die durch Erhöhung der Geschmeidigkeit die
Arbeit erleichtern und die Festigkeit des Farbenkörpers vergrössern. Wahr-
scheinlich ist es aber, dass schon frühzeitig Harzzusätze üblich waren, denn
die Vereinigung von Harz und Wachs war im Altertum bekannt, wie die
beim Schiffsanstrich gebrauchte Mischung von Pech und Wachs beweist,
Zopissa genannt, wenn sie, vom Meersalz angegriffen, zu medizinischen Zwecken
abgeschabt wurde. 38 ) Ebenso wahrscheinlich ist aber auch der Zusatz von
Oel, da die Lösbarkeit aller Harze in Oelen von Plinius (XIV, 123) aus-
drücklich hervorgehoben wird und die Anwendung von Oelen bei den En-
kausten in späterer Zeit nachgewiesen ist.

b. Cestr um -Technik.

Viel schwieriger, wenn nicht unmöglich, ist es, von der Cestrum-Technik
eine wohlbegründete Vorstellung zu gewinnen. Niemand kann mit Recht be-
haupten, ein Cestrum oder ein damit gemaltes Bild gesehen zu haben. Sicher
wissen wir nichts als den Namen des Instruments und dass der Malgrund
in Täfelchen von Elfenbein oder (in seltneren Fällen) von Hörn bestanden
hat; alles Weitere fällt in das schrankenlose Gebiet der Hypothese. Es ist
Pflicht der wissenschaftlichen Ehrlichkeit, diesen Tatbestand von vorneherein
festzustellen.

Der Name xloxpov oder xeoxpo^ weist, wie wir gesehen haben, auf den
Begriff des Spitzen hin, und wenn der Name, wie natürlich, das Charakter-
istische bezeichnet, so liegt es nahe zu schliessen, dass die Spitze des In-
struments den Gebrauch bestimmt haben müsse. So haben denn auch fast
alle Erklärer von je her an Zeichnungen gedacht, die mit einem grabstichel-
ähnlichen, scharf zugespitzten Stift auf Elfenbein eingraviert und deren Linien
dann mit farbigem Wachs ausgefüllt worden wären, nur dass beim Gravieren
die Einen den glühend gemachten Stift, die Anderen den kalten Stift angewandt
wissen wollten. A.ber gegen beide Auffassungen erheben sich Bedenken. Im
ersteren Falle müsste das ununterbrochene Glühenderhalten eines spitzen In-
struments kaum zu überwindende Schwierigkeiten geboten haben, ganz ab-
gesehen von dem widrigen Geruch, der, dem verbrennender Federn ähnlich,
die Arbeit begleitet hätte. In beiden besteht sehr wenig Verwandtschaft mit
dem, was sonst das Wesen der Enkaustik ausmacht; diese Zeichnungen mit
farbigen Konturen und Schraffierungen hätten koloristisch sich gar nicht ver-
gleichen lassen mit Gemälden im Stile des Pausias und erklären die hohen
Preise nicht, die der Malerin Jaia für ihre vielbegehrten Porträts in Rom ge-
zahlt worden sind.

Zuverlässigeren Aufschluss würden wir erhalten, wenn ein einziges, auch
noch so kleines, unversehrt erhaltenes Stück von echter Cestrum-Enkaustik
gefunden würde. Ist ein solches „Phänomen», wie Goethe es nennen würde,
vielleicht noch vorhanden und uns nur bis jetzt verborgen geblieben ? Be-
findet es sich etwa unter den Elfenbeingegenständen des Museums zu Bulak?
Denn nur in ägyptischen Grabstätten könnte sich eine so subtile Malerei,
wie die Enkaustik auf Elfenbein es gewesen sein muss, in voller Frische er-
halten haben.

Nach dem Katalog von Maspero (1883, p. 386 f.) befinden sich im
Museum zu Bulak Reste mehrerer Elfenbeinkästchen oder vielmehr

Spitze Form
des Cestrum.

Erhaltene
Cestrum-
Malereien?

38 ) Plin. XVI, 56: Zopissam vocari derasam navibus picem cum cera. Vgl.
Diosc. I, 98, wo auch der Name ärcöxu^a erwähnt wird.

— 224 –

mit Elfenbeinplatten belegter Holzkästchen, darunter ein viereckiges, wahr-
scheinlich den Deckel bildendes Stück (Nr. 5667; 0,22 hoch, 0,32 breit) mit
gravierten Zeichnungen, in denen die neun Musen mit ihren Attributen
unter Bogenstellungen zu erkennen sind. Die Umrisse und die den Schatten
bildenden Striche sind mit einem rötlichen Firnis ausgefüllt, dessen
dunkler Ton sich vom Elfenbein abhebt. Auf einem anderen Stück (Nr. 5701,
0,10 hoch, 0,08 breit) ist in gleicher Technik ein Winzer dargestellt, auf
anderen sich streitende Vögel, grosse Körbe tragende Amoretten. Hier sind
die Konturen mit rotem, schwarzem, grünem und weissem (verblasstes Blau?)
Firnis ausgefüllt. 39 )

Aehnliche Darstellungen auf Elfenbein sind auch sonst bekannt. Cartier
(Revue archöolog. 2e annee I pl. XXXII) hat die Reste eines mit Figuren und
Vögeln geschmückten Elfenbeinkästchens in Abbildung veröffentlicht; daher
stammt die Figur bei Cros und Henry, L’Encaustique et les autres proc^des
de peinture chez les anciens (Paris 1884) S. 45. Henry macht S. 43 noch
mehrere ähnliche alte Denkmäler namhaft, die in der vatikanischen Bibliothek,
im British Museum und im Privatbesitz sich befinden.

In der Sammlung des Konservatoren-Palastes auf dem Kapitol zu
Rom (Sala dei piccoli bronzi, Wandschrank links vom Eingang) bemerkte ich
ebenfalls derartig gravierte Elfenbeindeckel, Reste eines grösseren Kästchens,
dessen Längswand 0,70 lang und 0,17 hoch ist. In den vier Feldern sind
geflügelte Genien dargestellt; die Erhaltung ist schlecht, und Farbenspuren
kaum bemerkbar. Zu demselben Kästchen gehören noch vier grössere Flächen
(0,23 : 0,27, Grösse des Mittelfeldes 0,12 : 0,09), auf denen sich bildliche
Darstellungen befinden u. zw.: 1. ein geflügelter Genius, ein Buch tragend;
2. ein solcher mit einem Becken ; 3. eine Gruppe von zwei Genien, der eine mit
einem Blumenkorb, der zweite mit einem Vogel; 4. ein Genius mit Früchten. Im
Randornament sind Farbenieste zu bemerken, u. zw. von blassem Purpur-
rot und Grün (Grünspan). Durch die Lupe betrachtet machten die Linien
mir den Eindruck von Schnittspuren.
Vermutungen Sollten wir in diesen Beispielen die gesuchten Denkmäler erkennen

iinpr diö

Technik. dürfen? Dann würde sich diese Technik tatsächlich als eine Art von Gra-

89 ) Vgl. Katalog des Museums von Bulak von Maspero p. 386—387. „Salle
greco-romaine. Les debris d’un ooffret en ivoire, plaque* sur bois et decore de
dessins graves ä la pointe, viennent de Saqqarah. Les Nr. 5664 (H. m 085; long.
0m44) et 5665 (H. Um 085; long. 0m 35) sont des fragments de la bordure qui encadrait
les panneaux Nr. 5666 (H. 0ml6; larg. du haut 0m35) et 5668 (H. 0m30; larg. du
haut 0m35; larg. du bas 0m27); le panneau carre Nr. 5667 (H. 0m22; larg. 0m32).
etait sans doute sur la partie platt- du couvercle. Les traits qui cernent les figures
et ceux qui forment les ombres sont remplis d’un vernis rougeätre, dont la teinte
sombre ressort sur le lood de l’ivoire. Les figures placees sous les arceaux re-
presentent, autant que je puis juger, huit des muses, chacune avec ses attributs
Le dessin est d’assez bou style et l’execution tres soignee, malheureusement les
plaques d’ivoire sont tordues et brisees en partie.»

p. 390: „Les panneaux de bois plaques d’ivoire, qui vont du Nr. 5693 au Nr. 5708,
proviennent de plusieurs cuffrets aujourd’hui detruits. Les uns (Nr. 5693 — 5698 et
5703 — 5708) sont analogues aux plaques Nr. 5682—5687 [Basreliefs?]: ils representent
des danseuses qui frappent du tambourin, des femmes nues assises dans divers
positions, un jeune homme nu apportant un objet aujourd’bui perdu. Les autres (Nr.
5699—5702) sont graves par le meme procedequi est employe sur les panneaux
Nr. 5666-56 ,; 8, mais avec inoitis de finesse et de precision dans le dessin. C’est sur
le Nr. 5701 (H. 0m 10; larg. 0m08) un vendangeur dansant, sur les deux autres
des oiseaux se battant et des amours charges de gros paniers; les vernis
sont rouges, noirs, verts et blancs.»

Eine auf Elfenbein gravierte Darstellung eines Winzers, wobl des oben er-
wähnten, ist abgebildet bei Prisse d’Avennes p. 839

Hier wären noch die reizvollen, in edlem Stil gehaltenen Figurenbilder auf
Elfenbein anzureihen, die sich im Museum zu Petersburg befinden. Einer Mitteilung
des Herrn Prof. Dr. Furtwängler zufolge, sind auch hier in den vertieften Linien
Farbenreste zu erkennen. Diese Kertsoher Funde stammen aus dem V. .Jh. v. Chr.
(abgebildet in Salomon Rein ach, Antiquites du Bosphore Cimmerien, Paris 1892,
PI. 79 et 80).

— 225 —

.vieren mit dem Grabstichel darstellen, wie es unsere Graveure oder
Kupferstecher auf Metall auszuüben pflegen. Aber wir hätten wieder zu
fragen , was denn eigentlich die Enkaustik, also das Malen mit Wachsfarben
und die Erhitzung , damit zu schaffen hatte. Nur wenn wir uns die Ver-
tiefungen mit einem scharf geschliffenen Eisen auf kaltem Wege hergestellt
(nachdem vielleicht das Elfenbein durch geeignete Prozeduren erweicht worden
war), in die so entstandenen Vertiefungen farbiges Wachs eingetragen und
mit dem erhitzten anderen Endo des Oestrums eingeschmolzen denken,
ist den Forderungen, die an den Begriff einer enkaustischen Technik gestellt
werden müssen, einigermassen Genüge getan.

Viel verlockendes hat es , die Cestrum-Enkaustik auf die Verwendung
gefärbter Wachsschichten beim Schreiben mit dem stilus zurückzuführen.
Dazu dienten bekanntlich mit Wachs überzogene hölzerne oder elfenbeinerne
Täfelchen, auf denen man mit einem Griffel, der an dem einen Ende zugespitzt,
an dem anderen zum Ebnen des Wachses breitgeformt war, die Buchstaben
in das Wachs eingrub. Bei Briefen und Konzepten, die ins Reine zu schreiben
waren , konnte man einzelne Stellen durch Ebnen des Wachses wieder ver-
bessern, indem man mit dem breiten Ende des Griffels das fehlerhafte glatt
drückte ; daher der Ausdruck stilum vertere für verbessern. Die Stelle des
stilus hätte bei der Malerei auf Elfenbein das spitze Cestrum zu vertreten,
und wir könnten uns das Eingravieren der Konturen vielleicht auf folgende
Art vorstellen:

Man überzog die Elfenbeinplatte mit einer gefärbten Wachsschicht, machte
darauf mit dem Cestrum die einzugravierenden Umrisse oder Zeichnungen,
welche erst dann, wenn sie vollkommen korrekt auf die Wachsschicht
aufgetragen waren, mit der scharfen Spitze des Instrumentes vertieft wurden,
mit anderen Worten : man machte auf der Wachsschicht eine vorbereitende
Zeichnung , die man vor dem eigentlichen Eingravieren leicht korrigieren
konnte. Nach Hinwegnahme des Wachsüberzuges zeigten sich die Linien
der Zeichnung , und man füllte ihre Tiefen durch Auftragen von vorschieden
gefärbtem Wachs in heissem Zustande aus. Wurde dann das Ueberflüssige
einfach entfernt, so blieben die Striche farbig auf hellem Elfenbeingrund sichtbar.
Das blanke Elfenbein muss als Lichtton unter allen Umständen stehen ge-
lassen und seine sonstige Färbung nie anders als mit einem dünnen Lasurton
ausgeführt worden sein. Denn es wäre durchaus widersinnig und gegen
jedes Gefühl für richtige Ausnutzung des kostbaren Materials, wenn man
Elfenbein mit dicken Wachsschichten vollständig überzogen und verdeckt
hätte. Wozu dann überhaupt Elfenbein ? Weniger kostbare Unterlagen würden
ebenso genügt haben.

Den Zweck , die Linien und Striche im Elfenbein zu fixieren , hat man
möglicher Weise auch durch ein anderes Verfahren erreicht, indem man etwa
das Plättchen in eine Flüssigkeit tauchte, die Wachs nicht angriff, dagegen
die von diesem entblössten Stellen des Elfenbeins, also die Zeichnung selbst,
erweichte. Dann konnte diese noch leichter mit der Spitze des Cestrums
nachgezogen und nach Entfernung des Wachses in der obigen Weise gefärbt
werden. Oder man färbte die Wachsschicht selbst, so dass das Wachs beim
Wegwischen sich in die Vertiefungen legen konnte. Sollten die Linien z. B.
rot sein, so mochte man eine rote Wachsschicht heiss auf die Elfenbeinplatte
auftragen, bei schwarzen Linien eine schwarze u. s. f.

Diese Ausführungen haben, wie hier abermals betont sei, nur hypothetischen
Charakter und sind bei dem Fehlen sicherer Unterlagen nicht beweisbar,
aber sie haben den Vorzug, aus der Natur des Materials gefolgert zu sein.

Uebrigens wird diese Elfenbein-Enkaustik in der Malerei der Alten
schwerlich eine grosse Rolle gespielt haben. Mit der Cauterium-Technik hat
sie an künstlerischer Bedeutung sich jedenfalls nicht messen können. Schon
das Miniaturformat wies ihr einen untergeordneten Rang an , und die grosse
Geduld, welche die Technik an sich, die peinliche Sorgfalt, welche die
zierliche Ausführung erforderte, haben, wie es scheint, keine Anziehungs-

15

— 226 —

kraft gehabt für talentvolle Künstler , die sich einen Kamen machen wollten.
Wie auch der Name des Instruments an das Sticken erinnert, war es wohl
recht eigentliche Damenarbeit , und in der Tat sehen wir unter allen antiken
Künstlernamen nur einen einzigen in Verbindung mit der Cestrum-Technik,
den der Malerin Jaia aus Kyzikos.

Man könnte Plinius vorwerfen, dass er in seiner Definition der enkausti-
schen Technik ihre drei Arten, wie auf gleicher Stufe stehend, einfach neben
einander gestellt und es unterlassen hat, den Unterschied der künstlerischen
Wichtigkeit auch nur anzudeuten. Aber wir haben darin einen neuen Beweis,
dass es ihm dort nur darauf ankam, die drei Instrumente zu nennen, durch
die sie sich charakterisieren. Und so äusserlich seine Unterscheidung ist,
der unbefangene Leser hat den Eindruck, dass er alle drei Arten zur Kunst-
malerei gerechnet haben muss , auch die dritte Art , die enkaustische Pinsel-
technik, zu der wir jetzt übergehen.

c) Pinsel-Technik.

hifn^m’iwier -Als dritte Art der Technik kam in der enkaustischen Malerei der Ge-

Schiffsmaierei. brauch des Pinsels hinzu, als „man anfing, die Schiffe zu bemalen»; bis da-
hin hatte es nur die beiden alten Arten gegeben. Dies ist der Sinn der
Worte des Plinius. Indem er nicht tingui, sondern pingi sagt und den Be-
ginn der Schiffsmalerei später ansetzt als die Erfindung der älteren Enkaustik,
bekundet er so deutlich wie möglich , dass er nicht den uralten handwerks-
mässigen Schiffsanstrich gemeint hat, der nur darauf berechnet war, die Schiffs-
wände vor den zerstörenden Einwirkungen des Meerwassers zu schützen.
Dieser bestand in einer Grundierung mit Pech und Teer und darauffolgendem
Ueberstreichen mit einer [xaXD-a genannten flüssigen Wachsmischung, die mit
dem Pinsel aufgetragen wurde (s. Blümner IV S. 454). Es wurden auch
Farben beigemischt; bei Homer erscheinen ausser den bekannten schwarzen
auch „rotwangige» (mit Mennigrot angestrichene) Schiffe. Die Hinzufügung
von Ornamenten und Figuren als Abzeichen wie als Schmuck war ein nahe-
liegender Fortschritt, und auch dieser ist älter, als es nach Plinius’ Worten
scheinen könnte. Eine am Bord sich langhinstreckende Schlange wird schon
vom Dichter Hipponax (um 550 v. Chr.), also fast 100 Jahre vor Polygnotos,
600 Jahre vor Plinius erwähnt; Augen als Schmuck vorn am Bug, ein Delphin
über dem Kiel sind auf Vasenbildern und Reliefs erhalten. Sogar ihren
Namen haben die Maler manchmal beigeschrieben 40 ) und Protogenes, der
ebenbürtige Rivale des Apelles, der bis zu seinem 50. Lebensjahre mit dem
Bemalen von Schiffen sich sein Brot verdiente , ist sicher nicht als blosser
Anstreicher, sondern als Dekorationsmaler im vollen Sinne des Wortes tätig
gewesen. Er ist dabei zum Bewusstsein seines hervorragenden Talentes ge-
kommen und zur hohen Kunst übergegangen, in der er dann als Tempera-
maler es den Grössten gleichtat, ähnlich wie in neuerer Zeit berühmte Künstler
zuerst Stubenmaler gewesen sind. Ein anderer, der ebenfalls von der Schiffs-
malerei herkam, der Macedonier Herakleides, ist seiner altgewohnten Technik
treu geblieben und hat sich in Athen (nach 168 v. Chr.) unter den namhaften
Vertretern der Enkaustik einen Platz erworben.

Ursprünglich beschränkte sich die Bemalung auf Kriegsschiffe ; später,
als das Luxusbedürfnis grösser geworden war , ging sie auch auf Lastschiffe
und Lustfahrzeuge über , und die überaus kostbaren Malereien , von denen
die Beschreibungen gewisser Frachtschiffe 41 ) sprechen, begünstigen die An-

*°) Vgl. Blümner IV p. 454, wo die bezüglichen Quellen angeführt sind
(Athenaeus V, 204 ff.; Seneea, epist. 76, 13: Val. Fl. I. 130 u. a.).

41 ) Kallixenos bei Athenaeus V, 37 — 39 beschreitet zwei solche Frachtschiffe des
Königs Ptolemaeos Philopator (um 220 v. Chr.) und Moschion ebd. 40—44 ein noch
grösseres und kostbareres des Königs Hieron, der um dieselbe Zeit in Syrakus regierte.
Alle drei waren schwimmende Paläste . mit allem erdenklichen Komfort auf das
luxuriöseste ausgestattet. Von dem ersten hoisst es, dass es am Vorder- und am

— 2-21 —

nähme, dass dieser Zweig der Dekorationsmalerei der sog. Kunstmalerei sehr
nahe stand, wie denn überhaupt Kunst und Handwerk im Altertum nicht durch
eine weite Kluft geschieden waren und technisch die eine von der anderen
Vorteil gezogen haben wird. Es würde auch eine unglaubliche Ver-
blendung gewesen sein und bei dem engen Zusammenhang der Kunsttätigkeiten
aller sonstigen Erfahrung widersprechen , hätten die Enkausten sich nicht
die technischen Vorzüge der fortgeschrittenen SchifTsmalerei zu Nutze machen
wollen, die der Hauptsache nach mit denselben Materialien zu arbeiten hatte.

Dass es gerade die Schiffsmalor gewesen sind, die zuerst den Gebrauch Ei « fl « sa auf
des Pinsels in die Wachsfarbenmalerei einführten, ist sehr natürlich. Den
Antrieb dazu mussten sie von der Schwierigkeit empfangen, die umständlichen,
viel Aufmerksamkeit, Mühe und Zeit erfordernden Manipulationen mit den
Cauterien an den in der Werft aufrecht stehenden Schiffswänden vorzunehmen ;
vielleicht war es überhaupt nicht möglich , auf diese Weise die Wachsfarben
so, wie es nötig war, aufzutragen, und andere als Wachsfarben konnten es
nicht sein , wenn sie gegen Seewasser und Stürme widerstandsfähig bleiben
sollten. Und andererseits kam ihnen die lange Erfahrung beim Hantieren
mit Wachs, Harz und verwandten Stoffen bei den Versuchen zu statten, die
Wachsfarben für einige Zeit so flüssig zu erhalten , dass sie mit dem Pinsel
sich verstreichen liessen. Sobald dies gelungen war, erfuhr die Technik eine
willkommene Vereinfachung ; es liessen sich nicht bloss leichter und bequemer
künstlerische Wirkungen erreichen, sondern auch grössere Flächen schneller
mit Farbe bedecken, was bei den Schiffsdekorationen besonders wichtig war,
die ohne feinere Ausführung der Details in die Ferne wirken sollten. Diese
augenfällige Ueberlegenheit musste die Enkausten zur Nachahmung der
Neuerung reizen, die das Feld ihrer Betätigung erweiterte, und dass sie damit
nicht lange gezögert haben, beweist die früher (S. 56) erwähnte Tatsache,
dass schon Pausias und Nikias auch „grandes tabulas» in enkaustischer Art
gemalt haben. Hiernach muss die Annahme des Pinselgebrauchs, also das
Anfkommen der dritten Art der enkaustischen Technik, noch der klassischen,
nicht erst der hellenistischen Zeit angehören.

Ob das koloristische Aussehen solcher nur mit dem Pinsel aus heiss-
fiüssigen Wachsfarben hergestellter Bilder ganz dasselbe gewesen ist wie bei
den Werken der alten Cauteriumenkaustik, können wir nicbt mehr wissen.
Den gewöhnlichen Temperagemälden waren sie an Kraft der Farbe und
plastischer Herausarbeitung der Formen jedenfalls weit überlegen ; es genügt
dafür an die Beschreibung zu erinnern , die Plinius von dem berühmten
„Stieropfer» des Pausias gegeben hat. Man darf demnach sagen: seit der
Einführung jener dritten Art ist die künstlerische Enkaustik bei fortschreitender
Verbesserung des Verfahrens immer mehr befähigt worden , eine Dienerin
der Kunst hohen Stiles zu sein. 42 )

Es bleibt noch die Frage zu beantworten, welche Ingredienzien die

Alten angewandt haben, um die Wachsfarben hinreichend lange in dem heiss-

flüssigen Zustande zu erhalten.

Plinius selbst lässt uns hier mit dem nackten resolutis igni ceris völlig Mischungen

° von w aona

im Stich. Die bekannte Stelle über die Ganosis, die als analog herangezogen mit Oel.

werden kann (XXXIII, 122 cera punica cum oleo liquefacta candens saetis in-

ducatur) , erwähnt wenigstens das Oel. In der zopissa genannten Mischung

erscheint pix (Pech oder Teer) zusammen mit Oel, und Beigaben von Harz

Hinterteil Figuren (£und „Wachsgemälde» und daneben die noch einfachere „Tafelbild» (5XoypoKp£a)
vorherrschend ist. Aus der Anwendung dieser verschiedenen Bezeichnungen
auf dieselben Malereien kann geschlossen werden, dass auch wo das Wachs
nicht im Namen enthalten ist , doch immer Wachsfarbenmalereien gemeint
sind. Es haben sich auch noch Wachsgemälde aus dem 8. Jht. erhalten,
und ihrem Aussehen nach unterscheiden sie sich wenig von den Mumienbildnissen
von El-Fayüm. In der Publikation von Str ygo wsky 50 ) sind einige nach
den Gemälden im Besitze der geistlichen Akademie zu Kiew abgebildet ; eine
Nachbildung in enkaustischer Technik ist in Nr. 20 m. Versuche gegeben
(s. m. Beitr. III p. 20).

Die Wachsmalerei scheint sogar noch länger neben der aus der
Enkaustik hervorgegangenen Oel- Harzmalerei in Gebrauch ge-
blieben zu sein, denn eine Notiz des Lucca-Ms. aus dem 8. Jht. beweist,
dass sowohl zur Malerei auf Mauern als auch auf Holz das Wachs
Verwendung gefunden hat. 51 ) Es wird dort nur „daran erinnert», welche
Operationen nötig sind, um auf Wänden und Holz mit Wachsfarben (cerae
commixtis coloribus) zu malen, ohne dass die Art der Wachstechnik näher
charakterisiert wird. Aus einigen Rezepten des Lucca-Ms. ist aber klar er-
sichtlich, dass der Uebergang von der Enkaustik zur Harz-Oeltechnik der
Byzantiner schon vollständig vollzogen gewesen sein muss, denn diese Re-
zepte (De lucida ad lucidas; De confectione lucidae, m. Beitr. III p. 15)
zeigen die Oel-Harzfarben in ganz richtiger Art der Anwendung; es kann
demnach kaum zweifelhaft sein, dass unter der Wachsmalerei des Lucca-Ms.
die Wachstempera gemeint sein muss, deren Spuren wir sogar im Mal buche
vom Berge Athos und noch später verfolgen können.

In diesem Malbuche, der Hermeneia des Dionysios, sind die Malweisen
des im 11. Jht. tätigen und das Haupt der ganzen Schule bildenden Malers
Panselinos aufgezeichnet ; hier finden wir ein Rezept (§ 37. Wie man Glanz-
farbe machen muss), wonach Wachs, mit Lauge und Leim zusammenge-
kocht, als Farbenbindemittel dienen soll. 52 ) Diese Mischung hat infolge des

60 ) Strygowsky, das Etschmiadzin-Evangeliar, Wien 1891, II. Anhang.

51 ) S. Muratori, Antiquitates Italicae med. aevi T. II Dissertatio XXIV p. 377 D:
„Ita memoriainus omnium operationes, quae in parietibus simplice ligno, caerae
commixtis coloribus, in pellibus ictiocollon commixtum.» Vgl. m. Beitr. III
p. 18 und die Variante dieser Stelle in Mapp. clavic. daselbst.

52 ) Vgl. Handbuch d. Malerei vom Berge Athos, deutsch von Godeh. Schäfer,
Trier 1855 p. 74.

„§ 37. Wie man Glanzfarbe machen muss. — Nimm Leim, Lauge und Wachs,
alles in gleichem Verhältnis, setze dann alle drei aufs Feuer, um es schmelzen zu

Spätesto

enkaustischo

Gemälde.

Wachsmaleroi
im 8. Jht.

Wachsterapera
derByzantiner.

— 238 —

Wachsgehalts die Eigentümlichkeit, dass sie durch Glätten glänzend wird.
Ein anderer Paragraph desselben Buches lehrt, wie man mit dieser Glanz-
farbe „moskowitisch» arbeitet.

Mit „griechischen» Künstlern (greci des Vasari) kam diese Art nach
Italien, und noch bis vor Giotto scheint Wachs das bevorzugte Bindemittel
für Farben gewesen zu sein; denn nach den chemischen Untersuchungen, die
Dr. Jos. Bianchi an frühitalienischen Gemälden der Zeit von 1230 — 1360 an-
gestellt hat, ist zu schliessen , dass das dabei nachgewiesene Wachs von
nichts anderem herrühren kann , als von dem in der Hermeneia näher be-
zeichneten Wachsbindemittel, das als Ausläufer des punischen Wachses
zu betrachten ist. 53 )
Fortdauer bis D as verseifte Wachs in Verbindung mit anderen Ingredienzien hat sich

zum XV. Jht. . . ° , , • . , . ,

aber noch viel langer erhalten und weiter verbreitet. Wohl mit „griechischen»
Künstlern, welche zur Zeit Karls des Grossen und später die zivilisierte Welt
mit den Leistungen byzantinischer Malerei bekannt gemacht haben, ist diese
Wachsmalerei nach dem Norden und bis nach Frankreich gelangt. Der
Miniaturist Jehan le Begue hat das Rezept auf seinen Reisen von einem
Fachgenossen erhalten und gewissenhaft in seiner um 1431 geschriebenen
Sammlung von Anweisungen aufgezeichnet, welche Merrifield in Treatises on
the art of painting, London 1849 abgedruckt hat. 54 ) Schon die Bezeichnung
„yaue conosite» ergibt, dass es sich um ein altbekanntes und bewährtes An-
reibemittel handeln mag. Der Kalk und die Asche, welche eingangs er-
wähnt sind, geben Aetzlauge, durch welche das Wachs verseift wird; dazu
kommt der Fischleim (entsprechend dem Leime des Glanzfarbenrezeptes der
Hermeneia) und endlich eine dem Fischleim gleiche Quantität von Mastix-
harz, das ebenfalls mitverseift wird. Versuche mit einer derartigen Mischung
ergaben das beste Resultat, sowohl auf Mauer als auch auf Pergament- und
Kreidegrund.

Mit diesem Rezepte verlieren wir , soweit sich dies bis jetzt übersehen
lässt, die letzten Spuren der Wachsmalerei des Altertums.

hissen. Setze die Farbe hinzu, zerrühre alles gehörig und überfahre, was du
willst, mit dem Pinsel. Lasse es trocknen und dann poliere es. Wenn du willst,
lege auch Gold auf, und es wird glänzend und schön sein; willst du es nun weg-
nehmen (d. h. bist du fertig), so firnisse nicht.

53 | Vgl. Pisa illustrata: Morona, Maniere di dipingere nei tre secoli dopo il
mille. T. II p. 158—167. S. m. Beitr. III p. 96 Note, welche einen Auszug dieser
wichtigen chemischen Analyse enthält.

B *) (Merrifield, Treatises on the art of painting, London 1849 p. 307.) Ms. des
Jehan le Begue Nr. 325. Se vous voulez laire yaue conosite a destremper toutes
couleurs. — Prenez une livre de chaux et douze de Flandres (Merrif. liest Cendres)
puis prenez eaue boulant et metez tout ensamble et les faictes assez boulir, puis le
laissiez bien reposer, puis le coulez bien parmy un drapel et de celle yaue prenez
livres quatre et la faictes bien ardoir, puis prenez cire blanche environ II onces et la
mettez boulir avec lyaue, puis prenez cole de poisson environ j once et ‘/ 2 , et la
mettez en eaue et li laissiez tant quelle soit bien emollie et si comme fondue puis
la maniez tant que eile soit comme paste puis la mettez en lyaue avec la cire et la
faites ensamble boulir, et mettez mastic dedens environ once et demie et faictes
boulir ensamble, puiz prenez de ceste eaue et mettez sur un coustel ou sur fer pour
savoir sil est bien cuit et sil est comme glue il est bien. Puis adonc coulez celle
yaue cbaude ou tiede parmi ung drap linge, et laissiez reposer et la covrez bien et
de celle eaue povez destremper toutes manieres de couleurs. (Willst Du ein zum
Anmachen aller Farben bewährtes Wasser herstellen , so nimm 1 Pfund Kalk und
12 Pfund Asche, dazu kochendes Wasser, schütte alles zusammen und lasse es tüchtig
sieden, dann sich gehörig setzen und seihe es durch ein Tuch. Von diesem Wasser
nimm 4 Pfund; setze es an ein gutes Feuer, nimm dann weisses Wachs, ungefähr
2 Unzen (12 Unzen = 1 Pfund), und setze es mit dem Wasser zum Sieden. Ferner
nimm ungefähr D/a Unzen Fischleim, lege ihn ins Wasser, bis er gut erweicht und wie
aufgelöst ist, knete ihn, bis er wie ein Teig wird, tue ihn in das Wasser mit dem
Wachs und lasse sie zusammen kochen. Setze auch ungefähr Vz Unzen Mastix
dazu und koche es gleichfalls damit zusammen. Danach nimmst Du ein wenig von
diesem Wasser auf ein Messer oder Eisen, um zu sehen, ob es gut gekocht ist. Ist
es wie Leim, so ist es gut. Alsdann seihe selbiges Wasser heiss oder lauwarm durcb
ein Tuch und lasse es stehen. Decke es gut zu, und mit diesem Wasser kannst Du
alle Arten von Farben anmachen.)

— 239

III. Polychromie der Statuen.

(Malerei auf Marmor, Ton u. a.)

Auf die Vollendung der Bildhauerarbeit folgten bei Marmorbildwerken das
Färben und das Ueberziehen mit Wachs. Das erstere (die Polychromie)
erforderte künstlerischen Geschmack und malerische Fertigkeit und wurde
deshalb von dem Bildhauer selbst oder von einem befreundeten Maler aus-
geführt, der auf die künstlerische Intention des Urhebers einzugehen wusste.
So pflegte Praxiteles sich der Hilfe des Nikias zu bedienen. Das Ueberziehen
mit Wachs (die Ganosis) war eine mehr handwerksmässige Tätigkeit, die
vermutlich in der Regel einem Gehilfen überlassen wurde.

Die Ganosis war das S. 101 nach Vitruv und Plinius beschriebene Ganosis.
Verfahren, das bezweckte, die Marmoroberfläche durch einen dünnen Wachs-
überzug gegen die schädlichen Einflüsse der Witterung zu schützen und ihr
gleichzeitig einen schimmernden Glanz zu verleihen. Es bestand, wie er-
wähnt, darin, auf die Oberfläche mit dem Pinsel einen Ueberzug von heissem,
mit etwas Oel verkochten punischen Wachs zu streichen, der dann abermals
erhitzt und mit Wachskerzen und leinenen Tüchern abgerieben und glänzend
gemacht wurde. Vitruv hebt mit dem Worte curantur das Abreiben, Plinius
mit nitescunt das Glänzendmachen hervor.

Nach Vitruv’s Ausdruck „wie die nackten Statuen behandelt werden
(uti signa nuda curantur)», scheint es, dass die Marmorskulpturen nicht
immer jene doppelte Behandlung des Färbens und des Einwachsens erfahren
haben , sondern dass die unbekleideten Teile des Bildv/erks unbemalt gelassen
und nur der Ganosis unterzogen wurden. Dann wären der durch die
Wachsbeize erzeugte wärmere Ton des Marmors und der Glanz der Ober-
fläche als genügend angesehen und hauptsächlich nur der schützende Ueber-
zug beabsichtigt worden. In der Regel aber war Färben und Einwachsen
verbunden, oder das eine folgte auf das andere. So hatten z. B. die römischen
Censoren die Amtspflicht, den Zinnoberanstrich der Jupiterstatue auf dem
Kapitol von Zeit zu Zeit erneuern zu lassen. Plutarch (quaest. Rom. 98
p. 287 D) erwähnt nur die Ganosis , weil der Zinnober schnell verbleiche,
Plinius XXXIII, 112 nur den Anstrich, der von den Censoren verdungen
werden musste; aber da der Zinnober zu seiner Haltbarkeit die nachträgliche
Ganosis erforderte, so kann kein Zweifel sein, dass beides vereinigt gewesen ‘)
und wie auf Wänden, so auch auf Marmorstatuen angebracht worden ist.

‘) Vereinigt, aber auf verschiedene Arbeiter verteilt, erscheinen die beiden
Tätigkeiten in der Bildhauerwerkstatt auch bei Plutarch de glor. Atheu. b’ p. 348 F, wo
er als dyaA|j.äxci)v eyxauaxai xai xp’ jawxa ^ *ai ß roten Ocker werden in der Hitze fast schwarz. Um es heller zu bekommen,
fügten die alten Maler Kalk oder Gips hinzu („Invenio et calce adulterari»,
sagt PI. XXXIII, 121), wie es sich auch hier vorfand.

Nr. 160 ist ein reiner Ocker ohne merkliche Spuren von Verunreinigung;
das Pulver ist äusserst fein, die rote Nuance ein wenig ins gelbliche gehend.
Möglicherweise ist diese Farbe eine der drei Species von Sinopis, von welchen
Plinius (XXXV, 31) sagt: ,,species Sinopidis tres, rubra et minus rubens at-
que inter has media».

Nr. 166 ist ein Ocker mit Spuren von Kalk, hat eine schöne rotbraune
Farbe, wie Nr. 158, ist aber weniger fein als dieser.

Nr. 167. Ein Ocker, der schwefelsauren Kalk (Gips) enthält. Palmeri
hält die Masse für eine künstliche Mischung von Ocker und Gips , da auch
merkliche Mengen von Eisensulfat darin vorhanden waren, welche durch die
nötigen Waschungen entfernt worden wären , falls die Farbe sich natürlich
vorgefunden und nicht die Folge des langen Zusammenseins des Ockers mit
dem Gipse gewesen sein würde.

Nr. 179 ist eine Mischung von Fragmenten verschiedener Natur: es
sind in der Hauptsache Lapilli, kleine Stücke gebrannter Erde und Bleioxyde,
doch Hess sich nichts Bestimmtes ermitteln. Abgesehen von der letzteren
sind die zehn Farben : Ochra, Rubrica, Minium secundarium, Sinopis, Aerugo,
Viride Appianum.

17

— 258 —

2. Organische Farben.

Nr. 185. Rosafarbige Substanz.

Die Farbe enthält einen mineralischen Teil, der ein weisser, wenig
eisenhaltiger Ton und durch etwas Kalk und Schwefelsäure verunreinigt ist,
und eine organische Substanz, von der die rote Färbung herrührt und die
stickstoffhaltig ist; sie ist auf Ton niedergeschlagen und bildet einen reinen
Lack. Versuche mit Cochenille (coccus lacca) und Krapp haben von dieser
Substanz teils übereinstimmende, teils verschiedene Reaktionen gezeigt, so
dass Palmeri es für möglich hält, sie könnte Purpur aus der Purpurschnecke
sein oder eine Mischfarbe von allen dreien. Vergleichende Versuche mit dem
Farbstoff der Purpurschnecke wurden von Palmeri in Aussicht gestellt , es
ist mir aber nicht bekannt, ob er sein Vorhaben ausgeführt hat. —
Purpur. Der als Purpur bezeichnete Farbstoff der Alten (vgl. Blümner, I 230 ff.,

wo auch die neuere Litteratur darüber zu finden) gehört zu den interessantesten,
nicht allein deshalb , weil er von den Alten so sehr geschätzt worden ist.
Der chemische Prozess , wie aus dem farblosen oder gelblichen Saft der
Schnecke durch die Manipulation des Färbers oder durch das Sonnenlicht der
eigentliche Farbstoff entsteht, ist noch nicht genügend aufgeklärt. Die Alten
unterschieden den Purpur der Purpurschnecke, welche Purpura oder Pelagia,
und einer zweiten, die Bucinum oder Murex genannt wurde. Plinius unter-
scheidet beide Arten genau, doch wurden sie bei der Anwendung gemischt;
man mischte beim Färben der Zeuge, machte Zusätze oder färbte mehrere
male, so dass zuletzt 13 verschiedene Purpurfarben unterschieden wurden.
Lacaze-Duthiers 1 ) erzählt, dass er 1858 in Port-Mahon seinen Fischer
Alonzo beobachtete, der zum Zeitvertreib Figuren auf sein Hemd zeichnete, in-
dem er Holzstäbchen in den Saft einer Schnecke tauchte , die von den Ein-
geborenen Oorn de fei, von den Zoologen Blutmund, Purpura haemostoma, ge-
nannt wird. Lacaze-Duthiers bemerkte ihm , dass man das blasse Gelb
schwerlich werde erkennen können, worauf Alonzo erwiderte: Es wird sich
schon färben, wenn die Sonne darauf scheint. Nach wenigen Minuten waren
die Zeichnungen violett, aber zugleich entwickelte sich ein unerträglich ekel-
hafter Geruch. 5 )

Von Purpurschnecken (Abb. 53), die als Träger des Farbstoffes in Be-
tracht kommen, sind mehrere Arten bekannt, deren Farbennüancen vom tiefsten
Schwarzpurpur bis Violett und Rosa varieren. Von Murex trunculus Linn.
hat man in Pompeji grosse Schalenhaufen neben den Häusern mehrerer
Färber gefunden. Nicht minder hat man Ursache, Murex brandaris Linn.,
von veuetianischen Fischern Türkenblut genannt, als zur Purpurfärberei ver-
wendet zu betrachten. Beide sind am Mittelmeer verbreitet, und es besteht der
Monte testaccio bei Tarent fast ganz aus den Gehäusen der letzteren Art ;
es wäre wohl möglich, dass daselbst eine der von den Alten oft erwähnten
Purpurfärbereien der Kaiser bestanden habe. Der Purpursaft der angeführten
Tiere ist in einem drüsenartigen Häutchen, an der unteren und inneren Fläche
des Mantels , zwischen Darm und Atemhöhle gelegen , enthalten ; die darin
abgesonderte Flüssigkeit ist weiss oder schwach gelblich; dem Licht aus-
gesetzt wird sie erst zitronengelb, dann grünlich und endlich violett oder rosa.
Die letzte Farbe wird dann allmählich intensiver. Anfangs in Wasser löslich,
wird der Purpurstoff völlig unlöslich, sobald er seine Farbe angenommen hat.
Einige von diesen beiden am Mittelmeer häufigsten Murexarten entnommene

4 ) Annales des Sciences naturelles, IV. Serie, Zoologie T. XII. Paris 1859
Eingehende Arbeiten sind auch von Letellier im Archive Zool. Exper. T. VIII, 1890
veröffentlicht. Neuerlich zusammengestellt ist das gesamte Material bei A. Dede-
kind, Ein Beitrag zur Purpurkunde> Berlin 1898.

5 ) Meine an der zoolog. Station in Neapel gemachton Versuche , bei welchen
mich die Herren Dr. Lindner und Dr. Schönlank in liebenswürdigster Weise un-
terstützten, bestätigen diese Tatsachen im ganzen Umfang. Sie haben mir auch die
Gewissheit verschafft, dass die aus den im Mittelmeer verbreitetsten Arten, Murex
trunculus und M. brandaris, gewonnenen Purpurfarben mit den in Pompeji gefundenen
zwei Farben (Violettpurpur und Rosapurpur) identisch sind.

– 259 —

Farbenproben habe ich auf Wunsch des Direktors der kgl. Skulpturen Sammlung
„Albertinmn» in Dresden, Prof. Dr. G. Treu, dieser Sammlung übergeben.
Auf die erwähnten Versuche sei deshalb nochmals hingewiesen, weil sie
direkte Veranlassung waren, eine im kaiserl. Hofmuseum zu Wien (ägyptische
Abteilung) befindliche Mumienumhüllung aus Theben als Purpur zu
erkennen; dieses Objekt, ein mit netzähnlichem Dekor und Hieroglyphen-
Inschriften bemaltes Stück Leinenzeug (Saal IV des Hochparterres, Nr 100
der Fenstervitrine IV), zeigt genau dieselbe Rosanüance wie die im Museum
von Neapel aufbewahrten Farbenreste, die sich mit dem der Purpurschnecke
Murex brandaris entnommenen Farbstoffe identisch gezeigt haben. Es unter-
liegt keinem Zweifel, dass die im Wiener Hofmuseum bewahrte Reliquie mit
Purpur gefärbter Stoff ist; dem Kustos des Museums, Herrn Dr. A. Dedekind,
welcher auch die Hieroglyphen-Inschrift entzifferte u ) , gebührt das Verdienst
auf diese Entdeckung aufmerksam gemacht, zu haben. Bei eingehenderem
Nachforschen fanden sich Reste desselben Farbstoffes und der violetten
Nuance auch an verschiedenen kleineren Gewandstatuen desselben Museums.
Es ist noch bemerkenswert, dass die Purpurfarbe, um auf dem Gewebe
zu haften, keines weiteren Beizmittels, wie die anderen Farbstoffe, bedurfte.
Vermutlich wurde zum Gebrauch für Malerei der gelöste Farbstoff mittelst
Alaun niedergeschlagen , wie bei anderen organischen Farben ; um hellere
Sorten zu erzielen, wurden weisse Tonerden , Bolus darunter gemischt. Bei-

Murex brandaris.

Murex tnmculus.

Abbild. 53. Purpurpchnecken.

mischung von Honig gegen das Eintrocknen des Farbstoffes wird von Vitruv
VII 13, 3 erwähnt. Durch das Aufkommen des orientalischen Krapp und der
Cochenille wurde Purpur immer mehr verdrängt oder mit diesen Farbstoffen
gefälscht. Schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung wurde
der Purpur durch andere Mittel ersetzt. Zur Färbung von Pergament wurde
die alaungare Haut mit dem immer mehr in Aufnahme gekommenen Kermes
(coccus lacca), Krapp oder den Flechtenfarben (Orseille), mit Tournesol u. a.
gefärbt 7 ), so dass es schwer zu entscheiden ist, ob z. B. die mit Goldbuoh-
staben geschriebene Ulfilasbibel auf tiefdunklem, die auf rosafarbigem Pergament
gemalten Miniaturen der Genesis, VI. Jht. (Wr. Hofbibliothek), ächte Purpur-
farbe zur Grundlage haben. Den Farbstoff der zuletzt genannten Miniaturen
halte ich vielmehr für Tournesol oder Folium des Theophilus (C. 40).

Die Erkenntnis der verschiedenenNüancen der eigentlichen Purpurschnecken
führte dazu, auch in anderen Sammlungen ähnliche Forschungen anzustellen
wie im Wiener Hofmuseum. Der Ruhm, den einzigen Purpur zu besitzen,
dürfte der Wiener Sammlung nicht lange bleiben können. So fand ich an

6 ) Vgl. Wiener Zeitschrift f. d. Kunde d. Morgenl. VIII. Bd. p. 74.

7 ) Vgl. Lucca-Ms.: De Pelle allthina tinguere; de prima pandii tinctio; de Porfiro
melino: Tertius Pandius.

17*

— 260 —

verschiedenen Tanagrafiguren sowohl Rosa- als auch Violettpurpur (Albertinum,
Dresden) ; im Berliner ägyptischen Museum sind es die Bandstreifen an der
Mumie des jungen Mannes 8 ) , sowie die rosafarbigen Blumen der im übrigen
ganz vergoldeten Halbbüsten aus Terracotta daselbst ; auf manchen Bildern
der hellenistischen Porträts aus Payüm (Grafsche Porträtgalerie) und Hawära
sehen wir ebenso Purpur auf Gewändern und Achelstreifen , wie auch auf
Ornamenten in einzelnen Wanddekorationen in Rom und Pompeji.

Es wird manchen Leser gewiss erheitern, zu erfahren, dass heutzutage
von den am Mittelmeer so häufig vorkommenden Purpurschnecken ein sehr
profaner Gebrauch gemacht wird. Bei einem Spaziergang in Murano bei
Venedig sah ich vor einer kleinen Weinwirtschaft einen alten Fischer einen
ganzen Korb voll solcher Schnecken feilhalten; dabei fiel mir auf, dass der
Mann mit Leichtigkeit die Schnecke aus dem Gehäuse zog, während dies bei
den Versuchen in Neapel absolut unmöglich war und die Schnecken zer-
trümmert werden mussten. Auf meine Frage erfuhr ich, dass die Schnecken
in heissem Wasser gekocht seien und „zum Wein delikat schmecken» ; ich
sollte doch versuchen ! Das Gericht nannte er Goruzzoli, doch fand ich keine
Veranlassung , den gastronomischen Genuss zu erproben. Für ein paar
Centesimi kaufte ich eine Hand voll davon und wollte versuchen , ob der
Farbstoff sich noch in diesem Zustand extrahieren liesse ; die Versuche hatten
aber negativen Erfolg.

Die Farben nach Plinius und Vitruv.

ParbenKste Der Hauptsache nach waren die Farben der Alten Naturprodukte

wie die Erdfarben, die entweder im Urzustände nur fein gerieben und ge-
reinigt, oder kalziniert wurden, also Ocker, rote Erden, Kreiden, Tone,
natürlicher Zinnober; dann kannten sie noch Kunstprodukte, wie die blaue Glas-
fritte , Bleiweiss , Russschwarz und etliche Farblacke; auch die Pflanzenfarb-
stoffe Indigo und Waid waren ihnen bekannt. Aus der folgenden Zusammen-
stellung wird ihre reichhaltige Farbenskala ersichtlich , wobei so gut als
möglich die heutigen entsprechenden Bezeichnungen nebenangestellt sind.
Wegen näherer Details sei auf die schon erwähnten Werke von Blümner
und John verwiesen.

Weisse Farben.

1. Melinum, MrjXc’a sc. yyj (PI. XXXV, 37), eine der vier Hauptfarben ;
das von Melos war das beste, das von Samos wurde wegen seiner Fettigkeit
nicht gebraucht.

2. Creta (oder Terra) Eretria (PI. XXXV, 38; 192), a) weisse, b) graue,
eretrische Kreide ist wahrscheinlich eine Art weisser Talk (Brianzoner Erde)
oder auch Porzellanton.

3. Paraetonium (PI. XXXV, 36; Vitr. VII, 7, 3), Paraetonisches Weiss,
Kalkkarbonat i. e. eine weisse Kreidenart, wurde als Grundierung für Wände
und Malerei verwendet.

4. Creta anularia, Ringsteinweiss (PI. XXXV, 48), vermutlich Speckstein.

5. Cerussa, ^u^lov (PI. XXXIV, 175: XXXV, 37; 38; 49; Vitr. VII
12, 1) Bleiweiss, aus Blei und Essig bereitet.

6. Creta Selinusia (PI. XXXV, 46; Vitr. VII 14, 2) wurde ebenso
wie die Sa mische Erde von den Frauen zur Verschönerung des Teints be-
nützt ; eine Art Kreide oder Kreidemergel diente auch mit Milch angerührt
zum Weissen der W T ände.

Paraetonium wurde mit Kimolischer Erde i. e. Walkererde gefälscht.

8 ) Vgl. p. 206.

— 261 —

Gelbe Farben.

1. Oohra, Sil, ur/pa (PI. XXXV, 30; 35; 39; XXXVII, 179; 183;
Vitr. VII 7, 1). Natürlicher Ocker, Berg- oder Erdgelb. Es wurden unter-
schieden a) der Attische und beste, b) Skyrische, sil pressum (PI. XXXIII,
158), c) der Gallische, sil lucidum, d) der Lydisoho (PI. XXXIII, 160),
e) marmorosum (PI. XXXIII, 159).

Durch Glühen und Ablöschen des Sil (in Essig) entstand eine tiefroto
Farbe in der Art unseres Englischrot. (Vitr. VII 11, 2.)

2. Cerussa usta, gebranntes Blei weiss (PI. XXXV, 38; Vitr. VII 12,
2), durch Zufall bei einem Brande im Piraeus entdeckt, ist Bleigelb oder
Massicot; bei weiterer Calcination bildet sich Bleiglätte, die bei fortgesetzter
Hitze in Mennig übergeht.

3. Auripigmentum (PL XXXV, 30; 49; XXXIII, 79), unser Rausch-
gelb, gelbes Schwefelarsenik (Operment).

4. Gelb aus der Abkochung der Lackviolen (viola arida) ist gelber
Pflanzenlack (Vitr. VII 14, 1). Mit Gilbkraut, Schüttgelb (lutum), wurde
Blau zu Grün gemischt.

Rote Farben.

1. Rubrica, jxc’XTOg, (PI. XXXV, 31; 33; 36; XXXIII, 115; Vitr. VII
7, 2) Berg- oder Erdrot, Rötel, gehört zu den ältesten Farben, vielleicht
die älteste, a) Die beste Sorte kam aus Kappadozien unter dem Namen
Sinopis Pontica, Sinopische Erde (Mineralsystom). b) Sinopis Lemnia,
Siegelerde, wurde auf der Insel Lemnos einmal im Jahre unter religiöser
Feierlichkeit gegraben und mit dem halbmondförmigen Siegel gestempelt in
den Handel gebracht, o) S. Africana (cicerculum) aus Nordafrika und von
anderen Fundorten wurde teils mit den roten Variationen des Steinmarks, teils
mit div. Bolusarten verwechselt. Alle Rubrica- und Sinopisarten bestehen in
einer Verbindung mehr oder weniger reiner Tone mit rotem Eisenoxyd; hierher
gehören die Varietäten des roten Bolus bis zum roten Ton und gemeinen
roten Lehmmergel.

2. Künstliche Rubrica, (PI. XXXV, 38), durch Calcination von Eisen-
kiesen erzeugt , wodurch unter Umständen unser Englischrot und Caput
mortuum entsteht.

3. Minium, (PI. XXXIII, 114; Vitr. VII 9, 1), Schwefelquecksilber,
unser Zinnober.

4. Sandaraca, natürliche (PL XXXV, 39; Vitr. VII 7, 5), hält man
für roten Schwefelarsenik, Realgar; gefälscht wurde diese mit künstl. S.,
welohe durch Calcination von rotem Bleioxyd, unserem Minium (Mennige),
entsteht.

5. Cinnabaris (PL XXXIII, 116), indisches Drachenblut, ist das rote
Pigment teils des Harzes, teils der EYucht des Calamus Draco.

6. Purpurissum (ostrum), Farbstoff der Purpurschnecken (PL XXXV,
44 ff.). Zur Färberei wurde P. mit noch anderen organ. Farbstoffen ge-
mischt verwendet; zum P. Puteolanum dienten Ooccus, Färberröte, Muschel-
purpur und Creta argentaria. Auch Planzenfarbstoffe aus Hyacinthus und
Hysginum wurden zur Hervorbringung ähnlicher Farben benützt. (Vgl. über
Purpur oben p. 256.)

7. Mischfarben: a) Sandyx, aus gleichen Teilen Rubrica und Sandaraca,
geröstet (PL XXXV, 40). b) Syricum, aus Sinopischer Erde und Sandyx
(ebd.). c) Leukophoron (PL XXXV, 36) diente als Unterlage für Ver-
goldung auf Holz, entspricht nach der Zusammensetzung dem heutigen
Boliment.

Blaue Farben.

1. Armenium, armenisch Blau (PL XXXV, 30; 47), durch Zerreibung
von lapis Armenius gewonnen, ist Kupferlasur.

— 262 —

2. Caeruleum (PL XXXIII, 161), Himmelblau; a) C. Soythicum, Lasur-
stein (Gilbert und John vermuten Ultramarin), b) C. Cypricum, Kupferlasur
i. e. Bergblau (kohlensaures Kupferoxyd) ; c) C. lomentum, eine hellere Sorte.

3. Puteolanum (PL XXXIII, 161; 162), künstliches blaues Kupfer-
glas, die ägypt. blaue Glasf ritte Cyanus Aegypt., welche von Vestorius nach-
gemacht wurde (Vitr. VII 11, 1). Die Bereitung wird dort angegeben: Man
reibe Sand und flos nitri (ausgewittertes Natron) zu Staub , vermenge damit
Kupferf eilstaub, knete daraus Kugeln, drücke sie fest in irdene Schmelztiegel
und lasse sie im Ofen verglasen.

4. Indicum (PI. XXXIII, 163: XXXV, 30; 46; 49; Vitr. VII 9, 6) ist
ächter Indigo, aus Indien bezogen. Auch wurde aus Waid (Vitrum, Isatis)
eine dem Indigo ähnliche Farbe hergestellt (Vitr. VII 14, 2; Plin. XXXV, 46
u. XX 59).

Grüne Farben.

1. Chrysocolla (PI. XXXIIT, 89), natürlicher Malachit oder Kupfergrün ;
unser Berggrün, früher durch Zerreiben von Malachit, jetzt künstlich dargestellt.

2. Appianum, (PL XXXV, 48), eine künstliche Nachahmung der vorigen,
aus grüner Erde bereitet.

3. Greta viridis, Grüne Erde (Vitr. VII 7, 4), auch Theodotion nach
dem Entdecker genannt, scheint unsere Veroneser Grünerde zu sein.

4. Aerugo (PL XXXIV, 110; Vitr. VII 12, 1), Kupferrost, unser Grün-
span, aus Kupfer und Essig bereitet.

Schwarze Farben.

Atramentum (PL XXXV, 41; 42; Vitr. VII lü, 4). Die Arten des
Schwarz sind sehr zahlreich ; einige wurden gegraben, die meisten aber künst-
lich durch Verbrennen von harzigen Hölzern u. dgl. erzeugt.

1. Schwarze Erd- und Braunkohle.

2. Kienruss, beim Verbrennen von Pech und harzigen Hölzern,

3. Kernschwarz, durch Verkohlung von Traubenkernen gewonnen.

4. Weinhefen und Tresterschwarz , Tryginon, hat eine blaue Nuance.
(Rebenschwarz.)

5. Kohlen schwarz, durch Zerreiben der Kohle zarter Hölzer bereitet.

6. Elephantinum, gebranntes Elfenbein, Elfenbeinschwarz, von Apelles
erfunden.

7. Mumie der Leichen, von Plinius als „unbequem und neumodisch»
(importunum ac novicium) erwähnt.

Schreibtinte, atramentum librarium, wurde aus Gummi und Kienruss
hergestellt.

Schusterschwärze, atramentum sutorium, ist Eisen- oder Kupfer-
vitriol. Sepia des Tintenfisches, atramentum sepiae, erwähnt Plinius ohne
Angabe einer technischen Verwendung.

263

Anhang IL

Malgeräte im Museum zu Neapel.

Der Fund von St. Medard in seiner Vollständigkeit ist bis jetzt einzig
in seiner Art geblieben; hauptsächlich verdanken wir diesen der in Gallien ge-
bräuchlichen Bestattungsart, während bei den Römern durch die Verbrennung
der Leichen und das Sammeln der Aschenreste in Urnen dem Forscher soviel
wie nichts von den Lebensgewohnheiten des Verstorbenen Kunde gibt.

Bei dem Besuch des Museums war meine Aufmerksamkeit natürlich Kohlenbecken,
darauf gerichtet, ähnliche Instrumente wie die in St. Mddard gefundenen zu
konstatieren ; ausserdem fahndete ich in allen Sammlungen nach einem Utensil,
welches zur Aufnahme von Kohlen und zum Erwärmen der Wände bei
der Ganosis hätte dienen können. In letzterer Hinsicht war mein Suchen
vergeblich, nur ein einziges Objekt im archäologischen Museum zu
Florenz könnte als hierzu geeignet bezeichnet werden: ein Becken aus
Bronze (aus Chiusi stammend ; der Teil der Sammlung war noch nicht
nummeriert) mit drei Füssen darunter, nach oben zu wie ein Bienenkorb mit
Bronzestäbchen abgeschlossen, welche zwei Drittel des Ganzen bildeten ; ganz
zu oberst eine runde Oeffnung zum Auffüllen von Kohlenstücken. Dieser
Apparat hatte Aehnlichkeit mit demjenigen , welcher heute auch zum Aus-
trocknen feuchter Wände bei Neubauten dient, und hatte eine Höhe von
ca. 1 J2 m. Vitruv (VII 9, 3) erwähnt jedoch ein eisernes Gefäss (ferreum
vas), und da auch in Pompeji alle Eisenteile vollständig vom Rost ver-
nichtet sind, so ist wenig Aussicht, jemals ein solches kennen zu lernen.

Anders ist es mit Bronzegegenständen bestellt, denen das fast 1800 jährige
Grab ausser der grünen Patina nicht viel anhaben konnte. Es war gar nicht
anders zu erwarten, als dass sich im Museum Instrumente finden würden, die
mit den in St. Mödard gefundenen Aehnlichkeit haben ; finden sich ja solche
in allen grösseren Sammlungen, wie in Wien, München, Rom u. a. ; aber die
reihenweise Aufstellung von noch so vielen gleichartigen Objekten kann uns
nicht viel sagen, wenn wir nicht ganz genau wissen, mit welchen anderen
Objekten vereinigt diese Dinge gefunden wurden. Erst dadurch konnte ja
der Fund von St. Medard die Bedeutung erlangen, uns das Ver-
ständnis der enkaustischen Technik zu erleichtern!

Das Museum von Neapel birgt in dem Saal der kleinen Bronzen 1 )
in einigen Kästen (LXVI und daran schliessend) einen Schatz, welcher noch
nicht ganz gehoben scheint. Viele dieser Gegenstände aus Bronze wurden
in einem Laden in Pompeji gefunden; durch einzelne Gegenstände der

! ) Inzwischen ist dieser Teil des Museums neu aufgestellt worden , doch war bei
m. letzten Aufenthalt die Neuaufstellung noch nicht beendet. Die obigen Notizen
stammen v. J. 1893,

264 —

Farben-
Schachteln.

Chirurgie wie Sonden , Zangen und gynäkologische Instrumente 2 ) kam man
wohl auf den Gedanken, den Laden für den eines Chirurgen oder für eine
Apotheke zu halten.

Auf den ersten Blick erkannte ich, dass unter den zahlreichen Objekten
sich solche befinden, die wie die Bronzekapsel des Fundes von St. Mödard
Löffelchen ganz ähnlicher Form enthielten und ebenso paarweise vorkamen;
einige dieser Kapseln waren noch an einer kleinen Basaltplatte festge-
schmolzen, wie auch solche der Fund in der Vendee zu Tage förderte. Der
Kustos, Herr Camillo Lembo, welcher vom damaligen Direktor Herrn de
Petra beauftragt war, mir die Kästen zu öffnen, war Zeuge der folgenden
Ergebnisse : Der Inhalt der viereckigen bronzenen Kästchen Nr. 78202 und
78203 bestand aus Farbstücken, von oblong runder Form; wir überzeugten
uns davon leicht durch Anfeuchten und Anreiben auf der Handfläche; bis
dahin hielt man diese Stücke für — Pillen!

Herr Lembo war ganz erstaunt darüber, dass noch niemand auf diese
einfache Idee gekommen war; wir untersuchten deshalb weiter: Die runden
Schachteln aus Bronze 78206 und 78208 enthielten gleichfalls Farben,
roten Ocker, Umbra, Schwarz in Stangenform und unregelmässigen Stücken,
wie erstere jetzt noch von Architekten zum Anreiben in Porzellannäpfchen

Abbild. 54. Enkaustisches Malgerät und Spachteln. l ja der nat. Grösse.

Bnkaustische

Malgeräte.

verwendet werden; Farben enthielten auch 78215, 78236 und 11350; eine
flache Bronzeschale 78210 enthielt ein braunes Harz, wovon eine ganz
kleine Probe erhitzt sofort unter aromatischem Geruch schmolz. Das Bronze-
kästchen 78198 enthielt grössere Stücke einer sehr schönen Umbrafarbe,
ebenso das Kästchen 78189 mit den 6 Abteilungen und den Schiebedeckeln
unten und oben; die Farben waren auch hier in der kurzen Stangenform,
oblong, und es fanden sich Blau, Grün, Umbra, Schwarz vor, auch einige Stücke
der blauen Glasfritte in Kugelform.

Eine noch an die Basaltplatte festgeschmolzene Kapsel enthielt ausser
zwei Bronzelöffelchen noch eine Pinzette; ganz den gleichen Inhalt
hatten 78136, 78144, 78151 (Abb. 54, 1, 2, 3); Nr. 78153 hatte ausser
diesen Gegenständen auch eine Spachtel in der Form von 4 der Abb. 54
und den Bronzeteil der Stuckatorspachtel (s. 5), deren Eisenteil fehlte,
auch in der Kapsel keinen Platz gehabt hätte ; eine ganze Reihe dieser
Stuckatorspachteln , mehrfach noch mit dem stark verrosteten Eisenteil , sind
in dem rechts anstossenden Kasten zu finden.

*) Overbeck (Pompeji in seinen Gebäuden etc.) scheut sich merkwürdigerweise
wegen dieser Objekte näher auf den Fund einzugehen.

— 265 –

Es war mir jetzt ganz klar: der Fundort konnte keine Apotheke oder
dgl. gewesen sein, es war der Laden eines Instrumenten hü ndlers, der
auch gleichzeitig Farben u. s. w. verkaufte.

Im ersten Moment wusste ich keine Erklärung für die Anwesenheit der
Pinzetten in den Bronzekapseln mit den zwei Löffelchen. Der Fund von St.
Medard wies keine Pinzette auf, hier war dieselbe mehrfach und auch in
zierlicher Form da ; ich erinnerte mich aber an die zweimalige Verschüttung
von Pompeji im Zeitraum weniger Dezennien und kam auf den Gedanken.
dass diese Pinzetten bei der als III. Art von Plinius bezeichneten En-
kaustik nötig waren, um die heissen Farbennäpfchen vom Wärmapparat
abzunehmen oder wieder hinzusetzen. Die Instruinente für Enkaustik werden
überdies durch die einschneidende Veränderung, welche die Pinselenkaustik
mit sich brachte, auch ihre äussere Form gewechselt haben, und dies
ist in der reichhaltigen Sammlung von Neapel sogar zu konstatieren : die
Löffelchen verlieren ihren Hauptzweck, die flüssige Wachsfarbe damit auf-
zunehmen, und werden entweder Zierde, Handhabe oder fallen ganz weg, wie
bei Nr. 78145 und 78141 , so dass auf beiden Seiten verdickte Enden zum
Warmmachen da sind; auch Spachtelformen mit verdicktem Ende sind häufig
anzutreffen. Die Spachtel mag auch zum Zusammenmischen von Farben

Abbild. 55. Bronze-Tnstrutuento.

oder anderen Zwecken gedient haben; ähnliche finden sich in grosser Zahl,
einzelne davon sind doppelseitig, so 77733 und 77734.

Ganz merkwürdig geformt sind mehrere Instrumente mit oben ab-
gerundeter Spitze (Abb. 55) und mitunter sehr reichem und zierlichem j
Griff, für welche noch keine Erklärung gefunden wurde; bis jetzt hielt
man dieselben für Instrumente der Zahnheilkunde. Ein Objekt Nr. 116444
gibt uns jedoch Gelegenheit, eine richtigere, d. h. wahrscheinlichere, Lösung
dafür zu finden. Dieses Objekt ist eine Bronzekapsel von gleicher Form
wie die oben erwähnten, und enthält 7 Stücke, welche ich einzeln in der
Abbildung (Abb. 56, 2 — 8) gebe.

Nr. 1 ist die Kapsel mit den Gegenständen darin (abgebildet auch bei
Nicolini, le case e monumenti di Pompeji, Napoli, Sommer e figlio). Grösse
der einzelnen Stücke 16 — 20 cm;

Nr. 2 zeigt einen länglichen Bronzestil mit nadelartigem Fortsatz
nach oben; der untere wie es scheint abgebrochen;

Nr. 3 ein Bronzestück mit tiefen Löchern oben und unten, in welche
die Spitze d. h. der nadelartige Fortsatz von 2 hineinpasst; es mag demnach
zur Verlängerung dienen, wie sie Architekten ähnlich bei ihren Zirkeln haben ;

Andere

Bronze-

na1 rumente.

— 266 —

Nr. 4 ein Bronzestück mit oben abgerundeter Spitze (gleichartig mit
derjenigen in Abb. 55, 1 und 2), deren unterer Teil ausgehöhlt ist, so dass
er ebenso wie das vorige Stück auf 2 aufgesetzt werden kann ;

Nr. 5 und 6 sind gleich, längliche Bronzenadeln mit dickerem und
abgeflachtem Ende ;

Nr. 7 ist eine Spachtel, wie sie mehrfach vorkommt;

Nr. 8 sind eigentlich 3 Objekte, welche durch die Hitze verschmolzen
sind und sich nicht trennen Hessen ; der länglich unförmliche Teil ist Ambra
oder Bernstein (durch den Geruch beim Reiben erkennbar), die beiden an-
deren Stücke aus Bronze sind teilweise von diesem verdeckt; man er-
kennt jedoch deutlich eine auf einen längeren dünnen Bronzestil aufgesetzte

J,o

Abbild. 56. Instrumente in einer Bronzekapsel (Pompeji). ‘/ 4 der nat. Grösse.

konisch geformte Spitze ; aus der Masse des Bernsteins ragt nach unten noch
ein Bronzeteil etwa 1 cm heraus, dessen Fortsetzung nicht mehr zu sehen ist.
In dem Abschnitt „Schlussfolgerungen» S. 160 Anm. habe ich schon die
Vermutung ausgesprochen , dass oben abgerundete Bronzeinstrumente zum
Ziehen von Markierungslinien in dem weichen Stuck gedient haben mögen ;
das hier vor uns liegende Objekt bestätigt meine Ansicht : wir haben den Zirkel
und das Handwerkszeug eines der Tectores vor uns; es fehlt zur Vollständigkeit
nur der Kopf des Zirkels, welcher entweder unter dem verschmolzenen Teil
zu vermuten ist oder vom Tector irgendwo separat nebst anderem Hand-
werkszeug aufbewahrt wurde. Nr. 5 und 6 dienten zur Markierung kürzerer
Linien oder zum Bezeichnen einzelner Punkte; die unteren Enden mögen

Abb. 57. Tabloche italienischer Stuckarbeiter.

— 267 —

dazu verwendet worden sein, Hilfspunkte wieder zu ebnen. Dass es sich
bei diesem ganzen zusammengehörigen Handwerkszeug um einen Zirkel und
dessen Gebrauch auf weichem Grunde handelt, dafür spricht ausser den
Verlängerungen auch die konische Spitze bei Nr. 8, welche ihrer Form
wegen nicht so tief in den weichen Grund eindringen kann.

Die Erklärung dieses interessanten Objektes macht die Wahrscheinlichkeit,
dass die übrigen Instrumente mit der nach oben gebogenen Spitze denselben
Zweck gehabt haben, sehr gross; möglicherweise sind sie auch anderweitig
gebraucht worden, aber zu dem eben angegebenen Zwecke eignen sie sich
ganz ausgezeichnet.

Hier möge noch ein Gerät angereiht werden, das für Stucktechnik dient Täbloohe.
und heute im südlichen Italien und Sizilien gebräuchlich ist, nämlich die sog.
Tabloche oder Tavolezza. Wahrscheinlich ist das sehr zweckmässige Utensil
schon im Altertum zum selben Zweck verwendet worden. Der Stuckarbeiter
musste , wenn er auf dem Gerüst die letzten Aufträge machen wollte , sich
mit einem vorher angemachten Vorrat von Stuckmasse versehen ; dazu diente
das kleine Brett mit einer unten angebrachten Handhabe , wie es Abb. 57
zeigt. Da vermutlich zwei oder mehr Arbeiter gleichzeitig mit dem Auftragen
der Stuckschicht beschäftigt waren, damit die untere Schicht nicht zu schnell
trocken würde, bot ihnen das eben erwähnte Holzgerät ein bequemes Hilfsmittel
zur schnelleren Arbeit.

— 268 —

Anhang ITL

1. Chevreul’s chemische Analysen römischer Farben und anderer
Substanzen des Fundes von St. Medard-des-Pres.

(Auszug aus Recherches chimiques sur plusieurs Objets d’Ar-
chdologie, trouves dans le Departement de la Vende’e. Abgedruckt in
Memoires de l’Academie des Sciences de lTnstitut de France. T. XXII.
Paris. 1850 p. 183-199.)

Prüfung von Substanzen organischen Ursprunges.

§ 1. Untersuchung einer harzigen Masse.
Harzige Masse. j)[ G Masse, in grossen Stücken, zeigte zwei sehr verschiedene Partien:

eine äussere Partie, bröckelig, undurchsichtig, holzgelb, und eine innere Partie,
leicht gebräunt, durchscheinend, wohlriechend, hatten alle Eigenschaften des
Harzes. Zwischen diesen beiden Partien war kein Mittelding, und es ist ohne
Zweifel die äussere Masse auf eine Alteration der inneren zurückzuführen.
Kochender Alkohol war nicht imstande, die innere Partie vollständig zu lösen.
Die genaue chemische Untersuchung der im Alkohol gelösten Masse ergab deren
Gleichheit mit dem Harz der Strandpinie , Pinus maritimus ; auch die im Al-
kohol nicht gelöste Partie zeigte gleiche Eigenschaften wie Pinus maritimus
oder Pinus silvestris.

§ 2. Untersuchung einer Masse, welche in kleiner zylindrisch konischer
Form war, ergab als Resultat Bernstein oder gelbe Ambra.

§ 3. Masse in einer grossen Flasche enthalten.

Diese Masse war einer augenscheinlichen Veränderung unterworfen, denn
sie verbreitete einen moderigen Geruch ; dem äusseren Anschein nach war sie
nicht gleichmässig; die weissen verwitterten Partien und schwarze Teilchen, die
sich auf dem blassgelben Grund zeigten, deuteten auf Wachs. Die Masse
schmolz und gerann wie dieses bei 64°; Lackmuspapier rötete sie leicht.
Siedender Alkohol löste sie, mit Ausnahme eines leichten Rückstandes, welcher
ein wenig Asche zurückliess, die aus Kalk und Spuren von Eisenoxyd und
Wachs. K a ü bestand. Die Lösung in Alkohol ergab beim Erkalten wirkliches Wachs,
schmelzbar bei 64°, und enthielt eine Spur einer schwarzen Masse.

Die alkoholische Lösung enthielt nach dem Erkalten und nachdem das
Wachs durch Filtration davon getrennt worden , zwei fette Säuren von ver-
schiedener Schmelzbarkeit : die weniger schmelzbare krystallisierte bei der
natürlichen Verdunstung eines Teiles des Alkohols: das Filtrat, mit Wasser
vermengt, gab eine leicht gefärbte Masse, bei 41—42° schmelzbar, und ent-
hielt ohne Zweifel eine schwer schmelzbare Säure. Die Säuren, welche
in relativ geringer Quantität im Wachs enthalten waren, färbten, in Alkohol
gelöst, Lackmuspapier rot, und Wasser, der roten Flüssigkeit hinzugefügt,
veränderte dieselbe wieder in Blau. Die Säuren schienen mir von einer
Mischung von Oel- und Fettsäuren verschieden. Die von ihnen entfernte

— 260 —

Flüssigkeit reagierte leicht sauer, und der Rückstand nach dein Verdampfen
ergab nur eine Spur einer Asche von Kalk und Eisenoxyd. Die Masse
war demnach Bio neu wachs, von welchem sich nur sehr kleine Partien ver-
ändert hatten.

§ 4. Prüfung einer Masse in einer kleinen Phiole mit Hackern
Boden.

Diese Masse wurde in heisses Wasser gebracht und geschüttelt, um die Mischung
im Wasser löslichen Korper zu entternen; sie schmolz, nahm eine braune Waohs.
Farbe an und roch nach Harz oder Pech. Das Wasser war nach dem
Erkalten mit einem weissen Häutchen bedeckt ; die grössere Partie der Masse
war nicht gelöst, auch das abfiltrierte und verdampfte Wasser liess nur einen
leichten gelblichen Rückstand, der auf Lackmus sauer reagierte und ein kalkiges
Salz enthielt; aber es war weder schwefel- noch Stickstoff- oder chlorhaltig.
Die unlösliche Masse schied in kochendem Alkohol Wachs aus, welches sich
im Erkalten zeigte. Dieses Wachs schmolz bei 64° und war nicht säure-
haltig. Der nach der Ausscheidung des Wachses filtrierte Alkohol enthielt
wirkliches Pinienharz d. h. die nämliche (§ 1) gefundene Substanz. Endlich
zeigte das im Alkohol Unlösliche dieselben Eigenschaften, wie die im obigen
Kapitel beschriebenen.

Ohne Zweifel war die Masse ein Gemenge von Harz und Wachs,
zum Gebrauch für Malerei bestimmt.

§ 5. Prüfung einer schwarzen Masse in einer Phiole mit sehr
flachem Boden.

Diese Masse, welche eine ausserordentlich komplizierte Mischung vor-
stellte, ergab ein merkwürdiges Resultat durch die freie Anwesenheit von
öligen und fetten Säuren.

(Chevreul wundert sich darüber, weil Pillon den Fund aus dem III. Jahr-
hundert n. Chr. datiert, und fährt dann fort 🙂 Die Masse hatte eine schwärz-
liche Färbung und den Anschein einer vollständig zu einer festen Masse
innig verbundenen Flüssigkeit. Bei 20° Wärme wurde sie weich, färbte das
feuchte Lackmuspapier stark rot und strömte einen aromatischen Geruch aus,
der nichts Ranziges hatte. In warmem Wasser löste sich nichts von der
Masse, die vollständig gleich blieb.

Bei der Behandlung mit kaltem Alkohol löste sich eine fette Säure, voll-
kommen flüssig bei 20°, welche alle Eigenschaften einer Mischung von Oel-
mit Fettsäure aufwies. Der Schmelzpunkt der beiden Säuren blieb konstant
nach der Lösung in Kali und darauffolgender Isolierung. Das bezeugt, dass
sie nicht mit verseiften fetten Körpern gemischt waren.

Kochender Alkohol sonderte nach dem Erkalten eine neutrale Masse ab,
bei 64° schmelzbar, mit allen Eigenschaften des Bienenwachses ausgestattet,
und der nach dem Erkalten filtrierte Alkohol enthielt eine Masse, schmelzbar
bei 28°, welche Oel- und Fettsäuren enthielt.

Schliesslich ergab die in kochendem Alkohol nicht lösliche Masse Russ-
schwarz, welches nach der Verbrennung in der Asche nur eine Spur von
Kalk, vermutlich eine Kalkseife, enthielt.

Die Anwesenheit der Fett- und Oelsäuren, des Wachses und des Russ- Wachs nütoei-
schwarzes ist demnach nicht zweifelhaft. Woher kommen nun diese Säuren?
Sind sie auf die natürliche Alteration eines neutralen Oeles, welohes man dem
Waohs und dem Schwarz beigemengt, zurückzuführen, so zwar, dass durch
den atmosphärischen Einfluss oder irgend einen anderen das neutrale Oel
in Säure übergeführt worden ist ? Oder rühren sie von einer Zersetzung von
verseiftem Olivenöl, Mohnöl oder einem anderen durch eine Säure wie Essig-
oder Zitronensäure her? Das kann ich nioht bestimmt entscheiden; die
zweite Art erscheint mir übrigens wahrscheinlicher als die erste, u. zw. aus
folgender Ursache: Man fand durchaus keinen in Wasser löslichen Körper,
auch keinen riechenden, welche den fetten verseifbaren Körpern gleichen, die
sauer und ranzig werden, und fürwahr, wenn man die Masse untersucht halte,

— 270 –

ohne ihr Alter zu kennen, würde man ohne Bedenken darauf schliessen, dass
dieselbe direkt aus einer öligen Säure, die ein wenig fette Säure enthielt, ge-
bildet war.

Prüfung von Farben und anorganischen Substanzen des Fundes von

St. Medard.

§ 1. Untersuchung von 4 Materien, Nr. 1. 2. 3. 4,
aus drei Metalloxyden gebildet, welche, wie es den Anschein hat, ursprünglich
in einem dickflüssigen Zustand in die Behältnisse gebracht worden waren
und dort erhärteten. Die Massen waren nicht gleichmässig und keine färbte,
auf Papier gebracht, mit reiner Farbe ab. Die Farben verteilten sich auf
Grün , Orange und Grau ; die grünen Töne waren durch Rot gebrochen, die
orangefarbigen durch Grau.

Materie 1 war gebildet aus kohlensaurem Kupfer, kohlensaurem Blei
und Eisenoxyd ; ausserdem Spuren einer organischen Substanz und Kalk
nebst ein wenig eisenhaltigem Sand. Die Mischung zeigt eine grau-grünlich-
gelbe Färbung.

Materie 2 war der vorigen analog und zeigte ausser den Kupfer-,
Blei- und Eisenoxyden Spuren einer organischen Substanz , überdies Zinn-
und Arsenikoxyde. Ausserdem Sand von Kieselerde , Tonerde und Eisen-
oxyd.

Materie 3 war genau wie die vorige, nur war das Eisenoxyd im Ver-
hältnis grösser, die Färbung mehr braunrot.

Materie 4 genau wie die vorhergehende.

§ 2. Untersuchung einer Masse, aus Metalloxyden und Eisen-
phosphat gebildet, Nr. 5.

Dieselbe war blass-blau-grün mit braunen oberflächlichen Flecken. Die
ehem. Zusammensetzung glich der obigen vollkommen , nur war die Menge
des Eisenoxydes grösser, hauptsächlich durch die braunen Flecken bedingt;
sie enthielt ebenso organische Substanz und eine grössere Menge Eisen-
phosphat, wahrscheinlich phosphorsaure Tonerde, überdies war in der Mischung
kohlensaurer Kalk und ein wenig Sand von eisenhaltiger Tonerde.

§ 3. Untersuchung einer aus 4 Metalloxyden gebildeten Masse Nr. 6.

Die Masse war einem zerbrochenen Fläschchen entnommen, doch haftete
die Materie an den Glasstücken fest ; ohne Zweifel war sie in dickflüssigem
Zustand in dasselbe gebracht worden und trocknete in einzelnen Teilen voll-
kommen fest. Beim Auseinanderbrechen zeigten sich grüne Streifen und
kleine weisse Punkte auf braunem Grund. Siedendes Wasser sondert eine
ganz kleine Menge einer organischen Substanz ab , welche ein kalkhaltiges
Salz enthielt, ein anderes als Sulphat.

Bei der weiteren, ehem. Behandlung blieb ein kleiner Rückstand einer
organ. Substanz, eines Sandes von Ton- und Kieselerde, Eisenoxyd mit einer
Spur von Manganoxyd und Phosphorsäure. Aber das Bemerkenswerte an
der Analyse war, dass die stickstoffhaltige Lösung Blei-, Kupfer-, Eisenoxyde
und eine ziemliche Menge Zinkoxyd enthielt; letzteres war absolut rein er-
hältlich. Die Blei- und Kupferoxyde waren zweifellos kohlensaure.

§ 4. Untersuchung der Masse Nr. 7.

Diese Masse, welche zu den interessantesten der in St. Medard ge-
fundenen gehört, war, wie die weitere Untersuchung gezeigt hat, zur Grun-
dierung eines Gemäldefragmentes (?) benützt und wurde in einem schwarzen
irdenen Töpfchen gefunden ; es waren Stücke von graugrüner Farbe mit
roten Flecken. Ein Teil war kompakt, der andere gab dem Drucke des
Fingers nach und liess sich in verschiedenartige Teile trennen.

Ohevreul unterzog die einzelnen getrennten Substanzen einer eingehenden
Untersuchung, welche ergab :

1. Substanzen, die in Wasser löslich waren.

– 271 —

Diese bestanden aus schwefelsaurem Kalk (Gips), Chlornatrium und
einer organ. Suitstanz, deren Asohe Kalk und Eisenoxyd enthielt.

2. Eine grüne Masse von ungleichartiger Reinheit und Intensität, in
welcher Chevreul die grüne veroneser-Erde erkannte.

3. Eine blaue Masse mit gelbetfi Körnchen oder Blättchen nebst weissem
quarzigem Sand war ein G/imenge von gelbem Schwefelarsenik (Auri-
pigment) mit der blauen Masse, welche mit clor blauen ägyptischen
Glasfritte identisch schien.

§ 5. Untersuchung eines Glases }
welches unter den verschiedenen Gläsern des Grabes von M&lard des Pros
durch seine Durchsichtigkeit und Farblosigkeit besonders auffiel : die Probe
enthielt Bleioxyd, gehörte demnach zu den Bleigläsern, welche wir Krvstall
nennen, und unterschied sich von dem zylinderförmigen, fagonnierten, in einen
Kanal auslaufenden Utensil durch grössere Dichtigkeit ; das letztere war
wirklicher Bergkrystall.

§ 6. Untersuchung des Bronzemörsers u?id des Bronzekästchens.

Die Untersuchung des Mörsers, sowie der „boite a couleur» ergab eine
Komposition von Kupfer und Zinn, war also Bronze ; dabei fiel die ungemeine
Biegsamkeit, insbesondere der dünnen Wände des Farbenkastens auf.

2. Chemische Analysen von Farben römischer Provenienz des Fundes
von Herne-St. Hubert in Belgien.

a. Analysen von Dr. Schoofs.

(s. Compte Rendu du Congres Archeologique et historique de Belgique nr^^h V f D
a Tongres 1901 public par Frangois Huybrigts; Tongres 1902 p. 125 — 130.)

Die Analyse des Dr. Fr. Schoofs (Assistent an der Universität zu
Lüttich) betraf einige Untersuchungen von Farbenwürfelchen und von Farben
aus zwei der 20 cylindrischen Tiegel und eine der in konischem Behälter
befindlichen Materie. Folgende Resultate sind zu verzeichnen :

a) Analyse eines Farben-Würfels von rotbrauner Farbe (1 | jcm
und 8 mm hoch). Die äussere Erscheinung war matt, von brüchi-
ger Konsistenz ; beim Abschaben mit der Messerklinge erhielt man
eine glänzende Oberfläche. Die Analyse ergab als färbende Substanz
Eisensalze (sels ferriques). Bei der Untersuchung auf organische
Substanzen schied die alkoholische Lösung eine trübe gelbliche
Flüssigkeit in geringer Menge ab, die jedoch genügte, um den
Schmelzpunkt auf 70,5° C. zu bestimmen.

b) Ein Stück Farbe von lebhafter roter Nuance wurde als Verbindung
von Schwefel und Quecksilber erkannt (Zinnober).

c) Die mit c bezeichnete Farbenprobe war weiss, dicht und abfärbend.
Die Untersuchung ergab Bleikarbonat mit einer sehr geringen Menge
organischer, in heissem Alkohol löslicher Substanz. Nach deren
Verdampfung blieb auf der Glasschale ein leichter weisslicher Rück-
stand , der in Wasserbad-Temperatur schmelzbar war. (Künstliches
Bleiweiss war im Altertum bekannt; s. Würtz unter „cerussa».)

d) Die mit d bezeichnete Probe von weisslich-grauer Farbe , weniger
kompakt als die vorige, bestand ebenfalls aus Bleikarbonat, war
aber reicher an organischer Beimengung. Aether schied , selbst in
kalter Lösung, eine bei 57,5° 0. schmelzbare weisse Masse ab. Dabei
ist zu bemerken , dass diese Masse in geringer Menge vorhanden
war. In 1,9 gr. der Farbe konnten jedocu durch successive Be-
handlung mit Aether 0,01 19 gr der organischen Substanz d. i. 0,6°/o
extrahiert werden.

e) Das Farbstück bestand aus zwei Teilen ; der innere von grauschwarzer
Farbe schien in Zersetzung befindliches Blei zu sein ; der äussere
in der Dicke von etwa 1 — 2 mm war eine weissliche Schicht von

-_ 972

Bleikarbonat, in welcher eine organische Substanz erkennbar war.
Es wurde 0,7 gr dieser äusseren Schicht abgekratzt und mit Schwefel-
äther behandelt. Nach der Verdunstung verblieb ein weisser Rück-
stand von weicher Konsistenz , u. zw. in Menge von 0,05 gr , also
7,l°/o der Masse, deren Schmelzpunkt mit 58,5° C. ermittelt wurde.
Vermutlich handelte es sich hier um eine zu Zwecken der Blei-
weisspräparation verwendete Bleiplatte.
fl Farbe aus einem konisch geformten, abgeplatteten Näpfchen. Mit
Aether behandelt, gab die bräunliche Substanz an den ersteren eine
Masse ab, die nach der Verdampfung des Lösungsmittels die Er-
scheinung des braun-gelben gefirnissten Ueberzugs hatte. Schmelz-
punkt 59,5° C. ; die Hitze entwickelte empyreumatischen Geruch.

Der Aether löste unter diesen Verhältnissen l,82°/o des Körpers.
Nachher wurde der Lösungsprozess mit kochendem Alkohol fort-
gesetzt, der sich stark braun färbte. Nach der Verdampfung blieb
auf der Glasschale ein firnissartiger, transparenter dunkelbrauner
Ueberzug zurück, der sich beim Abschaben der Oberfläche in Form
kleiner, glänzender Schuppen ablöste. Der Schmelzpunkt lag gegen
95° C. Es war möglich, 7,46°/o dieser Masse, welche den Charakter
der Harze zu haben schien, zu extrahieren. Der Rückstand
mineralischer Substanzen enthielt Kupfersalze , viel Eisen und einen
in Salzsäure unlöslichen Rest, der ein Bleisalz enthielt,
g) Die folgende Probe ist deshalb interessant zu erwähnen, weil diese
als färbende Substanz einen organischen Körper enthielt. Es war
ein Bröckchen blauer Farbe, welche von mineralischen Elementen
Kupfersalze, Calcium, Spuren von Eisen und Kohlenstoff enthielt.
Ausserdem einen in Salzsäure unlöslichen, aber in Chloroform löslichen
Rückstand, der erhitzt violette Dämpfe entwickelte; es ist Indigo,
welcher nach Schmidt (Ausführl. Lehrb. der pharm. Chemie 1896
II p. 1030) im Altertum bekannt und von den Griechen und Römern
in der Färberei und Malerei gebraucht wurde
Schlussfolgerungen:

Es entsteht die Frage: welcher Natur sind die organischen schmelzbaren
Substanzen, die in einzelnen Untersuchungen, besonders in d und e, gefunden
wurden V Handelt es sich um ein Wachs oder um eine fette Materie?

Dr. Schoofs versichert, dass die letztere Hypothese zuzulassen ist, u. zw.
aus folgenden Gründen :

1. Grosse Lösbarkeit des fraglichen Produktes in kaltem Aether; die
Lösung würde viel schwerer vor sich gehen, wenn es sich um
Wachs handelte.

2. Bei der Erhitzung des Produktes zersetzt es sich unter Entwicklung
von Geruch nach Acreolein, der für fette Materien charakteristisch ist.

3. Nach der Verseifung mit alkoholischer Lauge und Verdampfung bis
zur Trockenheit wurde ein in Wasser löslicher, leicht getrübter
Rückstand erhalten ; dies gestattet die Anwesenheit von Wachs in
bemerkbarer Menge auszuschliessen. Wenn Wachs darin enthalten
wäre , würde als Rückstand eine in Wasser unlösliche Materie von
höherem Molekulargewicht verbleiben.

4. Man könnte einwenden, dass die Schmelzpunkte zu hoch gelegen
sind im Verhältnis zu denjenigen der fetten Materien. Berück-
sichtigen wir aber die Anwesenheit von ein wenig Blei in der
durch Aether extrahierten Masse, so kann dies nicht ohne Einfluss
auf den Schmelzpunkt sein.

Infolge der geringen zur Untersuchung gelangten Mengen organischer
Substanzen müssen unserem Schluss Grenzen gezogen werden. Die Schwierig-
keiten werden in dieser Hinsicht noch vermehrt durch die Veränderungen,
denen organische Substanzen in hervorragender Weise ausgesetzt sind ; schon

– lit;: —

der Umstand, dass sie sich in diesem Zustand bis auf unsere Zeit erhalten
konnten, ist wichtig hervorzuheben.

Die Frage dreht sich zunächst um die Erklärung der Anwesenheit fetter
und harziger Substanzen in den oben erwähnten Untersuchungen. Könnte
man vielleicht annehmen, dass die Harze aus der Umwandlung gewisser Oele
zu erklären seien, welche bekanntlich sieh verdicken und in einen harzigen
Körper verwandeln ?

b) Bericht von (liemiker Geonr Büchner (München) über die chemische Analyse von

tt i i-i i_ •• • i t-» ■ T-i i. ,r – «»«cnner.

Untersuchung von Farben römischer Provenienz zur Peststellung
der darin etwa enthaltenen Bindemittel.

1. Untersuchung verschiedener (aus Bronzetiegeln entnom-
mener) Farbpulver von hellbraun -rot er, dunkel-braunroter und
dunkel-grauschwarzer Farbe.

Es liegen hier durchweg makroskopisch und mikroskopisch amorphe
Farbpulver vor, untermengt mit kleineren oder grösseren oxydierten, brüchigen
Bronzeteilchen. Diese Farbpulver entwickeln beim Erhitzen in der einseitig
geschlossenen Glasröhre geringe Mengen sauer reagierender, einpyreumatischer
Dämpfe, enthalten also geringe Mengen von organischen Stoffen. Durch
Behandlung mit Lösungsmitteln wie Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform,
alkoholische Kalilauge werden weder fett-, harz-, noch wachsartige Bestand-
teile erhalten.

2. Die in vier kleinen, fast durch und durch oxydierten brüchigen
Bronzetiegelehen enthaltenen verschieden gefärbten, teils lockeren, teils
zusammengebackenen Farbpulver verhalten sich genau wie unter 1.

3. Der Inhalt eines zusammengefalteten Bleibleches (s. oben
sub f) gibt an Chloroform eine sehr geringe Menge eines spröden, schwarzen
Körpers ab , der weiter nicht zu identifizieren ist. Der wässerige Auszug
hinterlässt nach dem Verdunsten eine Spur klebriger Substanz.

4. Kleine Würfel von nahezu gleicher Grösse (ca. 1 Cubicentimeter)
von lehmgelber, brauner, grauer Farbe, manche mit violettem Anfluge, leicht
zerrei blich. Unter dem Mikroskop zeigen sich neben der amorphen Haupt-
masse des Würfelpulvers geringe Mengen gelber Kryställchen , welche die

Form sechsseitiger Täfelchen aufweisen

Beim Erhitzen auf dem Platin-

V

blech treten brennbare Dämpfe auf, von wachsartigem Geruch, frei von
jedem Gerüche nach Acreolei’n; auch beim Erhitzen der Substanz mit Kalium-
bisulfat tritt kein Acreoleingeruch auf. Beim Erhitzen in der Glasröhre treten
stark saure Dämpfe auf, ganz ähnlich denen, welche Wachs bei der trockenen
Destillation ergibt. Da bei der Behandlung des Würfelpulvers mit Chloroform
verhältnismässig reichliche Mengen eines wachsartigen Körpers er-
halten wurden , extrahierte ich eine grössere Anzahl der Würfel , nämlich
20 Stück Würfel im Gewichte von 24,2 gr, mit Chloroform und erhielt so
2,3 gr (9,5°/o) einer dunkelbraunen , knetbaren , dem äusseren Ansehen und
den äusseren Eigenschaften nach vollkommen wachsähnlichen Masse.
Nach dem Ausziehen mit Chloroform liess das Würfelpulver unter dem
Mikroskop keine Krystalle mehr erkennen. Das mit Chloroform ausgezogene
Würfelpulver gibt weder an Alkohol, Aether, Wasser, alkoholische Kalilauge
noch andere Lösungsmittel etwas bemerkenswertes ab.

Wachsähnliche Masse aus den Farbenwürfeln.

Diese Substanz verbrennt auf dem Platinblech ohne Rückstand , in der
Röhre sublimiert unter Ausstossung gelber Dämpfe von wachsähnlichem Ge-
ruch ein braunes Oel. Beim Erhitzen mit Kaliumsulfat entwickeln sich keine
Acreole’indämpfe, die Substanz enthält also keine Glyceride. In kaltem Alkohol
ist die Substanz wenig löslich ; in heissem Alkohol löst sie sich auf und er-
starrt beim Erkalten zu einem weissen Krystallbrei, der unter dem Mikroskop

18

Untersuchung

der wachsahn-
liclien Masse.

— 274 —

ein öemenge * darstellt von gewundenen Nadeln (ähnlich den Fettsäure-
krystallen) und kleinen Kügelchen , die sich oft der Form von Plättchen
nähern. Ebenso verhält sich die Substanz gegen Aether ; der Schmelzpunkt
der Substanz liegt bei 73—74° C.

Bei der Verseifung mit alkoholischer Kalilauge nach der Methode von
Hübl erhält man folgende Zahlen :

Säurezahl Aetherzahl Yerseifungszahl Verhältniszahl

16,66 122,91 172,89 7,3

Die verseifte Substanz ist nach dem Verdunsten des Alkohols nahezu
vollständig in Wasser löslich. Aus dieser Lösung werden die Fettsäuren
abgeschieden, und es zeigen dieselben einen Schmelzpunkt von 73 — 74° C, einen
Erstarrungspunkt von 68 — 69° 0.

Sowohl die ursprüngliche wachsähnliche Substanz , als auch die nach

der Verseifung daraus erhaltenen Fettsäuren werden der Elementar-Analyse
unterworfen. Dabei ergibt sich folgendes Resultat :

Wachsartige Substanz Fettsäuren

Kohlenstoff 62,72 °/ 63,75 °/

Wasserstoff 11,50 „ 12,82 „

Sauerstoff 23,43 „ 23,43 „

5. Verschiedene Bruchstücke von Farbplatten in verschiedenen
Farben, rot, braun, gelb, weiss und grau. Diese verhalten sich im allgemeinen
wie die Farbenwürfel. Die sich beim Erhitzen in der Röhre entwickelnden
Dämpfe reagieren aber alkalisch; durch Wasser wird eine Spur einer
klebrigen Substanz ausgezogen , die nicht näher identifiziert werden kann.
Beim Ausziehen mit Chloroform erhielt ich 4°/o einer weissen, harten, mehr
fett- als wachsähnlichen Substanz, die sich im allgemeinen ganz wie die wachs-
ähnliche Substanz aus den Farbenwürfeln verhält und ohne Rückstand rer-
brennlich ist. Glycerin kann nicht nachgewiesen werden. Bei der Verseifung
nach der Methode Hübl erhielt ich folgende Zahlen :

Säurezahl Aetherzahl Verseifungszahl Verhältnis zahl

47,0 128,7 175,7 2,7

Zur Vornahme einer Elementar-Analyse reichte die geringe Menge er-
haltener Substanz nicht aus.

Harze konnten in diesen wachsartigen Substanzen nicht nachgewiesen
werden.

Scbluss- Schlussfolgerungen: Aus den Untersuchungen, welche mit den ge-

ringen Mengen erhaltener wachsartiger Substanzen ausgeführt werden konnten,
insbesondere auch aus der Elementaranalyse geht mit Sicherheit hervor, dass
diese Substanz weder ein unverändertes Wachs noch ein unver-
ändertes Fett, auch keine unveränderte Mischung von Fetten,
Oelen oder Wachs darstellt. Der Elementaranalyse nach stellt diese wachs-
artige Substanz eine oxydierte Fettsäure, eine Oxyfettsäure vor, ähnlich der
Trioxystearinsäure z. B., deren Zusammensetzung sich derjenigen der wachs-
artigen Substanz am meisten nähert, wie aus nachstehender Zusammenstellung
zu ersehen ist.

Wachsartige Substanz Trioxy- Fette Bienenwachs
aus den Würfeln Stearinsäure Durchschnitt
Kohlenstoff 62,72 65,07 76,01 81,61

Wasserstoff 11,50 10,84 11,35 13,86

Sauerstoff 23,43 24,09 12,64 4,53

Die Tatsache, dass die wachsartige Substanz, obwohl kein Glycerid und
kein Wachs, dennoch eine verhältnismässige hohe Verseifungszahl hat, bezw.
Aetherzahl, lässt sich so erklären, dass wir es hier mit Anhydriden der Oxy-
fettsäuren zu tun haben, indem zwischen zwei Molekülen derselben Anhydrid-
bildung stattfand, nach Art des Stearolactons (Benedikt 1897 S. 27; Geitel

— 27r, _

Journal f. prakt. Chemie L888 [2] 37, 53). Wir hätten demnach kein.- freien
Fettsäuren, sondern Anhydride von Oxyfettsäuren.

Diese aus den Würfeln und Platten erhaltene waohsartige Substanz ist
also anzusprechen als ein Produkt der Oxydation von Fettsäuren, welche
sowohl einem Oele, Fette oder auch der Palmitinsäure des Bienen-
waohses entstammen können. Wäre ursprünglich ein Fett oder fettes
Oel vorhanden gewesen, so wäre der erste Vorgang- der Veränderung im
Laufe der Zeit eine Spaltung desselben in Fettsäuren und Glycerin gewesen,
letzteres wäre nach und nach vollständig zu Kohlensäure und Wasser oxydiert
worden, dann hätte eine Oxydation der freien Fettsäuren, zuletzt eine Anhydrid-
bildung der gebildeten Oxyfettsäuren stattgefunden. Derartige Produkte sind
bisher nur durch Einwirkung von Oxydationsmitteln auf die Fette im
Laboratorium erhalten worden. Die Veränderungen der Fette und Wachs-
arten im Laufe längerer Zeiträume sind experimentell bisher nicht erforscht
worden.

18*

278

Anhang IV.

Verbreitung der alt-römischen Stuckmalerei in Deutschland.

Wo auch immer die römische Herrschaft festen Puss gefasst und mit
den römischen Cohorten die römische Kultur ihren Einzug gehalten hat,
lässt sich an noch erhaltenen Bauresten die grosse Verbreitung der antiken
Stuckmalerei erweisen. In den befestigten Lagern , den Quartieren der Le-
gionäre und den Hauptplätzen der eroberten Provinzen wurden die Gebäude
nach römischer Art erbaut; die Sieger brachten ihre Baumeister, Zimmerleute
und Arbeiter mit, und ebenso wie sie Heiligtümer, Thermen und Theater
errichteten, schmückten sie ihre Wohnstätten in der Weise der Heimat.

In Gallien bis an die Grenzen der Nordsee, am Rhein und an der Donau,
wo überall Ansiedlungen der Römer bestanden, finden sich derartige Reste,
die von der allgemein üblichen Ausschmückung der Bauten mit Stuckmalerei
Zeugnis ablegen. Für uns ist es deshalb von Interesse, an den hauptsäch-
lichsten römischen Stätten in Deutschland diesen Resten nachzugehen , um
auch an ihnen zu zeigen, wie die römischen Stuckarbeiter unter veränderten
äusseren Umständen ihre Technik auszuüben wussten.

Es ist begreiflich, dass die nordische Stucktechnik nicht in gleichem
Masse die Vollendung der römischen zeigen kann , weil das echte Material
nicht überall zur Stelle war. Statt des Marmormörtels sehen wir deshalb
vielfach nur feinen Sand gebraucht; auch die Dicke des Bewurfes ist eine viel
geringere, als sie z. B. die römischen Stucke zeigen. Einzelne Proben aus
Carnuntum, die sieh in meinem Besitze befinden, haben zwar eine Schicht von
Marmorstuck, aber diese Schicht ist kaum J /2 cm stark, während die römischen
oft mehr als 2 cm stark sind. Auch in der Glättung zeigen sie grosse
Unterschiede, und infolge dessen ist auch die Erhaltung sehr verschieden.
Da die Erhaltung vom Material und der angewendeten Methode abhängt , so
ist es klar, dass die nordischen Stuckmalereien römischer Provenienz schon
aus diesem Grunde nicht mit den südlichen auf eine Linie gestellt werden
können.

Immerhin ist es sehr bemerkenswert, dass sich am Rhein eine weit
grössere Menge antik-römischer Stuckmalereien erhalten hat, weil der praktische
Sinn der eingewanderten Stuckarbeiter gar bald die Fundstätten des sog. Trass
entdeckt und für Bauzwecke ausgenützt haben mag. Der Trass bot ihnen
in seiner Eigenschaft als natürlicher Zement einen willkommenen Ersatz für
die heimatliche Puzzuolanerde. Wo sie das geeignete Material nicht vorfanden
oder der Transport sich nicht verlohnte, nahmen sie zu anderen ihnen be-
kannten Mitteln Zuflucht, wie z. B. zu den zerkleinerten Ziegelsteinen, welche
dem Kalk als zweckmässiger Zuschlag beigegeben wurden. J )

*) Ueber die Verwendung von Ziegelstückchen oder Ziegel mehl zum
Mörtel der römischen Bauten zu Trier schreibt Architekt Schmidt an Wilmowsky
(Jahresber. d. Gesellsch. f. nützl. Forsch. Trier 1865 -08 p. 60) folgendes: „Die zor-

277

Im Folgenden gebe ich eine Aneinanderreihung von Notizen über
römische Stuckmalereien, die in Deutschland gefunden worden sind. Sic
macht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll nur die technische
Uebereinstimmung der nordisch-römischen mit den antiken Stuckmalereien
veranschaulichen :

1. Sehr geringe Anhaltspunkte für Malerei bietet das im Jahre 1859
aufgedeckte Haus des Tribunen M. Pilonius Victorinus zu Trier
worüber v. Wilmowsky (Jahresbericht d. Ges. f. nützl. Forsch, zu Trier
1861 — 1862) ausfübrlich berichtet. Ausser den Grundmauern und dem Mosaik-
belag des Atriums , dessen Wände in reicher Art mit Marmor bekleidet ge-
wesen zu sein scheinen, sind nur wenige Teile den Verwüstungen im Faule
der Jahrhunderte entgangen.

Bemalte Räume kommen kaum in Betracht ; ein Nebengernach des
Atriums „hatte, wie die herabgefallenen Verputzstücke beweisen, schwarz-
und rotpolierte, mit goldgelben Finien und Streifen verzierte
Wände.» Von den meisten der übrigen Räume war die Bekleidung, „wahr-
scheinlich ein Stucküberzug» , ganz verschwunden , ebenso die das Peristyl
schmückende Malerei. Nur die Wände eines kleinen Gemaches am Ende
des Peristyls „waren geschliffen und weiss gefärbt, der Sockel und
die Eckwinkel mit roten Band streifen bemalt». Das Haus des Pilonius
gehört der jüngsten römischen Bauperiode der Stadt an, welche, wie viele
andere, erst friedliche Veränderungen, dann kriegerische Zerstörungen erlitten
hat und stets wieder neu aufgebaut worden ist. In Trier unterschied Wil-
mowsky sechs deutlich getrennte Schichten, von denen die unterste die
noch unberührte Erde bildet. Erst die dritte, über einer früheren römisohen
Schicht befindliche trägt das genannte Haus des Pilonius , nach den ge-
wonnenen Anhaltspunkten in die Zeiten Valentinian’s und Gratian’s fallend.

2. Die Funde in der Rheingegend bieten das sich immer wieder-
holende Bild des in römischen Ansiedlungen angewendeten Verfahrens ; soweit
die Reste es erkennen lassen , sind die Dekorationsmalereien sorgfältig auf
guten Stuckmörtel aufgetragen. So berichtet E. aus’m Werth über eine
„kleine römische Villa bei Stahl im Kreise Bitburg» (Jahrbücher des Vereins
v. Altertumsfreunden im Rheinlande Heft FXII , Bonn 1878 p. 4) und darin
über einige Räume an der Südfront, die als „die eigentlichen Wohnräume
des Fandhauses zu betrachten sind, auf welche Bestimmung der Fund ein-
zelner Stücke sorgfältig bemalten Wand verputzes hindeutete. In einem
der vier Räume, im südöstlichen in gelber Farbe mit roten Linien de-
korierten Eckpavillon, war auch noch der gegossene Estrichboden wohlerhalten.
Im grössten der vier Wohnräume, im Triolinium , zeigten sich Spuren von
roter Bemalung mit grünen Linien.»

3. Bei der Ausgrabung einer römischen Villa zu Nennig wurden
ebensolche Wandreste aufgedeckt, worüber v. Wilmowsky (die römische

kleinerten gebrannten Ziegel, oder besser das Ziegelmehl, geben dem Kalk eine
hydraulische Eigenschaft, weshalb diese Mischung bei in der Feuchtigkeit stehendein
oder sehr dickem Mauerwerk stets mit Nutzen angewendet wird, indem die zum Er-
härten des Mörtels nötige Kohlensäure in solchem Mauerwerk nur sehr langsam aus
der Luft eingesogen wird. Die Römer haben aber diese Sachen hier zu Trier nicht
so genau genommen, und haben in der Regel nur da diese Ziegelstückchen an-
gewendet, wo sie entweder rein mit Ziegeln oder auch mit Ziegeln und anderem
Material, gewöhnlich Kalksteinen, seltener Sandsteinen, in abwechselnden Schichten
bauten. So findet man bei dem aus Kalksteinen errichteten Mauerwerk des Amphi-
theaters, sowie auch dem aus Kalksteinen bestehenden Mauerwerk der sehr massiven
Fundamente der sog. römischen Bäder diese Ziegelstückchen nirgends angewendet.
Dagegen kommen sie in dem Gemäuer über der Erde des letzten Baues, welches
von Ziegellagen durchschichtet ist, und an der Basilika, deren Mauerwerk ganz aus
Ziegeln besteht, durchgängig vor. Bei schwächerem Mauerwerk, wie es bei Privat-
wohnungen gewöhnlich vorkommt, sind aber diese Ziegelstückchen im Mörtel des
Mauerwerkes nur sehr selten zu finden, wogegen sie in dem Mauerverputz gewöhnlich,
in den Estrichen mit wenigen Ausnahmen immer, und in Baderäumen und Wasser-
leitungen immer und zwar ohne Sand angewendet werden.»

Eiaus des
Victorinus
zu Trier.

Funde in der
Kheingegend.

Rom. Villa
zu Nennig.

278

Reste von

Malerei zu

Trier.

v. Wilmowsky

über
die Technik.

Villa zu Nennig, Bonn 1864 p. 2) berichtet: ,,Die Gemächer hatten ver-
putzte Wände, die geschliffen und poliert in zinnoberrotem oder
schwarzem oder hochgelbem und weissem Grunde gemalt waren. Die
Friese waren mit schwimmenden Delphinen geziert, und auf den Flächen der
grossen Wandfelder waren kleine landschaftliche Scenen mit Urnen , Schilf-
büscheln etc. Die Einrahmung der Flächen bestand aus gemalten architektonischen
Gliederungen, aus denen phantastische Blätter und Blumen sich entwickeln.»

4. Ausführlichere Nachrichten über einen „Ueberrest römischer De-
korationsmalerei in Trier» gibt v. Wilmowsky im Jahresbericht der Ge-
sellsch. f. nützliche Forschungen zu Trier, 1865 — 1868 p. 56 ff. Im Mai 1868
stiess man bei Neuausgrabungen für einen Keller auf antike Mauern und
bald sah man einen Teil eines grossen Gemaches — eines Saales — , an das
sich ein kleineres anschloss. Die Wandmalerei des ersteren war gegen sieben
römische Fuss lang erhalten.

Fundbericht: „Der Sockel der Malerei war rötlich-braun, neun Zoll hoch
und lief ununterbrochen über der Sohle hin. Darauf kam der schwarz-
polierte Fries; er war zwanzig Zoll hoch und in Abständen von fünf Fuss
durch rote, aufsteigende, sechzehn Zoll breite Friese geteilt. Ueber den Fries
war eine architektonische Gliederung, ein Sims gemalt, der aus vorstehender
Platte und darunterliegendem Wulst bestund. Die Platte war wie Giallo
antico, der Wulst wie grünlich-weisser Marmor behandelt. Auch er lief, wie
der Sockel, ohne Unterbrechung an den Wänden durch. Ueber ihm begannen
dann die grossen Wandflächen, rot poliert, und durch schwarze, schmälere
nur elf Zoll breite Friese wieder in Felder geteilt.»

„Der hohe, schwarze, horizontale Fries über dem Sockel zeigte auf
grünem , mit aloeartigen Pflanzen bestandenen Boden einen grossen Wasser-
vogel mit weissem Gefieder, langem roten Schnabel und sehr langen roten
Beinen. Zwei feine Federn, die seinen Kopf schmückten, hingen nach dem
Rücken hinab. Seine Flügel und sein Schwanz waren kurz, sein ganzes
Federwerk flaumartig. Die Gestalt , Farbe und Art des Gefieders schienen
den grossen Silborreiher (Ardea egretta) zu bezeichnen , der im südlichen
Europa wohnt, zuweilen auch in Deutschland erscheint.

„Die aloeartigen Pflanzen, vor und hinter dem Silberreiher, waren saftige
kräftige Büsche, und der schöne grüne Boden verlief sich sanft, ohne Härte
in den schwarzen Grund.

„Auf den roten, vertikal aufsteigenden Zwischenfries war eine goldgelbe
Vase gemalt ; ein hohes wohlgestaltetes Gefäss mit kanneliertem Bauche, mit
schlankem Halse und zierlichem Stöpsel , es hatte zwei hohe Henkel , von
denen violette, seidene Schleifen herabhingen. Die Malerei des Fusses war
zertrümmert. Die goldene Vase hatte eine Höhe von 18 Zoll.

„Der Wechsel der Farben vom Schwarzen ins Grüne und gebrochene
Weiss, sowie vom Roten, Gelben und Violetten machte einen sehr gefälligen,
heiteren und ruhigen Eindruck. Matte weisse Linien , welche die Friese
einfassten , hoben die schimmernden Gründe. Die Malerei entspraoh jener
der hiesigen ältesten und der besten pompejanisohen B>iese.» Wilmowsky
setzt sie daher in die Periode der Flavier. — Hiemit stimmt das Material
der Unterlage sowie die Technik des Mauerwerks und endlioh das noch
gänzliche Fehlen von Mosaik und Marmor überein ; vermutlich war der Fuss-
boden, wie auch bei anderswo gefundenen römischen Bauten, mit Holzdielen
belegt (Krypta des Domes zu Trier).

Interessant ist, was v. Wilmowsky von der Technik berichtet, schon
deshalb , weil er mit hervorragender Beobachtungsgabe ausgestattet das
charakteristische der Malerei erkannt und dabei durch eigene Versuche der
Sache näher zu kommen gesucht hat.

Technik : „Das Mauerwerk bestand aus rotem Sandstein, welcher jenseits
des Flusses, am linken Ufer der Mosel, und unweit der Stadt gebrochen
wird. Die Mauer war zwei römische Fuss stark, ihre Steine waren wohl-
abgerichtet und regelmässig geschichtet, wie im Amphitheater. In den Fugen

— 279 —

hatte man zum besseren Eingreifen des Verputzes mit einem spitzen Instrumente
Linien eingerissen.»

,,Der Mörtel der Mauer und ihr Verputz bestanden aus Kalk und
Bachsand, ohne Beimischung von Ziegolbröckohen und Ziegelmehl, sowie auch
die Mauer keine bindenden Ziegelsohichten zeigte.» (Es existierten bei ihrer
Aufführung, wie Wilmowsky daraus vermutet, noch keine römischen Ziegel-
bauten zu Trier.) »

„Der Verputz war zwei Zoll dick, nach Vorschrift der Alten „ge-
schlagen», und liess drei Schiohten erkennen, von denen die oberste feiner
als die unteren war. Auf dieser lag, nur eine Linie dick, eine Schicht von
weissem Marmorstaub oder Kreide, und auf diese war die zinnoberrote und
schwarze Färbung aufgetragen ; die Farbe war dünner als ein Kartenblatt und
bis zum vollen Glänze poliert».

Wilmowsky muss dieser Umstand aufgefallen sein, denn er fügt
hinzu: „Das Bindemittel, dessen sich die Alten bei dem Färben der Wände
dieser Art bediente, ist noch nicht mit Sicherheit wiederentdeckt. Einige
meinen, das Bindemittel sei harziger und öliger Art, und vermuten, dass es
aus der Milch der Feige und dem Dottei des Eies zusammengesetzt sei.»
Bei den Versuchen, die Wilmowsky selbst mit mattgewordenen
Fragmenten anstellte, fand er, dass diese ihren Glanz erst dann wieder-
erhielten, wenn er sie bis zu ihrer Erwärmung rieb. Diese Erscheinung
erklärte er sich dadurch, dass die Wärme die noch nicht ganz erstorbenen
Wachsteile wieder belebe und auf die Oberfläche ziehe , und er bezeichnete
die Malerei daher als enkausti scher Art. Er erinnert dann an die von Vitruv
und Plinius beschriebene Methode, die mit Zinnober bestrichenen Wände oder
Steinfiguren mit punischem Wachse zu überziehen und durch Erwärmung das
Wachs einsaugen zu lassen (Ganosis), und bemerkt hierzu: „Auch hatte ich bei
Untersuchung der Wandbekleidungen mit Marmor und grünen und roten Por-
phvrblättchen sowie bei Prüfung der farbigen Mosaikwürfelchen wahrgenommen,
dass die Römer diese Täfelchen und Würfelchen wohl mit heissem , ge-
schmolzenem Wachs getränkt und poliert hatten. Meine eigenen Versuche
bestätigen diese Beobachtung. In die antiken Steine war das Wachs manchmal
zwei Linien tief eingedrungen. Schliff ich die lebhaft schwarzen rnusivischen
Würfel nun ab, so wurden sie bläulichgrau, wie Schiefermarmor. Erwärmte
und tränkte ich sie dann mit heissem , durch flüchtiges Oel verdünntem
Wachs und rieb sie nach der Erkaltung mit Linnen, so erhielten sie wieder
die Lebhaftigkeit und Politur der römischen Würfel. Gleiches versuchte und
erreichte ich bei Porphyrtafeln.»

Was Wilmowsky weiter von der Technik sagt, zeugt wieder von
treffender Beobachtung, obwohl ihm das Wesen der Unterschiede nicht völlig
klar geworden ist: ,,Die obengedachten Wände, sagt er, sind keine Fresken,
denn ihre Farbe ist nicht in den Kalkstuck eingedrungen ; sie ist auf keinen
nassen, sondern einen trocknen Grund aufgetragen; dieser besteht nicht aus
Aetzkalk, sondern aus einem kreideartigen, kohlensauren Kalkweiss, welches
sich mit allen Farben verträgt und sie gegen den darunter liegenden Aetz-
kalk des Mörtels schützt.»

Bei dem Versuche, die Unterschiede genau zu präzisieren, gelangt Wil-
mowsky zu dem Ergebnis, dass mehr als eine Verfahrungsweise der Malerei
anzunehmen sei; er sagt: „Von antiken eigentlichen Fresken habe ich bis
jetzt in Trier nur ein einziges Bruchstück gefunden. In diesem war die de-
korative Malerei, gekräuselte Bänder vorstellend, in den Stuckbewurf tief ein-
gedrungen (1. Art). Bei einem anderen einfarbigen Bruchstück sah ich die Farbe
in die Kreideunterlage zwar eingesogen, allein die Farbe war nicht poliert, man
sah alle Pinselstriche; sie war sehr dick aufgetragen und nur unvollkommen,
sehr wässrig, von der Unterlage eingesogen (2. Art). Dagegen fand ich
FYagmente , deren Färbung ohne weisse Unterlage unmittelbar auf den ab-
geschliffenen Verputz gebracht und doch nicht im mindesten eingedrungen

— 280 —

war. Hier musste der Grund trocken und das Bindemittel teniDeraartie sein
(3. Art).»

„Was nun das Technische der eigen tlichen Malerei, die von der
Hand des Künstlers auf dem schwarzen und roten Grunde ausgeführte Dar-
stellungen des Silberreihers, des Pflanze nwerkes und der Vase betrifft, so
hatte der Maler sie zuerst mit dünner fast durchsichtiger Farbe angelegt, ‘wo-
durch jede Härte der Umrisse vermieden wurde; dann schattierte er sie mit
stärkeren Farben, wobei er die Pinselstriche nur da vertrieb, wo der Gegen-
stand glatt erscheinen sollte, sie dagegen absichtlich stehen Hess, wo sie,
wie bei den flaumartigen Federn des Wasservogels, wohl angebracht waren;
endlich setzte er die höchsten Lichter mit ganz pastoser Farbe auf, wodurch
der Gegenstand eine Art von Rundung und Modellierung erhielt. Die Farben
hatten hierbei keinen lebhaften Glanz, wie die Gründe, sondern nur einen
milden Schimmer, und traten daher dem Auge, von jedem Standpunkt aus
gesehen, angenehm und deutlich entgegen. In der Naturtreue und geschickten
Ausführung erkannte man den eigentlichen Künstler. — Dagegen war die
Färbung des Sockels, die Einfassung der Friese mit Linien, die Herstellung
des Simses einem untergeordneten Gehilfen überlassen, was schon die Be-
handlung der architektonischen Gliederung verriet.»

Leider konnte Wilmowsky, da die Arbeiter mit dem Ablösen von der Mauer
nicht vertraut waren, der Gegenstand demnach nicht zu retten war, nur eine
Skizze in Farben nach dem Original anfertigen.

Wa^dbeiBonn 5 – Ueber die Ausgrabungen bei Bonn vor dem Kölner Tor im Herbst

1876 berichtet F. Hettner (Eine römische gemalte Wand, Jahrbücher
d. Vereins v. Altertumsfreunden im Rheinlande, Bonn 1878 Heft LXII p. 64)
wie folgt: „Bei den Grundarbeiten für die neue Klinik in Bonn sind im Herbst
1876 eine grosse Anzahl Bruchstücke von römischen Wandbewürfen aufgefunden
worden. Dieselben befinden sich im Universitätsmuseum rheinischer Ahertümer
zu Bonn. Die Bruchstücke sind 2 . 30 m unter der heutigen Erdoberfläche
längs der Süd- und Westmauer des östlicheren der zwei römischen Gebäude
aufgefunden worden, deren Grundrisse im 59. Heft Taf. II abgebildet sind,
und haben darum wahrscheinlich den von diesen Mauern eingeschlossenen
Raum geschmückt.»

Nach den a. a. 0. gegebenen Abbildungen zu schliessen, ist der Charakter
der Malereien dem der pompejan. und römischen völlig gleich. Nur die auf
Tafel V und VI als Nummer 7 und 8 abgebildeten Stücke sind im westlichen
Gebäude gefunden, sie sind von General von Veith a. a. 0. besprochen. 2 ) Sie
gehören, nach Hettner, einer viel späteren Zeit an als die Bruchstücke der
östlichen Gebäude; die Farben scheinen ihm nicht a fresko auf-
getragen zu sein.

Die Zusammenstellung der Bruchstücke ergibt folgende Gesamtanlage:
„Schwarze mit farbigen Ornamenten gezierte Pflaster teilen die Wandfläche,
welche rot gestrichen ist, in einzelne Felder. Ueber den roten Feldern be-
finden sich Friese auf schwarzem Grund mit weissen Ranken und
Amazonenkämpfen, über den Pflastern gelbe Felder mit roten Verzierungen
Die gelben Felder und Friese begrenzt ein grüner Streifen ; an diesen stösst°das
Gesims, welches die Decke trug. — Unter den roten Feldern und den
schwarzen Pflastern zog sich ein breiter Sockel hin, welcher schwarz gefärbt
ist unter den roten Feldern, rot unter den schwarzen Pflastern. Die °Decke

-) „Bemalter Putz zeigt sich an mehreren Stellen noch fest anliegend. Vor
der inneren Südwand des Nordflügels lagen herabgefallene Wandmalereien von 3 cm
Uicke, die eine Nachbildung von Marmorflächen zu sein schienen. Grüne Flächen
0,1b breit und mehr als doppelt so lang, waren von 4 cm breiten roten Streifen um-
geben, und durch diese Streifen von gelblichen Flächen getrennt Sowohl diese
grünen als gelben Flächen waren von unregelmässigen roten Adern durchzogen
An der Nordseite des Gebäudes lagen grössere Verputzstücke mit wechselnd roten
weissen und schwarzen Streifen von 3 cm Breite.»

— 281 —

war weiss gestrichen mit roten, grünen, schwarzen EinfassungslinieD und roten
Hanken mit grünen Blättern geziert.»

Sehr reich sind die Pilaster, wie sie sich zahlreich auf pompejanischen
Wunden finden. Vögel und geflügelten Panthern ähnliche Tiere mit phantastischen
Köpfen sitzen auf Ranken, welche aus dem Stamme des Kandelabers unter
den Schirmdächern ähnlichen Unterteilungen hervorwachsen. Auf dem obersten
Schirmdach steht eine Sehale, aus der ein Vogel zu trinken scheint, auf den
folgenden perspektivisch gezeichnete Scheiben. Von den Amazonenkämpfen
sind vier zusammenhängende Bruchstücke erhalten. Tafel III und IV zeigen
zwei Einzelkämpfe zwischen je einem Griechen und einer reitenden Amazone.
Links erwartet ein Grieche in fester Haltung eine mit geschwungener Doppel-
axt auf ihn zustürmende nackte Amazone. Rechts wird eine Amazone von
einem Griechen verfolgt. Die Amazone wendet sich fliehend nach dem Ver-
folger, um sich zu verteidigen. Die Höhe des Figurenfrieses beträgt ca.
20 cm. Die Technik ist flott und sicher, die Bewegungen sehr lebendig.

Dieses Beispiel zeigt, dass es auch in Deutschland Maler gegeben hat,
welche imstande waren, nicht nur ornamental gehaltene Figuren, sondern
auch ganze Gemälde auszuführen. Demnach liegt der Gedanke nahe, dass
bei der Bonner Wand, deren Friese und Pilaster reich ausgestattet sind, die
Felder mit Bilder geschmückt gewesen seien. Von diesen ist jedoch kein
Bruchstück gefunden worden. Hettner folgert daraus, dass keine eigentlichen
Gemälde die Mittelfelder einnahmen, dass „gerade damals in Bonn kein Maler
zur Hand war, welcher der Ausführung solcher Gemälde gewachsen war».
Dagegen, meint er, „muss im Hinblick auf die Ornamente die Gewandtheit
des Dekorateurs, mit wenig Mitteln einen vollen Eindruck zu erreichen, und die
Sauberkeit der Ausführung anerkannt werden».

Der Bewurf besteht in der obersten 0,002 m hohen Schicht, auf welche
die Farbe aufgetragen ist, aus feinstem Kalkmörtel und Kalkspatkörnchen,
darauf folgt eine 0,007 m dicke Schicht weissen Sandmörtels und zwei
Schichten gröberen Mörtels, jede 0,02 m stark. Der Bewurf entspricht dem-
nach, wie alle „rheinischen Freskoarbeiten», an Güte nicht den Forderungen
des Vitruv und Plinius, zeichnet sich aber immerhin unter den bekannten
einheimischen Freskobruchstücken aus.

0. Bei einer Ausgrabung zu Trier i. J. 1878 für den Bau eines Kellers (Jo- hau^’in^Trier.
hannisstr. 290 c) stiess man auf ein römisches Wohnhaus. Nach Hettners Be-
richt (Jahrbücher d. genannt. Vereins, Bonn 1878 Heft LXIV. p. 111) waren
zwei Bauperioden zu unterscheiden ; die Ueberreste der älteren w aren besser
erhalten, da sie 1,50m unter dem Estrich der jüngeren lagen. Sonach
konnten von der ersten Anlage vier viereckige Räume freigelegt werden und
von einem fünften eine Apsis. Die Wände desselben waren in pompe-
janischer Weise gemalt und mit Tierfiguren geziert. Im ganzen fanden
sich zwei Hirsche, ein Luchs und ein viertes Tier, wie es schien, ein Bär,
indes gelang es nur einen Hirsch und den Luchs von der Wand abzulösen
und zu erhalten. Der Hirsch ist im Laufe dargestellt, er ist 0,80 m lang, mit
grünlich grauer Farbe auf roten Grund gemalt. Der Luchs ist etwas kleiner
und mit derselben Farbe wie der Hirsch auf einen gelblich braunen Grund
aufgetragen. (Im Prozinzialmuseum zu Trier aufbewahrt.)

7. In unmittelbarer Nähe von dem Fundort dieser (Trierer) Wände wurde
im August 1877 bei der vom dortigen Provinzialmuseum vorgenommenen
Freilegung eines grossen römischen Gebäudes in St. Barbara eine Anzahl
von Wandbewurfstücken aufgefunden , deren Zusammensetzung ergab , dass
die Hauptfläche der Wand wiederum rot gemalt und durch schwarze Pilaster
in Felder getrennt war. Auf den Pilastern befindet sich ein Aufbau, welcher
dem auf den Pilastern der Bonner Wand sehr ähnlich ist. Auch hier die Schirm-
dächer und von den Schirmdächern herabhängende Bänder. Aber der Stamm
ist nach Art einer Pflanze stilisiert und mit grüner Farbe und graubraunen
Schattenlinien gemalt.

_ 282

Antikes g Bezüglich einer von Bone (Bd. LXI der Jahrbücher) publizierten Dar-

medaiiion. Stellung- einer weiblichen Figur, welche Eigentum des Provinzialmuseums von
Trier ist, stellte Hettner (ebd. Bd. LXII, p. 70 Anm.) fest, dass die Uni-
rahmung erst in neuerer Zeit durch den Maler Steflgens hergestellt worden ist,
der auch kleine Partien der Gewandung und des Hintergrundes ergänzt hat.
Das Bildchen zeigt den en face gestellten Kopf und einen Teil der Brust. Der
Kopf ist mit einem Kranze geschmückt. Das Haar ist hinter den Ohren in je
zwei Flechten zusammengenommen, welche mit einem weissen Bande durch-
wunden sind und an beiden Seiten des Halses herabhängen. Der Körper ist
mit einem rötlichen Chiton bekleidet, dessen Falten dunkelrot gemalt sind. In
der erhobenen (fehlenden) Linken hält das Mädchen einen Korb. Das Bildchen
ist mit sicherer gewandter Hand gemalt und steht den besseren Malereien
Pompejis nioht nach. Wilmowsky vermutete, dass das Stück in Trier bei dem
Bau des Redemptoristen-Klosters gefunden sei, wenigstens seien um die Zeit, als
das Bildchen auftauchte, ebenda viele Freskobruchstücke (von einem derselben,
einem Olivenzweig mit grünen Blättern und weissen Früchten auf schwarzem
Grunde, besass er selbst eine Abbildung) gefunden worden, deren Technik
mit diesem genau übereinstimme.

Ueber die Unterlage berichtet Bone (p. 47): „Zunächst über dem (neuen)
Rahmenrande erscheint noch ungefähr 3 /4 cm dick eine Lage von feinem
Sandmörtel, von welchem die Kalkteilchen ziemlich mürbe geworden zu sein
scheinen; die Sandteile sind rundlich und meist grauschwarzer Färbung; von
Ziegelbruchstücken oder Gefässcherbenteilchen bemerkte ich keine Spur.
Ueber dieser Sandmörtelschicht liegt eine Schicht Mörtel von viel hellerer
Farbe; sie ist durchsetzt mit kleinen durchscheinend weissen Steinchen (es
sind wohl ohne Zweifel Marmorstückchen); diese sind infolge des Festschiagens
fast mauerartig geordnet und haben im Querschnitt eine Länge von etwa x t,
eine Höhe von etwa 1 Millimeter ; die ganze Schicht hat eine Dicke von ca.
3 Millimeter. Auf diese Schicht folgt endlich diejenige , welche der Malerei
unmittelbar zur Grundlage dient : sie ist etwa l 1 /-2 Millimeter dick; ihre Färbung
ist teils weiss, teils graulichweiss, von kleinen gröberen Teilchen ist sie nicht,
frei, man erkennt solche an vielen Stellen der Bildfläche, wo die schwarze
Grundfarbe besonders dünn aufgetragen ist, besonders deutlich».

Die Technik des Bewurfes entspricht also im ganzen den Vorschriften
der Alten und der Technik, welche an den pompejanischen Wandge-
mälden sich gezeigt hat; ebenso stimmt sie im allgemeinen mit dem, was
v. Wilmowsky bei den Wandmalereien der ältesten römischen Baureste zu
Trier beobachtet hat. Da Bone’s Abhandlung sich hauptsächlich über die
Bedeutung der dargestellten Figur und deren Ursprung verbreitet und seine
Ansichten über die Technik sehr unklar erscheinen, so können wir darüber
hinweggehen.
Waudresto 9 m Kölner Museum Wallraff-Richart z befinden sich Reste von

römischen Wandmalereien, die nicht veröffentlicht und auch nicht photographisch
aufgenommen worden sind. Es sind vier Sockelfelder in rechteckiger Form,
eines schwarz, die andern gelb, mit einfachen breiten Bändern eingefasst.
Die Dekoration beschränkt sich auf 2 — 3 grüne Grasbüschel.

10. Ueber altrömische Wandmalereien in Strassburg i. E. , die alle
früheren Funde der Art bei Aveitem an Schönheit und guter Erhaltung über-
träfen, berichteten die Tagesblätter im Frühjahre 1901: „Auf dem Kleberplatz
sind drei Meter unter dem Pflaster die Bruchstücke einer ganzen Wand auf-
gefunden worden . deren Zusammensetzung die Bemalung der Wand deutlich
erkennen lässt. Die mehrere Meter lange Wandfläche war in drei rechteckige
Bilder geteilt, die von breiten hellgelben Streifen eingefasst wurden. Zwei
der Felder sind nur mit sogenanntem pompejanischen Rot gestrichen, das
dritte ist mit einer Gartenszene geschmückt. Drei Frauen arbeiten in einer
Gartenanlage, Bäume und Weinreben bilden den Hintergrund. Die mittelste
der Frauen hält eigentümliche Fäden , wohl Grashalme oder Bastfäden zum

— 283

A.ufbtnden der Reben, /wischen den Lippen. Der Grund des Hildes ist dunkel,
die Umrahmungen dagegen in lebhaften hellen Farben gehalten. Besonders
schön ist eine aus stilisierten Blumen auf schwarzem Grunde gebildete Um-
rahmung, aus Enzian und grossen Margueriten, welch letztere guirlandenartig
eine Schuppensäule umziehen. Ein anderes Motiv verwertet die stilisierten
Rüben, die später in der Renaissance wieder so viel gebraucht wurden. Auf
einem anderen Bilde endlich ist Herakles dargestellt, das Löwenfell mit dem
nach unten hängenden Rachen über die Schulter geworfen, wie er mit einer
jungen Frau plaudert/’ Aus dieser Schilderung ist ersichtlich, dass diese
Malereien weit über handwerksmässige Dekoration hinausgehen und wirklich
den Namen eines Kunstwerkes verdienen.

11. Weniger reich und auch weniger gut erhalten sind die römischen
Stuckmalereien in Salzburg, die jetzt teilweise im dortigen Museum auf-
bewahrt sind: Nach dem kleinen Modell der i. J. 1841 bei der Grund-
aushebung für das Mozart-Denkmal aufgedeckten römischen Ruinen waren
bei einigen mit Mosaikboden geschmückten Räumen die Sockelbemalungen
noch erhalten, u. zw. 1. ein auf rotem Grund fortlaufender Mäander, in dessen
Felder abwechselnd Vögel und Ornamente hineingemalt waren. Den roten
Sockel schloss ein gelber Streifen nach unten ab. 2. Ein kleiner Raum hatte
schwarzen Sockel, mit Blumengeranke verziert, wovon noch einige Original-
stücke aufbewahrt sind.

Das Museum enthält in sechs Rahmen eingegipste römische Stuckmalereien.
teils von der obigen Ausgrabung, teils von denen des Jahres 1890 in der
nächsten Umgebung (Mozartplatz 5) stammend, dann etwa zwanzig Teile von
einer konvexen Stuckbekleidung (einer Säule?), die Lattichblätter und Ranken
auf weissen Grund gemalt zeigen, endlich kleine Stücke mit gelber Bemalung
und reichen Ornamenten auf sehr festem Stuckgrund.

Die Art der Erhaltung ist sehr verschieden: während die zuletzt erwähnten
ausserordentlich fest sind , zeigt ein erhaltenes Stück des unter 2 genannten
schwarzen Sockels schwammiges, weiches Gefüge ohne inneren Halt; der
Bewurf besteht aus gemeinem Sandmörtel, ähnlich dem oben genannten aus
Carnuntum.

12. In dem kleinem Museum der Stadt Traunstein (Bayern) sind
Mosaiken und etliche Wandreste aus Ruinen einer römischen Villa zu Erl-
stadt bei Traunstein aufbewahrt, Die Farben des Wandstucks sind rötlich,
violett und schwarz.

13. Nach einer Notiz von Hefner in der Archaeolog. Zeitung (Anzeiger
1857 S. 14) über die Auffindung des jetzt im Nationalmuseum zu München
befindlichen römischen Mosaiks von Westenhofe n bei Ingolstadt hatte das
Gemach, worin sich der Mosaikboden befand, die Basilikenform und war
rings mit Ausnahme der Südseite, wo der Eingang gewesen zu sein scheint.
mit einer 4 Fuss hohen rot gemalten Mauer umgeben.

14. Reste von römischer Malerei im bayerischen Nationalmuseum zu
München stammen aus einer römischen Villa in Haltenberg am Lech
(aufgestellt im I. römischen Saal). Es sind verschiedene Malereien, wie
Streifen und Baudornamente, ohne Zusammenhang in einem Rahmen ein-
gegipst.

In Eining bei Kelheim hat sich aus der umfangreichsten römischen
Villa in Bayern von bemalten Resten nichts erhalten. 3 )

15. Im alten Carnuntum, jetzt Altenburg a. Donau, sind wiederholt
alt römische Wandmalereien ausgegraben worden.

Nach J. W. Kubitschek u. S. Frankfurter, Führer durch Carnuntum
(Wien 1891 II. Aufl.) befindet sich „bemalter Stuckbewurf» im Museum des

3 ) Vergl. Eining und die dortigen Römerausgrabungen (v. Wolfg. Schreiner,
Stadtpfarrer, Landshut 1886). Die römische Ansiedlung Abusina (jetzt Abpnsberg)
hat gut erhaltene Thermen mit ihren Heizvorrichtungen, Einzelbilder etc. Von Ma-
lerei ist nichts erhalten.

Stuck-
malereien in

Salzburg.

Erlstadt.

Westenhofen.

Halten! mix
am Lech.

Carnuntum,
Altenburg
a. Donau.

— 28 i —

Vereins zu Deutsch-Altenburg; dann „Proben von Ziegeln mit bemaltem Stuck-
bewurf» , auf zwei Säle verteilt , im Museum des Barons Ludwigstorff eben-
dort, sowie „in freier Kunstübung mit Genrebildern, mythologischen Szenen
u. a. bemalter Stuckbewurf» über den Hohlziegeln (die aus der Zentralheizung
warme Luft in die Räume führte). Es heisst ferner (p. 69) : „Hier (im Lager-
heiligturn) waren auch die Wandmalereien noch gut erhalten , auf gelbem
Grunde rote Streifen und in Feldern Figuren, so z. B. ein Speisenträger mit
weisser Tunica, der eine hellblaue Schüssel mit hellrot gemalter Speise mit
beiden Händen fasst und rechtshin eilt.»

(p. 72): Im Schlosse des Grafen Traun-Ebensperg: „bemalter Stuck,
dann Ziegel mit Stuckbewurf» (p. 78).

Nachtrag vorn Juli 1892 p. 3: Im Zimmer eines Gebäudekomplexes an
der Nordseite der Hauptstrasse „Bewurf mit Malerei»; an einer Stelle sind
die Wände eines Zimmers in anmutiger Weise mit Blumen und Blättern in
roter oder grüner Farbe ausgeziert gefunden , auch gelbe und weisse Orna-
mente; in einem Gemache Reste von Goldfarbe 4 ) auf dem Stuckbewurf.

4 ) Ausser dieser Angabe kenne ich nur noch ein einziges Beispiel von Gold-
omaraenten auf Stuckgrund alter Herkunft u. zw. im Dresdner Altertinum : Gold-
Maeander auf zinnoberrotem Stuck.

285 —

Anhang V.

Frühere Rekonstruktionen.

a) Enkaustik.

Auf keinem Gebiete der Maltechnik: ist soviel gemutmasst und versucht,
geschrieben und gestritten worden wie auf dem der Enkaustik ; denn
ausser dem Namen und den wenigen litterarischen Zeugnissen war über
diese Technik bis vor wenigen Jahren nicht das geringste bekannt. Nichts-
destoweniger oder vielleicht gerade wegen der Unzulänglichkeit der wenigen
Nachrichten ist diese Frage Gegenstand zahlreicher antiquarischer Unter-
suchungen und künstlerischer Experimente geworden, seit man anfing sich
für die antike Kunst und Kunsttechnik zu interessieren.

Alle Erklärungsversuche gehen von den Stellen des Plinius (XXXV, 122
und 149) aus, und der Streit dreht sich fast ausschliesslich um die Deutung
dieser grundlegenden , aber dem bisherigen Wortlaut nach nicht klaren
Stellen. Schon im XVI. Jht. beginnt dieser Streit der Meinungen und er
dauert seitdem fast ununterbrochen fort zwischen den Altertumsforschern
einerseits und den mehr ein praktisches Interesse verfolgenden Kunstlieb-
habern und Künstlern andererseits. Am entschiedensten sprach sich 1629
der als Polyhistor von staunenswerter Belesenheit auf allen Gebieten be-
kannte Franzose Claude de Saumaise 1 ) (Claudius Salmasins) in seinen Salmaaius.
„Exercitationes Plinianae» aus. Auf Grund streng grammatischer Aus-
legung des Wortlautes und in der Voraussetzung, dass die drei Arten der
Enkaustik durch drei einander ausschliessende Merkmale unterschieden sein
müssten , kam er zu folgendem Schluss : Die erste Art werde charakterisiert
durch die Bestimmung „mit Wachs» (cera) ; die zweite Art durch das In-
strument „cestrum» ; die dritte durch den Gebrauch des Pinsels bei heiss-
flüssigem Wachs (ceris igni resolutis penicillo) ; folglich gelte für die erste nicht
das Cestrum , für die zweite nicht das Wachs, und der heissflüssige Zustand
des Wachses mache bei der dritten Art das nachträgliche Einbrennen entbehr-
lich und verlange als notwendigen Gegensatz, dass bei der ersten Art das
Wachs sich in kaltem Zustande und seiner natürlichen Konsistenz befinde.
Darnach konstruierte er sich die Technik so :

1. Auf eine Holztafel wurde das gefärbte Wachs so, wie es ist, aufgetragen
und der Idee des Gemäldes gemäss ausgebreitet und verarbeitet; das fertige
Gemälde wurde hinterher mit Feuer eingebrannt, um die Unebenheiten aus-
zugleichen und die Farben, soweit nötig, zu verschmelzen. (Wie und mit

‘) Claud. Salmasius, Exercit. Plinianae in Solini Polyhistora, Utrecht 1689
p. 163 b D ff. (Erste Ausg. 1629). Von etwa gleichzeitigen Autoren sind noch zu er-
wähnen: Carlo Dati , Della pittura antica. Firenze 1667: Franc. Junius . de pictura
Veterum, Rotterdam 1694.

— 286

Johannes
Scheffer.

welchen Werkzeugen dies vollzogen werden sollte , hat Salmasius nicht an-
gegeben ; vermutlich hat er an ein spachtelähnliches Instrument gedacht.)

2. Auf Elfenbein wurde mit dem glühend gemachten Cestrum – , d. h.
einem spitzigen eisernen Stift oder Griffel, eine Zeichnung eingebrannt —
also ähnlich der modernen Brandmalerei auf Holz.

3. Bei der Schiffsmalerei wurde die heissflüssige Wachsfarbe mit dem
Pinsel aufgetragen. Auf dieselbe Weise wurden auch Türen und andere
Holzteile in der Architektur mit farbigem Wachsanstrich versehen.

Diese Erklärung richtete sich in versteckter Polemik gegen einen anderen
Franzosen, Louis de Montjosieu, 2 ) der etwa 40 Jahre früher i. J. 1585
seine Theorie auf die Ansicht gegründet hatte, dass zwar nicht das „Wachs»,
aber die Bestimmung „mit dem Cestrum» gleichmässig auf die beiden ersten
Arten bezogen werden müsste. Diese Ansicht wurde dann von dem Jesuiten
Hardouin wieder aufgenommen in der grossen Pliniusausgabe, die er 1685
unter Ludwig XIV. in usum Delphini herausgab , und in der er aus ge-
lehrter Eifersucht jede Gelegenheit wahrnahm, Salmasius zu bekämpfen.
Er behauptete, die Sache sei sehr einfach und, so sehr man auch Irrtümer
darüber verbreitet hätte, ein für allemal festgestellt:

1. Auf einer Holztafel habe man eine Zeichnung mit dem Gestrum,
wie der Kupferstecher mit dem Grabstichel, in Linienmanier eingraviert, die
Furchen und Vertiefungen mit farbigem Wachs ausgefüllt und das Gemälde
dann über ein Feuer gehalten , um durch Einbrennen das Wachs auf der
Tafel zu befestigen.

2. Auf Elfenbein aber habe man die Zeichnung mit dem glühenden
Cestrum eingraviert und bei der Kolorierung das Weisse des Elfenbeins
stehen lassen und für die Lichter benützt, die Mitteltöne dagegen und die
Schatten mit gewöhnlicher Farbe — ohne Wachs ausgefüllt.

3. Die dritte Art bedürfe keiner weiteren Erläuterung.

Mit einer geringen Variante hatte der Augsburger Johannes Scheffer 3 )
schon 1669 erklärt, dass man auf Holz oder einer anderen Unterlage die
Linien mit heissem Griffel eingegraben und in die so entstehenden Vertiefungen
farbiges Wachs eingeschmolzen habe; in gleicher Weise sei auf Elfenbein
verfahren worden, so dass das cestrum das für beide Arten gemeinsame In-
strument gewesen sei.

Dies sind die ältesten Auffassungen , die einander gegenüber stehen.
Die Folgezeit hat sich in der Hauptsache (dass das Cestrum beiden ersten
Arten gemeinsam sei und zum Gravieren der Zeichnung gedient habe), auf
Hardouin’s Seite gestellt, und die anderen Bestimmungen kehren fast bei allen
späteren Erklärungen mit unwesentlichen Modifikationen wieder. 4 )

Neben diesem theoretischen Interesse der Gelehrten im engeren
Sinne lief lange Zeit das praktische Interesse der Kunstfreunde und
Künstler her, die durch die Wiederentdeckung einer einst gepriesenen
Technik der Malerei ihrer Zeit einen wichtigen Dienst zu erweisen hofften,
und diese sind es, die zu dem Anschwellen der Fachlitteratur über die En-
kaustik am meisten beigetragen haben. Sie gingen dabei weniger von sorg-
fältiger Analyse der überlieferten Nachrichten als von mehr oder minder
willkürlichen Experimenten aus und gelangten zu verschiedenen Methoden,
bei denen, um den Namen zu rechtfertigen, wenigstens das Einbrennen eine
gewisse Rolle spielte.

‘) Ludovici Demontosii Gallus Romae Hospes (Rom, 1585) p. 13—14.

*) Joannis Schefferi Argentoratensis Grafice id est de Arte pingendi , Nürem-
berg 1669 p. 55.

*) Zu diesen Auslegungsversuchen und deren Unterschieden in grammatischer
und sachlicher Hinsicht vgl. Böttiger kl. Schriften II, p. 88 Anm., Welcker kl. Schriften
III, p. 414 ff. und besonders die Nachweise bei Blümner IV, p. 444 Anm. 2, der selbst
der Auffassung von Donner sich anzuschliessen geneigt ist. Im übrigen sei auf die
früheren Ausführungen (p. 191) und das dort vorkommende Material verwiesen.

•2S7 —

Den nachhaltigsten Anstoss dazu gab der ans Lessings Laokon nooh Cayli«.
heute uns wohlbekannte Kunstmäcen Graf Caylus 5 ), der im Juli 1755 der
Academie des [nsoriptiona zu Paris ein Memoire über die enkaustische

Malerei vorlegte, nachdem er kurz vorher (November 1754) durch die öffent-
liche Ausstellung einer vom Maler Vivien angeblieh in der Enkaustik der
Alten gemalten Minerva eine höchst wirksame Reklame für seine Forschungen
gemacht hatte. Ganz Paris wollte das Gemälde sehen; so sehr war man
von der Nachricht der wieder entdeckten Malart überrascht. In dem mir
vorliegenden Dictionnaire de Peintnre von Pernot y (Paris L 7 ~> 7 ) spiegelt
sich der ungeheure Eindruck, welchen die sensationelle Nenheit in allen
Kunstkreisen damals hervorrief, in interessanter Weise wieder.

Es bildeten sich Parteien, und die ersten Mitglieder der Academie royale
de Peintnre standen vor einem Rätsel, wie man mit Wachs malen könnte,
ohne es vorher zu lösen. Man wollte an dem Geruch des Minervabildes.
welches nur zum Teil in enkanstischer Manier gemalt war (a. a. 0. p. 54),
eine Beigabe von Terpentinessenz erkennen, die zur Auflösung des Wachses
verwendet worden sei, und glaubte darin das Neue zu vermuten, da diese
Auflösungsart damals noch unbekannt war. Als aber das erwähnte Memoire
veröffentlicht wurde, erkannte man den Irrtum, denn die 4 Arten der En-
kaustik nach Caylus waren ohne Terpentinanwendung hervorgebracht.

Diese vier Arten sind :

1. Man trägt mit Farbstoffen gemischtes Wachs, das in Näpfchen über
einem Rechaud mit siedendem Wasser flüssig erhalten wird, mit dem Pinsel
auf ebenso erwärmte Holztafeln auf. Mischungen werden ebenfalls auf einer
heissen Palette gemacht.

2. Das mit Farben gemischte Wachs wird in Wasser gekocht und mit
einer elfenbeinernen Spachtel so lange geschlagen , bis das Wasser erkaltet
ist; dadurch wird das Wachs in kleine Parlikelchen geteilt, und es entsteht
eine Art Poudre, welcher im Wasser schwimmt und stets feucht gehalten
wird. Man gibt von diesen Farben soviel man braucht in Näpfchen und
malt mit gewöhnlichem Pinsel wie a tempera. Das fertige Bild wird dann
mittelst eines Vergolderofens oder dgl. eingebrannt.

3. Auf stark mit Wachs getränkte Holztafeln malt man mit Wasser-
und Gummifarben, erwärmt nach dem Trocknen die Malerei am Feuer, bis
das darunter befindliche Wachs erweicht ist und die Farbenschicht durch-
dringt. Damit die Wasserfarben auf dem Wachse besser haften, bestreut
man die Fläche mit einer feinen Schicht von Blanc d’Espagne.

4. Dasselbe Verfahren wie das vorige, nur wird zuerst mit Gummi- und
Wasserfarben gemalt, auf die fertige Malerei werden dünne Wachslamellen (in
Spielkartenstärke) aufgelegt und wie oben eingebrannt.

Graf Caylus hatte überdies im Vereine mit dem Arzte Majault noch
eine 5. Art, die Peinture ä la cire, gefunden ; sie beruhte auf der Auflösung
des Wachses in Terpentingeist unter Firniszugabe , und von dieser Mischung
sind fünf Sorten, je nach der Menge des beizugebenden fetten Oeles, be-
schrieben (a. a. 0. p. 67) ; da aber die Wärme hier nicht nötig ist . wurde
diese Art nicht als Enkaustik bezeichnet.

Im März 1755, kurz vor dem Bekanntwerden des Caylus’schen Memoires, Bacheher.
war die Pariser Kunst-weit mit einer neuen Entdeckung der Enkaustik über-
rascht worden. Die Maler Bachelier, Halle’ und Lorrain (nicht zu ver-
wecheln mit Claude L., der 1682 starb), hatten Versuche gemacht, das Wachs
mittelst Alkali (sei de tartre) zu lösen ; sie mischten Farben mit dieser Lösung,
malten auf Taflet oder Leinen und erhitzten das Gemälde ziemlich stark von

5 ) Caylus, A. C. Philippe de Tubieres, geb. 1692. f 1765, bereiste Italien,
Griechenland und Kleinasien; von 1717 lebte er in Paris den Künsten und der Alter-
tumswissenschaft. Seine Werke und Abhandlungen sind zahlreich, doch hat er das
Wesen der Antike nicht verstanden, wie dies Lessing im „Laokoon» und sonst ge-
zeigt hat.

__ 288 — –

rückwärts. Die drei Künstler beeilten sich bekannt zu machen, dass sie die
wirkliche Enkaustik der Griechen gefunden, da mit Wachs gemalt und das Ge-
malte eingebrannt werde. Ende März desselben Jahres erschien eine Broschüre,
Histoire et Secret de la Peinture en cire, welche Diderot zum Verfasser
haben soll, und in welcher diese neue Entdeckung gegen die des Grafen
Oaylus in den Himmel gehoben wurde. Die Gemüter schienen sich immer
mehr zu erhitzen, wie es noch jedesmal geschehen, wenn es sich um die
Wiedererweckung der antiken Enkaustik handelte; Frdron veröffentlichte eine
kritische Abhandlung in seiner „Annee litteraire» und in einem Pamphlet
„L’Art de peindre au fromage ou en Ramekin» machte sich ein Witzbold
(Rouquet) über die Bachelier’sche Entdeckung lustig. 6 )

Schliesslich sah die Akademie , von welcher der Sturm ausgegangen
war, sich veranlasst, selbst zur Lösung der Frage zu schreiten, und beauf-
tragte ihr Mitglied, den Gelehrten Monnoye, den Artikel über Enkaustik
für den Dictionnaire Encyclopedique zu bearbeiten. Es ist sehr interessant, zu
sehen , wie dieser sich in der Sache zurechtfand. Zunächst stellte er fest,
welche Forderungen nach Vitruv und Plinius an das Technische der Enkaustik
zu stellen wären, und zwar wie folgt :

1. Die Alten malten mit gefärbtem Wachs, welches sie vielleicht mit ein
wenig Oel vermischten, um es weicher zu machen, und bewahrten die Farben
in mit Abteilungen versehenen Kästchen.

2. Sie schmolzen diese Wachsfarben und verwendeten sie mit dem Pinsel.

3. Sie festigten ihre Gemälde durch Einbrennen mittelst eines mit Kohlen
gefüllten Beckens (Rechaud), welches sie über der Oberfläche hin- und her-
bewegten.

4. Sie machten das Ganze durch Frottieren mit reinen Leinentüchern
glänzend, und

5. sie malten auf Holz ihre transportablen Bilder , wie es an mehreren
Stellen heisst, und auch auf Mauerstuck oder Gips.

Nach diesen von ihm selbst festgestellten Bedingungen erklärte iMonnoye
die erste Art des Caylus für nicht identisch mit der Enkaustik der Griechen,
weil dabei heisses Wasser an Stelle des Feuers verwendet werde; die zweite
Manier hält er nach der Ansicht von Praktikern überhaupt nicht für aus-
führbar. Die dritte und vierte Art aber seien kaum die gesuchte En-
kaustik, w T eil sich diese beiden nicht auf Wandflächen gebrauchen liessen,
wie es Plinius und Vitruv forderten. Ebenso wird auch die Enkaustik
Bachelier’s kritisiert. Die erste von dessen vier vorgeschlagenen Arten (er
durfte doch nicht hinter Caylus zurückbleiben!), beruhend auf der Auflösung des
Wachses in Terpentinessenz , welche Bacheher schon einige Jahre früher
als Caylus verwendet zu haben behauptete (a. a. 0. p. 59), verwirft der Be-
arbeiter des Dictionnaire als in gar keiner Beziehung zur alten Enkaustik
stehend, weil das Wachs nicht heiss aufgelöst werde und die Malerei nicht
eingebrannt zu werden brauche.

Die zweite Art Bachelier’s, welche nur auf Leinwand anwendbar war
und darin bestand , dass mit Wasserfarben auf nicht appretierter Leinwand
gemalt, diese dann von rückwärts mit reinem Bienenwachs oder der eau de
cire genannten Wachslösung getränkt und an einem Vergolderofen eingebrannt
wurde, findet ebensowenig Gnade vor dem Kritiker, da diese Prozeduren sich
auf der Mauer nicht ausführen liessen, überdies das Verfahren mit der dritten
Art des Caylus grosse Aehnlichkeit habe. Die dritte Art Bachelier’s be-
ruhte auf der Verwendung des durch ein Alkali (sei de tartre) gelösten
Wachses, welches er „eau de cire» nennt; man mischt damit die Farben
und malt auf Leinwand, welche man öfters von rückwärts mit diesem

6 ) Mr. Rouquet hat es wohl kaum ahnen können, dass eine Zeit kommen würde,
in welcher man wirklich mit Käsequark nebst Bier malt, und dass diese Malerei
sogar sehr dauerhaft ist. Die grossen von Prof. Geselschap gemalten Wandgemälde
des Zeughauses (Ruhmeshalle) in Berlin sind mit Caseinf’arben gemalt.

— 289 —

Wachs oder Wasser befeuchtet; hernach wird das Einbrennen vorgenommen,
wodurch das Gemälde erst befestigt und die Oberfläche gleichmässig ge-
macht wird. Bei der vierten Art werden die gleichen Farben wie oben
benutzt und durch Auspressen der Feuchtigkeit mittelst Fliesspapier in eine
Art Wachspastelle verwandelt , mit denen gemalt wird ; zum Schluss folgt,
wie vorher, das Einbrennen.

Diese zwei letzten Methoden scheinen den kritischen Anforderungen von
Mr. Monnoye zu entsprechen, denn er macht hier keinerlei Einwände. Umso-
mehr macht der Verfasser des Dictionnaire de Peinture , welcher für Caylus
und seine Auffassung eintritt. Er findet mit Recht, dass diese Methoden
Bacheliers ebensowenig die Bedingungen der wirklichen Enkaustik erfüllen,
und es liesse sich heute seinen Einwänden leicht eine Reihe weiterer hin-
zufügen.

Das Hauptinteresse richtete sich, wie wir sehen, auf die Wieder- „ Caiau’s
11 i t» • i ,ir , „ [ , T • i l’iiniscliesoder

herstell ung des sog. runischen Wachses, die folgende Litteratur be- Bleodorisohes

schäftigt sich ausschliesslich damit, sowohl in Frankreich als auch in Italien
und Deutschland. Abbe Richard (Description historique et critique de l’Italie,
1758) nahm die Priorität für den Prinzen von San Severa in Anspruch,
und im Jahre 1769 gab Benjamin Calau, erst kurfürstlicher Hofmaler in
Leipzig, nachher Hofmaler in Berlin, eine Schrift heraus: Ausführlicher
Bericht, wie das Punische oder das Eleodorische Wachs aufzulösen
(Leipzig 1769). Er zeigte darin an, dass er das „punische oder eleodorische
Wachs, dessen Plinius gedenkt, und welches die Alten zum Auftragen der
Farben in der Wachsmalerei gebrauchten», wieder gefunden habe. Seine Kunst
bestand darin , das Wachs in einer Art Wasser aufzulösen , mit allen Arten
von Oel oder Gummi nebst beliebigen Farben zu vermischen, um damit „die
zartesten Gemälde» zu verfertigen. Er erhielt vom Könige das ausschliessliche
Privilegium , dieses Wachs , welches auch Buchdrucker , Buchbinder , Sattler,
Schuster und Tischler gebrauchen, um ihren Arbeiten damit Glanz zu geben,
in den preussischen Landen verkaufen zu dürfen. Calau starb 1785, ohne
sein „Geheimnis» veröffentlicht zu haben. 7 )

Gleichzeitig mit ihm scheint Joh. Gottlieb Walter das punische J.G.Walter.
Wachs wieder entdeckt zu haben; sein Sohn hat das ihm anvertraute Ge-
heimnis nicht veröffentlicht. Das „Material» besteht aus reinem Wachs, wel-
ches so zubereitet wird, dass man damit gleich wie mit Oel malen kann, dabei
aber die Eigenschaft besitzt, dass es :

1. mit den heterogensten Flüssigkeiten mischbar ist, mit Alkalien,
Säuren, Oelen, und zwar sowohl mit den einzelnen als mit allen zusammen;

2. mit Salzsäure, alkalischer Lauge, Terpentin-Spiritus und Wasser ge-
kocht werden kann, ohne zu zerfliessen ;

3. sich weder im warmen noch im kalten Wasser von selbst löst ;

4. durch Feuer nicht mehr schmelzbar ist. 8 )

7 ) s. Allg. Künstler-Lex. Zürich 1777, Suppl. p. 37. Vgl. auch: Beschreibung
einer mit Calauschem Wachs ausgemalten Farbenpyramide, wo die Mischung jeder
Farbe auf Weiss und drei Grundfarben angeordnet , dargelegt und derselben Be-
rechnung und vielfacher Gebrauch gewiesen wird, von J. H. Lamprecht (Berl. 1772).

8 ) Vgl. Friedr. Aug. Walter, Alte Malerkunst, Berlin 1821, p. 304. Wieg mann,
der sich mit Walters Angaben , die ihm sehr merkwürdig vorkamen, beschäftigt, be-
merkt dazu (Mal. d. Alten, p. 161): Dieser wunderbare Körper muss entweder der Stein
der Weisen sein oder gar nichts. Donner (Technisches in d. Mal. der Alten, p. 57)
berichtet, dass diese Eigenschaften durch Kochen des Bienenwachses unter starkem
Sodazusatz entstehen und fügt hinzu: „Versucht man diese Masse wieder über dem
Feuer zu schmelzen, so findet Schmelzung nur mit Teilchen derselben statt, und es
bildet sich in der Tat ein harter Körper innerhalb desselben, der sich nicht löst. Kocht
man sie in heissem Terpentinöl, so bleibt sie hart ; in kaltem Terpentinöl erweicht
sie sich nach und nach. Sie löst sich auch weder im kalten noch im warmen Wasser
von selbst auf; reibt man sie aber mit letzterem oder auch selbst mit
kaltem Wasser auf dem Reibstein, so bekommt man eine weiche, dick-
flüssige, sehr weisse Masse, die man verdünnen und mit Wasser zum
Anreiben mit Farben pul vern zum Malen sehr gut verwenden kann.

— 290 —

Zweifellos bediente sich Walter zur Lösung- des Wachses eines Alkali
(kohlensaures Kali oder kohlensaures Natron) und erzielte dadurch die ge-
suchte Wachsseife.
Lorgna. Auch Marchese Lorgna von Verona machte Versuche dieser Art. „Er

löste Wachs mit Alkali zu einem Seifenschaum, vermischte es mit arabischem
Gummi, dann mit Farben und malte damit. Aber das in Seife aufgelöste
Wachs wurde beim Einbrennen hart, liess sich nicht gut ineinander
schmelzen und konnte auch nicht mit dem Griffel aufgetragen werden, wie
doch die Alten getan haben. Ueberdies blieb die Befürchtung , das Alkali
möchte mit der Zeit die Farben selbst auffressen. Das Nitrum des Plinius
hielt Lorgna nicht für das uns bekannte, sondern für Natrum. Da das Natrum
bei Karthago häufig gefunden wird, so ist es sehr begreiflich, warum man
dem damit versetzten und in eine Seife verwandelten Wachse den Namen des
punischen Wachses gab.» (Lichtenberg. Magazin III, 3. S. 192; 1786.)
„ Torri. Graf v. Torri zeigte 1785 gleicherweise, dass das Nitrum der Alten

nichts anderes als das Natrum der Neueren sei (ebd. IV, 1. S. 173; 1786),
und eine ähnliche Ansicht muss Peterssen in Halle bei der Wachsmasse
geleitet haben, die er 1792 bereitete (Allg. Reichsanzeiger 1796 Nr. 28,
S. 281). 9 )
Taubenheim. Zu diesen Versuchen ist noch derjenige des Barons v. Tauben heim zu

zählen, durch eine weiche, pomadeartige Komposition von Wachs und Oel ein
neuartiges Bindemittel an Stelle der gewöhnlichen Oelfarben zu schaffen.
Er liess seine Erfindung durch den gleichfalls am Hofe des Ohurfürsten in
Mannheim lebenden Hofmaler Josef Fratrel erproben und glaubte damit
alle früheren Methoden in den Schatten zu stellen. 10 )
Requeno. Wesentlich neue Gesichtspunkte brachte endlich eine bedeutsame Schrift

des spanischen Exjesuiten Abbe Vincenzo Requeno, betitelt: Saggi sul
ristabilimento dell 1 antica arte dei greci e romani (Parma 1794), in welcher
über die alte Malerei bereits nach richtigen und klaren Grundsätzen geurteilt
wird. Inzwischen war nämlich ein ganz neuer Faktor der Beurteilung hin-
zugekommen; während Caylus und Bachelier nur die Quellenschriften als
Grundlage ihrer Versuche hatten, eröffnete die Aufdeckung von Herkulanum und
Pompeji (1748) ganz neue Gesichtspunkte, und die Frage drehte sich um den
einen Punkt, ob die dort gefundenen Gemälde enkaustische wären oder
nicht. Der Weg, den Requeno einschlug, war der einzig richtige, indem er,
von der Verwendbarkeit des Materials ausgehend, auf die Idee kam, mit
metallenen Griffeln verschiedener Form das heissgemachte Wachs auf-
zutragen und mit heissen Instrumenten zu verbreiten. Schliesslich kam
er dazu, 5 Unzen Mastix und 2 Unzen weisses Wachs nebst Farbenpulver
zusammen zu schmelzen und mittelst der „stiletti» die Farben auf ein Brett
aufzutragen, mit der Spitze der heissen Instrumente Farbe an Farbe zu legen
und dann auszugleichen, zu verbinden, andere Farben hinzuzufügen vi. s. w.
Die IL Art des Plinius erklärt Requeno als ein Einbrennen der Konturen
auf Elfenbein mit einem Glühstift. Die III. Art ist für ihn die folgende:
Er schmolz zuerst Wachs , Kolophonium und Weihrauch zu harter Pasta zu-
sammen, rieb die hierauf pulverisierte Masse mit Farbenpulver und Wasser
au, setzte etwas Eiweiss hinzu und malte mit dem Pinsel; zuletzt brannte
er die Malerei ein. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass er schon
damals die Frage der Enkaustik gelöst hätte , wenn er alle uns inzwischen
bekannt gewordenen chemischen Untersuchungen und die spät-ägyptischen
Mumienporträts hätte in Betracht ziehen können.

Mit Oel lässt sich in der Tat dieser dickflüssige Wachsbrei auch zusammenreiben und
als Oelwachsfarbe verwenden.» Donner zieht aber aus diesen, ihm demnach bekannten
Eigenschaften des pun. Wachs nicht die nötigen Schlüsse.

9 ) Vgl. Fr. X av. Fernbach, die enkaust. Malerei, München 1845 p. 24.

10 ) s. Jos. Fratrel, La cire alliee avec l’huile ou la peinture ä huile-cire,
trouvee ä Mannheim par M. Charles Baron de Taubonheim, Mannheim 1770.

– 291 —

Die Liste der Wiederhersteller der Enkaustik ist damit noch lange nioht Koiffeustein.
erschöpft. Auoh Joh. FrieÄr. Reifstein (oder Reiffenstein) 11 ) wollte
17SS in Rom das punische Waohs und die Enkaustik wieder erfunden haben,
und wir sehen sogar Goethe mit dieser Malerei in Verbindung. Mehrere
Stellen der „Italienischen Reise» zeigen, eine wie grosse Bedeutung dieser
neuentdeckten pseudo – enkaustischen Malweise von den Künstlern und
Dilettanten in der damaligen Fremdenkolonie Roms beigelegt worden ist.
Ihr eifrigster Beförderer war natürlich Reiffenstein selbst, der als Direktor
des Erziehungsinstitutes für russische Künstler in Rom und Gothaischer Hofrat
mit zuvorkommender Liebenswürdigkeit beiden Fremden denOicerone und künst-
lerischen maitre de plaisir zu machen pflegte. Goethe war mit ihm gleich nach
seiner Ankunft, Anfang November 1786, bekannt geworden und beschäftigte
sich einige Zeit ebenfalls mit Malversuchen dieser Art. Die grosse Kopie
der Raffaelischen Loggien aber, die nach Reiffensteins Anleitung in mehrjähriger
Arbeit vom Maler Unterberger enkaustisch auf Leinwand ausgeführt worden
war, hat er nicht mehr gesehen ; sie war kurz vorher an ihre Bestellerin, die
Kaiserin Katharina, nach Petersburg abgeschickt worden. Die Technik, in
der man sich so eifrig übte und von der man die grössten Erwartungen für die
Zukunft der Malerei hegte, war nach Goethes Beschreibung die eine Art des
Bachelier , durch die alkalische Lösung des Wachses mittelst Weinstein eine
Art Wachsseife zu erzeugen, die als Bindemittel der Farben diente, und das
Gemalte nachher zu erwärmen. Reiffensteins Methode bestand in der Her-
stellung eines „Gummi- und Wachswassers»; er hat dieses und einige zuge-
hörige Manipulationen in einem Aufsatz „Anweisung über die gegenwärtig in
Rom übliche Wachs-Mahlerey 1789″ umständlich beschrieben und auch ein
Rezept des „eigentlichen Wiederfinders der enkaustischen Malerey Requeno»
hinzugefügt. Der Aufsatz ist in der herzoglichen Bibliothek zu Gotha hand-
schriftlich erhalten und zum ersten Mal veröffentlicht in der „Deutschen Kunst»,
1897 Nr. 32, in meinem Artikel: Römische Wachsmalerei zu Goethes Zeit.

Alle Rekonstruktionsversuche auf Grund des vermeintlichen punischen Fabroni.
Wachses hörten mit einem Male auf, als die Ansicht, dass die Alten
ätherische Oele zur Lösung des Wachses gebraucht hätten, immer
mehr an Boden gewann. Fabroni 12 ) glaubte bei der Untersuchung eines
ägypt. Mumiensarges im Museum zu Florenz konstatieren zu können , dass
ausser dem Farbstoff nur Wachs zur Bemalung genommen worden sei,
und dass dieses Wachs durch Naphtha, das in Aegypten natürlich vor-
kommt, aufgelöst worden sei. Und dadurch wurde die Ansicht verbreitet,
die Griechen hätten das Wachs durch ätherisches Oel in den Zustand der
Pinselflüssigkeit gebracht.

Paillot de Montabert 13 ) griff die Idee der kalten Auflösung des Montabert.
Wachses in Terpentin zuerst auf und schlug ein Verfahren vor, auf ge-
eignet präparierten Wandflächen mit Farben, die in einer bestimmten
Mischung mit Wachs und Terpentinöl angerieben waren, zu malen. Er
fand besonders in den Kreisen der Künstler grossen Beifall und in dem Archi-
tekten Hittorff 14 ) einen ausserordentlichen Anwalt. Dieser hatte in seinem
grossen Werke die Frage der Polychromie der antiken Bauten wieder auf-
geworfen und sprach die Ueberzeugung aus, dass die antike enkaustische
Technik in der Auflösung des Wachses in ätherischen oder flüssigen Oelen
in Verbindung mit durchsichtigen Harzen bestanden habe. Auf Hittorff’s
Veranlassung wurden in der von ihm erbauten Kirche St. Vincent de Paul

«) Vgl. den eingehenden Nachruf in C. A. Böttiger’ s Kleinen Schriften,
Dresden u. Leipz. 1838, II p. 85.

«) Fabroni, Antichitä, vantaggi e metodo della pittura encausto in Antologia
(1796-1797) und in Annales de chimie T. XXVI, p. 104.

18 ) Paillot de Montabert, Traite complet de la peinture. Paris 1829 T. VIII
p. 526 f.

u ) d. J. Hittorff, Restitution du temple d’Empedocle a Selinonte ou l’Archi-
tecture polychrome chez les Grecs, Paris 1851.

19*

— 292 —

in Paris i. J. 1842 alle Malereien, darunter der grosse, das Hauptschiff voll-
ständig umschliessende Pries, von Plandrin und anderen Künstlern in dieser
Technik ausgeführt.
Pernbaoh’s Eine Nachahmung des Montabert’schen Verfahrens erfand , durch die

Erfolge der Pariser Künstler angeregt und um dem damaligen Bedürfnis nach
einem Ersatz des Preskoverfahrens zu entsprechen, der Münchner Konservator
P. X. Fern bach 15 ). Nach seinem Verfahren werden dem in Terpentin er-
weichten Wachs vornehmlich Bernsteinharz und Kautschuklösung beigemischt.
Es wurde in dem neuen Königsbau der Münchner Residenz angewendet, und
im Hohenstaufen- und Habsburger-Saal haben sich die Gemälde von Schnorr
von Carolsfeld, wie man sich überzeugen kann, in den 50 Jahren ihres
Bestehens sehr gut gehalten; dasselbe muss auch von dem nach dem Monta-

15 ) F. X. Fern bach, die enkaustische Malerei, München 1845. Das grosse
Interesse , welches der Sache entgegengebracht wurde , veranlasst mich hier einige
Details nach Fernbach’s zitiertem Buche anzufügen.

Die erste Voraussetzung für Fernbachs Verfahren ist eine trockne Wand-
fläche und die Isolierung des Mauerwerks durch Herstellung eines Luftschachtes von
0,05—0,08 in. Zur Wand , welche das Gemälde bedecken soll , werden nur trockene
Ziegel verwendet und zum I. Anwurf Flussand und 1 Jahr alter gelöschter Kalk
verwendet. Nach dem Trocknen folgt ein II. Bewurf von gleicher Beschaffenheit
wie der erste. Ein III. Bewurf folgt, so lange der II. noch nass ist (wenn jedoch der
II. trocken ist, wird ein engmaschiges Drahtnetz mittels Nägel befestigt, um die
Oberfläche wieder rauh zu machen). Darauf folgt der eigentliche (IV.) Bewurf aus alt
gelöschtem Kalk, fein pulverisiertem Quarz, 1 Teil gewöhnlichen Sand und 1 Teil
fein gestossener Schlacke. Man mischt diese Teile sorgfältig zusammen und giesst
das notwendige Regenwasser nachher zu. Unter fortwährender Benetzung der Wand
mit Wasser wird der Anwurf mittelst grosser und kleiner Holzkellen gemacht, und
soll nur 6—7 mm stark sein. Eine solche Mauer müsse ein Jahr mindestens trocknen,
die Fenster sollen bei gutem Wetter geöffnet, bei Nebel und Regen aber geschlossen sein.
Das Bindemittel für die Farben, mit welchen die Wandflächen getränkt und
dann „cauterisiert» wird, besteht aus:

3 Pf. reinem Wachs

15 „ unrectifiziertem Terpentinspiritus
P/4 „ Venetian. Terpentin
Die Masse wird vorsichtig erwärmt und auf die vorher erwärmte Wand auf-
getragen. Für die „Imbibition» erfordert eine Wandfläche von 16,50 m □ 18 — 20 Pf.
dieser Masse. Ist die Wand gut getränkt, so fügt man zur vorigen Mischung noch
eine schwache Bernsteinlösung im Verhältnis von 1 Pf. zu 3 Pf. hinzu. Mit dieser Mischung
wird die Wand gleichmässig überzogen. Das Rechaud (Cauterium) darf nicht näher
als 2—3 Fuss angewendet werden, und soll die Wachsschicht mindestens 2—3 Linien
betragen.

Darauf folgt die I. Farblage; bestehend aus:
4 Pf. Bleiweiss (cerussa)
1 „ weisse Kreide

in Mischung mit
l’/*Pf. schwacher Ambralösung, die gemildert ist
mit ] /* ,, Mohnöl

und 1 ji „ Wachsbindemittel (siehe unten).
Mit grossem breiten Pinsel wird diese Farblage gleichmässig aufgetragen und
völlig trocknen gelassen. 14 Tage bevor man die Malerei beginnen will, kommt eine
letzte Lage von Wachs, Terpentin und ein wenig Ambra.

Die Farben werden mit einem eigenen Wachsbindemittel angerieben, das
besteht aus 1 Pf. Ambralösung und 12 Unzen gelöstem Kautschuk. Für Weiss
dient als Bindemittel:

1 Pf. Bleiweiss
7 ! /2 Unzen Ambra
2 „ Wachs

2 „ Kautschuk

Die Cauterisation soll erst nach einem Jahre, eventuell 6 Monate nach der
völligen Trocknung der Wand, geschehen und, wo sich Folgen von Wandfeuchtigkeit
bemerkbar gemacht, nach 2 — 3 Jahren. Die zu diesem Zwecke dienliche Wachs-
mischung besteht aus 3 Pf. in Terpentin gelöstem sehr altem Wachs und 4 Unz.
Venet. Terpentin, welche, zusammen leicht erwärmt, bis zur Klärung stehen gelassen
wird. Mit dieser Mischung werden drei Lagen, eine 48 Stunden nach der anderen,
gegeben. Nach weiteren drei Tagen wird die Wandfläche mit den Rechauds sehr
vorsichtig und alle Teile gleichmässig erwärmt. Schliesslich frottiert man das Ganze
mit einer Bürste und endlich mit Flanellappen , was dem Bilde einen angenehmen
Glanz verleiht. Nach 7—8 Wochen wird diese Prozedur wiederholt.

— 293 —

bert’schen Verfahren 1842 gemalten Pries von Plandrin in der Kirche
St. Vinoent de Paul gesagt werden. Da man aber in Paris wie in München
vom Einbrennen des Gemalten als überflüssig abkam, so konnte von
einer wirklichen Erneuerung der alten Enkaustik nicht die Ilede sein.»‘)

Das Auffallendste an diesen auf die praktische Wiedereinführung
der „unverwüstlichen» antiken Technik gerichteten Versuchen war, dass man
die von den Chemikern Ohaptal (1809) und Humphry Davy (1815) ver-
öffentlichten Untersuchungen, wonach die Anwesenheit von Wachs in Mischung
mit Harzen in den antiken Wandresten von Pompeji und Ilom nicht erwiesen
werden konnte, völlig ausser acht liess und sich in Widerspruch setzte mit
den Worten des Plinius, dass die Enkaustik auf Wänden ungebräuchlich
(alieno parietibus genere) sei. Die Vertreter der Wandenkaustik (mit Hilfe
von in ätherischen Oelen gelöstem Wachs) gingen aber von der Meinung aus,
die Griffelenkaustik, auf Tafeln von den Alten mit Wachspasten oder
Wachspastellen und mit heissgemachten Instrumenten ausgeführt, sei zwar
selbstverständlich von der Mauermalerei ausgeschlossen gewesen, nicht
aber die dritte Art, die Pinselenkaustik, da ja in beiden Stellen bei Vitruv
(VII 9, 3) und Plinius (XXXIII, 122) übereinstimmend vom Waohsüberzug
mit Hilfe des Pinsels die Rede sei, und da unter dem beizumischenden
Oel auch ätherisches gemeint sein könnte, (das sich überdies vortrefflich dazu
eignet), so wurde an dieser Lösung der Frage nicht gezweifelt.

Und doch hatte schon 1836 der Architekt R. Wieg m an n 17 ) den Beweis W ^SS°»
zu .erbringen versucht, dass auf Wänden im Altertum überhaupt nicht mit Wachs-
farben gemalt wurde und dass die obige Anwendung (als „Kausis») sich aus-
schliesslich auf Zinnoberwände beziehe ; die antike Enkaustik wäre nie etwas
anderes als eine Griffeltechnik auf Tafeln gewesen. Dieser Ansicht hat sich
auch Priedr. Knirim 18 ) in seiner 1845 erschienenen Schrift angeschlossen und
folgende Erklärung der drei genera encausto pingendi gegeben : Bei der ersten
Art „mit Wachs» wurde mit Hilfe eines Griffelspatchens (auf einer Seite spitz
wie ein Schreibgriffe], auf der anderen Seite spatelartig verbreitert) die Zeich-
nung auf einem mit Wachs überzogenen Täfelchen von Buchsbaumholz (nur
kleine enkaustische Gemälde konnte man ausführen) in den erhärteten glatten,
hellfarbigen Grund eingerissen. DieParbengebung geschah durch vorläufig nicht
verschmelzendes Aufsetzen der verschiedenen bis zu einem gewissen Grade er-
weichten W T achstinten mittelst eines hölzernen Griffelspatels; „nach und nach
sollten alle Tinten an den gehörigen Orten nebeneinander in schicklicher Dicke
und natürlicher Abstufung* aufgetragen werden , bis allmählich das ganze Täfel-
chen bedeckt ist. „Ein heisser eiserner Griffel taugte zu dieser Vorarbeit darum
nicht, weil von einem solchen Spatchen das weiche Wachs abgeflossen sein
würde, ehe man es an Ort und Stelle gesetzt hätte» (a. a. 0. p. 211). Das

16 ) Ein grosser Erfolg der vielfachen Bemühungen der Zeit bestand in der Ent-
deckung des Wa s serglases und der Einführung eines neuen vom Chemiker J. N.
Fuchs und dem Maler Schlottauer erfundenen Verfahrens. In der Geschichte
der Rekonstruktionen der alten Enkaustik kann dieses Verfahren nicht unerwähnt
bleiben, weil es infolge direkter Anregung des kunstsinnigen Königs Ludwig I. ge-
funden wurde. Der König, dem das damalige München den grossen Aufschwung auf
dem Gebiete der bildenden Kunst verdankt, veranlasste Schlottauer, Schüler von
Cornelius, in Pompeji selbst Studien zu machen, um das antike Verfahren der en-
kaustischen Wandmalerei wiederzufinden. Dies ist ihm zwar nicht gelungen, aber
seine Bestrebungen waren direkte Veranlassung zu obengenannter Erfindung. Das
neue Verfahren nannten sie Stereo chrom ie. Die ersten Versuche wurden 1846
durch Wilh. von Kaulbach gemacht, welcher das Verfahren dann im grossen an den
Wandgemälden des Treppenhauses im Berliner Museum anwendete: s. J. Nep. v. Fuchs,
gesammelte Schriften, München 1856, p. 260 f.

n ) R. Wieg mann, die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik,
Hannover 1836.

18 ) Fried r. Knirim , die endlich entdeckte wahre Malertechnik des klassischen
Altertums und des Mittelalters, sowie die neuerfundene Balsamwachsmalerei etc.
Nebst einer vollständigen Lösung des Problems der alten Enkaustik und der angeblich
alten Freskotechnik, Leipz. 1845.

— 294 —

Vermalen, Verschmelzen und Einbrennen der bereits aufgetragenen Tinten
hatte dann mittelst eines erhitzten eisernen Griffel-Spatels zu geschehen.

Die zweite Art „auf Elfenbein mittelst des Grabstichels (cestrum
oder viriculum)» würde so ausgefühlt, dass Elfenbeinplättchen mit schwarz
oder rot gefärbtem Wachs gleichmässig überzogen würden, indem man es ge-
schmolzen aufgoss und völlig ebnete. Auf diesem durch Erkalten fest ge-
wordenen farbigen Wachsüberzuge habe man durch Einreissen mit einem
spitzen Griffel die Konturen und innere Linienführung entworfen , die man
dann mit dem Grabstichel in das Elfenbein oder Hörn eingrub. In die Ver-
tiefungen konnte man farbiges Wachs einlassen , so dass die eingravierten
und mit dem gefärbten Wachs ganz ausgefüllten Linien das weisse Elfenbein
als Hintergrund hatten.

Bei der dritten und letzten Art hätte man unzweideutig bloss gefärbtes
Wachs am Feuer zerschmolzen und dann ohne weiteres mittelst geeigneter
Pinsel von verschiedener Grösse auf die dazu vorbereiteten (mit der Zopissa
versehenen) Schiffe gebracht, rasch anstreichend und grob malend. Das zer-
schmolzene gefärbte Wachs befand sich natürlich in einem während der
Arbeit stets heiss zu erhaltenden Wachsschmelzgefässe auf einer leicht tragbaren
Glutpfanne, dem „Cauterium» , so dass das Wachs flüssig genug blieb, um
„ohne sanfte Verschmelzung, die bei dieser Schiffsmalerei auch gerade nicht
nötig war», die Farben aufzumalen. Zur Tafelmalerei wurde diese Art überhaupt
nicht gebraucht, sondern nur zu blossen Anstrichen von Architekturteilen
aus Holz (z. B. Triglyphen).
» ‘ , «‘ 1 «° > 1 ; Unter Berücksichtigung dieser Vorgänger und nach sorgfältigen Studien,

freilich die Ergebnisse des Fundes von St. Medard ganz bei Seite schiebend,
hat. dann zuletzt 0. Donner-v. Richter in Frankfurt die Frage von neuem
in Angriff genommen und eine Methode erfunden, die, im Laufe von dreissig
Jahren im einzelnen etwas modifiziert, mehrmals von ihm beschrieben worden
ist: zuerst 1867 in Verbindung mit seinen Ausführungen über die campanische
Wandmalerei, dann 1885 in einer Abhandlung aus Anlass des kurz zuvor
(Paris 1884) erschienenen Buches von Gros und Henry und zuletzt 1899 in
einem polemischen Aufsatz in den Mitteilungen des Archäol. Instituts in Rom
(Bd. XIV, S. 131 ff.). Hiernaoh stellt er sich die Sache im Wesentlichen
jetzt so vor:

Von den drei Arten des Plinius ist die letzte, die Schiffsmalerei, als
rein handwerksmässige Anstreicherarbeit ganz auszuscheiden. Die beiden
ersten Arten, die allein zu künstlerischem Gebrauch geeignet waren, arbeiteten
beide mit demselben Material und demselben Instrument und unterschieden
sich nur durch den Malgrund, im ersten Falle Holztafel und allenfalls Mar-
mor, im zweiten Elfenbein. Das Instrument ist das Cestrum, das Material
verschieden gefärbtes Wachs, und zwar das Punische Wachs, das mit einem
geringen Zusatz balsamischen Harzes und einem Minimum von Olivenöl zu
einer gleichmässig weichen, geschmeidigen, leicht zu verarbeitenden pasten-
artigen Masse sich präparieren lässt. Von diesen Wachspasten wird, nachdem
der Umriss des Gemäldes aufgezeichnet worden, auf die nackte, weder mit
Wachs noch mit Kreide und Leim vorher grundierte, sondern in ihrer natür-
lichen Porosität belassene Tafel, so viel als nötig ist, mit dem Cestrum in
kaltem Zustande aufgetragen und bei geschickter Führung bald in dieser,
bald in jener Richtung je nach Bedarf einfach ausgebreitet oder ineinander-
gearbeitet mit wohlberechneter Zusammenstellung der Farbentöne. Zu diesen
Manipulationen eignet sich nach Donners Meinung das Cestrum vortrefflich,
wenn man Namen und Gestalt von dem Blatte der Pflanze xioxpo^ (lat.
ettonica) ableite und es sich konstruiere als ein lanzettförmiges Instrument
mit sägeartig gezahnten Rändern ; er hat sich mehrere der Art in verschiedener
Grösse aus Holz, Knochen oder Hörn — Metall sei unnötig — zu seinem
Gebrauch herstellen lassen. Als „Schlussbehandlung» lässt er endlich ein
„Einbrennen» des Gemalten folgen, das mit einem zweiten Instrumente,
einem vorsichtig darüber gehaltenen und nicht zu stark erhitzten Metallstabe,

— 295 —

zu geschehen habe. Diese „Sohlussbehandlung» sei eine Notwendigkeit, weil
durch das Hin- und Herbewegen des Cestrums „ein störender, in verschiedenen
Richtungen laufender Glanz entstehe, der erst durch das Einbrennen, das wie
ein Firnis wirke, beseitigt» werde, und „eine noch wichtigere Wirkung» sei
die, dass es „die Eindrücke der gebrauchten Oestren an ihren Rändern schmelze,
dadurch dio Furchungen ausfülle und der ganzen Bildoberfläche ein weiches,
angenehmes und einheitliches Aussehon gebe.»

Diese Theorie hat bis jetzt am meisten Anhänger gefunden; auch
Blümner hat sich ihr, wenn auch oicht ohne einige Bedenken und Vorbehalte,
angeschlossen. Was sachlich gegen sie, und ebenso gegen die von Cros und
Henry, einzuwenden ist, ist in den früheren Abschnitten unserer Darstellung
ausführlich zur Sprache gekommen. Hier kam es darauf an, in der historischen
Aufzählung der Erklärungsversuche beiden ihre Stulle anzuweisen, wenn auch
durch die Textberichtigung der massgebenden Pliniusstelle die quellensehrif’Uiche
Grundlage sich zu ihren Ungunsten verändert hat.

b) Einige Versuche der Rekonstruktion der antiken Technik der Wandmalerei.

1. Von Wieg-mann’s Versuchen, das antike Tectorium zu rekonstruieren, Wiegmanu.
ist schon oben (p. 67 und p. 72) die Rede gewesen. Er ist vielleicht der
erste gewesen, der versucht hat, die Schichtungen des Sand- und Marmor-
mörtels in der von Vitruv vorgeschriebenen Weise aufzutragen, mit den
Schlaghölzern zu härten und mit Hilfe von geschliffenen Steinen unter öfterem
Benetzen mit Wasser zu glätten (p. 178). Zu seinen Versuchen nahm er
gut gebrannten und möglichst altgelöschten Kalk, der so klebrig sein müsse
dass man nur mit Mühe einen hineingesteckten Stecken herausziehen könne.
Bei den einzelnen Marmorstuckschichten achtete er darauf, dass auch bei
dem gröberen Mörtel genug feinere Beimischungen vorhanden wären, um
ihm festeren Halt zu geben (p. 180). Jeder Ueberzug von diesem Stuck —
der gröbste etwa 1 i Zoll, und der zweite oder dritte 1 js bis ‘/ig Zoll stark —
wurde, sobald es seine Konsistenz erlaubte, nach allen Richtungen mit schwanken
Stöcken Streich bei Streich geschlagen, wodurch das Volumen merklich ver-
ringert und die Festigkeit und Härte in demselben Verhältnis erhöht wurde.
War die letzte und dünnste Lage auf diese Weise behandelt, so ebnete er
deren Oberfläche vermittelst eines glattgeschliffenen flachen Steines , der mit
einer daran befestigten Handhabe in kreisender Bewegung und unter öfterem
Anfeuchten mit Regenwasser darauf umhergeführt wurde. Sind so alle kleinen
Löcher und Unebenheiten ausgeglichen und stellt sich die Fläche als ein
matter Spiegel dar, so scheint sie ihm, falls der Grund weiss bleiben soll, fertig
und bereit, die beabsichtigten Ornamente aufzunehmen. Soll aber der Stuck
ganz oder teilweise mit Farbe überzogen werden, so habe man, ohne Zeit
zu verlieren, diese mit einem Pinsel aufzutragen und dann mit dem Reib-
steine in den Grund einzureiben und zugleich zu glätten 11 ‘), wie es oben bei
dem weissen Grunde geschah. Auch hiebei sei ein öfteres Benetzen mit
Wasser notwendig. Durch fortgesetztes Reiben und bei steter Aufmerksamkeit,
dass kein Sand oder dgl. die Mühe verderbe, erlange man eine beliebige Glätte,
welche als Grund der nun folgenden Malerei alle wünschenswerten Eigenschaften
besitze. -°) Ich gebe diese und die weiteren Details , ohne hier gegen diese

‘») Nach Wiegmann p. 178 Note ist diese Operation von Vitruv mit den Worten:
marmoris oandore lirmo levigare bezeichnet; denn candor bedeute nicht allein die
Weisse, sondern auch den Glanz. „Da nun die Römer vielerlei politurfähige Steine
Marmor nannten, so wollen jene etwas poetischen Worte nichts anderes sagen, als
dass man mit einem polierten und seine Politur nicht leicht verlierenden Steine —
mag es immerhin auch weisser Marmor gewesen sein — den Stuek glätten solle.»

20 ) Hittorff, Restitution du temple d’Empedocle S. 675 bemerkt zu der von
Wiegmann angegebenen Art, das Tectorium zu glätten: Bei dem Versuche der Glättung,
einer Operation, welche nach W. eine grosse Geschicklichkeit erfordert, hat die Ver-
wendung des von ihm angegebenen glatten Steines nicht den Zweck erfüllt. Von

— 296 —

Rekonstruktion Einwände zu machen, damit der Zusammenhang nicht gestört
werde, und lasse in gekürzter Form Wiegmanns Angaben über die Aus-
führung der Preskof arbenanstriche (p. 194 ff.) folgen: 21 )

Sobald ein durch die Einteilung gegebenes Feld, welches teils durch die Grösse
und Anordnung der Wand, teils durch den Grad des Reichtums der beabsichtigten
Dekoration bedingt wird, auf die angezeigte Art gegründet, gefärbt und geglättet
worden, schreitet man zur Malerei. Die Zeichnung lässt sich zweckmässig mittels
eines stumpfen Stiftes in den noch frischen Stuck eindrücken oder durch einen
Karton kalkieren. Darauf werden zunächst die Linien mit ziemlich flüssiger
Farbe an einem Lineale und mit leichter Hand gezogen und alle Ornamente
gemalt, deren Farben keinen Kalkzusatz haben und deshalb einen noch ganz
frischen Grund erfordern, um sich damit fest zu verbinden. Nicht alle Farben
werden gleich gut angezogen. Caput mortuum und Blau verlangen den frischesten
Stuck , weshalb man mit deren Auftragung eilen muss. Wegen der Glätte des
Stuckes lassen sich Patronen nicht anwenden, sondern es muss alles mit dem
Pinsel gemalt werden. Die brauchbarsten Pinsel, namentlich zu zarten Sachen, sind
solche aus Marderhaaren, oder bei Farben mit Kalkzusatz dünne langhaarige Borsten-
pinsel. Diese werden reichlich mit dünnflüssiger Farbe gefüllt , öfter ausgewaschen
und von dem Kalkschleime, der die Borsten auseinander spreizt, gereinigt.

Nach Beendigung der Ornamente etc. in kalkfreien Farben lege man die eigent-
lichen Bilder und Figuren mit einer Mitteltinte an, zu der viel Kalk gemischt ist;
dies wiederhole man so oft, bis der Grund vollkommen und gleichmässig gedeckt ist.
Dann male man die Schatten und Halbschatten, erstere jedoch ohne Kalk, und setze
die Lichter breit und markig auf.

Da die Farben nass viel dunkler erscheinen, als sie nach dem Trocknen
wirklich sind , so probiert man die gemischten Töne mit einem Stück Umbra , da
sich dieselben durch den augenblicklichen Verlust alles Wassers sogleich in dem
Zustande der Trockenheit zeigen. Die bequemsten Paletten sind hiefür aus Weiss-
blech mit einem schmalen aufgebogenen Rande.

Wenig Töne und leichte Behandlung eignen sich für diese Malerei am besten :
man setze die Farben unverbunden nebeneinander und überlasse der Entfernung vom
Auge deren Vertreibung. Markiger Auftrag der reich mit Kalk versetzten
Farbe n, Lasier ung mit gebrann terTerra diSiena in den tiefsten Schatten
und Druckern ist das ganze Gesetz dieser Malerei.

Zur Mischung aller Mitteltinten ist die Veroneser grüne Erde die treff-
lichste und unentbehrlichste Farbe. Sie dient hier wie in der Oelmalerei
das Ultramarin. Man muss jedoch vermeiden, sie allein dick aufzutragen, weil sie
dann leicht abspringt.

Soll die Malerei besonders zart und glatt worden , so ist es zweckmässig , die
Anlage vor der letzten Uebermalung mit einem stumpfen Instrumente
eben zu schaben oder mit einer kleinen metallenen Rolle an einer Handhabe
niederzulegen.

Zuweilen wird über der Arbeit mit Farben ohne Kalkzusatz soviel Zeit ver-
fhessen , dass der Stuck die Farben nicht mehr gehörig anzieht; man erkennt dies
daran, dass ihr Wasser nicht in wenigen Sekunden verschluckt wird, sondern längere
Zeit an der Oberfläche sichtbar bleibt. Man hüte sich deshalb bei reichen Dekorationen
und namentlich unmittelbar auf dem geglätteten Grund den Anfang mit kalkfreien
Farben zu machen, sondern lege zuvor mit vollem Pinsel einen tüchtigen
Grund mit der dahin gehörigen Mitteltinte, die aus möglichst viel Kalk
und der angemessenen Menge grüner Erde und den übrigen beabsichtigten Farben
gemischt ist. Wenn diese Unterlage einigermassen trocken geworden ist, etwa nach
15 Minuten, so dient sie für die fernere Malerei als Freskogrund und zieht alle Farben
vollkommen an. Aufdiese Weise kann man noch den zweiten und dritten
Tag auf dem Stuck malen, und die Farben verbinden sich immer noch fest genug
mit dem Grunde, wenn auch nicht so innig und unablöslich, als wenn der Stuck noch
ganz frisch gewesen wäre.

Sollte der Stuck aber schon zu alt und zu trocken sein, etwa nach drei bis vier
Tagen, so kann man sich eines Mittels bedienen, auf welches Wiegmann die genaue Be-
trachtung des beim Binden des Stuckes und der Farben vor sich gehenden Prozesses
geführt hat, und dessen Anwendung sich vielleicht auch auf die gewöhnliche Fresko-
malerei ausdehnen liesse.

Auf der Oberfläche des Stuckes und der aufgetragenen Farbe bildet sich ein in
Wasser schwer löslicher, glänzender und durchsichtiger (?) Ueberzug von kohlensaurem

welcher Seite man auch immer anpackte, wurden von der stets befeuchteten Ober-
fläche des Stuckes durch das Reiben immer Partien abgelöst , während ein ovales
glattes Brett mit einer Handhabe bessere Dienste leistete.

21 ) Diese Angaben sind fast wörtlich aufgenommen und als Freskotechnik be-
zeichnet in F. Reinnel’s Praktische Vorschriften, III. Aufl. neu bearbeitet v. Ernst
Nöthling (Leipz. 1898, Bernh. Fried. Voigt) p. 207 II’.

— 297 —

Kalk, der auf dem Kalkwasser Kalkrahm genannt wird. Wenn nun dio Farben

auf den Stuck gebracht werden, nachdem diese feine Kruste sich schon gebildet hat,
so können sie nicht mehr von der im Innern der Stuckmasse vorhandenen Kalkauf-
lösung erreicht und durchdrungen werden und folglich worden sie sich später leicht
ablösen. Sobald man nun jenen feinen Ueberzug von kohlensaurem Kalk beseitigen
kann, wird der weiteren Malerei koin Hindernis mehr im Woge stehen. Die Zer-
störung jenes feinen Ueberzuges geschieht nun einfach dadurch, dass
man die zu bemalondo Stelle mittels eines Pinsels mit stark verdünnter
Schwefelsäure benetzt. Dadurch verwandelt sich unter Aufbrausen der foine
Ueberzug von kohlensaurem Kalk in einen leichten alle Feuchtigkeit willig
durchlassenden Ue berzug von schwefelsaurem Kalk, also Gips, der übrigens
nicht weiter in Betracht kommt. Ist alle Säure neutralisiert, was sehr bald durch
den im Stuck enthaltenen Zuschlag geschieht und sich durch den Geschmack erkennen
lässt , so zieht der Grund wieder so gut an, als wäre er eben aufgetragen.

Die Vorteile, die dieses Hilfsmittel bietet, sind von grosser Bedeutung, da auf
diese Weise der Anwurf wochenlang feucht genug zur Freskomalerei
bleibt(?), dessen Feuchtigkeit uns aber nicht mehr nützt, sobald sie durch die nur
zu bald entstehende Kalkhaut von unserer Arbeit auf der Oberfläche abgesondert ist.
Bei der gewöhnlichen Freskomalerei, wo der Anwurf viel dünner ist, leistet dieses
Mittel natürlich nur geringe Dienste.

Wenn die besprochene dünne Haut von kohlensaurem Kalk noch sehr fein und
im Entstehen begriffen ist, und die zu bemalende Fläche sehr gross ist, so kann man
dieselbe auch dadurch entfernen, dass man sie unter Benetzung mit Wasser
mittelst der Kelle oder eines Glatt Steines abreibt. Dies ist nicht nach-
teilig für das Werk, sondern je öfter sogar die Haut sich bildet und
durch Reiben wieder zerstört wird, desto schöner und glänzender
wird die Oberfläche. (?)

Nachdem die eigentlichen Malereien vollendet sind, was nicht später als 5 Tage
nach der Glättung des Stuckes der Fall sein sollte, so schreite man zu den einfarbigen
Linien und Verzierungen in reinem Kalkweiss oder solchen Farben, denen viel Kalk
beigemischt wird. Der Pinsel ist stets so voll flüssiger Farbe zu nehmen, dass an
dessen Spitze ein Tropfen hängt; mit diesem Tropfen, kaum mit dem Pinsel selbst,
berühre man die Fläche. Dann wird die Farbe das Ansehen einer glatten
Emaille (?) haben und weit dauerhafter sein, als wenn sie trocken und mager auf-
getragen ist. Anfangs scheint die Schleimigkeit und Transparenz des Kalkes und
der damit gemischten Farben das Decken des Grundes sehr zu erschweren. Sehr
bald jedoch, wenn man den rechten Grad der Flüssigkeit ausprobiert und die passenden
Pinsel aufgefunden hat, geht die Arbeit leicht von statten, Teile des Kalkrahms,
der sich bald auf der Oberfläche der Kalkfarben, auf der Palette oder im Farbentopf
bildet, dürfen durchaus nicht in den Pinsel kommen, da sonst die Linien unrein
werden und die Arbeit aufgehalten wird. Man füllt deshalb den Farbentopf mit
Wasser bis zum Ueberlaufen, wodurch der Rahm sich abhebt und fortgeschwemmt wird.

Ist die Arbeit beendet, so lasse man sie langsam trocknen, und schütze sie
vor den Sonnenstrahlen und vor Staub; denn nach einigen Tagen fängt die
Wand an, so heftig zu schwitzen, dass grosse Wasserperlen darauf
stehen, welche niebt selten herab f Hessen. Wenn dann Staub sich an die
feuchte Wand setzen kann, so werden die Stellen der Perlen und herabgeflossenen
Tropfen mit unauslöschlichen Spuren bezeichnet sein.

Mit dieser Art der Malerei kann man sehr gut die Temperamalerei ver-
binden, indem man die einfarbigen Ornamente al fresko malt und erst, nachdem
der Stuck vollständig trocken ist , die Bilder in Temperamanier aufmalt. Wir haben
gesehen, sagt Wiegmann, dass die Alten es öfter so gemacht haben, und müssen ge-
stehen, dass es manchmal nicht allein passend, sondern sogar notwendig
sein kann. Zu sehr reichen und umfangreichen Malereien würde nämlich der Zeit-
raum , während dessen der Stuck die Farben gehörig anzieht, nicht hinlänglich sein.
Zu häufige Ansätze innerhalb der Gemälde aber sind zu vermeiden, da das Ansehen
darunter leidet.

Wiegmann fügt hinzu: „In solchen Fällen wäre dann die Temperamalerei eine
ganz zweckmässige Aushilfe und dürfte uns um so weniger um die Dauerhaftigkeit
besorgt machen , als die besseren und vom Boden entfernteren Malereien ohnehin
mehr geschont werden, als andere. Aber nicht allein für Temperamalerei ist dieser
Stuck der schönste und dauerhafteste Grund, sondern auch für Oel- und Wachs-
malerei, wenn man diese passend fände». 22 )

2. Mit der Wiegmann’schen Rekonstruktion haben die Angaben zur ^of^LouiB 11
Herstellung des glänzenden pompejanisohen Wandverputzes, der bei
der Erbauung des bekannten Pompejanum in Aschaffenburg zur An-
wendung kam, grosse Aehnliohkeit. Die nachstehenden Mitteilungen sind von

22 ) s. oben p. 68 Wiegmanns Versuche mit Leimfarben auf nassen Stuck zu
malen, und ebd. Anm. das Gutachten über seine in pompejan. Technik ausgeführten
Fresken.

– 298 —

dem an dem Bau beteiligten Prof. Louis für Baurat Harros, den Mitarbeiter
der „Schule der Baukunst» , nach dessen Beobachtungen und Erfahrungen
niedergeschrieben. 23 )

„Die Materialien, welche zur Herstellung des Stueco verwendet werden, sind
Kalk, Sand, Marmorpulver und Wasser. Für farbige Verputze werden dem
letzten Auftrag die nötigen Farben (Metalloxyde und Erdfarben) zugesetzt.

Kalk. Es wird weisser Kalk verwendet, von dessen Güte man sich vorhor
durch Versuche überzeugt hat. Derselbe muss vollkommen gut ausgebrannt sein
und, zu Mörtel angemacht, bald erhärten. Auf das Ablöschen des Kalks ist alle Auf-
merksamkeit zu verwenden. Zu diesem Zwecke wird er mit reinem Wasser in der
Löschvorrichtung so dünn und flüssig abgerührt, dass sich sämtliche Kalkteilchen
möglichst vollkommen ablöschen und das Ganze ein milchähnliches Ansehen gewinnt.
Diese Kalkmilch lässt man durch ein feines Sieb in die zur Aufbewahrung vorbereitete
Kalkgrube laufen. Die Kalkgrube soll sich an einem vor der Sonne geschützten und
feuchten Orte befinden. Der Kalk muss sorgfältig gedeckt und stets feucht gehalten
werden, damit sich der Löschungsprozess in allen Teilen vollendet, was erst nach
Verlauf längerer Zeit erfolgt. Je länger der Kalk im feuchten und von der Luft ab-
geschlossenen Zustande erhalten wird, desto besser eignet er sich für den fraglichen
Verputz.

Der Sand, welcher dem Kalk bei der Mörtelbereitung zugesetzt wird, muss
möglichst grobkörnig und vollkommen tonfrei sein, damit der Mörtel, wenn er einmal
ausgetrocknet und hart geworden ist, keine Feuchtigkeit mehr anzieht. Die Sand-
körnchen haben durchschnittlich einen Durchmesser von 1—2 Millimeter. In Er-
manglung eines grobkörnigen, vollkommen tonfreien Sandes wendet man zerstossone
Steine bester Qualität (tonfreie) an, deren Pulver vermittelst verschiedener Sieb^ in
Körner von gleichförmiger Grösse sortiert wird. Besonders geeignet hierzu ist reiner,
fester Sandstein, Basalt, Fayence und Marmor. Die zerstossenen Steine bilden ein
gleichmässiges, grobkörniges Pulver, dessen Körner ca. I —2 Millimeter lang und
dick sind.

Der Marmor. Wie wir weiter unten sehen werden, wird zu den letzten
Verputzaufträgen anstatt des Sandes zerstossener weisser Marmor von verschiedenem
Korn dem Kalk als Mörtelzusatz beigemischt. Das Zerkleinern des Marmors muss un-
bedingt durch Pochen , Schlagen oder Zerstossen bewirkt werden und darf nicht auf
Steinmühlen durch Vermalen geschehen , weil sonst die einzelneu Körnchen eine
runde, kugelige Gestalt annehmen und sich nicht so gut in kompakter Mörtelmasso
verbinden, als wenn sie scharfkantig und von unregelmässigen Formen sind. Das
Marmormehl, welches bei Flächen, die einen vollkommenen Glasglanz erhalten sollen,
dem letzten Auftrag zugesetzt wird, kann gemahlen werden und muss jedenfalls vor
der Verwendung nochmals auf einem Stein, ähnlich wie man die Farben reibt, ab-
gerieben werden, um sicher zu sein, dass es keine Körnchen mehr enthält, welche
später beim Glätten des Verputzes Kritze in die Fläche veranlassen würden. — Die
Körner des zerstossenen Marmois sollen durchschnittlich ‘/- Millimeter stark sein:
das Marmormehl muss sich ganz zart anfühlen und darf beim Anfühlen keine
Körner erkennen lassen.

Das Wasser, welches zum Anmachen des Verputzmörtels verwendet wird,
soll reines, klares Regenwasser sein. Die geringste Beimengung von Salzen, Ton etc.
ist für die Dauor des Verputzes nachteilig.

Mischung des Mörtels. Das Verhältnis des Kalks zu dem Sand und dem
Marmorpulver kann im allgemeinen nicht mit Bestimmtheit angegeben werden, indem
dies von der Qualität des Kalkes, welche sehr verschieden sein kann, abhängt. Ist
der Kalk sehr fett, so verträgt er 3— 4 1 /« Teile Zusatz; ist er mager nur 2— 2 1 /* Teile.
Dem Kalk wird beim Anmachen des Mörtels so viel Wasser zugesetzt, als erforderlich
ist. denselben zu einor Anstreichfarbo zu verdünnen, um solche mit dem Pinsel auf-
zutragen; er muss hiernach die Beschaffenheit einer nicht zu wässerigen Kalkmilch
haben. Zu dieser Kalkmilch wird dann nach und nach so viel Sand oder Marmor-
korn beigemischt und gewaltsam damit gemengt und geknetet, dass sämtliche Ober-
flächen der beigemengten Körnchen mit Kalkmilch umgeben sind und somit alle
Körnchen sich nicht unmittelbar berühren. War die Kalkmilch zu dick, so kommt
zuviel Kalk zwischen die sich berührenden Flächen der Sand- oder Marmorkörner,
und der Verputz wird dann weniger fest und braucht auch längere Zeit zu seiner
Erhärtung. War dagegen die Kalkmilch zu dünn und w 7 ässerig, so kommt zu wenig
Kalk oder Bindungsmittel zwischen die Körnchen, und dieselben vereinigen sich dann
nicht zu einer dauerhaften Masse.

Anf er tigung d es glänzenden Wand Verputzes. Die Mauer, auf welcher
der Verputz angebracht werden soll, muss 1. aus vollkommen gutem Material aus-
geführt sein; 2. soll sich diese Mauer an einem trockenen Orte befinden und keine

23 ) Abgedruckt b. Fink p. 166 ff. Obwohl darin vielfache Wiederholungen des
bereits früher gesagten enthalten, glaube ich dennoch diese Abhandlung vollständig
wiedergeben zu müssen. 1. um den Zusammenhang zu wahren, u. 2. weil die lang-
jährigen Erfahrungen von Fachleuten stets von grossem Werte sind.

OOQ

Feuchtigkeit aus dem Fundamente aufziehen; 3. soll die Mauer schon längere Zeil
stehen und sieh vollkommen gesetzt haben, denn bei der geringsten Senkung der Mauer
würden sieh sofort Haarrisse auf der Glanzfiäche des Verputzes zeigen: 4. miiss der
Mauerkern vollkommen ausgetrocknet sein: 5. muss die Mauerfläohe vor dem Auftrag
des Mörtels gerauht, d. h. mit der Zweispitze überspitzt worden, damit sie rauh wird
und somit der Anwarf leichter und fester auf ihr haftet.

Wenn die Mauer für den Mörtelbewurf so vorbereitet ist, wird dieselbe, wie os
bei jedem Verputz üblich ist , zunächst mit reinem Wasser angenetzt . und zwar so
lange als die Mauer das Wasser anzieht und aufnimmt. Hiernach wird der grob-
körnige Mörtel mit aller Kraft mittels der Mauerkelle angeworfen . so dass sich der
Mörtel in die offenen Mauerfugen und sonstigen Vertiefungen kompakt einwirft. Man
beachte hierbei, dass der Mörtel möglichst gleiohmässig , ungefähr 3 -4 Linien dick.
über die ganze Mauerfläche aufgetragen wird. Ist die Mauerfläche in dieser Weise
überwerfen, so wird dieselbe mittols eines kleinen, stumpf abgestutzten Reiserbesens
ziemlich kräftig gestupft oder aufgestampft, wodurch sich der Mörtel möglichst dicht
in die Vertiefungen und Mauerfugen eintreibt, und die einzelnen Sandkörnchen des
Mörtels sich dichter und fester nebeneinander legen. Das Stupfen mit dem Besen
hat forner >,]ei Zweck, die heworfene Fläche gleiohmässig rauh zu machen, damit der
folgende Bewurf leichter und fester darauf haftet.

Hat der eben beschriebene erste Mörtelauftrag mehrere Tage an der Luft ge-
trocknet und ist fest geworden, so wird der zweite Auftrag, mit Mörtel aus grobem
Marmorkorn, ganz auf dieselhe Weise gegeben. Nach dem Abstupfen mit dem Besen
wird aber die hierdurch rauh gewordene Oberfläche des Bewurfes mittelst der Reib-
scheibe geebnet, und die Masse dadurch auch mehr und mehr kompakter in einander
verarbeitet. Bei dieser Art muss Sorge getragen werden, dass die ganze Wand-
fläche genau nach allen Richtungen nach dem Richtscheit geebnet wird, weil dio
nachfolgenden Aufträge mit einem feineren Korn und so dünn geschehen, dass grössere
Unebenheiten nicht mehr wohl ausgeglichen werden können.

Ist dieser Auftrag trocken und hart, so wird die Fläche mit reinem Wasser
angenetzt, und es folgt nun der dritte Auftrag. Derselbe besteht aus einem Mörtel
von feinerem Marmorkorn und wird mittels einer grossen Reibscheibe, liniendick
aufgestrichen, geebnet und aufgerieben. Die Stelle, welche man aufreibt, wird hierbei
öfters, mittels eines Pinsels, mit reinem Wasser angefeuchtet. Die Bewegung der
Reibescheibe erfolgt in einer fortschreitenden kreisförmigen Linie, wodurch der
Mörtel nicht von seiner Stelle verschoben und eine vollkommnere Ehene erlangt wird.

Hat dieser dritte, oder vielleicht auch der vierte, Auftrag einigermassen an-
gezogen, was wegen seiner dünnen Beschaffenheit in kurzer Frist erfolgt, so wird
der letzte aus Marmormehl gemischte Auftrag mittels der Reibescheibe ein bis zwei
Kartenblatt dick aufgestrichen und vollkommen eben gerieben. Zu diesem Auftrag
und dem ferneren Ein- und Aufreiben bedient man sich kleiner Reibescheiben von
Holz (Reihebrettchen mit stark abgefassten Kanten , 4 Zoll lang und bei 4 Linien
Dicke 2 1 /» Zoll breit).

Hat auch dieser feine Auftrag: angezogen, so wird zum Glätten desselben ge-
schritten, wobei vor allem erforderlich ist. dass man den Auftrag nicht hat zu trocken
werden lassen, weil sonst der gewünschte Glanz nicht erreicht wird. Das Glätten
erfolgt mittelst eigens hierzu geschliffener Gläser von ca. 6 Quadratzoll Fläche, mit
einem hölzernen Handgriff versehen, der auf die Glasplatte aufgekittet ist. Die Glas-
platte ist 4 Zoll lang und 1’/ü Zoll breit, in der Mitte 2 Linien dick und nach allen
4 Seiten (Kanten) abgerundet, so dass sie im Querschnitt eine schwach gekrümmte
Linie zeigt. Hat der Auftrag noch Feuchtigkeit genug, so dass er, während man
mit dem Glättglas die Fläche mit massigem Druck in gerader Richtung überfahrt,
sich nicht zusammenschiebt, so fährt man mit dem Glätten in der Art fort, dass man
einen Strich oder Streif mit dem Glättglas dicht neben dem anderen anreiht. Hier-
durch wird die Fläche allmählich zwar glatt, eben und glänzend, aber auch streifig und
bildet noch keine reine Glanzfiäche. Bei der Fortsetzung des Glättens bedient man
sich sodann des Netzpinsels. Derselbe ist ein ganz flacher langhaariger Borstenpinsel
von 1 ‘/ä Zoll Breite und 2 Zoll Länge in Blechfassung. Man nimmt denselben in die
linke Hand und feuchtet ihn spärlich mit reinem Wasser an, während man das Glätt-
glas mit der rechten Hand führt. Wird dieses rechtzeitige Anfeuchten versäumt, so
gleitet das Glättglas nicht über den Auftrag hinweg und es entstehen matte, raube
Streifen, welche nur schwer wieder zu beseitigen sind.

Während des Glättens wechselt man mit dem Glättglas nach Umständen in der
Längs- und Querrichtung oder im Diagonal die Richtung des Strichs, damit sich die
Striche mehr oder weniger kreuzen und desto leichter eine reine, egale Glanzfläche
bilden. Bemerkt man , dass sich wärend des Glättens eine feine schmierige Masse
zeigt, so muss dieselbe alsbald mit einem zarten, weichen Waschleder abgeputzt werden,
was den egalen Glanz der Fläche sowie die egale Färbung farbiger Wände besonders
befördert.

Soll eine Verputzfläche farbig gemacht werden , so setzt man die Farben dem
letzten Mörtelauftrag zu. Die Farben sind dieselhen , wie sie zur Freskomalerei
angewendet werden, nämlich Metalloxyde und Erdfarben. Sämtliche Farben müssen
vollkommen fein mit Wasser abgerieben und stets vor Staub und sonstigen l’n-

— 300 —

reinlichkeiten geschützt aufbewahrt werden. Ist eine abgeriebene Farbe vor der
Verwendung wieder aufgetrocknet , so muss dieselbe mehrere Stunden vor dem Ge-
brauch in Wasser eingeweicht und frisch aufgerieben werden.»

Mit welchen Bindemitteln auf diesen Stuckmörtel weiter gemalt werden
soll , ist aus der Anweisung nicht zu ersehen. Einer Mitteilung des beim
Pompejanum tätig gewesenen kgl. bayer. Hofmalers Schultze zufolge wurde
dort die Pernbach’sche Enkaustik mit Wachs, Balsam, Terpentin unter Bei-
gabe von gelöstem Kautschuk angewendet. Das Verfahren hat sich dort nicht
bewährt, denn es ist nur unter fortgesetzten Reparaturen möglich, den Bau
in leidlichem Zustand zu erhalten.
Schwierig- W as das Auftragen der Farben auf die oben bezeichnete Art be-

des Farben- trifft, so bemerkt Schaf hau tl 24 ) : „Das Auftragen von Farben auf den ge-
ebneten, obwohl noch nassen Grund hat grosse Schwierigkeiten. Trägt man
die Farbe mit Wasser angerieben auf, so macht sie entweder den bereits ge-
glätteten Grund so flüssig, dass eine Politur unmöglich ist, oder der Kalk
des Grundes vermischt sich mit der Farbe und macht sie lichter und un-
scheinbar. Deshalb ist es am besten die feingeriebenen Farben mittels Baum-
wolle trocken (?) aufzutragen und dann die gefärbte Oberfläche zu glätten.
Auch hier darf man, wenn die Stelle fleckig wird, nicht mit Wasser nachhelfen,
oder nur höchst vorsichtig, denn sonst reibt sich die Farbe während des
Glättens nur allzuleicht von der benetzten Fläche w r eg und es erscheint der
weisse Untergrund , auf welchem die trockene Farbe auch schwer haftet.
Selbst wenn man die Oberfläche färbt, ehe man sie poliert, wie dies
beim Stucco der Römer fast immer der Fall war, trägt man die Farbe am
besten in Pulverform mittels Baumwolle oder dgl. auf; denn rührt
man die Farbe mit Wasser an, so reicht das Wasser der Farbe hin, die Ober-
fläche wieder flüssiger zu machen und sie am Erstarren zu verhindern. Zum
Glätten, das erst beginnen darf, wenn der Stucco im Anziehen begriffen ist,
bedient man sich nach Plinius (?) glatter Steine mit etwas gewölbter Ober-
fläche, da beim Glätten nur ein kleiner Teil der geglätteten Steinoberfläche
wirken darf, denn eine ebenso glatte Oberfläche saugt sich sehr rasch am
Steine fest, so dass man sie nicht mehr verschieben kann, ohne den Stucco
zu zerreissen. Die polierte Fläche beginnt nach dem Anziehen in einigen
Tagen zu schwitzen, wenn man den Stucco nicht zuvor festgearbeitet oder
geschlagen hat, indem sich ein leichter Tau von Kalkwasser ausscheidet und
auf die Oberfläche legt, der vorsichtig weggewischt werden muss, ehe er auf-
trocknet und die polierten Flächen mit einer Kalkkruste überzieht.»

Nach diesen verschiedenen Angaben wird man schliessen, wie grosse
Mühe sich die Obengenannten gegeben haben, um die antike Technik wieder-
zufinden, aber der Erfolg zeigt auch, dass die Mühe vergebens war; durch
Versuche kann dies leicht festgestellt werden. Schon das Auftragen der
Farben auf den Grund lässt sich auf obige Art nicht ausführen, am wenigsten
in trockenem Zustand mit Baumwolle; dies wäre ein so umständliches und so
wenig „handwerksinässiges» Verfahren, dass es von den praktischen Alten ge-
wiss nicht gekannt war. Sehr bedenklich ist das von Wiegmann und Sohaf-
häutel bemerkte Schwitzen der Fläche nach einigen Tagen! Dadurch würde
die eventuell auf noch nassen Grund aufgemalte Dekoration vollkommen ver-
dorben werden , auch wenn es möglich wäre, die Wassertropfen schnellstens
zu entfernen ; denn dieses Wasser enthält gelösten Kalk und dieser würde
sich mit den Farben verbinden und sie fleckig machen.
Schafhäuti. Schafhäutl hat es selbst eingesehen, dass auf Stuccogrund, der so

geglättet würde, sich nicht a fresko weiter malen lasse, und bemerkt (s. Fink
p. 173) darüber: „Da der geglättete Grund sich nur schwer befeuchten
lässt, so würde sich mit blossen Wasserfarben in der kecken, kräftigen Weise
der Alten gar nicht malen lassen. Man muss sie deshalb mit einem ätheri-
schen Oele, etwa Spiköl, oder einem zähen Firnisse (1) anmachen; ge-

4 ) Vgl. Dingler’s polyt. Journal Bd. 122 S. 289 (s. Fink p. 172).

— 301 —

wohnlich gebrauchten die Alten beim Russ eine Art Gummi und Leim. –
Indessen auch mit Kalk angemaoht halten die Farben nie so fest auf dem
gefärbten Grunde , als die Farbe des Grundes selbst auf dem noch nassen
Mörtel.» Schafhäutl fand, dass in Pompeji sich einige Farben mit Wasser
aufweichen Hessen; Winckelmann hätte mehrere Gemälde von den polierten
Wänden abgewaschen. So sehen wir sogar Schafhäutl, den Verfechter der
Freskotechnik bei den Alten, klein beigeben und auf die Seite der Tempera-
maler und selbst der Enkausfen neuerer Methode treten I

3. Wenig bekannt sind die Versuche des Italieners Giocondo Viglioli. versuche
In einer kleinen Schrift, betitelt: Lettera del Professore Giocondo Viglioli al
chiariss. Sig. cav. Prof. Michele Leoni, Segretario della R. Accad. di belle
Arti in Parma (Parma 1848), spricht der Autor von Versuchen, die er ge-
macht hat, um die antike Art des Intonaco und Fresko wiederzufinden.
Von den Angaben Vitruv’s ausgehend kommt er zu dem Schluss, dass das
Tectorium ausser dem Kalk, Sand und Marmorstuck noch aus anderen Sub-
stanzen bestand, und begründet dies mit der sonst nicht verständlichen
Stelle von dem Kalk, der „alle Dinge an sich zieht und durch Vermischung
mit den von anderen Stoffen beigebrachten Bestandteilen oder Elementen
zu einem festen Körper erhärtet.» Da Vitruv diese „anderen Stoffe und
Elemente» nicht näher bezeichne, so sei anzunehmen, dass er die Beigaben
entweder als bekannt voraussetzte oder absichtlich verschwieg.

In welcher Weise Viglioli die antike Freskotechnik wieder herstellen
wollte, ist aus seinen Ausführungen nicht erkennbar; nur p. 5 (Note) sagt
er: „Jo ho ottenuto im ottimo resultato sciogliendo la cera insieme col
mastice nell’ alcali ; le quali sostanze, allungate coli’ acqua e unite ai colori,
producono una pittura che presenta tutti i caratteri dell 1 affresco per essere
molto transparento e di toni vigorosi» 25 ), es geht aber daraus nicht hervor,
ob er diese Mischung a fresco oder aufs trockene auftrug. Sein erster grösserer
Versuch bestand in einer Malerei an der Fassade der Chiesa del Quartiere
(Parma) in einer Ausdehnung von 9 Ellen Breite zu 6 Ellen Höhe. Die Fi-
guren waren fast in doppelter Lebensgrösse. Doch scheint ihm das Auftragen
des Intonaco Schwierigkeiten bereitet zu haben. Bei seiner Methode sollten
auch alle von Vitruv beschriebenen Farben für Wandmalerei tauglich sein,
vorausgesetzt dass sie rein und unverfälscht gebraucht würden.

In einer späteren Schrift 20 ) kommt Viglioli genauer auf seine Methode
zurück. Wieder geht er von derselben Idee aus, dass Vitruv eine gewisse
Zusammensetzung des Intonaco gemeint habe, wenn er sagt: „colla mescolanza
de’ semi raecolti da prineipi elementari tra loro disparati etc.», und versucht
zu beweisen, dass Vitruv unter „marmorato» nicht Marmor (kohlensauren Kalk),
sondern Quarz oder Kiesel verstanden habe; nur in Fällen, wo solcher nicht
zu erreichen gewesen sei, habe man Marmor gebraucht (Vitr. Lib. VII cap. 6),
und tatsächlich habe er bei seinen Untersuchungen viele antike Bewürfe aus
Kalk und Kieselerde bestehend gefunden.

Von einem Stücke eines Bewurfes aus Herkulanum sagt er , dass die
letzte Schicht des Marmoratum mit einer rotfarbigen Flüssigkeit (tinta
rossastra) hergestellt worden sein müsse, die auch gleichzeitig geeignet wäre,
die ätzende Wirkung des Kalkes auf die organischen und animalischen Farben
zu verhindern. Auch darauf scheint er Gewicht zu legen , dass erst durch
die Zumischung neuer Elemente die Festigkeit des Stucco entstehe, da
Vitruv noch hinzufüge: „formandosi un corpo solo (cioe, lo stucco), nel
seccarsi egli si riduce in maniera di ritenere tutte le qualitä della sua specie ;

25 ) In deutscher Uebersetzung: „Ich erhielt das beste Resultat durch Lösung von
Wachs und Mastix in Alkali ; diese Substanzen ergeben, mit Wasser verdünnt und dem
Farbenpulver beigegeben, eine Malerei, welche ganz den Charakter von Fresko hat
und sehr durchsichtig und von kräftiger Tonfülle ist.

26 ) Del Modo di Dipingere a Fresco sull’ intonaco Greco-Romano. Parole
dirette al Cav. Caimi Dottar Giulio del Prof. Giocondo Viglioli, Pittore e scultore
giä maestro d’Anatomia nella Reggia Accademia di Belli Arti in Parma (Parma 1885).

— 3Ö£ —

perche la calce perduto il suo umore nella fornace etc.», woraus er schliesst:
das Kalkkarbonat sei in ein Sulfat verwandelt!?). Danach begann Viglioli allerlei
zu versuchen, u. zw. zuerst den Kalk in gesättigtem Salzwasser zu lösen oder
zu löschen (scioglere la calcina con acqua satura di sali), ohne aber günstige
Resultate zu erzielen. Auf einem Intonaco von Kalk und reinem Quarz liess
sich zwar gut al fresco malen , aber nur mit tonhaltigen Erdfarben (colori
minerali argillosi). Ausserdem benutzte er die Anweisung des Plinius (XXIX.
51) zu einem Kitt für zerbrochene Vasen und Geschirre, bestehend aus Eiklar
und Kalkstaub (albume d’uovo stemperato con fior di calcina), oder aus dem
gleichen Kalkstaub mit Wein gemisoht (fiore di calce con vino), und ver-
suchte es nunmehr mit Wein und anderen alkoholischen Flüssigkeiten , bis
er zum Weinessig (aceto di vino) gelangte, durch den es ihm möglich schien,
die zur festeren Bindung des Stucco wünschenswerte Menge von Kohlensäure
zu vergrössern (?) und den ätzenden Kalk zu neutralisieren. Mit dieser Flüssig-
keit glaubte er jetzt endlich die von Vitruv angedeuteten „principi elemen-
tari» gefunden zu haben.

Für die unteren beiden Lagen nahm er den weissesten Kalk (Travertin
oder Veroneser Kalk, wie er in den Flüssen gefunden wird) nebst Kiesel
(Quarz), für die letzte Stucklage aber nur die reinsten Brocken von gebranntem
Kalk (le piü pure zolle di calcina), tränkte sie mit Wasser und sobald sie zu
Pulver zerfallen waren, mengte er sie vor dem völligen Erkalten mit reinem
und farblosem Essig (aceto limpido ed incolore). Der Kalk wurde dadurch wie
eine Paste, und mit hölzerner Spatel im Mörser zu einer Art sehr feiner Kitt-
masse (glutine tenacissimo) verarbeitet. In diesem Zustande liess er sich
längere Zeit in geschlossenen Gefässen aufbewahren.

Nach Vitruv’s Angaben bereitete Viglioli dann den Bewurf aus Quarz
(gestossen, in verschiedenen Siebungen angewandt) und Kalk, u. zw. 2 Teile
Quarz und 3 Teile Kalk, machte mit Richtscheit und Winkel die Lagen und
ebnete mit dem Holzschläger (battuto con mazzuolo di legno) die vorletzte
Schicht, die, mit Einteilungen für die weitere Arbeit versehen, dann die
letzte Schicht erhalten sollte. Die oberste Schicht des Marmorato (i. e. Silicato)
trug er mit der Kelle auf, glättete aber nicht mit dieser, weil der Stucco
durch das Eisen verdorben würde , sondern mit einem besonderen zylin-
drisch geschliffenem Glättinstrument aus weissem Marmor oder Glas, das
wie ein Walkholz beiderseitig mit eisernen Zapfen drehbar befestigt war.

Auf dem so hergestellten Stucco versuchte Viglioli zunächst aquarell-
artig zu malen, fand es ‘aber nötig, um bei figürlichen Malereien die Farben
besser zu impastieren , eine leimige Substanz (glutine) zu verwenden, die mit
dem Stucco homogene Eigenschaft besitze. Er stellte sich die Frage, ob die
von Plinius und Vitruv für die Farbenmischung bei der Tafelmalerei an-
gegebenen Bindemittel Leim und Gummi (Sarcocolla) auch für Wandfresko
anwendbar seien, und kam zu dem Ergebnis, dass unter den animal. Leimen
seinen Versuchen nach das Eiklar am meisten Verwandtschaft mit dem Kalke
besitze (l’albume d’uovo ha maggiore affinitä colle qualitä della calcina).

Bei der Arbeitsführung ging Viglioli so zu Werke, dass er die mit den
einzelnen Lagen bereitete Wand (je nach dem zu bemalenden Teilstück gleicher
Grundfarbe) mit Hilfe des zylindrischen Glätters glättete (si preme , si lustra
uniformamente) und dann die Grundfarbe, mit dem oben erwähnten Eiklar-
bindemittel aufs feinste angerieben , überstrich. Darauf trug er die Pause
mittels Staubbeutels auf und sicherte die Kontur durch Nachgehen mit einer
eisernen Pfrieme oder durch Nachmalen mit dem Pinsel in der durch den
Gegenstand bedingten Farbe.

(Auf Stucco, der im Freien zu stehen hat, sollte mit flüssiger Farbe und
mehr lasierend gemalt werden, aber alle „trockenen» Farben sollten auch mit
,, glutine» gemischt sein.)

Für mehr durchgeführte Malerei würden die Farben stets mit dem
gleichen Mittel d. i. gut geschlagenem Eiklar, Kalk w asser unter Zugabe
von etwas Glvcerin dick angerieben. So könnten sie in Zinntuben ver-

— 803 —

schlössen lange erhalten und. wenn man sieh ihrer bediene, auf der Glas-
tafel vermischt weiden, wie man es bei Tempera oder Aquarell gewohnt
sei. Zwei Behältnisse dienen nooh dazu, u. zw. eines mit Wasser zum Reinigen
der Pinsel (oder nasser Schwamm), das zweite mit nicht zu dickem (non tanto
denso) Bindemittel (Eiklar mit Kalkwasser) zum Anmischen der Töne. Bei
rotem Lack soll zu diesem noch Zitronensaft (succo di liraone) beigegeben
und als Weiss das in der Art des Paraetonium 27 ) genannte gebraucht
werden.

Für Seccom alere i auf gleichem Wandstuck bediente sich Viglioli
verschiedener Methoden, sowohl in Tempera als auch mit Oel und Wachs, das
letztere auf zwei Arten gelöst, nämlich in trocknendem Oele oder mit Alkali.
Bei der ersten Art nahm er auf 1 Pfund gekochtes Oel (Nuss- oder
Leinöl) 8 Unzen weisses Wachs. 2 Unzen Mastixharz (alles am Feuer
gelöst), und mischte die Farben damit, an. Die Wand sollte vor dem
Grundieren mit Glutpfannen erwärmt werden; damit die Masse besser ein-
dringen könne, wurde etwas Terpentinöl beigegeben. Die zweite Art
bestand in der Lösung von Wachs in Pottasche, u. zw. auf folgende Art:
Auf je ‘/b Pfund im Sandbad geschmolzenes Wachs werden 3 Unzen
gestossenes Mastixharz gegeben und gleichzeitig in heissem Wachs auf-
gelöst; sobald die Lösung geschehen, schüttet man gut gesättigte Pot t-
aschenlauge kochend heiss hinzu und lässt die erfolgte Lösung erkalten.
Dann scheidet man die Lauge von dem Wachs und Mastix und verdünnt
die leimartige Masse mit Wasser, um die Stuckschicht damit zu grun-
dieren, wie bei der ersten Art. Auf diesen Grund kann man mit Oelfarben
wie auf Leinwand malen, nur ist es angezeigt, die Farben flüssig zu halten,
weil das Einsaugen sich von selbst vollzieht.

Zur Temperamal er ei auf Mauern seien manche Mittel geeignet, am
besten jedoch diejenigen, welche nach dem Trocknen dem Abwaschen Wider-
stand leisten, und diese seien: der Käseleim (auch colla di fiaschetta genannt),
das Eiweiss , und der in Alkohol gelöste Mehlkleister (glutine di farina di
frumento sciolto coli’ alcool). Den von Plinius besonders gerühmten Leim von
Stieren hatte Viglioli keine Gelegenheit zu versuchen.

– 1 ) Die im Museum zu Neapel befindlichen, mit dem Stempel des Fabrikanten
versehenen Stücke weisser Farbe hält Viglioli für das Paraetonium der Alten. Nach
seiner Uutersnchnng bestand dieses Weiss aus gebraunten Austeruseiialen und sehr
weisser Tonerde. Die klebende Eigenschaft käme on der seifenartigen Natur der
Tonerde her.

304

Anhang VI.

Kollektion meiner Versuche zur Rekonstruktion der Mal-
technik des Altertums.

I„ Alt-ägyptische Malerei.

Restitution nach den chemischen Untersuchungen von John, Geiger,
Merimee und anderen. Die Grundierung wurde aus Gips und Kreide mit
Leim angemacht, als Bindemittel diente Eigelb, Gummi oder Honig.

1. Mumiensargdeckel. (Original im Wiener Hofmuseum.) Die Holz-
tafel ist mit Leinwand überklebt und darauf der Grund aufgetragen.

2. Teil eines Mumien sarges. (Original im Münchener Antiquarium.)
Eitempera.

3. Detail eines Mumiensarges. (Original derselben Sammlung.) Die
Ornamonte sind teilweise mit Gips plastisch erhöht.

4. Oberteil einer ägyptischen Grabtafel. Spätere Zeit. (Orig. im
Wiener Hofmuseum.) Das Holzbrett ist mit Gips grundiert und mit
Wachsüberzug versehen, die Farben sind mit Ei temperiert und
geglättet.

5. Malerei auf vergipster Leinwand. Eitempera und Firnisüberzug.

6. Teil eines Mumien Sargdeckels aus kaschierter Leinwand her-
gestellt, mit reliefartig ausgeschnittenen Figuren. Gipsgrund und
Eitempera bemalt. Firnisüberzug.

7. Malerei auf vergipster Leinwand mit Vergoldung. (Orig. im
Dresdner Antiquarium.) Teils Ei-, teils Honigtempera. Nicht ge-
firnist.

II. Griechische und Römische Malerei.

Restitution nach den Quellenschriften des Plinius, Vitruv, Dioskorides u. a.,
den Funden von St. Mddard-des-Pres, den graeco-ägyptischen Mumienporträts,
chemischen Untersuchungen von Chevreul, Geiger und Buchner, sowie eigenen
Beobachtungen und Versuchen.

A. Zur Charakteristik der ältesten Zeit.

8. Archaisches Vasenbild (alter Stil). Amazonenkampf (Orig. in
der Münchner Vasensammlung). Die Figuren sind in schwarzer
Silhouette auf hellem Grund gemalt, die Zeichnung eingeritzt, die
weisse und rote Farbe nachträglich aufgetragen.

9. Vasengemälde des strengen Stils. Musikunterricht. (Orig.
wie oben.) Die Figuren sind auf schwarzem Grund ausgespart, an-
dere Farben sind selten und wenig (bei Kränzen oder Bändern) an-
gewendet.

— 305 –

10. Vasengemälde der Spätzeit (sog. reicher, malerischer Stil). De-
tail einer * Darstellung auf Nr. 810 der Münchner Vasensammlung.

Die Zeichnung ist schwarz auf rotem Ton, die weisse, gelbe und
violett rote Farbe reich zur Belebung der Komposition verwendet.

11. Teil eines Frieses aus einer Grabkammer zu Ruvo. Orig. im
Museum von Neapel. Die Zeichnung gleicht im Charakter derjenigen
auf Vasengemälden. Die Konturen sind schwarz gezogen ; die Karben
sind in einfachen Lokaltönen ohne Modellierung aufgetragen (Mono-
chrom maierei).

(Nr. 8 — 11 sind nicht in der Technik der Originale ausgeführt.)

B. Tempera und Enkaustik (Technik d. Mumienporträts).

12. Eitempera mit den 4 Farben des Plinius (XXXV, 50).

13. Eitempera mit Eiklar gefirnist.

14. Tempera-Porträt ägypt. Provenienz. Orig. im archäolog. Museum
zu Florenz.

15. Enkaustik nach den Restitutionen des Grafen Caylus (1757 3. Art),
auf Wachsunterlage mit Gummifarben gemalt und dann „eingebrannt».

16. Cauterium-Enkaustik nach Plinius. Nach dem Orig. der Grafi-
schen Porträtgalerie. Die Wachsfarben sind in heissem Zustande
mit dem Cauterium aufgetragen und mit dem erhitzten, verdickten
Ende desselben verarbeitet worden.

17. Enkaustik der dritten Art nach Plinius (Pinselenkaustik).

18. Technik der Grafschen Porträts. Die Anlage mit heissflüssigen
Wachsfarben und dem Pinsel, die Vollendung mit Hilfe des Gauteriums.

19. Enkaustik ähnlicher Art, auf Schiefer gemalt. (Die Muse von
Cortona sowie ein Cleopatrabildnis aus der Villa des Hadrian bei
Tivoli sind auf Schiefer gemalt.

20. Enkaustik aus byzantin. Zeit, VIII. Jht. Orig. im Museum der
geistlichen Akademie zu Kiew.

21. Tempera von punischem Wachs, Kreide-Grundierung, ungefirnist.

22. Gleiche Tempera (Punische Wachstempera), ohne Grundierung, ge-
firnist mit Wachs und Harz, heiss verwendet.

C. Wandmalerei in Griechenland und Rom.

a) Aeltere Versuche zur Rekonstruktion der antiken Stuckmalerei.
Die Grundfarben sind mit der letzten, in der Masse gefärbten Stuckschicht
aufgetragen. Für Ornamente und Malerei ist das Farbpulver mit punischem
Wachs als Bindemittel verwendet und hernach die gemalten Stellen „bis zum
Schwitzen» erwärmt und das ganze in der Art der „Ganosis» geglättet.

23. Ornamentale Verzierungen nach pompejan. Muster.

24. Fischstilleben. Orig. im Neapeler Museum.

25. Verkäuferin von Liebesgöttern, nach einem pompej. Gemälde.

26. Faun und Nymphe ; auf blau gefärbtem Stuckgrund mit Wachstempera
(pun. Wachs mit Ei) gemalt.

27. Arkadia und Faun. Detail nach einem herkulanischen Wandgemälde

im Neapeler Museum.

b) Neue Versuche.

Die Grundfarben sind teils mit der letzten, in der Masse gefärbten
Stuckschicht aufgetragen oder in verschiedener Art aufgemalt. Die Ornamente
und Bilder sind entweder auf die geglättete Unterlage mit Tempera (Ei, Leim
oder Case’i’n) aufgemalt oder in Stuccolustro Manier gemalt und geglättet.
Schlussoperation wie oben : Ueberzug mit punischem Wachs (Ganosis).

28. Verkleinerte Darstellung einer einfachen Wanddekoration.

29. Darstellung der Schichten und des in der Masse gefärbten und ge-
glätteten Auftrages.

30. Maske auf blauem geglätteten Grund. Ei-Tempera.

20

— 306 —

31. Blumenguirlande. Leimtempera auf dunkelrotem geglätteten Grund.

32. Weibliche Figur auf weissem Grund. Geglättete- Tempera.

33. Tänzerin auf schwarzem Stuckgrund. Reine Stuccoluslro-Technik.

34. Verkleinerte Darstellung einer Wanddekoration aus dem Hause der
Livia. Stuccolustro und geglättete Tempera.

35. Entwurf einer Wanddekoration in modernem Stil. In der Masse ge-
färbter Stuck, Malerei und Glättung in Stuccolustromanier.

36. Arkadia und Faun, Detail nach einem herkulanischen Wandgemälde
im Neapeler Museum. Gemischte Manier.

Nachträge.

37. Malerei auf Marmor (Circumlitio). Orig. im Berliner Museum.

38. Dekoration auf Ziegel (farbiger Stuck), nach den Funden von Caere.
Orig. wie oben.

39. Malerei spät.-röm. Zeit auf Leinwand mit reicher Vergoldung. Nach
einer Mumienhülle des ägypt. Museums in Berlin. (Eiklar-Alaun-
tempera auf ungrundierter Leinwand.)

40. Porträt der Aline. Orig. im selben Museum. (Untermalung mit Wachs-
tempera , Uebermalung mit enkaustischer Wachsfarbe , heiss ver-
wendet, Leinwand.)

307 —

Anhang VII.

Litteratur.

1. Malerei des Altertums im Allgemeinen und Technik der

Wandmale rei.

Winkelmann, Geschichte der Kunst des Altertums, VII. B. 4. Kap. (Werke V,

149 ff)
Rode und Riem, Ueber die Malerei der Alten, Berlin 1(87.
A. Hirth, Deutsche Abhandlungen der kgl. Akademie z. Berlin f. 1798 — 1803,

S. 209.
J. J. Grund, Die Malerei der Griechen, Dresden 1810 und 1811, 2 Bände.
C. A. Böttiger, Ideen zur Archäolog. d. Malerei, Dresden 1811, T. I, S. 133 ff.
L et rönne, Lettres d’un antiquaire ä un artiste, Paris 1835.
J. F. John, Die Malerei der Alten, Berlin 1836.
R. Wieg mann, Die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik,

Hannover 1836.
K. 0. Müller, Handbuch der Archäologie der Kunst, Berlin 1835.
Raoul-Rochette, De la peinture sur mur chez les anciens. Journal des

Savants, Paris 1833.
J. J. Hittorff, Restitution du temple d’Empedocle ä Selinonte ou l’Architec-

ture polychrome chez les Grecs, Paris 1851.
H. Brunn, Geschichte der griech. Künstler, 2 Bände, Braunschweig und

Stuttgart 1853 — 59.
0. Donner, Die erhaltenen antiken Wandmalereien in technischer Beziehung.

Einleitung zu Helbigs Wandgemälden der vom Vesuv verschütteten

Städte Campaniens, Leipzig 1869. (Sep.-Abdr.)
Presuhn, Die Pompejanischen Wanddekorationen, Leipzig 1882.
Mau, Geschichte der dekor. Wandmalerei in Pompeji, Berlin 1882.
H. Blümner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste der

Griechen und Römer, IV. p. 414 ff. Leipzig 1886.
P. Girard, La Peinture antique, Paris 1892.

2. Enkaustik.

Caylus in den Memoires de l’Acad. des Inscriptions. Paris 1755, T. XXVIII.
Requeno, Saggi sul ristabilimento dell’ antica arte, Napoli 1784; 2. ed.

Parma 1787.
Montabert, Traitö complet de la peinture, T. III, Paris 1829.
Welcker, in der Hall. Litter .-Ztg. für 1836, Oktober, S. 149 ff.; s. kleine

Schriften III, 412 ff.
F. Knirim, Die Harzmalerei der Alten etc., Leipzig 1839.

20*

— 3US —

F. Knirim, Die endlich entdeckte wahre Maltechnik des klassischen Altertums

und des Mittelalters, sowie die neuerfundene Baisaniwachsmalerei etc.,
nebst einer vollständigen Lösung des Problems der alten Enkaustik
und der angeblich alten Freskomalerei. Leipzig 1845.

v. K lenze, Aphoristische Bemerkungen auf einer Reise nach Griechenland,
Berlin 1838.

Cartier in der Revue archeol. II, 278; 865; 437.

H. Cr os et Ch. Henry, L’encaustique, Paris 1884.

0. Donner-von Richter, Ueber Technisches in der Malerei der Alten, ins-
besondere in deren Enkaustik (Sep.-Abdr..), München 1885.

R. Graul, Die ant. Porträtgem. aus den Grabstätten des Faijüm, Leipzig 1888.

G. Ebers, Eine Gallerie antiker Porträts, Berlin 1889.

Th. Graf, Katalog z. Gallerie ant. Portäts aus heilenist. Zeit, Leipzig 1892.

3. Chemische Untersuchungen.

Chaptal, Annales de Chimie, T. LXX (1809) p. 22.

Davy, Some experiments and observations on the coulour used in painting
by the ancients, in Philos. Transactions of the Royal-Society,
1815 p. 97 (übersetzt mit Anmerkungen von Gilbert in dessen Annalen
der Physik. Bd. LH. [1816] S. 1 ff.).

Geiger, Chem. Untersuchungen altägyptischer und altrömischer Farben, mit
Zusätzen und Bemerkungen von Roux, in Geigers Magazin für
Pharmacie, 1824, Bd. XIV; auch bes. erschienen, Karlsruhe 1826.

v. Minutoli, in Erdmanns Journal für Chemie VIII, 2 (auch in dessen Ab-
handlungen II. Cykl., I, 49).

Landerer, Ueber die Farben der Alten, in Buchners Repertorium für
Pharmacie, XVI (1839) p. 204.

Fillon, Description de la villa et du tombeau d’une femme artiste Gallo-
Romaine, decouverts ä St. Medard-des-Pres, Fontenay 1849.

Chevreul, Recherches chimiques sur plusieurs objets d’Archeologie, trouves
dans le Departement de la Vendee . in Memoires de l’Academie des
Sciences de l’lnstitut de France. T. XXII (1850), vgl. Hittorf f,
L’ Arohit ecture polychrome, p. 512 ff.

Palmeri, Ricerehe chimiche sopra dodici colori solidi trovati a Pompeji, in
Giornale degli Scavi di Pompeji, Napoli 1875, p. 159.

REGISTER.

(Abkürzungen: Mal. = Malerei, n = Anmerkung, Mus- = Museum, Plin. = Plinius

Vitr. = Vitruv.)

Abblättern d. Farben 65, 71.

Accademia Ercolauese 64, Etrusca 209.

„Adonis. verwundeter» 75, 134, 160.

Aegypt. Mal. 3, Wandmal. 6. Mumien-
sargmal. 11, Farben 22.

Aerugo 257, 262.

Aetius 228, 231. 246:

A Junta, Grotten v.. 34.

Alabastermörser 213.

Alberti, Leon Batt. 106.

Albumin 126 n.

Alaun 247, 259.

Alaunzusatz 35. 39.

Alexandersarkopbag 240.

Alexandrinisch Blau s. Glasfritte.

Alkali 17, 81, 98, 287, 290, 301.

Alter der Mal. 3.

Anacreon 181 n.

Analysen, chemiscbe, v. Merimee 22, John
24, 133, Rüssel 25, Chaptal 132,
Davy 132. Chevreul 135, 268, Geiger
140, Faraday 144, Landerer 145, Sem-
per 145, v. Stuccolustromasse 123 n,
des Farbenkästchens 235 n, v. Pal-
meri 256, Schoofs 271, Büchner 273.

Anchusa 99. 186.

Anderson über Japan. Mal. 37.

Angaben f.Wandstuck 84, Stuccolustro 107.

Anonymus des Morelli 106.

Ansatzfugen 67, 74, 161.

Apelles 53, 181 n, 179, 184.

Appianum 79, 186. 257, 262.

Arbeitsfolge b. ägypt. Mal. 16.

Architekturstil 151, 155.

Aristides 54, 55.

Armenium 261.

Arsenicum s. Auripigment.

Asphalt 229.

Assyrische Mal. 29.

Athenapriesterinnen 241.

Atramentum 262.

Auerochsenhorn 187, 188.

Aufzeichnung f. Mosaik 250.

Auripigment 23, 40, 79, 186. 247, 261.

Austernschalenweiss 40.

Bachelier 287.

Balsame 24, 228.

Basalttafel 213.

Beizen 241, 246.

Belzoni 8.

Bemalung von Skulpturen 10, 240.

Beni-Hassan, Mal. v. 6.

Bergblau 23, 25, 39, 262.

Bieneuwachs s. Wachs.

Bindemittel für ägypt. Mal. 7, für Tempera

177, für Marmormal. 241, v. röm

Farben 273.
Blaue Farben 26..
Bleirot s. Mennig.
Bleiweiss 40, 79, 186.
Blutstein 40.
Böcklin, A. 120, enkaustische Versuche

v. 219.
Bogenschützen assyr 31.
Bolus, weisser 256, 259.
„Brautschmückung» 158.
Bronzeinstrumente 265.
Bronzelöffelchen 214.
Bronzemörser 214.

Bronzetiegel von Herne-St. Hubert 232, 273.
Buchner’s Analyse 234, 273.
Buxbaumtäfelchen 176, 293.

Caere. Funde v. 243.

Caeruleum 79, 262.

Galau 289.

Calixtus-Katakomben 249, 250 n.

Carcani 64.

Carnuntum 147.

Casa dei Vettii 61, 151, 157. 160 u; di Dia-

dumeno 73; di Livia 151, 154, 157;

di Sirico 156; d’Adonide ferito 74,

159: del poeta 160 n.
üasein 93, 120, 123, 126, 181 n.
Cauterium 191, 193, 195, v. St. Medard 222.
Cauterium-Technik 219.
Caylus 287.
Cennini 11, 251.
Cera, cerae 186, 187, 190, 192.

— 310 —

Cerussa 260, 261.
Cespedes 64.

Cestrum 187, 193, 195, 285, 294.
Cestrum-Technik 219.
Chaptal’s Analysen 66, 132.
Charakteristik d. ägypt. Mal. 5.
Chemische Analysen s. Analysen.
Chemisches Verhalten 129.
China 37.

Chevreul’s Analysen 135, 215.
Chrysocolla 79, 262.
Cinnabaris 261.
Cleopatra-Bildnis 209.
Cochenille 259.
Cornelius 69.

Creta 260, s. weisse Kreiden.
„ viridis 262.

Davy’s Analysen 23, 66, 132, 255 n.
Decarlini’s Stuckverfahren 112, Stuckmasse

123 n.
Deckfarben 35, 37, 182.
Dedekind 17, 33, 259.
Dekoration antik. Wandmal. 61, 153.
Detoma’s Stuckverfahren 109.
Dichtmacheu d. Bewurfs 89, 122.
Dicke der Stuckschicht 67, 161.
Dieulafoy 32.

Dioskorides über pun. Wachs 81, 99.
Dioskorides-Manuskript 173, 174.
Donner’s Freskotheorie 70, Enkaustik 201,

294.
Doppelmörtel 91.
Dörpfeld 95.
Drachenblut 34, 51, 182.

Eibindemittel, auf Wandfläche 79. 125;
z. Tempera 178.

Eigelb 7, 143 n, 178.

Eiklar 123, 125, 128, 178, 302.

Einbalsamierungs-Papyrus 12.

Einbrennen d. enkaus’t Mal. 193.

Eingeputzte Flächen 77.

Einölen 128.

Einwachsen 129.

Eitempera s. Tempera.

Eleodorisches Wachs 289.

Elephantinum 262.

Elfenbein 187, 188.

,, -Enkaustik 223.

Email 252.

Emulgierung v. Wachs 99.

Englischrot s. roter Ocker.

Enkaustik 33; auf Mauern 66, 164, 165;
auf Tafeln 185; spätere 203; Böek-
lin’s Versuche 220 n ; Rekonstruk-
tionen 285.

Enkaustische Technik 22, 185, 219, 229;
Maler 55; Gemälde 198.

Essigzusatz zu Leim 124.

Faraday’s Aualyse 144.

Farben der Aegypter 22, 24; d. Japaner

39; pompej. Ursprungs 135, 140, 256;

f. Enkaustik 189: v. St, Medard 268;

der Alten 255, 260.
Farbenfläschchen 216.
Farbenfund v. St. Medard 214, 268; d.

Strada di Stabiae 229, 255: v. Herne-

St. Hubert 230, 271, 273.
Farbenkasten 175.

Farbenreste auf Elfenbein 224.
Farbenstücke 231 : im Neapeler Museum

264.
Farbenwürfel 232, 235, 273.
Farbstoffe 177.
Fayüm 197 n.

Feigenmilch 125, 143 n, 179.
Fernbach’s Enkaustik 292.
Festigkeit d. Mörtels 89.
Fettsäuren d. Bindemittels 150, 234, 269,

274.
Figurenmalerei 158.
Firnis d. altägypt. Mal. 6; goldfarbiger 15,

26; d. Griechen 183; des Apelles

184; auf Elfenbein 224; z. Mal. 300.
Firnisbaum 43.
Firnisüberzüge 14.
Fla vi us Vopiscus 250.
Flinders Petrie 200.
Frau Aline’s Porträt 206.
Freskoglättung 82, 163.
Fresko-Technik 70, 251, 296.
v. Fuchs über Mörtel-Erhärtung 90.

Galle s. Ochsengalle.
Ganosis 80, 98. 101, 23!).
Geiger’s Analysen 140.
Gelbe Farben 25, 261.
Gemäldetafeln 175.
Giovanni da Udine 63, 71 n.
Gipsgrund, ägypt. 14.
Glanzfarbe-Rez. 237.
Glanzvergoldung 19, 245.
Glänzende Mal. d. Aegvpt. 28.
Glasfritte, blaue 23, 24.’ 262.
Glasierte Ziegel 30.
Glasur, assyr. 31, 32 n.
Glättkellen 164, 165.

Glättung d. Mal. 14, 17, 76: mit heissem
Eisen 81, 114; d. Stucco 124, 154, 159.
Goldbeize 44.
Goldfarbe 40.
Goldschrift 41, 247.
Goruzzoli 260.
Gouache s. Deckfarben.
Grabstelen, ägypt. 10; bemalte grieeh. 241 n.
Graf’sche Porträts 197.
Gravieren auf Elfenbein 225.
Griffelenkaustik 293.
Grüne Erde 257, 262; Veroneser 23.
Grüne Farben 23, 24, 262.
Grundierung s. Kreidegrund.
Gummi 6, 94, 178, 247.
Gummiemulsion d. Chinesen 44 n.
Gummigutt 39, 40.

Hanföl 44 n.

Hardouin 286.

Harze 34, 183, 228; Harz-u.Wachsmischung
215, 269; Harzzusatz 223, Harz-
masse 268.

Hausenblase 179.

Helldunkel-Malerei 51.

Heraclius 251.

„Herakles u. Telephos» 159.

Herculanum 60.

Herculan. Wandgemälde 158, 159.

Hermeneia v. Berge Athos 237, 251.

Herne-St. Hubert 230, 271.

Herodot 29.

Herstellung des Verputzes 85, 121, 298.

Hilfslinien 67, 160, 160 n, 244.

— 31.1

Hittorff 66, Stuekanweisung v. 107.

llolzgrundierung 12. d. Japaner 39.
Honig 6, 12. 12 n, 259.
Huybrigts 233, 235.

Indien 33, 34.

Indigo (Indicum) 23, 34, 40, 79, 186, 262.

Inkrustation, assyr. 30, 33.
Inkrustationsstil 151.
instrumentenfunde 211, 233, 265.

Jaia aus Kyzikos 57, 187.

Japan. Mal. 37.

John’s Analysen 7. 12 n. 24, 133

Kakemonos 40.

Kalk 85, 90: gelöschter 93, 127: Staubkalk
110, 111: röm. 121; hydraulischer 90.

Kalkseife 81, 149.

Kalkspath 122.

Kampferzusatz 44.

Kaschierungen mit Leinwand 18, 19 n.

Kästchen des Malergrabes 213, 217 n.

Katakombenmal. 8, 9; d. Calixtus 249.

Kausis 68.

Kautschuklösung 292 n.

Kernschwarz 262.

Khorsabad 29.

Klappmesser 213.

Kleister 39, 41.

Knirim 143 n. 293.

Knoller, Martin 117 n.

Kohlenbecken 236.

Kohlschwarz 24, 262.

Koloristische Neuerungen 16.

Kolorit 52.

Komposition, jap. 41.

Konturen, eingedrückte 72, 160.

Korallenrot 40.

Krapprot 259.

Kreide, weisse 26, 40, 256. 260.

Kreidegrund ägypt. Mal. 6. 14: griech. u.

röm. Mal 79, 176.
Kry stallin. Kalkhaut 67, 78, 2 C J7.
Kupferlasur 24, 261.

I

Lackarbeiten, Japan. 42.

Lackfirnis, chines. 43, Japan. 43 n.

Lackieren 36, 42.

Lackmalerei 36.

Lackrot 26.

Landerer’s Analysen 145.

Landschaften, gemalte 77.

Lapis lazuli 23.

Lasuren 26, 79, 179.

Lasurfarben 182.

Lauge s. Alkali u. Pottasche.

Leim, in ägypt. Mal. 6, 7, 12: z. Stuck-
arbeit 68, 79, 93, 123, 126: f. Tafel-
mal. 178.

Leinöl 117, 231.

Leinwand zu Kaschierungen 18.

Leinwandumhüllung f. Mumien 205.

Leinwandunterlage f. Grundierungen 15.

Leroux 6.

Leukophoron 246, 261.

Leydener Papyrus 41, 247.

Linienführung 51, 181.

Linienzeichnung 5.

Lithostrotum 249.

Litterarische Nachweise, f. Enkaustik 186,
f. Stuccolustro 10(i. f. spätere Wachs-
mal. 236.

Löffelartige Utensilien 216.

Loggien d. Raphael 64 n, Jl.

Loriot’scher Mörtel Hin, 122.

Löwenfrios 31.

Lucca Ms. 237, 252.

Lücke bei Vitr. 87.

Ludius 61.

Malbuch vom Berge Athos 237.

Maler auf antiken Darstellungen 174.

Malerei m theban. Gräbern 6: im Neapider
Mus. 158. 160 n: im Thermen-Mus
161: v. Solunto 162; auf Marmor-
Grabstelen 241 n: s. Wandmal., Tafel-
mal., Enkaustik u. s. w.

Malerschulen, Japan. 37; griech. 53.

Malergrab v. St. Medard 211; v. Herne-
St. Hubert 231.

Malgeräte, ägypt. 27: enkaustischo 217:
d. Neapeler Mus. 263.

Malgründe 176, 187.

Malkästen 186.

Maltechnik d. Aegypter 3: Assyrier, Perser
u. in Ostasien 29: d. Japaner 38;
d. griech. u. röm. Mal. 47; Tempera
u. Enkaustik 171.

Malutensilien 214, 231.

Manieren der Stucktechnik 163.

Marmoratum 116, 251.

Marmorimitation 157, 166.

Marmorinkrustation 166.

Marmorino-Rez. 110, 122.

Marmormehl 110, 113, 123.

Mastixharz 209, 229, 303.

Matthiessen 164 n.

Mavhoff’s Erklärung der Plimusstello 189—
196.

„Medea» 76.

Meinungsstreit über d. antike Wandmal-
technik 63.

Meister der Enkaustik 55.

Melinum (Melisches Weiss) 54, 79, 186.
255, 260.

Mennig 26, 39.

Mengs, Raf. 65.

Merimee 22, 27.

Micaglas (Glimmer) 41.

Milch, ägypt. Mal. 6; Zusatz zum Mörtel
93, 123.

Miniaturmal., indische 35; griech. u. röm.
53, 246; d. Dioskorides Ms. 173.

Minium 257, 261 ; s. Mennig u. Zinnober.

v. Minutoli 7, 12 n.

Monochrome Mal. 49.

Montabert 291.

Montjosieu 286.

Mosaiktechnik 250.

Mumie 262.

Mumienmasken 18, 21.

Mumienporträts hellenist. Zeit aus Fayüm
21, 197: d. Berliner Mus. 202:’ auf
Leinwand 205, 206: im Louvre 208.

Mumiensargmal. 13; hellenist. Zeit 19.

Murex s. Purpurschnecken.

,,Muse von Cortona» 209.

Nachweis von Wachs 136, 139, 142, 144,

145, 146. 268, 269.
Näpfchen f. Farben 216.

312 —

Naplitha 26, 228 n, 291.
Natron (Lauge) 100.
Naturalistische Mal. 58.
Nikawa-Leim 39.
Nikias 56, 239.
„Nitrum» 100.
Nussöl 228, 231.

Ochra 257, 260.

Ocker, gelber 26, 40. 54, 261.

„ roter 23, 40, 257.
Ochsengalle 43, 108, 109, 125, 127. 128, 248.
Oele 228.

Oel- und Fettsäuren 150, 269, 274.
Oel-Kalk-Kitt 116.
Oelharzmal. 231, 237.
Olivenöl 116, 123.
Oelvergoldung 246.
Oelzusatz 223.
Ornamentaler Stil 151, 154.
Ostasien 29.

Paletten 172.

Pamphilos 53.

Panänos 52, 58, 95.

Papier 39.

Papierasche 99, 100, 186.

Papyrus 179; Leydener 247.

Paraetonium 76, 79, 256, 260.

Parrhasios 53, 179.

Passalacqua, Sammlung 23. 27.

Pausias 55.

Pergament 53, 179.

Persische Mal. 29, 35.

Pflanzenfarbstoffe 40.

Pflanzengelb 26, 261.

Phantastischer Stil 151.

Pinienharz 215.

Pinsel 27, 41, 172; f. Enkaust. 187, 198,

218. 226.
Pinselmaler 55, 177.
Piaton 3.
Plinius über Entwicklung d. Mal. 49; Pu-

nisches Wachs 99; Ganosis 102; En-

kaustik 186, 187.
Polieren des Lacküberzugs 44.
Polierkelle 108, 111.
Politur f. Stuccolustro 109, 115.
Polychromie 66, 80; d. Statuen 239.
Polygnot 52, 55, 59, 255.
Pollux 221 n.

Pompeji 60, Bewürfe aus P. 140, 146.
Pompejanum 297.
Pottasche 100, 303.
Porträts, antike s. Mumienbildnisse.
Praxiteles 55, 56, 239.
Protogenes 54, 177, 183, 226.
Punisches Wachs 17, 80, 99, 100, 180; s.

Wachstempera.
Purpur 21, 26, 40, 79, 186, 206, 229, 258.
Purpurgewänder 12 n.
Purpurissum 261.
Purpurschnecken 258, 259.
Puteolanum (Puzzolanerde) 63 n, 91, 121,

262.
Pygmaeen- Atelier 173.

Baphael 63.
Realgar 43.

Realistische Mal. 19, 53.
Reiffenstein 291.
Reismehl 41.

Reispapier 41.

Rekonstruktionen, frühere 285.

Requeno 66, 103 n, 290.

Rezept, f. punisches Wachs lOOn; f. Stucco-

lustro-Masse 123 n.
Rhabdion Q5aß5tov) 195, 219 n.
Ricinusöl 228.
Rippenvorbereitung 31.
Römische Bewürfe 147.
Rote Farben 261.
Rötel (Rubrica) 51, 257, 261.
Russel’s Analysen 25.
Russschwarz (Kienruss) 26, 93, 262.

Saflor 40.

Safran 58, 95, 248.

Sal tartari 109.

Salmasius 285.

Sandaraca 261.

Sandmörtel 84. 107, 113, 298.

Sandy x 79, 261.

Santelholz 40.

Santorinerde 91 n.

Schafhäutl 133, 300.

Schattenriss 49.

Scheffer 286.

Schiefertafel 208.

Schiffsmalerei 226.

Schildkrötengalle 248.

Schlagen des Bewurfs 85, 89.

Schlagholz 122.

Schlussarbeit f. Stucco 128.

Schlussbetrachtungen 248.

Schlussfolgerungen, v. Chevreul 140: v.

Geiger 143. 151.
Schlusspolitur 98, 109, 115.
Schreib- u. Malgeräte, ägvpt. 27.
Schreibtinte 79, 93, 262.
Schulen, jap. Maler 38: grieeh. 53.
Schulregeln 182.
Schüttgelb 25, 261.
Schwamm 173.
Schwarz (indisches) 34.
Schwarze Farben 262.
Schweinsgalle 43.
Schwitzen, des erwärmten Wachses 101,

102, 119: der Freskomal. 300.
Seide 39.

Seife, weisse s. Venezianer Seife.
Seifenwasser 109.
Selinunt 96.

Semper 30. 32, 43 n, 45. 66.
Semper’s Analvse 145.
Sepia 8, 26, 262.
Sienaerde 26.
Sil s. Ocker.
Silberfarbe 40.
Silberschrift 247.
Silberstift 176.
Silikatbildung 91.
Sinopisrot 51, 54, 257, 261.
Solunto 61, 162.

Spiegelnder Glanz d. Tectoriums 86, 104.
Spiköl 300.

St. Medard-des-Pres 138, 211, 222. 234, 268.
Staffeleien 175.
Stereochromie 293 n.
Stilistische Verschiedenheiten 4, 158.
Stucco lustro 81, 104, 163; Anweisungen f.

Stucoo lustro-Eisen 114.
„ -Ofen 115.

— 313 –

Stucco lustro-Rezept 123.
„ „ -Manier 128.

Stuck, in der Masse gefärbt 77. 81, 93, 96.
Stiukarbeiter, pompej. L02-
Stuckatorspachtel 264.
Stuckmal., assyr. 80: alt-röm. 270; s. Wand-
malerei.
Stuckmarmor 168 n.

Tabloche (Tavolezzai 178 n. 267.

Tafelmal. 11, 171.

Tagesarbeit I). Fresko u. Mosaik 251.

Tanagraiiguren 242.

Taubenheim 290.

Tectores 79.

Tectorium nach Vitr. 83; gpiegelglänzen-

des 104; Herstellung 121. 295.
Tee-Oel 43.
Tell-el- Jalmdieh 33.
Tempera 177. 181; Versuche mit Tempera-

bindemitteln 125.
Temperamal. 172.199,210: s. Wachstempera
Terpentinöl 130, 228 n, 292.
Terracottamasken 21.
Theophilus 252.
Thermen-Museum 161.
Thermen d. Titus 63, 167.
Thoma. Hans 181 n.
Tonsarkophage 182, 244.
Tonziegel, bemalte 248.
Tournesol 259.
Trass 91 n. 276.
Trocknende Oele 228, 231.

Ueber malung 182: d. Raphael’schen Log-
gien 71.

Ultramarin 34, 40.

Untermalung 182: b. Mosaik 250.

Untersuchung v. Farben röm. Provenienz
273; s. Analysen.

Ursache der Erhaltung ägypt. Mal. 3; des
Verfalls pompejan. Mal. 73.

Ursprung d. Freskotechnik 273.

Varro 186.
Vasengemälde 50.
Venetianer Seife 17. 116, 124.
Vergipsen der Holztafeln 15.

Vergoldung, ägvpt. Mal. 19; Japan. 40; v.
Bildwerken 242; Beispiele v. 204, 245.

Verseifung, s. Wachsseife.

Versuche z. Rekonstruktion d. Enkaustik
21ti. 285; d. Wandmal. 119. 295.

Verzierungen, plastische 15, 204; ver-
goldete 16, 240.

Viglioli’s Versuche 124 n, 301.

Villa Hadriana 142. 209.

Vitruv über antikes Tectorium 83, 105;
über Ganosis 80, 101; Wanddekora-
tion 61; Marmorputz 86.

Vorzeichnung f. Mosaik 250.

Votivtafeln, ägypt. 17.

Wachs, in ägypt. Mal. 7, 27: f. Enkaustik
186, 188; gefunden in St. Medard
215. 268.

Wachsähnliches Bindemittel 235, 273.

Wachsemulsiora 100 n.

Wachsfirnis 111, 112.

Wachsmalerei 180; der spät. Zeit 236; s.
Enkaustik.

Wachsseife 8. 98, 99, 238, 290, s. Punisches
Wachs.

Wachstempera 119. 180, 237.

Walter J. G. 289.

Wandmal., d. Aegypt. 6; glänzende 9;
indische 34: d. Griechen u. Römer 58;
älteste in Italien 62: Stilverschieden-
heiten 151: v. Herkulanum 158;
Pompeji 60, 73; im Neapler Mus. 160;
Römische 161.

Wärmapparat 217 n.

Westenhofer Mosaik 120, 283.

v. Wilmowsky 278.

Wurka 31.

Xenti 12.

Yamato-Schule 38.
„Yaue conosite» 238.

Zement 90, 121.

Zeuxis 53. 179. 255.

Ziegel, glasierte 30.

Ziegelmehl 44, 110, 276 n.

Zopissa 223 n. 227.

Zuschläge zum Mörtel 90, 93, 121. 123.

Berichtigungen.

S. 59 Text Zeile 2 von unten lies Thespiae statt Thespis.
„ 68 „ „ 1 „ oben „ ausser „ selbst.

Zur &ef. Notiznahme.

Die Besitzer dieser Ausgabe werden gebeten, die jetzt nicht mehr zutreffenden
Rückverweisungen in der III. Folge (Mittelalter) wie folgt zu ändern.

S. VIII Zeile 14 von oben muss es jetzt heissen: Altert. S. 230.
„ 12 „ 1 „ unten „ „ „ „ 260.

, 14 Anm. 13 , „ , ■ „ „ „ 245.

„ 15 Zeile 18 von unten „ » „ » » * 231.

„ 18 mittlerer Absatz ist richtig zu stellen nach „ 81u.82.

„ 26 Zeile 20 von oben muss es jetzt heissen: Altert. „ 250.
unten „ „ „ „ „ 207.

„ 9 50

246;

v » » » » 238.

„ „ „ „ , . 252.

Diejenigen Stellen, an denen nach der frühereu Auffassung das Cestrum ge-
nannt ist, während es nunmehr l’auterium heissen müsste, wird der aufmerksame
Leser leicht selbst bemerken.

37

n

7

103

21

109

»

26

ebd.

28

141

Anm.

5

208 Anm.

16

265

Anm

. 1

Kgl. Hofbuchdruckerci Kästner & Oallwey, München.

BEITRÄGE

ZUR

ENTWIGKELUN6.S- GESCHICHTE

DER MALTECHNIK

MIT UNTERSTÜTZUNG DES KÖNIGLICH PREUSSISCHEN MINISTERIUMS DER GEISTLICHEN.
UNTERRICHTS- UND MEDIZINAL-ANGELEGENHEITEN

HERAUSGEGEBEN VON

ERNST BERGER

MALER

III. FOLGE

MÜNCHEN, r?rz

VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY

QUELLEN UND TECHNIK

DER

FRESKO-, GEL- und TEMPERA- MALEREI

DES

MITTELALTERS

VON DER BYZANTINISCHEN ZEIT BIS EINSCHLIESSLICH DER
„ERFINDUNO DER ÖLMALEREI»

DURCH DIE
BRÜDER VAN EYCK

NACH DEN QUELLENSCHRIFTEN UND VERSUCHEN
BEARBEITET VON

ERNST BERGER

MALER

ZWEITE. DURCHGESEHENE AUFLAGE.

MÜNCHEN. ju.
VERLAG VON GEORG D. W. CALLWEY

Inhalt

Vorwort zur ersten Auflage: Seite

Allgemeine Uebersicht über die Quellenschriften und deren Wert für unsere

moderne Maltechnik VII — XII

Vorwort zur zweiten Auflage XIII

I. TEIL.

Quellen für Technik der Malerei
vom IX. — XIII. Jahrhundert.

Geschichtliche Einleitung 3

I. Das Lucea- Manuscript 8

II. Mappae Clavicula 22

III. Das III. Buch des Heraclius 35

IV. Theophilus Presbyter, Schedula diversarum Artium 47

(Technik des Theophilus 51; Miniaturmalerei 54; Tafelmalerei des Theo-
philus 55; Vergoldung 60; Anhang 62.)
V. Quellen arabischen Ursprunges. Liber sacerdotum 64

II. TEIL.

Quellen und Technik des Südens.
XIV. und XV. Jahrhundert.

I. Handbuch derMalerei v omBerge Athos. (Hermeneia des Dionysios) 71

IL CenninoCennini’s Traktat von der Malerei 102

(Inhalt des Trattato 108; Malerei auf Mauern 111; Tafelmalerei des Gennini
117; Vergoldungstechnik im allgemeinen 119; Malerei mit Tempera 124.)

III. Bologneser Manuskript 128

IV. Der Neapeler Codex für Miniaturmalerei 132

III. TEIL.

Mittelalterliche Quellen des Nordens

aus dem XIV. und XV. Jahrhundert.

I. Le Begue’s Schriften 149

II. Das Strassburger Manuskript, die älteste deutsche Quelle für

Maltechnik 155

(Inhalt des Strassburger Manuskripts 156; Vergleich mit anderen Quellen 160;
Farben und Technik des Strassb. Manuskripts 163.)

Text des Strassburger Manuskripts 167

(Kapitel-Index zum Strassb. Manuskript 190.)
III. Note zu einigen deutschen Manuskripten aus dem XV. Jahr-

hundert über Maltechnik . . 191

Anhang. Die sechs Temperaturwasser des Boltz von Rufach 202

IV. TEIL.

Ueberblick über die Maltechniken

der romanisch-gotischen Periode bis zur Neuerung der Van Eyck.

Ueberblick über die nordischen Techniken 207

I.Miniaturmalerei 208

11. Wandmalerei 218

III Tafelmalerei . 225

Ueberblick über die Entwicklung der Mal technik im Süden . . . 232

V. TEIL.

Die Oeltempera.

Ein Versuch zur Lösung der Frage von der „Erfindung der Oelmalerei»

durch die Brüder Van Eyck. Seite

I. Vorbemerkung 2H9

IL Ansichten über die Technik der Van Eyck 242

III. Die Oeltempera und Vasari’s Bericht über die „Erfindung» der
Van Eyck 247

IV. Weitere Nachrichten über die Van Eyck-Technik 258

V. Die „Disciplina di Fiandra» und die Tecbnik des Malens mit

Oeltempera 20(5

VI. Moderne Rezepte für Oeltempera 276

VII. Schlussbemerkungen 280

ANHÄNGE.

Kapitelreihe des Lucca Ms. mit den korrespondierenden der Mapp. clav. … 31

Kapitelreihe des Handbuches der Malerei vom Berge Athos 100

Kollektion von Versuchen zur Geschichte der Maltechnik. II. Serie 285

Register 289

VII

Vorwort zur ersten Aurlage

Allgemeine Uebersicht über die Quellenschriften und deren Wert
für unsere Maltechnik

Der zweite Teil einer Arbeit, welche dio Entwicklungsgeschichte der
Maltechniken von den ersten kulturellen Anfängen bis zur höchsten Stufe der
Vollendung durch Versuche und Erläuterungen zu zeigen sich zur Aufgabe ge-
stellt hat, liegt hier vor. Der zu diesem Zweck eingeschlagene Weg bestand
ebenso wie bei dem ersten Teil darin, die Reihenfolge der Maltechniken und
deren naturgemässe Stufen der geschichtlichen Entwicklung auf Grundlage
des vorhandenen quellenschriftlichen Materials durch parktisch ausgeführte
Proben festzustellen. Dabei wurde stets auf das Handwerksmässige einer
Technik Rücksicht genominen und der Grundsatz festgehalten, dass neue
Techniken zumeist Verbesserungen oder Vereinfachungen einer früheren sein
dürften. Dieses Prinzip, dass die künstlerischen Techniken sich wie jede Kul-
tur überhaupt stufenweise entwickelt haben werden, ist vor allem massgebend
gewesen, um die geschichtliche Entwicklung der Maltechnik durch eine Reihe
von Tatsachen von technischer Bedeutung zu erklären, die wie die Ringe
einer Kette ineinandergreifen.

Was die Quellen für die Maltechnik des Mittelalters betrifft,
von welchen in diesem Bande die Rede ist, so wird es angebracht sein, die-
selben vorerst in Kürze Revue passieren zu lassen, um zu zeigen, wie sich
die technischen Traditionen eng an diejenigen des Altertumes anschliessen
und dabei die Schwierigkeiten zu kennzeichnen, welche sich uns bei deren
Beurteilung entgegenstellen. Es sei nur daran erinnert, dass wir über die
Malerei der Griechen und Römer durch die wenigen Stellen der Werke des
Vitruv, Plinius u. a. nur sehr unvollkommen unterrichtet sind. Man wird
dies jedoch begreiflich finden; denn ausser einigen Rezepten für Farben-
bereitung sind die alten Angaben nur für den Praktiker von damals ver-
ständlich. Ein spezielles Werk über Maltechnik ist uns aus dem Altertume
nicht überliefert. Umso bemerkenswerter musste uns ein in Leyden auf-
bewahrter Papyrus erscheinen, der in einer Mumienumhüllung verborgen,
zu Theben anfangs vorigen .Jahrhunderts aufgefunden wurde, (s. Maltechn. d.
Altert. S. 247). Es ist der Rezeptenschatz eines Goldschmiedes, der mit edlen
Metallen und Legierungen umzugehen wusste und sich auch mit der geschätzten
Purpurfärberei und Miniaturmalerei (Goldschrift) beschäftigt zu haben scheint.
Aus dem III. Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammend, in griechischer
Sprache verfässt, ist diese Rezeptensammlung nicht nur charakteristisch für
die Zeit, sondern auch für die alten Handwerker überhaupt. Schon der Um-
stand ist bemerkenswert, dass der Tote sich von seinen Rezepten nicht trennen
wollte und sich dieselben mit ins Grab geben liess. Zweifellos sind manche

VIII

dieser Rezepte römischen Ursprungs, denn wie Berthelot in seinem Werke
(Chimie au moyenäge, Paris 1893) nachweist, finden sich einige derselben
inhaltlich, einzelne sogar wörtlich in späteren Manuskripten. Es zeigt dies
zweifellos, dass die technische Tradition ^auch durch die dunklen Zeiten der
Völkerwanderung erhalten geblieben ist.

Erst aus dem IX. Jahrhundert (nach Gregorovius, Gesch. der Stadt
Rom, II 378, vom Ende des VIII. Jahrhunderts) stammt die erste auf uns ge-
kommene Rezeptensammlung, das Lucca Manuscript. Es enthält aus-
führliche Anweisungen über Glasmosaik, Färben von Fellen, Goldschrift, Be-
reitung von Farben und allerlei Materialien für Metallarbeit, aber es ist nicht
leicht, die Rezepte, welche für Malerei speziell bestimmt sind, herauszulösen;
darin scheint gar manches als selbstverständlich und wird daher nicht be-
sonders bemerkt. Ganz ähnlich ist das Sammelwerk Mappae clavicula
(Kleiner Schlüssel der Malerei) aus dem XIII. Jahrhunderts angelegt, worin
ein grosser Teil der im Lucca Ms. enthaltenen Rezepte aufgenommen ist.
Mit diesem Ms. zeigen wieder die ersten zwei in Versen geschriebenen Bücher
des Heraclius „Von den Farben und Künsten der Römer» grosse Ver-
wandtschaft; auch hier sind die verschiedenartigsten Angaben für Glas- und
Metallverarbeitung, für Gemmen und gebrannte Thonaibeit zu finden; erst ein
dritter, späterer Teil ist der Malerei gewidmet. Bei Durchsicht dieser alten
Quellen handelt es sich für uns darum, alle jene Rezepte abzusondern, die
sich speziell auf Malerei beziehen, eine mitunter schwierige Arbeit, denn es
sind oft Anweisungen vorhanden, deren Zweck man von vornherein nicht er-
kennen kann, wieder andere lassen es zweifelhaft erscheinen, ob sie überhaupt
technischen oder alchemistischen Inhalts sind und schliesslich sind die Rezepte
nicht selten, bei denen technische Ausdrücke und Kryptogramme angewendet
sind, deren Uebersetzung und Sinn dem gewiegtesten Philologen unüberwind-
liche Hindernisse entgegenzusetzen imstande sind.

So kommen im Lucca Ms., im Liber sacerdotum des XIII. Jh., das
aus arabischen Quellen geschöpft ist, und selbst in dem viel späteren „Hand-
buch der Malerei von Berge Athos» Bezeichnungen von Droguen etc.
vor, die bisher nicht erklärt werden konnten; für die frühmittelalterliche Technik
sind aber die genannten Manuskripte von grösster Bedeutung.

Das Handbuch der Malerei vom Berge Athos, dessen uns^von^Didron
zuerst mitgeteilte Niederschrift wohl jüngeren Datums ist, enthält die Technik
des im XII. Jh. vielbewunderten griechischen Malers Panselinos, beruht aber
jedenfalls auf älterer Tradition; schon die eigentümliche Bezeichnung der ein-
zelnen Farbenmischungen z. B. für Karnation, wie Propiasmus, Glykasmus etc.
sprechen für höheres Alter, eine Eigenart, die auch in dem berühmten Werke
des deutschen Mönches Theophilus, Schedula diversarum artium, dem
XI — XII. Jh. angehörig, wiederkehrt.

Im Gegensatz zu den früheren Quellen sind in der Schedula, ebenso wie
im „Handbuch» ganze Abschnitte ausschliesslich der Malerei und den dazu-
gehörigen Praktiken gewidmet, aber es ist noch nicht jene bestimmte Ord-
nung zu bemerken, derzufolge immer genau ersichtlich ist, ob die einzelnen
Angaben für Wand-, Tafel- oder Miniaturmalerei zu gelten haben. Den diversen
Vergoldungsarten, die bei der byzantinischen und der ganzen mittelalterlichen
Technik eine grosse Rolle spielen, ist ein breiter Raum gewidmet. Man muss
sich aber einigermassen mit dieser wichtigen Technik vertraut gemacht haben,
um alle einschlägigen Anweisungen richtig zu verstehen.

Durch ein weniger bekanntes Ms. des XIV. Jhs., den Neapeler Kodex
über Miniaturmalerei ist es nunmehr auch möglich geworden, alles speziell
aui Miniaturmalerei Bezügliche abzusondern, so dass mit Hilfe dieses Ms. eine
Art Schlüssel für die anderen vorhanden ist, der die Arbeit erheblich erleichtert,
wenn es sich darum handelt, die technischen Rezepte auf ihre Anwendungs-
arten richtig zu beurteilen.

Für die nordischen Techniken der Zeit sind ausser dem bereits genannten
Ms. des Theophilus noch die von dem französischen Münzmeister Le Begue

IX

gesammelten Schriften des Aloherius, P. de St. Audemar von grossem
Interesse, die die gelehrte Airs. Merrifield in ihrem umfassenden Werke (Original-
Treatises, dating from the XII th to XVIII th oenturies on the Arts of Painting,
London 1848, 2 Bde.) veröffentlicht hat.

Wegen der Ausführlichkeit und der überaus klaren Diktion ist das all-
bekannte Buch des Cennino Cennini, Trattato della Pittura von grösster
Wichtigkeit für uns; die Technik Giotto’s und seiner Schüler ist in diesem
Buche bis ins kleinste Detail und mit minutiöser Genauigkeit wiedergegeben,
so dass nicht der geringste Zweifel über die damalige Technik herrschen kann.
Es gibt keine noch so unbedeutende technische Handhabung, die hier nicht
beschrieben ist, von der Zubereitung der Holzkohle, des Malbrettes, der Farben,
Pinsel und der Vergoldungsarbeit bis zum letzten Firnis.

Dieser italienischen Quelle für Alaltechnik der Frührenaissance kann^keine
gleichartige aus dem Norden entgegengestellt werden, wohl aber eine, die ihr
an Wichtigkeit nicht nachstellt, nämlich das Strassburger Als. vom Ende
des XIV. oder Anfang des XV. Jhs. Die Veröffentlichung dieses durch den
Brand der Bibliothek im Jahre 1870 verlorenen Als., des ältesten in
deutscher Sprache verfassten Werkes dieser Art, das hier allgemein
zugänglich gemacht wird, wurde ermöglicht, durch die Auffindung einer für
Eastlake in den 40 er Jahren angefertigten Kopie. Eine der interessantesten
Quellen für mittelalterliche Alaltechnik ist dadurch der Vergangenheit entrissen.

Lassen sich die Techniken der Alalerei bis zum Ausgang des XIV. Jhs.
an der Hand des reichen quellenschriftlichen Alateriales mit ziemlicher Ge-
wissheit rekonstruieren, so treten ganz besondere Schwierigkeiten zu Tage,
wenn es sich darum handelt, die in Mitte des XV. Jh. durch die Brüder Van
Eyck eingeführte technische Neuerung in den Schriftquellen zu verfolgen.
Ein allgemeines Schweigen deckt das berühmte „Geheimnis» ihrer Erfindung.
Nur die vielumstrittene Erzählung des Vasari im Leben des Antonello da
Alessina gibt einzelne Anhaltspunkte, aus welchen zu schliessen möglich ist.
dass es nicht die Oelmalerei an sich, denn diese war längst bekannt, sondern
eine neue Art der Oelmalerei war, die die Brüder Van Eyck zu Urhebern
gehabt hat. Es sprechen ganz deutliche Anzeichen dafür, dass die sog. Oel-
tempera, eine innige Alischung von Gummi oder Eigelb mit Oelen oder Oel-
firnissen, wodurch diese letzteren mit Wasser mischbar werden, das Bindemittel
der altniederländischen und kölnischen Schule bis zu Dürer und Holbein ge-
wesen sein mag. Es wird in diesem Hefte ausführlicher davon gehandelt
werden und auch erörtert werden, wie sich folgerichtig aus dieser Technik erst
durch die Einführung der ätherischen Lösungsmittel für Oele und Harze unsere
neuere Oelmalerei entwickelt haben mag.

Für das ganze XVI. Jh. ist aus Vasari’s Introduzione zu seinem
Werke „Das Leben der berühmtesten Architekten, Alaler, Bildhauer» mancher
wertvolle Hinweis auf die Technik zu entnehmen: auch Lomazzo und Ar-
menio unterstützen ihren berühmten Kollegen in ihren Büchern über die
Alalerei (Idea del Tempio della Pittura, 1590, desselben Trattato dell’ arte
della Pittura 1585; und De veri Precetti 1587). Eigentümlicherweise behandeln
die Malerbücher dieser und der folgenden Zeit immer mehr die ästhetische
und didaktische Seite der Kunst und berühren das rein Technische nur neben-
her; Lomazzo z. B. gibt bei Oelmalerei nur an, dass die Farben mit Leinöl.
Nussöl- und anderen „Dingen» angerieben werden; wie Alalbretter oder Lein-
wand präpariert werden, davon schweigt er vollends. Selbst Lionardo da
Vinci, der in bezug auf Technik ein Experimentator, wenn auch kein Ver-
besserer gewesen, versäumt es in seinem gross angelegten Trattato über Farben
und Technik speziell zu schreiben, obschon er es selbst für wichtig hält und,
wie er sagt, „dies nur aus Alangel an Papier vorläufig unterlassen .habe»
(^Quellenschr. f. Kunstgesch. Bd. XVIII S. 100). Für einen grossen Geist,
wie es Lionardo war, mag es sehr nebensächlich erschienen sein,- Dinge zu
beschreiben, die ohnehin jedem Lehrling bekannt sein mussten, er mochte
vielleicht eingesehen haben, dass sich die Hauptsachen der Technik nur durch

X

fortgesetzte Uebung erlernen lassen, weshalb er auf eine schriftliche Darlegung
derselben vorerst verzichtete.

In den spärlichen Druckschriften der nordischen Autoren erhält- sich aber
lange Zeit noch das Rezeptenwesen. Boltz von Ruf ach rechtfertigt sich
in der Vorrede zu seinem „Illuminierbuch» (1562) vor seinen Fachgenossen,
dass er überhaupt Dinge veröffentliche, die eigentlich geheim zu halten
wären, und tatsächlich war seit der Erfindung der Buchdruckerkunst in
Deutschland kein Werk darüber erschienen. Nach Boltzens erstem Wagnis
werden aber die Bücher mit ausführlichen Rezepten immer häufiger, bis in dem
Nürnberger „Kunst- und Werkschul » (erste Ausg. 1707) ein dickleibiges
Sammelwerk erschien, das in seiner Ausführlichkeit und Vielseitigkeit kaum
mehr überboten worden ist.

Der Holländer Karel van Man der in seinem „Schilderboeck» (1604),
ebenso wie Wilh. Beurs in „De groote Waereld int Kleen geschildert»
schliessen sich der Art der Italiener an und betonen mehr die ästhetisch-
optische als die rein technische Seite der Kunst. Für die Kenntnis der
spanischen Malart des XVI. Jh. wären noch Pächeco’s und Palomino’s
einschlägige Malbücher zu erwähnen. Ich möchte diese nur in grossen Zügen
gegebene Aufzählung der Quellenschriften für die Technik der Blütezeit der
Malerei nicht schliessen, ohne noch auf das Manuskript des De Mayerne
aufmerksam gemacht zu haben, der durch den persönlichen Verkehr mit
Rubens, Van Dyck und anderen in die Lage kam, über deren Technik
in hohem Grade wichtige Details zu hinterlassen; das Ms. ist im IV. Teil
dieses Werkes veröffentlicht, so dass wir uns ein genügend klares Bild über
die Malweise der Zeit zu machen imstande sind.

Schon aus der Fülle des hier aufgeführten Materials x wird es begreiflich,
wie wichtig es ist, die Technik bestimmter Zeitperioden in allen Details kennen
zu lernen und die Systeme zu beachten, nach welchen die alten Maler bei
ihren Werken vorgingen, denn das eine wird jedem Einsichtigen klar sein,
dass so planlos wie heute zu keiner Zeit verfahren wurde. Es entsteht nun
aber die Frage, auf welche Weise und zu welchem Zwecke man sich der Mühe
unterziehen sollte, eine fast unabsehbare und zeitraubende Arbeit durchzuführen,
um ein so kostbares Material wie es die Quellenschriften sind, für uns und
unsere Nachfolger fruchtbringend zu verwerten, denn es ist noch lange
nicht erwiesen, dass eine Technik rationell ist, weil sie alt ist.

Um sich über die alten Techniken vollkommen zu unterrichten, müssen
deshalb zuerst die Quellen gesichtet und alles was sich auf das Technische
der Arbeitsführung, insbesondere auf die Grundierung und die Art der Binde-
mittel bezieht, geprüft und praktisch erprobt werden. Bei derartigem Vor-
gehen müssen sich nicht nur die verschiedenen älteren Malsysteme feststellen
lassen, es werden sich auch von selbst aus den gefundenen Resultaten Ge-
sichtspunkte für rationelles Malverfahren ergeben, die durch die gute oder
schlechte Erhaltung gleichzeitiger Denkmäler der Kunst sich selbst kontrollieren.
Zunächst wird der Wert einer solchen Arbeit in der kunstwissenschaft-
lichen Seite gelegen sein, denn mit Hilfe einer derart im Detail durchge-
führten Quellenforschung und entsprechenden ausgeführten Malproben, müssen
sich genau bezeichnete Merkmale einer bestimmten Kunstperiode auch in tech-
nischer Beziehung feststellen lassen, welche die kunsthistorische Forschung
unterstützen und für sie von Wichtigkeit sein dürften.

Der praktische Wert dieser Arbeit für unsere moderne Mal-
technik muss darin erblickt werden, dass durch die Erkenntnis der alten

1 Von wichtigeren Mss. und Quellen wären noch zu erwähnen: Das Paduaner
Ms. (Ende des XVI. Jh.), das Ms. des Giov. Batt. Volpato betitelt „Modo da tener
nel dipinger (XVII. Jh.), das Brüsseler Ms. des Pierre Lebrun (1635), dann noch
Wandmalerei, betreffend: der Commentar zu Vitruv des Spaniers Guevara (Anfang
des XVI. Jh.), das Werk „De Re Aedificatoria des Leon Battista Alber t i, Raffaello
Borghini’s Riposo (1584), Andrea Pozzo (geb. 1G42), Jobannes Martinus (1699), Raph.
Mengs u. A.

Techniken auoh die Syst eine bekannt werden, nach welchen die alten
Meister ihre gepriesenen Schöpfungen angefertigt haben. So haben, um nur
ein eklatantes Beispiel anzuführen, die Künstler der Frührenaissance das Prinzip
gehabt, die Bindemittel zu wechseln und /.war nahmen sie zu unterst die
schneller trocknenden, wie Leim zur Grundierung, dann kam Eitempera zur
Untermalung; darauf folgte die Uebermalung mit Oellasuren und endlich liessen
sie das Gemälde vor dem Firnissen über ein Jahr lang trocknen. Wir hin-
gegen untermalen mit Oelfarben auf ölgrundierte Leinwand oder Brett, über-
malen und lasieren mit (»eleu und Firnissen, sogar mit Essenz- oder Spiritus-
firnissen, die schneller trocknen als die Unterlagen und infolge dessen das
Reissen und Brüchigwerden beschleunigen. Diesem einen Beispiel werden
sich eine grosse Reihe ähnlicher anschliesseu lassen, sowohl was Wandmalerei,
als auch was Tafel- und Miniaturmalerei betrifft. Auch muss es für den
modernen Techniker von eminenter Wichtigkeit sein, zu erfabren, mit welchen
Bindemitteln und nach welchen Grundsätzen gewisse Bildwerke gemalt sein
konnten, die durch ihre tadellose Erhaltung Jahrhunderte lang die Bewunderung
aller hervorgerufen haben; ebenso wird sich ganz genau feststellen lassen,
warum andere viel später gemalte Werke zu Grunde gingen und zu Grunde
gehen mussten. Ein Beispiel dieser Art will ich hier erwähnen: Für manche
Kunstforscher dürfte es neu sein zu erfahren, dass die bekannten Loggien
des Raffael nicht, wie man allgemein annimmt, al fresco ausgeführt sind;
es hat sich nämlich das genaue Rezept des Giovanni da Udine erhalten,
aus dem hervorgeht, dass diese „notorischen Fresken» mit Oelfarbe auf den
mit Bleiweiss gefärbten Stuck gemalt worden sind; daraus erklärt sich aber
auch zur Genüge ihre schlechte Erhaltung!

Nur auf dem historischen Wege werden sich derartig wichtige Er-
fahrungen sammeln lassen ; hier Klarheit zu schaffen, ist eine der Hauptauf-
gaben dieser ganzen Arbeit 1 Nicht weniger wichtig wird die Arbeit für die
Erhaltung und Restaurierung alt er Gemälde sein, denn durch die genaue
Kenntnis der Technik wird auch die Wiederherstellung schadhaft gewordener
Stellen modifiziert werden müssen, während man heutzutage alle alten Bilder
nach ein und derselben Methode behandelt, gleichgültig, ob ein Gemälde aus
dem XIV. oder aus dem XVIII. Jahrhundert stammt. Wie will man aber
ein Bildwerk, sei es Wandmalerei oder Tafelbild, richtig restaurieren, wenn
die einzelnen Techniken der verschiedenen Kunstepochen nicht einmal genügend
erkannt sind?

Für Kopisten alter Bilder wird es von grösster Wichtigkeit sein, sich
mit den Resultaten dieser Arbeit vertraut zu machen, um getreue Kopien der
Originale fertigen zu können.

Ausser diesen Momenten, die die Durchführung der hier begonnenen
Arbeit für wünschenswert erscheinen lassen, wird aber ein noch viel wichti-
gerer Faktor für den denkenden und ausübenden Künstler die nächste Folge
davon sein: er wird sich von vorneberein über seine Technik klar werden können
und durch das Vertrautsein mit den verschiedensten Techniken aller Kunst-
epochen nicht blindlings jedem Angebot von neuen Erfindungen der Farben-
fabrikanten und Händler entgegenkommen, um schon nach kürzester Zeit
Enttäuschungen zu erleben, wie es in den letzten Jahren zu widerholten Malen
geschehen ist. Dann wird der Künstler sich auch vor den Augen halten
können, was er von einer bestimmten Art von Technik zu erwarten hat, und
was er derselben zumuten kann, ohne Schaden für die Solidität seines Werkes.
Solches Wissen aber muss der Kunst selbst nur zu gute kommen!

Aus dem Vorstehenden ist sowohl der Umfang der Arbeit als auch
die Intention des Verfassers ersichtlich In dem Bestreben, die Resultate
seiner Studien und Versuche auf dem Gebiete alter Maltechnik durch deren
Zusammenfassung in einer Druckschrift der Oeffentlichkeit zugänglich zu
machen, wurde derselbe in wesentlicher Weise durch das Entgegen-
kommen des hohen Senates der königlichen Aka de mie der Künste
zu Berlin, sowie ganz besonders durch die Sub ven tionier ung

XII

von seiten des Königlich Preussischen Ministeriums der geist-
lichen, Unterrichts- und Medizinal- A ngelegenheiten gefördert.
Der Verfasser folgt demnach nur seinem Gefühl der Dankbar-
keit, wenn er den genannten hohen Behörden auch an dieser
Stelle seinen ehrerbietigen Dank ausspricht, in erster Linie dafür,
dass er bei den hervorragendsten Vertretern seines Kunstfaches neuen An-
spornend Aufmunterung zur Fortführung der begonnenen mühsamen Arbeit
gefunden, und zweitens dafür, dass er in der materiellen Beihilfe eine Aner-
kennung des faktischen Wertes seiner Bestrebungen erblicken zu dürfen glaubt.
Zu nicht minderem Danke verpflichtet ist der Verfasser noch einer Reihe
von Männern, die durch ihre Stellung als Leiter von Sammlungen und Biblio-
theken, oder durch ihr reiches Wissen ihn in freundlichster Weise unter-
stützten, -[insbesondere den Herren Prof. Christomanos in Athen, Prof.
Karabacek in Wien, Prof. Mayhoff in Dresden, Mr. Edw. J. Poynter,
Präsident der Royal Academy in London, sowie den Dozenten der Universität
Dr. Panzer und Dr. Traube in München.

MÜNCHEN, im Juni 1897.

DER VERFASSER.

XIII

Vorwort zur zweiten Auflage

Schneller als es anfänglich den Anschein hatte, ist eine Neuauflage des
Bandes meiner „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik» nötig
geworden, der die Quellen und die Techniken des Mittelalters behandelt. Dies
mag darin seinen Grund haben, dass gerade den mittelalterlichen Malweisen
in den Kreisen der Künstler und Kunstgelehrten am meisten Interesse ent-
gegengebracht wird und für gar viele das Verlangen vorhanden war, sich an
der Hand der Quellen ein Urteil selbst zu bilden. Ein Beweis dafür sind die
zahlreichen Zuschriften von Kollegen , denen mein Buch, wie erst kürzlich
einer von diesen hervorhob, „immer wieder eine Quelle der Belehrung und der
Anregung» gewesen ist.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch meiner freudigen Genugtuung
Ausdruck geben, dass meine „Beiträge» vielfach als Quellenwerk nicht nur
bei uns, wie ich zu konstatieren in der Lage war, sondern auch von der
Literatur des Auslandes herangezogen worden sind, ganz besonders muss dies
von der Englands hervorgehoben werden, die ja von jeher für Geschichte der
Maltechnik massgebend gewesen ist.

Bei der Neuauflage des Bandes habe ich es für richtig gehalten, mit
Ausnahme der nötig gewordenen Verbesserung einzelner Stellen, die Anord-
nung und den Umfang unverändert zu lassen, obwohl ich mir sehr gut be-
wusst war, dass manche der Quellen ausführlicher zu behandeln gewesen
wären, als es geschehen ist, und dass vor allem der Farbenherstellung ein
besonderer Abschnitt hätte eingeräumt werden können. Die Erwägung jedoch,
dass ein solcher Abschnitt den Umfang des Bandes erheblich vergrössert
hätte, hat mich veranlasst, die schon vorbereiteten Bogen wieder zurückzu-
legen, und was die grössere Ausführlichkeit der Quellen betrifft, so muss ich
den Leser aus gleichen Ursachen auf die Originalausgaben verweisen, aus der
sie geschöpft sind, und die er in dem Bande aufs genaueste angegeben findet.

Zum Zwecke der leichteren Auffindung der Bezugsstellen, die aus den
übrigen Bänden der „Beiträge» auf die Technik des Mittelalters verweisen,
habe ich die Seitenzahlen der ersten Auflage auf den Marginalien der Neu-
auflage in Klammern gesetzt, und ich glaube, dass dadurch den Besitzern
des Werkes gedient sein wird.

Der überwiegend günstigen Aufnahme meines Buches steht der Wider-
spruch von Seiten einzelner Fachleute gegenüber und dieser richtet sich haupt-
sächlich gegen meinen „Versuch zur Erklärung der Van Eyck-Technik» :
Ich habe auch diesen Abschnitt, nur mit wenig Aenderungen versehen, wieder
abgedruckt und was ich zur Rechtfertigung meiner Ansicht zu sagen hatte,
in einem besonderen Kapitel zusammengefasst. In den fünfzehn Jahren, die
seit Erscheinen der ersten Aullage verflossen sind, ist auf dem Gebiete der
Erforschung alter Maltechniken manches Neue gefunden worden, vor allem
hat die Wissenschaft der mikrochemischen Analysen unserer Erkenntnis neue
Bahnen eröffnet und manch’ wichtige Resultate gezeitigt. Die schwierigste
aller der Fragen auf diesem Gebiete, die der Beantwortung harrt, ist aber

XIV

die der Van Eyek-Technik. Prof. Dr. Raehlmann in Weimar, dessen Arbeiten
in dieser Hinsicht bis jetzt am meisten Beachtung gefunden, gesteht es selbst
zu, dass er in dieser Frage nicht über Ausschlussdiagnosen hinweggekommen
ist, so dass eine endgültige Entscheidung noch aussteht. Dieser Umstand
war für mich mit ausschlaggebend, den die Van Eyck-Technik behandelnden
Abschnitt in seiner ersten Fassung beizubehalten, selbst für den Fall, als sich
meine Theorie von der „Oeltempera der Van Eyck» als unhaltbar erweisen
sollte, was nach den bisherigen Ergebnissen der mikrochemischen Analysen
und den Ansichten neuester Zeit nicht einmal wahrscheinlich erscheint.

Möge die Neuauflage des Buches in den Kreisen der Kollegen und Fach-
leute, wieder die beifällige Aufnahme rinden, die der ersten in so reichem
Masse zuteil geworden ist.

MÜNCHEN, im November 1912.

ERNST BERGER.

I. Teil.
Quellen lür Technik der Malerei

vom IX. — XIII. Jahrhundert.

Geschichtliche Einleitung.

Mannigfach waren die Ursachen, welche zum Zusammenbruch des grossen
römischen Reiches führten. Die wiederholten Einfälle nordischer Völker-
schaften, die über die Hauptstadt Kriegsnot, Plünderung und Verwüstung
brachten, vermochten die Römer nicht einzudämmen; die durch Theodosius
erfolgte Teilung des Reiches unter seine beiden Söhne (i. J. 395 unserer Zeit-
rechnung) wurde demselben zum Schaden, da deren Nachfolger, statt vereint
die Einbrüche der Barbaren abzuhalten, mit Schadenfreude auf die Unfälle des
anderen blickten, ja sogar Barbarenstämme zu Einfällen in deren Gebiete auf-
forderten. Die andauernde Gefahr für Rom ward schliesslich Veranlassung, die
Residenz des alten Reiches in das durch Natur und Kunst befestigte Ravenna
zu verlegen (403), denn Rom war Ziel und Preis des heissen Kampfes. Schon
wenige Jahre später drangen Alarichs Westgoten siegreich bis zur Hauptstadt
vor; Rom kaufte sich zwar (408) durch Geld los, wurde aber später (41ü) doch
erobert und geplündert, wiederholt in Angst und Schrecken versetzt, als die
Hunnen unter Attila bis an die Tore des Reiches vorgedrungen. 455 wurde
Rom abermals geplündert und durch Brand verheert, als Eudoxia, die Witwe
Valentinians gegen Petronius Maximus die Vandalen aus Afrika zu Hilfe gerufen.

Diese geschichtlichen Angaben dürften genügen, um den Untergang von
Roms einstiger Kunstblüte zu verstehen. Denn mit der Verwüstung und Besitz-
ergreifung der italienischen Länder durch barbarische Stämme, in deren Folge
Plünderungen und Feuersbrünste alles vernichtete, was Generationen vorher
an Kunstschätzen angehäuft hatten, hörte auch jegliche Art des Kunstbetriebes
auf. Wie Vasari schmerzvoll klagt, ,, gingen zugleich alle trefflichen Künstler,
Maler und Architekten zugrunde, indem sie selbst und mit ihnen die Kunst
beim Sturz jener hochberühmten Stadt unter ihren Trümmern begraben wurden».

Nur langsam begann wieder erneute Kunstpflege durch die Bauten Theo-
dorichs in Ravenna, die mit Hilfe von griechischen Künstlern ausgeführt wurden.
„Diese Künstler, die besten ihres Berufes, weil sie die einzigen waren, brachten
Mosaik, Bildhauerkunst und Malerei nach Italien und lehrten die plumpe und
rohe Manier, in der sie sie übten, den Italienern, welche sich ihrer in der
Folgezeit bedienten.»

Ungleich günstiger gestalteten sich die Verhältnisse im oströmischen
Reiche, wo durch Konstantins Gründung eine neue Hauptstadt entstand, die
durch den Bau von neuen Palästen, Kirchen, Rennbahnen und Thermen den von
allen Seiten herbeigerufenen Künstlern Beschäftigung und reichen Ertrag
sicherte. Hier strömte denn auch während der Zeit des Friedens unter Justinians
glänzender, obwohl grenzenlos tyrannischer Regierung (527 — 565) alles
zusammen, was an Intelligenz und Kunst hervorragend war. Die durch starke
Festungen erreichte Sicherung der Grenzen war zwar nicht von langer Dauer,
denn unter seinen Nachfolgern begannen die Einfälle nordischer Völker von
neuem; immerhin konnten Kunst und Kunstgewerbe, durch prachtliebende, an

Ende des

römisohen

Reiches

(4)

GrüU’iuujj
von Kon-
stantinipol

— 4 —

orientalischen Luxus gemahnende Herrscher gefördert, stetigen glänzenden
Aufschwung nehmen. x Der Reichtum der Kirchen und Kirchengeräte, sowie
deren Ausschmückung durch Mosaiken und kostbare Steine stellte alles bis
dahin Dagewesene in den Schatten. Die Malerei und auch die Bildhauerkunst,
den Traditionen der alten Kunst folgend, hatten sich der neuen Weltanschauung
angeschlossen und durch hervorragende Werke den christlichen, kirchlichen
Bedürfnissen ihre Dienste geweiht; ja vielen dieser Heiligenbilder wurde in heid-
nischer Art eine Verehrung entgegengebracht, welche für die Kunst selbst in
der Folgezeit höchst verhängnisvoll werden sollte.

Die gebildete Laienwelt der Romäer und ein erheblicher Teil des höheren
Biidverebrung Klerus betrachtete damals mit Besorgnis und Missbehagen die Richtung, in
welcher sich mehr und mehr das religiöse Leben der Massen bewegte; es
wurde immer deutlicher eine Art der Frömmigkeit bemerkbar, die sehr stark
an antikes, um nicht zu sagen derb heidnisches Kolorit gemahnte. Die allgemein
beliebte Verehrung der kirchlichen Bilder ging allmählich in ganz rohen
Aberglauben über; enthusiastische Gläubige kratzten wohl einen Teil der Farbe
ab und schütteten sie in den Abendmahlswein, Mütter legten neugeborene
Kinder heiligen Bildsäulen in die Arme, um sie des Segens der Heiligen teilhaftig
worden zu lassen, Kranko rieben ihre Binden und Decken an ihnen, um gesund
zu werden u. a. 2

Kaiser Leo III., diesem abergläubischen Wesen tief abgeneigt, richtete
seine Reformen zunächst gegen den ,, Bilderdienst». Ein durch den Senat
sanktioniertes Dekret (726) verdammte die Anbetung der Bilder als eine Art
Götzendienst und verfügte, dass in den Kirchen die Bilder höher gehängt werden
sollten, um sie der unmittelbaren Berührung zu entziehen. Ein weiteres neues
Dekret (728), im Sinne der entschlossensten Gegner des Bilderkultus, entfernte
(5) nunmehr alle Bildnisse Christi, der Panagia (Maria), der Heiligen und Märtyrer
aus den Kirchen und heiligen Orten, die, falls sie sich an den Wänden befänden,
mit Farben überstrichen werden sollten.

Sympathie auf einer Seite, bitterer Groll auf Seite der Bilderfreunde war
Bildersturmer zunächst die Folge und ein durch drei Generationen mit furchtbarer Leiden-
schaftlichkeit geführter kirchlicher Kampf entwickelte nun erst in ganzer
Schroffheit den grimmigen Gegensatz zwischen den Ikonoklasten (Bilderstürmern)
und Ikonodulen (Bilderfreunden). Die Klostergeistlichkeit, an ihrer Spitze die
gelehrten Dozenten der Zentralschule von Konstantinopel, die vielen Mönche,
welche sich materiell in ihrer Tätigkeit als Künstler, namentlich als Maler
bedroht sahen, waren natürlich die eifrigsten Gegner der kaiserlichen Reformen.
Ein neues Konzil wurde nach Konstantinopel in den Palast Hieron berufen (754)
und durch eine Reihe von Beschlüssen schroffster Art der Kampf zwischen
beiden Parteien noch einmal in höchst bedauerlicher Weise angefacht. „Nicht
nur dass der Bilderdienst als götzendienerisch verworfen und der Gebrauch
der Bilder und Statuen, selbst der Kruzifixe in den Kirchen untersagt wurde,
die Energie der versammelten Väter richtete sich auch gegen die Kunst selbst,
die man der Reinheit der Religion opfern zu müssen für geboten erachtete.
Es wurde nun auch streng untersagt, fortan kirchliche Bilder und Skulpturwerke
herzustellen, solche in Kirchen oder auch Privathäusern zu halten, und dagegen
Handelnde sollten dem Anathema verfallen sein.»

1 Von geschichtlich wichtigen Daten seien die folgenden hier angereiht:

Die byzantinischen Kaiser behaupteten

Karthago in Nordafrika bis 653. wo es an die Araber verloren ging,

Süditalien bis 660 (wo die Langobarden es teilweise besetzten) und den
Rest bis 880.

Sizilien bis 825, Syrakus bis 880,

R a v e n n a (im sog. Exarchat) bis 728, wo es infolge des Bilderstreites
verloren ging.
Endgültige Trennung der orientalischen von der römischen Kirche 1054.

1 Hertzberg, Geschichte der Byzantiner und des Osmanischen Reiches, Berlin 1883,
S. 103 H’.

— 5 —

Bald nach Konstantins Tode und mit der Regentschaft der schönen, aber (6)
ehrgeizigen und herrschsüchtigen Irene, welche als Frau und als Tochter
von Hellas eifrig dem Bilderdienste ergeben war, trat die Reaktion in dem
kirchlichen Kampfe zu Tage. Ein neues Konzil wurde in Nikaa (787) ein-
berufen, um die alten, im Hieron gefassten Beschlüsse wieder aufzuheben ;
wen die Ikonoklasten wurde das Anathema ausgesprochen. Das kirchliche
Restaurationswerk der Kaiserin Irene hatte aber keineswegs die Kampfe für
immer abgeschlossen. Nach ihrem Sturze (802) lebte der Bilde» reit m, neuer
Leidenschaft wieder auf und dauerte die nächsten Jahrzehnte unter Michael II.
und seinem Sohne Theophilos noch fort, bis unter der Regentschalt von des
letzteren Wüte, nach einem neuerlichen Konzil (18 Febr. 842) die lang be-
gehrten Bilder und Kruzifixe in feierlicher Weise wieder in der Sophienkirche
aufgestellt wurden und der vollständige Sieg der Inkonodulen errungen war.
Die Aufstellung von Statuen ist aber in der griechischen Kirche niemals wieder

gestattet woi J 5 «-^ Bildersturmes natten auch im Norden sich fühlbar gezeigt
und durch das Verbot jeder figürlichen Darstellung auf die Ausgestaltung der rein
ornamentalen Kunst grossen Einfluss genommen. Als durch die Beschlüsse
des Konzils von Nikäa die Bilderverehrung wieder in vollem Umfange hergestellt
worden, nahm auch Karl der Grosse gegen diese Beschlüsse und deren
unmittelbare Urheberin energische Stellung. Seine Anklage- und Verdammungs-
schrift ist uns erhalten in den vier Büchern über die abgöttische Bilderverehrung
(De impio imaginum cultu), einem Werke, das unter unmittelbarer Teilnahme
Karls wahrscheinlich von Alcuin abgefasst und niedergeschrieben wurde.
Nicht bloss die Anbetung (adoratio) der Bilder wird als Abgötterei verworfen
auch die Verehrung (cultus) wird wesentlich eingeschränkt; aber es wird
gestattet, Bilder zu haben, wegen des Gedächtnisses vollfuhrter Taten (hb.
II c. 22), und empfohlen, diese zum Schmuck der Wände (amore ornamenti)

anZUb £ef Gebrauch von Allegorien, die dem heidnischen Kunstvorrat entnommen
sind insbesondere wenn Erde, Flüsse oder Himmelszeichen personifiziert und
mythologische Gestalten, Sirenen, Zentauren usw. dargestellt werden, scheint
dem karolingischen Schreiber verwerflich. Durch solche Stellungnahme ist es
begreiflich, dass die Bilderproduktion sich in einem sehr engen Kreis bewegen

‘° nnt Viele griechische Mönche, die wegen des Bildersturmes ihre Heimat
verlassen mussten, fanden Beschäftigung im Schreiben und Verzieren der Evan-
gelien und Missalen für den Bedarf des Hofes und der Bischöfe und so ee en
wir schon in der nachfolgenden Generation eine wohlgebildete Schule von
Mönchen in allen Teilen des fränkischen Reiches tätig. Ihre Vielseitigkeit
als Baumeister, Maler, Goldschmiede und Mosaikisten spricht sich in alten
Quellen deutlich genug aus; es kam auch oft genug vor, dass ein und derselbe
Mönch in vielen Künsten Meister war. So heisst es von Dagaeus der 586
Sorben sein soll (im Kalender von Cashel, Acta SS. Aug. III 656): „Dieser
EWeus war ein Mann, der Erz und Eisen zu bearbeiten verstand und ein aus-
gezeichneter Schreiber. Dreihundert Glocken hat er gegossen dreihundert
Bischofsstäbe gearbeitet und dreihundert Evangelien geschrieben. Du.ch
rölche Universalität ist es auch erklärbar, dass sich Darst ellungsart und
Motive in gleicher Weise auf Geräten und Miniaturen wiederfinden. Die Spirale,
Durohfleohtungen und Durchwindungen der Bänder, ebenso wie die verschiedenen
Systeme von Gitterwerk und dreieckigen oder anderen geometrischen Figuren
vereinigen sich mit Tiergestalten in der griechisch-byzantinischen und frühen
nordischen Kunst. Waren doch die griechischen Mönche und künstlet : mit
ihren i eichen technischen Erfahrungen überallhin gerufen ; worden, ^ir eben
sie als Architekten in Ravenna tätig, um die Hauptstadt Theodorichs mit
Kirchen und Palästen zu zieren, als Maler entfalteten sie ihr Können in Italien
ebenso wie am Hofe Karls des Grossen, und ihre Tätigkeit lässt sich auch in
Asien verfolgen, wo das neugegründete osmanische Reich ihre Dienste zu

Endo de»
BilderstreiteH

Klösterliche
Kunstpflege

_ 6 —

schätzen wusste. 3 Wie auf anderen Gebieten war Karl auch hier bestrebt,
durch Berufung von Künstlern und Lehrern die Entwicklung der Kunsttätigkeit
in den nordischen Ländern zu fördern; zur Ausführung seiner Königsschlösser
in Aachen und Ingelheim brachte er tüchtige Kräfte aus Byzanz und Italien,
die ihr Wissen dann weiterverbreiteten. Im Münster zu Aachen wurde die
Kuppel in Mosaik, zweifelsohne von byzantinischen Arbeitern ausgeführt.
Quellen des Quellenschriften, die uns über den Stand der technischen Kenntnisse

Jahrhunderts Kunde geben könnten, fehlen in den dunklen Zeiten der Völkerwanderung
und den späteren für die Kunstentfaltung nicht weniger unglückseligen des
Bildersturmes fast ganz. Ohne Zweifel hatten die griechischen, d. i. oströmischen
Künstler traditionell alle Fertigkeiten weitergepflegt, die im alten Rom zur Zeit

Abb. 1. Heuresis zeigt Dioskorides die Mandragorapflanze.
Aus dem Wiener Dioskorides Ms. (Nr. 51 der Versuchskollektion.)

des Glanzes geübt wurden. Das wenige, was uns an Malerei des V. bis
VII. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung erhalten ist, zeigt auch noch in Auf-
fassung und Ausführung den grossen Zug der Antike ; so erinnern die prächtigen
Miniaturen, welche als Widmungsblätter der Dioskorides – Handschrift
(Wiener Hofbibliothek) vorgebunden sind, unverkennbar an den Stil mancher
pompejanischer und römischer Gemälde; so das Titelblatt mit der Darstellung
Kaiserin Eudoxia Anicia, welcher die Handschrift zugeeignet ist, zwischen zwei
allegorischen Figuren, umgeben von einer Reihe kleiner durch Ornamentik
verbundener kameenartiger Kindergruppen; das vortreffliche mit der Darstellung,
wie Heuresis (die Forschung) Dioskorides die Pflanze Mandragora (Alraunwurzel)
zeigt, mit dem verendenden Hunde (Abb. I); ein weiteres Blatt, Dioskorides die

8 Vergl. v. Schack, Poesie und Kunst der Araber. » Bd. II. S. 179 über den Bau der
Moschee zu Damaskus: „Werkleute aus Konstantinopel, die der Chalife (Walid I. reg.
705—715 n. Chr.) sich durch eine eigene Gesandtschaft vom byzantinischen Kaiser

— 7 —

ihm von einer weiblichen Gestalt dargereichte Pflanze beschreibend, während
ein Maler diese abmalt, lassen den bestimmten Schluss zu, dass ähnliche
Auffassung und ähnliches Beherrschen des Figürlichen allgemein gewesen ist,
bevor die schweren Einschränkungen durch die Bilderedikte jegliche figürliche
Darstellung unterdrückten. Ein Jahrhundert des Kampfes hatte genügt, die
Tradition im Komponieren der menschlichen Gestalten vollkommen zu ver-
nichten. Dabei muss aber die Technik des Malens an sioh nicht verloren (8)
gegangen sein ; die Eindämmung der figürlichen Darstellung hat vielmehr
zur vollen Ausbildung des Ornamentes führen müssen, wie wir dies auch an
der raschen Entwicklung der arabischen Ornamentik sehen, die auf ähnlicher
Grundlage, d. h. mit Ausschluss jeglicher Verwendung der menschlichen Figur,
die allerreichsten Blüten zeitigte.

Als dann nach Beendigung des Bildersturmes wieder schüchterne Versuche
gemacht wurden, Wände und Bücher mit Darstellungen aus der Heiligenlegende
zu schmücken, tritt die Härte der Form, das Unbeholfene und Steife im
Komponieren zu Tage, was man als kindlichen Ausdruck eines ursprünglichen,
neuen Stiles zu bezeichnen pflegt, in Wahrheit aber doch auf das Unvermögen
der damaligen Künstler, denen es an der richtigen Schulung und Tradition
fehlte, zurückgeführt werden muss. Oder sollten nur die ungeschickten
Miniaturen uns erhalten und die vorzüglicheren Leistungen alle zu Grunde
gegangen sein?

Die „plumpe und rohe Manier», von der Vasari berichtet, dass sie von ö K« chi t 8 i che
,, griechischen» Künstlern nach Italien verpflanzt worden sei, kann lediglich auf
die figürliche Produktion bezogen werden, denn in der Technik selbst war
kein Stillstand, am wenigsten ein Rückschritt eingetreten, im Gegenteil: Die
„Greci» brachten die Baukunst durch Ausbildung des Kuppelsystems zur Blüte,
sie hoben die von den Römern bereits gekannte Ausschmückung der Wände
und Bogenwölbungen mit Mosaik durch Verbesserung des Materials, indem sie
statt der früher üblichen Steine künstliche Glaswürfel in grosser Vollkommenheit
erzeugten; sie verbreiteten die Kunst des Emaillierens auf Gold und Kupfer
und übten die Goldschmiedekunst ohne Unterbrechung weiter; die reichsten
Aufgaben boten ihnen Gelegenheit in Menge. Die Sophienkirche in Konstan-
tinopel, die Kirchen in Ravenna, in Jerusalem sowie an anderen Orten Klein-
asiens erforderten die tüchtigsten Kräfte. Und ist nicht jeder von der Gross-
artigkeit und Schönheit der Markuskirche in Venedig, die im X. Jahrhundert
von griechischen Künstlern erbaut winde, entzückt und begeistert?

erbitten lies, waren bei der Ausführung des Baues tätig»; S. 199: „Was die Verzierungen
betrifft, so lässt sich deren byzantinischer Ursprung nicht verkennen. In der Tat ist
die Fesifissa, d. h. die aus Glasstücken und kleinen Steinen zusammengefügte Mosaik
des Mihrab ganz das opus graecum, wie es sich in den Kirch«n von Ravenna findet;
auch wird ausdrücklich berichtet, dieselbe sei ein Geschenk des Kaisers von Konstantinopel
gewesen.»

I. Das Lucca-Manuskript.

,, Griechische» Künstler und Kunsthandwerker waren es, die sich in allen
Teilen des alten Reiches ansässig machten und so verdanken wir auch griechischen
Mönchen die im folgenden näher zu besprechende Rezeptensammlung, das
Lucca-Manuskript. 4 Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, dass
£ echD t iy . ch9 ^ e Klöster die Pflegestätten für Religion, Wissen und Künste durch das ganze
Mittelalter gewesen sind, die Mönchsschriften demnach die hauptsächlichsten
Anhaltspunkte für quellenschrifi liehe Nachweise bilden werden; damit ist jedoch
nicht gesagt, dass nur die Mönche technische Kenntnisse hatten und weiter-
verbreiteten; aber sie waren durch ihre höhere Bildung in der Lage, und das
zurückgezogene klösterliche Leben bot ihnen dazu Gelegenheit, ihre Erfahr-
ungen niederzuschreiben, während der gewöhnliche Arbeiter das Erlernte im
besten Falle auf seine Gesellen übertragen konnte, des Schreibens jedoch in
den seltensten Fällen kundig gewesen ist. Aus diesem Grunde wird es oft
möglich sein, bestimmte in den Klöstern mehr gepflegte technische Fertigkeiten
zu verfolgen, während die Spuren anderer Techniken im Dunkel der Unge-
wissheit verschwinden. So lässt sich z. B. die Goldschrift der Miniaturisten
durch alle Jahrhunderte durch Rezepte und Anweisungen kontrollieren , 5
während es schwer möglich ist, die Tradition des antiken Stucco (Tektorium
des Vitruv und Pliuius) in späteren Quellen zu verfolgen ; Stuckarbeiter hat
es aber gewiss zu allen Zeiten gegeben. Noch eines ist bemerkenswert : Je
kostbarer oder schwieriger ein Verfahren ist, desto genauer und ausführlicher
sind die Vorschriften, während das Alltägliche als selbstverständlich gar nicht
erwähnt wird. In dieser Beziehung ähneln die alten Rezeptensammlungen
auffallend (man verzeihe den trivialen Vergleich) denen unserer Köchinnen ;
seltenere Brühen, Kuchen, eingemachte Früchte zu Geldes, feines Gebäck und
besondere Braten zu bereiten, das steht säuberlich, wenn auch unorthographisch,
darin verzeichnet, aber niemals wie Rindfleisch zu sieden, Kartoffeln zu schälen
und Gemüse zu bereiten oder wieviel Eier zum Eierkuchen zu nehmen sind.

In gleicher Art sind auch bei den alten Rezeptensammlungen die An-
weisungen ohne bestimmte Ordnung aneinandergefügt, wie sie der betreffende
Schreiber nach und nach erhalten oder wie sie ihm in den als Vorlage dienenden

4 Muratori, Antiquitates Italicae med. aevi T. II, S. 364 — 387, Dissertatio XXIV».
Das Ms. befindet sich in der Kapitelsbibliothek der Kanoniker zu Lucca. (Arm. I. C. L.)
Muratoris Ausgabe ist betitelt: Compositiones ad tingenda Musiva, Pelles et alia, ad
deaurandum ferrum, ad Mineralia, ad Chrysographiam, ad glutina quaedam conficienda,
aliquae artium documenta, anie annos nongeutos scripta (Rezepte zum Färben von
Mosaik, Fellen und anderen Dingen, zur Vergoldung von Eisen, zum Gebrauch von
Mineralien, zur Goldschrift, zur Erzeugung jedweden Bindemittels und anderer Künste
Nachweis, vor neunhundert Jahren geschrieben).

8 Ueber die ununterbrochenen, quellenmässig zu verfolgenden technischen Tra-
ditionen, von den Aegyptern angefangen bis in die Zeit des christlichen Mittelalters
vergleiche man die bezügl. Ausführungen, die Berthelot in seinen vortrefflichen
Werken gibt: Introduction ä la Chimie des Anciens in Collection des anciens Alchi-
mistes Grecs (Paris 1888) S. 200 ff.; La Chimie au moyen-äge (Paris 1893) T. I.; vergl.
auch Kopp, Beiträge zur Geschichte der Chemie, Braunschweig 1869.

— 9 —

Manuskripten zur Verfügung standen. Nicht allein das Luoca-Ms. aus dem Lucoa-M 8 .
IX. Jahrhundert, auch spätere Handschriften, wie die Mappac olavioula, das (10)
Liber sacerdotum, die Bücher des Heraclius, Alcherius, Le Begue bilden solche
Konglomerate aneinander gefügter Anweisungen, deren Verständnis dadurch
erschwert ist. Erst in der Schedula des Theophilus Presbyter erscheint die
Form der Einteilung in die einzelnen Kunstfächer aufgenommen.

Treten wir diesen Qellen etwas näher, so erkennen wir auf den ersten
Blick zumeist, mit welchen besonderen Kunstzweigen der ursprüngliche Schreiber
sich am meisten beschäftigt hat, denn es ist nur natürlich, dass er die für
ihn wichtigeren Rezepte in erster Linie niedergeschrieben haben wird. Im
Lucca-Ms. ist es ein Mosaikist, welcher die Rezepte für die Bereitung ver-
schiedenfarbiger Glaspasten zuerst bringt, in der Mappae clavicula ein
Miniaturmaler, der Farbenrezepte und anderes für seine Kunst ihm wichtig
Scheinendes an die Spitze setzt; in dem Leydener Papyrus aus dem III. Jahr-
hundert war es ein Goldschmied, der sich auch mit Goldschrift und Purpur-
färberei beschäftigte; Theophilus war Maler, in Glas- und Metallarbeiten
erfahren usw.

Inhaltlich umfasst die Rezeptensammlung des Lucca-Ms. folgende Dinge 6 : Inhalt dee *»■

Färbung von künstlichen Steinen zur Mosaikdekoration, deren Vergoldung,
Versilberung und Polierung ; Fabrikation von farbigem Glas, in Grün, Milchweiss,
verschiedenen Nuancen Rot, Purpur und Gelb; Färbung von Häuten, Holz, Bein
und Hörn.

Liste von Mineralien, diverser Metalle und Erden, welche für Goldschmiede-
kunst dienlich sind.

Anweisungen zu einzelnen Präparationen , wie die Extraktion von
Quecksilber, von Blei, Schmelzen von Schwefel, Bereitung von Bleiweiss,
Grünspan, Galmei, Zinnober, von Bleiolätte, Auripigment etc.

Metallegierungen, wie Bronze, weisses und goldfarbiges Kupfer.

Die Erzeugung von Pergament und von Firnissen ist Gegenstand besonderer
Rezepte, ebenso die Herstellung von Pflanzenfarben zum Gebrauch von Malern
und Färbern.

Eine ganze Reihe von Anweisungen ist der Vergoldung, der Erzeugung
von Goldblättern, die sich ebenso schon in den Schriften der griechischen
Alchemisten, wie in den späteren des Theophilus u. a. finden, gewidmet:
Vergoldung auf Glas, auf Holz, auf Leder, Blei, Zinn und Eisen; Erzeugung
von Goldfäden für Stickerei; Verfahren, um mit Goldschrift zu schreiben;
Rezepte, um Gold oder Silber durch Amalgamierung in Pulverform zu bringen
(chrysorantista oder aurisparsio ; argyrosantista oder argentisparsio). Daran
schliessen sich noch Methoden zum Schmelzen und Legieren von Metallen
unter dem allgemeinen Namen Gluten, worunter auch Kitte und Leime für
Holz, Stein, Bein usw. verstanden werden.

Dass der Verfasser der Oompositiones des Lucca-Ms. ein Grieche war, Der d y 8 er ^ 8äer
der der lateinischen Sprache sehr unvollkommen mächtig gewesen, ist wahr-
scheinlich; viele Ausdrücke sind griechisch oder mit griechischer Endung,
doch laufen bereits frühitalienische Sprachwendungen mitunter, und die Kon-
struktion ist fast durchgängig mit dem klassischen Latein in Widerspruch. 7
Dadurch wird ein vollkommenes Verständnis fast zur Unmöglichkeit, umsomehr

6 Berthelot, Chimie au moyen-äge I. S. 8.

7 Wie der Schreiber einfach nach dem griechischen Diktat in lateinischen Lettern
niedergeschrieben, zeigt der Artikel Chrysorantista (126); man findet im Ms.: Crisor-
catarios sana, megminos, metaydos argiros et chetes, cinion chetis, chete, yspureornm.
ipsincion. ydrosargyros, chetmati. aut abaletis sceugmasias. dauffira hecnamixon . . .
pulea ai buli. Mit Zuhilfenahme des nachfolgenden Rezeptes (127) liest Berthehit
(a. a. , S. 9): Xpooög xaihcpö; &vap.eii,£Yl lsx0 S V- Z ~’ J – &8pdpYi)pog xal -.i- . . . . slg äJop . . . .
Safran soviel als nötig ist. Mische alles zusammen
mit Wasser und lasse es kochen.»

„Diese drei Arten sind anzuwenden, wenn mit Blattgold zu ver-
golden ist.» 14
Zu bemerken ist bei der dritten Art, dass diese Mischung von Gummi,
Leinöl und Wasser der sogen. Emulsion entspricht, durch welche es
möglich ist, Oele wassermischbar zu machen. Eine ähnliche Anweisung findet
sich noch einmal, um Zinnfolie goldfarbig zu machen (113).

Gleich darauf folgen dann zwei Anweisungen, wie Leinöl für Zweoke der
Vergoldung zu präparieren ist, mithin um Oelbeizen (Mordants) zu bereiten.

86. De Oompositio linei (Mapp. CXIII). Von der Zubereitung des
Leinöls.

Leinöl wird mit Gummi und Tannenharz zusammengekocht.

87. Lineleon exauratione (Mapp. wie oben). Leinöl Vergoldung.

Leinöl, Gummi, Harz und Safran werden miteinander wie oben
gekocht. 15

Die Gewichtsangaben in den beiden Ms. variieren, in Mapp. ist das Ver-
hältnis der Harze zum Oele grösser angegeben.

Das nächste Rezept (88. De operatio externiture; Mapp. OXIV) Von
Vergoldung an Aussenwänden lehrt auf rohen Pellen zu vergolden, indem
als Unterlage zunächst ein Ueberstrich von Bleiweiss oder anderer Farbe ge-
geben wird; dieser ist nach dem Trocknen mit dem Leinölmordant, dem Crocus
beigemischt ist, einzureiben, um dem Blattgolde als Unterlage zu dienen.

Diese Anweisung führt uns zu den farbigen Oelbeizen, die geeignet
sind, nicht nur Metallen wie Silber oder Zinn einen leuchtenden, meist goldigen
Ueberzug zu verleihen, sondern auch zur Verwendung auf mit Farben bemalter
Fläohe. Im Zusammenhang mit diesen Rezepten steht eine eigene Art von
Malerei, die wir auch bei Theophilus (Schedula Kap. XXIX.) wiederfinden
werden und dort die „durchscheinende oder goldige» (translucida sive aureola)
genannt wird. Das Verfahren bestand , darin, auf mit Zinnfolie belegtem Holz,
oder auf Metall selbst, Farben dünn aufzutragen, so dass das darunter befind-
liche Metall durchleuchtet. Man pflegte auch den Zinnfolien vorher eine
goldige Färbung zu geben, um dieselben für reichere Verzierungen vorrätig zu
haben. Ein solches Rezept ist beschrieben in :

89. De inductio exaurationes (Mapp. CXV) Von Vergoldung der
Zinnfolie.

Uer Zinnfolie wird hier mittelst einer Mischung von Crocus , Auripigment
und Schöllkraut, die mit Gummi und Leinöl angerieben werden, ein goldfarbiger
Ueberzug gegeben. 16

14 Nach Lucca-Ms. ist die erste Art ebenso auf Holz, wie auf Tüchern und
Wänden gebräuchlich (. . . operarit in ligno, in pannis, vel in parietibus). Die Mapp.-
Rez. machen einen genaueren Unterschied und bezeichnen die erste Vergoldungsart
für Holz gebräuchlich (. . . operare in ligno quando opus est. In pannis vero, vel
parietibus, tolles albuginem ovi . . .). Auch im letzten Teil sind kleine Unterschiede,
doch ist Mapp. textlich jedenfalls richtiger; Lucca-Ms.: lineleo •/. 1, gummam
infusam •/. 1, grogum, quod sufficit. Commiscet cum aqua. Decoque ista tria capitula;
ubi necesse est in exauratione petalorum operare. Mapp.: Item, lineleon •/■ 1, gummae
infusae •/. 1, crocum, quod sufficiat, commisce: cum aqua decoques. Rubrica. Ista
tria capitula sequenta ubi necesse fuerit in exauratione petalorum operare.

15 Aus dem Text ist nicht genau ersichtlich, was für Gummi und welche Harze
gemeint sind.

16 Der goldfarbige Ueberzug auf Zinnfolie, mittelst Schöllkraut, Safran und
Auripigment sind ebenso im Papyrus Leyden und im Pseudo-Demokrit zu gleichem
Zwecke genannt. Berthelot, Introduct. ä la chimie des Anciens p. 59. Färbung von
Zinnfolie zu gleichem Zwecke bei Theophilus K. XXIV, XXV, XXVI; Heraclius III
K. XIII.

— 15

Durch-
scheinende
Malerei

Ein weiteres Rezept (113. De tinctio petalorum; Mapp. OXVI und Luooa-Ms.
CCVIII), Von der Färbung der Metallblätter, ist genauer, und zeigt
wie oben (85) die Verwendung der Gummi-Oel-Emulsion zu Zwecken der
Vergoldung :

„Nimm reinen Safran 1 Unz., gut geriebenes Auripigment 2 Unz.,
mische diese mit 1 I* Unz. Gummi und x /a Unz. Leinöl nebst Regen-
wasser und lasse zusammen sieden, so dass es sich vermischt. Ver-
reibe es tüchtig und färbe mit einem Schwämme die Zinnblätter; wenn
diese trocken sind, färbe ein zweites Mal, nachher reibe sie mit dem
Onixstein, damit es glänzt.»
Die Hauptanwendung besteht aber darin, die farbigen Oelbeizen zu öih ar zmaierei
malerischen Zwecken zu verwenden und da zu diesem Oele allerlei Harze
genommen werden, ist diese Malart als Oel harz mal er ei zu bezeichnen, über
deren Ursprung aus der altrömischen Enkaustik im I. ßd. dieses Werkes (S. 234;
einige Andeutungen gemacht wurden.

Auffallend kompliziert sind die bezüglichen Rezepte des Lucca-Ms:
57. De confectio Lucidae (Mapp. CCXLVI). Von der Herstellung der
durchscheinenden Malerei.
„Wie auf Goldblättern durchscheinend gearbeitet wird. Leinöl
5 Unz., Galbanharz 2 •/., Terpentin (terebentina) 2 •/•, Pinienharz 1 •/.;
diese drei Spezies löse zusammen mit etwas Leinöl auf, hernach füge
noch hinzu: 1 Unz. oriental. Crocus, 4*/. Weihrauch, 2*/. Myhrren-
harz, 27. Mastix, 2 ■/. Pinienharz, 2 •/• ungereifte Pappelblüten, 2-/.
Vernix (veronioe.) Das Leinöl und die Goldleime (auricolla) vermische
und wenn die Masse zergangen, seihe sie durch. Lasse das Ganze
am Feuer erwallen und mische noch Kirschgummi 2 Unz. hinzu. Ist
alles (Crocus, Weihrauch, Myrrhe, Kirschgummi, Fichtenharz, Pappel-
blüten, Vernix) vereinigt, so lasse es mit 4 Unz. Leinöl zusammensieden.
Nachher seihe es durch ein Tuch. Du magst auch diese Spezies
miteinander mischen, d. h. Galbanharz, Terpentin und Pinienharz, und
wenn irgend ein Fehl daran sei oder es nicht trocknen sollte, füge
Mastix, soviel du magst, etwa eine oder eine halbe Unze hinzu, es
wird dann fehlerfrei.» 17
Das Rezept dient, wie schon erwähnt, dazu, als transparentes Medium
von goldgelber Farbe (durch den Crocus bedingt), die Goldblätter noch goldiger
erscheinen zu lassen. Ein zweites Rezept (62. De lucide ad lucidas; Mapp.
CCXLVII) lehrt die gleiche transparente Wirkung auch auf gewöhn-
lichen Farben, mithin als Lasur anzuwenden; es ist demnach ein farbiger
Firnis, der über die Malerei gestrichen wurde und den Giotto’s Zeitgenossen
noch vielfach verwendet haben.

Ebenso wie bei dem vorigen Rezepte wird Leinöl 4 Unz., Terpentin 3 •/.,
Galbanharz 2 ■/’., Lärchenharz (larice) 2 •/., Weihrauch 3 •/•, Myrrhe 3 •/., Mastix
3 ■/., Vernix 1’*/., Kirschgummi 2 •/•, Pappelblüten 2 •/., Mandelbaumgummi 3 •./,
Pinienharz 2 •/. zusammengeschmolzen, nachdem die Spezies gestossen worden
und die Masse durch ein Leinentuch geseiht. „Jedes gemalte oder ge-
schnitzte Bildwerk (opera picta vel sculpta) kannst du damit so
erleuchten. An der Sonne lasse es trocknen.»

Hier wäre noch auf den Unterschied hinzuweisen zwischen den obigen
Rezepten der Compositiones (des Lucca-Ms.), der Mapp. clav. und den ähnlichen

(16)

Pictura
translucida

17 Galbanharz, Gummi einer doldentragenden Pflanze in Syrien (Bubon galbanum
L.); unter Vernix ist das Harz der Cypreese (Juniperus) zu verstehen; Mastix ist
das Harz der Mastixstaude (Pistacia lentiscus); Myrrhenharz von Balsamodendrou
Myrrha; Terpentin, der aus Pistacia Terebinthus ausfiiessende Harzbalsam; Weihrauch
(Ohbanum) ein Gummiharz, welches aus dem Stamme einiger Boswellia-Arten (Afrika
und Arabien) gewonnen wird. Unter Mandelbaumgummi des folgenden Rezepts ist
vielleicht „gemandelte Benzoe», Gummi Benzoe amygdaloides zu verstehen. Vergl.
Königs Warenlexikon.

Das Zeichen •/. bedeutet ana, gleich, dsgl., dtto.

16

Luooa-M8.

Aelteste
Byzant. Maler

des Theophilus (K. XXIX. De pictura translucida). Bei den ersteren besteht
das färbende Prinzip in den den Harzen beigegebenen Farbstoffen, wie Crocus
und den farbigen Harzen selbst (Myrrhe, Galban), woduroh ein leuchtender
Goldton entsteht; bei Theophilus dienen auch Farbenpigmente mit Leinöl ver-
rieben zum gleichen Zwecke.

Das älteste derartige, nämlich auf Zinnfolie mit Farben gemalte Bild, das
ich gesehen, befindet sich im Museo Kircheriano zu Rom ; es stellt drei Bischöfe
dar. (Abb. 2.) Die Firnisschichten sind auf dem Originalbilde ganz schwarz

Abb. 2. Byzantitv Maleroi (Pictura translucida) auf gefärbter Zinnfolie. (Versuchg-Kolloktion Nr. 41)

und vollständig mit Sprüngen überdeckt. Aehnlich gemalte Bilder sieht
man in anderen Sammlungen, z. B. im Wiener kaiserl. Hofmuseum unter
den byzant. Reliquien, darunter das in Nr. 44 meiner Versuche nachge-
bildete. Ein sehr schönes, verhältnismässig gut erhaltenes Bild in Piclura trans-
lucida befand sich in der Sammlung Walter (Neapel), Nr. 15 des Auktions-
kataloges; es zeigt die charakteristischen Eigenschaften ungemein deutlich:
(17) den durch Safran scharf goldig -gelb gefärbten Grund, alle stark nachge-
dunkelten Lasurfarben und die fast schwarz gewordene Fleischl’arbe. Ist
wie in dem Wiener Exemplar der Grund Blattmetall, so ist die Erhaltung
etwas besser, weil ein Teil des Oeles sich durch das dünne Metall hindurch
in den Untergrund einsaugen konnte; bei Zinnfolie als Unterlage trifft dies aber
nicht zu.

III. Gruppe. Allgemeine Angaben für Malerei.

Bindemittel Besonders wichtig für die alten Techniken des Malens ist die Kenntnis

der jeweils benutzten Bindemittel, die meist verschieden, je nach den Unter-
lagen, auf denen gemalt wird, sei es Wand, Holztafel, Pergament, Stein,
Eisen u. a. angewendet werden.

— 17

Leime und
Kitte

Die „Compositiones» des Lucca-Ms. bieten in dieser Beziehung sehr Lmoca-Ms.
wenig, fast ist die Nachsuche enttäuschend gering. Wenn wir aber bedenken,
dass diese Rezeptensarninlung kein Lehrbuch im späteren Sinne, wie etwa
die Hermeneia vom Berge Athos oder Cenninis Trattato ist, sondern ein Merk-
buch für besondere und schwierigere Manipulationen, um das Gedächtnis des
ausübenden Künstlers nur zu unterstützen, oder ihm von Kollegen anver-
traute Erfahrungen zu notieren, so wird der Mangel direkter Angaben nicht
verwundern. In dem Lucca-Ms. sucht man, von den oben (S. 13 1 erwähnten
Details für Vergoldung abgesehen, vergebens nach den Grundierungen von Holz
für Tafelgemälde, für Wände, oder nach den Unterschieden der Bindemittel,
die für Malerei in Gebrauch waren, denn dergleichen war jedem ohnehin
geläufig. Nur ein einziger Passus, eine zwischendurch gestreute Bemerkung,
setzt uns in die Lage, bestimmte Schlüsse zu ziehen, welche Arten von
Maltechnik ausgeübt und welche Bindemittel im IX. Jh. zur Anwendung ge-
kommen sein mögen.

Besehen wir uns zunächst die unter dem allgemeinen Namen gluten
(Leim) im Ms. vorkommenden Bindemittel. Darunter verstehen einige Rezepte
(93 — 96) auch die zum Löten von Metallen geeigneten Amalgame und Mischungen ;
ausserdem sind die drei folgenden Angaben hier zu verzeichnen, welche jedoch
im Mapp. Ms. nicht aufgenommen erscheinen; nur das vierte Rezept ist beiden
Quellen gemeinsam, u. zw.:

97. De petre gluten. Steinkitt.

Fischleim (ictiocollon) mit gleicher Menge Knochenleim (taurooollon,»
in Wasser zum Sieden gebracht, mit weissem Marmorpulver ver-
mischt, dient zum Kitten von Marmor.

98. Desgleichen. Leim für Steine.

Fischleim und Käseleim, in gleichem Verhältnis miteinander ge-
mengt, werden mit dem nämlichen Marmorpulver gemischt.

99. De ligni gluten. Leim für Holz.

Knochenleim, Fischleim sowie die bei Vergoldung von Gold und
Silber genannten Leime dienen hiezu.
100. De Glutinatio. (Mapp. CXXIII.) Vom Leimen.

„Hölzer (werden geleimt) mit Fischleim Unz. 1, Ochsenleim •/. 1>
Feigen milch •/. 1, Wolfsmilch (Tithimalus, Euphorbia), alles in
Wasser gelöst und gekocht. Dieser Leim dient für Holzschnitzerei.
Um Holz auf Holz zu leimen ist einer der drei oben genannten
(d. h. in 97 — 99) geeignet. Um Bein auf Holz zu leimen (eingelegte
Arbeit) nimm Käseleim 1 /. und Fischleim 2 •/. . Den Leim verwende
heiss und wärme auch das Bein ein wenig.»

Hiermit ist das Verzeichnis der als Bindemittel genannten Substanzen
erschöpft ; dass diese Dinge auch zum Anreiben von Farbpigmenten dienten, wäre
gewiss denkbar, aber es scheint übereilt, aus der Möglichkeit allein Schlüsse
zu ziehen, obschon sich aus den späteren Quellen des Theophilus und Heraclius
gleichartige Angaben nachweisen liessen.

Am allersich erste n werden wir aber darüber aus der
oben angedeuteten Stelle unterrichtet, die (im II. Teil von
72) eine Art Ueber sieht über die für die Malerei gebräuch-
lichen Operationen gibt, und sich an etliche Farbenrezepte (Zinnober,
Jarin, Psimithiu und Pandius) anschliesst. Nach der von einem Fachmanne
durchgesehenen Uebersetzung der 1. Auflage lautet diese Stelle:

,,Hier haben wir alle Dinge erläutert, welche der Erde und dem
Wasser entnommen sind, von Blumen und Kräutern; wir haben auch
ihren Wert gezeigt und die Art ihrer Anwendung auf der Mauer, auf Holz, (18)
Leinen und Fellen, sowie jeder zu bemalenden Sache. Ebenso erinnern
wir an alle technischen Operationen, die auf Mauern, einfachem

Technik
der Malerei

— 18 —

Lucoa-Ms.

Wachsfarben-
malerei

(19)

Holze mit Hilfe von mit Wachs gemischten Farben, auf
Fellen aber mit Fischleim zu machen sind.» 18

Da beide Mss. nicht völlig übereinstimmen und Mapp. clav. im Schluss-
passus eine Einschiebung hat, seien hier beide Texte nebeneinandergestellt.

Lucca-Ms.:
(Muratori, p. 377, D)
Hec omnia exposuimus. Qu(ae fiunt)
ex terrenis maritimus floribus vel herbis.
exposuimus virtutes vel operationes
earüm in parietibus, et lignis linteolis,
pellibus, et omnium Pictorum. Ita me-
moraraus omnium operationes, quae in
parietibus simplice ligno, cere com-
mixtis colloribus in pellibus ictiocollon
oommixtum.

Mapp. clav. Ms.:
(OXC1I, II. Absatz)
Hec omnia exposuimus ex terrenis
maritimus floribus vel etiam herbis :
ita exposuimus virtutes vel operationes
earum in parietibus, et lignis lintheolis,
vel etiam pellibus, et omnibus pictorum
instrumentis. Ita memoriamus omnium
operationes qui in parietibus simplicem,
in ligno, cere commixtum, suscepit
lignura simplicem cum unctione collon
commixtum. In pannum vero cere
commixtis coloribus in pellibus unctio-
collon commixtum.
Von befreundeter Seite werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass bei
der obigen Stelle durch ein Versehen des Kopisten zwischen simplice und ligno
wahrscheinlich das Wörtchen ,,in r< weggelassen worden ist, und in Ueber-
einstimmung mit dem Text der Mapp. clav. gebracht, sei der Inhalt des Satzes
so zu verstehen, dass aufwänden mit einfachen, d. h. nicht gemischten
Farben , auf Holz aber mit Wachsfarben gemalt werden sollte.
Nach Mapp. clav. dienten Wachsfarben auch zur Malerei auf Leinen-
unterlage.

Uebersehen wir vorläufig diese Variation des Mapp. -Ms., so muss vor
allem konstatiert werden, dass das Malen mit Wachsfarben noch im IX.
Jahrh. verbreitet war, und dass noch im XII. Jahrh., der Bntstehungszeit
der Mapp., dieselbe Technik im Gebrauch gewesen ist.

Für die Geschichte der Maltechnik ist die Tatsache wichtig, dass in spät-
griechischer Zeit noch dieselben technischen Mittel in Uebung geblieben
waren , wie zur römischen Zeit.

Ob freilich hier unter ,, Wachsmalerei» die antike Art, das Wachs in der
Hitze gelöst zu verwenden, zu verstehen ist, oder auch die Malerei mit in
Lauge gelöstem, der sog. Wachstempera, das lässt sich nur vermuten. Einige
Berechtigung dazu bietet der Umstand, dass gerade diese Art des Wachses
sioh quellenschriftlich bis ins XV. Jahrh. verfolgen lässt. Die „Glanzfarbe» der
Hermeneia (§ 37) besteht aus verlaugtem Wachs nebst Leim, und Le
Begue’s „Yaue conosite» enthält nebst verlaugtem Wachs und Harz noch
Fisohleim, also eine Mischung, die mit den obigen Angaben in Einklang steht.
Auch der als „cera colla» des Andrea Pisano bezeichnete Wachsleim, von dem
an geeigneter Stelle die Rede sein wird, kann hier angereiht werden. Für
alle diese Wachsleime ist die grundierte Holztafel geeignet, während die
in Fayüm gefundenen spätägyptischen Mumienporträts, soferne sie in der
alten enkaustischen Manier (mit heissgelöster Wachsfarbe unter Zuhilfenahme
des Cauterium) gefertigt sind, auf ungrundierter Tafel, wie die defekten Stellen
es deutlich zeigen, gemalt zu sein scheinen. 19

18 Berthelot (Chimie au moyen-äge, I. S. 18) übersetzt diese Stelle: Nous rappelons
aussi toutes les Operations qui se fönt sur les murs et le bois, avec des couleurs
simplement melees avec de la cire (encaustique), et sur des peaux, ä l’aide de la colle
de poisson.

Eastlake (Materials, Deutsche Ausg. v. Hesse S. 93 oben) sagt bezügl. der
Wachsmal. des Lucca-Ms.: „von der letzteren wird nur bemerkt, dass mit Wachs
gemischte Farben auf Mauern und auf Holz verwandt wurden.» ‘

19 Bezügliche Versuche, mit heisserWachsfarbe auf mit Gips überzogener Holzfläche
zu malen, hatten ergeben, dass sich die Gipsschicht vom Holz leicht abschälte, demnach
hierfür ungeeignet ist.

— 19 –

Die Angaben des Lucca-Ms. sind zu ungenau, um zu entscheiden, ob diese Lucca-Ms.
ältere Art, die uns in jenen Mumienporträts so eindringlich vor Augen geführt
worden ist, noch (neben der neueren Art) in Uebung geblieben war. Ausge-
schlossen ist dies nicht, wenn wir die vielfache Erwähnung von Wachs-
malerei 20 in der spätgriechischen Zeit in Erwägung ziehen, die darauf
schliessen lässt, dass sich die Enkaustik der hellenistischen Porträts neben
anderen Malweisen noch bis in die byzantinische Zeit erhalten haben mag.
Diese Stellen erscheinen mir so wichtig, dass ich dieselben hier folgen lasse :
,,Prokop (de aedif. IX.) betont, dass beim Neubau des kaiserlichen ^i^mr^yz
Palastes Justinian die Decke „nicht mit geschmolzenem und aufgelöstem Wachsmalerei
Wachs (tö xTjpw ivtaxevxt xs xai Siaxu&evx:), sondern mit kleinen Steinchen
(Mosaik) und mit Farben ausschmücken liess (d^Yjcpcat Xeniötiq xe xa! yp6)xa. denn Theophilus lebte im 11. Jh. 2 )

1 Raspe’s Ausgabe des Heraclius Ms. der Bibliothek des Trinity-College in
Cambridge (jetzt im Britisch Museum, Egerton Mss., 840 A) erschien in dessen Werk :
A critical essay on oil-painting. London 1781.

Eine zweite Kopie des Ms, aus der Sammlung von Le Begue’s Schriften
(Paris, Biblioth. Nr 6741) ist herausgegeben von Merrifield (Orig. Treatises on the
arts of painting, London 1849. I. S. 166—257).

Die deutsche Ausgabe verdanken wir Ilg: Heraclius, Originaltext und Ueber-
setzung mit Einleitung, Noten und Excursen; B. IV. der Quellenschriften für Kunst-
geschichte, herausg. von Eitelberger, Wien 1873.

8 „Und», bemerkt Ilg weiter, „der Umstand, dass angeblich jene Kapitel in
Heraclius gefunden werden, welche in allen Mss. des Theophilus fehlen, die drei Kapitel
seines II. Buches über Glasmalerfarben, bewiese nur, dass ebenso^ wie andere Kapitel
von denen es Merrifield zugibt, auch diese aus Theophilus entnommen sind und nicht
umgekehrt». Dagegen vernehmen wir Merrifield S. 167: „Die Tatsache, dass ein Ms.
Teile eines anderen enthält, ist für sich nicht genügend bezüglich des Alters eines
Ms. Bei Theophilus ist es schwer festzustellen, ob diesem die in Versen geschriebenen
Bücher des Heraclius als Vorlage gedient haben. Eine Stelle berechtigt jedoch zu
dieser Annahme; in Theoph. III, Kap. CVI. wird auf eine Angabe verwiesen, welche
im ersten Buche beschrieben wurde; dieses Kapitel findet sich aber nicht im I. Buch
des Theophilus, sondern ist im I. Buch dos Heraclius enthalten.» Diese Stelle des
Kap. CVI (in Ed. Ilg sind die Reihen anders nummeriert) „Ex vitro si quis dipingere
vascula quaerit, et te verte ad hanc artem quae in primo libro soripta est. Haec enim
ita se habet», könnte sich übrigens auf die allgemeinen Regeln zu malen des ersten
Buches Theophilus beziehen.

3*

36 –

Heraclius

(31)

Inhalt des Ms.

Einteilung der
Kapitelreihen

Während die ersten zwei Bücher auf Kunstweisen des X. Jh. und
byzantinische Einflüsse hinweisen, finden wir im dritten französisch-normannische
Bezeichnungen, so in VII. : quod nos Cerasin vocamus, (ebenda) Galienum
vitrum: grossinum (altfränkisches Gewicht = 1 Drachme oder 1 /s Unze, VIII
und XLIV), vergaut (LVI). Auf nordischen Ursprung überhaupt weist Warancia
(XXXII, Garancia, Krapp) hin, Glassa (XLIV. glasse in frz. Ms., vernis glas
bei Theoph., Bernstein) u. A. ; einige Artikel zeigen dagegen arabischen Ur-
sprung, so IX, XXXIII, XLVI und XL VII, welche von Niello, Borax und
Corduanleder handeln. Inhaltlich zerfallen die 58 Kapitel des III. Buches
in zwei grosse Gruppen , die erste behandelt Potterie (I — IV), Glas, Glasflüsse
und Steine (V— XII), Metallvergoldungen (XIII — XXIII), wobei zu bemerken
ist, dass einzelne dieser Rezepte Wiederholungen oder Umschreibungen von
im I. Buch enthaltenen Anweisungen sind. Die zweite Gruppe ist der Malerei
gewidmet, und zwar den Vorbereitungsarbeiten zu Malerei auf Holz, Leder
oder Leinen (XIV— XX Vi), den Bindemitteln für Malerei überhaupt (XXVIII —
XXXII), der Bereitung von einzelnen Farben (XXXIV— XL, LIV), den ver-
schiedenen Vergoldungsarten der Goldschrift (XXI, XLI — XLV), und den all-
gemeinen Angaben über Farben und deren Mischungen (LH, LV — LVIII) ;
zwischendurch sind einzelne Kapitel eingeschoben, die anderen Gewerben dienen.

Diese Einteilung der Kapitelreihen liegt den beiden Ausgaben von
Merrifield und Ilg zu Grunde. Merrifield, welcher die in dem Ms. des Le
Begue enthaltene Kopie des Heraclius vorgelegen, hat, in der Meinung, das
von Raspe in Cambridge entdeckte Exemplar sei authentischer und älter,
die dort sich vorfindende Reihenfolge für ihre Ausgabe adoptiert (S. 173, loc.
cit.) und die im Ms. von Cambridge fehlenden Kapitel nach Gutdünken ein-
gereiht. Fügt man aber die Kapitel wieder in die ursprüngliche Folge des
Le Begue aneinander, so ergibt sich, wie mir scheint, eine viel klarere Ueber-
sicht. Zunächst fällt ins Auge, dass alle Kapitel für Malerei, welche im Zu-
sammenhange am Schlüsse (260 — 289) stehen, der späteren Zeit angehören
müssen, die übrigen Kapitel aber, insbesondere die aus älteren Schriften des
Vitruv (240—245) und des lsidorus (255 — 256) entnommenen, früher einge-
schaltet sind; es wird dadurch klar, dass der letzte Besitzer des Ms. ein
Maler gewesen sein muss. Während die ersten 4 Kapitel des III. Buches
(232 — 236) sich inhaltlich den zwei metrischen Büchern anschliessen, sind die
Anweisungen der folgenden Kapitel jenen Handwerken gewidmet, welche von
den Mönchen des XII. — XIV. Jh. in den Klöstern mit Vorliebe ausgeübt
wurden, u. zw. den Arbeiten in edlen Metallen und der Glasmalerei. 3

8 Zusammenstellung der Kapitelreihen des III. Buches nach den Nummern
von Le Begue’s Ms. Die römischen Zahlen entsprechen denjenigen der neuen Aus-
gabe von Ilg.

(232) I. De vasis testeis depingendis ex viridi vitro.

(233) II. Ad vasa testen albo vitro dealbanda.

(234) IV. Item.

(235) IX. Quomodo inciditur vitrum.

(236) X. Quomodo sculpuntur preciosi lapides, poliunturque et splendificantur.

(237) XVII. Quomodo ferrum deauratur.

(238) XVIII. Aliter.

(239) XIX. Quomodo dirigitur et ornatur ebur.

(240) L. De diversis colorum principalium et intermediorum speciebus etc.
(aus Plinius entnommen).

(241) LI. ‘De probatione azurii (aus Vitruv u. Plinius).

(242) LH. De colorum commixtione, et quales ipsi colores sunt etc. (Ebenso.)

(243) LI II. Quomodo fit atramentum diversarum spezierum.

(244) LIV. Quomodo fit purpurinus color ex diversis diversimode (Rom. Quelle).

(245) LV. De coloribus infectivis (Vitr. VII, 14).

(246) XLVI. Quomodo distemperatur bures et servatur.

(247) XLVII. Item de eodem aliter.

(248) XXII. Quomodo poteris solidare aurum vel argentum vel ouprum vel
auricalcum.

(248 bis) XLVIII. Quali modo nigellum facere.

(249) XVI. Quomodo deauratur auricalcum.

(250) XX. Quomodo recuperatur deauratura.

37

Ueberblicken wir die für Malerei bestimmten Kapitel im Ver-
gleich zu den früheren Mss., so fällt zunächst der Umstand auf, dass hier
Angaben über Grundierung von Holztafeln, Leder und Leinen (XXIV, XXVI),
zur Bemalung von Säulen (XXV) u. dergl. vorhanden sind, Dinge, die in
früheren Mss., dem Lucca-Ms. und Mappae clavic. nicht berührt werden.

Für die Erkenntnis der maltechnischen Operationen sind diese Kapitel
von um so grösserer Bedeutung, weil im 111. Buch des Heraclius, noch keine
planraässige Anordnung des Themas, wie solche Theophilus, das Handbuch
vom Berge Athos, Cennini, Neapeler Codex zeigen, zu Grunde liegt, wir uns
aber aus derartig genauen Rezepten doch eine richtigere Vorstellung von der
Technik zu machen im stände sind.

Gleichzeitig ergibt sich aus einigen Anweisungen, die sich sowohl
hier als auoh im I. Buch des Theophilus finden, dass die beiden Schriften auch
zeitlich nicht weit auseinander liegen können. So führt z. B. Heraclius in
Kap. XXIV an, dass Holz, wenn es bemalt werden soll, mit Pferdehaut oder
Pergament zu bespannen sei, eine Angabe, die sich bei Theophilus, Kap. XVII
wieder findet; ebenso stimmt Kap. XXV des Heraclius mit Kap. XX des
Theophilus überein, insofern als in beiden Fällen die mit Oel angeriebenen
Farben an der Sonne getrocknet und hernach ebenso gefirnisst werden. Auch
stimmen die bei Theophilus genannten Bindemittel mit allen bei Heraclius
überein; der letztere ist in dieser Richtung sogar nooh ausführlicher und
vielseitiger.

Am auffallendsten ist es, dass die Oeltechnik im XI. — XIII. Jh.
sohon voll entwickelt ist, was aus den Kap. XXIV, XXV, XXIII und XXIX
hervorgeht. Diese hat, wie es scheint, die Malerei mit Hausenblase (Fisch-
leim) und Wachs,** die im Lucca-Ms. und Mapp. clav. noch vorherrschen,
ganz verdrängt. Der farbige Firniss (Piotura lucida der beiden Mss.) ist noch
in Kap. XXI (Wie man Gold firnisst, damit es die Farbe nicht verliere) ent-
halten, desgleichen im XL1V vom Auripetrum, das als ein gefärbter Firniss
zum gleichen Zweck diente (vergl. Theoph. XXIX, Piciura translucida).
Während nun in den älteren Mss. die farbigen Oelfirnisse nur zur Lasur auf
Metallfolie oder auf (mit Leim gemischten) Farben Anwendung fanden, sehen
wir jetzt eine grosse Ausbreitung der mit Oel gemischten Farben vor sich

(32)

Heraclius

Vorgleich mit
anderen Mss.

Oole u. farbigo
Oolfirnisse

(251?) XXIII. De probatione auri et argenti (Nummer und Kapitel fehlen in
Le Begue’s Ms.; Merrif. S. 226.)

(252) XV. Quomodo deauratur aes, vel auricalcum, vel argentum.

(253) XIV. Deauratura quomodo fit.

(254) XI. Quomodo incidatur cristallum.

(255) V. Quomodo et quando inventum fuerit vitrum. (Aus Isidorus.)

(256) VI. Quod quidam decapitatus fuit jussu Imperatores, quia modum
faciendi vitrum flexibile inveneret. (Ebenso.)

(257) VII. Quomodo efficitur vitrum album et etiam de diversis coloribus.

(258) XXXII!. Quomodo corduanum tingitur.

(259) III. Quomodo vasa figuli plumbeantur.
Malrezepte:

(260) XXIX. De oleo quomodo aptatur ad distemperendum.

(261) XL. Quomodo auripigmentum praeparatur ad operandum.

(262) XXV. Quomodo praeparatur columna ad pingendum.

(263) XXX. Alumen quomodo debet distemperari.

(264) XLI. Quomodo ponitur aurum.

(265) XXXVII. Quomodo distemperatur viride terrenum.

(266) XII. Quomodo politur lapis et dens animalis.

(267) XXI. Quomodo vernicietur aurum ne perdat colorem.

(268) XXIV. Quomodo aptetur lignum antequam pingatur.
(269 fehlt bei Merrif.)

(270) XXXII. Quomodo vitellum ovi paratur.

(271) VIII. Quomodo efficitur vitrum de plumbo. et quomodo coloratur.
M (272) XLIX. Quomodo pingitur in vitro.

(273) XXXVIII. Quomodo efficitur viridis color cum sale.

(274) XLIV. De auripetro.

** Anmerkung. Wachs dient nur (Kap. XXIV) in Mischung mit Ziegel-
mehl und Bleiweiss, heiss miteinander gemischt, zum Ausfüllen der zufälligen Ver-
tiefungen des Holzes.

— 38

Farben-
mischungen

(33) gehen, die sich in der folgenden Zeit schon allgemein in den nördlichen
Heraolius Gebenden des zivilisierten Europa geltend macht. Oertlich begrenzt sind diese
Kulturzentren von Nordfrankreich, der Normandie nebst England und der
rheinisch-westfälischen Gegend von Deutschland.

Die Kapitel über allgemeine Mischung von Farben untereinander
(LVI — LVIII) sind denen der jüngeren Mapp. fast übereinstimmend; eine ähnliche
Reihe von Parbmischungen zeigt Kap. XIV des Theophilus ; dieser letztere ist
sogar noch viel ausführlicher, besonders was die Farbmischung für Fleisch-
malen betrifft. Es wird angenommen (Merrif. S. 179), dass diese allgemeinen
Angaben für Farbmischungen einem verlorenen byzantinischen Ms. entnommen
sind, denn die byzantinische Technik war zu dieser Zeit überall verbreitet, wo
Kunst getrieben wurde. Tatsächlich lässt sich auch ein traditioneller Zusammen-
hang zwischen den Angaben für Fleischfarbe bei Theophilus und denjenigen
der Hermeneia leicht nachweisen. Schwieriger ist dies aber bei den genannten
Kapiteln des Heraclius, die sich in Mapp. clav. und auch ähnlich im Theophilus
finden ; diese scheinen eher nordischen Ursprungs zu sein, denn das System
der Schattierung und Aufhellung stimmt mit den gleichzeitigen Miniaturen
deutschen Ursprungs mehr überein, während in früheren byzantinischen Miniaturen
eine der Aquarelltechnik ähnlichere Art, ohne Deckfarben zu malen, häufiger
vorkommt.*)
. Ausser den vielfachen Miniaturen der Zeit, die zum Vergleich herangezogen

Anwendungs- werden könnten, sind andere Malereien des XII. — XIII. Jahrhunderts nicht mit
weiaen Sicherheit nachgewiesen worden; für uns wäre naturgemäss vom grössten
Interesse, auch Tafelgemälde auf die Technik hin prüfen zu können, denn so
bleiben uns nur die wenigen literarischen Notizen, die über die Ausbreitung
der technischen Fertigkeiten im nördlichen Europa Aufschluss geben. Neben
der Miniatur-, Tafelmalerei, und der Malerei auf Wandfläche, nimmt die Malerei
auf Stein bereits einen besonderen Raum ein; hiezu scheint die reiche Innen-
dekoration des frühgotischen Stiles mit den farbigen und reich vergoldeten
architektonischen Gliederungen Gelegenheit geboten zu haben; ausserdem
wurden skulpturale Darstellungen aus Stein und Holz überreich mit Farben
geschmückt und vergoldet; durch diese Vielseitigkeit der Anwendung ist es
auch erklärlich, dass in dem III. Buch des Heraclius eine so stattliche Reihe
von Bindemitteln und Verfahrungsarten verzeichnet ist, über deren Zweck wir
uns im ersten Moment kaum orientieren können. Es soll aber im folgenden
der Versuch gemacht werden, hierin einige Klärung zu bringen.

Scheiden wir, wie bei den vorigen Mss. wieder die Rezepte in die einzelnen
Gruppen: 1. in die Rezepte für Farbenbereitung, 2. für Vergoldung und Gold-
schrift, und 3. in die allgemeinen Angaben der Bindemittel für Malerei und
deren Anwendung, so ergibt sich, dass die zur ersten Gruppe gehörigen Rezepte
im Vergleich zu den ähnlichen des Theophilus wenig Neues bieten, die Färbe-
rezepte der Mapp. olav. sind hier alle fortgelassen.

(275) XLV. Quomodo ponitur aurum super stagnum.

(276) XIII. De deauratura petulae stagni.

(277) XXXIV. Quomodo poteris de bresilio operari.

(278) XLII. Quomodo aurum in pergamenis ponitur.

(279) XLIII. Quomodo scribitur de auro.

(280) XXVI. Si vis pingere lini pannum, et aurum in ipso ponere, sie praepara.

(281) XXVII. Quomodo aurum ponitur in panno.

(282) LVI. De miscendis inter se coloribus pingendo et illuminando etc.

(283) LVII. De coloribus sibi contrariis.

(284) XXXI. De modo parandi glaream ovorum, ad colores ex ea temperandos.

(285) XXVIII. De pratica generali in movendi omnes colores.

(286) LVIII. De diligentia quae haberi debet circa naturas colorum, et de
modis miscendi etc.

(287) XXXIX. Modus faciendi viridem cupri vel aeris.

(288) XXXVI. Quomodo fit cerusa, et de ipsa rubeum minium.

(289) XXXV. Quomodo rosa color fit de ligno braxilii.

* Vergl. Janitschek, Geschichte der deutschen Malerei S. 24

39 —

Rezepte für Farbenbereitung: Wie in früheren Mss. sind es wieder
die künstlichen Farben und Farblacke, die vornehmlich beschrieben sind.
Heraclius führt die folgenden Rezepte an.

XXXIV. Wie man mit Brasilium arbeiten kann, und XXXV, Wie
aus Brasilholz 5 ) eine Rosafarbe gemacht wird, lehren
den Farbstoff des oriental. Santal- oder Rotholz (Caesalpina
Sappan) bereiten; „Du kannst mit dieser Farbe auf der Tafel
und auf der Wand arbeiten, noch viel wundersamer jedoch auf
Pergament», heisst es in der Anweisung.

XXXVI. Wie Blei weiss und aus diesem Minium (Mennige) be-
reitet wird, indem zuerst Bleiweiss aus Essig und Blei, aus
diesem durch Kalzinierung Mennige gemacht wird (Theoph. XLIV).

XXXVLI. Wie eine grüne Farbe aus Malven bereitet wird, die mit
Essig oder Wein gemischt eine gute Farbe für Wandmalerei sei. (?)

XXXVIU. Wie man eine grüne Farbe mit Sal z bereitet; die Berei-
tung geschieht durch Uebergiessen von Kupferstreifen, die mit
Honig bestrichen und mit Salz bestreut werden, mit warmem
Essig oder Urin; das ganze wird in einem ausgehöhlten Holz-
stück verschlossen. Der Schluss des Kap. „Des weiteren
verfahre, wie oben von dieser Farbe geschrieben steht», bezieht
sich nicht auf ein früheres Kapitel des Heraclius, denn dort
findet sich gar keine Angabe darüber, sondern auf Nr. 150 des
S. Audemar in Le Begue’s Kompilation (Merrif. S. 117); dar-
nach wird das Gefäss oder hier das ausgehöhlte Holzstück
8 — 18 Tage in warmen Pferdemist gestellt und nach einiger Zeit
die Farbe von den Kupferstücken abgekratzt. (Theoph. XLH.)
XXXIX. Die Art, Grün aus Kupfer oder Erzzuber eiten, durch Ueber-
giessen mit Weinessig in der bekannten Weise. (Theoph. XLHI.)

XL. Wie Auripigment zum Gebrauche hergerichtet wird;
dasselbe wird mit etwas Knochenmehl vermischt, verrieben,
erhält auf Holz und Wänden eine Eitempera, für Papier dieselbe
wie Bleiweiss (Gummi oder Eikläre).
L. Aufzählung der Malerfarben, zum Teil wörtlich aus
antiken Schriftstellen entnommen, insbesondere aus Vitruv
und Plinius (vergl. Ilg, Heraclius, Noten zu diesem Kapitel).
Es werden erwähnt: die weissen Farben (Bleiweiss, Kalk, Alaun),
von Schwarz das Rebenschwarz, dann die Mittelfarben, Rot,
Grün, Safrangelb, Purpur, Prasinus (dunkelgrün) und Indigo
(incicus, offenbar Schreibfehler). Der zweite Teil des Kapitels
enthält Angaben aus Plinius XXXV 6, 18 und 19.
LI. Von der Prüfung des La zur; aus der Angabe ist ersichtlich,
dass hier Lazur von Lapis lazuli (echt Ultramarin) gemeint ist;
dieselbe Art, durch Glühondmachen des Steines die Güte zu
erproben, ist in späteren Schriften oft erwähnt. Die Erzeugung
der Farbe ist genau beschrieben in Experiment, de coloribus
bei Le Begue, Nr. 111 — 118, bei Cennini K. 62 etc. (Der
zweite Teil des Kap. LI, vom Quecksilber bezieht sich nicht
auf Farbenbereitung, sondern auf Goldschmiedekunst.)
LH. Von Folium (Tournesol, aus Krebskraut bereitet), Drachen-
blut und Krapprot, welche mit anderen Farben gemischt werden
können. Kupfergrün und Indigo sind weiter genannt.
Zu diesen Farbenrezepten müssen noch die folgenden aus den zwei ersten
metrischen Büchern des Heraclius hierhergesetzt werden:

Heraclius

Rezepte für
Farben-
bereitung

(34)

5 Vergl. Bersch, Die Fabrikation der Mineral- und Lackfarben, Leipzig 1893
S. 508; Ilg, Noten zu Cennini, Kap. 161.

— 40

Heraclius

Rezepte für
Farben-
bereitung

Goldschrift

und
Vergoldung

(35)

Pergament-
Vergoldung

Assise-
Goldgrund

Aus dem I. Buch:

Kap. IL Wie aus denBluraendesPeldes verschiedene Farben,
welche in der Schreibkunst brauchbar sind, gewonnen werden,
beschreibt ein Verfahren, aus den Blüten den Farbstoff durch Zusammenreiben
mit Kreide oder Kalk (gypsum) zu gewinnen. 6

Kap. XI. Von grüner Farbe zum Schreiben, die aus Essig und
Honig, in einem Gefässe (vas), das 12 Tage lang mit warmem Mist bedeokt
war, gewonnen wird ; selbstverständlich müsste dies ein Kupfergefäss sein
(vergl. S. 27, Note 13).

Aus dem II. Buch wären noch anzureihen:

Kap. XV. Von einer dem Auripigment ähnlichen Farbe, die
aus Fischgalle, Essig und Kreide bereitet wird. (Vergl. Tab. de vocab. syn.
unter Fei. Merrif, S. 26.)

Kap. XVII. Von einer grünen Farbe, wie sie gemacht werde n
kann, aufdassdu damit jegliches malest, und zwar aus Blättern der
Morella (Nachtschatten, Solanum nigrum), die mit Kreide gerieben werden.
(Tab. de vocab. syn. Merrif. S. 31 Note.)

Verzeichnen wir die Rezepte der IL Gruppe, für Goldsohrift
und Vergoldung:

Neben der Goldschrift für Miniaturmalerei, die in B. I Kap. VII durch
ein Rezept vertreten ist, das gleichlautend schon in früheren Mss. erwähnt
ist, nämlich geriebenes Gold mit Ochsengalle oder Gummi flüssig zu machen,
mit dem Schreibrohre (Oalamo) zu schreiben und zu glätten, sind die zwei
Arten, die Glanz- ‘und Mattvergoldung, auch hier genau zu unterscheiden.

Die Glanzvergoldung sehen wir hauptsächlich für Pergamentmalerei
im Gebrauch, während die Vergoldung mittelst der Beizen für Tafel- und
Wandmalerei Verwendung findet.

Die erstere Gattung ist beschrieben in

Kap. XLI. Wie man Gold aufsetzt. Ocker wird mit Leim und
Eikläre gerieben und als Untergrund für die Goldblätter auf Pergament gesetzt,
dann allsogleich das Blattmetall darauf gelegt. „Und lasse es ohne mit dem
Glättstein zu drücken trocken werden. Ist es dann trocken, so mache es
mit dem Zahne glänzend». Ebenso für Miniaturmalerei bestimmt ist Kap. XLIII,
mit Eikläre und Goldpulver zu schreiben und Kap. XL1I, Wie man Gold
auf Pergament anbringt. Hier besteht die Grundlage aus Gyps, Apulisch
Weiss 7 ) und Zinnober (od. Sinopis i. e. Bolus) nebst Leim, „der sehr dünn
sein muss» ; mit diesem Leim (von Kalbs-Pergament, Schnitzelleim) sind auch
die Goldblätter aufzulegen.

Es erhellt aus diesen Rezepten die Uebereinstimmung mit dem in ita-
lienischen Mss. genannten Assiso (Oennini Kap. 127, 188), von welchen später
am geeigneten Orte die Rede sein wird.

Der Grund (assiso) hat auch hier den Zweck, die aufgelegten Gold-
blätter mit dem Brunierstein oder Zahn polieren zu können; er muss deshalb
sehr fein gerieben und von dicklicher Konsistenz sein, auch ist auf eine gewisse
Fettigkeit der Kreidenart Rücksicht zu nehmen, damit eine geringe Nach-
giebigkeit der Masse erreicht wird. Sieht man z. B. alte Miniaturen gegen
das Licht, se- wird man stets bemerken, dass Stellen mit Glanzvergoldung
eine undurchsichtige Schichte haben, die von dem Grund (assiso) herrühren,
während die gemalten Stellen zumeist durchscheinend sind.

Kap. XXVII bringt noch im Zusammenhange mit dem Vorhergehenden
die Vergoldungsart auf Leinwand, zu welcher die Tempera vom Pergament-
leim dient, eine Art, die sich in späteren deutschen Anweisungen wiederholt
vorfindet.

6 Vergl. den Excurs zu diesem Kapitel bei Ilg, Heraclius S. 99; dsgl. Der
ouriöse Schreiber samt dem curiösen Maler, Dresden 1712 S. 36 ff.

7 Ueber Apulisch Weiss und die sich daranschliessende Vermutung über die
Urheberschaft des Ms. vergl. Merrif. S. 179.

— 41 —

Die Rezepte für Matt- oder Beizenvergoldung sind teilweise mit
den uns schon aus dem Lucca-Ms. und Mapp. clav. bekannten identisch. Wie
dort wird die „Vergoldung» der Zinnblätter durch passend gefärbte Ueberzüge
erreicht. Wir ersehen aus

Kap. X11I. Von der Vergoldung der Zinnblätter, dass diese
mit Firnis überstrichen und dann in eine Beize von Russ und Bier gelegt
werden, und dadurch wie Goldblätter aussehen sollen; die Anweisung scheint
aber unvollständig, denn aus dem sonst gleichlautenden Rezept des Theoph.
XXVI. folgt, dass noch Safran als Farbstoff beizumischen ist. Auch die
Rezepte des Lucoa Ms. (89) und Mapp. (CXV) sind von dem obigen abweichend.
An die Oonfectio lucidae des Lucca-Ms. erinnert

Kap. XXI. Wie man Gold firnisst, damit es die Farbe nicht
verliere:

„Willst du Gold auf Gypsgrund firnissen, so muss das nicht mit
blossem Firnis, sondern mit jener Farbe geschehen, welche zur Her-
stellung von Auripetrum gemacht wird. Indem nämlich etwas Firnis
mit Oel gemengt wird, soviel, dass dieses nicht allzu dick ist, firnisst
man das Gold. So kann, falls die Farbe des Gypses durchblickt,
dieselbe mit dieser Farbe überdeckt werden. Bilder aber und anderes
Gemaltes kannst du mit reinem Firnis oder mit fettem Oele (puro
vernicio, vel de crasso oleo) firnissen.» 8
Das Auripetrum, von dem Kap. XLIV besonders handelt, ist die
farbige Goldbeize, die wie im Lucca Ms. und Mapp. cl. auch hier aus gekochtem
Oel nebst Aloe, Myrrhe und Firniskörnern bereitet wird; auch kann glassa
(Bernstein) an Stelle des Firnis (vernix) genommen werden. Durch die Aloe
und Rinde von Schwarzdorn (Vesprum) wird dem Firnis eine Färbung gegeben.
Statt Vesprum kann auch getrooknete Tinte genommen werden und hat ein
bezüglicher Versuch ergeben, dass dieser Zusatz auf die goldige Farbe keinen
nachteiligen Einfluss hatte. Die Tintenmasse (Eisenvitriol), weil unlöslich,
dient hier vermutlich als Trockenmittel. (Vgl. Oennini Kap. 152.)

Das folgende Rezept XLV, Wie Gold auf Zinn aufgelegt wird, ist
nur verständlich, wenn unter silicia nicht Fönnkraut, wie Ilg. S. 142 und
Merrif. S. 240 meinen, sondern Safran zu verstehen ist, da durch einfaches
Glätten die Zinnblätter nicht goldig werden; hier ist die besondere Art des
silizischen Safran gemeint, welchen Pap. Leyden öfters so (crocus cilicia)
erwähnen. Man vergleiche auch Theoph. XXIV, der das Verfahren und den
Zweck dieser goldscheinenden Zinnfolie genau beschreibt und ebenso verwendet
wie Heraclius, und sagt: „Du kannst mit diesem Gold auch auf dem Holz
oder auf der Mauer arbeiten und es aufsetzen, wo dir beliebt».

Sind im Heraclius Ms. bezüglich der Farben und der Vergoldungsweisen
die Rezepte wenig zahlreich und auch nicht sehr detailliert gegeben, so ist
dies in Betreff der Angaben für Malerei und der Bindemittel nicht der
Fall. Hier sehen wir eine grosse Mannigfaltigkeit, die auf verschiedene An-
wendungsarten schliessen lässt; ganz besonders in

Kap. XXVIII. Von der allgemeinen Praxis, alle Farben zu reiben,

ist eine ganze Reihe von Bindemittel namhaft gemacht: „Zu wissen ist aber, dass

alle Farben mit klarem Wasser gemalen werden können und wenn

man sie nachher austrocknen liess, sie dann mit Eikläre oder

Oel oder Gumraiwasser, oder Essig, Wein, Bier gemischt

und temperiert werden.»

Die Angaben sind sehr allgemein gehalten: Die Farben sollen zuerst

möglichst fein gerieben und geschlämmt, hernach trocknen gelassen werden,

um dieselben sowohl für Oele als auch für andere Bindemittel vorrätig zu

haben. Wir finden darüber, ausser an dieser Stelle, im Ms. noch weitere

Einzelheiten, die wir hier, mit einigen Bemerkungen begleitet, anreihen wollen.

Heraclius

Beizen
Vergoldung

Auripetrum

(36)

Zinnfolien

Bindemittel
für Malerei

8 Mapp. XCVIII und CIX; von dem Ueberstreichen von Firniss über die Malerei,
siehe oben ti. 25.

— 42

Heraclius

Bikläre zu
Tempera

Anonymus
Bernensis

Gummiarton

Essig, Wein,
Bier zur
Tempera

(37)

Eidotter

„Auf welche Weise Eikläre zur Tempera der Farben zu
bereiten ist», wird in Kap. XXXI wie folgt beschrieben: Willst du
Eitempera machen, so nimm ein Leinen-Filter und tauche es ins
Wasser. Es soll feucht sein, worauf du die mit Wasser gemischte
Kläre in dem aufgebogenen (doppelten) Filter nehmen musst, das
unten spitz, oben aber weit sei; drücke die Kläre durch, lasse sie
sieben- bis achtmal durchpassieren, oder öfter, oder nach Not-
wendigkeit, so lange bis die Kläre wie Wasser ist, und dünn, ohne
Faden abtropft. Fange sie auf und wenn du willst, schreibe damit.
Es sind aber zwei Gefässe zu ihrer Bereitung nötig.»
Der hier beschriebenen Art stehen andere zum gleichen Zwecke gegen-
über; Anonymus Bernensis verwirft sie, weil das „Bindemittel von der
Hand desjenigen, der es durchdrückt, Schmutz annimmt» und gebraucht das
zu Schaum geschlagene und abgetropfte Eierklar (Jlgs Ausg. zu Anhang Theo-
philus, S. 382). Allerdings muss bei dieser Manier der Schaum über Nacht
stehen gelassen werden. Das durch Filterpressen gewonnene Eiklar hat den
Vorteil, sofort benutzbar zu sein. Aehnlich ist die im Neapeler Codex (siehe
weiter unten) beschriebene Weise, durch mehrfaches Aufsaugen und Aus-
drücken mittelst eines reinen, feuchten Schwammes das Bindemittel flüssig
wie Wasser zu bekommen; auch die grünen abgeschnittenen Triebe des
Feigenbaumes lösen Eiklar ungemein rasch (Cennini, Vasari).

Was die Gummiarten betrifft, so waren Kirschgummi, Pflaumenbaum-
und Gummi arabicum damals bekannt; sie lösen sich in kaltem oder lauwarmen
Wasser und dienten zur Tempera, entweder allein oder mit Eikläre, Alaun
nebst Honig vermischt zur Miniaturmalerei.

Auch Essig, Wein und Bier sind hier als Bindemittel für Farben
genannt; es ergibt sich aus dieser kurzen Angabe jedoch nicht, in welcher
Weise die Mischung und mit welcher Farbe sie zu geschehen habe. Ein
Rezept Nr. 152 des S. Audemar (Merrif. S. 116) gibt hierüber einigen Auf-
schi uss. Darnach dient starker Essig oder Wein zunächst zur Mischung des
Bleiweiss und Kupfergrün in der folgenden Weise:

„Nimm das Weiss, trockne und reibe es, mische es mit Wein für
Pergamentmalerei, mit Oel mische es für Malerei auf Holz und Wänden. In
gleicher Art reibe und temperiere das Grün mit Oel und benütze es für
Tafelmalerei; aber auf Wänden mit Wein oder wenn du willst mit Oel. Auf
Pergament sollst du es ,, nicht mit Oel mischen, sondern mit sehr reinem Wein
oder mit Essig.» (Theophilus gibt als Mischung für Bleiweiss nur Eikläre an.)
Zu Malvengrün für Wandmalerei dient bei Heraclius (0. XXXVII.) Essig
oder bester Wein.

Wein oder Bier als Mischung für Farbe (Safran) ist in Theophilus
K. XXVI erwähnt und zwar um die Zinnfolie zu färben ; diese wird zuerst mit
Oelfirnis (Vernition) überstrichen und an der Sonne getrocknet; die innere
Rinde von faulen und getrockneten Holzrütchen wird mit etwas Safran und
altem Wein oder Bier erwärmt und die Staniolblättchen mehrmals in diese
Flüssigkeit getaucht. Das gleiche Verfahren haben wir auch in dem unvoll-
ständigen Rezept des Heraclius K. XIII bereits kennen gelernt (s. oben Kap. XIII).
Bemerkenswert ist übrigens, dass dieVerwendung von Essig- oder Bierfarbe
auf Oelgrund auch heute noch in der Masierertechnik unserer Anstreicher viel-
fach Verwendung findet. 9 )

Neben der Eikläre ist Eidotter als Bindemittel nur für einen einzelnen
Fall beschrieben :

Kap. XXXII. Aufweiche Weise Eid ott er hergerichtet wird,
bezieht sich auf die Mischung von Auripigment zur Malerei, welches niemals
mit Oel zu mischen sei, da es sonst schwer trockne. Die Angabe, wie das
Eigelb zu Schaum geschlagen werden soll, ist mir nicht ganz verständlich, ich
gebe hier die Uebersetzung nach Ilg:

■’ Andes, Praktisches Handbuch für Anstreicher und Lackierer. 1892, S. 144.

— 43 —

Kap.

„Nimm es (das Eigelb) in die Mitte der Hand, rühre es mit einem Heraciiua
Stachel oder Stäbchen, dass es schäumt, dann lege den Finger darauf
und drücke es aus. Fange es im Gefässe auf, gib einen Tropfen
Wasser hinzu und mische es mit dem Auripigment.»
Unter den weiteren Angaben des Ms. findet sich noch das folgende
XXX, das lehrt, „Wie Alaun zur Tempera bereitet werden rauss»:
,, Mahle Alaun mit Gummi und Wasser auf dem Marmor, lasse es
trocknen und mische, wenn du damit arbeiten willst, Eikläre hinzu.»
Dieses Rezept ist eines der interessantesten des Ms., weil es eine neue Alauntempera
Tempera beschreibt, die in keinem anderen nordischen Ms. enthalten ist. Nach
meinen Versuchen zu schliessen, kann Alaun hier verschiedenen Zwecken
dienen; erstlich hat es die Eigenschaft, mit Lackfarbstoffen (Pflanzenfarben)
einen Niederschlag zu bilden, der den gelösten Farbstoff verdickt, und dabei
aus der durohsichtigen (Lasur-) Farbe eine deckende macht; zu diesem Zwecke
wurde von altersher und wird Alaun auch heute noch verwendet. Im Kap. L.
ist Alaun in diesem Sinne als weisse Farbe genannt („das Weiss hat etliche
Gattungen: Bleiweiss, Kalk, Alaun»). An unserer Stelle ist jedenfalls die
Manier gemeint, die Lackfarben (Lackmus, Tournesol), also die in Pezetten
(Tüchlein) aufbewahrten Pflanzenfarben zu verdicken. Zu diesem Zwecke
wurden die Pezetten über Nacht in Wasser gelegt, bis der Farbstoff aufgelöst
ist und die Alaunlösung darüber geschüttet, der sich bildende Niederschlag
wird setzen gelassen und das darüberstehende Wasser vorsichtig abgegossen. 10
Eine zweite im Mittelalter verbreitete Verwendung des Alauns bestand
in der Eigenschaft, als Beize sowohl auf Stoffen als auch auf Pergament zu
dienen; die allgemeine Praxis, das Schreibpergament mit Alaun gar zu gärben
und zu färben, ist im Lucca Ms. (11 — 20) ausführlich beschrieben. Ueberdies
verdickt Alaun das Eiklar und dient in gleicher Eigenschaft heute noch zur
Zeugdruckerei.

(NB. Mit Alauntempera sind mehrere Versuche ausgeführt, die sich auf
die spätrömische Malart auf Leinen beziehen [s. Versuche Nr. 39], ebenso
mehrere Miniaturen meiner Versuchskollektion Nr. 50, 52, 53.)

Ausser dieser Anwendung des Alauns zur Malerei auf Leinen oder Per-
gament diente die Alauntempera im Mittelalter wohl noch dazu, auf geglättetem
Glanzgold zu malen, ein Verfahren, dessen Kenntnis ich einem Vergolder
verdanke, der seine Lehrzeit in Belgien verbrachte, und dies als Werkstätten-
geheimnis fortübte. Die mit ganz wenig Alaun angerührte Miniaturmalerfarbe
(Eiklar oder Gummi) greift nämlich sofort auf der geglätteten Metallfolie an
und erzeugt dabei einen weisslichen Grund, während ohne diesen Zusatz die Farbe
sich nicht ausbreitet, sondern perlt. Dies stimmt mit meinen bezüglichen Ver-
suchen überein. (Versuchskollektion Nr. 49, ital. Technik auf Glanzgold, nach
einem Original des Philippo Memrai; Nr. 53. Miniatur auf Assisa-Vergoldung.)
Neben den genannten Bindemitteln ist dem Oele in Heraclius schon ein
besonderer Raum gewidmet. Wie in den früheren Mss., dem Lucca Ms. und
Mapp. clav. (und Theophilus) ist auch hier hauptsächlich Leinöl zu verstehen.
Wir finden die Bestätigung in Kap. XXIV, worin die Zurichtung des Holzes,
ehe es bemalt wird, beschrieben ist; dort wird Leinöl (oleum lini) genannt,
obwohl dieser Beisatz im Ms. von Cambridge, das Raspe veröffentlichte, fehlt,
aber da auch Theophilus mehrmals Leinöl nennt, kann darüber kein Zweifel
sein. Um dessen Trockenkraft zu erhöhen, und um es zu bleichen, wurde
das Oel einer Prozedur unterworfen, die in Kap. XXIX. beschrieben ist:

„Von demOele, wie es zur Tempera der Farben dient. —
Gib etwas Kalk in das Oel und koche es, wobei du den Schaum ab-
nimmst. Gib dem Quantum des Oeles entsprechend Bleiweiss hinein
und stelle es, häufig umrührend, einen Monat oder länger, an die Sonne.
Wisse, dass es umso besser wird, je läuger es an der Sonne stand.
Seihe es dann, hebe es auf und mische damit die Farben».

Leinöl

Bereitung des
Oeles

Vergl. Merrif. S. CXCIII; Cennini C. 10 und 161; Strassburg, Ms.; Neapeler Codex

— 44 —

Heraclius

Technik der
Malerei

Holz-
grundierung

Stein-
grundierung

(39)

Diese Methode, das Oel durch Kochen mit (ungelöschtem) Kalk trock-
nender zu machen, beruht einesteils auf der Entziehung der wässerigen Teile
des Oeles, andererseits wird die Trockenkraft des Bleioxydes (Bleiweiss) von
diesem auf das Oel übergehen, ein Verfahren, das in der Folgezeit vielfach
Anwendung fand. 11

Im Vergleich mit den früheren Arten, die Oele durch Beigabe verschie-
dener Harze trocknender zu machen, ist die hier von Heraclius angegebene
Manier eine bedeu tende Neuerung und eine Verbesserung, die aber Theo-
philus noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint.

Was die Technik der Malerei betrifft, so seien die folgenden Angaben
des Heraclius hier noch beigefügt; man wird daraus ersehen, dass sioh die
Oelmalerei bereits in bestimmten Anwendungsweisen einbürgert, um sich bald
zur Haupttechnik zu entwickeln.

Wir erfahren aus dem Ms. (Kap. XXIV. Wie Holz zugerichtet wird,
ehe es bemalt wird), dass Oelfarbe schon als feste Unterlage zur weiteren
Malerei diente, insbesondere wenn Bleiweiss, als bekannter guter Trockner,
dazu genommen wird. Die Unebenheiten des Holzes werden mit heissgelöstem
Wachs, Ziegelmehl und Bleiweiss ausgefüllt und mit dem Messer die Ober-
fläche geglättet (wie bereits in der Note S. 37 bemerkt, die einzige Anwendung
von Wachs in dem Ms.).

„Und wenn du es (das Holz) nun, wie ich gesagt, geglättet hast,
richte es her, indem du reichlich Bleiweiss, welches überaus fein mit
Leinöl vermählen wurde, überall, wo du malen willst, sehr dünn mit
einem Pinsel von Eselshaar aufträgst; sodann lasse es an der Sonne
gut trocknen. Dann aber, wenn die Farbe trocken wurde, trage sie
wieder auf, wie du getan, und noch dicker; doch nicht so sehr, dass
du die Farbe allzu reichlich aufsetzest, vielmehr nur, indem weniger
Oel dazu kommt, denn man muss hiebei auch sehr vermeiden, dass
zu fette Farbe angebracht werde; tätest du also und nähmest allzuviel
davon, so werden Runzeln darauf sein, sobald es zu trocknen anfängt.»
Ein gleiches Verfahren wird auch angewendet, um auf Stein zu malen:
XXV. Wie man eine Säule zum Bemalen herrichtet. —
„Wenn du eine Säule oder einen Streifen (Pflaster) von Stein bemalen
willst, so lasse sie vor allem an der Sonne oder am Feuer trocknen.
Dann nimm Weiss (Bleiweiss) und reibe es mit Oel recht auf dem
Marmor. Sodann überstreiche die bereits von allen Lücken befreite
und geglättete Säule zwei-, dreimal mit jenem Weiss mittelst eines
breiten Pinsels. Dann reibe ganz dickes Weiss mit der Hand oder
mit einer Bürste darauf ein und lasse es ein wenig ruhen. Sobald
es ein wenig trocken ist, streiche das Weiss kräftig mit der Hand,
wodurch du es ebnest. Damit verfahre so lange, bis es glatt wie
Glas ist; dann aber kannst du mit allen ölgem engten Farben darauf
malen. Falls du es aber marmorieren wolltest, auf einem Farben-
grunde, braun oder schwarz, oder sonst einer Farbe, so kannst du ps
nach dem Trocknen marmorieren. Hierauf firnisse es an der Sonne.»
Es scheint, dass bei diesem Rezepte eine Verschiedenheit der Technik
anzunehmen ist; einesteils kann die so mit Oelweiss grundierte und getrock-
nete Säule mit Oelfarben bemalt werden, andererseits ist vom Marmorieren
als von einer besonderen Manier die Rede, so dass es nicht unmöglich ist,
dass diese Marmoriertechnik in der heute noch üblichen Manier mit „Essig
oder Bierfarbe u (s. oben Kap. XXIII) ausgeführt wurde. Jedenfalls war es

11 Die späteren Arten zum Trocknendmachen des Oeles bestanden irn Einkochen
desselben (unser Oelfirnis), oder man kochte es mit Bleiglätte, Bleizucker; Strassb. Ms.
nimmt zum gleichen Zweck gebrannte Knochen, Bimstein und schon Galitzenstein
(Zinkvitriol); in Bologn. Ms. (Nr. 262) wird gelehrt, Oel mit Zwiebeln zu kochen, als
Mittel dasselbe zu reinigen und dicker zu machen, eine Methode, die auch die späteren
Spanier Pacheco und Palomino noch kennen (Merrif. S CCXXXVI).

— 45 —

nicht unbekannt, wie wir das bei Theophilus deutlich sehen werden, mit Wasser-
farbe auf einem Oelgrund zu arbeiten.

Wir erfahren aus der gleichen Stelle noch ein Detail, das wichtig ist,
weil die Beziehungen zu Theophilus damit sehr innige werden ; es heisst dort
am Schluss:

„Nun aber, damit ich mit einem Alles, was noch erübrigt, sage,

so bitte ich dich, zurückzukehren zu dem, wo ich von dem noch

nackten Holze sprach (wenn du es mit Leder oder Leinwand bedecken

wolltest). Sollte das Holz, welches du bemalen willst, nicht eben sein,

so bespanne es mit Pferdehaut oder Pergament».

Die Stelle deckt sich mit Theophilus K. XIX. Wie hier bei Heraclius

ist dort vom Ueberspannen der Holztafel mit Leder die Hede, und wenn solches

mangeln sollte, ist zu gleichem Zwecke Leinenstoff angeordnet.

Das Kap. XXVI des Heraclius: Wenn du Leinwand bemalen und
Gold darauf anbringen willst, so richte sie also her, führt auch diese
Manier an :

„Nimm Pergament oder Abschnitzel davon, gib sie in einen Topf
mit Wasser, stelle ihn ans Feuer, lasse es sieden, wie oben beschrieben
steht, tauche die Leinwand hinein, ziehe sie allsogleich heraus, breite
sie auf der Tafel voll von dem Wasser aus, lasse sie trocknen und
glätte sie dann mit einem Stück Glas und poliere sie durchweg.
Sodann spanne sie auf, befestige sie mit Fäden an dem Holze (Holz-
rahmen), worauf du sie mit Farben, die mit Leim oder Ei oder Gummi
bereitet wurden, bemalen kannst.»
Hier dient die geleimte Leinwand gleich als Untergrund für die Malerei,
während bei Theophilus K. XIX ein Ueberzug von weissem Gyps darüber
gelegt wird. Der Gypsgrund war auch Heraclius bekannt; in der Anweisung
zum Auflegen von vergoldeten Zinnblättern (XLV) wird die „zu diesem Zwecke
sehr sorgfältig mit Weiss (Gyps) bedeckte Tafel, die auch ausgetrocknet ist»,
genannt. Wir ersehen überdies aus dem obigen Kapitel den Gebrauch von
Leim (cola) zum Anmischen der Farben, der im K. XXVIJI unter den
allgemeinen Angaben für Bindemittel nicht erwähnt ist, wohl aber wird in
K. XLI Leim von Kalbs-Pergament als Goldleim für Assiso (siehe oben) genannt.
Ueberblicken wir die Technik des Heraclius Ms., so wird uns zunächst
die Reichhaltigkeit der als Farbenbindemittel genannten Substanzen in Erstaunen
setzen. Gegenüber dem Lucca-Ms. und Mapp. clav. tritt aber hier das Wachs
ganz und gar in den Hintergrund. Der Fischleim ist als solcher nicht erwähnt.
Die Haupt bindemittel sind jetzt Gummi und Eiklar oder Leim für
Miniatur (Alauntempera), und Malerei auf Leinwand. Die Anwendung des
Oeles für die Farben tritt in den Vordergrund. Eine besondere
Malart auf Wänden (Fresco) ist nirgends verzeichnet; nur XXXVII bringt die
Anweisung, dass Malvengrün mit Essig oder Wein vermischt „eine gute Farbe
für Wandmalerei» sei.

Die Vergoldungsarten sind die gleichen wie in den vorigen Mss. ;
auch hier finden wir dieselben Unterschiede zwischen Matt- und Glanzvergol-
dung, die letztere hauptsächlich in der Miniaturmalerei verwendet (XLI, XLII,
XLIII). Die Beizen- (Matt- oder Oel-) Vergoldung (XLIV, XXI) ist mit den
gleichartigen Anweisungen von Mapp. clav. (CX1V — CXVI) identisch, ebenso
das Firnissen des Gemalten mit Firnis (vernition) oder dem fetten Oel (Lineleon
in Mapp. Nr. CXIII, der „griechische» Leim in Mapp. Nr. XOVIII und Theoph.
C. XX, XXI).

Die Angaben über die Mischungen der Farben untereinander (LVI bis
LVIIIj haben wir bereits in fast wörtlicher Uebereinstimmung mit den gleichen
Kapiteln des jüngeren Teiles von Mapp. befunden, sie stehen auch den gleichen
Anweisungen des Theophilus nahe, ohne dass es mit Sicherheit nachweisbar
ist, dass ein Autor den anderen benützte. Es mag auch die räumliche Ent-
fernung daran Schuld tragen. Jedenfalls sehen wir in Heraclius eine planmässige
Ausdehnung und Verbesserung der Oelmalerei; während Theophilus noch klagt

Heraclius

Grundierung
von Leinwand

Zusammen-
fassung

(40)

— 46 —

Heraolius über das langwierige Trocknen, sind bei Heraclius in der Bereitung des Oeles
zur Farbenmischung bereits Mittel versucht, dasselbe schneller, trock-
nend zu machen und gleichzeitig zu reinigen, ein Umstand, welcher der
Ausbreitung des Oeles zu Malzwecken ungemein förderlich sein musste. Neben
der Oelmalerei geht aber, genau wie bei Theophilus, noch die
Malerei mit Leim, Ei oder Gummifarbe einher. In der räumlichen
Entfernung mag auch der Grund zu suchen sein, dass Bezeichnungen, die
Theophilus kennt, wie die so charakteristischen Menesch, Posch, in Heraclius
nicht vorkommen, während diese Worte in Le Begues Schriften zu wieder-
holtenmalen genannt sind. Das deutet wieder für Heraclius auf einen nord-
westlicheren Ursprung hin, die Normandie und England ; die Vermutung East-
lakes, dass in England die Oelmalerei frühzeitig festen Puss fasste, findet hier-
durch grosse Unterstützung. 12

12 Vergl. Eastlake, Materials S. 49—61.

— 47 —

4. Theophilus Presbyter,
Schedula diversarum Artium

Schon äusserlich unterscheidet sich diese wichtige Quelle für mittelalter- (41)
liehe Kunsttechnik von den bereits besprochenen ; während die früheren nichts
anderes sind, als Reihen von Rezepten und Anweisungen ohne bestimmte
Uebersicht, ist hier eine planmässige Anlage des Ganzen zu konstatieren. Die
Schedula (soviel wie Blättchen = Merkblätter) des Theophilus zerfällt in drei
Teile oder Bücher. Das erste Buch behandelt Malerei, das zweite Glasmacher-
kunst und Glasmalerei, das dritte ist der Arbeit in edlen und unedlen Me-
tallen (Goldschmiedekunst und Bronzeguss) gewidmet. Für uns ist natürlich
das erste Buch von besonderer Wichtigkeit.

Bezüglich der Person des Verfassers und der Zeit der Entstehung des Der Verfasser
Werkes sei auf die gelehrten Ausführungen in der Einleitung zur deutschen
Ausgabe hingewiesen, die Albert Ilg im VII. Bande der Quellenschriften für
Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance (Wien
1874) veröffentlichte. Nach der Vermutung dieses Gelehrten ist Theophilus,
der Verfasser der Schedula, identisch mit dem Mönche Rogkerus — in ein-
zelnen Abschriften Rugerus genannt — , der zu Ende des XI. und in den
ersten Dezennien des XII. Jhs. im Benediktiner-Kloster Helmershausen an der
Diemel, ehedem im Paderbornischen, jetzt in Niederhessen als Goldschmied
tätig war (s. Ed. Ilg Einleit. S. XLUI).

Dieses Kloster war unter dem energischen und segensreich wirkenden
Meinwerk von Paderborn dessen Bistume zugefallen; unter Meinwerk erfolgte
auch der Neubau der Klosterkirche; nach seinem Plane sollte die Stadt ganz
umgebaut und in Kreuzesform mit Gotteshäusern umstellt werden, doch schied
er aus dem Leben, ohne seinen Plan auch ganz verwirklicht zu haben. Mein-
werks Domschule beschäftigte ausser Messkünstlern, Mechanikern und Phy-
sikern auch Schreiber und Maler. Er wusste Künstler aus der Fremde an
seinen Hof zu ziehen und verkehrte mit ihnen auf den Bauplätzen und in den
Werkstätten. Zwei Reisen führten ihn nach dem Süden und gaben ihm Ge-
legenheit, byzantinische Künstler, operarii graeci, mit nach dem Norden zu
nehmen, um den schönen Bau der Bartholomäus-Kapelle, nördlich vom Dome,
ausführen zu lassen. Sein Interesse für heilige Bauten war so gross, dass er
den Abt Wino des obgenannten Klosters zu Helmershausen i. J. 1033 gar in
das heilige Land ziehen liess, um den Plan der Grabeskirche zu verschaffen.
Unter des letzteren Nachfolgern lebte unser Mönch Theophilus, als Künstler
und Schriftsteller. 1

1 Obwohl in Ilgs Ausgabe mehrfach auf den II. Band mit weiteren Beweisen
und Erläuterungen hingewiesen wird, ist dieser niemals erschienen. Es wäre gewiss
wünschenswert und von grö’sstem Interesse, wenn das im Rücklasse des Kunstforschers
vorhandene Material veröffentlicht würde.

— 48 —

Theophilus

(42)

Vergleich mit
anderen
Quellen

Die

„griechische

Manier»

Uebor den grossen Wert der Handschrift ist kaum nötig zu diskutieren;
Lessing machte schon in seiner Schrift „Vom Alter der Oelmalerei aus dem
Theophilus Presbyter, 1774″ eindringlich auf den Kodex aufmerksam, den er
in der Wolfenbütteler Bibliothek fand. Einige Jahre später veröffentlichte
Raspe (Critical essay on Oil Painting, London 1781) die in der Bibliothek
des Trinity College zu Cambridge aufbewahrte Kopie des I. Buches, (welche
auch den Heraclius enthielt). Spätere Ausgaben , denen verschiedene in an-
anderen Bibliotheken befindliche Mss. zu Grunde lagen, sind veranstaltet von
Escalopier, 2 von Hendrie (Harleian Ms. des British Museum) 3 und zuletzt
i. J. 1872 die obenerwähnte, welche alle bekannten Abschriften berücksichtigt.

Was den älteren Herausgebern zunächst in die Augen fiel, war die aus-
gesprochene und deutliche Verwendung des Oeles, und zwar des Leinöles, zur
Malerei in so früher mittelalterlicher Zeit, während man bis dahin Vasaris Er-
zählung, dass die Van Eycks dieses Vehikel in die Malerei einführten, allge-
mein für richtig hielt. Deshalb sind die ersten Ausgaben zumeist zu Angriffen
auf Vasari verwendet worden (Raspe).

Nach den anderen Quellen, dem Lucca Ms., Mapp. clav. und Heraclius,
welche teils gleichzeitig, teils älter sind, kann der Gebrauch von Oelen zu
Malzwecken nicht als etwas so besonderes angesehen werden. Es wird in
einem späteren Abschnitte noch Gelegenheit sein, auf diesen Umstand näher
einzugehen und weitere Beweise für die früheste Verwendung von Oelen in
der Malerei anzuführen. Für uns handelt es siob vorerst darum, festzustellen,
in welchem technischen Zusammenhang die Schedula des Theophilus mit
früheren oder späteren Quellenschriften gestanden haben kann, ob derselbe
schon aus Quellen geschöpft, die er nur in ein System brachte, oder ob eine
selbständige Arbeit in seinem Werke vorliegt. Dabei wird es sich heraus-
stellen, welchen technischen Traditionen der Autor gefolgt ist.

In letzterer Beziehung gibt Theophilus in seiner Einleitung selbst den
Fingerzeig, da er die von ihm verzeichneten Anweisungen für Malerei „grie-
chischen» Ursprungs nennt. In der Einleitung (1. c. S. 9) sagt er von seinem
Werke: „Du wirst darin finden, was nur Griechenland von verschiedenen
Gattungen der Farben und deren Mischungen besitzt (illic invenies quicquid
in diversorum colorum generibus et mixturis habet Graecia)» ; die ,, griechische
Manier» preist er in bezug auf Malerei, wie er Toscana für Arbeiten in Niello,
Arabien für Schmiedearbeit und Intarsiakunst, Italien für Skulptur von Bein
und Holz, Frankreich für Glasmalerei, und Deutschlaud für Metallguss, Holz-
und Steinarbeit als mustergültig bezeichnet.

Diese ,, griechische» Manier für Malerei muss demnach in den ersten
Jahrhunderten nach dem Jahre 1000 überhaupt für Malerei die tonangebende
gewesen sein und sie hat sich unter gleichen Namen auch lange erhalten;
selbst das Strassburger Ms. vom XIV. — XV. Jh. nennt die griechische Manier
neben der lombardischen und es ist deshalb von Bedeutung, zu untersuchen,
was damals unter griechischer Manier verstanden wurde.

Zum Vergleich steht uns ausser dem bereits kennengelernten Ms. byzan-
tinischen Ursprungs, dem Lucca-Ms., noch das allerdings viel später entstan-
dene Athosbuch zur Verfügung. Bei der bedeutenden räumlichen und zeit-
lichen Differenz der beiden Quellen werden sich naturgemäss allerlei Schwierig-
keiten ergeben, die nicht vollkommen überwunden werden könnten. Soviel
steht fest, dass sich vielfache Uebereinstimmung in den beiden Ms., nämlich
der Hermeneia des Athos mit der Schedula des Theophilus konstatieren lässt,
vor allem in der Art und Weis«, wie die Fleischfarben zu mischen sind, dass
diesen Fleischfarben ein hervorragender Platz in den Anweisungen eingeräumt
ist, dass bei diesen Mischungen die Töne mit besonderen Namen benannt

2 Theophili Presbyteri et monachi Libri III etc. Publie par le Conte Charles
de l’Escalopier, Paris, 1843.

8 Theophili, qui et Rugerus, presbyteri et monachi Libri III, seu diversarum
artium Schedula. Opera e Studio R. Hendrie. ^Translated with notes) Londini, 1847.

— 49

koohtem Leinöl) und etwas Seife
disohe, was naturgemäss auf die
von Bedeutung sein musste. Der
Unterleguhg von Leinenstoff (resp.

werden. Bei Theophilus sind diese Angaben sogar an die Spitze seines
Buohes gesetzt, ein Beweis, wie wich! ig ihm deren Notiznahme schien (K. I
bis XIII); das Athosbuch mit seiner viel systematischeren Einteilung bringt
diese Anweisungen erst nach den Rezepten für die Bereitung des Grundes
und der Vergoldung (§ 16 bis 24). Beide lassen gleich darauf die Mischungen
für die Gewänder folgen und zwar ist Theoph. hiebei sehr ausführlich; seine
K. XIV, XV und XVI entsprechen zwar vielfach den letzten drei Kapiteln des
Heraclius (III. B. LVl — LVIII), aber unser Autor ist hier viel gründlicher
und ausführlicher, macht auch die nötigen Unterschiede zwischen der Malerei
auf Pergament (XIV) und der auf Mauern (XV), ‘ein Beweis, dass ihm die
verschiedenen Techniken vollkommen geläufig waren. Bezüglich der Mauer-
malerei sind die Angaben des byzantinischen Mönches Dionysios, besonders
was den Grund betrifft (§ 54—70), äusserst verschieden von denen des nor-
dischen Kollegen. Theophilus kennt weder die Anwendung von Strohkalk,
noch von Wergkalk, legt auch kein Gewicht auf die Wirkung der frischen
Kalkschiohten, sondern begnügt sich damit, die Wand anzufeuchten und die
mit Kalk gemischten Farben darauf zu setzen.

Die beiden Kap. des Theophilus (XVII. vom Käseleim, XVIII. vom Leim
aus dem Leder und Geweih des Hirsches) haben keine Beziehung zum byzan-
tinischen Ms. des Athosbuches, wohl aber mit einigen Kap. des Lucca-Ms.
Auch das folgende (XIX. vom weissen Gipsgrund auf Holz und Leder) hat
nur insoferne Aehnlichkeit mit der byzantinischen Art, die Gründe für Tafel-
malerei zu bereiten (§ 6 u. folg.), als Gips und Leim die Hauptbestandteile
sind; der byzantinische Grund ist aber durch die Beigabe von Peseri (ge-

viel fetter und schmiegsamer als der nor-
ganze weitere Ausgestaltung der Technik
sprödere nordische Grund hatte auch die
Leder) zur Folge, wodurch die durch das
Schwinden des Holzes bedingten Fährlichkeiten verringert werden.

Eine grössere Verwandtschaft der beiden Mss. spricht sich in der aus-
gedehnten Verwendung des Oeles und zwar des Leinöles zur Bereitung von
Firnissen, Vergolderbeizen und zur Malerei selbst aus. Im Athosbuch wird
gelehrt, wie man aus Leinöl Trockenfirnis (Peseri) kocht (§ 29), wie Firnisse
unter Beigabe von Harzen daraus bereitet werden (§ 31), auch die Oelmalerei
wird hier mit der Bezeichnung Naturale (§ 53) beschrieben; die Parallel-
stellen bei Theophilus wären in den Kap. XX, XXI und XXVII zu erblicken,
wo vom Leinöl, Vernition und der Oelmalerei gesprochen wird.

Die Vergoldungsarten, vom Blättergold, das Glätten der Glanzvergoldung
mit dem Brunirstein finden sich in beiden Mss. in völliger Uebereinstimmung;
die Glanzvergoldung ist, bei der Vorliebe der Byzantiner für dieselbe, jedoch
im Athosbuch viel ausführlicher als bei Theophilus beschrieben.

Die bei Theophilus beschriebene Technik, mit ölgeraischten Farben und
mit gefärbten Firnissen auf Staniol- Blättern zu malen (Pictura translucida
K. XXV, XXVI u. XXIX), hängt viel mehr mit dem schon genannten Lucca-
Ms. zusammen. Im Athosbuch, oder vielmehr in den uns bekannt gewordenen
Abschriften desselben, ist von dieser Art wenig mehr zu finden; nur in § 34,
vom gelben Firnis, der aus Sandarak, Aloe und Trockenöl bereitet und über
Silberfolie gestrichen wird, ist noch ein Ueberrest der Pictura translucida er-
halten.-

Einzelne im Athosbuche beschriebene Techniken sind aber dem nordi-
schen Künstler der XII. Jhs. unbekannt geblieben , woraus man schliossen
könnte, dass sich die nordische Technik auf selbständigen Pfaden bewegte.
Ganz fremd ist derselben nämlich die byzantinische Wachstechnik (§ 37, Wie
man Glanzfarbe machen muss) mittelst verseiftem Wachs und Leim, die Knob-
lauchvergoldung (§ 28), die Vergoldung mittels des Sohneckenspeichels (§ 40)
und die Art Pausen von Bildern zu nehmen, die das Athosbuch ausführlich
beschreibt (§ 1.)

Theophilus

(4ä)

Vergleich

mit dem

Athosbuch

50 –

Theophilus

Vergleich mit

den nordischen

Quellen

(44)

Die Miniaturmalerei und die hiebei in Verwendung kommenden Vergol-
dungsarten ist beiden Mss. gemeinsam, da bei dieser Malweise die Tradition in
allen Ländern ziemlich die gleiche geblieben ist. Das Bindemittel ist der all-
gemein gebräuchliche Gummi arab. (§ 38 u. 4i), den auch Theophilus bei der
Art, für Bücher Farben und deren Mischungen zu bereiten, nennt (K. XXXIX).

Gold und andere Metalle als Amalgam oder in Pulverform für Goldschrift
zu verwenden, wie es schon der Leydener Papyrus mehrfach vorschreibt,
kennt Theophilus ebenso (C. XXXIV — XXXVII) wie das byzantinische Ms.
In § 72 (genaue Anweisung über Goldschrift) ist z. B. das gleiche Verfahren
der Amalgamierung von Gold mittelst Quecksilber und Schwefel beschrieben,
wie im ‘ö. Abs. des 0. XXXVII bei Theophilus.

Haben wir im Obigen versucht, den Zusammenhang des nordischen
Theophilus Ms. mit der von ihm selbst als „griechisch» bezeichneten Technik
an der Hand des Athosbuches zu verfolgen, so wollen wir nun auch seine
Beziehungen mit den uns bereits bekannten Quellen des Nordens, der Mapp.
clav. und dem III. Buch des Heraclius, soweit es sich um das Technische
handelt, feststellen. Da diese Quellen untereinander viel Gleichartiges auf-
weisen und sich sogar in wesentlichen Punkten von den uns bekannten by-
zantinischen Quellen unterscheiden, so würden wir zu dem Schlüsse kommen,
dass die im Theophilus beschriebene Technik eigentlich als etwas ganz Selb-
ständiges anzusehen sein dürfte. Seine Bemerkung „Griechenlands Farben-
mischungen» zu zeigen, scheint sich vielmehr darauf zu beziehen, dass im
XI. und XII. Jh. die griechische Kunst überhaupt noch in grösstem Ansehen
stand und als mustergültiges Vorbild zu dienen hatte. In K. XXIII nennt
Theophilus Baumwollenpapier „griechisches» Pergament.

Im vorigen Abschnitt war mehrfach schon Gelegenheit, auf die Gleich-
artigkeit einzelner Anweisungen der Mapp. und des Heraclius mit dem I. Buche
des Theophilus hinzuweisen. Diese Gleichartigkeit bestand sowohl in der Be-
reitung der Bindemittel, als auch in der Zurichtung der Tafeln für Malzwecke.
So haben wir in K. XX (die Türflügel rot zu machen und vom Leinöl) das
gleiche Verfahren erkannt, wie in K. XXV des Heraclius, worin die mit Oel
geriebenen Farben mit dem Pinsel aufzutragen und an der Sonne zu trocknen
gelehrt wird. Die Gleichheit des Ueberziehens der Holztafel mit Leder oder
Leinen wurde bereits erwähnt (S. 45) ; die Farben mit Firnis zu überziehen
(Heraclius K. XXI.), das zur Herstellung des gefärbten Firnisses (Auripetrum)
dienende Verfahren, sehen wir auch bei Theophilus wieder, hauptsächlich bei
jener Art der Malerei, die Pictura translucida (K. XXIX) genannt wird. Auch
liessen sich noch eine ganze Reihe von Parallelstellen in bezug auf Miniatur-
malerei, Bereitung von Farben und Vergoldung, aufzählen. Die Reihe der
Bindemittel war bei Heraclius eine besonders grosse; sie sind im Vergleich
zu unserer Quelle, dem Theophilus, bedeutend geringer, dafür aber ohne die
dort nötig gewordenen Kombinationen leicht zu verstehen.

Der Käseleim (K. XVII), den frühere Ms., Lucca-Ms. und Mapp.
wähnen, ist bei Theophilus nur zum Leimen von Altartafeln und Türen,
wie zum Aufspannen von Leder darüber genannt; er ist dem Heraclius
bekannt.

Leim aus Leder oder Hörn (Hirschgeweih), verschiedene Gummiarten
(Kirsch- oder Pflaumenbaumharz), Eierklar und Eidotter, Leinöl kennt auch
Theophilus; Wein oder Bier (Heraclius K. XXVIII) dient bei ihm gleichfalls
zur Färbung der mit Oelfirnis bestrichenen Zinnfolie (K. XXVI).

Alaun (Heracl. K. XXX) ist in der Schedula mehrfach für Goldschrift
(XXX Vll) verwendet, auch die Ochsengalle erscheint wieder (XXXVI).

Der Fischleim, das altbewährte Bindemittel des Lucca-Ms. und von Mapp.
clav., ist am Schlüsse des K. XXX (huso, Hausen) genannt, dessen Anwendung
in f’er Goldmalerei geht aus K. XXXVIII hervor. Dieses Kapitel ist in dem
Wolfenbütteler Kodex an K. XXX angeschlossen und im Zusammenhang mit
diesem deutlicher zu verstehen.

er-
so-
un-

– 51 –
Technik des Theophilus. Theophüus

Nachdem wir die zeitlich vorhergegangenen, ebenso wie die gleichzeitigen
und darauffolgenden Quellen mit unserem Autor einer genaueren Prüfung
unterzogen haben, erübrigt uns jetzt die Technik des Theophilus, wie sie in
der Schedula beschrieben ist, eingehender zu erläutern.

Beginnen wir mit der Malerei auf Mauern (K. XV), von der im An- Malerei auf

IV1 i 1 1 1 ( ‘ r i i

schluss an die Kapitel über Farbenmischungen der Gewänder für Pergament-
malerei gehandelt wird:

(K. XV.) Von der Farbenmischung für Gewänder auf der Mauer.
„Auf der Mauer aber decke das Gewand mit Ocker, nachdem du
ihm des Glanzes wegen etwas Kalk beigemischt, und mache die
Schatten entweder mit blossem Rot, oder Prasinus oder Posch,
welches selbst aus Ocker und Grün entsteht. Die Hautfarbe wird auf
der Mauer aus Ocker, Zinnober und Kalk gemischt, das Posch und
Rosa derselben und die Lichter werden wie beschrieben (K. I — XIII)
gemacht. Wenn Bildnisse oder Abbilder anderer Dinge auf der trockenen
Wand entworfen werden, soll sie sogleich mit Wasser besprengt werden, (45)
so lange bis sie durchaus feucht ist. Und auf dieser Feuchte werden
alle Farben aufgetragen, welche angebracht werden sollen; nämlich
mit Kalk gemischt, sie sollen mit der Mauer selber trocknen, auf dass
sie haften. Unter Azur und Grün soll als Grund die Farbe gelegt
werden, welche Veneda heisst, aus Schwarz und Kalk gemischt, wor-
auf, sobald es trocken ist, das zarte Azur an seiner Stelle mit Ei-
dotter und Wasser reichlich vermengt gesetzt wird und auf dieser
wieder, der Zier wegen, eine dichtere (Farbe). Auch möge das Grün
mit Succus 4 und Schwarz vermischt werden.»
Das ist alles, was Theophilus uns über die Mauermalerei sagt; die Art
des Mörtels ist nicht verzeichnet, zweifellos war die Mauer vorher fertig zu
stellen und Fresko in dem eigentlichen Sinne, d. h. auf täglich frisch zu be-
werfender Unterlage, kann diese Manier nicht genannt werden, sondern viel-
mehr eine Malerei mit Kalk färbe auf angefeuchteter Mauer. Im
Vergleich mit den Angaben des Athosbuches ist, wie es schon oben ange-
deutet wurde, hier ein grosser Unterschied zu verzeichnen: der byzantinische
Mönch arbeitet auf der frischen (mit Werg angerührten) Kalkschichte, solange
diese noch nass ist, al fresko (§ 59), und wenn „die Haut gezogen» hat, weiter
mit Kalkfarbe; deshalb sagt er: „trachte in einer Stunde fertig zu werden,
denn wenn sich die Haut bildet, taugt es dir nichts». Dem Theophilus ist
diese Manier ganz fremd, sie scheint demnach auch den byzantinischen Malern
erst später bekannt geworden zu sein ; auch die Unterlegung der Fleisohfarbe
mit dem dunkeln Grünschwarz (Hermeneia § 16, Proplasma des Panselinos)
war kaum eingebürgert. Es sei hier gleich bemerkt, dass in diesem Proplasma
ein Hauptpunkt der späteren byzantinischen Malweise zu erblicken sein mag,
durch den der dem Panselinos zugeschriebene Aufschwung sich kennzeichnet.
Es wird später darüber ausführlich zu handeln sein, wie die Grundlage für
die Farbenharmonie bei der Karnation mit dem Proplasmagrund zusammenhängt.

Bei Theophilus sehen wir nur unter Azur (Lazur) und Grün eine andere
Farbe unterlegt, nämlich Veneda, ein Grau (aus Kalk und Schwarz gemischt).
Diese Unterlage ist deshalb zweckentsprechend, weil das Lazurblau und auch
Grün nicht deckende Farben sind, und in der Mischung mit Kalk ihre Brillanz
verlieren. Nehmen wir als blaues Pigment den aus Lapis lazuli bereiteten

4 Succus (Saft) nennt die Tab. de vocab. syn. (Merrif. S. 18) einen dunkelgrünen
Saft, der Menesch heisst, mit welchem grüne Farben gemischt werden; an derselben
Stelle wird Succus eine dem Indigo ähnliche Farbe, (nach einigen wieder ein Rot
zwischen Minium und Sinopis) genannt; hier ist wahrscheinlich Succus sambuci
(Hollundergrün, Saftgrün) gemeint. Die Secreti di Don Alessio geben ein Rezept zur
Bereitung dieses Saftes (s. Merrif. S. 35 Note).

— 52 —

Theophilus

Azur

(46)

Bezeichnung

der
Fleischfarben

Azur, so kommt noch die Kostbarkeit desselben in Betracht, die zur grössten
Sparsamkeit verpflichtet ; der ,, zarte» Azur (lazur tenuis)- ist auch deshalb mit
Eidotter vermengt auf’s Trockene an seine Stelle zu setzen, d. h; er wirkt
dann als lasierendes Blau auch leuchtender; dasselbe ist der Fall, wenn unter
Lazur Kupferlasur (Bergblau), welches damals bekannt war (Azzurro della
Magna des Cennini C. 60), verstanden wird. Der Azur wurde mit Kleien-
absud vermischt von den byzantinischen Malern auch stets auf die trockene
Mauer gesetzt (Hermeneia § 68), ebenso in der Frührenaissance. So schreibt
Benozzo Gozzoli an Pietro de Medici (Florenz, 10. Juli 1459): „Ich wäre
selbst gekommen, um mit Euch zu sprechen, indess hatte ich heute Morgen
gerade angefangen, den Azur aufzutragen und das darf man nicht liegen
lassen; es ist sehr warm und der Leim verdirbt in einem Augenblick.» (Guhl,
Künstlerbriefe, Berlin 1880, p. 42.)

Theophilus ist es wohl bekannt, dass gewisse Farben den Kalk nicht ver-
tragen; es handelt sich bei ihm aber nicht um Freskogrund, sondern um die
Beimischung des Kalkes zur Farbe. So erwähnt er im vorhergehenden K. XIV
von einem Gewand, das ,,auf der Mauer, nicht üblich ist» und aus Mischungen
von Auripigment besteht; ebensowenig taugen seine Pflanzenfarbstoffe (Indigo,
Succus sambuci, Hollundersaftgrün, Lackrot) zur Mischung mit Kalk.

In K. XVI (am Schluss) wiederholt Theophilus teilweise seine Angaben
für Mauermalerei und sagt: ,,Alle Farben, welche anderen auf der Mauer als’
Unterlage dienen, sollen der Festigkeit halber mit Kalk gemischt sein. Unter
Azur, unter Menesch und unter Grün soll Veneda gesetzt werden; unter Zin-
nober Rot, unter Ocker und Folium dieselben Farben mit Kalk gemischt.»
Wir entnehmen daraus, dass vielfach das Prinzip der Uebermalung mit Binde-
mittel (also wie bei Azur, Eidotter) für Mauermalerei Anwendung fand, ein
Parallelismus, den wir bei Cenninis Technik noch deutlicher wiederfinden
werden.

Nach Janitscheks Ansicht (Geschichte der deutschen Malerei S. 58) sind
die ältesten deutschen Mauermalereien in der von Theophilus beschriebenen
Art ausgeführt, und zwar die einzig erhaltenen Wandbilder des XI. Jhs., der
St. Georgskirche zu Oberzeil in der Reichenau. Immerhin muss die Technik
eine sorgfältige genannt werden, denn inbezug auf Farbenmischung war ziem-
lich grosse Variation gebräuchlich.

Wir ersehen dies insbesondere in den detaillierten Angaben, die Theo-
philus bezüglich der Karnation zu geben für gut befand, und die Cr wegen
der zu allen Zeiten empfundenen Schwierigkeiten ausführlich behandelt, ein
Beweis, welchen Wert der Autor darauf legen wollte.

Es sei auch auf die Bezeichnung der verschiedenen Fleisch-
farbentöne aufmerksam gemacht, die wie im Handbuch der Malerei vom
Berge Athos und zum Teil in Cenninis Trattato bestimmte Namen führen.
Die Schedula nennt die folgenden:
K. I. Membrana, die allgemeine Hautfarbe, aus Bleiweiss und Zinnober

(oder Sinospisrot) und etwas Massicot (Bleigelb) gemischt ; für

bleiche Hautfarbe wird etwas Prasinus (Grün) beigemengt.
K. II. Prasinus, eine grünschwarze Farbe für Mauer- und andere Malerei.

unter welcher etwa grüne Erde zu verstehen ist. 5
K. III. Posch, Mischfarbe aus Prasinus, gebranntem (rotem) Ocker und

etwas Zinnober, dient als Schattenton für Fleischfarbe. Nach

K. XV ist Posch eine Mischung von Ocker und Grün (ebenso

Tab. de vocab. syn.).
K. IV. Rosa prima, aus Zinnober und etwas Minium gemischt, für die

rosigen Partien der Karnation, die mit

ft Tab. de vocab. syn., Merrif. S. 33: Prasis est creta viridis ut dieit Oatholicon.
Prasinus est eolor rubous; alii dicunt quod habet similitudinem viridis coloris
et nigri, sed Catholicon dicit quod prasin Grece, latine dicitur viridis.

53 —

K. V. Lumina prima, dorn ersten Lichtton, aus Bleiweiss und der all-
gemeinen Lokalfarbe des Fleisches (K. 1) bestehend, aufgelichtet
wird.
K. VI. Veneda ist ein Grau, aus Schwarz und Weiss gemischt, um da-
mit die Augäpfel zu malen. Auf Mauern wird statt Bleiweiss
Kalk genommen.
K. VII. Posch secunda, das zweite Posch ist die obige Poschfarbe, mit
mehr Rot und Grün (Prasinus) tiefer gemacht, um die kräftigen
Konturen im Fleisch zu markieren.
K. VIII. bringt noch ein Rosa secunda, ein mit Zinnober gemischtes

Rosa und
K. IX. Lumina secunda, eine stärkere Lichtfarbe, durch Hinzufügung
von Weiss, wenn die erste Lichtfarbe (lumina prima) nicht aus-
reichen sollte.

Nach den Anweisungen Haare und Barte zu malen (X — XII)
folgt noch
K. XIII. Die Exedra und die übrigen Farben für die Gesichts-
züge, aus Rot und etwas Schwarz bestehend, um die schärferen
Linien der Augenwimpern, die Zeichnung des Mundes, Nasen-
rücken, Gelenke usw. ausdrücken zu können.
Alle obenerwähnten Mischungen für Fleisch, mit ihren besonderen Be-
zeichnungen, dienen sowohl für Wand-, Tafel- oder Miniaturmalerei, soferne
nicht in besonderen Fällen etwas anderes bestimmt ist. In der Miniatur-
malerei z.B. begnügte man sich mit weniger zahlreichen Mischungen, aber
für Tafel- und Wandmalerei, wenn sie eine gewisse Grösse hatten, mussten
in oben beschriebener Weise gemischte Töne grosse Vorteile bieten.

Es erübrigt uns noch, gleich hier das Farbenmaterial des Theophilus
Revue passieren zu lassen, obwohl die Anweisungen und Rezepte in der Sche-
dula im Verhältnis zu seiner ziemlich umfangreichen Farbenskala auffallend
wenige sind; es sind im ganzen die folgenden fünf:
K. XL. Von den Gattungen des Folium.

Theophilus bereitet sich den Farbstoff nicht selbst aus den Früchten
des Krebskrauts, Croton tinctorium, sondern verändert nur dessen Farbton,
der ursprünglich rosarot ist, durch Aetzmittel (Lauge oder Kalk) in blau oder
violett,

K. XLI. Vom Zinnober. (Künstliche Bereitung aus Schwefel und Queck-
silber.)
K. XLI1. Vom salzhaltigen Grün.

(ebenso wie in Heracl. XXXVIII.)
K. XLI II. Vom Spanischgrün.

(Heracl. XXXIX.)
K. XLIV. Vom Bleiweiss und Minium. (Künstliche Bereitung nach be-
kannter Art.)
Aus den Kapiteln für Farbenmischungen ergibt sich aber eine viel
grössere Reihe von Farben und es sei deshalb hier eine kurze Zusammen-
stellung aus den K. XIII— -XVI gegeben:

Weiss: Bleiweiss (cerosa, cerusa) und Kalk für Mauermalerei.
Gelb: Ocker (ogra), Auripigment.

Rot: Rubeum, worunter rote Kreiden, Sinopisrot oder gebrannte
Ocker gemeint sein können (vergl. Tab. de vocab. syn. unter
Rubeus.j;

Minium (Mennig), Zinnober (cenobrium), Carminrot (carmin
K. XXXIX i.

Lackrot, Folium (Lackmus, Tournesol), Heidelbeerblau.
Blau: Indigo, Lazur (vermutlich Kupferlasur, Bergblau).
Grün : Menesch.

Succus (succus sambuci), H ollunder saftgrün ;

Theophilus
Fleischfarben

(47)

Theophilua Viride, Spangrün, wovon zwei Sorten, das salzhaltige und

das spanisch Grün genannt sind.
Kohl- und Lauchgrün (z. Miniaturmalerei).
Schwarz: (Russschwarz oder Erdschwarz?)
Wie oben S. 51 Note 4 angegeben, ist unter Menesch eine grüne Farbe
zu verstehen ; nach Tab. de vocab. syn. (sub Menesch) würde damit auch noch
eine rote Farbe bezeichnet worden sein, deren Farbton zwischen Minium und
Synopis liegt. Merrif. (S. 31, Note) hält die Farbe identisch mit Krapprot;
es scheint, dass diese Annahme in anderen Angaben des Theophilus (K. XIV
und XVI) Bestätigung findet, besonders wo von Mischungen des Menesch
mit Folium die Rede ist, denn Folium (Tournesol, Purpur der Miniaturisten),
von welchem Theophilus drei Arten nennt, rot, purpurfarben, saphirblau
(K. XL), würde sich mit Grün zu einem schmutzigen Grau mischen ; Theoph.
ist es aber hier offenbar um ein sehr farbenfrisches Gewand zu tun, da er
dieses zu allererst nennt.

Aber an einer anderen Stelle (K. XIV, Edit. Hg. S. 31 oben) erscheint
Menesch wieder als grüne Farbe, die mit Auripigment gemischt, mit Menesch
abschattiert werden soll. Auf der Mauer ist diese Mischung jedoch nicht
gebräuchlich (ebenda).

Miniaturmalerei.

Miniatur- T n $en Anweisungen der Schedula nimmt die Miniaturmalerei naturge-

mäss einen breiten Raum’ ein. Mit besonderer Sorgfalt ist die Zusammen-
stellung der für die Buchmalerei üblichen Farbenmischungen der Gewänder
(K. XIV) beschrieben; die Bereitung der Arten von Gold- und Silberverzierung
(XXX u. XXXI), auch mit Zuhilfenahme des die kostbaren Metalle ersetzenden
Zinnes (XXXII), des Goldes, in Form von Amalgam zu Pulver zu reiben
(XXXIII) und damit zu schreiben (XXXIV), wird das grösste Interesse und
die grösste Aufmerksamheit zugewandt. 10 besondere Rezepte notiert die
Schedula, um Gold und Silber durch Feilen, Schmelzen, Purgieren und Amal-
gamieren in Pulverform zu bringen, Anweisungen, die zum Teil bis auf den
Papyrus Leyden und ähnlliche Rezeptensammlungen zurückverfolgt werden
können. Schliesslich sieht Theophilus selbst das Ueberflüssige, noch mehr
dieser Rezepte zu bringen, ein und sagt (K. XXXVI): „Ueber die Lösung von
(48) Gold und Silber oder anderen Metallen kommen, obgleich viele andere Vor-
schriften und Angaben vorhanden sind, doch alle auf einen Sinn hinaus».
Wir wollen deshalb auch darauf verzichten, diese besonders anzuführen. 6
Goldschrift Bindemitttel für Goldschrift ist entweder Fischleim (K. XXX)

oder im Falle dieser nicht zu haben ist, die in K. XXXVIII angegebenen
Leime:

„Wenn du keine Fischblase hast, so schneide auf dieselbe Weise
dickes Kalbs-Pergament, wasche und koche es. Ebenso koche
fleissig geschabte, geschnittene und gewaschene Aalhaut. Die
Schädelknochen des getrockneten Wolffisches (lupi piscis) wasche
dreimal gut in warmem Wasser und koche sie. Jeglichem, das du
so gekocht hast, füge ein Dritteil klaren Gummi bei, koche es
massig, und du kannst es, solange dir beliebt, aufbewahren».
Die Farben für Miniaturmalerei werden teils mit Gummi, teils mit
Eikläre gemischt:

K. XXXIX. Wie die Farben für Bücher gemischt werden.

„Ist dies so besorgt (i. e. die Vergoldungen), so mache aus klarem
Gummi und Wasser, wie oben gemeldet 7 , eine Mischung und tem-

6 Ueber Goldschrift verg. Wattenbach, das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig,
1875; Rockinger, z. bayer Schriftwesen des Mittelalters, München, 1872.

7 Die Stelle, auf welche Theoph. hier bezug nimmt, ist vermutlich XXXIV
(Wie mittelst Gold geschrieben wird), und lautet: „Mische arabischen Gummi mit
Wasser in einem Glasgefäss, stelle es an die Sonne, damit er flüssig werde. Zer-

— 55

periere damit alle Farben mit Ausnahme des Grün, Bleiweiss, Minium
und Karmin.* Das salzhaltige Grün taugt nichts für Malerei in Büchern.
Spanisch Grün bereite mit reinem Wein und, wenn du die Schatten
machen willst, so füge ein wenig Schwertel-Sal’t oder vom Kohl oder
Lauch hinzu. Minium, Bleiweiss und Karmin mische mit Kläre. Alle
Farben mische, wenn du sie zum Malen von Figuren brauchst, in
den Büchern auf obige Weise zusammen. Alle Farben müssen (in
Büchern) zweimal aufgetragen werden, vorerst dünner, dann dichter;
für Buchstaben (schreiben) jedoch nur einmal».
Was das Technische der Miniaturmalerei betrifft, so sind die Anwei-
sungen des Theophilus mit den anderen gleichzeitigen und späteren Autoren
in grosser Uebereinstimmung; es sei deshalb auf das bezügliche Kapitel über
Miniaturmalerei verwiesen, in dem das Hauptsächlichste darüber gebracht
werden wird.

Tafelmalerei des Theophilus.

Ganz andere Bahnen als die Miniatur- und die Mauermalerei scheint die
Tafelmalerei im Laufe der Zeit eingeschlagen zu haben; die erstgenannte
hatte Gelegenheit, sich durch Jahrhunderte zur vollkommenen Blüte zu ent-
wickeln, die zweite hing ihrer Natur nach zu sehr vom Materiale ab. Auch
in der Tafelmalerei hatte sich bereits eine gewisse Tradition längst gebildet,
die mit der Holzschnitzerei und Vergoldertechnik innig verknüpft und ver-
brüdert gewesen sein muss; der Tafelmalerei lag in ältesten Zeiten, wie aus
den Quellen hervorgeht, die Vergoldung direkt zu Grunde und hatte sich in
dieser Verbindung in dem geschnitzten Holzwerk der gotischen Altäre mit
ihrem zahlreichen Figurenschmuck duroh lange Zeit im ganzen mittelalter-
lichen Norden erhalten. Es scheint sogar, dass dem plastischen Holzschnitz-
werk eine viel grössere Ausbreitung zugemessen werden muss, als der Tafel-
malerei. Wir sehen sie aber vielfach in Verbindung auftreten, um die Aussen-
seiten der Altarwerke zu schmücken; Malerei auf Leinwand, die wir hier
auch noch miteinreihen müssen, diente zu Kirchenfahnen und Gelegenheits-
dekorationen.

Es wurde schon beim Vergleich des Theophilus Ms. mit den byzantini-
schen Quellen kurz erwähnt, dass die Technik der Tafelmalerei im Norden
einen eigenen Weg geht; inbezug auf die Zurichtung der Holztafeln und
Altarstücke hat sich mehrfache Anlehnung an Heraclius’ gleichartige Angaben
konstatieren lassen. Auch wurde bereits der Umstand erörtert, dass sowohl
Heraclius als auch Theophilus es für geeignet erachten, die unebenen Holz-
flächen durch Ueberspannen mit Leder oder Pergament, und in Ermangelung
dessen mit LeinenstofT auszugleichen, indem sie diese Dinge mit Käseleim oder
anderem tierischen Leim an die Unterlage befestigten.

Darauf folgt dann die Bereitung eines weissen Grundes aus Gips oder
Kreide. Diese Anweisung enthält :

K. XIX. Vom weissen Gipsgrund auf Leder und Holz.

„Nach diesem (d. i. der Bereitung des Leimes, K. XV11I) nimm
wie Kalk gebrannten Gips oder Kreide, mit der die Häute weiss
gefärbt werden 8 und vermähle sie sorgsam mit Wasser auf dem

Thcopliilus

schmolzen nun misc’ne mit ihm Essig, in nicht grösserer Menge, als Wasser ist. Hät-
test du keinen Essig, so mische vom besten Weine bei; stelle es von neuem an die
Sonne, des Trocknen halber, und siede es am Feuer mit Wasser in einer Schale; nimm
Ammoniak (moniaculum), gib es ins Wasser und es löst sich alsogleich und schwimmt
obenauf. Sammle es und mische es zum Gummi, rühre es zusammen und schaffe es
so lange, als du willst, aufzubewahren.» Der Zusatz von Essig oder Ammoniak zum
Gummiwasser hat iiur den Zweck, das Eiklar zu konservieren. Wir werden im
Strassb. Ms. dieselbe Mischung wieder konstatieren können. Vielleicht ist hier unter
Ammoniak das Gummiharz gleichen Namens zu verstehen (s. Note zum Strassburg.
Ms. Nr. 87).

8 „Kreide, mit der die Häute weis* gefärbt werden», ist der in deutschen Gegen-
den, besonders am Rhein sehr häufig vorkommende weisse Ton, Pfeifenerde, auch
Kollerkreide, nach dieser Verwendungsart benannt, also weisser Bolus.

Tafelmalerei

in Verbindung

mit

Vergoldung

(49)

Gips- oder
Kreidegrund

— 56 —

Thaophiius Steine, dann gib es in einen Scherben, giesse Leim von jenem Leder

darauf und stelle es auf Kohlen, dass der Leim flüssig werde und
streiche es so sehr dünn auf das Leder. Dann, wenn das. trocken
wurde, trage etwas dichter auf, und wenn nötig, ein drittes Mal. So-
bald es vollkommen trocken ist, nimm das Kraut Schachtelhalm,
welches den Binsen ähnlich wächst und Knoten hat; nachdem du es
im Sommer gesammelt hast, dörre es an der Sonne und reibe mit
diesem den weissen Grund, bis er gänzlich glatt und hell ist. Wenn
dir aber Leder zum Ueberziehen der Tafeln mangeln sollte, so können
sie auch in derselben Weise und mit demselben Leime mittelst ziem-
lich neuem Linnenstoff oder Canavas bedeckt werden.»
Grundierimg Diese Vorbereitungsarbeiten , welche mit den noch heute bei den Ver-‘

goldern gebräuchlichen grösste Aehnlichkeit haben, dienen zur Grundierung
der Tafeln für die Malerei mit Gummitempera (K. XXVII). Bei Theo-
philus gehen, wie gleich erwähnt werden möge, zwei Techniken für Tafel-
malerei parallel nebeneinander, nämlich die mit Gummi und die mit Oel.
Für die letztere ist die oben beschriebene vorsichtige Bespannung des Holzes
nicht Grundbedingung, in manchen Fällen sogar überflüssig; dies ist aus dem
folgenden Kapitel deutlich ersichtlich:

K. XX. Die Türflügel rot zu machen und vom Leinöl:

,,Wenn du die Türflügel aber rot machen willst, so gebrauche
Leinöl, welches du auf diese Weise zusammensetzt. (Folgt die Be-
reitungsart aus Leinsamen, der getrocknet und dann mit etwas Wasser
vermischt, warm gepresst wird.» Mit diesem Oele male Minium oder
Zinnober ohne Wasser auf dem Steine, streiche es mit dem Pinsel
auf die Türen oder Tafeln, welche du. rot machen willst, und trockne
es an der Sonne. Darauf bestreiche abermals und trockne von neuem.
Schliesslich aber überstreiche den Leim, welcher Vernition genannt wird.»
Diese Anweisung entspricht dem gleichen Verfahren des Heraclius (K.
XXV), das in der Grundierung mit in Leinöl geriebenem Bleiweiss auf Stein
oder auf Holz (K. XXIV) besteht. Das Trocknenlassen an der Sonne ist
beiden gemeinsam. Bezüglich der Bereitung des Oeles selbst, ist Theophilus’
Verfahren sehr primitiv, er wendet die sogenannte nasse Pressung an, wäh-
rend Heraclius (K. XXIX) ein zum Trocknen besser vorbereitetes Oel kennt,
das unserem Malöl näher steht. 9
Harz-Oeiürnis Das Oel durch Kochen zu verdicken, scheint Theophilus bekannt gewesen;

er kennt kein anderes Trockenmittel. Durch den Zusatz von Harzen zum
Leinöl gewinnt er einen Firniss, der gleichzeitig als Ueberzug den gewünschten
Glanz erzielt. Zu diesem Zwecke nimmt er hellen Gummi fornis (vermutlich
, (50) Sandarak, Merrif. I S. CCLXI) oder Bernstein, glassa, und bedient sich dieses
in Oel gelösten Harzes als Leimfirniss (glutine vernition), sowohl über Oelfarbe
als auch über Gummitempera.

Die Bereitungsart wird, wie folgt, beschrieben:
Vernition K. XXI. Vom Leimfirnis (De glutine vernition).

,, Bringe Leinöl in einen neuen kleinen Topf und gib Gummi, welcher
fornis genannt wird, hinzu, auf’s feinste gerieben, welcher das Ansehen
von lichtestem Weihrauch hat, beim Brechen jedoch einen helleren
Glanz zeigt. Wenn du das über Kohlen gestellt hast, koche es, so
dass es siede, bis der dritte Teil verschwunden ist, und hüte es vor
der Flamme, weil es allzu gefährlich ist und von derselben ergriffen,
mit Mühe ausgelöscht wird. Jede mit diesem Firniss über-
strichene Malerei wird leuchtend und prächtig und durch-
aus dauerhaft.

9 Ueber die alten Methoden, Malöl zu bereiten, zu bleichen usw. vergl. Merrif.
I. S. CCXXXTII u. ff.: Eastake, Materials for a History of Oilpainting, London, 1847.
S. 323 u. ff.; neuere Methoden in Ludwig, die Technik der üelmalerei, IL T. S. 64.

— 57 –

Hein auf eine andere Weise. Stelle vier (oder drei) Steine zusammen, TheophiiuB
welche das Feuer aushalten können, ohne zu zerspringen (Ziegel-
steine), setze darüber einen neuen Topf und fülle darein den genannten
Gummi fornis, weloher römisch Glassa 10 genannt wird, und auf die
Mündung dieses Topfes stürze ein kleineres Töpfohen, welches im
Boden ein massig grosses Loch hat und bestreiche ringsum mit Teig,
auf dass kein Lüftchen zwischen den Töpfen hinaus kann. Dann
bringe sorgsam das Feuer darunter, bis der Gummi geschmolzen ist.
Habe auch ein dünnes, mit einem Griff versehenes Eisen, womit du
den Gummi rührest und merken könntest, dass er gänzlich flüssig
ist. Habe auch einen dritten Topf in der Nähe auf die Kohlen ge-
stellt, worin warmes Leinöl sich befinde; und wenn der Gummi gänz-
lich flüssig ist, so dass er \ ie ein Faden an dem herausgezogenen
Eisen hängt, giesse das warme Oel darauf und rühre mit dem Eisen.
koche desgleichen, dass es nicht siede, ziehe indessen das Eisen her-
aus und streiche ein wenig zur Erprobung der Dicke auf Holz oder
Stein. Hinsichtlich der Menge siehe, dass es zwei Teile Oel und der
dritte Gummi sei. Nachdem du es nach deinem Belieben fleissig ge-
kocht hast, entferne es vom Feuer, und lasse, indem du den Deckel
abhebst, auskühlen.»
Die letztere Anweisung ist die gleiche, welche wir bereits in Mapp. clav.
(S. 25) kennen gelernt haben.

Farben für Oelmalerei werden mit der nämlichen Art von Oelen, also Oeimaierei
Leinöl, von welchem am Schluss des K.XXVI die Rede ist, gemischt; esheisstdort :
„Nimm die Farben, welche du aufsetzen willst, reibe sie fleissig
mit Leinöl ohne Wasser und mache die Mischungen der Gesichter und
Gewänder, wie du oben mit Wasser es getan (bei Miniaturmalerei),
und gestalte die Tiere oder Vögel oder Blätter, nach ihren Färbungen
verschieden, nach Gefallen.»
Nach dem folgenden K. XXVIII sind alle mit Oel oder Gummi geriebenen
Farben dreimal auf Holz aufzusetzen und, wenn vollkommen trocken, an der
Sonne nochmals mit dem Vernition zu überstreichen.

Dieser Art ist. die Pictura lucida gleich gestellt, und zwar heisst es traüsiuefda
K. XXIX. Von durchscheinender Malerei (De pictura translucida):
„Auf dem Holze macht man auch eine Malerei, welche durch-
scheinend genannt wird und bei einigen die goldige (aureola); setze
sie so ins Werk: Nimm Zinn in Blätterform, weder mit Leim be-
strichen, noch mit Safran gefärbt, sondern einfach und sorgsam ge-
glättet und bedecke damit die Stelle, welche du bemalen willst. Reibe
sodann die (auf der gefirnissten Zinnfläche) aufzusetzenden Farben
auf’s feinste mit Leinöl und streiche sie sehr dünn mit dem Pinsel
auf und lasse es so trocknen.»
Im Vergleich mit den gleichartigen Angaben des Lucca-Ms. (57, 62) und (51)
Mapp. clav. (CCXLV1, CCXLVII) sind bei diesen viel kompliziertere Mischungen
von allerlei Harzen zum Leinöl angewendet (vergl. S. 15), während Theo-
philus sich mit Leinöl allein begnügt. Die in Parenthese gesetzte Einschie-
bung aus der von Raspe edierten Kopie entnommen, lässt vermuten, dass
Theophilus sich auf seinen Leimfirniss (Vernition) als trocknende Kraft ver-
lässt, denn sonst bliebe das Leinöl auf der Staniolfläche überaus lange nass;
bei unserem Autor finden wir aber gar keine Andeutung, wie er sonst die
Trockenfähigkeit seines Leinöles vergrössert hätte. Was die Staniolblätter,
deren Bereitung und Anwendung auf Tafeln und Wänden (an Stelle des
Goldes K. XXIV) betrifft, so stimmen die Anweisungen mit denen des He-
raclius, des Lucca-Ms. und von Mapp. überein.

10 „supra dictum gummi fornis, quod Romane glassa dicitur» zeigt an, dass
beide Angaben den gleichen Firnis verstehen, nur die Darstellungsart ist also ver-
schieden, nicht die zum Firnis benützten Harze; vergl. Colla graeca, Mapp. 98. (S. 25.)

— 58 —

Theophilus

Oel und
Gummi

Kirsohgummi
Tempera

[52)

Am interessantesten und besonders charakteristisch sind die beiden oben
angedeuteten Paralleltechniken für Tafelmalerei, nämlich die mit Oelfarben
und die mit Gummi gemischten Farben beschrieben, was aus den fol-
genden ersichtlich ist :

K. XXVII. Wie die Farben mit Oel und Gummi gerieben
werden.

I. Art:

„Alle Gattungen Farben können mit demselben Oele gerieben und
auf eine Holztafel gesetzt werden, jedoch bei jenen Dingen nur, die
an der Sonne trocknen mögen, weil du, so oft du eine Farbe aufge-
tragen hast, eine zweite nicht auftragen kannst, bevor die erste nicht
getrocknet ist, was bei Bildern (und anderen Malereien) gar lang-
wierig und verdriesslich ist (diuturnum et taediosum nimis)».
H. Art:

„Wenn du aber deine Arbeit beschleunigen willst, nimm Gummi,
welcher aus dein Kirschen- oder Pflaumenbaume hervorkommt, zer-
schneide ihn klein und gib ihn in ein Tongeschirr, giesse reichlich
Wasser darauf, setze es an die Sonne oder über ein leichtes Kohlen-
feuer im Winter, bis der Gummi flüssig wird, und rühre ihn mit
einem runden Holze fleissig. Dann seihe ihn durch ein Linnen, reibe
die Farben damit und setze sie auf. Alle Farben samt ihren Mischungen
können mit diesem Gummi gerieben und aufgesetzt werden, ausser
Minium, Bleiweiss und Karmin, die mit Eikläre zu reiben und auf-
zusetzen sind. Spanisch Grün darf nicht mit Succus unter dem
Leim (gluten, fornis?) gemischt sein, sondern soll allein mit Gummi
angebracht werden. 11 Ein anderes kannst du aber damit mischen,
wenn du willst».
Dann für beide Arten gemeinsam:
K. XXVIII. Wie oft diese Farben aufzusetzen sind.

„Alle mit Oel oder Gummi gemahlenen Farben darfst du dreimal
auf Holz setzen. Ist die Malerei fertig und trocken, so überstreiche
das an die Sonne gebrachte Werk fleissig mit jenem Leimfirniss
(glutine illud Vernition) und sobald er von der Wärme abzufliessen
beginnt, reibe ihn leicht mit der Hand und tue es zum dritten Male,
und lasse es dann gänzlich trocknen».
Es ergibt sich aus dem obigen, dass Theophilus zwei Techniken neben-
einander stellt; die langsam trocknende Oelmalerei, für Dinge, dieleicht
an die Sonne gestellt, dort austrocknen können und nach dem Trocknen ge-
firnisst werden sollen; dann die II. Art, die Gummitempera-Malerei,
welche als beschleunigendes Verfahren gegenüber der Oelmalerei geschildert
wird ; auch bei dieser werden die Operationen des Firnisses an der Sonne be-
werkstelligt. Dreimal (höchstens) sollen die Farben übereinander zu stehen
kommen, d. h. also, drei Schichten von Oelfarbe mit der darauffolgenden
Firnissohichte, oder drei Lagen von Gummitempera mit den darauf, resp. da-
zwischen liegenden Firnisslagen. Anders können die beiden Kapitel
kaum interpretiert werden.

11 Diese Stelle ist einer besonderen Erklärung bedürftig: Spanisch Grün, Span-
grün, essigsaures Kupfer ist in allen alten Schriften als gefährliche Farbe berüchtigt.
Cennini, C 56 sagt: Hüte dich, es dem Bleiweiss nahezubringen, denn das sind Tod-
feinde. Es wurde deshalb stets isoliert zwischen den Farbschichten u. z. mit Firnis
gemischt aufgetragen (Merrif. I, p CCXX’, so dass die Firnisschicht den Grünspan
nach unten gegen die Untermalung und nach oben gegen die weiteren Farbschichten
abschloss. Hier warnt Theoph. das Grün mit Saccus, d. i. Saftgrün, welches als
Pflanzenfarbstoff empfindlicher ist, zu mischen, und als Farbe unter dem Firnis, der
als TJeberzug über allen Farben zu dienen hat, zu setzen, sondern nur mit Gummi
allein u. z. wie aus dem Harleian Ms. folgerichtig hinzuzufügen ist, mit gummi glu-
tine aufzusetzen ist. Gummi gluten ist aber der obengenannte Vernitionfirnis. Theoph.
Anweisung stimmt demnach mit der späteren Anwendungsart, den Grünspan nur mit
Firniss gemischt zu benützen überein. Zu Missverständnissen können die oft als Leim
[gluten] bezeichneten Firnisse leicht Veranlassung geben.

— 59 —

Die erste Art ist nichts anderes als einfache Oelmalerei; die zweite aber, Theopbilua
die Gummitempera, ist im grossen Ganzen vollständig mit der
Miniaturtechnik gleich, denn Bleiweiss, welches doch zu allen Farben-
mischungen und zum Aufhöhen der Lichter zu nehmen ist (K. 1 — XIV). wird
ausschliesslich mit Eikläre angemischb, das Bindemittel ist demnach das allge-
mein übliche Miniaturvehikel aus Gummi und Eiklar, entweder für sich oder
miteinander gemischt. Es ist ja natürlich, dass auf mit Pergament be- ^’^Techni^
spannten Tafeln, auch mit dem gleichen Bindemittel gemalt wurde, wie bei
der Buchmalerei, und darin liegt nichts Neues oder Erstaunliches; neu ist
aber, dass derartige Malerei überfirnisst wurde und sehr zu bemerken ist,
dass auf so übe rfirnis ste Miniaturmalerei noch zweimal mit
der gleichen Gummitempera über dem völlig getrockneten Fir-
nis s gemalt werden sollte. Diese Technik ist neuartig; sie steht in
keiner Verbindung mit den anderen bekannten Methoden, während das ein-
fache Firnissen von mit Ei (auf Tuch) gemalten Dingen sich im Athos-
buch, § 27, findet. Es wurde aber auch schon angedeutet, dass der fette
byzantinische Gipsgrund, welcher Seife und Peseriöl enthält, Theophilus völlig
fremd ist, er nur den durchlässigeren, aufsaugenden Gips- und Kreidegrund
kennt, daraus folgen demnach auch ganz andere Grundlagen für die Technik.
Dies ist bei Theophilus der Fall.

Nach den vielfachen Proben, die ich nach dieser Art angefertigt habe 12 ,
liegt in dem Uebereinandermalen von Gummitempera auf gefirnisste und ge-
trocknete Unterlage, vorausgesetzt, dass der Grund ebenso nach Theophilus
bereitet ist, gar keine Schwierigkeit, denn die Kirschgummi-Eiklarfarbe lässt
sich sehr gut verarbeiten und trocknet sehr schnell. Je durchlässiger die
Unterlage von Kreide und Leim ist, desto schneller trocknet auch der
Oelfirnis, da die Kreiden bekanntlich die Eigenschaft haben, Oele gierig
aufzusaugen. Der philologisch mögliche Einwand, dass in dem Text
des K. XXVIII erst ein dreimal übereinander zu erfolgendes Malen mit Kirsch-
gummitempera und später wieder ein dreimal nacheinander zu fertigender Firnis-
überzug gemeint sei, ist schon aus rein technischen Gründen hinfällig, da die wasser-
lösliche Gummifarbe durch Ueber malung mit gleicher Farbe aufgelöst und
gefährdet würde 13 , während durch das Ueberfirnissen eine festigende Zwischen-
schichte gebildet wird, die gleichzeitig den Zweck hat, den Farbenwert der
naturgemäss matten Wasserfarbe in voller Kraft zu zeigen. Oelfirniss kann
aber sofort nach dem Trocknen der Gummitempera ohne Gefahr für diese
überstrichen werden, wovon sich jedermann leicht durch Bereitung einer
gleichen oder ähnlichen Gummi-Eiklartempera und entsprechende Versuche
überzeugen kann.

Ein dreimaliges Firnissen des mit Oelfarbe oder Gummitempera
Gemalten nacheinander mit dem dicken Oelfirniss Vernition, halte ich tech-
nisch für ein Unding, weil der Zweck eines solchen Vorgehens nicht einge-
sehen werden könnte.

Eine charakteristische Eigentümlichkeit der Kirschgummi-Tempera ist es,
dass diese, durch das starke Schwellen des Gummi bedingt, etwas Körper-
haftes erhält; es ist auch der Beimengung des Eiklar zum Bleiweiss zuzu-
sehreiben, dass dabei die Farben einen gewissen Glanz erhalten, den auch
die ältesten Tafelbilder des Kölner Museums (westphälische Meister) und die
frühesten Gemälde im Nationalmuseüm zu München (hier als Temperagemälde (53)
bezeichnet) zeigen. An diesem emailleartigen Charakter ist die Theo-
philus-Technik zu erkennen.

,2 Versuebskollektion Nr. 57 u. 58; 60. 52 und 7!»: 63, welches die Gefahren
zeigt, diese Technik auf byzant. Grund auszuführen; s. Anhang 1

13 Anders bei der Miniaturmalerei, bei welcher schon durch den beim Gerben
verwendeten Alaun eine festere Verbindung der Farbscbichten untereinander ermög-
licht wird; aber auch hier sind zwei Schiebten das allgemeine, denn weitere Schich-
tung bedingt schon eine besondere Geschichkeit (s. K. XXXIX).

– 60 —

Theophilus

Vorläufer der
van Eyck-
Teohnik

Vergoldung

Das Befremdende an der Technik ist das Uebermalen mit Tempera
auf getrockneter Oelschichte und sogar die dreimalige Wiederholung
dieses Vorganges; der Maler hat dadurch zweimal Gelegenheit, die volle
Wirkung der mattgewordenen Wasserfarbe zu sehen und durch Hinzufügung
und Verbessern des Mangelhaften die Malerei zu vollenden. Aber selbst
dieses Befremdende hatten wir bei Heraclius und selbst bei Theophilus Ge-
legenheit kennen zu lernen, und zwar bei der Färbung der mit Vernition be-
strichenen Staniolblätter mittels einer noch weniger Bindemittel enthaltenden
Bier-, resp. Essigfarbe (Heracl. III. B. K. XIII, Theoph. K. XXVI). Die An-
weisung lehrt, ,,die Staniolblätter mit Firnis zu bestreichen und an der
Sonne trocknen zu lassen. „Nimm», sagt Theophilus, ,, hernach die Rinde von
safrangelber Farbe, schabe sie in eine reine Schale, zum fünften (oder vierten)
Teile Safran zugebend ; dies begiesse reichlich mit altem Wein oder Bier und
erwärme es, nachdem es eine Nacht so gestanden, morgens über dem Feuer,
bis es lau wird. So lege die Staniolblätter einzeln hinein und hebe sie oft-
mals empor, bis du siehst, dass sie die Goldfarbe zur Genüge angezogen
haben. Dann befestigst du sie wieder auf der Holztafel wie früher mit dem
gleichen Leime (i. e. vernition) überstreichend, und wenn sie trocken werden,
so sind dir Staniolblätter zur Hand, welche du deinem Werke nach Belieben
mit Leim von Fellen (gluten corii) aufsetzest».

Wir sehen hier das gleiche Vorgehen, indem eine wasserlösliche Farb-
schiohte zwischen zwei Firnisschichten gelagert ist (vergl. oben S. 42).

Ich möchte gleich hier darauf hinweisen, wie wichtig diese nordische
Art des Theophilus auf die weitere Entwicklung der Maltechnik
gewesen sein musste, denn dieselbe hält gleichen Schritt mit der Oelmalerei;
es muss daran festgehalten werden, dass diese beiden Techniken, die
Oelmalerei des XII. — XIV. Jhs. und die eigenartige Guraraitempera
des Theophilus Vorläufer der Van Eyck’schen Umwälzung ge-
wesen sind. Diese nordischen Techniken waren es, die sowohl am Nieder-
rhein, in Westphalen und besonders in Köln während des XIV. Jhs. vielfach
geübt wurden und auch von diesen Kunstzentren aus sich nach allen Rich-
tungen verbreitet haben dürften; wir begegnen derselben ebenso bei den
böhmischen Meistern des XIV. Jhs., die gewiss direkt von Kölner Malern be-
einilusst waren und dieselbe Malart ist es auch, die sich lange erhält, und
die wir im Strassburger Ms. noch näher kennen lernen werden.

Vergoldung.

Es erübrigt uns noch über die Vergoldungstechnik bei Theophilus das
Hauptsächlichste hier anzureihen. Beim Vergleich mit den früheren Quellen
wurde schon darauf hingewiesen, dass sich die Verschiedenheit der Arten zu
vergolden in diesen Mss. genau ausspricht. Auffallenderweise ist aber bei
Theophilus die Vergoldung mittelst der Beizen nicht besonders erwähnt, ob-
wohl sie in Heraclius deutlich beschrieben ist. Aus den ausführlichen An-
weisungen über die Herstellung der geschlagenen Gold- und Silberblätter
(K. XXIII) und dem darauffolgenden, dem Codex Bigotianus der Pariser
Bibliothek entnommenen Kapitel (XXIV) ist ersichtlich, dass die Goldblätter
mittelst der geschlagenen Eikläre aufzusetzen, und sogar ,,auf dieselbe Art,
wenn du willst, auf der Decke oder Wand, über einem gefirnissten Staniol-
blatt» anzubringen sind. Nur aus dem Zusätze ,,über dem gefirnissten
Staniolblatt» die Goldfolie zu legen, kann geschlossen werden, dass es sich
doch um die Mattvergoldung handelt, denn die Eiklarvergoldung auf Wand-
fläche ist in den anderen alten Quellen als nicht gebräuchlich nirgends ge-
schildert (vergl. Lucca-Ms. 85, 87 u. die korrespondierenden Kapitel von
Mapp. clav.).

Zur Glanzvergo Idung bedient sich Theophilus, wie erwähnt, der Ei-
kläre (K. XXIV):

„Zum Aufsetzen des Goldes (oder Silbers) nimm Eikläre, die aus
Eiweiss ohne Wasser geschlagen wird, und bestreiche dann die Stelle,

14 Vergl. Heraclius Ilf. B. K. XXVII, Vergoldung auf Leinwand mit Goldpulver
und Leim; K. XLI, auf Pergament mit Leim und Eikläre gemischt.

15 Der Safran bezweckt in alten Anweisungen oft. das nicht immer ganz reine,
sondern legierte Gold gelber zu färben: vgl. die Rez. des Leydener Pap. und des
Lucca-Ms. S. Wie dort, ist auch in B. XXXIV (S. 74 Ed. Ilg) die Beigabe von Safran
crocus) gemeint, also „Cothum» offenbar irrig, dafür ist crocum zu lesen.

maleroi

— 61 —

auf der das Gold (oder Silber) aufgelegt werden soll, leicht mit dem Theophüus
Pinsel und berühre mit der im Munde nassgemachten Pinselspitze ein
Eckchen des zerschnittenen Stückes, lege es, mit grösster Schnellig- (54)
keit aufhebend, auf die bestrichene Stelle, und ebene es mit dem

(nicht nassen, sondern trockenen) Pinsel Ist es aufgesetzt

und getrocknet, so kannst du, wenn du willst, ein anderes auf die-
selbe Weise darauf setzen, und ein drittes desgleichen, wenn nötig,
um es mit dem Zahne oder einem Steine desto heller glätten
zu können.»

Es handelt sich hier um ebene Flächen oder bei geschnitzten Bildwerken,
um solche, die vorher mittelst des Schachtelhalms geschliffen sind, wie es
K. XXII beschreibt.

Bei Vergoldung in Büchern benützt Theophüus, für jene Stellen, Minjatur-
die Glanz erhalten sollen, kein Blattmetall, sondern das Gold in Pulverform.
Sein Assis unterscheidet sich von dem der späteren Autoren, durch die Ab-
wesenheit der Kreide; er nimmt vielmehr eine Mischung von Minum d. i.
Zinnober, wie es zu den Kapitelbuchstaben üblich war (daher der Name
Miniator, Miniatur). Theophilus mischt (K. XXXI) Mennige und Zinnober,
von diesem ein Drittel des vorigen mit Eikläre und etwas Wasser und trägt
es auf die zu vergoldenden Stellen auf. Das Goldpulver wird dann mit
warmen, dünnem Hausenleim (K. XXX) angerührt, mit dem Pinsel aufgetragen
und ,,mit dem Zahne oder mit einem sorgfältig gefeilten und geebneten Blut-
steine über einer ebenen und glatten Horntafel’* geglättet. 14

In gleicher Weise kann an Stelle des Goldpulvers fein geschabtes reines
Zinn verwendet werden, welches dann, um Gold ähnlich zu scheinen, mit
Safran überstrichen wird (K. XXXII) 15 . Aus der grossen Aufmerksamkeit,
die Theophilus diesem Zweige der Kunst widmet, indem er für die Herstel-
lung der Metalle in Pulverfoiin allein 10 Rezepte anführt und in allen Details
beschreibt (K. XXX— XXXVIII), könnte geschlossen werden, dass die Buch-
malerei das von ihm mit Vorliebe gepflegte Fach gewesen ist. Sein Wissen
in technischer Beziehung ist aber so umfangreich und erstreckt sich über alle
Zweige des damaligen klösterlichen Kunstbetriebes, der Glasbläserei und des
Glasmalens, der metallurgischen Prozesse des Gusses von Erz und Edelmetall,
Beinschnitzerei usw., dass ihm manche Lücken in seinen maltechnischen An-
weisungen nicht zu schwer angerechnet werden dürfen. Er war auch der
Erste, der in seinem Buche die Disziplinen gesondert hat und dadurch allein
hat er schon zum Verständnis der gleichartigen Anweisungen anderer Quellen
beigetragen; sein Werk ist deshalb für uns eine der wichtigsten
Rezepte n-Sa mm lun gen des Mittelalters.

— 62 —

A n h a n g

(55] Zur besseren Uebersicht und zum Verständnis der Anweisungen hisse ich liier

die Kapitelreihen des I. Buches Theophilus folgen:

]. Von der Mischung der Farben zu nackten Körpern.
(De temperamento colorum in nudis corporibus.)
II. Von der Farbe Prasinus.
(Üe colore Prasino )

III. Von dem ersten Posch.
(De posch primo.)

IV. Von der ersten Art Rosafarbe.
(De rosa prima.)

V. Von der ersten Art der Lichtfarbe.

(De lumina prima.)
VI. Von der Veneda, welche in den Augen anzubringen ist.

(De Veneda in oculis ponemia)
VII. Von der zweiten Art des Posch.
(De posch secundo.)
VIII. Von der zweiten Art Rosa.
(De rosa secunda.)
IX. Von der zweiten Art der Lichtfarbe.

(De lumina secunda.)
X. Von dem Haar der Knaben, der Heranwachsenden und der jungen Männer.

(De cap llis puerorum, adolescentum et juvenum.)
XI. Von Barten Heranwachsender.

(De barbii adolescentum.)
XII. Von Haaren und Bart der Hinfälligen und Greise.
(De capillis et barba [decrepitorum] et senum.)

XIII. lieber die Exedra und die übrigen Farben für die Gesichtszüge.
(De exedra et caeteris coloribus vultuum [et nudorum corporum.])

XIV. Von verschiedenen Farbenmischungen für Gewänder der Bilder, welche auf
Pergament entworfen werden.

(De mixtura diversorum colorum in vestimentis imaginum quae fiunt in
pergameno.)
XV. Von der Farbenmischung der Gewänder auf der Mauer.
(De mixtura vestimento in muro.)
XVI. Von dem Streifen, welcher den Regenbogen nachahmt.

(De tractu qui imitatur speciem pluvialis arcus.)
XVII. Von Altartafeln und -Türen, und von dem Käseleim.
(De tabulis altarium et ostiorum, et de glutine casei.)
XVIII. Vom Leim aus dem Leder und Geweih des Hirsches.
(De glutine corii et cornuum cervi.)
XIX. Vom weissen Gypsgrund auf Leder und Holz.
(De albatura gypsi super corium et lignum.)
XX. Die Türflügel rot zu machen, und vom Leinöl.
(De rubricandis ostiis et de oleo lini.)
XXI. Vom Leime Vernition.
(De glutine vernition.)
XXII. Von Pferdesätteln und Sänften.

(De sellis equestribus et octoforis.)

XXIII. Vom Blättergold.
(De petula auri.)

XXIV. Von der Weise, Gold und Silber aufzusetzen.
(De modo ponendo aurum et argentum.)

(56) XXV. Von Staniol-Blättern.

(De petula stagni.)

— 63 —

XXVI. Von der Weise, dünne Staniol-Blätter zu bemalen, dass sie wie vergoldet
aussehen und von ihnen anstatt dos Goldes Gebrauch gemacht werden kann
in Ermangelung desselben.

(De modo colorandi tabulas stagneas tenuatas ut tan quam deauratae vide-
antur, et ipsis possit uti loco auri quando aurum non habetur.)
XXVH. Wie die Farben mit Oel und Gummi gerieben werden.

(De coloribus oleo et gurami terendis i
XX VIII. Wie oft diese Farben aufzusetzen sind.
(Quotiens iidem colores ponendi sunt.)
XXIX. Von durchscheinender Malerei,

(De pictura iranslucida.)
XXX. Vom Mahlen des Goldes und der Mühle dazu.
(De molendo auro et de molendino ejus.)
XXXI. Wie Gold und Silber in Büchern aufgesetzt werden.

(Quomodo aurum et argentum poneantur in libris.)
XXXIL. Wie die Malerei in Büchern mit Zinn uud Safran geschmückt wird.
(Quomodo decorelur pictura librorum stagno et croco.)

XXX III. Das Gold auf flandrische Weise zu mahlen.
(De molendo auro secundum Flandrenses.)

XXXIV. Wie mittelst Gold geschrieben wird.
(Quomodo scribitur de auro.)

XXXV. Nochmals von demselben.

(Item de eodem.)
XXXVI. Von derselben Kunst wie oben.
(De eadem arte sicut supra )
XXXVII. Von derselben Kunst,

(De eadem arte.)
XXXV1U. Von jeder Gattung Leim in der Goldmalerei.
(De omni genere glutinis in pictura auri.)
XXXIX. Wie die Farben für Bücher gemischt werden.
(Quomodo colores in libris tempeientur.)
XL. Von den Gattungen und Bereitungen des Folium.

(De generibus et temperamentis fulii.)
XLI. Vom Zinnober.
(De cenobrio.)
XLIf. Vom salzhaltigen Grün.

(De viridi salso.)
XLIII. Vom Spanisch-Grün.

(De viridi Hispanico.)
XLIV. Vom Bleiweiss und Minium.

(De cerosa et minio.)
XLV. Von der Tinte.
(De ineausto.)

— 64 —

5 Quellen arabischen Ursprunges

Liber sacerdotum

(57) Die grosse Kunstströmung, die von Südosten her durch Jahrhunderte

auf die Entwicklung der nordischen Malerei Einfluss nahm, gab schliesslich der
karolingischen Technik Gelegenheit, sich zu eigener Selbständigkeit auszubilden.
Anfänglich ganz im Dienste der Kirche innerhalb der mönchischen Pflegstätten,
begann die künstlerische Tätigkeit sich alsbald durch die Erstarkung des
Bürgertums und das Aufblühen der höfischen Mittelpunkte neue Geltung zu
verschaffen. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich gelangte die Malerei
und Plastik in Verbindung mit dem Ausbau des gothischen Stiles zu glanzvoller
Entfaltung. Die Buchmacherei blühte im XIII. Jh. und die Enlumineurs, wie
die Künstler genannt wurden, bildeten ein eigenes, selbständiges, mit Privilegien
ausgestattetes Gewerbe. Paris war der Mittelpunkt einer ganzen Schule geworden.
So hatte sich die ursprünglich von byzantinischen Künstlern eingeführte
Technik immer mehr ausgebreitet, dass sie, eigene Wege gehend, von dieser
unabhängig sich weiter ausbilden konnte. An der Hand der Quellenschriften
für Technik ersehen wir Schritt für Schritt, welchen Weg die technische Tra-
dition genommen; es war der nämliche, der von Alters her vom Süden nach
Norden führte.

Eine zweite nicht minder grosse Kulturbewegung folgte, ebenso wie die
erste, vom Südosten, Syrien und Alexandrien beginnend, dem Siegeszug des
jungen osmanischen Reiches bis Arabien, Persien und Indien. Wie ein
Fluss durch kleinere Flüsse wächst, so erweitern sich die Kenntnisse durch
neue Kenntnisse. Die technischen Traditionen des Altertums erhalten im Orient
fördernden Zuwachs durch die Alchemie. In Mystik und Zauberkünsten,
allerlei Geheimlehre war der Sagenreiche Orient dem Occident seit den ältesten
Zeiten überlegen; sein Einfluss muss demnach nicht gering gewesen sein,
sobald sich die östliche mit der westlichen Kultur berührten. Sei es durch
die Kreuzzüge oder auf dem Wege über Spanien, wo die sarazenischen Chalifen
festen Fuss fassten, oder durch die engere Berührung der Hohenstaufen in
Sizilien mit orientalischer Prachtentfaltung, überall treten uns jetzt arabische
Einflüsse entgegen. Arabische Kunst und Industrie mit ihrem grossen Reichtum
des verwendeten Materiales und der ornamentalen Erfindung, die Farbenpracht
der Teppiche und die Gediegenheit ihrer Metallarbeit waren im Occident ge-
kannt und geschätzt, der Levantehandel über Venedig und Genua war im
grössten Aufschwung begriffen. So kann es uns nicht Wunder nehmen, auch
auf technischem Gebiete arabische Einflüsse sich ausdehnen zu sehen. Arabische
Schriften, insbesonders alchemistischen Inhalts, werden ins Lateinische übersetzt
und bereichern das Wissen des Occidents. Wir haben diesen Einfluss schon
im Heraclius sich fühlbar machen gesehen, er ist auch im Liber sacerdotum
und anderen Quellen deutlich zu erkennen, die zum Teil direkt aus arabischen
Schriften in die Literatur des Abendlandes übergegangen sind.

Diese Quellen arabischen Ursprungs, die auf dem Umwege über Spanien
durch die Mauren, oder infolge der engeren Berührung des Abendlandes mit
dem Orient durch dir- Kreuzzüge nach Europa gelangt sein können, datieren

65

bis ins X. Jh. zurück. Obwohl ihr Einfluss, insbesondere in der maltechnischen
Literatur des Mittelalters sich erst später manifestiert, mag es angebracht sein,
hier schon in Kürze auf einzelne derselben hinzuweisen.

Liber sacerdotum (Buch der Priester), ebenso wie auch Liber de
septuaginta (Buch der Siebzig), sind direkt aus dem Arabischen übertragen,
das letztere nach einem authentischen Werke des Djäber. Es sind Rezepten-
sammlungen, die für allerlei Künste Anweisungen enthalten und deren Tradition
bis auf das Altertum zurückreicht. Man findet im Lib. sacerdot. Rezepte,
die sowohl den Compositiones desLucca-Ms. als auch den Mapp. clav. gemeinsam
sind und von denen einige sich im Leydener Papyrus schon vorfinden.

Immerhin ist die Redaktion von einander erheblich verschieden, so dass
es nicht Abschriften sind, aber alle hängen mit derselben Tradition zusammen.

Arabische Worte sind zahlreich geblieben, Nr. 158 und 159 gibt sogar
ein Vokabularium. Rein orientalische Verfahrungsarten haben auf diese Weise
Ausbreitung gefunden, wie z. B. die Erzeugung des Corduanleders, das Niello
und Borax, die Kenntnis des Alkohols etc. Ist aber der Einfluss des Orients
festgestellt, so wird die Erscheinung arabischer, selbst persischer Worte in
dem Malbuche vom Berge Athos kaum mehr Wunder nehmen.

Liber sacerdotum 1 , das wichtigere der beiden Schriften, ist eine
Rezeptensammlung, bezugnehmend auf Mineralien, Metalle, deren Verwendungs-
arten, auf Farbenerzeugung und die Herstellung künstlicher Edelsteine.

Nach Berthelot (Chimie au moyen-äge, I. S. 180) scheint Liber sacer-
dotum etwas jünger als Mapp. clav. zu sein; es ist gewiss arabischen Ur-
sprungs, während die ältere Mapp., ins X. Jh. verwiesen, direkt antike Ab-
stammung zeigt; dafür ist es aber älter als Theophilus und der in Prosa ab-
gefasste III. Teil des Heraclius.

Speziell für Malerei bestimmt sind die Rezepte für Farbenbereitung,
von Azur, Bleiglätte, Gold, Silber, Zinnober, Minium und Auripigment. Es
finden sich Rezepte zum Rotfärben, zum Vergolden und für Tinten, um Glas
zu vergolden und zum Färben von Glasflüssen für Mosaik, die teilweise auch
in den Compositiones und in Mapp. clav. eine Rolle spielen. Einzelne Rezepte
behandeln, wie Berthelot meint, symbolisch-alchemistische Präparate, wie z. B.
der Eierschalenkalk (ovorum calx), dessen Bereitung in Nr. 175 genau be-
schrieben ist. Wir erfahren auch an dieser Stelle, dass der Schreiber, der
sich zum Schluss Johannes nennt, in Ferrara gelebt hat. Es wird angegeben,
wie dieser Kalk aus Eierschalen, die gereinigt werden, im Glasbrennerofen
vom Schreiber selbst mit Erfolg gebrannt wurde, aber aus dem Rezept, ebenso-
wenig wie aus allen übrigen, ist nicht ersichtlich, zu welchem Zweck die Anweisung
dienen sollte, da genauere Angaben darüber fehlen ; dadurch wird die Erklärung
vieler wichtig scheinender Anweisungen unmöglich gemacht; wir erfahren z. B.
ebensowenig den Zweck von aqua de cauli (Nr. 180), oder oleum ovorum (183),
oder von aqua que dicitur dulcis (184), aqua de ovis (199) u. a.. so dass ein
Eingehen auf das Technische kaum möglich ist. Aber gerade bei solchen
Angaben wäre es von der grössten Wichtigkeit, die Verwendungsarten kennen
zu lernen, denn alle diese Materien waren seit dem Altertum speziell zu Zweoken
der Malerei in Gebrauch.

Nehmen wir z. B.

180. Ad faciendam aquam de cauli, etiam de calce, (Wie man aqua de
cauli oder Kalkwasser machen soll) :

„Nimm gebrannten Alaun, 1 Pf., stosse ihn fein und lege ihn in
ein gewöhnliches Geschirr mit 3 Pf. Wasser und lasse ihn bis zum
Abend sich lösen; es wird klar und vortrefflich; man nennt es aqua
de cauli, Kalkwasser macht man so». 8

Arab. Quellen

(58)

Liber sacer-
dotum

1 Der latein. Text, ohne Uebersetzung, ist abgedruckt bei Berthelot, Chimie
au moyen-äge B. I, S. 179 ff.

2 (180) Accipe aluminis facioli libram I; pista eum fortiter et mitte in rudi olla;
adde ibi aquae libras III, et cola sicut Stella diana, et est clara et optima, et hoc vo-
catur aqua de cauli, aquam calcis fac sio.

– 66 —

Über sacer- Fast hat es den Anschein, als ob die arabischen Quellen neue technische

Kunstgriffe lehrten, dieim Abendlande bis dahin unbekannt waren; wie hier der Alaun
v*») zur Härtung des Mauerwerks oder dgl. Verwendung fand, so ist Alaun zur
Härtung der Gipsarbeit bis in die neueste Zeit in «Gebrauch.

Man wird kaum fehl gehen, ein solches Rezept in Verbindung mit der
aufs höchste ausgebildeten Gipsstuckarbeit zu bringen, mit welcher die Wände
der Alhambra z. B. ausgeschmückt sind.

Ebenso ist 183 . vom Eieröl (ad faciendum oleum ovorum) bemerkens-
wert, welches aus den Eidottern, durch gelindes Kochen der Eier in Wasser
bereitet wird. Welchen Zweck hatte diese Anweisung, die sich im Ms. zwischen
Rezepten für Farbenbereitung vorfindet?

Ein anderes Verfahren (199) wird beschrieben, um aqua de Ovis zu
machen, indem die Eier gesotten, ihre einzelnen Teile getrennt, 8 Tage lang
der Gärung ausgesetzt werden, bis sich eine rötliche Masse gebildet hat,
welche für Vergoldung oder Versilberung gedient haben mag. Ein ähnliohes
Rezept ist in Experimenta de coloribus (Nr. 22, Merrif. S. 57) zu finden, um
Buchstaben zu machen, welche wie Gold aussehen; auch im Bologn. Ms.
Nr. 146 ist die Angabe mit einiger Variante wiederholt. 2 Es ist demnach
zweifellos, dass diese Rezepte praktischen Wert gehabt haben müssen.

Was den Eierschalenkalk betrifft, so ist keine Ursache zur Annahme
Berthelots vorhanden, dieses Rezept für „philosophique» zu erklären. Eier-
schalenkalk wurde in früher und später Zeit vielfach in der Malerei verwendet
und war auch in Freskomalerei eine sehr geschätzte weisse Farbe. Der
Jesuitenpater Pözzo benützte Eierschalenweiss für Fresko und Secco, Boltz
von Rufach erwähnt es (S. 39; Ausgabe von 1562), Kunst und Werkschul
nennt Eierschalenkalk zu verschiedenen Zwecken (S. 542 Nr. 2, S. 543 Nr. 5.
Weisse Farbe; Nr. 6 Eyerschalenkreide; S. 275 Nr. 108 Schöne Arbeit von
Eyerschalen; S. 306 Nr. 33 zum Formen), dieselbe Kreide erwähnt auch der
Neapeler Codex für Miniaturmalerei aus dem XIV. Jh. (Rubrica XI).

Farbenrezepte sind im Lib. sacerdot. zahlreich enthalten. Wir finden
die blaue Farbe (155), welche mittelst Kalk und Essig in einem Kupfergefäss
fvas eraminis) erzeugt wird, nach dem gleichen Rezept, das, wie wir bereits
gesehen haben, in verschiedenen Quellen dann in verdorbener Form Aufnahme
fand; hier ist noch die richtige Angabe, aber im selben Ms. (192) ist auoh
die fehlerhafte Anweisung (olla nova, neues Gefäss) zu lesen (vergleiche
Seite 27, Note 17).

In Nr. 156 wird die Bereitung von Bleiweiss in der alten Art be-
schrieben, 182 handelt von Minium (ad faciendum Qarcon i. e. minium).

Erwähnt sei auch noch, dass in den ältesten alchemistischen Schriften
die Metalle meist nach den Gestirnen bezeichnet werden; so ist z. B. Gold
*= Sonne, Silber = Mond, Kupfer = Venus, Eisen = Mars. 3 Wir sehen dem-
nach Anweisungen, wie 190, welche lehren, eine gelbe Sonnenfarbe zu bereiten
(si vis facere solem) aus Bleiweiss, Minium und Zinnober (Canaparin), u. a.

J Das Eiklar soll dabei entfernt und durch Quecksilber ersetzt werden; in einem
deutschen Ms. der Heidelberger Bibliothek (Pal. germ. 676) aus dem XV. Jh. finde ich
diese Anweisung wieder; S. 61 ist zu lesen: Item wiltu gold machen damit man ver-
gulden mag, so nym einer schwarzen hennen ay vnd mach es durch an einen ort gar
wenig vnd geuss das wasser daruss vnd lass den dottern darinne beleiben, vnd geuss
gleich als vil quecksilbers hinwider ein als des weissen ist gewesen vnd vermach das
loch mit wachs vnd leg es under ain pruthennen vnd lass gleich als lang vnder lr
ligen als dise ayr, so prut sich der totter vnd das quecksilber under einander (!) vnd
wirt gleich als gut als zerlassen gold, dann das es dick ist. Das nym dann vnd raib
es mit vischgallen oder mit augstein (Bernstein) der gel ist. vnd mit dem besten den
man vinden kan, vnd mag untz das gleich dünn werd, dass man damit schreiben mag
vnd wirt schön goldin geschrift, man mag auch damit vergülden vud malen was man
wil das es njemant erkennen mag von anderem gold.

Die gleiche Anweisung im „Kunstbüchlin, gerechten gründlichen Gebrauchs
aller kunstbaren Werckleut» Augspurg 1535 S. XIII a.

8 Ebenso in Experimenta de coloribus (Merrif. S. 67 verso): Mercur = Quecksilber,
Jupiter = Zinn, Saturn = Blei.

– 67

(60)

Eine Reihe von Rezepten ist der Goldschrift gewidmet (201—207). Lib. sacerdot.
Diese Anweisungen sind voll von arabischen Worten sowie Cryptogrammen,
und deshalb schwer verständlich; die Erklärungen, die Michel Deprez (in Ber-
thelots zitiertem Werk) gibt, lassen darauf schliessen, dass die Rezepte in
ähnlicher Art die Goldschrift behandeln, wie die übrigen Mss. der älteren Zeit.

Bindemittel ist „Semacarbi» i. e. Gummi arabicum; das Geschriebene
wird mit dem Blutstein (lapis emathite) geglättet. Die Amalgame, wie z. B.
Gold mit „Üaibac» i. e. Quecksilber zu verbinden (203), kehren wieder, ebenso
die Arten, mit Blattmetall zu vergolden. So lehrt (204) eine Art auf Glas,
Eisen, Elfenbein, Holz oder Pergament mit einer Mischung von (Gummi) Amoniac
nebst Essig und Safran zu schreiben und das Geschriebene mit Goldblättern
zu belegen. Auch die Vergoldung auf Holz (Glanzvergoldung) wird genau
beschrieben :

„(111) Um auf Holz (Vergoldung) zu glätten. Nimm gebrannten
und hierauf pulverisierten Gips in Mischung mit Mandelbaumgummi
oder Leim und arbeite damit, was du willst. Mit der gleichen, nur
dünneren Farbe übergehe die vorige».

Man ersieht aus dieser Anweisung deutlich die Uebereinstimraung mit
späteren Rezepten.

Auf den arabischen Ursprung einzelner Rezepte in Mappae clav. (GXOV,
und CXCVI d. Ms.) wurde bereits aufmerksam gemacht; sie beziehen sich auf
die Fabrikation von Niello (vgl. S. 23). Der Uebersetzer hat hier die arabischen
Worte almenbuz für Silber, arrasgaz für Blei, alcazir für Zinn, elquibriz für
Schwefel usw. unverändert übernommen.

Andere arabische Schriften des Geber (Djäber ben Hayyan), des Ibu Sina
(Avicenna) wurden im XII. und XIII. Jh. in die lateinische Sprache übertragen
und behandeln zumeist alchemistische Dinge ; Clavis sapientiae, Turba philo-
sophorum, Rosarium philosophicum etc., welche im Theatrum medicum und
auch in Bibliotheca chemica oder anderen Sammelwerken des XVI. Jhs. ab-
gedruckt sind, bieten für die Technik der Malerei zu geringe Ausbeute, als
dass dieselben hier in Betracht gezogen werden sollten.

Es kann jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass zwei Gruppen arabischer
Traktate zu unterscheiden sind, die einen, welche der griechischen Tradition
folgen, sowie andere, arabischen Ursprungs, die mit persischen und syrischen
Elementen vermischt sind.

Zu der ersten Gruppe gehört noch das Buch des C r a t e s, das der griechischen
Tradition am nächsten steht, dann El-Habib, Ostanes, das letztere mit
persischen Einflüssen. Die rein arabischen Quellen haben einen anderen Charakter,
der mehr dem der Byzantiner des VII. Jhs. verwandt ist ; sie stammen aus
dem IX. — XU. Jh. (vergl. Berthelot, Chimie au moyen-äge, B. HI S. 9).

Der ersten Hälfte des XI. Jhs. angehörig und in darauffolgender Zeit
durch Zusätze bereichert, ist noch eine arabische Quelle für Miniaturmalerei,
der Urtext des ‘Umdet el-Kuttäb, „die Stütze der Schreiber und das Rüst-
zeug der mit Verstand Begabten». Karabacek hat aus dieser Quelle mehrere
interessante Stellen veröffentlicht, die sich auf die .Herstellung gefärbter Papiere
zur Schrift und zu Malzweoken beziehen, aber eigentliche Anweisungen für
Maltechnik sind darin nicht enthalten. 4 Ein ähnliches Werk ist, wie mir der

Andere arab.
Quellen

* Mitteilungen aus der Sammlung des Papyrus Erzherzog Rainer, IV. Bd. 1888,
Karabacek, Neue Quellen zur Papiergeschichte, S. 75 ff.

Von Interesse dürfte der hier folgende kurze Auszug sein, weil sowohl in den
Farbenpigmenten als auch in den Bindemitteln vielfache Uebereinstimmung mit gleich-
zeitigen und späteren Quellen des Occidents herrscht.

Als Bindemittel für die Papierfaser, um darauf schreiben zu können, ist das
Reismehl und die daraus bereitete Stärke erwähnt; auch dient Weizenstärke mit
Safran gemiscbt zum Gelbfärben des Papieres (Antikisieren) Die älteste Art, Papier
beschreibfäbig zu machen, durch Tränken mit Reismehl, ist wahrscheinlich eine chine-
sische Erfindung und hat sich im ganzen mohammedanischen Orient bis in die neuere
Zeit traditionell erhalten, namentlich waren die Bagdader Papiere wegen ihrer Festig-
keit und Grösse berühmt.

— 68 –

Arab. Quellen genannte Forscher mitteilte, auch in der Oxforder Bibliothek, iu arabischer
Sprache geschrieben, aufbewahrt; wiederum ein anderes Werk desselben In-
haltes, aber türkisch geschrieben, besitzt die Wiener Hofbibliothek. Auch
sonst gibt es in den europäischen Bibliotheken ähnliche handschriftliche Werke,
welohe aber insgesamt nicht übersetzt sind.

Ganz auffallend zeigt sich der Einfluss der arabisch-alchemistischen Li-
teratur auf die gesamten Gebiete der Technik durch das ganze Mittelalter bis
herauf zur neueren Zeit; man kann sich davon einen Begriff machen, wenn
man das älteste in deutscher Sprache gedruckte „Kunstbüchlin, ge-
rechten gründtlichen Gebrauchs aller kostbaren Werkleut, Augspurg 1535, mit
dem Inhalt des Liber sacerdotum vergleicht. Obwohl dasselbe Rezepte für
rein handwerkliche Techniken beschreibt und sich besonders mit Metallarbeit
befasst, ist den alchemistischen und abergläubischen Manipulationen ein breites
Feld gelassen. Molche zu fangen, diese dann mit Messing zu füttern, wodurch
sich dieses in Gold verwandelt, oder aus Quecksilber durch Brennen von Molchen
echtes Silber zu bereiten (S. 25), sei der Kuriosität wegen erwähnt. Aber
auch die oben genannten Rezepte wie Oleum ovorum, aqua de ovis (Aqua
von ayrtottern S. 35a), Eierschalenkalk und viele andere Anweisungen haben
ihren direkten Ursprung aus dem arabischen Liber sacerdotum; die allgemein
angenommenen Bezeichnungen der Gestirne für die Metalle ist auch hier durch-
geführt (Oalx Solis, Calx Lunae, Venerem calcioniern, Calcionatio Saturni,
Purgatio Veneris etc.).

Direkte Anlehnung an die arabisch-maurische Technik in Kunst und
Gewerbe zeigt eine handschriftliche Rezeptensammlung, das Bolognes er Ms.
aus dem XV. Jh., das als hervorragende Quelle für mittelalterliche Maltechnik
bezeichnet werden muss, und am geeigneten Orte besprochen werden soll (s.
d. Abschnitt nach Cennini).

Um das Papier ausserdem vor Wurmfrass zu schützen, wurde noch der Saft der
Coloquinte oder Bittergurke (Citrullus Colcynthis Schrad.) beigemischt.

Ausser der Reis- und Weizenstärke dient zum Leimen noch der Traganthgummi
(Ketira), das Gummiharz einiger im Orient und Griechenland vorkommender Astraga-
lusarten und als Zusatz zur Weizenstärke noch Fischleim (Hausenblase).

Der Milchsaft der wilden Feige (Ficus Sycomorus L.) dient zu einer Art des
Antikisierens und zu sympathetischer Tinte, die erst durch Erwärmen des Geschriebenen
sichtbar gemacht wurde.

Zur Färbung des Papieres wurden sowohl Körperfarben, wie Saftfarben ange-
wendet. Das Kapitel XII des ‘Umdet el-kuttäb bringt darüber genauere Details.

Blaue Papiere färbt man mit Indigo, gelb mit dem Saft der Aloe. Oelgrüne
Papiere, indem man blaue Papiere mit Safran temperiert.

Violett erhält man durch Mischung von Blau und rot, welch’ letztere Farbe aus
Kermes (grana) bereitet wird.

Aloeholzartige Färbung wird mit Brasilienholz (Caesalpinia Sappan), saatfarbige
aus einer Mischung von Safran und Grünspan, gelbe Färbung auch mittelst Safran
oder Citronenrinde hergestellt.

II. Teil
Quellen und Technik des Südens

XIV. und XV. Jahrhundert

71 –

I. Das Handbuch der Malerei vom Berge Athos
(Hermeneia des Dionysios) 1

Es war in den 40er Jahren, als Didron d. Aelt. durch die Veröffent- (65)
lichung eines griechischen Manuskriptes über die Ikonographie und Malerei
in den Athosklöstern das Interesse der gebildeten Welt erregte. Auf einer
Reise in Griechenland begriffen, die er gemeinsam mit Paul Durand unter-
nommen, wurde er, bei Besichtigung und eingehendem Studium der in den
alten Kirchen und Kapellen angebrachten Malereien, durch die Gleichartigkeit
der Anordnung und Ausführung so vieler und zeitlich weit auseinanderliegen-
der Gemäldezyklen in grösstes Erstaunen versetzt. Sowohl in Athen, zu
Salamis, in Livadia oder auf Morea fand er „jedes Gemälde, wenn es den-
selben Gegenstand darstellt, überall in derselben Weise behandelt und gruppiert.
Die Heiligen tragen Bandstreifen, auf welchen die Sentenzen geschrieben stehen,
die aus ihren Schriften oder aus ihrer Lebensbeschreibung entnommen sind;
an den Gemälden sind Inschriften angebracht, welche aus dem Teil der heil.
Schrift gezogen sind, dessen Geschichte sie darstellen» (S. 7) und überall waren
es dieselben Sentenzen und die nämlichen Heiligen usw.

Didron, der sich diese Gleichmässigkeit nicht erklären konnte, dass „man
möchte sagen, ein Gedanke auf einmal hundert Pinsel begeistert und auf
einen Schlag fast alle Malereien Griechenlands hervorgerufen habe», setzte
seine Forschungen fort und bereiste die Mönchsprovinz vom Berge Athos mit
ihren Hunderten von Kirchen und Kapellen. Gleich im ersten Kloster Esphig-
menu, das die beiden betraten, hatten sie die freudige Ueberraschung, einen
Maler von Karyes an der Arbeit zu sehen, der mit Hilfe seines Bruders,
zweier Zöglinge und zweier junger Lehrlinge, die ganze innere Vorhalle der
neu erbauten grossen Kirche mit historischen Fresken bedeckte.

„Gross war meine Freude», sagt Didron, „über diesen glücklichen Zufall,
der mir das Geheimnis über diese Maler und über diese Malereien in die Hand
zu spielen schien, und der mir so die Antwort auf die Fragen gab, welche
ich in Salamis und in der Stadt Athen vergebens gestellt hatte. Ich stieg
selbst auf das Gerüst des Meisters und ich sah, wie der Künstler, von seinen
Schülern umgeben, den Narthex dieser Kirche mit Fresken bemalte. Der
jüngere Bruder breitete den Mörtel auf der Mauer aus, der Meister skizzierte
das Gemälde ; der erste Zögling füllte die Umrisse aus, welche der Meister
in den Bildern, die er zu vollenden, nicht die Zeit fand, angedeutet hatte;
ein junger Zögling vergoldete die Heiligenscheine, malte die Inschriften, ar-
beitete an den Verzierungen ; die zwei anderen, die kleineren, rieben und
rührten die Farben durcheinander. Unterdessen skizzierte der Meister seine

1 e Ep|ir)vsioc xyjs £u>Ypa9ixyjs, das Handbuch der Malerei vom Berge Athos, aus dem
handschriftl. neugriech. Urtext übersetzt, mit Anmerkungen von Didron d. Aelt. und
eigenen von God. Schäfer, Trier 1855.

72

Handbuchvom Q em älde wie aus dem Gedächtnisse oder aus Inspiration. In einer Stunde
zeichnete er ein Gemälde auf die Wand, welches Christus vorstellt, wie er

(66)

Die Athos-
klöster

Malschulen
auf Athos

seinen Aposteln den Auftrag gibt, die Völker zu lehren und sie zu’ taufen.
Christus und die andern elf Figuren waren fast in natürlicher Grösse. Er
machte seine Skizze aus dem Gedächtnisse ohne Karton, ohne Zeichnung, ohne
Modell. Indem ich die anderen Gemälde, die er vollendet hatte, prüfte, fragte
ich ihn, ob er dieselben in gleicher Weise ausgeführt habe; er antwortete
bejahend und fügte hinzu, dass er sehr selten einen Zug auslösche, den er
einmal gemacht habe» (S. 10).

Einen Monat verbrachten die Forscher noch damit, „die Klöster, Skiten
(Dörfer), die Zellen und Eremitagen des Athosberges zu besuchen; die neun-
zehn Kirchen des Klosters von Dochiarion wurden studiert, die achtzehn von
Chilindari, die dreissig von Iwirön, die dreiunddreissig von Xeropotamon und
besonders die vierundreissig von St. Laura, welches das älteste und schönste
Kloster des ganzen Gebirges ist. Durand mass und zeichnete ; Didron machte
Noten. Ueberall fanden sie Malereien, die einen alt, die andern neu, diese
aus dem neunten, jene aus dem achtzehnten Jahrhundert. Fresken in Ueber-
fluss, aber kein Mosaik» (S. 12).

Alle diese Malereien glichen, einige unbedeutende Verschiedenheiten ab-
gerechnet, auf ein Haar denen, welche sie anderwärts gesehen.

Nach Kloster Esphigmenu zurückgekehrt, trafen sie den Maler von Karyes
wieder und Didron, voll Verlangen, von ihm Genaueres über die Maler, deren
Namen er auf den Mauern der Kirchen und Refektorien gelesen, zu erfahren,
stellte an ihn vergeblich einzelne Fragen.

„Ihr Dasein war aus der Erinnerung, aus der Ueberlieferung selbst der
mündlichen ausgelöscht, und war in Büchern nie verzeichnet worden. Mit
Ausnahme eines einzigen, des ältesten und berühmtesten, des Meisters, dessen
Werke man im Protaton von Karyes und im Katholikon (der grossen Kirche)
von Watopedi studierte, waren sie alle rein vergessen; man erinnerte sich
kaum dunkel der Maler des 18. Jahrhunderts. Das Haupt der athonischen
oder hagioritischen 2 Schule nennt sioh Panselinos und lebte im XI. Jh. (<

Während Joasaph, der Maler vom Kloster Esphigmenu, Didron diese
Einzelheiten mitteilte, setzte der erstere ruhig seine Skizzen und Malereien
fort und Didron hörte nicht auf, seine ungemeine Leichtigkeit und sein Riesen-
gedächtnis anzustaunen. „Sehet Herr», sagte er endlich, ,,das alles ist weniger
ausserordentlich als ihr meint, und ich wundere mich über euer Erstaunen,
das gar nicht enden will. Sehet, hier ist ein Manuskript, worin man alles
lehrt, was wir zu tun haben. Hier lernen wir unsern Mörtel, unsere Pinsel,
unsere Farben bereiten und unsere Gemälde zusammensetzen und ordnen, da
sind die Inschriften und die Denksprüche, die wir malen müssen, und welche
ich diesen jungen Leuten, meinen Schülern, diktiere, aufgezeichnet.»

Mit Hast, ja mit Gier, erzählt Didron weiter, ergriff er das Manuskript,
das ihm Joasaph zeigte, und überzeugte sich gleich aus der Inhaltsanzeige,
dass das Werk aus vier Teilen bestehe. Im ersten rein technischen Teil wird
das von den Griechen bei dem Malen zu beobachtende Verfahren auseinander-
gesetzt, dann die Art und Weise, Pinsel und Farben zu präparieren, die Unter-
lage für die Fresken und die Gemälde zu fertigen und wie man auf dieser
malt. Im zweiten Teile sind die Gegenstände der Symbolik und besonders
der Geschichte, welche durch die Malerei dargestellt werden sollen, im ein-
zelnen und mit einer merkwürdigen Genauigkeit beschrieben. Der dritte Teil
bestimmt genau den Ort, an welchem man, sei es in einer Kirche, einer Vor-
halle, oder einem Speisesaale, die einen der Gegenstände und Figuren vor den
andern anbringen soll. Zuletzt bestimmt ein Anhang den Charakter, in dem
Christus und die hl. Jungfrau zu malen sind, und es werden einige der In-
schriften angegeben, an denen die byzantinische Kunst so reich ist.

2 «Aytov 5pog, heiliger Berg, Monte Santo wird heutzutage der Berg Athos in
ganz Griechenland genannt.

73 –

Dieses Buch hatte die Inschrift:

c Ep[xyjveca ttjs ^wypa’fcx^
Anleitung zur Malerei.

Didron wollte das Manuskript kaufen, erhielt aber von Joasaph zur Ant-
wort, dass er nichts mehr arbeiten könne, wenn er das Buch von sich gäbe;
mit seiner Anleitung verliere er seine Kunst, seine Augen und Hände. Uebrigens,
fügte er hinzu, finden sich andere Kopien dieser Handschrift zu Karyes, jede Werk-
statt besitze davon ein Exemplar und es gäbe dort noch vier vollständige
Werkstätten, ungeachtet des Verfalles, in welchen die Malerei auf dem heiligen
Beige geraten sei.

Es wird weiter erzählt, wie die Reisenden, um eine solche Abschrift zu
bekommen, zu Pater Agapios nach Karyes kamen, der ihnen sein Buch gleich-
falls nicht abtreten wollte, endlich zu Pater Makerios, der nach Joasaph der
beste Maler auf dem Athos war; er besass ein schönes Exemplar des griechi-
schen Ms., das älteste und am sorgfältigsten geschriebene.

„Diese Bibel seiner Kunst war inmitten der Werkstätte aufgestellt und
zwei der jüngsten Schüler lasen darin abwechselnd mit lauter Stimme, während
die anderen zuhörten tmd malten» (p. 16). Aber auch Makarios war nicht
zu bewegen, die Handschrift zu veräussern, gestattete aber, dass ein tüchtiger
Kopist, den er kannte, eine Abschrift davon mache, die dann auch nach
längerer Zeit in die Hände Didrons, der inzwischen nach Paris zurückgekehrt
war, gelangte. Diese liegt der Ausgabe zu Grunde, die er im Manuel
d’Iconographie chretienne grecque et latine (1845) veröffentlichte. Seiner An-
sicht zufolge ist das Manuskript aus einem alten Kern, immer durch Zusätze,
im Laufe der Zeit vermehrt worden; wie die Kopie selbst, die Didron bei
Joasaph sah und keine 300 Jahre alt war, durch viele Bemerkungen von
diesem und seinem Meister erweitert worden ist, die in das Werk selbst über-
gehen, wenn dasselbe kopiert würde, so geschah es sohon mit den Noten,
welche die Meister aus dem XV, und XVI. Jh. beigesetzt hatten. Das Alter
des Handbuches ist deshalb schwer, genau zu bestimmen.

Von dem Verfasser des Buches, dem Mönch Dionysios, der sich
in der Vorrede ,,den geringsten Maler» nennt, und ,,den wie der Mond leuoh-
tenden Meister Panselinos von Thessalonich» als Vorbild preist, ist es unbe=
kannt, wann er gelebt hat. Gewiss ist aber, dass schon dem Dionysios eine
Tradition vorgelegen hat; denn er erwähnt derselben in der Vorrede bezüglich
der Malerei auf Mauern (S. 40); aber auch dem Meister Panselinos, den wir
im XI. — XII. Jh. blühen sehen, müssen Maler vorausgegangen sein, die, wie
die späteren, sich an ihren Vorbildern heranbildeten, denn in Griechenland
und im griechischen Orient hielt die Kirche die Kunst in der strengsten Unter-
würfigkeit, seit das zweite Konzil von Nikäa einen Kanon für die gesamten
griechischen Künstler festzusetzen für notwendig fand. 3

Noch etwas spricht dafür, dass dem Dionysios eine Urschrift vorgelegen
haben muss, nämlich der Umstand, dass die Handschrift zwei Vorreden hat,
eine von Dionysios verfasste (S. 39 der Ausgabe von Schäfer) und die eigent-
liche „Vorrede», deren erster Teil das Gebet enthält, das der lernende Schüler
vor der Ausübung seiner Kunst zu sprechen hat (S. 43 — 48). Der mehrfache
Hinweis auf besonders ehrwürdige „nicht mit Menschenhand gemachte Bilder,
auf die unzähligen Wunder, welche die heiligen Bilder des Herrn, der Mutter-

Handbuch vom

Berge Athoa

(67)

Didrons Ab-
schrift

Der Verfasser
Dionysios

8 Im Text der Konzilsbeschlüsse von Nikäa heisst es (a. a. o. S. 4): „die Struk-
tur (Vorwurf?) der Bilder ist nicht Erfindung der Maler, sondern bewährte gesetzliche
Vorschrift und Ueberlieferung der katholischen Kirche. Denn was durch Altertum
hervorragt, ist verehrungswürdig, sagt der hl. Basilius. Das bezeugt das Altertum der
Sache selbst, und die Lehre unserer Väter, welche vom heiligen Geiste getragen ist.
Denn, indem sie dieselben in den heiligen Tempeln schauten, bauten sie mit geneigtem
Gemüte auch Tempel und bringen darin ihre dankbaren Gebete und ihre unblutigen
Opfer Gott, dem Herrn aller Dinge dar. Diese Ansicht und diese Ueberlieferung ist
aber nicht vom Maler (denn sein allein ist die Kunst), sondern Anordnung und Ver-
fügung unserer Väter, welche gebaut haben» (hh. Konzilien von Ph. Labbeus T. VII.
Syn. Nicaena VI. aot. VI. col. 881, 832).

— 74 —

(68)

Anklänge

.in den

Bildersturm

Handbuchvom g ttes und der anderen Heiligen gewirkt haben und noch wirken», sowie
manche andere Andeutungen lassen erkennen, dass der Schreiber unter den
Eindrücken der Zeit des Bildersturmes gestanden hat. Er will beweisen, dass
die Ausübung der Kunst der Malerei schon gottgefällig ist und „darum alle,
welche mit Frömmigkeit und Sorgfalt hierin arbeiten, Gnade und Segen vom
Himmel empfangen» (S. 47). Und klingt es nioht wie eine Bekräftigung des
endlichen Sieges der Bilderfreunde, wenn am Schlüsse des § 445 (Woher es
uns überliefert worden, die heiligen Bilder zu malen) gesagt wird:

„Das Malen der heiligen Bilder ist uns nicht nur von den heil.
Vätern überliefert worden, sondern auch von den hl. Aposteln ….
keineswegs verehren wir die Farben und die Kunst, sondern das Ur-
bild ; „denn die Verehrung des Bildes geht auf das Vorbild über 4 ,
sagt Basilius. Ebenso, wenn wir die Bilder der Heiligsten oder irgend
eines Heiligen sehen, verehren wir es mit Beziehung auf das Vorbild.
Und wir malen sie, damit wir uns wieder an ihre Tugenden und an
ihre Kämpfe erinnern, und dass auch wir unser Gemüt zu ihnen er-
heben. Mit Recht also malen und verehren wir die heiligen Bilder.
Verflucht seien die Verläumder und Gotteslästerer» (S. 415).
Es ist dasselbe Anathem, welches bei den Konzilien des VIII. u. IX. Jhs.
bald von den Ikonodulen, bald von Ikonoklasten geschleudert worden und
lässt deutlich noch den Druck erkennen, unter welchem die Maler durch ein
ganzes Jahrhundert bis zum endlichen Siege der Ikonodulen zu leiden hatten.
Dem bis zur Wut gesteigerten Eifer der Bilderstürmer nachgebend, hatten
sich viele Maler (s. oben S. 5) in einsame Gegenden oder klösterliche An-
siedelungen, deren es viele gab, zurückgezogen. Auch der hl. Berg Athos,
auf dessen höchster Spitze schon in heidnischer Zeit ein kolossales Bild des
thrakischen Jupiters gethront haben soll, mit seiner „weit ins Meer vorragen-
den, vom Lande durch eine quer über den schmalen Isthmus gelegte, steile
schwer ersteigliche, nadelholzbewachsene Felsschranke fast gesohiedene Cher-
sones» mag der gewünschten Zufluchtstätten genug geboten haben. Didron
besuchte einige solcher Eremitagen oder Separatklausen, die „aus Grotten be-
stehen, in deren Tiefe oder in deren Nähe ein kleines Betlokal angebracht
ist» (S. 12). Hier auf den schon in vorchristlicher Zeit als Zufluchtsstätte
für heilig gehaltenen Berggipfeln hat sich dann in der Folgezeit, besonders
durch die reichen Vermächtnisse und Stiftungen der späteren Kaiser die grosse
Mönchsrepublick’ 1 entwickelt, deren Haupttätigkeit in der Pflege der Künste,
besonders der Malerei bestand.

Deshalb erscheint es nicht unwahrscheinlich, den Ursprung der hagioritischen
Kunst in der Zeit zu suchen, in welcher die Mönche durch die äusseren Verhält-
nisse gezwungen waren, die Kunst, von der sie nicht lassen wollten, im geheimen
„in den legendenreichen, zum Klausnerleben günstig gelegenen, ebenso unnah-
baren wie poesievollen Waldöden und Waldbachschluchten des Athos» auszuüben
und die als „gottgefällig» gepriesene Kunst der Malerei weiter zu pflegen.

Die Ikonographie und die technischen Traditionen der Hermeneia des
Dionysios reichen demnach bis in jene Zeiten zurück, in denen es vielleicht
keinen geschriebenen Kanon gab und alles Technische vom Klosterbruder auf
den Novizen mündlich überliefert wurde. Aber schon frühzeitig mögen Auf-
zeichnungen gemacht worden sein, insbesondere, wo es sich um die Fest-
stellung der Ikonographie handelte. Sabatier 5 spricht davon, dass aus den
ältesten Schriften, in welchen Ueberlieferungen über den Typus und das
Charakteristische der heiligen Bilder zusammengestellt wurden, man „ein Ganzes
gebildet habe, welches zugleich die Beschreibung des Aeusseren dieses oder
jenes Heiligen gab, sowie Andeutungen über Mischung und Bereitung der Farben,
mit deren Hilfe man die Malereien ausführen soll. Dieses Werk wird direkt auf

4 Vergl. Heinr. Brockhaus, die Kunst in den Athosklöstern, Leipzig 1891.
6 Sabatier, Notions sur l’iconographie sacree en Russie, Petersbourg 1849; über-
setzt von Scbäfer im Anhang des Handbuches S. 442.

— 75

Berge Athos

Der russische
Podlinnik

(69)

die von Justinian erbaute Kirche der Aja Sophia zurückgeführt, die dreihundert- ^f»^»^^™

fünfundsechzig Altäre zu Ehren aller Heiligen des Jahres enthielt. Man machte

damals eine Beschreibung von allen diesen Heiligen». Geschriebene Kopien

dieser Zusammenstellung, welche sich in Russland befinden und dortPo dli nnik

genannt werden, sollen mit viel Kunst ausgeführt und mit Abdrücken von

Skizzen geschmückt sein, die aller Wahrscheinlichkeit nach den Pergamenten

byzantinischer Künstler entlehnt sind; einem Brief des hl. Polykarp aus dem

XII. Jh. zufolge, wurden solche Abschriften als Andenken im Hauptkloster

von Kiew aufbewahrt. Der Podlinnik, Handbuch oder Urtypus der russischen

Heiligenmalerei, ist ein Werk, das auf hagioritischen Ursprung verweist, doch

ist dasselbe keine Uebersetzung des griechischen Handbuches, welches Pidron

herausgegeben; es enthält eine Menge Materialien, welche sich in diesem gar

nicht oder nur kurz gedrängt angegeben finden 6 (S. 432).

Soviel scheint festzustehen, dass schon frühzeitig der Einfluss der byzantini-
schen Kunst nach Nordosten in die Provinzen Russlands sich verfolgen lässt und
dass die russische Kunst direkt an die Kunst des Athosklosters anknüpft. Schon
im XI. Jh. war zu Oherson in der Krim eine Malerschule tätig, welche ,, durch
besondere Manier, das Dunkele der Figuren und durch das Kolorit erkennbar war.»

,,Pie ersten russischen Maler waren griechischen Ursprungs ; sie bildeten
bald russische Zöglinge, unter welchen der bekannteste der hl. Olympos ist,
welcher im XI. Jh. gelebt hat.» Offenbar fällt das Erscheinen der griechischen
Ikonographie in Moskau mit der Begründung des Patriarchiats (XIV. Jh.) zu-
sammen, und wirklich war der erste Patriarch von Moskau auch dessen erster
Maler; ihm verdankt man unter anderem ein heiliges Bild, welches er für die
Kathedrale daselbst, die er erbaut hatte, malte (S. 448).

6 (Jeher den eigentlich technischen Teil des russischen Podlinnik ist nach Sabatier
das Folgende zu entnehmen: ,,Die Bilder wurden auf eine Unterlage von Leukas (vom
grichischen Asuxöj, weiss, eine Grundfarbe, welche mit Kalk (?), der mit Leim zerrührt
ist, auf das Holz gelegt wird) mit Farben gemalt, welche mit Eiergelb angemacht
waren, und welche man nachher polierte. Man nahm Eiergelb statt Oel, welches
man als ein Produkt aus Menschenhand ansah, und darum nicht würdig zur Darstellung
der Gottheit erachtete. Deswegen haben die alten mit Eiergelb gemalten Bilder für
die Altgläubigen einen so grossen Wert. Was die Ausführung angeht, kann jedes
Bild in zwei Teile zerlegt werden: Das Gesicht und die Gewandung; für das erstere
wandten die Maler Ocker, Bleiweiss und Umbra an, für die zweite Ocker, Zinnober
und eine grüne ins bläuliche fallende Farbe. Diese Gemälde hatten wegen des vor-
herrschenden Ockers, den man mit Farbe, genannt von Jerusalem, mit Umbra, Blei-
weiss und Zinnober mischte, je nachdem man Schatten, Licht oder lebhafte Farben
geben wollte, einen dunklen Ton. Das Helle brachte man durch Sankyr (welches
bei den alten Malern Carmorsin bezeichnen soll), Grün und Goldblätter hervor.
Auf Sankyrgrund malte man die Nimben, zur einen Seite grün, zur anderen mit ge-
branntem ockerroten Purpur. Die Inschriften waren mit Zinnoberrot auf Goldgrund
aufgetragen; auf jedem andern Grund machte man dieselben mit feinem Blättergold,
welches auf Ciast (eine Lage Weiss oder gewöhnliches Gold, auf welche man nachher
feines Gold legt) gelegt wurde. Zuweilen verzierte man die Bilderrahmen mit Linien
und Arabesken von Zinnober. Waren d»e Bilder fertig, so überzog man sie mit einer
Lage fetten Oels, welches ihnen bald einen schwärzlichen dunklen Ton gab. Diesem
Verfahren muss man den dunklen Ton überhaupt zuschreiben, welcher diesen Heiligen-
bildern eigen ist, da man nicht annehmen kann, dass sie ursprünglich so gemalt wor-
den seien. Wie es auch immer sein mag, die Farben waren so hart und dicht, dass
sie nicht nur dem Einfluss von Jahrhunderten widerstanden, sondern dass sie auch
unversehrt blieben, nachdem sie lange Zeit mit Lagen anderer Farben bedeckt gewesen
waren» (S. 445, Anhang zu Schäfer, Hermeneia).

Zu dem obigen offenbar ungenauen Bericht von Sabatier. muss vom technischen
Standpunkt bemerkt werden, dass die Leukasunterlage nicht aus Kalk, sondern eher
aus Gips bestanden haben muss; dass die Farben mit Eigelb gemalt, nicht poliert
werden können, sondern vermutlich nach § 50 (Wie man moskowitisch arbeitet), mit
der Glanzfarbe, welche Wachs enthielt, oder mit Eiklar angemacht waren; dass, wenn
das Oel ,,als Produkt von Menschenhand’ 1 vermieden wmrde, man es nicht hernach
zum Ueberstrich verwendet hätte, dass mit Sankyr (Carmoisin) nebst Grün kaum
Lichter aufgesetzt werden; dass auf solchem Grunde nicht mit Purpur etc., sondern
mit Porporina, d. i. Goldstaub gemalt wurde. Die Ciast-Unterlage unter Gold dürfte
dem Assiso entsprechen. Der dunkle Ton kommt allerdings vom Oele her, welches
durch fortgesetztes Nachdunkeln so schwarz geworden ist.

— 76

Handbuch vom
Berge Athos

(70)

Alter der
Niedersohrift

Ausser dem „Podlinnik, der russischen Herraeneia» erhebt ein zweites
Buch, der Stoglaff noch den Anspruch, als direkt vom Athos beeinflusst zu
sein ; es erwähnt die Arbeiten eines Malers Rubleff, der im XIV. Jh. gelebt,
als solche, die zum Muster dienen können und spricht auch von der ,, Schule
von Athos, welohe durch Manuel Panselinos, einen Maler des XI. Jhs. ge-
gründet sei». Dip Werke des Dionysius (des Malers) werden von den
„alten Chroniken als wundertätige oder göttliche, wie die Rhomäer (i. e.
Griechen) sich ausgedrückt haben würden», bezeichnet.

Diese beiden Bücher, Podlinnik und Stoglaff, haben demnach zweifellos und
sehr frühzeitig Beziehungen zu den Niederschriften der Hermeneia vom Berge Athos.
Durch Vergleichung der Verschiedenheiten würde sich dies auch feststellen lassen,
wenn einmal Genaueres über diese Bücher vorliegen wird. Dann würde sich auoh
die Vermutung, dass die Hermeneia aus einem alten Kern, der Jahrhundert auf
Jahrhundert durch Zutaten bereichert worden, leicht zur Genüge bekräftigen lassen.

Diese Annahme, dass der Hermeneia ein älterer Kern zu Grunde liegt,
wird auch durch die folgenden drei Umstände veranlasst : durch die Ungleich-
mässigkeit der Sprache, durch die Uebergehung der Synoden, diesseit des
VIII. Jhs. und durch die Nennung des alten Malers Panselinos. Die Alters-
frage behandelnd, tritt Brockhaus in seinem zitierten, vortrefflichen Werke
(S. 158 ff.) dieser Anschauung entgegen, denn

„1. ist die Sprache des ersten technischen Teiles die neugriechische,
während die übrigen Teile in einer der altgriechischen Kirchensprache ver-
wandten Schriftsprache abgefasst sind. Sprachliohe Verschiedenheiten sind
zweifellos und in hohem Grade vorhanden. Doch ist es nicht nötig, deshalb
verschiedene Abfassungszeiten anzunehmen. Nooh heutigen Tages besteht in
griechischen Gegenden ein Nebeneinander ebenso verschiedener Sprachweisen:
die Sprache der Werkstatt ist das volkstümliche Neugriechisch, die hohe
Schriftsprache nähert sich dem Altgriechischen und die Sprache der Kirohe
ist das Altgriechische des vorigen Jahrtausends. Namentlich in den voraus-
geschickten Gebeten und bei gelegentlicher Anführung von Sprüchen trete
diese Kirchensprache unverändert zu Tage (S. 159);

2. ist die Uebergehung der Synoden erklärlich, weil die griechisohe Kirche
auoh heute nooh nur die ersten sieben Synoden mit Feiern bedenkt. Dagegen
sind im Handbuoh Wunder und Heilige aus jüngerer Zeit, bis mindestens zum
XIV. Jh. berücksichtigt;

des Verfassers zu Panselinos, der im
keinen Altersbeweis dar, da der Ver-
preist. Der treffliche Panselinos, dessen
und der Verfasser des Handbuches
Dionys sind nicht Zeitgenossen gewesen (S. 82). »

Man würde die Lösung der Altersfrage, so führt Brookhaus weiter aus,
in der Angabe des Jahres 1458 auf dem Titel und im Vorwort der griechischen
Ausgabe suchen können, wenn nicht hiegegen derselbe Verdacht wie gegen
die anderen Eigenheiten dieser Ausgabe vorläge. Der Fälscher Sirnonides,
welcher die griechische ‘Epjjirjveta tüv ^toypacpiov, Athen 1853 (II. Ausgabe von
Konstantinidis, daselbst 1885), besorgte, machte sich nämlich durch Hand-
schriftenfälschung verdächtig. „Da die Angabe über das Handbuch im Werke
des Konst. Ikonomos (Athen 1849) auch die gefälschten Paragraphen über
Daguerrotypie (§ 64) gläubig erwähnt, so beruht auch sie auf Eingebung des
Uebeltäters, besitzt also keine Beweiskraft» (S. 160). 7 Meiner Ansicht nach
spricht der letztere Umstand, so eigentümlich es im ersten Moment erscheinen
mag, noch nicht für die Falschheit des Ganzen; im Gegenteil, eine beabsichtigte
Fälschung würde sich eines derartig in die Augen fallenden Anachronismus
nicht zu Schulden kommen lassen. Wir haben ja oben deutlich gesehen, wie
durch Ergänzungen von seiten der Besitzer der Handschriften Zusätze bei der

3. bieten auch die Beziehungen
XI. oder XII. Jh. gelebt haben wird,
fasser ihn als „einst blühenden Maler»
Werke zumeist untergegangen sind

7 Ohne für die Lauterkeit der Ausgabe des Simonides irgendwie einzutreten,
mö’ohte ich gleioh hier bemerken, dass die 12 eingeschalteten Paragraphen seiner Aus-

‘7 —

Kopierung aufgenommen wurden , und bei der Vorliebe der jetzigen Mönche ^»^e^thoB
auf dem Athos für photographisohe Fertigkeiten ist es doch sehr wahrschein-
lich, dass beim Auftauchen der Daguerrotypie (erfunden 1826) sich der Be-
sitzer der Handschrift bezügliche Notizen in sein Malbuch gemacht haben
wird. Die von Simonides gefertigte Kopie nahm dann in gutem Glauben diese (71)
Notizen mit in das Werk selbst auf. Es sei hinzugefügt, dass Brockhaus
selbst drei Handschriften sah: zwei aus den Jahren 1630 und 1787 in Karycs
bei dem Maler und Photographen Benjamin, eine dritte aus dem Jahre 1838
in der Bibliothek zu Xenophontos.

Der Verfasser der „Kunst in den Athosklöstern» kommt dann zum Schluss,
„die Uebereinstimmung mit den vorhandenen Malereien lasse die Entstehung
des Handbuches nach dem Jahre 1300, die Uebereinstimmung mit einem
anderen Schriftstücke des XVI. Jhs., wohl auch der Sprachcharakter, nach
dem Jahre 1500, die erwähnte Handschrift zu Karyes aber vor dem Jahre
1630 suchen. Die Zwischenzeit des XVI. und das erste Drittel des XVII. Jhs.
ist also als die Entstehungszeit des Handbuches zu betrachten», eine Ansicht,
welcher beigestimmt werden kann, soweit es sich um die vorhandenen
Niederschriften handelt. Die Tradition sez und Oxy i. e. Violettoxyd, Caput mortuum), etwa wie
Theophilus die IL Art des Posch (K. VII; vgl. Cennini a. a. 0.). § 18 gibt
eine Variante dieser dunkeln Schattenfarbe für kräftigere Partien aus Umbra
und Bol bestehend (Exedra d Theoph. K. XIII).

Die eigentliche Fleischfarbe (Karnation), aus venetian. Bleiweiss, Gelbocker
und Zinnober gemischt, entspricht der Membrana des Theophilus (K. I) und
Freskomalerei der Kalk (Bianco Sangiovanni) zu treten hat. Auf dem dunkeln
Grund, dem Propiasmus, wird aber zuerst ein Mittelton aufgesetzt, nämlich der
Glykasmus (§ 21), welcher aus zwei Teilen Fleischfarbe und einem Teil
oder weniger Propiasmus gemischt werden soll (Verdaccio und Fleischfarbe,
als abgekürztes Verfahren bei Cennini, K. 67; I. Posch d. Theoph. K. III).
Aus dem obigen und aus den noch folgenden Kapiteln, (§ 22, Ueber die Art
und Weise, Fleisch zu malen, u. § 23, Vom Rot), ist ersichtlich, dass bei der
Karnation sowohl bei dem Griechen, als bei dem Italiener und dem Deutschen
auffallende Uebereinstimmung herrscht; die letztere Anweisung (Fleischfarbe
mit Zinnober für jugendliches Fleisch) ist mit der zweiten Rosafarbe des
Teoph. K. VIII identisch. Es folgen noch § 24, Von Haupthaaren und Barten,
in gleicher Weise wie Theophilus (K. X – XII) und Cennini (K. 69 für Fresko,
K. 148 für Tafelmalerei) es angeben.

Im Gegensatz zu Cennini macht Dionysios den Grund für die Farben
und Lichter der Gewänder (§ 25) aus einem Mittelton (mit Weiss gemischt),
welchen er erst dann mit tieferer Farbe verstärkt und die Lichter mit helleren

Handbuch vom
Berge A.thos

(75)

Proplasmns

Glykasmu8

Gegensatz zu
Cennini

13 Chorschlüsse heissen die Abgrenzungen des Chores vom übrigen Kirchenraum ;
dieselben sind meist von Holz und mit durchbrochenem Bildwerk auffallend reich ver-
ziert. Steinerne Chorschlüsse sind in älteren Kirchen, z. B. in der Markuskirche in
Venedig zu sehen.

14 Vergl. Nr. 48, 61 und 62 der Versuche.

6

— 82 —

Handbuchvom Mischungen aufsetzt.. Cennini beginnt aber schon mit der dunkelsten Farbe,
die tiefsten Schatten mit reinem Lack (K. 145).

Die Angaben für Figurenmalerei wären hiemit beendet, nur ist aus diesen
Kapiteln nicht ersichtlich, mit welcher Tempera oder welchem Bindemittel
die Farben anzuinischen sind; man könnte somit annehmen, dass diese An-
gaben allgemein, sowohl für Tafelbilder, als auch für Oelmalerei (Naturale),
und für Miniaturmalerei zu gelten hätten. Aus dem Parallelismus der Athos-
kunst mit dem Podlinnik und Stoglaff wird man nicht fehl gehen, dass das
Ei (Eigelb oder Ei weiss, oder beide zusammen) als Bindemittel für Tafelmalerei
angewendet wurde. Die Neugriechen sollen, wie Cennini es auf Wänden tut,
das ganze Ei verwenden, doch nimmt Cennini zur Tempera auf Wänden ent-
weder noch die Feigenmilch zur Lösung dazu, oder die allgemeine für Tafel,
Mauer und Eisen, die aus Eigelb allein besteht (K. 72).

Eibindemittel £) a c ] er deutsche Uebersetzer (Schäfer) in bezug auf das Eibindemittel

willkürlich Ei und Eiweiss identifiziert, es aber von grosser Wichtigkeit ist,
hierin vollkommen sicher zu gehen, wird es angebracht sein, der Sache auch
textlich etwas näher zu treten. Schäfer übersetzt z. B. in § 1, § 15 und § 27
das Wort auyov stets mit Eiweiss, während eigentlich darunter kurzweg Ei
zu verstehen ist. Vergleicht man jedoch diejenigen Stellen genauer, in welchen
nur Eiweiss verwendet werden kann, also bei der Glanzvergoldung und der
Bereitung der Lackfarben, dann wird man finden, dass im Ms. stets des Ei-
weiss besonders Erwähnung geschieht, so in § 11 und 12, bei Ampoli zur
Glanzvergoldung (Xeuxov auyoü, Xeuxw[xa aüyoü), dann in § 46 bei Tsimarisma
zum Eindicken der mit Alaun niedergeschlagenen Lackfarbe (daupaSt aüyoü).
Nun heisst im Neugriechischen Eiweiss xb äcupo toü aüyoü. In der Ausgabe
des Konstantinides, welche hier zum Vergleich herangezogen wurde, findet
sich in zwei der eingeschobenen Kapitel gleichfalls Eiweiss besonders bezeichnet
und zwar in § 45 (Anleitung zur Goldschrift) zweimal der Ausdruck xb Xeuxöv
(76) xoö aüyoü, also Eiweiss und in § 87 (Porzellan zu kitten) die neugriechische
Wendung xb darcpaot toü auyoü; in ersterer Anweisung wird wie in allen
mittelalterlichen Schriften auch hier Eiweiss gebraucht, ebenso ist zum Kitten
schon im Lucca-Ms. davon die Rede.

Es folgt daraus, dass an allen jenen Stellen, wo im Ms. einfach aüyöv
geschrieben steht, wahrscheinlich das ganze Ei verstanden ist. Darnach ist
in § 1 zum Pausenabnehmen, § 15, um zwischen vergoldeten Holzskulpturen
mit Farben zu malen, §27, um auf Tuch zu malen und §50, zur Grundierung
in moskowitischer Manier Eibindemittel, aber kaum Eiweiss allein zu verstehen,
denn das letztere hätte sonst besonders genannt werden müssen.

In § 17 übersetzt Schäfer auyov u.aüpov bei der Angabe über das
Skizzieren der Augen und anderer Gesichtsteile: „Auf die kräftigen Partien
der Augenbrauen und Nasenlöcher lege Schwarz (mit) Eiweiss.» Bei
Konstantinides lautet die Stelle oyvov jiaüpov und dies hiesse dann „reines
Schwarz» ; es handelt sich demnach um eine verschriebene Stelle der
Didronschen Abschrift und die Fassung des Konstantinidis ist schon deshalb
richtiger, weil bei der ganzen Serie der Rezepte für Fleischmalen (§ 16 — 24)
nirgends ein Bindemittel genannt ist, diese Angaben vielmehr allgemein zu
gelten haben.

Eigentümlich bleibt es immerhin, dass Eigelb (-x.opy.6c,) als solches im
ganzen Ms. nicht genannt ist. Selbst bei Anbringung von Azur auf der
trockenen Mauer (§ 68), bei welcher Gelegenheit Theophilus (K. XV) Eigelb
verwendet, ist dieses hier ängstlich vermieden und durch Kleienabsud ersetzt.
Auf diesen bemerkenswerten Umstand sei deshalb hingewiesen, weil die als
„griechisch» bezeichnete Manier des Theoph. Eigelb für Tafelmalerei nicht
kennt, sondern Eiweiss (s. S. 59) und hinzugefügt, dass im Strassburger
Ms. gleichfalls unter ,, griechischen Sitten», Malerei mit Eiweiss, Gummi oder
Oel verstanden wird. Die Uebereinstimmung der frühgotischen Art des
Nordens mit der des Athos tritt dadurch noch mehr hervor.

— 83 —

Neben den Holztafeln werden noch Malgründe auf Tuch und Leinwand
beschrieben; wir erfahren in § 27: Wie man mit Ei (weis s) auf Tuch malen
muss, damit es keine Sprünge bekommt, indem „nach Gutdünken Leim, Seife,
Honig und Gips» in warmem Wasser gelöst, zwei oder dreimal aufgestrichen
und mit dem Bein geglättet wird; es ist ein ähnlich fetter Grund wie der
auf Tafel gebräuchliche, dem durch die Beigabe von Honig jede Gefahr des
Springens genommen wird. 15 Man malt darauf mit Ei, nicht mit Eiweiss,
wie die Uebersetzung besagt, legt das Gold mit „scharfem Grunde» d. h.
Beize an und kann schliesslich eine leichte Lage Firnis darüber geben, zum
Schutze gegen Feuchtigkeit. Der nachfolgende Artikel (§28) lehrt den Ivnob-
lauchgrund für Arbeit auf Leinen und zur Vergoldung zu bereiten, ohne die
Grundierung, die der Leinwand vorher zu geben ist, besonders anzuführen;
es mag demnach der Knoblauchgrund als solcher dem Zwecke entsprechen,
um kleinere Goldverzierungen mit dem Pinsel aufzutragen. Cennini (K. 1515,
165) kennt auch diese Vergoldungsart. Neben dieser Beize steht noch der
„scharfe Grund», [xoupSevxt, Mordant, also die Beizen- oder Oelvergoldung
dem Künstler zur Verfügung. Der „scharfe Grund» besteht aus gekochten
Oelen und kann nicht poliert werden, sondern erhält unter Umständen einen
Firnisüberzug; die Anweisungen des Malbuches setzen deshalb mit der Bereitung
des gekochten Oeles und dessen Verwendung zu Firnissen fort (§ 29 bis 35).
Es sind zunächst die elf i misse, deren Bereitungsart die alte, schon von
Plinius beschriebene ist, indem die rohen Harze in heissem Leinöl aufgelöst werden.

Unter P es er i ist Leinöl zu verstehen, welches durch Einkochen trocknen-
der gemacht wird (§ 29). Mit solchem Peseri und Tannenharz (Pegoula),
das durch Auskochen von Tannenholz gewonnen wird, macht man einen
Firnis (§ 31), dem noch durch Hinzufügung von Mastix grössere Festigkeit
und Glanz verliehen wird. Ist der Firnis zu dick, so kann derselbe durch
Naphtha (i. e. Terpentinöl) oder ungekochtem Leinöl verdünnt werden.

Ueber Naphtha (vecpxtov) des Athosbuches sind die Ansichten nicht über-
einstimmend; es wurde für identisch mit Steinöl, Petroleum, olio di sasso der
Italiener gehalten 1 » und als Beweis der Verwendung von Petroleum bei der
älteren Malerei angeführt. Nach einer Mitteilung, welche ich dem Professor
der Chemie an der Universität zu Athen, Dr. Christomanos 17 verdanke, ist
aber unter Naphta zweifellos Terpentinöl zu verstehen und damit
haben die Angaben des Athosbuches auf einmal einen anderen Sinn. Was
hätte es sonst auch für einen Zweck, wenn bei der Oelmalerei (Naturale, § 53),
welche ohnehin wegen des langsamen Trocknens den Malern Sorge bereitete,
durch Beimischung von Petroleum (Steinöl) die Trocknung verlangsamt wird,
während sie mit Hilfe des Terpentinöls ihren Zweck, die Farben flüssiger zu
bekommen, viel leiohtor erreichten und die Trockenkraft eher vermehrten als
verminderten, wie letzteres durch den Zusatz von Petroleum stets geschieht?

Handbuch vom
Berge Athos

Malerei auf
Leinwand

Oelfirnisse

Peseri

Naphtha

(77)

16 Nr. 46 der Versuche.

16 Vgl. Ludwig, Technik der Oelmalerei, Leipzig 1893. II. T. S 103.

1T Herr Prof. Christomanos schreibt: „Näcpfra hiessen die Alten wohl alles flüssige
Erdpech, Erdöl, ob dasselbe nun auf das heutige Petroleum zurückzuführen war, oder
ob es aus bituminösen Schiefern flüssig oder harzartig ausfloss. Naphta hiess aber
jedenfalls auch ein künstlich durch Pressen oder Filtrieren gewonnenes Produkt aus
solchen Vorkommnissen. Der Ursprung dieses Namens ist persisch, wie denn auch
die Griechen dieses zu Fackeln verwendete Leucht- und Brennmaterial Srcsp oi MrjSoi
vdcpfra (auch vdcpGav) y.aXouai,, mit dem Namen „IXouov p.7]3wöv» belegten.

Wohl wegen der Aehnlichkeit des flüchtenden Destillats des Terpentinbalsams
mit dem flüchtenden Anteil des Bergöls (Petroleum) wurden die Begriffe vielfach
verwechselt und wenn auch heute vatpxiov oder vscpxi ausschliesslich das Terpen-
tinöl (yj xepsßiv^KvY)) genannt wird, so nennen auf Zaute (Kap Keri, von xep( = xrjpöc
= Wachs, Erdwachs, Ozokerit) die Einwohner jene in Brunnen auf der Oberfläche
des Wassers schwimmenden Oeltropfen auch vd^xt,.

Wenn es sich also um einen Naphtafirnis handelt, wird sicher ein
solcher aus Terpentinöl gemeint sein. Ein Mineralnaphtafirnis würde viel zu
schwer trocknen und ohne eine sozusagen wissenschaftlich betriebene Destillation,
von der aber in der Literatur gar nichts verlautet, würde die rohe Naphta auch kein
Firnisharz aufzulösen im stände sein.»

6′

— 84

Handbuch vom
Berge Athos

Gefärbte
Firnisse

Weingeist-

firnis

„Golipharmpe»

(78)

Ein mit solchem Terpentinöl bereiteter Firnis (§ 33 Naphtafirnis) hat alle
Eigenschaften unserer Essenzfirnisse; in unserem Ms. wird derselbe aus Sand-
arak (Harz von Thuia occidentalis Linn., Lebensbaum) und Pegula (Tannenharz)
bereitet, indem das Terpentinöl warm mit den gestossenen Harzen verbunden
wird. Dieser Firnis ,, trocknet im Schatten von morgens bis abends oder
auch schneller und wird sehr glänzend», während bekanntlich sonst die Oel-
firnisse bei den Alten stets an der Sonne getrocknet worden sollten.

Auch gefärbte Firnisse kennt das Ms., mit Santelholz (Rotholz, Brasil)
und Aloe (§ 32 und 34) bereitet; sie sind die letzten Reste, die auf die Pictura
lucida des Lucca-Ms. und des Theophilus hindeuten; der erwähnte Firnis
(aus Aloe und Peseri oder Naphta) dient dazu, Silber zu firnissen, um es gelb
zu machen, ebenso wie in den erwähnten Mss. zum Färben der Zinnfolie.

Neben diesen Oel- und Essonzfirnissen, welche ohne Zweifel teilweise
auf späterer Ergänzung der Rezepte beruhen, ist noch in § 35 ein Firnis von
Raki, der in der Sonne trocknet, erwähnt (Raki, türkische Bezeichnung für
Weingeist). Er deutet auf arabischen Ursprung hin, wo schon frühzeitig (im
X. Jh.) Alkohol zu bereiten bekannt war. Dieser Firnis besteht aus 10 Drachm.
Raki, der in gut verschlossenem Gefäss in glühender Asche zum Kochen ge-
bracht wird und welchem dann 10 Drachm. pulverisierter Sandarak und 5
Drachm. Tannenharz unter fortdauerndem Kochen beigefügt werden. Sowohl
Firnis als auch das Gemälde sind vor dem Gebrauche entweder an der Sonne
oder am Feuer zu erwärmen, wie auch bei allen übrigen Firnissen, und es
werden zwei Deckungen, eine nach der anderen, „wenn du ein wenig ge-
wartet hast», gegeben. Der Schreiber macht dann folgenden eigentümlichen
Beisatz: „Wisse hierzu noch dies, dass die Venetianer keine Goldblätter auf
die Bilder legen, sondern sie wenden anstatt derselben einen Firnis an, der
in der deutschen Sprache Golipharmpe (yoXt,cpap|j,7i£) heisst, was man in der
unserigen nennen kann: „Goldfarbe».

Dieses plötzliche Abschweifen von dem Rakifirnis auf die Vergoldung
kann nur so erklärt werden, dass der Schreiber an die Weingeistvergoldung
(mit Raki § 13 und 14; jetzt sog. französische oder Glanzvergoldung genannt)
gedacht hat; dabei erinnert er sich daran, einmal gehört zu haben (und die
Märe ist, nebenbei gesagt, unrichtig), dass die Venetianer anstatt der Glanz-
vergoldung die Oel- oder Mattvergoldung anwenden; oder er erwähnt diesen
Umstand am Schlüsse der Rezepte für Firnisse als eine besondere Notiz, die
eigentlich mit dem Rakifirnis in keiner Verbindung steht. Dass aber die
„Venetianer», worunter alle westlichen Reiche gemeint sind, die Beizenver-
goldung in ausgedehnterem Masse anwendeten als die Byzantiner und zu
diesem Zwecke sich der ,, Gold färbe», d. i. der Vergolderbeize, bedienten, ist
ganz richtig und insbesondere aus den ausführlichen Angaben darüber im
Strassb Ms. zu ersehen. Ungenau ist jedoch, dass die Venetianer keine Gold-
blätter anwendeten, denn diese kamen stets auf die „Goldfarbe», es sei denn,
dass gefärbte Firnisse auf Zinnfolie oder Silber aufgestrichen wurden. Diese
letztere Art, welche im Lucca-Ms., Mapp., Heraklius (Auripetrum) und Theo-
philus beschrieben ist, kann aber der Schreiber nicht gemeint haben, weil er
selbst einen gleichen Firnis in § 34 (gelber Firnis) beschreibt. 18

18 Die merkwürdige Bezeichnung Golipharmpe als deutsche Goldfarbe im § 35
der llermeneia wird als Beweis ausgeführt, dass die Oelmalerei im Norden verbreiteter
gewesen sei als im Orient. Ich möchte hier einen Irrtum rektifizieren, der bezüglich
dieses Ausdruckes sich in die Literatur eingeschlichen hat und deshalb allerdings
verzeihlich ist, weil noch niemals ein Techniker diese Stellen zu erklären versticht
hat. Mit der „Goldf’arbe’ welche die Venetianer und Deutschen anstatt der Gold-
blätter anwenden sollen, wie es an der Stelle des byzantinischen Ms. heisst, ist nicht
etwa Goldpulver, aurum musivum, sondern die Oelbeize für Vergoldung gemeint,
während man in Byzanz die Glanzvergoldung (mit Ei und Raki i. e. Weingeist) bevor-
zugte. „Goldfarbe», yoA^äpixrcs ist nichts anderes als or couleur, der Mordant, welcher
aus dem Dicköl, das sich auf dem Boden der Oeltüpfe zum Reinigen der Pinsdl an-
setzt, besteht. Didron, der Herausgeber des Manuel (deutsche Ausg. S. 84) belustigt
sich natürlich darüber, dass die griechischen Maler noch die Reste aus den für die
Pinselreiaigung bestimmten Gefässen zum ,, Arbeiten» verwenden (§ 53). Mit diesem

— 85 —

Soweit sind die Angaben der Hermeneia in der Reihenfolge der Technik Handbuch vom
ohne jede Schwierigkeit verständlich, von der Bereitung der Tafel, den Vor-
arbeiten zu Vergoldung, der Vergoldung, dem Malen des Fleisches und der
Gewänder bis zum Firnissen der Gemalten. Fs folgt dann gleich ein Kapitel
(§ 80), „Wie man alte Bilder waschen muss», wenn sie schmutzig geworden,
wozu starke Lauge (!) dienen soll, doch wird mit Recht zur Vorsicht ge-
mahnt, dass ,,die Farben nicht mitgenommen werden, denn wenn die Lauge
stark ist, so löst sie Schmutz und Firnis auf und gehen die Farben ebenso
wie der Gips weg».

Von § 37 bis 52 finden wir eine Reihe von Einschiebungen, die sich
nicht in den allgemeinen Rahmen einfügen lassen. So viel ist gewiss, dass
ausser £ 37 und 38. von denen später die Rede sein wird, die meisten der
Rezepte für Miniaturmalerei und zur Bereitung von Farben zu diesem Zwecke
dienen. Die Goldsohrift nimmt selbstverständlich hier auch wieder einen Uoidschrift
hervorragenden Platz ein. Wir erfahren in

§ 39. Wie man vergoldete Buchstaben macht (mittels des Amalgams
als Lösungsmittel des Metalles);

§ 40. Wie man die Vergoldungen mit Schneckenspeichel maoht, indem
man eine Waldschnecke durch Vorhallen einer angezündeten Kerze zur Ab-
sonderung der Speichelflüssigkeit zwingt, und diese dann mit Alaun und Gold
nebst etwas Gummi zusammenreibt. ,, Schreibe so, was du willst und du
wirst staunen», fügt der Verfasser hinzu. Man sieht, auf was für Einfälle
die Mönche in ihren einsamen Klausen geraten. Uebrigens ist das Verfahren, (79)
wie Versuche gezeigt haben, sehr leicht auszuführen;

§ 41. Wie man Gold auf Papier anbringt, indem dasselbe erst mit Leim
oder Gummi bestrichen, und das Gold (in Blättern) aufgelegt wird.

Zu diesen Angaben gehört noch das Schlusskapitel (§ 72 Genaue An-
weisung über Goldschrift), in welchem die Prozedur der Verfertigung des
Amalgams von Gold mit Quecksilber und Schwefel beschrieben ist.

Die nächsten Paragraphen (42 — 49) sind der Farbenbereitung gewidmet, Farbenrezeptp
doch bietet die Beschreibung der Erzeugungsarten durch die unerklärten
Namen der dabei in Verwendung kommenden Materialien einige Schwierigkeiten.

§ 42 lehrt, wie man aus Kremezi ausgezeichneten Lack macht. Kremezi
(xpTjui^i) i st Kermes, Grana, das getrocknete Weibchen der Kermesschildlaus
(Coccus ilicis), dessen Farbstoff extrahiert und mittelst Alaun niedergeschlagen
wird. 19

Arbeiten ist aber das Vergolden mittels Beizen gemeint. Im Französischen erhält
sich dieser Ausdruck noch bis ins vorige Jahrhundert (Dictionaire de peinture, Paris
1757 unter or ä l’huile, or couleur). Die Goldblätter werden auf einer Unterlage
(assiete = assisa des Cennini) von or couleur aufgetragen; „c’est de l’or en feuilles
appliquees sur une assiete d’or couleur. Cette assiete se fait assez souvent du
Sediment des couleurs, qui se precipitent au fond de l’huile dans laquelle les peintres
nettoyent leurs pinceaux.» Die Bezeichnung ,,goldvarwe» findet sioh in dem-
selben Sinne im Strassburger Ms. (87 m. Ed.). „Wilt du aber ein ander Goldvarwe
machen, domit man mag silber, zin, bli vergülden, wo man si darüber strichet so
schinet si als schon fin gold et noch Safran als Färbemittel hinzugefügt (Theoph. XXVI).

An einer anderen Stelle des Strassburger Ms. (76 und 77) wird diese Goldfai be
als Unterlage für Goldblätter verwendet. „Hie lere ich wie man uff dise goldvarwe
vergülden sol» auf Holz. Tuch oder Stein, ,,so strich die goldvarw über den lym (mit
dem alles vorher bestrichen worden) mit einem weichen bürstebensel und strich die
varwe glich und dünne uff und las die goldvarwe trocken werden» und wenn dann
die richtige Zeit ist zum Vergolden, ,,so scbnide din gold oder din silt er und lege das
ordentlich uff nach enandern, wo die varwe si etc. Ueboreinstimmend findet sich das
Verfahren bei Cennini K. 151.

ia Zur Bereitung des Farbstoffs nennt das Ms. in Wasser gelösten „Tzouera», eine
Drogue. über welche nichts zu erfahren möglich war. Zur Abscheidung des Karmins
aus den Kermeskörnern dienen nach anderen Angaben Kleesalz. Weinstein, Zinnsalz
oder Alaun. Loter Äwir,p), als weiterer Zusatz erwähnt, ist die zum Färben gebrauohte
Rinde von Symphocos racemosa; vgl. über Kermes und die Färhearteu im Orient

86

Handbuch vom
Berge Athos

Farbenrezepte

(80)

Glanzfarbe

In § 43 erfahren wir, wie man Bardamon oder Tsinkiari i. e. Kupfer-
grün aus Kupferstücken und Essig macht, ein Verfahren, das in allen Quellen
gleichlautend ist; 20

§ 44 behandelt die Präparation des Zinnobers, in der bekannten Art
aus Schwefel und Quecksilber (nebst Bleiglätte);

§ 45 die Bereitung des Bleiweisses, welches die Venetianer in Kugel-
form in den Handel brachten, daher die Aufschrift : Wie man Kügelchen oder
Bleiweiss macht.

§ 47. Wie man den Azur von Tsimarisma macht, erfordert einige
erklärende Bemerkungen. Aus der Darstellungsart geht hervor, dass es sich
um einen Parblack handelt und zwar um einen Pflanzenfarbstoff, der durch
Lauge extrahiert und dann mittelst Tonerde (Alaun) niedergeschlagen und
mit Biweiss eingedickt wird, also ein sogen. Tonerdelack (Heppe, Farbwaren-
kunde S. 72); es kann sich hier demnach nur um einen blauen Pflanzenlack
handeln, und da uns Lexikon und Etymologie 21 wieder im Stiche lassen,
wird entweder Lakmus (Lacca musica), Tournesol (Crozophora, Krebskraut)
oder der Flechtenlack von Rocella tinctoria (franz. Orseille de raer, lat. fucus
marinus, griech. yöy.oc, d-aXdaaiov) gemeint sein, aus welchen allen im Mittel-
alter blaue Pflanzenlacke bereitet wurden ; keinesfalls ist der Farbstoff der
Hermeneia mit Waid identisch, wie es Donner 22 fälschlich annimmt. Dieser
wird durch Faulgärung aus der Pflanze (Isatis tinctoria) gewonnen. Ein be-
züglicher Versuch mit Waid hatte auch negativen Erfolg.

In § 47 (Andere Bereitung des Azur) treffen wir einen alten Be-
kannten wieder, den wir im Liber sacerdotum, Mapp. clav. und anderen
Quellen (s. oben S. 27) bereits kennen gelernt haben. Es wurde schon nach-
gewiesen, wie durch fehlerhaftes Kopieren das Wesentliche des Rezeptes ver-
ändert worden, denn Kalk und Essig zusammengekocht und in Pferdemist
aufbewahrt, geben niemals eine blaue Farbe, es sei denn, dass auoh hier unter
dem „neuen Krug» ein Kupfergefäss zu verstehen wäre.

Die schon oben kurz angeführten Rezepte für Farbenbereitung, welche
in der griechischen Ausgabe der Hermeneia des Konstantinidis enthalten sind,
fügen sich zum grossen Teile hier innerhalb der Farbenrezepte ein : es sind
Varianten von roter Lackfarbe aus Kermeskörnern, Bereitung von Ultramarin
aus Lapislazuli und von schwarzen Farben aus Hirschhorn und Nussschalen
u. a. (s. oben S. 77).

Die Farbenrezepte sind allgemein gehalten; es ist gestattet anzunehmen,
dass dieselben nicht nur für Miniaturmalerei zu gelten haben, sondern für
Malerei überhaupt. Für Schrift speziell sind die beiden Rezepte, § 48, Von
der Bereitung der Tinte, § 49, Wie man den Zinnober bereiten
muss, um auf Papier zu sohreiben, bestimmt. Die letztere Anweisung,
welche in der Handschrift des Didron, wie so viele andere ohne Angabe des
Verhältnisses verzeichnet ist, findet sich in der Ausgabe des Konstaninides ge-
nauer angegeben. Zu dieser roten Farbe (Rubrikenrot des Strassb. Ms.)
werden 10 Drachmen Zinnober mit Wasser dünn verrieben, dann 2 Draohmen
Gummi und 2 Drachmen Kandiszucker hinzugefügt.

Es erübrigt noch, den vorhin übersprungenen § 37, Wie man Glanz-
farbe macht, ausführlicher zu besprechen: mit dieser Anweisung steht in
Verbindung § 38, Wie man Gold auflösen muss und der gleich nach den
Farbenrezepten folgende § 50. Wie man moskowitisch malt.

Karabazek, die persische Nadelmalerei Susändschird, Leipzig 1881 S. 40 — 51 und des-
selben „Neue Quellen zur Papiergeschichte im IV. Bande der „Mitteilungen aus der
Sammlung Papyrus Reiner» Wien 1888, S. 115.

20 x^yxiapi, persisch zengär, arab. zendschar ist kristallisierter Grünspan; Kara-
bazek. Neue Quellen zur Papiergeschichte S. 117.

21 Vgl. auch Ilg, Noten zu Ceanini Kap. 62: Citramarin zum Unterschied von
Ultramarin, das letztere aus Lapis lazuli, von jenseits des Caspissee, aus den Bergen
der Tartarei kommend.

» Donner, die erhaltenen antiken Wandmalereien in technischer Beziehung
Leipzig 1869, S. 49, Note 131.

— 87 –

§ 37 lautet: Handbuchvom

„Nimm Leim, Lauge und Wachs, Alles im gleichen Verhältnis,

setze das alle drei zusammen auf’s Feuer, um es schmelzen zu lassen.

Setze die Farbe hinzu, zerrühre alles gehörig und überfahre, was du

willst, mit demPinsel. Lass es trocknen und dann poliere es. Wenn

du willst, lege auch Gold auf und es wird glänzend und schön sein;

willst du es nun wegnehmen (d. h. ehe du fertig bist), so firnisse

es nicht.»
Es wurde schon mehrfach auf dieses interessante Rezept hingewiesen,
weil daraus der Gebrauch und die Fortdauer der Waehsmalerei 22 a bei den
Byzantinern deutlich hervorgeht, denn das Rezept kommt der Bereitung der
sog. Wachstempera gleich. Wie dieses Rezept dann im Yeau conosite bei
Le Begue noch einmal erscheint, ist oben bereits bemerkt worden (S. 18).

Dieselbe Wachstem pera ist es vermutlich auch, welche Dr. Branchi Wachstempera
in Malereien der vorgiottesken Zeit in Bildern des Giunta Pisano und anderer
(Morrona, Pisa illustrata, II S. 165 ff.) chemisch nachgewiesen hat, worüber
später noch genauere Details gegeben werden sollen. Die Eigenheit dieser
Glanzfarbe besteht darin, dass sie durch Glätten glänzend wird (durch den
Waschgehalt bedingt), und dann nicht gefirnisst zu werden braucht. So ver-
stehe ich den sonst unklaren Schlusssatz. Die mit Farbenpulver versetzte
Mischung wird in einfachen Lokalfarben aufgetragen, und da die Wirkung
erst beim Polieren beurteilt werden kann, ist ein Durchmodellieren der Form
schwerer ausführbar; die Lichter werden zumeist mit wässriger Goldfarbe,
die § 38 beschreibt, aufgesetzt, wie man dies auf zahlreichen Bildern byzant.-
italienischer Periode sieht. Die Fleischpartien werden aus dem eben genannten
Grunde seltener mit dieser Farbe gemacht, weil die Farbe beim Polieren an
Tiefe sehr gewinnt, was die Vorausberechnung erschwert. Mehrfache Ver-
suche wurden in dieser Art mit bestem Erfolge gemacht, 23 und dabei hat es
sich herausgestellt, dass § 50, Wie man moskowitisch malt, mit dieser Tech-
nik zusammenhängen muss, denn aus dieser Anweisung geht hervor, dass
bei der moskowitischen Art „mit Glanzfarben und aufgelöstem Golde» zu Moskowitisohe

‘ M s n i ö r

arbeiten ist. Die Vorschrift erscheint im ersten Augenblick unklar, wird aber
bei genauem Befolgen derselben verständlich. Es heisst dort:

§ 50. „Wenn du den Heiligen auf dem Gemälde gezeichnet hast,
so vergolde nur dessen Nimbus. Mache dann das Feld in folgender
Weise: Nimm Bleiweiss, reibe es mit Indigo, 24 dass man es nicht
für blosses Weiss hält ; du kannst statt des Indigo persisches Blau
oder Tsinkiari mit ein wenig Ei anwenden. Mache damit leicht den
Grund, skizziere und gib die Glanzfarben mit aufgelöstem Golde. Zuerst
gib den Glanz mit wässrigem Golde, dann verstärke ihn an den her-
vortretenden Partien, wie auch bei den Farben. Lasse es trocknen
und poliere es gut mit dem (Polir-)Bein. Du machst ebenso die
Buchstaben des Namens des Heiligen und ebenso andere Ornamente (81)
in dem Felde des Gemäldes mit Gold und du gibst ihnen eine Politur
wie oben. So arbeiten sie Moskowitern»
Zu dieser Anweisung ist zu bemerken: Durch die für die Vergoldung
des Nimbus nötige rote Unterlage (Ampoli) werden die angrenzenden Stellen
auch unrein und fleckig, es handelt sich deshalb darum, neuerdings den übrigen
Flächen die weisse Unterlage, auf der dann die Glanzfarben aufzutragen sind, zu
geben; dazu dient das bläuliche Weiss. Der Grund für die Glanzfarben hat also

22 a Die Auflösung des Wachses durch Lauge, was einer teilweisen Verseifung
desselben entspricht, findet sich schon bei dem niediziu. Schriftsteller Quintus
Seranus Sammonicus (gegen Ende des II. Jahrb.) in den Worten: tuuc lixivia
cinis ceras dissolvit. Die Tradition der „Glanzfarbe» führt demnach bis ins Alter-
tum zurück.

23 Versuche Nr. 41 und 43.

S1 Didron und Schäfer übersetzen XouXdxi mit Indigo; vgl. über Lulacin und Lulax
im Lucca-Ms., welche mehr Surrogate für Indigo zu sein scheinen; s. S. 12.

Handbuch vom
Berge Athos

Kretensische
Manier

(82)

weiss zu bleiben, während er bei der anderen Art, die im nächsten § 51 zum
Unterschied ,, kretensisch» genannt wird, entweder durch die durchgehende
Vergoldung goldig oder, wie wir gleich sehen werden, dunkelfarbig zu machen
ist. Bei der moskowitischen Manier sind die Lichter der Gewänder, die hellen
Faltenzüge mit flüssiger Goldfarbe (§ 38) zu machen, ebenso alle Ornamente
und Schriften. Das Glänzend werden entstellt durch die unter der Goldfarbe
(Goldstaub und Gummi) liegende ,, Glanzfarbe» (aus Wachs, Lauge, Leim).
Schon aus der zum Unterschied gebrauchten Bezeichnung ,, kretensisch» gegen-
über ,,moskowitisch» wird es deutlich, dass ein ganz anderes technisches
Prinzip zur Anwendung kommen soll, das im Farbenmaterial zu liegen
scheint. Man wird auch bemerken, dass bei der kretensisohen (griechischen)
Manier zuerst die Gewänder und dann das Fleisch zu malen sind, ein Umstand,
der im Hinblick auf Cenninis gleiche Angaben von Bedeutung ist; die Haupt-
sache bleibt jedoch, dass hier mit Dunkel angefangen und die Hellfarben
zwei und dreimal zu machen sind. Auch die Fleischfarbe wird aus dem
Dunkel heraus und zwar aus dem Propiasmus (§ 9) entwickelt, zum Unter-
schied von der moskowitischen Art, mit Weiss anzufangen und die Lichter
mit Gold zu geben.

§ 51 beschreibt die ,,kretensische» Manier:

,, Mache also die Gewänder: grundiere sie dunkel, skizziere sie;
mache die Hellfarben zwei oder dreimal. Wende dann Weiss an; die
Gesichter mache wie folgt: Nimm dunklen Ocker, ein wenig Schwarz
und sehr wenig Weiss, 25 grundiere damit und mache mit Violett-
Schwarz die Skizzen, für die stärker hervortretenden Teile der Augen
und die Augensterne wende reines Schwarz an. Nimm Bleiweiss,
ein wenig Ocker und Zinnober nach Verhältnis, damit das Fleisch
nicht gelb, sondern vielmehr rotweiss werde. Mache dann Fleisch;
gib aber acht, dass du das Gesicht bis zu den Umrissen nicht ganz
malest, sondern nur die dunkleren Teile mit allmählicher Ver-
schwächung. Lege dann ein wenig weissere Fleischfarbe auf die
hervortretenden Teile und auf die höchsten Teile Weiss. 26 Mache
ebenso Fleisch für Hände und Füsse». (Es folgen dann noch An-
gaben zum Malen der Haare bei jungen und alten Leuten.)
Was die kretensische Manier vor der moskowitischen auszeichnet, ist
die Möglichkeit einer grösseren Durchführung der Details und vor allem, dass
die Fleischpartien damit gemalt werden, während die moskowitische sich
mehr bei Gewändern und Goldornamentik verwenden lässt. 27 Dem Leser
wird aber nicht entgangen sein, dass der Autor ganz und gar verschwiegen
hat, mit welchem Bindemittel die ,,Kretenser» malen sollten. Wandmalerei
kann es nicht sein, weil die Fleischfarbe mit Bleiweiss angemischt wird ; es
bleibt also nur das Eibindemittel oder Gummi übrig.

Halten wir znnächst an dem Ergebnis fest, dass die moskowitische
Manier sich nicht für Fleischmalen eignet, im § 50 auch nichts darüber ver-
lautet, so wird man es ganz natürlich finden, dass unser Autor seiner Intention,
die Arbeitsfolgen nacheinander zu beschreiben, entsprechend, in den nächsten
Kapiteln genauere Angaben über die in solchen Fällen anzuwendende Mal-
weise hinzufügt; nach der Beschreibung der Verhältnis se des mensch-
lichen Körpers (§ 52) kommt er nämlich in § 53 zur Bereitung der
Farben des Naturale, und wie man auf Tuch in Oel malt. Die Naturale
genannte Oelmalerei scheint demnach bei Figurenmalerei angewendet worden

15 Die Uebereinstimmung mit Cenninis ‘Angaben für Mauermalerei K. 67 ist
auffallend; er nimmt gleicherweise als Untergrund dunklen Ocker, Schwarz und
wenig Weiss (und etwas lichtes Cinabrese).

26 Die Schäfersche Uebersetzung ,,und auf das leichte Weiss» hat keinen rechten
Sinn; ich folge den gleichlautenden Angaben Cenninis K. 67.

27 Im Museum zu Neapel befindet sich ein Gemälde byzantinischen Ursprunges
(Madonna mit Kind) in Naturgrösse, welche ganz mit Glanzfarbe gemalt ist; man
erkennt das deutlich an den gleichmässigen sehr harten Strichlagen der Gesichts-
farben und der Schatten.

— 89 —

„Naturale»-
< >cl maierei

zu sein und hat daher den Namen xoü voroupcSXe; auch in der Verrede (S. 40) ^»g^Mho™
gibt Dyonisioa der Figurenmalerei dieselbe Bezeichnung.

Die Malerei des Naturale stellt sieh uns in vielen Punkten als identisch
mit der Oelmalerei des deutschen Mönches Theophilus dar, der ja auch die
,, griechischen Farbenmischungen» beschrieben hat. Nach dem griechischen Ms.
werden die Farben mit ungekochtem Leinöl auf dorn Marmor gerieben und
in Näpfchen aufbewahrt.* Nur Bleiweiss ist mit Nussöl zu reiben, „weil es
damit am schönsten wird», ein Umstand, den die hagioritischen Mönche ebenso
wie Vasari und Armenino zu schätzen wussten. Die Grundierung mit dicker
Oelfarbe, die auch Heraclius erwähnt, ist ausser auf Seide auf Leinen und
jedem anderen Grund anzulegen, mit dem Messer gleichmässig zu verteilen
und zu trocknen. Diese Grundfarbe kann dunkel sein, weil gleich darauf der
Rat erteilt wird, mit weisser Kreide (Gips) zu zeichnen. Jede Farbe ist vor-
her zu mischen und zu ihrer Verdünnung wird etwas Terpentinöl (Naphta)
beigefügt.

„Fange damit an, dass du die Schatten machst und so fortgehend
die erste Lichtfarbe, dann die zweite, und zuletzt das Weiss. Lege
keine Lichtdeokung über die andere, sondern lege dieselben geschick-
lich jede an ihren Platz; denn wenn du sie übereinander legst, trocknen
sie nicht leicht. Mache es ebenso mit dem Fleisch, d. i. lege zuerst
die Schatten an und dann die anderen Partien. Wenn du eine Farbe
aufgetragen hast, so neige dein Bild etwas rückwärts, lasse sie
trocknen, dann trage die anderen auf, und wenn du fertig bist, gib
ihm eine Deckung Firnis uud so ist es vollendet.»
Interessant ist noch die Angabe über die Palette mit dem Loche für den
Daumen der linken Hand, über das Waschen der Pinsel in messingenen Be-
hältnissen mit ungebranntem Leinöl und der Vermerk, mit den beim Reinigen
der Pinsel übrig gebliebenen Oelresten ,,zu arbeiten, was du willst». Es wurde
schon erwähnt, dass sich diese Oekonomie der hagioritischen Künstler auf die
Goldfarbe (or oouleur) bezieht, mit der man eine Beize für Goldunterlage zu
legen verstand (s. oben S. 85 Note).

Dass in der oben geschilderten Art gemalte Oelbilder, die durch die Jahr-
hunderte oft in Kästen und Tryptichen eingeschlossen, ganz schwarz geworden
sind und nachgedunkelt haben, ist nur natürlich. In verschiedenen Kirohen
Roms, im Museo christiano des Vatikans, wo sich derartige alte Gemälde be-
finden, wird deren Studium sehr erschwert, durch die Ungewissheit, inwieweit
die Oberfläche des Bildes, soweit es überhaupt sichtbar ist, durch spätere
Auffrischung verändert wurde; auch ist es durch die Sitte, die am höchsten
verehrten Bilder durch einen Ueberzug von Gold- und Silberblech, der nur
Gesicht und Hände durch Ausschnitte hindurch sehen lässt, zu verdecken,
ganz unmöglich, die Gewandung oder die Stellung der Figuren beurteilen zu
können. Es wäre interessant, festzustellen, ob unter dem gleissenden Gold
überhaupt die Figuren gemalt sind oder nicht, und ob diese Sitte verhältnis-
mässig jüngeren Datums ist. 28

Nach-
gedunkelte
Bilder

28 Von diesen ältesten Bildern befinden sich mehrere in den Athosklöstern.
Brockhaus berichtet darüber in seinem Werke S. 90 u. ff. „Den Anspruch höchsten
Alters machen die Bilder, welche der Glaube dem Evangelisten Lukas oder der Zeit
des Bilderstreitss zuschreibt, oder die er „als vor vielen Jahrhunderten über das Meer
geschwommene Flüchtlinge-‘ ansieht. Einige dieser bemerkenswerten Panagien-(Marien-)
Bilder des Athos beschreibt Brockhaus. Die „dreihändige Panagia (Ttavxyia xpixspoOax)
des Johannes Damasceuus» in Cbilandari gilt als Werk des Evangelisten Lukas. Sie
ist in Halbfigur dargestellt trägt das Kind auf dem rechten Arm, die Linke zur
Brusthöhe erhebend und blickt den Beschauer an. Aehulich sind die Panagion im
Kirchenschatze zu Watopedi und Ajiu Pawlu. „Die über das Meer geschwommene
Panagia Partaitissa» im Iwiron wird der Bilderstürmerzeit zugeschrieben. Zu den
uralt geltenden Bildern gehören zwei Bilder des hl. Georg im Kloster Sographu,
welche beide, wie die Legende erzählt, „von selbst», das eine „nicht von Menschen-
hand gemachte» aus Palästina, das andere aus Arabien hierher kamen. Den Ausdruck
antiker Gestalten „wird man in diesen Georgsbildern ebensowenig wie in den ge-
nannten Panagienbildern finden.»

90 –

Handbuch vom
Berge Athos

(83)

Malerei auf
Mauern

Strohkalk; und
Opsis

Malerei mit
Kalk färben

(84)

Die Malerei auf Mauern, wie sie von den Malern des Athos bis in
die jüngste Zeit mit Vorliebe gepflegt wurde, ist in den 17 Kapiteln, welche
auf die Malerei des Naturale folgen, ausführlich geschildert. In dieser Tech-
nik, konnte Panselinos seine grosse reformatorische Tätigkeit entfalten, und
es war dieselbe Malart, welche die „Greei» frühzeitig nach Italien verpflanzten,
wo sie sich durch weitere Vervollkommnung zur Buonfresko-Technik ent-
wickelte. Die Mauermalerei ist aber von dem Fresk^ der Renaissanzezeit und
selbst dem Cenninis sehr verschieden, denn das tageweise Arbeiten, worin
das Kriterium der Buonfreskotechnik gesehen werden muss, ist hier noch
nicht in ein System gebracht; bei der Ausführlichkeit der Angaben müsste
doch davon die Rede sein, ebenso wie von dem Wegschlagen der unbemalt
gebliebenen Fläche und dem Abschneiden der Konturen. Nichts von alledem
ist in der Hermeneia zu finden und auch Didrons Bericht, der den P. Joasaph
bei der Arbeit belauschte, spricht nioht davon, ja er gibt dort (S. 94 Note)
an, dass, nachdem auf der ersten Strohkalklage die feinere weisse Kalkschicht
(Wergkalk) aufgetragen ist, „man drei Tage wartet, bis die Feuchtigkeit
verdunstet ist», und dass der Meistermaler dann mit der Spachtel die Ober-
fläche erst glätten muss, um ein Eindringen der mit Kalk gemischten Farben
zu ermöglichen. Auch die Unterlage ist hier erheblich anders als in dem
italienischen Fresko des Cennini und der späteren Freskanten. Die erste
Schichte aus Strohkalk f§ 56;, mit Kalk und gehacktem Stroh angerührt,
und die Opsis genannte zweite Malschichte (Wergkalk), 29 welche aus Kalk
und feingeschnittenem Werg besteht (§ 57). haben keine Aehnliehkeit mit den
Bewürfen des Cennini; nur in dem einen Punkte besteht Uebereinstimmung,
dass man die Wirkung der frischen Kalkschichte zur Festigung der Farben
benützte, um die erste grosse Anlage herzustellen, so lange es anging, a
fresco malte und schliesslich mit in Kalk gerührten Farben fertig malte, wie
es Cennini dann mit der Eitempera macht.

Man ersieht dies aus dem Schlusspassus von § 59, (Wie man skizzieren
muss, wenn man auf Mauern arbeitet), worin angegeben ist , wie man zu
verfahren hat, wenn der Grund schon zu trocken geworden ist, um a fresco
zu malen; es heisst dort: „Wenn du aber zögerst und es Haut zieht, so
mache, wie wir es dir sagen» und zwar gibt die folgende Anweisung (§ 60)
gleich die Erklärung, dass man das mit Mauerweiss macht: „Nimm Kalk von

einer alten Kalkhütte, der ganz ausgewittert ist und wenn er auf

der Zunge nicht bitter schmeckt, sondern wie Erde, so kannst du ungehindert
arbeiten.» Diese Manier hat also mit der von Theophilus beschriebenen Art,
mit einfachen Kalkfarben zu malen, am meisten Aehnliehkeit. Mit diesem alt-
gelöschtem Kalk (Mauerweiss) wird auch die erste Anlage, der dunkle Grund
(§61 Propiasmus, aus Grün, dunklem Ocker, Schwarz und Weiss gemengt)
gemacht, welcher dem Glykasmus (§ 63 zum Fleischmalen) beizumischen
ist ; derselbe weisse Kalk dient auch als Unterlage für Blau (§ 65), welohos
erst nach dem völligen Trocknen mit Kleienabsud aufzusetzen ist (§ 68 „Gib
zugleich acht, dass die Mauer ganz trocken ist, wenn du den Azur anwendest»).

Wie wäre es auch anders möglich, dass nach Didrons Bericht (S. £6)
ein Bild von drei Metern Breite und vier Metern Länge, mit zwölf lebensgrossen
Figuren und 2 grossen Pferden durch Q. Joasaph und seine Gehilfen in fünf Tagen
fertig gemalt werden konnte, wenn er nicht die mit Kalk gemischten Farben
benützt hätte? Spezielle Versuche, um zu schätzen, wie lange die Fläche zum
Glätten tauglich ist, haben ergeben, dass sich zwei bis drei Tage die mit
Stroh- und Wergkalk bereitete Oberfläche glätten liess, am dritten Tage nur
mit Zuhilfenahme von Wasser; doch kommt es hier jedenfalls auf die Feuchtig-

29 Ueber die Verwendung des Werges in Italiens früherer Technik der Intonaco-
beroitung und als Beweis, dass diese Manier von den Greci dortbin importiert worden
ist, sei die Notiz des L B. A lberti erwähnt, welche er in seinem Werke, de re aedifi-
catoria, über den Stucco der Alten, der „wie ein Spiegel glänzt» gibt und anführt:
wenn du irgendwo in den Hundstagen oder an beissen Plätzen den Intonaco zu leget»
hast, so zerkleinere aufs feinste alte Taue (Werg) und mische das dem Intonaco bei
(Lib. VI o. IX).

— 91 —

Wrgleioh mit
Mosaikteobnik

keits-Verhältnisse des Steinmauerwerks und die herrschende Temperatur an. H £? r d g ^ U Atho™
Mir will es übrigens scheinen, als ob sowohl der Stroh- als auch der Werg-
kalk, abgesehen davon, dass der reine Kalk dadurch sehr fest an der Mauer
und untereinander haftet, noch wegen seiner grossen Leichtigkeit für
die Kuppelmalerei des byzantinischen Stiles besonders geeignet
ist. Das Werg verhindert dabei das Rissigwerden der Kalkbewürfe
in vortrefflicher Weise.

Insofern die in der Hermeneia verwendeten Mörtelarten mit der in Mapp.
clavio. beschriebenen Angaben (CHI. De multa und COLI. Oonfeotio maltae;
s. S. 26) durch die gleichartige Beimengung von zerkleinertem Stroh nebst
gestossenem Werg zum ersten, und von geschnittenem Werg (Lein) zum
zweiten, grosse Verwandtschaft zeigen, ergibt sich ein weiterer Beweispunkt
für die von mir (Altert. S. 251) erläuterte Ansicht, dass die Preskotechnik
ein Derivat der Mosaiktechnik sein müsste. Ich habe dort nachzuweisen vor
sucht, dass die Mosaiktechnik aus wesentlichen Gründen auf die feuchte
Unterlage angewiesen ist, dass sich die Mosaikwürfelchen nur in dem weichen
Grund festmachen lassen und dass die notwendigen doppelten Aufzeichnungen,
auf der Unterschichte mit roter Farbe als allgemeine Anlage und auf der
Marmoratumschichte zur Aufzeichnung der Details, sich beim Fresko der
Frührenaissance wiederholen. Die Freskomalerei des Athos nimmt von der
Mosaiktechnik auch noch den weichen Grund und macht die Aufzeichnung
mit Farben wie bei dieser. Da aber keine Mosaikwürfel in diesen weichen
Mörtelgrund einzufügen sind, können auch die stärker wirkenden Bindemittel
von Eiklar, Käsekalk oder Leinöl weggelassen werden. Die Entwicklung der
Freskotechnik nimmt in Italien sogar einen anderen Verlauf als auf dem
Athos, wo das tageweise Anwerfen des Mörtels und das Abschneiden der Kon-
turen an den unbemalt gebliebenen Stellen noch unbekannt ist. Im Vergleich
zur Mauermalerei der Hermeneia sind Oenninis Angaben über Freskomalerei
schon viel näher dem Buonfresko der Renaissance; dieser lehrt nur soviel
Intonaco auftragen, als an einem Tage zu bemalen möglich ist, um auf
diese Weise eine grosse allgemeine Unterlage a fresco zu haben, überlässt
aber die feinere Durchführung erst dem Fertigmalen a secco (K. 4 und 77).

Das Auftragen der ganzen zu bemalenden Fläche und das Glätten der- Vergleich mit

O O , , , , , Qntif »ran

selben hat vielleicht noch Anklänge an die antike Manier bei Vitruv und
Plinius, wo es auf glänzende Flächen angekommen ist. Auch Cennini „glättet»
seinen Bewurf mit der Kelle (K. 67), während die späteren Freskanten sogar
die Fläche wieder aufrauhen, damit die Farben besser und leichter an-
haften. So Pozzo, auch der Spanier Palomino (geb. 1563) legt Wert darauf,
eine rauhe Fläche zum Malen zu haben und lässt den geglätteten Intonaco
mit Flachs überstreichen, „damit der feine Sand aufgerührt und die Poren
geöffnet werden, so dass die Farbe besser sich mit der Unterlage verbindet
und leichter darauf gearbeitet werden kann». Bis auf die neueste Zeit hat
sich das Verfahren gleich erhalten. Claudius Schraudolph (gest. 1879) sagt
in seinen Aufzeichnungen über Freskotechnik: Der Grund soll überhaupt
nicht glatt sein, weil er dann schlecht zieht, und die Farben nicht ge-
nügend eindringen. Am besten ist eine Antragscheibe von Holz mit Filz
darauf genagelt». 30

Man ersieht aus dem Wenigen, dass zwischen der Mauermalerei des Athos
und dem späteren Buonfresko doch bedeutende Unterschiede vorherrschen.

Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes und bei dem Interesse, welches
den alten Techniken der Wandmalerei entgegengebracht werden muss, seien hier
die hauptsächlichsten Details nach den Angaben des Athosbuches angefügt:

§ 54. Wie man auf die Mauer malt, und wie man die Mauer-
pinsel bereitet.

Zur Malerei auf Mauern dienen besondere Pinsel; zum Skizzieren
sind solche aus den Haaren der Eselsmähne, des Ochsenknöchels, aus

Späteren

(85)

30 Ueber die s p ä t e r e Freskoteohnik vgl. V. Folge : Fresko und Sgraffito, München 1908.

— 92

Handbuch vom
Berge Athos

Angaben für
Mauermalerei

den gleichen der Ziege und von den Kinnbacken des Maultieres ge-
eignet. Die grossen Grundierpinsel werden aus Schweinsborsten gemacht.

§ 55. Wie man den Kalk reinigt.

Den Kalk bereitet man sich, indem man guten fetten Kalk, der
keine ungebrannten Steine enthält, in einem viereckigen Behälter von
Holz mit Wasser übergiesst, sorgfältig mit einem Haken umrührt, bis
der Kalk hinlänglich aufgelöst ist und nur die Steine übrig bleiben.
Unterhalb des Behälters sei eine beliebig grosse Grube angelegt, in
welche dann die aufgerührte Kalkmilch durch einen unter das Mund-
loch gehaltenen Korb abfliesst, während die Steine zurückbleiben.
Dann lässt man die so in die Grube durchgeträufelte Kalkmilch gut
gerinnen, bis man sie mit der Kelle wegnehmen kann.

§ 56. Wie man Strohkalk bereitet.

„Nimm reinen Kalk und wirf ihn in ein grosses Behälter. Wähle
feines Stroh, nämlich mittelmässiges, nicht zu Staub gewordenes.
Rühre es zum Kalk mit dem Haken. Wenn es zu dicht ist, setze
Wasser hinzu bis zu dem Punkte, wo man ihn zum Arbeiten ver-
wenden kann. Lass das Ganze zwei oder drei Tage stehen und du
kannst den Anwurf machen.»

§ 57. Wie man den Wergkalk macht.

,,Nimm den besten aufgelösten Kalk, tue ihn in einen kleinerem
Behälter. Nimm geschlagenes Werg, das nicht viel Holzteile von dem
Leine hat. Drehe es und falte es, wie um ein diokes Seil daraus zu
machen, und hacke es auf einem Block mit einer Axt, so klein als du
kannst; hebe es gut durcheinander, damit es aufgehe und die Holz-
teile herabfallen. Bringe dann das Werg in ein Sieb und rüttle es
leicht in das Behälter (mit dem Kalke), wo du es mit einer Schippe
oder einem Haken durcheinander rührest. Mache es wieder wie das
erstemal, fünf- bis sechsmal, bis der Kalk so trocken ist, dass er auf
der Mauer nicht mehr reisst. Lass ihn wie den andern stehen, und
du hast so Wergkalk, nämlich die ,,Opsis» (ofyiq, Ansicht).»

§ 58. Wie man eine Mauer anwirft.

Die Wände sind stets von oben nach unten zu bemalen und vor
dem Bewurf ist das Mauerwerk gut anzufeuchten. ,,Ist die Mauer
von Erde gebaut, so kratze die Erde mit einer Kelle soviel ab, als
du kannst, weil sonst, wenn es eine Wölbung ist, der Kalk sich
später ablösen würde. Befeuchte dieselbe dann wieder mit Wasser
und wirf an. Ist es eine Ziegelmauer, so feuchte dieselbe fünf- oder
sechsmal an und mache einen Kalkanwurf zwei Finger dick und mehr,
damit er die Feuchtigkeit halte, wenn du arbeitest. Ist (die Mauer)
von Stein, so befeuchte sie nur ein- oder zweimal und wirf eine
dünnere Lage Kalk an, denn der Stein hält die Feuchtigkeit gut und
trocknet nicht (so schnell). Im Winter mache den (ersten) Anwurf
Abends und den Wergkalk lege den anderen Morgen an. In der
guten Jahreszeit mache, was dir das Nützlichste scheint, und wenn
du den Wergkalk angelegt hast, so vergleiche ihn gut mit der Kelle,
lass ihn ein wenig trocknen und zeichne.

§ 59. Wie man skizzieren muss, wenn man auf Mauern arbeitet.

„Wenn du auf eine Mauer skizzieren willst, so mache zuerst die

Oberfläche ganz gleich. 81 Binde an einen eisernen Zirkel zu einer und

der anderen Seite Holzstäbe, um ihn zu verlängern. Binde einen Pinsel

31 Bei meinen Versuchen hat es sich ergeben, dass die Wergkalklage schon nach
geringem Auftrocknen, infolge des Aufquellens des Wergs bedingt, ziemlich rauh und
ungleich wird; ein gleichmässiges Ebnen der Oberrläcbo ist also sehr angezeigt: dabei
wird durch gelinden Druck schon eine Volumuenverringerung erzielt, und die unter-
halb befindlicbe Feuchtigkeit nach oben geleitet. Ohne diese Zerstörung des schon
nach wenigen Stunden sich bildenden Kalkhäutchens wäre ein Freskomalen niebt
ausführbar. Vgl. m. Versuche Nr. 92 und 93.

— 93 —

an das eine Ende dieser Stäbe, womit du Farbe nimmst, um Masse
anzudeuten und die Nimben zu ziehen. Nachdem du alle Masse an-
gedeutet hast, nimm Ocker und zeiohne mit dem Pinsel zuerst leicht,
dann mache die Skizze mit reinem Ocker. Ist die Skizze nicht ^ut
ausgefallen, so skizziere neu mit hellem Oxy (Caput mortui) m) und
überfahre auch die Nimben. Poliere deren Oberfläche und wende das
Schwarz (vermutlich ist der dunkle Grund § 61 zu verstehen) an;
poliere die Gewandung und lege den Grund (Grundfarbe) an. Suche
schneller als in einer Stunde fertig zu machen, was du polier!
hast, denn wenn du lange wartest, so zieht es Haut und nimmt die
Farbe nicht an, und so nützt es dir nichts. Poliere ebenso (die
Stelle für) das Gesicht; du bezeichnest dessen Umrisse mit der Kelle,
mit einem Steinchen oder mit einem Bein, welches du mit dem Messer
zuspitzest, wenn du eines bei dir hast. Ebenso die Gewänder. Lege
auch den Grund (die dunkle Grundfarbe) auf das Gesicht, skizziere
es und lege die Fleischfarbe auf. ‘Wenn du aber zögerst und es Haut
zieht, so mache es, wie wir dir sagen.»
§ 60. Wie man Mauer weiss macht.

Zum Mauerweiss dient guter, altgelöschter Kalk, der „auf der
Zunge weder bitter noch zusammenziehend schmeckt, sondern wie
Erde». Wenn solcher nicht zu haben ist, so nehme man alten Mörtel
von alten Malereien, kratze die Farben ab und zerreibe ihn. „Wirf
ihn in ein Gefäss, fülle es mit Wasser, lasse ihn sich setzen und
filtriere ihn ein- oder zweimal, bis mit dem Wasser auch das Werg
und das Stroh fortgeht. Reibe ihn dann gut und es wird gutes Weiss.
Wenn du von jenem (Mörtel) keinen findest, so mache es also: Nimm
von demselben Kalk, womit du arbeitest, und lege ihn zum Trocknen
an die Sonne. Dann brenne ihn ziemlich viel im Ofen oder im Feuer;
dann reibe ihn und arbeite damit. Versuche ihn ebenfalls an der
Zunge; wenn er bitter oder scharf ist, wie der andere, womit du
Anwurf machst, so lass ihn, weil er Kruste bildet und sich nicht behandeln
lässt; wenn er nicht bitter ist, sondern wie Erde, so kannst du un-
gehindert arbeiten.» (Vgl. Bianoo-Sangiovanni des Cennini, K. 58,
welches in ganz ähnlicher Weise bereitet wird.)
Diese Sorge des Malers, möglichst alten Kalk zu verwenden, dessen
ätzende Eigenschaften durch die Umsetzung des Kalciumhydrats in kohlen-
saurem Kalk verringert sind, hat insoferne Berechtigung, weil er zur Grund-
farbe schon grünen Lack, also einen Pflanzenfarbstoff nimmt, wie aus § 61
ersichtlich ist. Diese Grundfarbe, bestehend aus grünem Lack, dunklem Ocker,
Schwarz und eben diesem Mauerweiss, hat # auch unter Fleischfarbe gelegt zu
werden. Es ist die nämliche Farbe, mit Propiasmus bezeichnet, die in § 16 aus
,,Grün, was für die Mauern dient» und denselben Farben bereitet wird, wie hier.
Was für grüner Lack (uXaxa rcpo&oivqv) damit gemeint ist, ist aus der Anweisung
nicht ersichtlich; Heraclius K. XXXVII erwähnt einen grünen Farblaok aus
Malven als eine gute Farbe für Wandmalerei (s. S. 39); auch Theophilus verwendet
den grünen Saft (succus sambuci), unser Saftgrün auf der Mauer (K. XV).

Die übrigen Kapitel (§ 62 — 64), welche das Fleischmalen auf der Mauer
behandeln, schliessen sich den parallelen Angaben des Panselinos (§ 16—24)
an, mit dem einzigen Unterschied, dass für Mauer das Kalkweiss, für die
anderen Malarten Bleiweiss genommen wird.

Nach der Anweisung (§ 65, Wie man Lichter auf der Mauer mit Azur
gibt, 32 ) mit welcher § 68, Wie man den Azur auf der Mauer verwendet (mit
Kleienabsud) in Verbindung zu bringen ist, wird in einem Abschnitt § 66
gelehrt: ..Welches die Farben sind, die man auf Mauern anwenden kann, und
welches die sind, die man nicht anwenden kann»:

Handhuch vom
AI hos

MaiKTv. i-iss

53 Diese Anweisung ist eine von denen, die manche Unklarheiten bietet. Welcher
Farbstoff unter Azur zu verstehen ist, „der mit Indigo nebst Mauerweiss gemengt

— 94

Handbuch vom
Berge Athos

Goldgrund

„Das Bilderweiss (Bleiweiss), der Tsinkiari (Grünspan), der Lacbouri
(blauer Lack?), der Lack (Kermeslack, Karmin), der Arsenik (Auri-
pigment.) können auf der Wand nicht gebraucht werden. Alle anderen
Farben können dienen. Nur musst du wissen, dass du den Zinnober
nicht anwendest, um an einem Orte, der ausserhalb der Kirche und
dem Winde ausgesetzt ist, zu malen, weil er schwarz wird, sondern
brauche helles Violett (Caput mortuurn). Wenn du im Innern der
Kirche malest, so nimm Mauerweiss oder eine kleine Quantität kon-
stantinopolitanischen Ocker hinzu und es wird nicht schwarz».
Zur reicheren Auszierung von W andgemälden dienen noch die mittelst
des Wergkalkes zu erhöhenden Heiligenscheine (§ 67 Wie man die Nimben
auf der Mauer erhaben macht) und die Vergoldung derselben. Zwei An-
weisungen hiezu schliessen die Angaben für Mauermalerei ab. Es wird gelehrt,
wie auf Mauern usw. ein Grund für Vergoldung und zwar für Oelvergoldung
angebracht wird und woraus dieser besteht. Obwohl nicht ganz klar ist, was
z. B. unter Soulougeni (Konstantinides: aouXty£vi) zu verstehen ist, so kann
doch kein Zweifel darüber sein, dass damit eine Art Assiso für die Mauer
hergestellt werden soll. Die Anweisung lautet :

§ 6f Wie man den Grund zum Vergolden machen muss.

„Nimm Soulougeni 30 Drachmen, feinen Ocker 3 Dr., Muscheln
(wohl gestossene Schalen) 5 Dr., Tsinkiari (Grünspan) 1 Dr., Weiss 1 Dr.
Reibe alles dies sehr trocken auf einem Marmor, ohne irgend etwas
anderes, sammle es von dem Marmor und lege es in ein Papier; und
wenn du vergolden willst, so nimm davon, soviel du zu deiner Arbeit
brauchst. Oder, wenn du willst, nimm nur trocken geriebenen
Soulougeni; lasse Peseri bis zur Honig- Dichtigkeit koohen und so viel
Farbe da ist, soviel Peseri nimm auch, und rühre es gut mit einem
Holz oder mit dem Finger durcheinander. Bestreiche dann die
Nimben der Heiligen auf der Mauer und vergolde. Du musst eben-
falls, was du sonst vergolden willst, sei es Leder, Glas oder Marmor,
zuerst inwendig und auswendig mit Grund überziehen und dann ver-
golde es. Willst du einen Stein vergolden, so musst du ihn zuerst
einmal in der Luft mit Leinöl sättigen, und lasse es während drei
Tagen trocknen. Bestreiche ihn dann mit Goldgrund und lasse
trocknen, und vergolde darauf. Ist es auswärts, so mache es also;
ist es inwärts, so vergolde mit (Gold-) Leim (oder Knoblauch). Mache
es ebenso auf Kupfer, Eisen und Blei. Was das Tuch angeht, so
musst du es an der Stelle, auf welche das Gold kommt, vorerst mit
Leim sättigen und dann den Goldgrund auftragen ; denn den anderen
Tag ist es hart und lässt sich nicht mehr behandeln/’
Diese und die nächste Anweisung (§ 70. Wie man auf die Mauern das
Gold für Nimben und was man sonst will, legt) sind in jeder Beziehung mit
den Angaben des Lucca-Ms., Mapp. clav., Heraclius etc., was die Oelvergoldung
betrifft, in Uebereinstimmung, so dass es überflüssig ist, nochmals hier näher
darauf einzugehen. Auf den Grund kommt die Oelbeize, Mordant, und wenn
diese etwas angezogen hat, werden die Goldblätter in der üblichen Weise auf-
gelegt und mit dem ,, Stupfpinsel» oder Wollenbällchen aufgedrückt. Sterne
und Goldornamente für Gewänder werden mit dem Pinsel gemalt und ebenso
vergollet; sobald die Beize gut getrocknet ist, wird das Ueberflüssige mit der
Hasenpfote entfernt. Mit Knoblauchgrund auf Mauern zu vergolden, hält unser
Autor nicht für ratsam, weil er später leicht schimmelig wird; es ist das Gold
besser mit Mordant aufzulegen. ,,Hier endet die Malerei auf Mauern» sagt

werden sollte, weil er allein auf der Mauer schimmelig wird», ist zweifelhaft; ist es
der blaue Pfianzenlack (§ 46)? Dieser ist aber unter den Farben des nächsten § 60
als besonders zu vermeiden genannt; auch Indigo ist ein Farbstoff, der auf nasser
Mauer vermieden werden sollte. Wenn aber in diesem Kapitel unter Azur der blaue
Kupferlasur verstanden wird, was wohl das Natürlichste ist, so deckt sich die An-
weisung mit Theophilus K. XV, s. oben S. 51.

— 95

Dionysios, und wir müssen, wie es in der Einleitung besonders hervorgehoben
ist, in allen diesen Anweisungen die Tradition des Panselinos erblicken, dem
in dem Buche ein Denkmal errichtet ist.

Worin bestand oder vielmehr, worin konnte das grosse Verdienst dos
Panselinos bestanden haben, dass seine Nachfolger ihn als allergrossten
Künstler so hoch geschätzt haben? Diese Frage drängt sich uns hier ebenso
auf, wie es im nächsten Abschnitt bei Giotto der Fall ist. Waren seine Re-
formen rein technischer Art, oder hat er in der Bewältigung des künstlerischen
Ausdruckes einen neuen Stil geschaffen? Darüber steht uns kein bestimmtes
Urteil zu, denn die Werke des Panselinos sind weder beglaubigt, noch wahr-
scheinlich irgendwo in den Kirchen des Athos erhalten. Brockhaus (S. 57)
hält die ältesten Gemäldezyklen, die er auf dem Athos gesehen: in der Kloster-
kirche zu Watopedi, dem Protaton zu Karyes und der Nikolauskapelle zu
Lawra, sämtlich für nicht älter als das XIV 7 «. Jh.; am ältesten scheint ihm
der Zyklus im Protaton zu sein. 33 Von Panselinos, der im XII. Jh. gelebt
und gewirkt haben soll, können diese also unmöglich sein. Von Panselinos,
dem glänzenden Stern am Firmament der byzantinischen Kunst, ist uns somit
nichts übrig geblieben als seine Rezepte, die heute noch auf dem Athos gelten
und in hohen Ehren gehalten werden. 34

Eines scheint gewiss, dass Panselinos’ Verdienste sich auf die Art Fleisch
zu malen bezogen haben müssen, denn hier sehen wir seinen Namen mehr-
fach genannt. Der „Propiasmus» des Panselinos (§ 16) und die weiteren
Angaben „von demselben» (§ 17) „über Skizzieren der Augen, der Augen-
brauen und anderer Teile, welche man an den Bildern mit Fleischfarben dar-
stellt», die weiteren Angaben (§ 18 und 19) Wie man Fleischfarben machen
muss, die Bereitung des „Glykasmus» (yXuxaau.6;) und (§22) „über die Art
und Weise Fleisch zu malen» sind direkt seine Rezepte, nach denen die
Mönche sich richteten. Der Grundgedanke, resp. die koloristische Seite dieser
Anweisungen ist die Benützung eines tiefen durchsichtigen Mitteltones
grüner Färbung als Unterschichte, auf welchem dann alle deckfarbigen Töne
der roten Karnation viel weicher und natürlicher zur Wirkung gelangen. Wir
werden nicht fehl gehen, in diesem Prinzip eine bedeutende Neuerung zu er-
sehen, welche nicht nur von Giotto und seiner Schule, sondern von allen
späteren koloristischen Schulen zur Anwendung gebracht worden ist.

Aus der gelegentlichen Angabe für Malerei der Karnation bei Theophilus
(K. III und XV) haben wir geschlossen, dass das Fleisch zuerst mit der all-
gemeinen Hautfarbe (membrana) angelegt und dann erst zur Schattierung das
Grünschwarz (Prasinus) hinzugefügt wird. Dionysios unterlegt aber zuerst
alles mit dem dunklen Grünschwarz (Propiasmus). Das Fleisoh auf der Mauer
malt der griechische Maler genau so „wie an den ganz guten Gesiohtern von
Gemälden» (§ 63), also auf einer Unterlage von Propiasmus. Man kann dies
aus den folgenden Paragraphen ersehen.

§ 16. Ueber die Bereitung des Propiasmus (7ipo7tXaau,6s) des
Panselinos.

„Nimm Weiss, Ocker, Grün, was für die Mauern dient und Schwarz.
Zerreibe dies alles zusammen auf einer Marmorplatte und sammle die

ETandbuoh vom
Berge Athos

Panselinos’
Verdiensie

(SS,

Karnalion

Proplasmua

Ine Eigur aus diesen ältesten Malereien des Protaton. das liegende
i über die Tür gemalt, ist unter dem Titel „

84 Den Schlnss des I. Buches der Hermeneia bildet noch ein Kapitel, § 71. Wie
man ein altes verdorbenes Gemälde wiederherstellt und § 72 eine genaue Anweisung
über die Goldschrift, welche die Amalgamierung von Gold zu Pulver behandelt.

Nota: Für einige Worte der Hermeneia war es mir nicht möglich, eine Erklärung
zu finden: linum, mit welchem die Zeichnung zu macheu ist (§ 26), das bei Haaren
von Greisen über dem Propiasmus angewendet wird (§ 51) und als Grund für Mauer-
blau dienen soll (§ 65); Tzouga, welches bei der Bereitung von Carminlack verwendet
wird (§ 42); Souligeni, das den Grund zum Vergolden bildet (§ 69). Bei dem letzteren
will es mir scheinen, als ob eine Etymologie aus Sou (sopra) und legno, etwa Unter-
lage, Assiso am ehesten der Wahrheit nahe käme. Unter linum (Xivöv) könnte vielleicht
ein gemischtes Grau zu verstehen sein.

— 96 —

Handbuch vom
Berge Athos

(89)

Grlykaamus

Mischung in einem Töpfchen und lege damit den Grund au, wenn
du Fleisch malen willst.»

(Cennini C. 67: „Nimm dunklen Ocker, soviel wie eine Bohne,

und hättest du keinen dunklen, so nimm gut gemahlenen lichten;

gib ihn in dein Gefäss, nimm eine Linse gross Schwarz, mische es

mit dem Ocker; nimm etwas Bianco-Sangiovanni (Kalkweiss), wie das

Drittel einer Bohne und eine Messerspitze lichtes Cinabrese, mische

es mit den vorgenannten Farben zusammen» . . . .)

Die Fleischfarbe selbst (§ l9j besteht aus Weiss, Ocker und Zinnober

(Theophilus K. I. Bleiweiss, gebranntes Bleiweiss und Zinnober; Cennini K. 67.

Weiss und Cinabrese; auf der Tafel Weiss und Zinnober K. 147). Eine andere

Fleischfarbe (§ 20) besteht aus Weiss und gelbrötlichem Ocker allein, gleicht

also der Cenninis vollkommen.

Zwei Teile dieser Fleischfarbe und ein Teil oder weniger
Propiasmus bilden dann den ersten dunklen Mittelton, den Glykasmus
(§ 21), entspricht also etwa dem Prasinus nebst Membrana (K. I u. II) des
Theophilus.

Ueber die Art und Weise Fleisch zu malen, klärt uns § 22 auf;
„Wenn du den Grund gemacht (also mit Propiasmus angelegt hast)
und das Gesicht oder was du sonst willst, skizziert hast (nach § 17
geschieht dies mit Sohwarz und Oxydviolett), so machst du zuerst
das Fleisch mit dem Glykasmus, welchen wir dir vollkommen be-
schrieben haben, und verschwäche denselben gegen die Enden, so dass
er sich von dem Propiasmus nicht unterscheidet. Du tust dann
Fleischfarbe auf die vortretenden Partien, indem du dieselbe mit dem
Glykasmus allmählich verschwächst. Bei Greisen deutest du mit der
Fleischfarbe die Runzeln, und bei jungen Leuten nur die Augenwinkel
an. Trage dann auf dieses Fleisch Weiss mit Vorsicht an, um mehr
Licht zu geben, und lege dasselbe auf die dunkleren Teile, denen du
Licht geben willst. Lege dieselbe (Fleischfarbe) leicht an und das
Weiss ebenfalls. Anfangs leicht und später verstärke die ersten
(Striche) an den stärker hervortretenden Teilen. So macht man das
Fleisch nach Panselinos.»
Es erhellt aus dem Obigen, dass durch diese Art des Fleischmalens auf
dem dunklen Prosplasmusgrund, die Gesamtanlage des gedämpften Mitteltones
(Glykasmus) und das allmähliche Verstärken der Lichtpartien, ohne dass die-
selben bis an den Rand geführt werden dürfen, eine gewisse Weichheit und
Rundung entstehen muss.

Cennini (a. a. 0.), der schon zu seinem dunklen Grundton etwas rotes
Cinabrese mischt, verstärkt deshalb nach dem Skizzieren nochmals die zurück-
tretenden Teile mit einem tiefen Ton, der in Florenz Verdaccio, in Siena
Bazzeo genannt wird. Zuerst trägt er Verdeterra, also grüne Erde auf.
Da er mit Verdaccio alle Umrisse (Nase, Augen, Lippen und Ohren) verstärkt,
so wird dieses Verdaccio einem dunklen Braunrot am meisten gleichkommen,
mithin den Mischungen von Schwarz mit Oxydviolett (§ 17) oder von Umbra
mit Bolus (§ 18) des Panselinos entsprechen (Exedra des Theophilus K. XIII).
In der Mauermalerei folgt der griechische Mönch genau derselben Ord-
nung des Fleischmalens (§ 61—64), beginnt mit dem nämlichen grünlich-
schwarzen Propiasmus und führt die Arbeit in der gleichen Weise durch.
Cennini beginnt auf der Tafel aber gleich mit grüner Erde und etwas Weiss
gemischt, modelliert mit Verdaccio wie auf der Mauer, und übergeht dann
diesen Grund mit den drei verschiedenen Fleischtönen bis zum hellsten Licht
(K. 147). Da Cennini die Freskogrundierung noch einmal mit Tempera
übergeht, so ist er überdies in der Lage, die ganze Skala der grünfarbigen
Untertuschung und der rötliohen Karnation mit deren koloristischer Kontrast-
wirkung, auf welcher dieses System vorzüglich beruht, zur Geltung zu bringen.
Auf diesen Umstand sei schon hier aufmerksam gemacht, weil es als eine
direkte Folge der griechischen Manier des Panselinos angesehen werden muss.

97

Ueherblioken wir zum Schiusa die Resultate der obigen Zusammenstellung, ^?? d ^ uc A7 011

n Berge Atrum

so ergibt sich beim Vergleich der Technik vom Berge Athos mit der des Lucca-Ms.,
welches auf byzantinischen Ursprung zurüokführt, dasa der Gebrauch von
Wachsf’arben zur Malerei beiden gemeinsam ist. Der Fischleim, den auch
Theophilus noch anwendet, ist im Athosbuche nicht mehr genannt. Oele Zu . 8amin » 11 »
und Gel firnisse sind dieselben, wie bei allen späteren Quellen. Die Pictura
translucida auf Zinnfolie fehlt in der Hermeneia, aber die gefärbten Firnisse
sind erhalten. Die Miniaturtechnik ist unverändert die gleiche geblieben.
Von den Vergoldungsarten dient die Glanzvergoldung ausschliesslich für
Tafelmalerei, die Oelvergoldung für Mauer, Stein und Eisen etc. Die Knob-
lauchbeize findet sich auch bei Gennini wieder, ein Beweis, wie sich die
Tradition der „Greci» in den ersten Jahrhunderten nach dem Jahre 1000
erhalten hat; andere Dinge und Materialien, wie Ei und Gummi zur Tempera,
die Bereitung von Farben und Lacken, Vergoldungsarten, Grundierungen etc., (90)
sind wahrscheinlich vom Altertum bis in die spätere byzantinische Zeit über-
nommen worden.

In dem folgenden Abschnitte wird gezeigt werden, wie diese byzantinische
Technik nach Italien verpflanzt, dort festen Fuss fasste, sich zur Vollkommen-
heit entwickelte, und dadurch die Kunst der Frührenaissance in ihren grossen
Zielen unterstützte. 35

Anhang I.

Die Schilderung Didrons (S. 94 der Ausgabe von Schäfer) von der Didronn

Technik der Wandmalerei, die er auf dem Athos zu beobachten Gelegen-
heit hatte, ist so interessant, dass dieselbe hier im Wortlaute wiedergegeben sei:

„Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, dass ich einen Teil dieser Rezepte und
Verfahrungsweisen zusammenfasse, indem ich einige Bemerkungen angebe, die ich
mir darüber gemacht, und die Unterroduug erzähle, welche ich mit dem P. Joasaph,
einem der besten Maler vom Berge Athos, gehabt habe.

Das Folgende ist nämlich die Manier, nach welcher ich in dem Kloster Esphig-
itienu durch den P. Joasaph, durch seinen Bruder, durch einen der ersten Zöglinge,
welcher Diakon und der künftige Erbe des Ateliers war und durch zwei Knaben von
12 und 13 Jahren habe Fresken malen sehen.

Der Portikus der Kirche oder Narthex, den man bei unserer Durchreise malte,
war eben gebaut: er war mit Gerüsten umgeben, um die Fresken in der Höhe des
Gewölbes anbringen zu können. Arbeiter bereiteten im Hofe unter der Leitimg der
Maler den gemischten Kalk, der zum Ueberzuge dienen sollte. Da man zwei Ueher-
züge macht, so gibt es auch zwei Sorten Kalk. Der erste, eine Art ziemlich feiner
Mörtel, wird mit klein gehacktem Stroh gemischt, der ihm oine gelbliche Farbe gibt;
in den zweiten, der von einer weniger groben Qualität ist, mischt man Baumwolle
oder Flachs. Mit dem gelbfarbigen Kalk macht man den ersten Ueberzug; er klebt
besser an der Mauer als der zweite; dieser ist weiss, fein und gibt vermittelst der
Baumwolle eine ziemlich feste Masse; sie ist bestimmt, die Malerei aufzunehmen.

85 Ueber die reichhaltige Literatur zur byzant. Kunstgeschichte vergl. Kruin-
bacher, Geschichte der byzant. Literatur, 2. Aufl., München 1897. speziell für Malerei
und Technik S. 1117 ff. Ein wertvoller Aufsatz „Ein Blick ii/ das Handbuch der
Malerei vom Berge Athos» von Hans Macht, ist in den Mitteil. d. öst. Museums f.
Kunst und Industrie in Wien, X. Jahrg. Heft XI (neue Folge), enthalten.

Das Werk von Buslaev (82 russ. Bilderapokalypson, Moskau und Petersburg 1884)
soll manchen Hinweis auf die Malerbücher Hermeneia, Stoglaff, Podlinnik und deren
Technik enthalten (mir sprachlich nicht zugänglich).

7

Schilderung

— 98 —

Didrons Die Arbeiter bringen also den gelben Kalk und legen auf der Mauer eine Lage

Schilderung von urj g e fähr einem halben Zentimeter 30 auf. Ueber diese Lage breitet man einige
Stunden später ein ‘Häutehen von feinem und weissen Kalke. Diese zweite .Operation
erfordert mehr Sorgfalt als die erste und ich sah den Bruder des P. Joasaph, der selbst
Maler ist, diese zweite Kalklage selbst auflegen. Man wartet drei Tage, bis die
Feuchtigkeit verdunstet ist. Würde man vor dieser Zeit malen, so würde der Kalk
die Malerei beschmutzen, später wäre die Malerei nicht fest und griffe nicht in den
Mörtel ein, der zu hart und zu trocken wäre, um die Farben zu absorbieren. Es ver-
steht sich von selbst, dass der thermometrische Zustand der Athmosphäre, die Zeit,
die man zum Trocknen des Ueberzuges, ehe man malt, lassen muss, verkürzt oder
verlängert.

Ehe der Meistermaler zeichnet, glättet er den Kalk mit einer Spatel. Dann
bestimmt er mit Bindfaden die Dimensionen, welche sein Gemälde haben muss. In
diesem Gemälde, in diesem Figurenfelde misst er mit einem Zirkel die Dimensionen,
welche die verschiedenen Gegenstände haben müssen, die er darstellen will. Der
Zirkel, dessen sich P. Joasaph bediente, war ganz einfach ein Rohr, welches in zwei
gebogen war, in der Mitte gespalten und von einem Holzstüek, welches die beiden
Arme nach Willkür von einander entfernt oder nahe bringt, durchzogen. Der eine
Arm war scharf zugespitzt, der andere trug einen Pinsel. Man kann sich keinen ein-
facheren, bequemeren und wohlfeileren Zirkel machen.

Dieser Pinsel, welcher den Schluss des einen Armes des Zirkels macht, ist in
Rot getaucht; mit dieser Farbe zeichnet man leicht den Strich und skizziert das
Gemälde. Der Zirkel dient besonders, um die Nimben, die Köpfe und die zirkei-
förmigen Partien zu machen, der Rest wird mit der Hand gemalt, welche nichts führt
(91) als einen Pinsel. In weniger als einer Stunde hat der P. Joasaph vor uns ein ganzes
Gemälde gezeichnet, worin Christus und seine Apostel in natürlicher Grösse figurierten.
Er hat diese Skizze einzig aus dem Kopfe gemalt, ohne irgend ein Zögern, ohne
Karton, ohne Modell und ohne selbst die Figuren anzusehen, die schon von ihm in
anderen nahestehenden Gemälden gefertigt waren. Ich sah ihn nie einen Zug aus-
löschen oder bericluigen; so sicher war er seiner Hand. Er fing damit an, die Haupt-
figur, den Christus, zu skizzieren, der in der Mitte seiner Apostel war. Er machte
zuerst den Kopf, dann den Rest des Körpers, indem er herunterfuhr. Dann zeichnete
er den ersten Apostel rechts, dann den ersten Apostel links, dann den zweiten zur
Rechten, dann den zweiten zur Linken, und so symmetrisch fort. Der Maler zeichnet
seine Skizzon, sozusagen, mit gehobener Hand und ohne sich einer Handstütze zu be-
dienen; dieses Instrument, dessen sich unsere Maler bedienen, würde in den Ueber-
zug. der noch feucht ist, und in den Kallc, der noch zu weich ist, eindringen. Ist aber
die Hand zitternd oder ermüdet, so stützt man sie an die Mauer selbst.

Ins Innere dieses roten Strichs, der den TJmriss der Figuren bestimmt, breitet
ein untergeordneter Maler einen schwarzen Grund aus, den er mit Blau hebt, aber in
Flachmalerei, sowie der schwarze Grund selbst. In dieses Feld zeichnet dieser Maler,
eine Art Praktiker, die Draperien und andere Verzierungen. An das Nackte rührt
er nicht; man lässt das dem Meister. Alle Draperien und der Kreiszug des Hauptes
werden vor dem Kopfe, den Händen und den Füssen gemacht.

Der Meister nimmt nun diese angedeutete Figur wieder auf und macht den
Kopf. Er verbreitet zweimal nacheinander eine Lage schwärzlicher Farbe über die
Oberfläche und fixiert strichweise mit einer noch schwärzeren Farbe die Züge der
Figur. Er malt zwei Figuren auf einmal, indem er ununterbrochen von einer zur
anderen geht, um alle Farbe, welche der Pinsel hält, abzugeben; übrigens muss die
Farbe des einen Kopfes Zeit haben, in die Mauer einzuziehen, während der zweite ge-
macht wird. Dann macht er mit Gelb die Stirne, die Wangen, den Hals, das eigent-
liche Fleisch. Eine erste Lage von Gelb deckt die schwarze Farbe aus; eine zweite
macht die Figur hell. Hier ist der passende Grad der Stärke von Bedeutung, und der
Ton muss der rechte sein. Der Maler versucht den Grad seiner Farbe an dem Nimbus,
der gezogen, aber noch nicht gemalt ist, uud der ihm in diesen Verhältnissen zur
Palette dient. — Nach diesen beiden Lagen Gelb, wovon die eine das Schwarze deckt,
die andere das Nackte erhellt, sieht man das Fleisch hervorkommen. Eine dritte
Deckung diesos Hellgelb, dichter als die beiden ersten, gibt den allgemeinen Ton der
Inkarnation. Der Maler macht seine Figur nicht stückweise, sondern ganz auf einmal;
er breitet dieselbe Deckung über die ganze Oberfläche, ehe er zu einer andern über-
geht. Die Augen allein sind ausgenommen; man spart sie bis zuletzt. Dann mildert
er mit Blassgrün das Schwarz, welches er in den schattigen Teilen gelassen, und was
er schon mit Blau belebt hatte. Dann zieht er mit Gelb wieder die Uebergriffe des
Grün zurück. Dieses Grün, welches das Schwarz mildert, gibt die Schatten. Ist das
Fleisch so herausgekommen, so gibt er ihm Leben. Er zieht eine Rosenfarbe über
die Wangen, die Lippen, die Augenlider, um sie zu erhellen und Blut in dieselben
laufen zu lassen. Dann sieht man unter dunklem Braun die Augenbrauen, die Haare
und den Bart hervortreten, und hier hört die Gesichtslinie auf.

36 Nach § 58 hat diese Lage „zwei Finger dick und mehr» zu betragen, eine
dünnere Lage ist nur auf Steinmauer, welche die Feuchtigkeit länger hält, anzubringen.

— 99 —

Die Augen sind noch nicht da; sie sind unter den beiden ersten und allgemeinen Didrons
Deckungen schwarz geblioben; mit dunklerem Schwarz macht or den Stern und mil. Schilderung
Weiss die Hornhaut. Blasses und feines Rosa gibt zuletzt den kleinen leuchtenden
Punkt des Auges; das Augenlicht entzündet sich und die Figur sieht klar.

Die Lippen waren nur angedeutet, der Zug dos Mundes war zu schwarz, der
Maler erhellt und vollendet Mund und Lippen. Dann umgibt er mit einer sehr schwarzen
Linie die ganze Figur, um sie zu erheben. Auch bei uns grub man, besonders in der
romanischen Epoche, um eine gemeisselte Figur herum eine tiefe Linie, um sie schärfer
hervortreten zu lassen.

Dann worden da und dort einige Pinselstnche von Rosa gegeben, um das Lebhafte
dos Rot in gewissen Fleischadern zu mildern und zu verblassen. Dann noch einige Striche
Braun, um den Greisen die Runzeln zu machen. Zuletzt einige Striche verschiedener
Farben, um diesen Köpfen den letzten Ausdruck zu geben und sie zu vollenden.

Zwei Köpfe werden zu gleicher Zeit gemacht, wie ich es bei Joasaph praktizieren
sah; er brauchte kaum eine Stunde für beide. In fünf Tagen hatte Joasaph e : ne Be-
kehrung des hl. Paulus a fresco gefertigt, ein Gemälde von drei Meter Breite und vier
Meter Länge. Zwölf Figuren und zwei grosse Pierde nahmen dies ziemlich ausge-
dehnte Feld ein. Diese Malerei war gewiss kein Kunstwerk, aber sie war mehr wert
als eine solche, welche einen unserer Maler zweiten Ranges sechs bis acht Monate
kostet. Ich zweifle selbst, ob unsere grossen Meister, wenn sie mit einer religiösen
Komposition beauftragt wären, gleichmässiger gut arbeiten würden; in ihren Werken (99)
würden wohl mehr Vorzüge, aber auch mehr Mängel sich finden, als in der Freske
des Berges Athos

Ist das Gemälde vollendet, so wartet man, bis der Kalk fast ganz trocken ist;
dann vollendet man die Figuren. Man bringt das Gold und Silber an Nimben und
Gewändern an; man bereichert die Malereien mit den feinsten Farben, besonders mit
venezianischem Azur und man macht die Blumen und Verzierungen, welche innerlich
die Nimben, die Gewandung und das Feld des Gemäldes ausschmücken sollen. Dazu
ist notwendig, dass die gröberen Farben, deren man sich zum Malen der Figuren be-
dient hat, gut trocken .’-eien, damit sie weder die kostbaren Farben, noch Gold und
Silber verderben.

Ist die Figur fertig, so gibt man ihr einen Namen; ist die Darstellung einer
Person hinreichend vollendet, so tauft man sie und lässt sie sprechen. Ein besonderer
Künstler, ein Schreiber, der allein mit der Schrift beschäftigt ist, schreibt den Namen
der also dargestellten Person in das Feld des Nimbus oder um denselben, er schreibt
auf den Bandstreifen, den die Figur hält, sei sie Patriarch, Prophet, Richter, König,
Apostel oder sonst ein Heiliger, die Legende, wie die Anleitung zur Malerei sie an-
empfiehlt. Ist dies geschehen, so rührt man nicht mehr daran, und Alles ist fertig.

Das ist es, was ich mit der grössten Sorgfalt in der Kirche von Esphigmenu
auf dem Berge Athos beobachtet habe. Während der Maler arbeitete, fragte ich ihn,
und ich schrieb auf der Stelle und wie nach seinem Diktate, was ich gesehen und ge-
hört hatte. Es sind meine Noten von damals, die ich eben abgeschrieben. Man sieht,
dass die Vorschriften der Anleitung auf dem Berge Athos immer beobachtet werden,
und dass man wesentlich nicht daran ändert. Man malt dort fast nie in Oel, weil,
um auf Oel zu malen, wie mir der P. Joasaph sagte, man warten musste, bis der
Anwurf trocken wäre, und da die Farbe nicht in den Kalk einziehen würde, wäre
dies weniger dauerhaft.

Das Prinzip der Arbeitsteilung ist in der Kunst auf dem Berge Athos gebräuch-
lich. Ein Meister im Rühren bereitet den Kalk und wirft ihn an: zwei junge Zöglinge
reiben und verschlammen die Farben. Diese Farben kauft man in Karyes, einer kleinen
Hauptstadt des Berges Athos; man bezieht sie vonSmyrna und Wien, oder sie kommen
aus Frankreich und Italien. Ein Malermeister komponiert das Gemälde, gibt den
Figuren ihre Stellung und zeichnet sie mit Strichen; ein Zögling, der erste oder zweite,
macht die Draperien. Der Meister widmet sich nur den Köpfen, den Füssen, Händen
und dem Fleisch. Ein Zögling, gewöhnlich der zweite, macht die Verzierungen und
legt Gold und Silber an. Ein Schreiber macht die Schrift. Dieser Arbeitsteilung ver-
danken es die hagioritischen Künstler, dass sie in Ermangelung eines Modells, mit der
Kenntnis des Handbuchs so rasch ganz interessante Gemälde liefern.»

100

Anhang IL

Einteilung der Kapitelreihen

des Handbuches der Malerei vom Berge Athos.

(Die Numerierung ist nach Schäfer’s Ausgabe gegeben.)

A. Vorbereitungsarbeiten-,
und Vers:

l Wie man Bilder abdrückt.

2. Wie man die Kohle, womit man
zeichnet, bereiten muss.

3. Ueber die Bereitung der Pinsel.

4. Ueber die Bereitung des Leimes.

5. Wie man den Gips brennt und flüssig
macht.

6. Wie man für Bilder den Gipsgrund
macht.

7. Wie man die Heiligenscheine auf die
Gemälde machen muss.

8. Wie du einen Chlorschluss mit Gips
überziehen musst.

B. Farbenmischung für Karnation und Gewandung.

Grundieren für Malerei

oldung.

9. Wie man einen angeschlagenen Chlor-
schluss vergipst.

10. Ueber die Bereitung des roten Ampoli.

11. Anderes Ampoli.

12. Anderes Ampoli

13. Wie man die Bilder vergolden muss.

14. Wie man einen Chlorschluss vergolden
muss, der noch nicht angeschlagen ist.

15. Wie man einen Chlorschluss vergolden
muss, der angeschlagen ist.

IG. Ueber die Bereitung des Propiasmus
des Panselinos.

17. Ueber dasSkizzierender Augen, Augen-
brauen und anderer Teile, welche man
an den Bildern mit Fleischfarbe dar-
stellt. (Von demselben).

18. Ein anderes von demselben.

19. Wie man die Fleischfarbe machen
muss. (Von demselben).

20. Andere FJeischfarbe.

21. Von der Bereitung des Glykasmus.

22. Ueber die Art und Weise Fleisch zu
malen.

23. Vom Rot (zum Fleischmalen).

24. Von Haupthaaren und Barten.

25. W T ie man der Gewandung die hellen
Farben geben muss.

C. Diverse Techniken.

26. Wie man auf Perlmutter arbeiten muss.

27. Wie man mit Eiweiss auf Tuch malen
muss, damit es keine Sprünge bekom me.

28. Ueber den Grund für Arbeit auf Lein 1 ,
oder wie man den Knoblauch für die
Vergoldung bereiten muss.

I). Bereitung von Oelen und Firnissen.

29. Wie man den Peseri kochen muss.

30. Wie man Pegoula macht.

31. Firnis von Peseri.

32. Anderer Firnis von Santelholz.
33 Naphtafirnis.

34. Von dem gelben Firnis.

35. Firnis von Raki, der in
trocknet. Einschiebung.

36. Wie man alte Bilder waschen muss.

der Sonne

Der erste Teil des Rez. fehlt im Ms.

101

E. Glanzfarbe nebst Vergoldungsarton dazu.

37. Wie man Glanzfarbe machen muss.

38. Wie man Gold auflösen muss.

39. Wie man vergoldete Buchstaben macht.

40. Wio man die Vergoldungen mit
Schneckenspeichel macht.

F. Gold Schrift; Farben für Miniaturmalerei und al

Zwecke.

gemeine

41. Wie man Gold auf Papier anbringt.

42. Wio man mit Krepezi ausgezeichneten
Lack macht.

43. Wie man Bardamon macht.

44. Ueber die Präparation des Zinnobers.

45. Wie man Kügolchen oder Bleiweiss
macht.

46. Wie man den Azur von Tsimarisma
macht.

47. Andere Bereitung- des Azur.

48. Von der Bereitung der Tinte.

4!) Wie man den Zinnober bereiten muss,
um auf Papier zu schreiben.

G. Unterschiede der Techniken. (Glanzfarbe, Bitempera und Oelmalerei,)

50. Wie man moskowitisch arbeitet.

51. Wie man kretensisch arbeitet.

52. Angabe der Verhältnisse des mensch-
lichen Körpers (für alle gemeinsam)

53. Von der Bereitung der Farben des
Naturale, und wie man auf Tuch in
Oel malt. (Oelmalerei.)

IL Mauermalerei.

54

Aideitung der Malerei auf Mauern, d. i.
wie man auf die Mauer malt, und wie
man die Mauerpinsel bereitet.

55. Wie man den Kalk reinigt.

56. Wie man Strohkalk bereitet.

57. Wie man den Wergkalk macht.

58. Wie man die Mauer anwirft.

59. Wie man skizzieren muss, wenn man
auf Mauern arbeitet.

60. Wie man Mauerweiss macht.

61. Von der Bereitung des Mauergrundes.

62. Von der Skizze der Augenlider und
anderer Stellen, an denen man Fleisoh-
tarbe anwendet.

Wie man das Fleisch und den Glykas-
mus machen muss, um auf Mauern zu
malen.

63

64. Wie man das Rot anwendet.

65. Wie man die Lichter auf der Mauer
mit Azur gibt.

66. Welches die Farben sind, die mau auf
Mauern anwenden kann, und welches
die sind, die man nicht anwenden kann.

67. Wie man die Nimben auf der Mauer
erhaben macht.

68. Wie man den Azur auf der Mauer an-
wendet.

69. Wie man den Grund zum Vergolden
machen muss.

70. Wio man auf die Mauer das Gold für
Nimben und was man sonst will, legt.

J. Naohträge.

71. Wie man ein altes und verdorbenes
Gemälde wiederherstellt.

72

Genaue
schrift.

Anweisung: über die Gold-

102 —

II. Cennino Cennini’s Traktat von der Malerei

(93) Die grosse Umwälzung, die wir gewöhnlich mit dem Namen Renais-

sance bezeichnen, geht mit den historischen Ereignissen und mit dem Wachsen
des nationalen Wohles in Italien Hand in Hand. Das Bestreben der Fürsten
und Päpste, durch Prachtentfaltung zu glänzen, der Stolz der durch den Mittel-
meerhandel immer stärker werdenden Städte, das Erwachen des Schönheits-
sinnes und die politischen Verhältnisse sind nur äussere Triebfedern des un-
aufhaltsam mächtigen Fortschreitens auf allen Gebieten der Kultur.

Durch Jahrhunderte in Abhängigkeit von byzantinischer Form und
Manier, gelangte die Kunst durch kraftvolles Auftreten einiger künstlerischer
Persönlichkeiten zur neuen Blüte. Die Morgenröte einer neuen Zeit bricht
an; aus den von den „Griechen» gepflanzten Reisern entwickeln sich die
prächtigsten Bäume auf dem klassischen Boden Italiens.
Giotto’s Dj e grossen Verdienste, die sich Giotto um die Erneuerung der Kunst,

Verdienste & . ‘ _ ° .

durch die weitere Ausgestaltung der Darstellungsweise m der Malerei erworben,
werden von der Kunstgeschichte unumwunden anerkannt, wenn auch Mancher
vor ihm den Boden dazu geebnet hatte. ,,Von Giotto selbst», sagt Burckhardt,
„ging ein Strom der Erfindung und Neuschöpfung aus. Vielleicht hat kein
anderer Maler seine Kunst so gänzlich umgestaltet und neu orientiert hinter-
lassen als er». Die ehemals herrschende „griechische Manier» sah man erst
durch Cimabue und dann durch Giotto’s Hilfe ganz erlöschen und eine neue
erstehen. „Die harten Linien, welche alle Gestalten umgaben, die verzückten
Augen, die Füsse auf den Zehen aufgerichtet, die spitzen Hände, der Mangel
an Schatten und andere Hässlichkeiten jener Griechen sah man verbannt; die
Gesichter bekamen mehr Anmut und das Kolorit Weichheit; vornehmlich gab
Giotto seinen Gestalten schönere Stellungen, den Köpfen grössere Lebendig-
keit und den Gewändern Falten, fand eiuigermassen, wie man Verkürzungen
ausführen müsse und versuchte zuerst die Leidenschaften der Furcht, des
Hasses, der Hoffnung und der Liebe darzustellen. Zugleich gab er seiner
Farbenbehandlung eine gewisse Weichheit, statt dass sie wie früher unbehilf-
lich und roh gewesen war.»

So charakterisiert Vasari in der Einleitung zum II. Buche seiner Vite
Giotto’s Verdienste um die Kunst. 1
Cennini Zu diesen Verdiensten der künstlerischen Auffassung treten noch die

Reformen, welche Giotto in technischer Beziehung hinterlassen und die Cennini
in seinem Traktat von der Malerei ausführlich beschrieben hat.

Cennino Cennini, aus Colle di Valdelsa gebürtig, war ein Schüler des
Agnolo Gaddi, dessen Vater Taddeo (gest. 1366, Agnolo starb 1396) vierund-
zwanzig Jahre in des grossen Giotto Werkstätte arbeitete. Wohl i. J. 1380
trat Cennini bei Agnolo Gaddi, dem zu seiner Zeit berühmtesten Florentiner
Künstler, in die Lehre. Wie es damals üblich war, brachte er die zwölf Lehr-

1 Schorn, Uebersetzung von Vasari, 2. Bd. 1. Abt. S. 10.

— 108 —

jähre in emsigem Fleiss bei seinem Meister zu. Was von der äusserliohen Genoini’s
Kunstweise, d. h. der Technik üiotto’s (1267(?) — 1337) auf dessen Schüler
Taddeo und von diesem auf Agnolo übergegangen und in der überkommenen (94)
Art weitergeübt wurde, hat Oenriini in allen Details niederzuschreiben sich
bemüht. Man hat ihm den Vorwurf gemacht, dass er, den Pfaden des grossen
Reformers folgend, nur dessen äusserliohe Mache schilderte; man muss ihm
aber zu Gute halten, dass die Innerlichkeit der Anschauung sich eben nur
nachempfinden, aber nicht lehren und niederschreiben lässt. Zur Darstellung
des „Himmlischen, Heiligen, Uebersinnlichen, der edlen und geistvollen Aeusserung
der Seelenbewegung, in welcher Giotto und seine Schüler sich bisweilen des
Möglichen erschöpfen», haben die Maler eben doch nichts anderes zu ihrer
Verfügung als ihre Farben und Bindemittel, die Wand- und Holzflächen. Diese
sind ihre Ausdrucksmittel, um, was ihr Inneres bewegt, darzustellen.

Durch die immer grösser gestellten Aufgaben musste sich aber auch
auf diesem Gebiete das Verlangen nach Vervollkommnung geltend machen.
Ursprünglich war Giotto, ebenso wie Giunta und Cimabue, auch technisch den
Vorbildern gefolgt, welche byzantinische Künstler nach Italien brachten. Dass
der erste sich auf diesem Felde nicht mindere Verdienste erworben, zeigt die
Ehrfurcht, mit der Cennini zu ihm aufblickt und die peinliche Gewissenhaftig-
keit, mit welcher er alles notiert, so dass in seinem Trattato durch einseitiges
Hervorheben der rein handwerklichen Mache scheinbar eine Verkennung des
Hauptzweckes der Malerei zum Ausdruck gelangt. Nicht zum Nachteil für
uns, die wir in Cennini’s Werk ein Kompendium des technischen Wissens und
Könnens erblicken müssen, durch das wir imstande sind, auch in den
allerkleinsten Nebensachen der Arbeit des ,,grössten Genius des Jahrhunderts»
zu folgen. Aus keiner einzigen späteren Kunstepoche ist uns ein ebenbürtiges
Werk erhalten, das nur annähernd ein so umfassendes Bild der technischen
Fertigkeiten zu geben imstande wäre, wie dieses, und sein Wert steigt noch
mehr, weil der Name, des „Reformators der Kunst», Giotto damit in Ver-
bindung steht. Nicht Cennini’s Technik und die seiner Zeit allein enthält das
Werk, sondern diejenige der grossen Kunstheroen des XIV. und XV. Jhs.,
von Giotto, Fra Angelico, Menuni bis zu Sandro Botticelli, Benozzo Gozzoli,
Ghirlandajo usw.

Von Cennini und seinem Traktat der Malerei 2 berichtet schon Vasari Traktat der
im Leben des Agnolo Gaddi, dessen Schüler er war, wie folgt:

„Dieser schrieb, als grosser Verehrer der Kunst, ein Buch über die
Methode, nach welcher man in Fresko und Tempera, mit Leim, mit Gummi
und endlich auch in Miniatur malen müsse, und wie man in verschiedener
Weise Gold auflegt; dies Buch besitzt der Goldarbeiter Giuliano zu Siena, der
ein vortrefflicher Meister und ein Verehrer jener Künste ist. Zu Anfang des
Werkes handelt Cennini über die Natur der Farben, der mineralischen sowohl
als der Erdfarben, wie er es von seinem Lehrer gehört hatte; vielleicht da
ihm nicht recht gelang, die Kunst der Malerei vollkommen zu erlernen, wollte
er mindestens wissen, wie man die Farben, das Anmachen, die verschiedenen

2 Cennini’s Trattato wurde zuerst herausgegeben von Tambroni (Di Cennino
Cennini trattato della pittura messo in luco la prima volta con annotazioni dal cavaliere
Giuseppe Tambroni, Roma 182L, nach dem Codex der Ottoboniana (Vatican. Biblioth.l.
Eine Uebersetzung erschien in englischer Sprache von Mrs. M. Ph. Merrifield
(A treatise of painting written by Cennino Cennini in the year 1437, London 1844);
eine ebensolche, nach der Tambronisohen Ausgabe, in französischer Sprache von
Victor Mottez (Paris et Lille 1858) folgte Eine neue Ausgabe, welche ausser der
erwähnten Handschrift noch diejenigen der Mediceo Laurenziana und der Riccardianischen
Bibliothek in Florenz zu Grunde liegt, besorgten die Brüder Milan esi (11 libro delP
arte o trattato della pittura di Cennino Cennini, di nuova pubblicato, con molte correzioni
e coli’ aggiunta di piü capitoli tratti dai codici florentini, per cura di Gaetano e Carlo
Milanesi, Firenze 1859). Dieser Ausgabe entspricht die deutsche Uebersetzung nebst
Noten von Albert Ilg (Das Buch von der Kunst oder Traotat der Malerei des Cennino
Cennini da Colle di Valdelsa, Wien, 1871: Bd. I der Quellenschriften für Kunstge-
schichte und Kunsttechnik d. Mittelalters und der Renaissauce, herausgegeben von
Eitelberger).

._ 104 —

Cennini’s Leime und das Uebergipsen behandelt, und noch andere Dinge, die zu nennen
nicht not tut, weil alles, was jener damals als Geheimnis und als etwas sehr
Seltenes wusste, heutigen Tages ganz bekannt ist. Erwähnen will ich jedoch,
dass er einiger Erdfarben nicht gedenkt, vielleicht weil sie damals noch nioht
gebraucht wurden, wie dunkelrote Erden, Cinabrese (terre rosse scure, il cina-
brese) und einige grüne Glasfarben (verdi in vetro). Später wurden auch ge-
(95) funden die Umbraerde, die gegraben wird, das Saftgelb, die Smalten (giallo
santo, gli smalti a fresco et in olio) zum Fresko und Oelmalen, und einige
grüne und gelbe Glasfarben (alcuni verdi e gialli in vetro), welche den Malern
jener Zeit fehlten. Cennini handelt auch über Musaikarbeit (musaici) und
wie man die Farben mit Oel anreiben müsse, 3 um rote, blaue, grüne
und andere Gründe zu malen; und endlich noch von den Beizen (mordenti),
um Gold darauf zu legen, jedoch nicht um sie bei Figuren anzuwenden (ma
non giä per figure). Dieser Cennini sagt im ersten Kapitel seines schon er-
wähnten Buches, indem er von sich selbst redet, genau folgendes:

„Ich Cennino de Drea Cennini aus Colle di Valdelsa, wurde zwölf
Jahre von Agnolo des Taddeo Sohn aus Florenz, meinem Meister in
der Kunst unterwiesen, die er von seinem Vater Taddeo erlernt hatte,
welchen Giotto über die Taufe hielt, dessen Schüler er vierundzwanzig
Jahre gewesen ist. Dieser Giotto übertrug die Kunst der
Malerei aus der griechischen Art in die lateinische, er-
neuerte sie gänzlich und vervollkommnete sie sicherlich mehr als
irgend einer (rimotö l’arte del dipignere di Greco in Latino e
ridusse al moderno)».
Dies sind die Worte Cennino’s, der, wie es scheint, andeuten wollte, dass
gleichwie solche, die eine Schrift aus dem Griechischen ins Latein übersetzen,
denen, die nicht griechisch verstehen, eine grosse Wohltat erweisen, Giotto
ähnliches getan habe, indem er die Kunst der Malerei aus einer jedermann
unbekannten und unverständlichen (ja man kann sagen als sehr plump er-
wiesenen) Manier, in eine schöne, leichte und gefällige Methode übertrug, die
von jedem, der Urteil und Einsicht hat, als gut erkannt wird».

Von manchen Kunstforschern wird die Ansicht vertreten, dass Cenninis
Worte „Giotto übertrug die Kunst der Malerei aus der griechischen Art in
die lateinische usw.», rein technisch zu verstehen seien. Vasaii ist eigent-
lich anderer Meinung und schreibt, wie wir oben gesehen haben, die Giottosche
Umwälzung mehr dem Abgehen von der hergebrachten Form der byzantinischen
Archaismen und der Begründung eines neuen national italienischen Stiles zu.
In technischer Beziehung hält Vasari daran fest, dass Giotto anfänglich
die griechische Manier beibehalten hat. So schreibt er in K. XX der
Introduzione von Temperamalerei, welche von „Cimabue und vorher bis auf
den heutigen Tag sowohl auf Tafelgemälden, als auch’ auf Mauern von den
Griechen (da greci)» ausgeübt werde, ebenso im Leben des Antonello da Mes-
sina, wie folgt:

„In dieser Zeit hatte man fortwährend auf Holztafeln und Leinwand,
nicht anders als in Tempera gemalt, ein Verfahren, in welchem um das
Jahr 1250 Cimabue den Anfang machte, als er in Gemeinschaft mit einigen
Griechen arbeitete, und welches von Giotto wie von allen beibehalten

3 Die späteren Einwände gegen Vasaris Erzählung von der Erfindung der Oel-
malerei durch Van Eyck nehmen daran Anstoss, dass Vasari aus Cenninis Tiattato
die Verwendung von Oelen zur Malerei hätte ersehen müssen, er mithin nur sehr
flüchtige Kenntnis von Cenninis Buch gehabt habe; hier sehen wir, dass ihm Unrecht
geschieht, denn er erwähnt die Oelmalerei ganz hesonders. Ausserdem berichtet
Vasari von Angaben des Cenn. über musaici, die sich in der Ausgabe Tambronis gar
nicht vorfänden, aber in der Milanesischen unter den angelügten Kapiteln (161 — 178)
enthalten sind. Vasari ist demnach bezüglich des Inhaltes genau informiert gewesen.
Cennini handelt (K. 172) von Musierung und nicht von Mosaik, welche im Italienischen
gleiche Bezeichnung haben (Come si lavora in opera musaica per adornamento di reli-
quie; e del musaico di buccinoli di penna). Dass Vasari oinzelne Teile des Trattato
nur ungenau studierte, zeigen dessen Angaben über die Farben, die Cennini nicht
gekannt hat.

— 105 —

wurde, derer bis jetzt Erwähnung geschehen ist; man beharrte bei dieser < .,»’. i V i » is
Methode, obwohl die Künstler erkannten, dass den Temperamalereien eine
gewisse Weichheit und lyrische fehle, welche geeignet wäre, den Zeichnungen
mehr Anmut, dem Kolorit mehr Reiz zu verleihen, wobei sie auch die Leichtig-
keit vermissten, die Farben ineinander zu vertreiben, indem bis dahin ge-
wöhnlich war, mit der Spitze des Pinsels kreuzweise zu schraffieren.

Wenn Giotto also den technischen Traditionen der Greoi gefolgt ist, so
wird sich auch in Cenninis Traktat nachweisen lassen, in wie lerne er ihnen
gefolgt ist, und es wird sich auch klarstellen lassen, welche von deren tech-
nischen Fertigkeiten dann fallen gelassen wurden. Deshalb soll hier vor
allem in kurzen Zügen versucht werden, an der Hand der Quellen byzan- (9
tinischen Ursprunges, zu zeigen, nach welcher Richtung eine technische Um-
wälzung, die ja neben der künstlerischen eintrat, von statten ging.

Rumohr (11 43) und Hg (Exkurs über d. Oelmalerei S 170) sind der Vergleich mit
-, der hyzant.

Ansicht, dass „Giotto das zähere Bindemittel der griechischen Maler ganz Teohnik

aufgegeben und zu jenem flüssigeren und minder verdunkelnden zurückgekehrt
ist, dessen die älteren italienischen Maler, ehe sie zur griechischen Manier
übergingen, lange Zeit sich bedient hatten», und dass ,, Giotto an Stelle der
byzantinischen Malweise und ölgelösten Harzen das alte Fresko und die
Tempera wieder einsetzte». Es müsste zunächst aber festgestellt werden, ob
diese Oelharzmalerei wirklich, einzig und allein als das Charakteristische
der byzantinischen Technik anzusehen ist? Das älteste Ms., welches byzan-
tinische Technik kennt, das Lucca Ms. und darnach Map]». Clav., erwähnt als
Bindemittel: für Holztafel und für Leinen Wachsfarben, auf Fellen
(Pergament) aber Fischleim (vgl. oben S. 18). Die Oelharzfarbe, d. i. der
farbige Firnis wurde nur auf Zinnfolie zur Pictura lucida, als Schlussfirnis
über Leimfarbe oder als Beize für Vergoldung verwendet. Nirgends ist es
ersichtlich, dass die im Oel gelösten Harze zum Anmischen von Farben ge-
braucht werden sollten oder gebraucht wurden; es kann diese Oelharzfarbe
auch nicht in Betracht kommen, wenn von technischer Neuerung gesprochen
wird, weil dieselbe Manier der Pictura lucida von Cennini beschrieben wird
und auf Nebensachen beschränkt zu verschiedenen Lasuren, Gewändern und
Auszierungen auf Gold- und Silberfolie (K. 143) noch in Gebrauch war.

Untersuchen wir weiter, so zeigt sich, dass von den Leim-Bindemittoln
der byzantinischen Rezepte der Fischleim im K. 108, der Käseleim im K. 112
sich wiederfindet. Die Oelmalerei (Naturale des Dionysios) ist von K. 89 bis
94 bei Cennini beschrieben, und falls wir Ghibertis Erzählung, dass ,,Giottos
Geschicklichkeit sowohl Wandmalerei, Oel- und Mosaiktechnik mit gleicher
Kunst zu betreiben verstand» Glauben schenken, wurde dieselbe gleichfalls
von ihm von den „Griechen» übernommen.

Bei der Frage, welche Technik dann aber Giotto verbannt hat,
um seine grossen Reformen durchzuführen, kann es sich nach dem Obigen nur
um die eine Technik handeln, welche Cenninis Trattato gänzlich un-
bekannt ist, nämlich um die Malerei mit der Wachs- Glanzfarbe (§ 37 d.
Hermeneia), derselben Technik, welche von Giunta Pisano bis Cimabuo haupt-
sächlich neben den übrigen Malweisen ausgeübt wurde. 4 Alle anderen

4 Durch die chemischen Untersuchungen, welche Dr. Giuseppe Branchi,
Prof. der Chemie der kgl. Akad. zu Pisa, an Malereien des Giunta Pisano und seiner
Zeitgenossen ausgeführt hat, ist diese Tatsache zur Evidenz nachgewiesen. Dieselben
sind abgedruckt in Morrona, Pisa illustrata IlJS. 165 ff. Es heisst daselbst, die Unter-
suchung von Malereien des Giunta betreff.: „Der bemalte (abgekratzte) Grund wurde
in zwei Teile gesondert, einer davon in Alkohol gekocht, der andere in destilliertem
Wasser.- Beide Flüssigkeiten behielten ihre Transparenz und nahmen nur eine gelb-
liche Farbe an. Beim Erkalten jedoch schied 1 , sieh bei der ersteren eine weisse ge-
ronnene Substanz, und auf der Oberfläche der zweiten zeigte sich eine ganz feine
Schichte einer dichten wachsähnlichen Masse. Sowohl die eine wie die andere dieser
Substanzen waren nach der Entfernung aus der J-esp. Flüssigkeit und deren Trocknung
nicht brennbar; sie wurden schon bei geringer Erwärmung flüssig und zeigten den
wachsähnlichen Glanz auf dem überstrichenen Holz. Um derartige merkliche Resultate
zu erzielen, ist es nötig, nicht allein das Abgeschabte, sondern den bemalten Grund

— 106 —

Cenniui’s byzantinischen Manieren sind aber inCenninis Buch nicht nur er-
Traktat J .

halten, sondern auch erweitert und vervollkommnet. Die Glanz- und

(97) Mattvergoldung mit Punzierung und Auszierung (Herrn. § 7 und 13; Cenn.
K. 125, 134—138, 140, 142), die Beizenvergoldung für Wand und Stein
(Herrn. § 70; Cenn. K. 139, 151), die Knoblauchbeize (§ 28; K. 153) sind beiden
gemeinsam. Die Angaben über Miniaturmalerei mit Eiklar und Assiso-Ver-
wendung (§ 27, 49; K. 157) finden sich bei Oennini noch deutlicher und in
allen Details wiederholt.

Die Bereitung des Leinöls (§ 29; K. 92), das Malen mit Oelfarben (§ 53;
K. 89 — 94), die Angaben über Firnisse (§ 30, 31, 33; K. 155 ohne genaue
Bereitungsangabe) sind in beiden Ms. beschrieben, so dass man unter allen
Umständen zur Erkenntnis der Uebereinstimmung gelangen muss. Ganz aus-
geschlossen erscheint aber die Annahme, alle diese Kenntnisse wären erst
nach Cenniui’s Zeit auf den Athos gelangt. Die Hermeneia steht eben der
älteren byzantinischen Kunstweise doch viel näher als Cennini, schon die
Wachsmalerei bezeugt dies ganz ohne Zweifel; dagegen mögen allerdings ein-
zelne Dinge arabischen Ursprungs (Firnis von Raki) und der Firnis von Ter-
pentin (Naphthafirnis) aus späterer Zeit stammen, da diese Rezepte Cennini
noch unbekannt sind.

In technischer Beziehung ist aber Cenniui’s M a 1 w e i s e
Cennini’s gegenüber der byzantinischen ein grosser Schritt nach vorwärts;

Mal weise J °

in genügender Monge der Untersuchung zu unterziehen. Diese charakteristischen
Eigenschaften in Verhindung damit, dass der kochende Alkohol seine Durchsichtigkeit
behalten, beim Erkalten aber die gelöste Substanz, i-ich als weisses Coagulum wieder
abschied, zeigt zur Genüge die Anwesenheit von Wachs in dem genannten bemalten
Urund.

Um zu erweisen, ob sich dieselben Resultate auch bei anderen alten Gemälden,
die in Pisa oder Florenz sich belinden, erzielen lassen, wurde an einer grösseren An-
zahl die obige Untersuchung angestellt, aus welcher sich schliessen lässt:

1. Dass alle vollkommen glanzlosen und im trockenen Kolorit, ähnlich der Tempera
gt haltenen Malereien, keine Anzeichen von Wachs ergaben.

2. Dass die bestimmtesten Zeichen dieser Substanz jVne Gemälde ergaben, welche
man der Zeit des Giunta zuschreiben könnte.

3. Dass von dieser Epoche bis zum J. 1360 scheinbar die Dosis des Wachses
nach und nach abnimmt, weil im Verhältnis des geringeren Glanzes, welchen diese
Bilder im Vorgleich mit den vorigen haben, sich auch die genannte Substanz in ge-
ringerer Menge zeigte.

4. Dass endlich diejenigen Bilder, von welchen hier die Rede ist, nicht mit Oel
gemalt sind, weil bei der üblichen Untersuchung eines alten Gemäldes, das nicht mit
fetten Materialien glänzend gemacht war, statt das weisse Gerinsel (coagulum) zu
zeigen und den Alkohol transparent zu lassen, dieser vielmehr sich färbte und trübte,
ohne hernach die frühere Durchsichtigkeit wieder zu erlangen.»

Zu den Dokumenten, welche die Fortdauer der Wachsmalerei bis ins
XIV. Jh. bezeugen, tritt ausser der byzantin. Glanzfarbe, dem Yeau conosite und den
obigen chemischen Untersuchungen noch eines hinzu, welches Della Valle (Storia
del Duomo di Orvieto, Roma 1791 S. 280) namhaft macht. Darnach, rinden sich in den
Rechnungsbüchern des Domes die lulgenden Einschreibungen, nach welchen dem Maler
Andrea Pisano eine gewisse Summe für „cera colla» ausbezahlt wurde, u. zw. i. J.
1845 für „Zinnober, Bleiweiss» und „cera colla» zur Malerei („Pro cinabrio, biacca . Bianco-Sangiovanni (K. 58), Kalk weiss, all gelöschter (kohlensaurer)
Kalk.

26. Biacca (K. 59), Bleiweiss.

Bl a u e F a r b e n :

27. Azzurro della Magna (K. 60), Bergblau, Kupferlasur.

28. Blaue Farbe aus Indigo und Bleiweiss, 00101′ Kalk für Mauern (K. <>l).

29. Azzuro oltramarino (K. 62), echter Ultramarin aus Lapis lazuli.

K. 63 — 66 lehren Pinsel aus Eichhörnchenhaar und Schweinsborsten
zu bereiten.

2. Malerei auf Mauern.

Nach diesen Vorbereitungsarbeiten beginnen die Kapitel, welche die
Arbeit auf Mauern sowohl a fresco, als auch ä secco beschreiben (K. 67 — 102):
K. 67. „Vor allem beginne mit der Arbeit auf der Mauer, ich
werde dich hiezu mit den Regeln bekannt machen, welche man dabei
Schritt für Schritt einzuhalten hat. Wenn du auf der Mauer arbeiten
willst, was die angenehmste und schönste Arbeit ist, so nimm zuerst
Kalk und Kiessand, das eine wie das andere gut gesiebt. Wenn der
Kalk recht fett und feucht ist, so verlangt er zwei Teile Sand, der
dritte ist der Kalk selber. Knete ihn tüchtig mit Wasser ab. und
zwar so viel, dass er dir fünfzehn bis zwanzig Tage ausreicht.»
Der Kalkmörtel soll einige Tage stehen bleiben, so dass ,,das Feuer
daraus entweicht», um ein Springen des Ueberzuges (intonaco) zu verhüten.
Der erste Bewurf wird in zwei Lagen auf die gut eingenässte Mauer auf-
getragen (berappt) und darauf geachtet, dass er eben und auch etwas rauh
sei. Wenn dann der Bewurf trocken ist, so wird je nach der Szene oder
Figur die Zeichnung mit Kohle entworfen, zuerst aber die Einteilung mit drin
Quadratnetz gemacht, indem

,,Du zuerst mit dem Faden die
Mitte deiner Fläche aufsuchst, mit
einem anderen bestimme die Hori-
zontale. Jener Faden, welcher durch
die Mitte geht, um die Horizontale zu
treffen, soll am unteren Endeein Blei
tragen. Und hierauf setze einen
grossen Zirkel, mit der einen Spitze
auf diesen Faden u. beschreibe einen
Halbkreis nach unten, dann setze
den Zirkel auf das Kreuz, welches
in der Mitte sich bildet, und be-
schreibe einen anderen Halbkreis
nach oben, und du wirst auf der
rechten Seite an dem Punkte, wo
diese Linien sich schneiden, ein
kleines Kreuzchen finden, dann
mache es ebenso auf der Linken,
dass die Linie beider Kreuzchen
gemeinschaftlich sei und du wirst
sie horizontal finden.»
Die Angabe ist, so verwirrend auch die Diktion zu sein scheint,
sehr einfach. Die Aufgabe ist, zunächst durch Bestimmung der Horizontalen
und Vertikalen den Umfang des projektierten Gemäldes festzustellen. Man
vergegenwärtige sich, dass der Maler auf dem Gerüste der Kirche hoch oben
unter dem Gewölbe steht, also keinen Anhaltspunkt für die horizontalen Linien
hat, und auch die Wasserwage nicht verwenden kann; er teilt sich die Fläche
durch einen Faden in zwei Teile, setzt an dem gefundenen Mittel einen Faden

Cennini’s
Traktat

Abb. 5

Mauermalerei

Einteilung

mit dem

Uuaiirat netz

(102)

– 112

Oennini’s

Traktakt

Aufzeichnung
auf der Mauer

Kartons oder
Pausen ?

(103)

mit dem »Senkblei an und erhält dadurch die Vertikale; auf diese setzt er
(Abb. 5) mit dein Zirkel hei A ein, beschreibt einen Halbkreis nach unten und
schneidet natürlich bei B die Vertikale; er setzt dann bei B den Zirkel an
und beschreibt den Halbkreis nach aufwärts: so kommen Kreuzungspunkte
a und b zum Vorschein. Die Linie durch a b gezogen ist die gesuchte Hori-
zontale. Mit der Vertikalen und dieser Linie kann er danu sein Quadratnetz
auftragen, wie er will; eventuell kann er auch an den Seiten die gleiche Prozedur
vornehmen, oder die Zirkelschläge bei C weiter fortsetzen. Die Weite der
Zirkelöihiung richtet sich nach der Grösse des Entwurfs, welche als Vorlage dient.

Diese Stelle wird von den gelehrten Herausgebern übereinstimmend als
„ganz unklar» und ,, ausnehmend dunkel» bezeichnet; das einzige, was mir
aber dabei unverständlich scheint, ist, dass sie sich nicht die kleine Mühe
gaben, mit dem Zirkel in der Hand diese einfache Konstruktion zu versuohenl

In das aufgetragene Netz wird dann die Zeichnung nach der kleinen
llandskizze mit Kohle eingezeichnet und fertig komponiert, indem die Striche
mit ein. wenig mit Wasser flüssig gemachten Ocker vorgezeichnet und mit
getemperter Sinopia (d. h. mit Eigelb angerührt) die Aufzeichnung vollendet
wird. Man sieht im Oampo Santo zu Pisa an einem Bilde (Krönung Mariae),
bei dem der bemalte Intonaco abgefallen ist, noch genau diese mit roter
Farbe gemachte Aufzeichnung und die Einteilung des Netzes, ebenso in roter
Farbe. Es fragt sich nun, welchem Zwecke diese im Detail durchgeführte
Aufzeichnung gedient haben sollte, da doch beim Legen des eigentlichen Mal-
grundes von der Zeichnung nichts mehr sichtbar war und durch neuerliches
Aufzeichnen „nach der Ordnung wieder die Fäden geriohtet und gemessen»
werden sollten? Die Ansichten darüber sind sehr verschieden.

Vasari ist der Meinung, dass „diese Art einigen alten Meistern als Karton
diente, um sie in den Stand zu setzen, mit grösserer Geschwindigkeit
zu malen, denn, nachdem sie ihre ganze Arbeit auf dem arriciato (dem Rauh-
bewurf) leicht markiert hatten, zeichneten sie nach einer kleinen Zeichnung
alles, was sie zu malen beabsichtigten und vergrösserten dieselbe, wie sie es
bedurften» (Leben des Simone Memmi). Darnach könnte doch kaum eine
Beschleunigung der Arbeit eingetreten sein, denn sie mussten dann doch erst
die Aufzeichnung verkleinern, um diese dann noch einmal zu vergrössern.

Morrona (Pisa illustr. II S. 224) beschäftigt sich auch mit der Frage,
deren von Vasari gegebene Erklärung ihm nicht wahrscheinlich scheint; er
ist der Ansicht, dass „die Maler die Konturen mit Rot umzogen, und dann
von dieser Zeichnung Pausen abnahmen, welohe den von Vasari erwähnten
Karton bildeten. Dieser wurde dann auf den aus Kalk und feinem Sand be-
stehenden Intonaco aufgetragen und stimmte mit der unten befindlichen Zeich-
nung überein, und wenn dies nicht überall der Fall war, so mag diese Ver-
änderung vom Maler auf dem Karton oder der Wand selbst vorgenommen
worden sein.»

Förster, der bekannte Kenner frühmittelalterlicher Wandmalerei (Beiträge
zur neueren Kunstgesch., Leipzig 1885, S. 218) schliesst sich insoferne an
Morrona’ s Ansicht an, als auch er die Uebertragung der Zeichnung auf durch-
sichtiges Pauspapier annimmt, „obschon Cennini es nicht angibt, da sie sioh
des durchsichtigen Papieres, das sie kannten, auf ähnliche Weise bedienten,
wie wir es tun.»

Nehmen wir vorerst Morrona’s Ansicht als möglich an, so spricht dafür,
dass Cennini (K. 23 — 26) verschiedene Angaben über durchscheinendes Papier
uaita lucida) macht, ,,um die Konturen von dem Papier, der Tafel oder der
Mauer wohl zu erfassen, welche sauber abzunehmen sind», es wird aber bei
der Mauermalerei nichts davon gesagt, dass derartige Pausen verwendet
werden, wie es^ in der Hermeneia (§ 1) ausführlich geschieht. In K. 141 er-
fahren wir allerdings vom Durchstechen der Pausen für Ornamente auf Gold-
indern, die sich öfters wiederholen, und wie aus dem mit Oel getränkten
Pauspapier zu diesem Zwecke taugliche Patronen zu fertigen sind. Für
die Wandmalerei angewendet, müssen wir vorerst daran denken, dass Papier

— 113

in so grossen Stücken mir durch Aneinanderkleben hergestellt werden konnte Connini’s
und es sehr kostspielig war, lebensgrosse Kompositionen auf Papier aufzutragen.
Es bliebe nur die Möglichkeit übrig, dass die Maler ein Stück durchsichtiges
Papier öfters benützten. Derartige Klügeleien haben aber keinen Wert, da
wir uns einfach an Cennini’s Wortlaut zu halten haben, welcher besagt,
dass die Zeichnung eben zweimal zu machen ist; offenbar war damals kein
anderes Verfahren bekannt. Die später üblichen Kartons wurden in Stücke
geschnitten und die Konturen mit einem stumpfen Stil in den weichen Be-
wurf eingedrückt. Nun liesse sich allerdings annehmen, dass bei Cennini’s Art
die Zeichnung wenigstens teilweise durch die eigentliche Malschichte durch-
schimmern könnte, falls man die Kalkschichte sehr dünn und mit sehr wenig
Sand mischt, wie dies auch tatsächlich in ganz nassem Zustande
der Fall ist. Aber da die zweite Schichte in der gleichen Tünche von
zwei Teilen Sand und einem Teil Kalk (della calcina predetta), welche wie
eine Salbe sei, doch nicht genügend durchscheinend sein dürfte, so bleibt «Vuadratnetz
uns nichts anderes übrig, als den alten Malern wirklich die grosse Mühe einer
doppelten Arbeit zuzumuten, zu welcher ja schliesslich Hände genug zur Ver-
fügung waren. Es scheint mir sogar, dass sich Cennini’s Vorgang noch lange
Zeit später erhalten hat, in Fällen, welche der bekannte Jesuitenmaler Pozzo
(geb. zu Trient 1642, gest. 1709) als solche bezeichnet, bei denen Kartons
überhaupt wegen der Wölbung, der Mauer, bei Kuppeln und Nischenbogen
nicht anbringbar sind. Er sagt : ,,An grossen Gewölben und Kuppeln
ist das Netz zur Vergrösserung der Zeichnung zu gebrauchen, besonders
wo der Karton durch die Wölbung nicht anwendbar ist, oder bei unregel-
mässigen Flächen, um eine perspektivische Architektur gerade oder aufrecht
zu machen. Die kleine Zeichnung wird zuerst in Quadrate geteilt, ent-
sprechend den grösseren Quadraten auf der Mauer. So viel Quadrate als
der Maler an einem Tage zu malen gedenkt, werden mit Intonaco beworfen,
dann das Netz neuerdings auf diesem frischen Bewurf markiert und
dieses hat ihm zur Zeichnung der Konturen als Richtschnur zu dienen. Das
unbemalt Gebliebene wird abgeschnitten etc.»

Diese Art ist demnach mit der Cennini’s ganz übereinstimmend; die
doppelte Aufzeichnung des Netzes ist hier notwendig, weil bei gewölbten
Flächen der Karton nicht eben ausgebreitet werden könnte.

Es steht aber diese erste Aufzeichnung auf dem Rauhbewurf noch in
innigstem Zusammenhang mit der Technik der Mosaizisten, welche, wie
bereits mehrfach erwähnt, auf das stückweise Auftragen der feuchten Kitt-
masse (marmoratum), auf tageweises Arbeiten und auf die doppelte Vorzeich-
nung angewiesen waren, da nach dem Erhärten der Kittmasse nicht weiter-
gearbeitet werden konnte. Ich habe auf diesen Umstand und die sich daraus
ergebenden Schlüsse bereits (Maltechnik d. Altert. S. 251) hingewiesen, und
die Ansicht ausgesprochen, dass sich die reine Freskotechnik aus der Mosaik-
technik entwickelt haben könnte, deren Ursprung deshalb später anzusetzen

wäre. Eine Bestätigung dieser Ansicht finde ich in Förster’s erwähnten Bei- Später Beginn

° ° des reineu

trägen zur neueren Kunstgeschichte S. 214. Ueber das technische Verfahren Fresko

bei den Mauergemälden des XIV. Jhs. sagt er: ,, Soweit meine Erfahrungen
reichen, wurde von Giotto und in seiner Schule um 1350 nur auf trockenem
Grund gemalt; um diese Zeit hat man angefangen, ins Nasse zu malen, jedoch
ohne auf diese Weise vollenden zu können und von da an hat man, indem
man immer kleinere Stücke auf einmal zu malen sich vornahm, und in Er-
fahrung gebraoht, dass, wenn die Farbe eine Zeit lang angezogen, man weiter
arbeiten könnte, den Uebergang zur wirklichen Freskomalerei gefunden.»

Auch der Umstand, dass Cenniui eigentlich sehr kleine Partien an einem
Tage zu arbeiten sich vornimmt, z.B. nur den Kopf eines Heiligen oder
einer Heiligen, spricht dafür, dass die Mosaiktradition hier noch nachwirkt;
darüber können wir uns schon deshalb nicht verwundern, weil von Giotto
auch dessen hervorragende Geschicklichkeit bezüglich des
Mosaik ganz besonders überliefert ist (Ghiberti, Vasari).

8

114 —

Cennini’d
Traktat

(104)

Tempera auf
Freskoanlage

Karnation

Tempera-
bindemittel

Dass von Giotto bei Fertigstellung des al fresco Begonnenen der nach-
folgenden Temperamalerei ein grosses Feld eingeräumt wurde, geht aus
mehreren Stellen der Cennini’schen Angaben hervor. So beschreibt er in K. 4
die Reihenfolge der Arbeit auf der Mauer, dass dieselbe zu bestehen habe:
in dem Befeuchten der Mauer, dem Mörtelanwerfen, dem Verreiben, Glätten,
Zeichnen, auf dem Nassen malen, auf dem Trockenen vollenden, mit Tempera
bemalen, Auszieren und Vollenden. In K. 77 bedeutet er, dass jegliche in
Fresko begonnene Arbeit mit Tempera übergangen und zu Ende
geführt werde; ebenso bemerkt er in K. 71, dass, wenn irgend ein Gewand
auf dem Trockenen zu machen übrig bleibt, diese Arbeit nach den Regeln
des folgenden Kapitels, nämlich ä secco zu geschehen habe. 9 Wir sehen also
hier ein in allen Stücken mit Tempera übermaltes Fresko, während beim
Buonfresko der späteren Maler der Hochrenaissance ein Uebergehen des al
fresco Gemalten möglichst vermieden wird. Vasari warnt an vielen Stellen
direkt vor jeder Retouche.

Von der Mischung der Farben zur Karnation für Mauermalerei
(K. 67) ist schon bemerkt worden, dass die byzantinische Art, aus dem
dunkelgrünen Grund herauszuarbeiten, hier beibehalten ist; das Verdaccio
(Bazzeo) dient demselben Zwecke wie der Propiasmus ; die letztere Farbe ist
aber dunkler, weil die Weisse des reinen, nur mit Werg gemengten Kalkes
beim Auftrooknen stärker hervortritt als beim mit Sand gemischten Bewurf
des Cennini.

Die koloristische Aufgabe, die dem Durchschimmern des Grün-Schwarz
bei der Karnation zufällt, darf nicht unterschätzt werden ; es werden zwei
Zwecke damit verbunden, erstens ein Zusammenhalt des Tones, welcher bei
Fresko, dessen Wirkung beim Arbeiten nicht gut vorauszusehen, nötig ist,
und dann die leichtere Erzielung des Ueberganges zum Schatten, indem die
Lichter gegen diesen hin nur abzuschwächen sind. (Ueber die Fleischfarben
vergl. noch im vorigen Abschnitte S. 95.) Anschliessend an Oennini’s An-
gaben, „Ein altes Gesicht zu malen», und „Die Art, Haare und Barte zu
machen», finden sich noch (K. 70) die „Masse, welche der Körper des Men-
schen haben soll, wenn er vollkommen sein soll», 10 und dann noch die An-
gaben, wie Gewänder a fresco gemalt werden (K. 71), bevor die allgemeine
Retusche und Fertigstellung mit Tempera zu geschehen hat. In der Ar-
beitsfolge fügen sich aber hier noch die auf die plastischen Heiligenscheine
und dergl. bezüglichen Arbeiten (K. 126, 130) ein, die auf dem Freskogrund
angebracht werden. Cennini führt diese Kapitel jedoch erst bei den Ver-
goldungstechniken an und gibt vorerst in K. 72 die „Anweisungen, auf
der Mauer in Seoco, d. i. mit Tempera zu malen», welche Farben
für Fresko tauglich und welche zu vermeiden sind. Von dem Tempera-
bindemittel, das zum Anmischen der Farben dient, erfahren wir, dass es
zwei Arten gab, „eine besser als die andere*.

Die erste Art: „Nimm das Klare und das Gelbe vom Ei, darunter
gib einiges von den Wipfeln des Feigenbaumes Abgeschnittene (alcune

9 K. 4: Lavorare in muro bisogna, bagnare, smaltare, fregiare, pulire, disegnare,
colorire in fresco; trarre a fine in spcco, temporäre, adornare, finire in muro. K. 77:
E nota, che ogni eosa che lavori in fresco vuole essere tratto a fine e rittoccato in
secco con tempera. K. 71: Quando hai fatto la tua figura, o storia, lascialo asciugare
tanto, che in tutto sia ben risecca la calcina e i colori ; e se in secco si rimane a
fare nessun vestire, terrai questo modo.

10 Cennini rechnet wie im Athosbuch nach Gesichtslängen, d. h. vom Kinn
zum Haaransatz ein Mass; Didron irrt, wenn er aus der Darstellung des Dionysios (S. 82
der Ausgabe von Schäfer) entnehmen will, dieser hätte Kopflängen gemeint, wo-
durch die Gestalt viel länger erschiene; nach der Beschreibung teilt Dionysios das
Gesicht in drei Teile; Stirn, Nase und Kinn nebst Mund, dann noch die Haare ausser-
halb des Masses eine Nasenlänge; das Mass des Dionysios ist demnach mit dem bei
Cennini identisch. Die 8 2 /s Gesichtslängen für die ganze Grösse sind auch heute noch
das allgemein giltige Schema, Das Gesicht verhält sich zum Kopf wie 3 : 4; wenn
demnach zur Masseinheit der Kopf genommen würde, ergäbe sich fast ‘/ 4 der Gesamt-
länge zu viel. Vergl. auch die Note zu K. 70 bei Hg, S. 163.

115 —

tagliature di cime di fico, d. h. die jungen Triebe), und rühre es gut
untereinander. Dann gib in deine Gefässe von dieser Mischung, massig,
weder zu viel noch zu wenig, wie ein halbgewässerter Wein wäre.»
Mit dieser selben Tempera werden auch alle die Stellen vorher ein-
gesalbt, an welchen mit Tempera ä secco zu malen ist.

,.lch ermahne dich», heisst es dort, ,,dass du anfangs, bevor du
zu malen beginnest und ein Kleid mit Lack oder anderer Farbe
machen willst, ehe du etwas anderes tust, einen gut gereinigten
Schwamm nimmst; habe einen Eidotter samt dem Klaren zur Hand
und gibt dieselben in zwei Schalen reinen Wassers gut gemengt; und
mit diesem Schwämme, halb ausgedrückt, salbe diese Tempera über
die ganze Fläche hin, die du in Secco zu malen hast, und auch mit
Gold zu verzieren. Und dann gehe frei an’s Malen, wie du willst».
Die Beigabe der Feigenmilch ist hier nicht besonders erwähnt, aber selbst-
verständlich, weil sich das Eiklar mit dem Wasser nicht ohne weiteres mischt;
aus K. 90 erfahren wir jedoch den gleichen Vorgang zur Herstellung einer
Unterschichte für Oelfarben auf der Mauer, um der Farbschichte eine festere
Unterlage zu geben. Die mit Eiklar bereitete Tempera ist die stärkere, weshalb
Cennini nicht versäumt, vor zu viel derselben zu warnen, und bemerkt: „wenn
du zu viel dieser Tempera geben würdest, so platzte die Farbe schnell und
bärste auf der Mauer. Sei klug und praktisch».

„Die zweite Tempera besteht gänzlich aus Eigelb, und wisse, dass

diese die allgemeine ist, auf der Mauer, Tafel und auf Eisen. Du

kannst nicht zu viel davon geben, aber sei so klug, die Mitte zu halten.»

Mit diesen zwei Arten von Eitempera werden die einzelnen, schon in

Wasser geriebenen Farben, in dreierlei Mischungen, als Mittelton, Schatten

und Licht in den Gefässen gemischt und zur Malerei verwendet. Was die

Tempera mit Feigenmilch betrifft, so wurden oben deren charakteristische

Eigenschaften bereits erwähnt; nach meinen Versuchen lässt sich mit derselben

vortrefflich arbeiten und ich habe gefunden, dass ausser der schnellen Lösung

des Eierklar und der Eigenschaft des Konservierens noch ein Vorteil dieser

Tempera darin besteht, dass sie nach dem Trocknen gegen Wasser weniger

empfindlich ist, als die Eigelbtempera allein.

In 16 weiteren Kapiteln (K. 73 -88) lehrt dann Cennini verschiedenerlei
Gewänder, Gebirge, Bäume und Gebäude in Wandmalerei auszuführen,
indem er genau angibt, wie diese Dinge al fresco angelegt und ä secco fertig
gemalt werden sollen.

Eigentümlich ist, dass Cennini hier gleich anschliessend von der Malerei
mit Oelfarben spricht, und zwar mit direkter Bezugnahme auf den Gebrauch
bei den Deutschen.

Er sagt K. 89: „Ehe ich weiter gehe, will ich dir anzeigen, wie
man auf der Mauer, oder auf der Tafel in Oel malt, wie es vielfach
die Deutschen in Gebrauch haben (lavorare d’olio in muro o in tavola,
che l’usano molto i tedeschi); und auf ähnliche Art auf Eisen und
Stein. Aber zunächst sprechen wir von der Mauermalerei (raa prima
diren del muro)».
Es scheint demnach, dass die, im Norden nach und nach für Wandmalerei
aufgekommene Oeltechnik einen grossen Ruf genossen haben muss und ebenso
charakteristisch für deutsche Wandmalerei gegolten hat, wie die „Golipharrape»,
die Goldbeize der Hermeneia ; und tatsächlich haben diese beiden auf die
„deutsche Art» bezüglichen Notizen einen technischen Zusammenhang. Cennini
bringt hier gleichzeitig mit der Oelmalerei die für Wandvergoldung so
unentbehrlichen Oel beizen, denn er beschreibt die Wandmalerei, und in der
Reihenfolge der Arbeit hätte jetzt nach dem K. 4 das Verzieren und
Ausschmücken (adornare) der Malerei zu folgen. Er beschreibt mithin die
Oelmalerei, hat aber auch die Beizen im Auge, die ihm für seine Mauer-
malerei viel wichtiger sind. Schon im darauffolgenden Abschnitt (K. 91) wird
die Bereitung des Oeles, das gekocht und mit Firnis gemisoht werden soll,

8-

Cennini’a
Traktat

(105)

Eigelb

< »elmalerei Üelbeizen 116 (Jennini’s Traktat Leinöl (106) Kombinierte Technik Beizen- Vergoldung i. e. zu Beizen geschildert, während das zum Malen taugliche an der Sonne ge- bleicht wird. Acht weitere Kapitel (K. 95 — 102) sind ausschliesslich der Auszierung und Vergoldung der Heiligenscheine, Sterne aus Staniol etc. gewidmet, bei welchen die Beizen eine Hauptrolle spielen. Die Malerei mit Oelfarben war mithin im Süden ebenso bekannt wie im Norden. Die Mischung von Farben mit dem Leinöl, welches in Florenz aufs beste und geeignetste zubereitet wurde (K. 92), geschah in gleicher Weise, wie wir es in der Hermeneia (§ 52) kennen lernten, es werden die Farben- mischungen ebenso vorher gemacht und auf Wänden mehreremale übereinander aufgesetzt, „damit die Farben diok erscheinen». Die Pinsel werden in Oelbe- hältern aufbewahrt, damit sie nicht eintrocknen, genau so, wie es die Hermaneia beschreibt. Ob Oennini die Oelfarben benützt, um an der al fresco begonnenen und ä secco vollendeten Malerei auf der Mauer noch weiter zu arbeiten (finire in muro), ist aus seinen obigen Angaben nicht genau ersichtlich, wohl aber erfahren wir in K. 144, (Wie man auf der Mauer Sammet oder Leinwand und Seide wie auf der Tafel nachbildet), dass er diese kombinierte Manier tatsächlich für bestimmte Dinge verwendet. Er sagt: „Wenn du einen Sammetstofl nachahmen willst, so mache das Gewand in Eitempera, mit welcher Farbe du willst; dann führe mit dem Pinsel von Eichhörnchenhaar das Flaumige aus, welches der Sammet hat, mit Oelfarbe». Wir ersehen daraus, dass bei Cennini die Technik der Tafelmalerei auch in diesem Detail auf die Wand übertragen ist, denn im vorangehenden Kapitel (K. 143) bringt er verschiedene Varianten von Gewändern, die mit Eitempera angelegt und mit Oelfarbe überlasiert werden. Die Oelfarbe dient demnach zur Verstärkung der Temperafarbe, und ebenso wie die Oelbeize zur Vollendungsarbeit auf der Mauer; in einem Falle (K. 98) sehen wir sogar das mit Leinöl geriebene Verderame (Kupfergrün) auf Zinnfolie in derselben Art verwendet, wie in der Lucida-Malerei des Lucca-Ms. und des Theophilus; es dient zur Verzierung der Einfassung auf der Mauer, und dasselbe Grün mit Oel gemischt erscheint auch als Schlussfarbe über Seccomalerei auf der Mauer in K. 150. „In Secco kannst du über den ganzen Grund Verderame mit Oel angemacht, ausbreiten», heisst es daselbst und ich erinnere mich an einzelne hervorragende Wandgemälde, bei welchen dies der Fall ist: In dem Fresko der Geburt der Johanna von Ghirlandajo in Sta. Maria Novella (Florenz), die grosse Wandfläche hinter dem Bett; an dem Wandbilde des Papstes Sixtus IV. von Melozzo da Forli (Vatikan) die den Raum rückwärts abschliessende Fensterwand (im ersten Falle belebt das tiefe saftige Grün die grosse im Schatten befindliche sonst monotone Wand, im zweiten dient es als koloristischer Gegensatz zu dem vielen Rot der geistlichen Gewänder). Mit den Beizen werden nicht nur Flächen, sondern auch die zierlichen Vergoldungen der Ornamente gemacht, indem man diese mit dem Pinsel vor- zeichnet und dann das Blattgold darauf legt. 11 11 Interessante reizvolle Details mit Beizenvergoldung sind an den berühmten Wandbildern des Benozzo Gozzoli in der Kapelle des Palazzo Riccardi (Florenz) zu sehen; alle die Ornamente der Brokatgewänder, des Saum- und Sattelzeuges, die Glorienscheine an den musizierenden Eügelsfiguren, welche diese herrlichen Bilder so berückend machen, sind mit der Beize ausgeführt. Den grossen Wert, den Gozzoli deshalb auf die Goldblätter legt, ersehen wir aus seinen Briefen an Pietro de Medici; so schreibt er, Florenz, 23. Sept. 1459: „Mein Hochzuverehrender 1 Es ist jemand zu mir gekommen, ich glaube, es ist ein Bekannter Eures Pier Franzesco, der 750C Stücke feinen Goldes hat; es ist aus Genua und dort gearbeitet und grösser als unseres um etwas mehr als die Hälfte, er verlangt sechzehn Grossi (Groschen) für 1Ü0 Stück. Ich glaube aber, er wird sie für 4 Lire geben, denn er ist sehr Kaufmann. Ich habe mir überlegt, dass Ihr ein Viertel der Kosten und mehr dabei sparen könnt; wollt Ihr es also, so lasset es mir sagen. Ueberdies meint jener, er könne Euch davon besorgen, soviel Ihr haben wollt. Das Gold ist gut mit Beize aufgesetzt zu werden, so dass ich mir kein andores wünsche» (Künstlerbriefe von Guhl-Rosenberg, Berlin 1880, Nr. 18). Die Kosten für Gold und Ultramarin hatte, wenn es nicht ausdrücklich anders im Vertrage bestimmt war, der Besteller zu tragen, deshalb Gozzolis Anfrage. 117 3. Tafelmalerei des Gennini. (K. 103—156.) Das Malen auf der Tafel bildet bei Cennini den Prüfstein für die gesamte Kunst. Sie sollte zuerst gelernt sein: „Denn sei wohl bedacht, dass derjenige, welcher zuerst auf der Wand und dann auf der Tafel zu malen gelernt hätte, kein so vollen- deter Meister in der Kunst würde, als wenn er von dem Studium auf der Tafel zur Wandmalerei vorgeschritten ist». (K. 103.) Diese Kunst bedarf aber langer Studien und Mühen. „Wisse, dass es nicht ge- schwind gehen wird, dies zu erlernen. Fürs erste wird es zum geringsten ein Jahr dauern, das Zeichnen auf dem Täfelohen einzuüben; dann mit dem Meister in der Werkstätte zu stehen, bis du alle die Zweige gelernt, welche unserer Kunst angehören. Dann mit der Bereitung der Farben anzufangen, das Kochen des Leimes zu lernen, Gips zu mahlen, das Verfahren, mit Gips grundieren zu lernen, ihn zu Reliefs zu bereiten, und zu schaben, zu vergolden, gut verzieren zu können, — durch sechs Jahre hindurch. Und dann zum praktischen Versuchen im Malen, Ornamentieren mittelst Beizen, Goldgewänder machen, in der Wandmalerei sich üben, andere sechs Jahre, immer zu zeichnen und weder an Fest- noch an Werktagen abzulassen» (K. 104). In den nun folgenden Anweisungen geht Cennini wieder ganz systematisch der Arbeitsfolge nach, genau so wie er es bei der Wandmalerei getan; zuerst werden alle Arten von Leimen (K. 105 — 112), Kleister, Kitt, Fisch-, Schnitzel- und Käseleim behandelt, dann wie man die Tafel zurichten soll, wie alle Un- ebenheiten ausgeglichen und ausgekittet und das Holz mit Leim getränkt werden soll (K. 113). Im Verfolg der weiteren Arbeiten des Grundierens wird hervorgehoben, dass „die Oberfläche nioht allzusehr geglättet werde», also eine gewisse Rauhigkeit habe. Es folgt dann eingehend die Art, die Holztafel mit Leinwand zu überziehen (K. 114) und zwar über die ganze Fläche; ein solches Vorgehen dient zweierlei Zwecken, erstens verhindert es das Reissen des Grundes, im Falle das Holz (Pappel-, Linden- oder Weidenholz) sich werfen sollte und zweitens dient die Leinwand als Unterlage für die erste Schichte von grobem Gips (gesso grosso), der sich sonst leicht ablösen würde (vgl. m. Versuchskollekt. Nr. 66, wo die einzelnen Schichten sichtbar sind). Das Ueberziehen der Holztafel mit Leinwand ist sohon bei den Aegyptern im Gebrauch, durch das ganze Mittelalter üblich gewesen, und bei den meisten schadhaft gewordenen Stellen alter Bilder oder Altäre zu beobachten; ich fand Beispiele dieser Art sowohl in Italien, als auch an nordischen Bildern der früheren Zeit. Durch die Nässe des Leimes stehen nach dem Anspannen der Leinwand die Flachsfasern vielfach in die Höhe und deshalb ist angeordnet, vor der Operation des Vergipsens diese Unebenheiten mit der Eisenraspel zu be- seitigen (K. 115). „Dann nimm groben Gips, nämlich solchen von Volterra, 12 welcher gereinigt und wie Mehl gesiebt ist. Gib davon in ein Schälchen voll auf den Porphirstein und verreibe ihn tüchtig mit jenem Leime (Spicchileim, Knochen- und Hautleim K. 109) durch die Kraft deiner Hände wie die Farben. Nun sammle es mit dem Hölzchen (Holz- spachtel), bringe es auf die Fläche der Tafel und fahre mit einem gleichmässigen und genügend grossen Stabe über die ganze Fläche hin, indem du sie damit bedeckst, und wo du mit diesem Holze etwas anbringen kannst, thue es». Cennini’e Traktat Tafelmalerei (107) Grundierung Leinwand- unterlage Vergipsen 12 In Volterra, Provinz Pisa, findet sich Gyps in allen Varietäten von schmutzig, hellgelb bis zum reinsten weissen Alabaster. Vergl. Jervis, Tesori sotteranei doU’Italia. Rom 1889, Bd. IV, S. 321 (Nr. 1151) – 118 Herstellung der Grundierung (108) Oennini’s Tj er Gips soll warm sein, wenn mit demselben auch noch die Zierate, Simse und Blattschmuck der Umrahmung zu übergehen sind, und man bedient sich dazu eines weichen Borstenpinsels. Nach drei Tagen erfolgt das Ab- schaben in den Vertiefungen des Schnitz werkes mit den „Raffietten» (Eisenraspel). 13 Zunächst hat dann das Vergipsen mit feinem Gips (K. 116) zu geschehen: „Dieser Gips (gesso sottile) ist von dem nämlichen (groben), aber gut ein Monat lang gereinigt und in einem Kübel feucht gehalten. Frische ihn alle Tage mit Wasser auf, dass er gelöscht werde, jegliche Hitze entweiche und er weioh wird wie Seide. Schütte dann das Wasser weg, mache Brötchen daraus und lasse sie trocknen. Und von diem Gips verkaufen die Apotheker uns Malern. Man wendet diesen Gips an, um Gold aufzusetzen, Reliefs zu machen und andere Dinge». Es ist der nämliche Gips und die gleiche Bereitungsweise, welche das Athosbuch in § 5 lehrt. Ebenso wie damals kann man denselben auch heute beim Droguisten kaufen und zwar unter dem Namen künstliche Bologneser Kreide, Flugkreide. 11 Mit diesem Gips wird die eigentliche Malfläche zu- bereitet, indem man guten Hautleim (Kölner Leim) in Wasser weicht, in gewöhnlicher Weise siedet und durch ein Sieb passieren lässt. Noch warm, schüttet man in den Leim nach und nach von dem Gips, den man „wie Käse schneidet» oder auf einem kleinen Reibeisen zerreibt, und zwar so viel als der Leim aufsaugen kann. (Nicht umgekehrt, den Leim auf den Gips! Dadurch würden sich Luftbläschen bilden, die als störende Löcher auf der Tafel erscheinen und durch nichts zu beseitigen sind.) Die Art und Weise, wie dann der Gips durch Einstellen des Gefässes in ein anderes mit warmem Wasser warm gehalten wird, damit der Leim nicht stockt, und wie man mit demselben bis zu 8 Schichten übereinander aufträgt, ist bei Connini ausführlich beschrieben. Die Praxis lehrt übrigens bald das richtige Verhältnis des Gipses zum Leime und die beim Auftragen anzuwendende Geschicklichkeit, von welcher das Gelingen des Ganzen zunächst abhängt. Wie überall, gilt auch hier: Uebung macht den Meister. Für kleinere Stücke genügen zwei bis drei Schichten des feinen Gipses, ohne den groben. Die Leinwandschichte kann hier eventuell entbehrt werden. Nach dem Grundieren, „wolches in einem Tage geschehen, und, wenn nötig, um die erforderlichen Lagen zu geben, in der Nacht fortgesetzt werden kann», folgt das Schaben der Tafel (K. 120), wenn dieselbe ohne Einfluss der Sonne mindestens zwei Tage und zwei Nächte getrocknet ist. Zum Schaben bedient sich Connini des breiten Messers (Raffietto), eine Arbeit, die durch Bimstein und Glaspapier heutzutage ebensogut bewerkstelligt werden kann; nur gebe man acht, gleichmässiges und verschieden feines Korn zu nehmen. Die Tafel (oder das Blattwerk) kann dann noch mit einem nassen, gut aus- gerungenen Leinenfleck leicht gewaschen werden, so dass sie „wie Elfenbein» hergerichtet erscheint; dann ist sie zur weiteren Arbeit bereit (K. 121). Im nächsten Kapitel wird dann gelehrt, wie man auf der Tafel die Auf- zeichnung mittelst Kohle, event. für sehr feine Sachen mit dem Silberstift zu machen, aufs feinste die Konturen mit verdünnter Tinte und einem feinen Aufzeichnung Pinsel von Eichhörnchenhaar nachzufahren und wo nötig, zu verschärfen hat; die Kohlenstriohe werden mit dem Federbart entfernt und mit der nämlichen Tinte die Schatten und Faltenzüge angetuscht. „Und so wird dir eine schöne Zeichnung bleiben, welche jedermann in deine Werke wird verliebt machen.» Schaben der Tafel 18 Zur Arbeit des Malers gehörte stets noch die Vergoldung des mit dem Bilde zusammenhängenden geschnitzten Rahmens. DieRaffiette entsprechen unseren heutigen Repariereisem mit welchen unsere Vergolder die Vertiefungen und Verzierungen ausarbeiten. 14 Obwohl der Artikel sehr gesucht ist, sollen in Deutschland sich nur zwei Orte an der Produktion desselben beteiligen, München und Königsberg. Die Vergolder benutzen statt dessen jetzt vielfach Chinakreide (ohina clay), Caolin, Pfeifenton oder Neuburger Kreide, welcbe je nach ihrem Fundorte verschiedene Eigenschaften zeigen. Worin der Unterschied der Plastibilität der diversen Kreidenarten besteht, ist biß jetzt wissenschaftlich nicht festgestellt. — 119 — Nach diesen Vorarbeiten, welche eine sorgfältige Vorzeichnung der ganzen Komposition des Bildes voraussetzen, folgen die Arbeiten, welche zur Vergol- dung gehören, denn die Vergoldung hat stets zu geschehen, bevor zur eigentlichen Malerei geschritten wird; dies gilt als erste Regel und liegt im Wesen der Vergoldung. Die Vergoldung ist auch die Grundlage für die gesamte mittelalterliche Technik der Malerei, denn sie erfordert die aufmerk- samste Behandlung und alles was weiter an dem Gemälde zu geschehen hat, ist der Vergoldung untergeordnet. Die italienischen Maler waren ihre eigenen Vergolder; diese Kunst gehörte zu ihrem Beruf. In späteren Zeiten haben sich die Maler naturgeinäss die Arbeit vereinfacht und nur ihre Tafeln für die Vergoldung vorbereitet. 15 Mit der Vergoldung im Zusammenhang steht eben der Grund und deshalb musste auf diesen besonderes Augenmerk ver- wendet werden. „Die Vergoldung ist ein e Kunst, die wert ist, gelernt zu werden,» sagt der berühmte zeitgenössische englische Künstler Walter Grane, welcher die Kunst der Renaissance zu schätzen gelernt hat. Ohne die Verschiedenheit der Vergoldungsarten zu kennen, sind die alten Techniken überhaupt nicht richtig zu verstehen. Deshalb muss hier näher darauf eingegangen werden. a. Vergoldungstechnik im allgemeinen. Dreierlei Arten von Vergoldung für Malerei werden unterschieden: 1. Die Glanzvergoldung, bei welcher die Oberfläche mittelst des Brunirsteins (Achat oder Zahn) geglättet wird, 2. die Oel- oder M attvergoldung, bei welcher ein derartiges Glätten nicht möglich ist; beiden gemeinsam ist die Verwendung von Blattmetall, d. h. von aufs äusserste fein geschlagenem Metall (Gold oder Silber) und die subtile Vorbereitung des Grundes, auf welchem vergoldet werden soll. 3. Die Anwendung von Gold und Silber in Pulverform, entweder durch feines Verreiben von Metallblättchen oder durch Lösung des Metalles durch sogen. Amalgamierung edler oder unedler Metalle (aurum musivum, argentum musivum, Mussiv-Metall). Diese letztere Art diente stets nur zur Verwendung mit dem Pinsel, bei Miniatur und Goldschrift mit der Feder. Die grosse Reihe von Rezepten für Goldmalerei, welche die alten Quellen bieten, ist zumeist für diese dritte Art bestimmt. Eigentliche Vergoldungen sind aber nur die zwei ersten Arten, welche hier im Hinblick auf die alten Techniken erörtert werden sollen. Ursprünglich hat jede Vergoldung und Versilberung den Zweck verfolgt, einem Gegenstande den Anschein zu geben, als ob er ganz und gar von Gold, resp. von Silber wäre, man hat auch auf jeden Gegenstand, ob er aus Holz, Stein, Eisen, Bronze etc. bestand, das Gold in ganz dünner Schichte aufzusetzen sich bemüht. Die Verwendung des Feuers, um Blattmetall auf einen weniger kostbaren Untergrund zu befestigen, ist so alt als die Goldschmiedekunst selbst; die Anzahl der bezüglichen Rezepte ist Legion ; der Papyrus Leyden, die Bücher der griechischen Alchemisten bis herauf zu den Kunstbüchlein des XVI. und XVII. Jhs. befassen sich ausführlich mit dieser Kunst. Uns hat aber diese Art der Vergoldung (Feuervergoldung) nicht weiter zu beschäftigen, sondern nur diejenige, welche in Verbindung mit Malerei auf Holztafeln oder Bildwerken verwendet wurde. Plinius (XXXIII § 64) weist schon darauf hin, dass Gegenstände, die nicht im Feuer vergoldet werden können, wie Marmor oder Holz, auf der Leuco- phoron genannten Unterlage mittelst des Eies vergoldet werden. A et ius spricht vom trocknenden Nussöl, das den Vergoldern und Enkausten gute Dienste leistet (s. Altert. S. 228 u. 231); wir haben also hier quellenschriftliehe 15 So wissen wir aus Dürers Briefen an Heller, dass er sich der Beihilfe des Vergolders bediente; er schreibt „Und hab’ sie (die Tafel) zu einem Zuberoiter gethaD, der hat sie geweisst, gefärbet und wird sie die ander Wochen vergulden», und zwar ist da nicht das Ueberziehen mit Gold über die ganze Tafel zu verstehen, sondern nur für jene Partien, die sich aus der Zeichnung ergeben: im Dreifaltigkeitsbild z. B. die reichen Goldgewänder, Kronen etc. i ‘iinini’- Traktal Vergoldung (109) Arleu der Vergoldung Feuer- Brgo lduug Aeltester Bericht — 120 Cennini’s Traktat Verschiedene Vergoldungs- arten Goldmalerei (HO) Bereitung des Grundes für Vergoldung Nachweise von dem Bekanntsein des Unterschiedes der beiden Vergoldungsarten zur römischen Zeit vor uns. An zahlreichen Funden der hellenistischen Epoche Aegyptens, aus dem Payüm und der Hawära sehen wir sowohl Glanz- als auch Mattgold angewendet; auch die dritte Art, das Gold mit dem Pinsel aufzu- tragen, scheint vielfach in Verbindung mit den beiden anderen Manieren. Gelegentlich der Besprechung der Mumienbildnisse des ägyptischen Museums zu Berlin (a. a. 0. S. 202) wurde bereits erörtert, dass die plastisch erhöhten Partien mancher Bilder (reicher Hals- und Kopfschmuck, Armreife, Ringe) auf einer Unterlage von Kreide und Leim mittelst des Pinsels aufgetragen wurden und derartige Verzierung ebenso an zahlreichen Mumiensärgen und Mumienmasken der späteren Zeit vorkommt. In dieser Art der Ausschmückung der Gegenstände aus Holz oder auf Leinwand ist der Ursprung der byzanti- nischen Vergoldungsmethoden zu erblicken, welche sich bis in die spätere Renaissancezeit und nach dem gotischen Norden ausbreitete, Der Unterschied der Vergoldungsarten lässt sich übrigens leicht quellenschriftlich weiter verfolgen. Das Lucca-Ms., ebenso die Mapp. clav. unterscheiden zwischen der Vergoldung von Innenwerk und Aussenarbeit; für das erstere dient die Glanzvergoldung, für die zweite die Oelbeize, besonders bei Dingen, die ins Freie gestellt oder getragen wurden (87, operatio exter- niture, s. oben S. 15). Liber sacerdotum (111) kennt die Vergoldung mit Kirschgummi oder Leim, also Glanzvergoldung. Heraclius macht ebenfalls genaue Unterschiede zwischen der Glanzvergoldung (K. XLI) und der Oelbeize (XXI. Auripetrum), welch’ letztere ihm auch als Ueberzug über unechtes Metall dient, wie es die byzantinischen Anweisungen und die Pictura translucida des Theophilus über- einstimmend anführen. Theophilus’ Angaben über Goldmalerei sind überaus deutlich, er verwendet das Gold in Staubform zur Buchmalerei und zwar für die feinen Züge am Rande der Bücher, Buchstaben und Blätter, die Ausschmückung der Kleider und sonstige Ornamente (K. XXXII), er lehrt das Blattgold zu schlagen (XXXIII), die Glanzvergoldung mit Eiklar (XXIV) vollführen; die gefärbte Oelbeize dient ihm zur Goldfärbung von Zinn (XXVI); dieselbe Goldfarbe (pictura aureola) ist endlich im Athosbuche als die Hauptart der Vergoldung, „bei den Deutschen Golipharmpe genannt», bezeichnet, wie dies bereits erwähnt wurde; im Strass- burger Ms. erscheint die nämliche „goldvarwe» wiederholt neben der Glanz- vergoldung und dem Assis (13 und 14). Die Assisa, welcher in der Miniatur- malerei eine grosse Rolle spielt, ist im Neapeler Codex gleichlautend beschrieben und angewendet. Bei Cennini finden wir nun alle diese verschiedenen Vergoldungsarten für jeden einzelnen Fall erläutert, so dass kein Zweifel übrig bleibt, in welcher Weise die eine oder die andere Art angebracht werden soll; es wird deshalb im folgenden von Vorteil sein, die drei Arten der Vergoldungen stets auseinander zu halten. Das allerwichtigste bei der Vergoldung ist die richtige Bereitung des Grundes; je besser geeignet der Grund, desto besser fällt auch die Vergoldung aus. Bei der Glanzvergoldung sind ganz besondere Vorteile und Vorsichts- massregeln zu beachten, die derjenige aus den alten Anweisungen leicht heraus- finden wird, der sich nur einigermassen mit der Vergoldertechnik zu befassen Gelegenheit hatte. 16 Zu diesen Vorbereitungsarbeiten gehören neben der Zubereitung der Holz- tafel und der zu vergoldenden Teile, wie es oben geschildert worden (Leimen, Ueberziehen mit Leinwand, Grundieren mit gesso grosso und gesso sotile, 10 Welche Menge von Arbeit und Umsicht nötig ist, um eine Vergoldung nach allen Regeln vollständig zu beendigen, kann man aus der Zusammenstellung ersehen, die sich in Watin, L’Art du Peintre, Doreur, Vernisseur, Paris 1753, verzeichnet findet. Danach bestehen die Arbeiten des Vergoldens aus folgenden 17 Operationen: 1. Encoller. 2. Appreter de blanc, 3. Reboucher et Peau-de-cbienner, 4. Poncer et adoucir, 5. Reparer, 6. Degraissir, 7. Presler, 8. Jaunir. 9. Egrainer, 10. Coucher d’assiette, 11. Frotter, 12. Dorer, 13. Brunir, 14. Matter, 15. Ramender, 16 Vermeilloner, 17. Repasser. 121 – Schleifen), nach der Aufzeichnung noch die Herstellung aller Ornamente, sowohl der erhöhten Heiligenscheine, Blumen und Schmuckteile, entweder mit Hilfe des Pinsels (K. 124), oder die Anbringung von Reliefs mittelst der Formen (K. 125); hieher gehört noch die Art, Reliefs von der 8 te inform, durch Eindrücken von Zinnfolie und Ausfüllen der Abdrücke mit Gips (K. 128) zu machen, wie es auf manchen alten Bildern in den Uffizien, selbst noch bei Bildern des Pinturicchio (Vatikan), am schönsten jedoch auf Werken Vivarinis, und der frühen Venezianer zu sehen ist. 17 Das Vertiefen der Ornamente mit dem Raffietto (Repariereisen) hat ebenfalls noch im Vorbereitungsstadium zu geschehen. Für Glanzvergoldung sind ruhige Flächen geeigneter, dieselben erscheinen nach dem Brünieren tief dunkel, so dass alle mit der Rosetta oder Stampa (Punzen) gemachten Zierraten hell darauf erscheinen; für Oel- oder Mattgold Vergoldung ist jede ornamentierte, erhabene oder vertiefte Fläche gleich geeignet, ein Glätten derselben aber nicht tunlich. Cennini folgt in seinen Anweisungen für Vergoldung (K. 123 — 143) genau der Ordnung der Arbeit; auch die eingeschobenen, der Mauervergoldung ge- widmeten Kapitel (K. 126, 130) haben hier folgerichtig ihren Platz gefunden, weil es sich um Vorbereitungsarbeit handelt. Bezüglich der Vergoldung der Tafelbilder versäumt es Cennini nicht, die Konturen mit der Nadel zu vertiefen, an den Stellen nämlich, wo die Vergoldung an die Malerei stösst, um die Zeichnung nicht zu verlieren, wenn die Glanzvergoldung über die Konturen übergreifen sollte. Er vereinfacht sich aber die Arbeit, indem er nicht die ganze Fläche vergoldet, wie die byzantinischen Maler (§ 13 der Hermeneia). K. 131 und 132 lehrt das Ueberziehen der zu vergoldenden Stellen der Tafel mit dem roten Bolus (nebst Eierklar), welche Mischung auch heute noch (mit geringen Varianten) zum gleichen Zwecke dient. Der jetzt in Handel erhältliche Bolus (sogen, französ. Boliment) ist in seiner Zusammensetzung dem von damals sehr ähnlich, er enthält nebst dem Bolus noch Fett oder Seife, denn eine gewisse Fettigkeit ist wegen der Gefahr des Springens nötig. Bei der byzantinischen Manier ist diese Fettigkeit bereits im Grunde enthalten ; Oennini erkennt auch diese Notwendigkeit, indem er sagt (K. 111): „Gips, welcher Gold halten soll, erfordert Fette», aber es scheint, dass ihm die Fettigkeit des feinen armenischen Bolus genügte, denn er gibt keine beson- deren Anweisungen (vgl. Hermeneia § 10 — 12). Wesentlich zur Erzielung des Glanzes bei Bolusgrund ist die Fettigkeit des Bindemittels in Verbindung mit Eiklar, das die Glättung ermöglicht. Die älteren Maler verwandten zum gleichen Zwecke statt des roten Bolus die grüne Erde, welche von Natur aus fett ist (K. 133), aber bei sehr fein geschlagenem Golde wirkt der rote Grund noch hindurch und steigert die Wirkung des Goldes. 18 Heute wird vielfach graues Boliment zur Glanzvergoldung genommen, ein Beweis, dass die Farbe desselben von nebensächlicher Bedeutung ist; die mittel- alterliche Kunst kennt aber ausschliesslich den roten Bolusgrund für Goldunterlage. Mit dem Bolusüberzug sind die Vorarbeiten bis zum eigentlichen Auflegen des Blattmetalls beendet; es folgen die weiteren Arbeiten zum Auflegen und zum Glätten selbst (K. 134—138). Das Blattmetall spielt natürlich dabei die Hauptrolle; es soll gleichmässig fein geschlagen sein; zur Glanzvergoldung 17 Vergl. m. Versuchskollektion Nr. 69—71 (Fig. 6) nach Jacobello, Crivelli, Zeitbloom und Nr. 41 nach einem byzant. Vorbild. Durch den engen Anschluss der englischen Praeraphaeliten an die Kunst des Quattrocento, auch bezüglich der Technik, ist die Manier, mit dem Pinsel erhöhte Ornamente und Verzierungen auf Bildern und für kunstgewerbliche Zwecke zu verwenden, jenseits des Kanals unter der Bezeichnung „GessoPainting» wieder in Aufschwung gekommen. Vielen Besuchern der Münchener Jahresausstellung 1894 wird ein Bild von Burne Jones, „Perseus und die Graeen», in Erinnerung sein, bei welchem die Gewänder der Frauen in Glanz vergoldet, die Rüstung des Perseus in Glanz versilbert waren. S. auch den interessanten Artikel von Walter Crane in Bd. I, S. 45 der englischen Zeitschrift „The Studio» 1893. 18 Vergl. m. Versuche Nr. 47 auf Terra verde- Vergoldung, und Nr. 49, 59, 70 Glanzvergoldung auf Bolusgrund. Zu bemerken ist noch, dass die tiefrote Farbe des Bolus in späterer Zeit (Bolusmaler) als Stimmgabel für das Kolorit gute Dienste geleistet hat. * lennini’s Traktat Relief h mit dem l J inse uuti dem Model Kaffietto und Stain i ia Kontur mit der Nadel (111) Ueberzug mit Bolus Gl’ättimg des BoluBgrundes 122 Cennini’s Traktakt Handwerkzeug für Vergoldung Die reiohe Manier (113) Beizen- vorgoldung dient das stärkere, wovon man 100 Stück aus einem Dukaten herstellte, während für Mattgold (mit den Beizen aufzusetzen) 145 Stück geschlagen wurden (K. 139), 19 das letztere war also um die Hälfte dünner; Cennini empfiehlt übrigens bei besonders schönen Arbeiten die Lagen zwei- und dreimal zu geben. Das Handwerkzeug für Vergoldung, welches Cennini beschreibt, ist das gleiche, wie es heute noch im Gebrauch ist, nämlich das sogen. Ver- golderkissen, ein ebenes Brett in Ziegelgrösse, darauf feines Leder gespannt, dessen Zwischenraum mit ein wenig Scherwolle ausgefüllt ist. Auf dieses Kissen schiebt man vorsichtig ein Stück Blattgold, ohne es mit dem Finger zu berühren, breitet es duroh geschicktes Anblasen etwas aus (das erfordert ein wenig Uebung!) und schneidet mit einem besonderen Messer das Gold in Stückchen, wie man sie braucht. Mit einem sogen. „Ansohiesser», dessen lange Pinselhaare nebeneinander zwischen zwei Kartenblätter gereiht sind, und den man leicht an den Haaren oder der Backe abstreift (wodurch das Anhaften des feinen Metallplättchens bewirkt wird), nimmt man nun sachte das Gold Stückchen für Stückchen und legt es auf die vorher mit verdünntem Eierklar oder mit Wasser gemischtem Branntwein eingefeuchtete Stelle. Die Uebung allein lehrt am besten, wie zu verfahren ist, und wie das Aufdrücken mit dem Wollenstückchen, das Anhauchen, Abkehren des nioht haftenden Goldes, das Glätten, zu geschehen hat. Schliesslich dienen Rosetta und Punzen verschie- dener Form dazu, um die Ränder der Heiligenscheine zu verzieren und die glänzende Goldfläche zu beleben (K. 140). „Diese Manier ist eine der schönsten Techniken, die wir besitzen», sagt Cennini, und viele Bilder der Zeit beweisen, dass er Recht hat. Man betrachte Bilder von Filippo Memmi, Fra Beato Angelico, Lorenzo Monaco u. a. ! Auch werden noch die überaus reichen Gold- und Brokatgewänder, sowie alle Goldarbeit (K. 141 — 144) fertig gemacht, bevor man zur Malerei selbst übergeht. Ein wahres Schatzkästlein solcher Brokatgewänder, welche teils mit Hilfe von Pausen, durch Ausheben des Grundes und Vertiefen mit der Rosetta hergestellt werden, sieht man auf dem Bilde der Anbetung der Könige von Gentile da Fabriano (Florenz, Aoademia), auf den genannten Bildern von Lorenzo, Fra Beato Angelico und vieler anderer in den Galerien der Uffizien (Florenz), der Galerie Vannucci (Perugia), in der Brera (Mailand) u. a. Versuche nach Cenninis Angaben hatten das beste Resultat; die Variationen sind natürlich unbegrenzt; als Bindemittel für die Arbeit auf Glanzgold dient hier Eigelb; bei schillernden Gewändern auf Gold oder Silber werden Oelfarben mit Lacken oder Grünspan verwendet. In der späteren, geläuterten Zeit der Frührenaissance, des Ghirlandajo (1449—1494) oder Botticelli (1447 — 1510), kommen alle diese stark ans Byzantinische erinnernden reichen Goldauszierungen ganz ab, das Gold wird auch vom Hintergrund verbannt, um der Landschaft zu weichen ; es dient dann nur mehr für Heiligenscheine und wird zu Saumverzierungen mit der Beize aufgetragen; nichtsdestoweniger hat sioh diese Art von Gold- und Sil- bergewändern im Kunstgewerbe bis auf den heutigen Tag erhalten. Die allzu bunten und vielfach roh gefertigten, aus Holz geschnitzten Mohren, die in Venedig bis zum Ueberdruss in allen Kaufläden zu sehen sind, zeigen die- selbe Technik, die Cennini als besonders köstlioh beschreibt; sie ist in der sog. Staffiermalerei, zur Ausschmückung der Schnitzereien durch das ganze Mittelalter in Anwendung geblieben. Die zweite Art der Vergoldung mittelst der Beizen (frz. mor- dants, engl, seize) wendet Cennini dort an, wo die Glanzvergoldung ungeeig- net ist; bei kleineren, mit dem Model gearbeiteten Ornamenten und den mit dem Pinsel gefertigten Erhöhungen auf der Tafel (K. 124, 125.). Zur Vergoldung dient hier ausschliesslich die Oel Vergoldung (K. 151). Das Verfahren ist ganz einfach: Die Gegenstände, d.h. der zu vergoldende 19 Vasari bekam 435 Stück von 3 Dukaten, also soviel wie Cenini. Heute werden 1200 Blättoben aus der gleichen Quantität geschlagen. Uebrigens sind derartige Ver- gleiche ungenau, weil es auf die Grösse der einzelnen ßlättchen ankommt, wie aus dem bereits zitierten Brief des Gozzoli zu ersehen ist; s. oben S. 116. — 123 Abb. 6. Vergoldungsarten des XV. Jh, (Versuchs-Kollektion Nr. 69— 71,) 124 — (114) Eidotter (115) Teil wird so vorbereitet, wie bei der Glanzvergoldung, erhält ebenso seine Ueberzüge mit ßolusgrund und, wenn der Untergrund Mauerwerk oder Stein ist, eine Lage von Oel. Die Beize, deren Bereitung aus gekochten Oelen und Firnissen mehrfach in den Quellen genannt wurde, wird über den zu vergol- denden Teil gestrichen und soweit trocknen gelassen, dass die Oberfläche ge- rade noch ein wenig klebrig ist; darauf folgt das Auflegen der Goldblätter, die mit weicher Wolle oder geeignetem gestutzten Haarpinsel fest gedrückt werden. Nach dem völligen Trocknen entfernt man das Ueberstehende und das Ganze ist fertig. Ein leichter Ueberstrich von dünnem Leimwasser wird vielfach angebracht, um das nicht genügend haftende Gold zu befestigen. Von einer Beschleunigung der Arbeit durch Grünspanbeigabe zur Beize be- richtet Cennini in K. 152; von einer Knoblauchbeize, die wir in der Hermeneia kennen gelernt, handelt K. 153; dieselbe dient hier für Tafel, Eisen oder Wände, wenn ein Firnis noch darüber gelegt werden kann. In Bezug auf die Vergoldungsarten ist noch zu bemerken, dass alle Glanz- vergoldung vor der Malerei zu geschehen hat, während die Beizenvergol- dung nach der Fertigstellung der Malerei anzubringen ist. Demnach sind die Kapitel über die Oelvergoldung nach den die Tempera-Malerei behan- delnden Kapiteln angeführt. b. Malerei mit Tempera. Der eigentlichen Malerei mit der Ei-Tempera, dem bevorzugten Binde- mittel des Quattrocento, sind bei Cennini nur sechs Kapitel (145—150) ge- midmet. Naohdem die umständlichen Vergoldungsarbeiten vollendet sind, ge- langt der Maler endlich zum Malen selbst, was, wie unser Autor sagt, „Sache eines feinen Mannes ist und mit Sammet am Leibe betrieben werden kann, nach Belieben». Die Tafelmalerei ist genau so beschaffen wie die Malerei ä seeco auf Wänden nur mit folgenden Ausnahmen : „Erstens sind die Gewänder und Häuser (Hintergrund) stets früher als die Gesichter zu malen, zweitens sind die Farben stets mit gleicher Menge von Eigelb zu vermengen, und drittens sollen die Farben fei- ner und besser gerieben und (flüssig) wie Wasser sein». Die Gewänder werden, wie auf der Mauer, mit dem tiefen Mittelton be- gonnen, und die Lichter und Halbschatten aufgetragen, indem immer sanft gegen den Rand hin verwaschen wird, und zwar mit Tempera von Eigelb. Für Karnation ist die Untertuschung von zwei Lagen der grünen Erde (Verde- terra), mit etwas Bleiweiss gemischt, vorgeschrieben. Die hellen Fleischtöne werden dann mit Zinnober, statt des Oinabrese auf der Mauer, gemischt und als dunklerer Uebergang wird das Verdaccio (s. oben S. 114) gebraucht; doch nicht „so sehr, dass du den Schatten (mit Verdaccio) zu sehr überdeckest», auch ist darauf zu achten, dass bis zu einem gewissen Grade „das Grün, welches dem Fleischton zugrunde liegt, ein wenig durchscheinend sei». In der Tat kann man an allen Bildern dieser Zeit das Grünliche in den Schatten durchschimmern sehen (vgl. auch m. Versuche Nr. 67 und 68). Bezüglich des Eidotters wählt Cennini für Karnation den hellen Dotter der Stadthenne, 20 denn bei dem oftmaligen Uebergehen und Verwaschen des Fleisches, das „auf der Tafel ein häufigeres Grundieren als auf der Mauer erfordert», könnte die gelbe Farbe des Dotters sich unangenehm bemerkbar machen. Dieses häufigere Grundieren auf der Tafel gegenüber der Wand kommt daher, weil auf der Wand schon eine Freskogrundierung vorhanden ist, auf der Tafel aber die Weisse des Grundes durch die dünneren Farb- lagen durchscheint. Koloristisoh genommen, hat Cennini durch diese Manier 20 Die Farbe des Eidotters ist bedingt durch die Nahrung der Hennen; die Stadthennen, welche gleichmässige Körnerfrucht, Hafer, Hirse und dergl. erhalten, haben helleren Dotter als die Landhennen, welche sich frei auf Wiesen und Feldern bewegen und allerlei Gewürm. Insekten usw. auflesen; aus diesem Grunde sind die Dotter von Enteneiern stets dunkler gefärbt. — 125 — die Möglichkeit, auf der Mauer die Karnation zweimal in allen Abstufungen herauszuarbeiten, auf der Tafel bietet sich ihm hierzu nur einmal Gelegen- heit : hingegen ist er sich sehr wohl bewusst, dass er durch das Hinsetzen eines möglichst leuchtenden Rot (Lack) eine Stimmgabel für das Weiter- arbeiten hat, und das Malen des Fleisches dadurch erheblich erleichtert wird. Rot als Kontrast wird auch das Fleisch woniger monoton erscheinen lassen und zwingt den Maler, in dem grünlichen Mittelton alle Abstufungen durch- zuführen, die eine gute Modellierung erheischt. Abb. 7. Versuche in Temperatechnik nach Cennini’s Trattato. (Nr. fi4— 68 der Versuchs- Kollektion) Cennini gibt auch weiters an, wie allerlei Gattungen von Gewändern, azurne, goldene und purpurne zu machen sind (K. 146), auf welche Weise Haar und Barte, verwundete Menschen und die Wunde (K. 149), und wie schliess- lich allerlei Dinge, „Gewässer, ein Fluss mit oder ohne Fische auf der Tafel oder der Mauer» gemalt werden. Es wird hier, wie schon oben angedeutet wurde, nach der Tempera noch die Oelfarbe zu Hilfe genommen, um die letzten Effekte zu erzielen (s. S. i ib). Zu diesen letzten Effekten gehören noch die schon besprochenen Vergoldungen mit der Beize, welche mit dem Pinsel aufzutragen sind, und auf welche dann das Blattgold aufgelegt wird. 21 21 Von Temperamalern in der Manier, die Cennini beschreibt, seien die folgen- den erwähnt, welche in der Galerie der Uffizien zu Florenz mit hervorragenden Wer- ken vertreten sind: Giotto 1226—1337; Simone Martini 1285-1344; Lippo Memmi loV7; Andrea Orgagna 1308-1368; Agnolo Gaddi 1333-1396; Niccolo di Piero Genni 1368 bis 1415- Bicci di Lorenzo 1350-1427; Lorenzo Monaco 1370-1425; Gentde daFabriano 1370-1450; Beato Angelico 1387-1455; Domenico Veneziano 1408-1461 : Zanobi Strozzi 1412-1468; Benozzo Gozzoli 1420-1498; Ghirlandajo 1449—1494; Botticelh 144r -1510. — 126 — Firnis von Vernico liquida C Traktat S ^ as Gemälde wäre damit vollständig beendigt, bis auf den Firnis, der schliesslich und zwar möglichst lange nach der Fertigstellung aufzutragen ist (K. 155). Ueber die Art des Firnisses lässt uns Cennini im Unklaren ; zweifellos war es ein Oelfirnis, der Vernice liquida, der althergebrachte, aus in Leinöl gelöstem Sandaraca (Gummiharz des Juniperus communis, oder der Thuja articulata) bestehend, wie es Merrifield (Oenn. S. 158) und ebenso Eastlake (I. S. 241) annehmen. Cennini bereitet sich diesen Firnis entweder nicht selbst, da er die Bereitungsart nicht angibt, oder die Anweisung ist verloren ge- gangen. Er sagt nur : „Nimm den flüssigsten, hellsten und reinsten Firnis, welchen du finden kannst», und er lehrt nach der alten Tradition die Tafel, sowie den Firnis in der Sonne zu erwärmen und das Firnissen an windstillen und staubfreien Plätzen vorzunehmen. Zweck des In-die-Sonne-Stellens des Gemäldes vor dem Firnissen ist, die Feuchtigkeit, mit welcher die Oberfläche stets mehr oder weniger beschlagen ist, durch Verdunsten zu verringern, weil diese Feuchtigkeit in der Folge dem Firnisüberzug schaden könnte und ein Trübwerden befördert. Die Wirkung des Firnisses besteht in einem Herausholen der sogen, eingeschlagenen Stellen; Cennini sagt auch an der zitierten Stelle: „Der Firnis ist eine starke Flüssigkeit und auf die Farben wirkend und will in allem Gehorsam, ohne eine andere Mischung zu dulden; und augenblicklich, sobald du ihn über deine Arbeit ausbreitest, ver- liert jede Farbe von ihrer Kraft und muss dem Firnis gehorchen, und es ist keine Möglichkeit, mit ihrer Tempera sie aufzufrischen». Darin liegt auch die Schwierigkeit des Temperamalens mit Eigelb, dass der Maler die Wirkung des Firnisses nicht genügend voraussehen kann, und der Hauptunterschied gegenüber der nordischen Art des Theophilus, welcher zwischendurch firnissen konnte. Dem Maler war es deshalb doch sehr wün- schenswert, wenigstens durch ein anderes Mittel in die Lage versetzt zu wer- den, die Wirkung vorher zu ersehen, und Cennini beschreibt ein derartiges Eierkiarfirnis Mittel (K. 156), wie in kurzer Zeit ein Gemälde gefirnisst scheinen kann, ohne es de facto zu sein; er benützt dazu den Eierklarfirnis 22 aus geschlage- nem und abgetropftem Eierklar und bestreicht damit besonders die Fleisch- partien. Durch eine solche Firnisprobe bietet sich ihm die Gelegenheit, die Wirkung des Gemalten zu beurteilen, um Aenderungen noch mit Tempera vorzunehmen und daduroh sich vor Enttäuschungen beim Firnissen mit Ver- nice liquida zu sichern. Bemerkt sei noch, dass der fette Firnis nicht über die Glanzvergoldung zu kommen hat, da sonst deren Hauptreiz verloren geht und zwecklos würde. Die Miniaturmalerei, über welche Cennini in den nachfolgenden Kapiteln (K. 157—161) des genaueren berichtet, steht in allen Punkten mit den bezüglichen Angaben des Neapeler Codex, von welchem noch ausführlich zu handeln sein wird, überein ; auch mit anderen Quellen, dem Bologneser Ms., dem Strassburger Ms. etc. stehen diese Anweisungen in vollstem Ein- klang. Er schildert die Arten des Assis, um Gold auf Pergament oder Papier zu setzen, für die Stellen, die poliert werden sollen, und beschreibt die Por- porino genannte Goldfarbe, welche auf die bekannte Art durch Amalgamierung von Zinn, Quecksilber usw. bereitet wird. Cennini warnt davor, diese falsche Goldfarbe mit einem echten Goldgrund in Berührung zu bringen, denn das Quecksilber verdirbt den Goldgrund, und „wenn es ein Grund wäre, der von hier bis Rom reichte». Das Bindemittel für Miniaturmalerei ist auch hier das allgemein ge- bräuchliche, aus Eierklar und Gummi arabicum bestehende; als Farbstoffe dienen auch alle auf der Tafel üblichen, nämlich die Körperfarben und ausser- dem die körperlosen ,, Tüchleinfarben» (pezzuole). Die eigentlichen , die drei Malarten : Wandmalerei, Tafelmalerei und Miniatur behandelnden Kapitel haben hier ein Ende; der Ottobonianische Codex 22 Der nämliche Firnis ist auch im Strassburger Ms. und in Boltzens Illuminier- buch (Hausfirnis) mit Beimischung von etwas Gummi arab. genannt. (116) Miniatur- malerei 127 schliesst auch damit ab, während die von Malanesi herausgegebenen Abschrif- ten noch eine weitere Reihe von Kapiteln (162 — 178) enthalten, die wie ein Appendix allerlei Rezepte für kunstgewerbliche Arbeiten bringen und zu jener Zeit teilweise in das Arbeitsgebiet des Malers gehörten. Die Kapitel behan- deln das Malen auf Geweben aller Art, Standarten, Baldachine für Turniere und Lustgefechte zu fertigen (K. 168, 169), die Ausschmückung von Truhen und Kästen, bei welchen auch plastische Ornamente zur Anwendung gelangen (K. 170). Es folgen noch die Arbeit für Glasmalerei (171), Musierung auf Glas, eine Technik, die sich später sehr ausbreitete und in der sogenannten Eglomisömalerei (Hinterglasmalerei) eine gewisse Berühmtheit erlangte und heute noch bei Glasschildern (Wappen) vielfach angewendet wird ; auch die Arbeit, mit dem Model auf Tuch zu malen (K. 173), zeigt die primitiven An- fänge einer grossen Industrie der Zukunft, den Druck von Mustern, die sich wiederholen, unseren heutigen Kattundruck. Eine Neuerung rein technischer Art enthält auch das nächste Kapitel (174) insoferne, als hier beim Belogen einer Steinfigur mit geglättetem Golde die innige Mischung von Firnis mit Eigelb (Emulsion) zur Anwendung gelangt, ein sehr interessantes Kapitel, auf welches später noch einmal besonders aufmerksam gemacht werden soll (bei der Van Eyck-Technik). Andere Angaben über die Weise, gegen Feuchtig- keit der Wände, auf welchen gemalt werden soll, Abhilfe zu schaffen (K. 175, 176), die Verdeterra- Ausschmückung offener Hallen und Gemächer oder von Tafeln, die gefirnisst werden sollen (K. 177, 178), Schminken und Heilwässer für den Teint der Frauen (K. 180, 181), über Abformen und Anfertigung von Gussformen, Modellieren von Siegeln und Münzen (K. 182 — 189) schliessen diese Kapitelserie ab. Der Techniker wird in ihnen eine wahre Fundgrube von Anregung erblicken und viele technische Details daraus kennen lernen, die ihm das Verständnis mancher alter Manieren erleichtern. Das Kunst- gewerbe des Mittelalters, das in innigster Fühlung mit der Kunst selbst stand, verdankt zum grossen Teil seine unbestrittene Grösse dem Handinhand- gehen der Künste und Gewerbe; wir sehen dies auch in Cenninis Trattato, denn der mittelalterliche Künstler war vielfach sein eigener Architekt, Bild- hauer, Vergolder und Farbenfabrikant. Hat Cennini in dem Trattato sein Hauptaugenmerk auf das ,, goldene Handwerk» gelegt, so ermangelt er dennoch nicht der richtigen Worte, wenn er in Begeisterung über seine Kunst spricht. Sein eindringliches Ermahnen, als ,, höchste Meisterin der Kunst die Natur zu betrachten» (K. 28) zeigt, worin das Streben und der Kernpunkt der neuerwachenden Zeit bestand, während die frühere byzantinische Kunstweise in der Nachahmung der starren dogmatischen Form ihr höchstes Ziel erblickte. „In seinen Grenzen, soweit es sein schlicht-beschränktes Streben ge- stattet, zeigt sich eine feinere Natur in dem Lehrling Agnolos, denn er ge- hört zu der besseren Klasse der Lernlustigen, von deren beträchtlicher Menge er selber uns berichtet, dass die Mehrzahl „des Gewinnes wegen» und ,,aus Armut und Not des Lebens» zum Pinsel greife, „aber es sind über alle diese zu rühmen, welohe aus Liebe und edlem Sinn zu genannter Kunst streben» (K. 2). Und in den folgenden Kapiteln hält er diesen edleren Kunstjüngern eine kurze Anrede, die uns sehr an einige verwandte Stellen des Theophilus erinnert (Ilg, Einleitung S. XIII). Wenn ich zum Sohluss hier im Hinblick auf das wahrhaft beneidenswerte Können Cenninis und seiner Zeit- genossen einen Wunsch aussprechen darf, so ist es der, dass auch wir in der Lage wären, uns über all die nötigen handwerklichen Fertigkeiten unserer Kunst schon in der Sohulzeit unterrichten zu können, wie es zu jenen Zeiten und noch in der Zeit der Renaissance geschehen ist. Dadurch würde manches Werk nicht nur gewissenhafter begonnen, sondern auch in jeder Beziehung besser vollendet werden können, denn Kunst kommt nun einmal von Könnenl Cennini’s Traktat Allurlri Angaben für kunnt- geweiblicbe /.wirke (117) Cennini’s Lebren – 128 — III. Bologneser Ms. (Hb) Neben der Hermeneia und Cenninis Tratatto müssen andere Quellen für Technik ganz und gar in den Hintergrund treten ; immerhin hat eine Rezepten- sammlung Anspruch auf unser Interesse, die, wie Le ßegues Schriften für den nördlichen Teil von Mitteleuropa, ein Kompendium für Techniken aller Art für die südlichen Kunstzentren hedeutet. Das Bologn. Ms. 1 mit seinen 392 Kapiteln überragt noch Le Begues Kompilation an Reichhaltigkeit, aber während Le Begue seine Schriften so aneinander reiht, wie sie ihm zur Verfügung stehen, sind im Bologneser Ms. die Rezeptenserien nach Gegenständen geordnet. Nur einmal ist eine Be- merkung zu finden, wonach der Schreiber sein Wissen einem Meister Jakobus von Tholeto (Toledo) verdankte. 2 Alle Umstände sprechen dafür, dass das Ms. nicht jünger ist, als höchstens die Mitte des XV. Jhrs. (Merrif. S. 326) und dies führt uns dazu, einen kurzen Vergleich des Inhalts mit dem etwa gleichzeitigen Trattato des Cennini anzustellen. Aber Cenninis Buch ist eine geordnete Abhandlung, während das Bologneser Ms. eine Rezeptensammlung ist und zwar eine solche, die nicht die besten Rezepte allein erwähnt, sondern einfach alle, die erreich- bar waren, zu enthalten scheint. Die Einteilung der 7 Hauptkapitel in die einzelnen Farben, deren Er- zeugung aufs genaueste beschrieben wird, zeigt, dass der Schreiber die Farben- fabrikation verstanden und auch betrieben hat. Das erste Kapitel ist dem gesuchten und kostbaren Ultramarin gewidmet, deren Herstellung in einzelnen Klöstern mit besonderer Sorgfalt geübt wurde. 3 In 26 Kapiteln wird das um- ständliche Verfahren beschrieben, wie aus dem Lapis lazuli der blaue Farb- stoff bereitet, indem mittelst des sogen. Pastills , aus Harz, Wachs, Oel be- stehend, die aufs feinste gestossene Steinmasse durch wiederholtes Schlämmen 1 Abgedruckt bei Merrif. Orig.-Treat. Vol. II S. 340-600 unter d. Titel „Segreti per Colori»; die Orig.-Handschrift befindet sieb in der Bibliothek des Klosters S. Sal- vatore in Bologna, Nr. 165. Eine neue Ausgabe (von 0. Guerini und C. Ricci) ist betitelt: II Libro dei Colori, Segreti del Secolo XV. Bologna 1887 (Scelta di curiositä letterarie, Editore Franc. Zambrini, Dispensa CCXXII). 2 Zurzeit war ein spanisches Kloster in Bologna; die Kirche S. Maria Maddalena und ein Hospital zum St. Onofrio waren für Spanier im Jahre 1343 erbaut worden ; s. Merrif. S. 328, Note. 8 So erinnert Benozzo Gozzolli in einem Briefe (Florenz v. 11. Sept. 1459) den Herzog Pietro de Medici daran, nach Venedig wegen des Azurs zu schicken; dieser Bitte scheint aber der Herzog nicht entsprochen zu haben, denn am 23. September sehreibt Benozzo, dass er für das gesandte Geld den Azur bei den „Ingiesuati» be- sorgte, die Unze um drei schwere Gulden (mithin 6 Skudi = 27 Mark für die Unze). Die Ingesuati waren seit Ende des XIV. Jhr. in Florenz ansässig und durch mannig- fache Kunstfertigkeiten berühmt; so bereiteten sie Farben und namentlich einen vor- trefflichen U’tamarin, wie Vasari in der Lebensbeschreibung des Pietro Perugino be- richtet (vergl. Guhl, Künstlerbriefe, I. Aufl.. S 44). — 129 — und Waschen in Lauge zu Pulver verrieben wird. Ein zweites Kapitel (Rez. 27 — 59) Bologneser Mb. ist den anderen natürlichen blauen Farben (Azzurodella Magna des Cennini, Azzurro Spagnolo und di Lombardia) gewidmet; es folgt ein Kapitel, blaue Pflanzenfarbstoffe zu erzeugen, die zur Miniaturmalerei dienen, darunter auch Indigo, Waid etc.(60-8 1 ). Ein IV. Kapitel behandelt die grünen Farben, sowohl metallischen Ur- (H9) sprungs (Kupfergrün) als auch alle Arten grüner Pflanzenfarben, aus Wege- dorn, Lilien, Veilchen oder Bocksdorn (82 — 109); es folgen die roten und violetten Lackfarben in einem besonderen V. Kapitel, deren Erzeugung 30 Rezepte gewidmet sind (110 — 139); wir finden die roten Farbstoffe Kermes, Verzino (Brasilholz), Gummilack, sowie die in Tüchern (pezette) bewahrten „Kardinal- Inhaltsangabe rot und Oarmoisin» genau beschrieben. Kapitel VI enthält eine lange Reihe von Anweisungen für Gold, Goldschrift, die künstliche Goldfarbo Porporina (aurum musivum) durch Amalgamierung zu bereiten, die verschiedenen Arten von Assisa und die Goldbeizen für Glanzgold (141 — 178), darunter befindet sich eine Manier deutschen Ursprungs (secondo l’uso thodesco, Nr. 173), bei welcher die Goldblätter mit Hilfe von mit Safran gefärbtem Eierklar auf ein Assis gelegt werden, überdies ein Assis für Mauer (177), das ebenso auf Holz wie auf Pergament gelegt und geglättet werden kann. Das VII. Kapitel setzt zunächst die Farbenrezepte fort ; es werden be- schrieben Zinnober, Bleiweiss und verschiedene Mischfarben aus diesen (für Oarnation), Minium, gelber Lack aus Wau bereitet, dann noch Mischungen von Blau, Grün und Rosa für Miniaturmalerei usw. Mit einem Male hört aber die bisher befolgte Ordnung auf und in grossen Unterteilungen bringt dieses Kapitel (179 — 322) zwischen Einschiebungen für Malerei und Firnisse ganze Serien von Rezepten für andere Kunsttechniken, für die Erzeugung von künstlichen Steinen und Bernstein, Perlen und Korallen (238—261), Glasfarben (265—273), Mosaik (274—283), Email für Gefässe und Majolica (283—317). Ein VIII. und letztes Kapitel (323—392) enthält noch Färberezepte für Felle, Leder, Seide, Tuch etc. und schliesslich noch einige Kitte und Leime zum Giessen und Formen u. dgl. Für uns ist nunmehr die Frage wichtig, in welchen Beziehungen diese Beziehung zu . . „ 2. ° ..„,..,.., andren Quellen Anweisungen zur Kunsttechnik der Frührenaissance, wie sie Cennini beschreibt, stehen, eine Frage, die wohl wichtig genug ist, weil wir in den Rezepten des VII. Kapitels einen spanischen Künstler aus Toledo als Autorität und jeden- falls als Autor des dem Kopisten vorgelegenen Originales genannt sehen. Andererseits müssten sich auch die Spuren deutlich zeigen, die sich auf arabi- schen Einfluss zurückführen Hessen, wenn uns ein ähnliches Rezeptenwerk rein spanischen Ursprungs zugänglich wäre. Das Liber sacerdotum bietet hierin wohl einigen Anlass; wir haben (S. 66) bereits auf Dinge hingewiesen, bei denen es den Anschein hat, dass einzelne Techniken durch die Mauren über Spanien nach Europa gelangt sein könnten, und wir haben den Eier- schalenkalk, die aqua de ovis für Vergoldung erwähnt, die uns zuerst im Lib. sacerd. entgegentraten und die wir dann in späteren Quellen wiederfanden. Niello, Corduanleder 4 sind gewiss arabischen Ursprungs, ebenso die vielfachen Rezepte, künstliche Perlen, Korallen und Edelsteine zu erzeugen, die das Bolog- neser Ms. in ganzen Serien bringt. Ausserdem dürfen wir nicht vergessen, dass die künstliche Destillation (Alkohol) eine arabische Errungenschaft des X. Jhs. ist, die auf die alchemistischen Verfahrungsarten ungeheueren Einfluss im Abend- lande nahm; auch der Destillierkolben (alembic) ist eine arabische Erfindung. 5 Am anschaulichsten können wir diesen Einfluss bemerken, wenn wir ein spezielles Detail, das uns nahe liegt und für uns von Bedeutung ist, z. B. das Leinöl, in den Kreis der Betrachtung ziehen. 4 Cordova wurde i. J. 711 von den Mauren erobert und 759 von Abdurrahman zur königlichen Hauptstadt gewählt. Von dieser Zeit an ist Cordova der Zentralpunkt für Künste, Industrie und Wissenschaft und blieb es bis zum Ende der maurischen Herrschaft in Spanien (i. J. 1236). 5 Vergl. Berthelot, Chimie au moyen äge, Tom. I, S. 61 und in demselben Werke den Artikel über die Destillation im Altertum. 9 — 130 – Bologneser Ms. Das Leinöl sehen wir im Lucca-Ms., in Mapp. clav. und bei Theophilus stets rein oder mit Beimischung’ von Harzen verwendet. Trockenmittel sind diesen „griechischen» Quellen ganz unbekannt. Im dritten Buch des Herac- LeiDöi Yius, das auch einzelne arabische Techniken (Corduanleder, Niello, Borax) kennt, bringt schon ein Rezept für Leinöl (XXIX), wodurch dieses gereinigt und schneller trocknend gemacht wird (durch Kalk und Bleiweiss). Die Segreti (120) per Colori des Bologn. Ms., vermutlich arabischen Ursprungs, führen die Be- handlungsweisen des Leinöles noch weiter aus, und es scheint, dass der Meister Jakobus von Toledo mehrere Arten gekannt hat. In Nr. 201 wird ein Leinöl erwähnt, das mit Eierklar bereitet wird (oleo seminis lini et cum clara ovi preparata), um eine „schöne, prächtige Rosafarbe» anzureiben, zu der Lack und Grana genommen werden. Das Eierklar hat hier den Zweck, die schleimigen Teile des Oeles zu entfernen. Nr. 204 sind Oel von Aloe, Leinöl und Vernice liquida in gleicher Menge in der Wärme vereinigt, um einen Firnis über Miniaturen zu bilden; eine Zu- sammenstellung und eine Anwendung, die in nordischen oder italienischen Quellen sich nirgends vorfindet. Nr. 205 bringt die Anweisung, Leinöl, und zwar in nasser Pressung zu gewinnen, 206 die Art, Vernice liquida zu bereiten, worüber wir bei Cennini vergebens um Aufschluss suchen, obwohl er öfters den Namen nennt (K. 91, 155, 174); hier ist genau das Verhältnis angegeben, und zwar besteht der Firnis aus zwei Teilen Sandarak (gomma de gineparo, Juniperus) und einem Teil Leinöl (oder etwas mehr, wenn nötig), eine halbe Stunde miteinander gekocht. Diese beiden Angaben sind nicht auffallend, sie decken sich wohl mit den altbekannten byzantinischen Methoden; neu ist aber die folgende in Nr. 207 (Vernice liquida) beschriebene. Sie besteht in einer ganz merkwürdigen Art, das Oel durch Kochen mit Alaunstein, Mennige (Vermilion) und Weihrauch, durch Ueberlaufenlassen des Schaumes und Anzünden des Uebergelaufenen mittelst brennenden Strohs in einen Firnis zu verwandeln. Eine zweite Art der Vernice liquida beschreibt Nr. 262 deselben Ms., wobei zwei Pfund Leinöl und zwei Pfund gemeines Oel (olis cumune, Olivenöl?) bis zur Hälfte eingekocht, dann mit 30 — 40 Stücken Knoblauch auf scharfem Feuer unter Beifügung von etwas Alaunstein gesotten werden. Wenn eine Hühnerfeder, in die siedende Masse getaucht, sofort verbrennt, dann ist es fertig. Schliesslich wird noch ein Pfund Sandaraks nach und nach hinzuge- geben, und unter fortwährendem Umrühren erkalten gelassen; vor dem Er- kalten sollen noch das Klare von sechs Eiern, die in bekannter Art geschlagen seien, hinzugegeben und das Ganze einen Tag in die Sonne gestellt werden. Alle diese letzteren Operationen sind den nördlichen und südlichen Kunst- weisen bis dahin fremd gewesen, wohl aber spricht sich der spanische Ursprung darin deutlich aus, dass sowohl Pacheco als auch Palomino die Knoblauchzugabe für trocknende Oele empfehlen, wobei der erstere (Tratato S. 404) hinzusetzt, dass das Oel solange gekocht werde, bis der Knoblauch gebrannt und geröstet ist. 6 Es sind das lauter Methoden und Versuche, das Leinöl trocknender zu machen, welche je nach den Orten verschieden waren. Hier ist es klar ersichtlich, dass wir spanisch-maurische Quellen vor uns haben; Knoblauch kennt zwar auch die Her- meneia und Cennini als Goldbeize, aber zum Trocknendermachen des Oeles ist es beiden unbekannt, ebensowenig wie die Reinigung desselben durch Eierklar. Keinerlei Anlehnung an schon bekannte Arten des Mittelalters zeigen zwei Rezepte (210, 211) zur Bemalung von Leinen, Tuch oder Seide. Das erstere lehrt sal armoniaco mit sale gemme und sal nitrio zu lösen und dann zu destillieren, wobei der Ausdruck „alambichare» aus dem arabi- schen Worte alambich (für Destillierkolben) gebraucht ist. Das zweite Rezept zu gleichem Zwecke bringt den Alaunstein mit Lauge und Safran in Verbindung, welche zusammen bis zu einem Drittel der Menge 6 Merrif. Introd. S. CCXXXV1I. Trockenöl — 131 — (121) Mauerrnalerei Beizen fllr Vergoldung eingekocht werden, ein Verfahren, das wir in keinem der anderen Quellen BolognesorMs kennen gelernt haben. Andere Rezepte decken sich wieder mit den alten oft genannten, so z. B. die Bereitung von Gesso sottile (213) mit der Hermeneia; die Art Eierklar zu schlagen, die Mischung mit frischon Feigentrieben, Zinnober zum Schreiben zu präparieren und wenn nötig, mit Ohrenschmalz zu verbessern (224), lernen wir ähnlich im Neapeler Codex kennen, auch die übrigen Angaben für Miniatur- malerei (225 — 235) stimmen mit der längst bekannten Art, mit Gummi arabikum oder Eierklar als Bindemittel zu malen, überein, die wir übrigens, vom Papyrus Leyden angefangen, überall in gleicher Weise in Ausübung gesehen baben ; nur Auripigment wird mit Eigelb angemischt (228), eine Besonderheit, welche uns in Heraclius K. XXXII des III. Buches schon auffallen musste. Was die Wandmalerei betrifft, so sind die Angaben höchst mangel- haft. Ausser zwei Rezepten für Mauervergoldung (152 und 171) sind es nur ganz wenige Stellen, die auf dieselbe anspielen. Hauptsächlich Nr. 236, wie Erd- farben für Mauer oder auf Kalk verwendet weiden. Darnach sind es nur zwei Arten, die erste mit dem ganzen Ei, das mit klein geschnittenen Feigen- weigen flüssig gemacht wird (Cenninis Tempera), die zweite mit sehr starkem Gummiwasser, worunter vermutlich Tragantgummi zu verstehen ist, der in späterer Zeit ausschliesslich für Retouchen auf Fresken angewendet wurde. Die beiden Artikel über Wandvergoldung enthalten aber noch einige neue Details, die zu notieren mir nicht unwichtig scheint. Nr. 152 gibt eine Beize (mordante) für die Mauer, bestehend aus Knochenmehl, Pergamentleim, die miteinander gerieben, und nachdem Trockenwerden mit Leinöl dick angemacht werden, dazu kommt noch ein wenig Vernice liquida und Safran als Fälbesubstanz. Diese Beize wird auf die Mauer aufgetragen und vor der Vergoldung 5 — 6 Tage trocknen gelassen ; dann Nr. 171 eine Beize, um Gold auf jeden Untergrund anzubringen, auf Figuren aus Stein, Holz, auf Gips, Leinwand oder Mauer. Man nimmt Bleiglätte, Grünspan, und ein wenig Ocker mit Leinöl und A r ernice liquida angerieben und vergoldet in der gewöhnlichen Art. Die erste Beize ist bemerkenswert, weil darin das Knochenmehl in der Unterlage für Vergoldung figuriert und das nämliche als Ingredienz zum Trocknendermachen für Oele und Beizen im Strassburger Ms. (wisses gebeines das gebrannt si ; alt gebrent wis bein) genannt ist; die zweite ist dadurch von Interesse, weil darin die Bleiglätte, das Haupttrockenmittel der späteren Zeit, düs bis herauf zur Gegenwart vielfach verwendet wurde, zum erstenmal zum gleichen Zwecke erwähnt erscheint. 7 Auch der Grünspan, den Oennini im Kapitel 151 nebst Bleiweiss als Trockenmittel für Beize kennt, beansprucht unser Interesse, denn obwohl schon damals viele Gegner dieses Trockenmittels waren (vgl. K. 152 des Cennini), haben sich die Metalloxyde und deren Salze (Kupfervitriol, Zinkvitriol, Blei- glätte) in der Folgezeit als Haupttrockenmittel behauptet. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, welche von den Methoden für die Praxis die rationellen waren, denn uns interessierte der geschichtliche Vorgang, wie sich die Methoden ausbreiteten und welchen Weg wir dabei verfolgen konnten. Zu konstatieren war vor allein der Einfluss der arabisch-maurischen Kultur, der sich ungeheuer schnell im übrigen Europa manifestierte. Welche Bedeutung so umfassende Veränderungen in den tech- nischen Operationen für die weitere Ausgestaltung der gewerblichen und künst- lerischen Produktion haben mussten, wird uns klar, wenn wir bedenken, bis zu welchem Grade der Vollendung die maurischen Kunstfertigkeiten in ihren Metallarbeiten, Gins- und Majolica-Gefässen, in Stuckarbeit, sowie in der Er- zeugung der Färberei und Weberei gelangt waren. Mit der Vervollkommnung der technischen Mittel werden wir aber stets eine Steigerung der künst- lerischen Tätigkeit in Verbindung bringen können. Ueber Bleiglätte (lithargirium) als Trockenmittel vergl. Merrif. a. a. 0. 132 — IV. Der Neapeler Codex für Miniaturmalerei (122) Bedoutung des Neapeler Codex Bei der grossen Wichtigkeit, welche im Mittelalter den Schreiberkünsten und in Verbindung mit diesen der Miniaturmalerei beigemessen wurde, kann es nicht verwundern, dass gerade über die Miniaturmalerei besonders zahl- reiche Aufzeichnungen sich erhalten haben. Dies ist schon aus dem Grunde sehr natürlich, weil der Schreiber und Miniaturmaler öfters in einer Person vereinigt war, und sowohl durch Kenntnis, als auch durch die Gelegenheit zum Niederschreiben der technischen Erfahrung veranlasst worden sein konnte, während andere Tehniker, z. B. der Bildhauer oder Metallarbeiter u. dergl. meist nicht die genügende Bildung besassen. Die klösterliche Ruhe und Zurückgezogenheit mögen auch das Ihrige dazu beigetragen haben, und nicht zum mindesten das Verlangen, die durch ein ganzes Lebensalter geübten Fertigkeiten einem nachfolgenden Bruder oder Novizen zu vermachen. Im Bürgerstand gingen die Traditionen ohne weiteres vom Vater auf den Sohn, oder vom Meister auf die Gesellen über, ein Aufschreiben von Anweisungen war hier deshalb entbehrlicher. Eine der wichtigsten und interessantesten dieser Aufschreibungen für Miniaturmalerei ist uns in dem Neapeler Codex aus dem XIV. Jh. erhal- ten. 1 Durch seine kurze Passung als fertig abgeschlossenes Lehrbuch über Miniaturmalerei und nicht als Rezeptensammlung gewinnt dieses Ms. eine grössere Bedeutung, weil diese Aufschreibungen eine vorteilhafte Handhabe bieten, um bei der Peststellung der mittelalterlichen Techniken aus dem Konglomerat von Anweisungen und Rezepten der übrigen Quellen diejenigen herauszuschälen, die sich nur auf Miniaturmalerei beziehen; der Neapeler Codex hat dadurch als eine Art Schlüssel für die übrigen Mss. dienen können, ebenso, wie durch die genaue Kenntnis der Vergoldungsarten es möglich war, alle bezüglichen Angaben, die in einer Quellenschrift enthalten sind, für sich zu betrachten. Ist aber einmal alles für Miniatur und Vergoldung genau bekannt, so fügen sich die übrigen Angaben für Wand- und Tafelmalerei von selbst aneinander. Wir werden auf diese Weise mehrfach Gelegenheit haben, auf den Neapeler Codex hinweisen zu müssen. Da der Neapeler Codex in der deutschen Fachliteratur fast ganz unbe- kannt ist (die Ausgabe erschien erst nach denjenigen des Cennini und Theo- philusj, sei im folgenden ein Auszug daraus gebracht, wobei die wichtigeren Kapitel möglichst wortgetreu übersetzt sind. Aus der Vorrede des Herausgebers des Neapeler Codex, Demetrio Salazaro, entnehmen wir, dass bereits 1872 der italienische Kunstschriftsteller A. Caravita 2 auf das Vorhandensein dieses interessanten Manuskriptes in der 1 Demetrio Salazaro, L’arte della miniaiura nel secolo XIV, Napoli 1877, Libreria Detken et Rocholl. ‘ Caravita publizierte unter anderem ein Werk über die Manuskripte und Künste aus den Archiven des Monte Cassino „I codici e la arte a Montecassino, 1869-70″ und war damit beschäftig;, auch die Schätze der Bibliothek in Neapel zu inventarisieren; er starb jedoch und diese Arbeit blieb unvollendet. — 133 — Museumsbibliothek zu Neapel aufmerksam machte. Aber erst 1877 er- N codex r folgte die Ausgabe des Originaltextes in italienisolier und französischer Ueber- setzung nebst Noten des Salazaro. Uober das Ms. selbst lassen wir den (123) Herausgeber hier näheren Bericht erstatten : „Es ist ein kleiner Band in Oktav, bezeichnet XII. E. 27, und enthält eine geringe Anzahl von Blättern mit kleinen abgerundeten gotischen Schrift- zeichen ; die verblassten Buchstaben (lottere d’inchiostro sbiadito) sind eng aneinandergereiht, so dass ihre Entzifferung schwierig ist. Der Kodex gehört dem XIV. Jh. an und ist eine Kopie eines anderen Manuskriptes; Beweis da- für ist die Regelmässigkeit und die Vollendung der Schrift, die geringe Zahl der Abbreviaturen, etliche Worte, welche der Kopist falsch gelesen hat und einige, welche er ungeschrieben liess. Die Kopie war auch nicht ganz voll- Autor oder endet, denn es fehlen die Initialen der Kapitel und der Name des Autors auf dem Titelblatte, welche wohl eine andere Hand machen, resp. verzieren sollte, wie es in den Kopierstuben zu jener Zeit Sitte war. „Was den Autor betrifft, dessen Name am Anfang der Kopie weggelassen ist, und der nach der Schreibweise Neapolitaner gewesen zu sein scheint, so lebte er gewiss im XIV. Jh. und nicht vor dem Ende des vorhergehenden, weil er die Autorität des Albertus Magnus 3 erwähnt, also ein Jahrhundert vor Cennini (geb. 1372), welcher seinen Tratlato über die Malerei erst im XV. Jh. verfasst haben dürfte.» „Der Anonymus des Kodex von Neapel schrieb ein schlechtes Latein und oft haben die Worte vom Lateinischen nur die Endungen. Die zahlreichen Fehler, welche sich im Buche finden, dürften jedoch eher dem Kopisten als Einleitung dem Autor zur Last gelegt werden. Es scheint, dass unser Autor sich vor- genommen hat, eine andere Abhandlung über die Miniaturmalerei von einem uns unbekannten Schreiber zu widerlegen; wir ziehen diesen Schluss aus den Worten: Sine aliqua attestatione, caritative tarnen, 4 wobei er auf andere Bücher über Miniaturmalerei anspielen dürfte, welche vor ihm geschrieben, zweifellos verloren gegangen sind, oder sich noch verborgen in irgend einer Bibliothek befinden. Des weiteren verspricht er in Rubrica IX. am Ende seines Werkes noch die Manier zu beschreiben, wie Ultramarin aus Lapis lazuli zu bereiten ist, diese Anleitung findet sich aber nicht vor, und wir könnten nicht be- haupten, ob dieser Mangel dem Autor, der sein Werk nicht vollendete, oder dem Kopisten, der es nicht zu Ende übertragen hat, zugeschrieben werden soll». So weit der Herausgeber Salazaro; ich lasse nunmehr einen Auszug und teilweise Uebersetzung der Ausgabe des Neapeler Kodex hier folgen; er be- ginnt mit den Worten: 8 Albertus Magnus wurde um das Jahr 1193 zu Lauingen in Schwaben geboren. Er machte seine ersten Studien in Pavia. Pater Giordano, sein bevorzugter Lehrer, überredete ihn, in den Orden der Dominikaner einzutreten. Albert ging dann nach Paris, wo er Dank der Studien, die er in Italien gemacht, Aristoteles interpretierte. Weiters wirkte er hauptsächlich in Deutschland und schrieb viele Werke, welche in der Ausgabe des Pietro Jammi in Fabricii Bibl. lat. med. et infer, aetatis angeführt sind, unter anderem vol. 5, eine Arbeit über Mineralien und Vegetabilien, auf welche, wie es scheint, unser Anonymus Bezug nimmt (in Rubrica IX über Ultramarin). 4 Ich kann mich dieser Ansicht des Herausgebers Salazaro doch nicht völlig an- schliessen. S. übersetzt sowohl italienisch als auch französisch attestatione mit con- testatione (contestation) Streit, Leugnen, während attestatione eigentlich Beglaubi- gung, Bescheinigung bedeutet; ohne Philologe zu sein, fällt mir bei dieser Stelle auf, dass sich die italienische Uebersetzung des Textes mit der französischen nicht deckt. S. übersetzt den Passus ins Italienische: non mica per contestazione, ma per amore intendo scrivere, und französisch: sans aucun esprit de contestation, mais dans le but d’etre utile. Mir will aus den Worten der Einleitung vielmehr das Gegenteil von Streit- sucht bemerkbar scheinen und ich möchte eher übersetzen: „Ohne jede andere Be- gründung, sondern nur aus Nächstenliebe usw.» Wenn der Anonymus mit diesen Worten auf andere Autoren angespielt haben sollte, so mag er vielleicht damit ge- meint haben, dass andere Autoren eine umständlichere Begründung ihren Werken vorauszuschicken pflegten, wie z. B. ein späterer Autor, Boltz von Rufach (1562), der ebenfalls über Miniaturmalerei schrieb, sich bei seinen Kollegen dessentwegen entschuldigen zu sollen glaubt. — 134 — Neapeler Pro ein iura. In noraine Sanctae et Individue Trinitatis. Amen. Vorrede „Ohne jede andere Begründung, sondern nur aus Nächstenliebe will ich die Dinge beschreiben, welche sich auf die Kunst der Miniatur- ^24) maierei, sowohl beim Gebrauch mit der Feder, als auch mit dem Pinsel beziehen; und obwohl in früherer Zeit schon viele in ihren Schriften den gleichen Gegenstand behandelten, will ich nichtsdesto- weniger denselben Weg beschreiten und in Kürze alles angeben; damit die Gelehrten in ihren ohne Zweifel besseren Anschauungen bestärkt werden und die Anfänger, welche diese Kunst ohne Schwierigkeit und schnell erlernen wollen, in die Lage kommen, diese selbst ausführen zu können, gebe ich die folgende Darstellung von den Farben und deren Mischungen, lauter Dinge, welche bereits versucht und er- erprobt sind.» Der Autor beginnt sodann mit der Aufzählung der Farben nach Plinius, gibt ihre Einteilung in natürliche und künstliche, woraus man sieht, wie gross die Autorität des römisohen Schriftstellers in mittelalterlicher Zeit gewesen ist; Plinius wurde von den Malern so hoch geschätzt, wie etwa Galenus von den Medizinern (vgl. Heraclius B. III. Kap. L, LH, LIV, mit Zitaten aus Pli- nius etc.). Einteilung der „Nach Plinius gibt es drei Hauptfarben, Schwarz, Weiss und Rot; Farben alle anderen Farben stehen zwischen diesen, wie es in den Büchern aller Philosophen 5 ausgeführt ist. Die Farben, welche zum Illumi- nieren nötig sind, sind acht: Schwarz, Weiss, Rot, Gelb, Blau, Violett, Rosa und Grün; einige dieser Farben sind natürliche, andere künstliche. Natürliche sind: Ultramarin (Azuriurn ultramarinum), Kupferlasur (Azurium de Alemannia), der schwarze natürliche Stein, rote Erde vulgariter dicta macra 6 ), grüne Erde, von grünblauer Farbe, Gelb aus Gelberde (Ocker), Auripigment, Safran und Gold. Künstliohe Farben sind: Schwarz aus Weinreben oder anderen Hölzern, Russ von Wachskerzen, Oel oder Talg, welcher an Gefässen sich ansetzt und gesammelt wird: roter Zinnober (aus Schwefel und Quecksilber erzeugt), Minium, auch Stoppium genannt; Bleiweiss (cerusa) und ein Weiss aus gebrannten Knochen von Tieren; Gelb aus Curcumawurzeln, oder aus der Pflanze Follonum (?) mit Bleiweiss, Porporina oder aurum musicum [sie] und Giallulino (Neapelgelb); Blau aus Tournesolpflanze (torna ad solem), aus welcher auch Violett be- reitet wird; Grün aus Kupfer, aus Wegedorn (Schlehe, prugnamerole genannt) und aus blauen Lilien.» Rubrica I. (De bioturninibus ad ponendum aurum.) Von den Bindemitteln zum Goldauflegen. Zum Goldauflegen dienen Leim von Hirschgeweih oder Pergament, oder von Fischen und ähnliche. 7 Rubr. II. (De aquis cum quibus temperantur colores ad ponendum in carta). 5 Gemeint sind: Xenophanes, Aristoteles, die drei Grundfarben annahmen: Pytha- goras und seine Schüler Timaeus, Locrus, Empedocles, Demokritus, Theophrastus, die vier Grundfarben nachzuweisen sich bestrebten. Vergl. Magnus, die geschichtliche Entwicklung des Farbensinnes, Leipzig 1877 S. 8—19. 6 Macra soll im neapol. Dialekt soviel wie Rötel (Sinopisrot der Alten) bedeuten; dieselbe Bezeichnung findet sich auch am Schluss von Mapp. clav., dort ist auf der letzten Seite zu lesen: Cinnabarin i. e. Vermilio. Jarin i. e. flos eria. Psimithii i. e. flos plumbi. Magra i. e. Sinopodem, vel Bolus Armeniacus. Almagre de Levante an Stelle von Zinnober bei Fresko zu nehmen, ist angegeben bei Pacheco S. 36ß; vgl. auch Merrif., Hist. of Freskopainting K. I. 7 Leim von Hirschgeweih, Theoph I. K. XVIII. , Cennini unbekannt; von Fischen ebenda K. XXXVIII., Cennini K. 108. — 185 — Von den Tomp eratur wassern für Pergamentmalerei. n ««poler Die Flüssigkeiten sind : das Weisse und das Gelbe vom Ei, Gummi arabicum und Tragantum in reinem Quellwasser aufgelöst; Honig und Zuokercandis sind zu ihrem Weicherweiden (ad dulcificandum) nötig. H Rubr. III. (De coloribus artificialis et commodo fiuntur et primo de (1^5) nigro.) Von den küntliohen Farben, ihrer Erze ugungs weise und zuerst vom Schwarz. „Es gibt wol verschiedene, allgemein gilt aber als bestes das Schwarz von Weinreben (sarmentorum vitum), man brennt sie, und bevor sie zur Asche werden, giesst man Wasser darauf. Auch das Russchwarz, indem man unter ein glasiertes Geschirr oder Messinggefäss eine Kerze stellt und den Russ, der sich bildet, sammelt, ist gut.» 9 Rubr. IV. (De Albo.) Vom Weiss. Nur eines ist gut, das Bleiweiss, das Weiss von gebrannten Knochen ist nicht gut, weil es nicht genug deckt (quod nimis est pastosum). Die Darstellung wird nicht angegeben, denn „es weiss jeder, dass es aus Blei gemacht wird und wo man es genugsam haben kann.» Rubr. V. (De rubeo colore arteficiale.) Von der künstlichen roten Farbe. „Zinnober und Minium (oder Stoppium) sind Farben, die überall zu haben sind, ich weiss auch nioht, wie sie gemacht werden.» 10 Rubr. VI. (De Glauco). Vom Gelb. „Künstliche gelbe Farbe 11 wird verschiedentlich erzeugt. Zuerst, wie bereits erwähnt, aus den Wurzeln der Curcuma oder herba rocchia. Man macht sie so: Nimm Ourcumawurzeln 1 Unze, gut und fein mit dem Messer geschnitten, gib sie in eine Pinte, (Peneta, ital. Mass- gefäss, etwas weniger als 1 Liter) mit Wasser und füge eine Drachme Alaun hinzu; gib das alles in ein glasiertes Gefäss; lasse die Wurzeln einen Tag und eine Nacht sich lösen, und wenn die Flüssigkeit gut gelb geworden ist, füge noch eine Unze fein geriebene Cerusa hinzu, rühre mit dem Stäbchen, setze es einige Zeit ans Feuer, immer um- rührend, damit kein Schaum entsteht. Filtriere dann durch ein leinenes Tuch in ein nicht glasiertes Gefäss. Lasse die Farbe sich setzen, giesse das Wasser vorsichtig ab, lasse die Farbe trocknen und be- wahre sie zum Gebrauch.» „Aehnlich wird das Gelb aus Wau (herba tinctorium) bereitet: Nimm die Pflanze, schneide sie in kleine Stückchen, gib sie in Wasser mit ziemlich starker Lauge und trachte, dass das Wasser der Lauge reichlich darüber ist. Lasse einige Zeit kochen. Wenn du eine hand- voll Farbe hast, so gib in die Kochung l x /a Unzen Bleiweiss (Cerusa). Bevor du die Cerusa dazu gibst, pulverisiere eine Unze Alaun, und lasse es mit dem obigen Absud kochen ; wenn es genug gelöst ist, 8 Unter Weicherwerden ist die Eigenschaft des Honigs und des Zuckers zu ver- stehen, das Bindemittel länger praktikabel zu erhalten, da dadurch die Trocknung aufgehalten wird. 9 Cennini K. 37. 10 In dieser Beziehung sehen wir schon im XIV. Jh. die gleichen Grundsätze wie heute ; von Bleiweiss ist es dem Schreiber noch bekannt, wie dasselbe bereitet wird, aber bei Zinnober und Minium wird es ihm schon schwerer; er geht einfach zum Händler; Pflanzenfarbstoffe bereitet sich aber, wie wir sehen werden, der Ano- nymus selbst. Vergl. Cennini K. 40 vom Zinnober, den man „um sein Geld bei den Apotbekern bekommt»; dieselben Angaben K. 44, vom Lack. 11 Von gelben Pflanzenlacken kennt Cennini nur Arzika (K. 50); es ist der gelbe Lack aus Reseda luteola (gelb. Färbekraut), unser Wau (Bologn. Ms. Nr. 194). Herba rocchia hält Salazaro fälschlich für rubia tinctorum, rubia ist aber Krapp. Das Gelb des zweiten Rez. aus Herba tinctorium scheint, der Bereitungsart zufolge, dem obigen Waulack zu gleichen. Vergl. Bersch, Mineral- und Lackfarben, S. 458, aus Curcuma longa bereiteter Lack, S. 461. — 136 — N ü a dex r ^ Ü £ e na °h unc ^ na ch die Cerusa bei, immer mit dem Stäbchen rührend, bis die Substanzen gut vereinigt sind. Filtriere dann durch ein feines Leinen in ein unglasiertes Geschirr und lasse sich setzen ; giesse das Wasser ab, schütte reines darauf, und wenn sich die Farbe gesetzt hat, wiederhole dies; lasse trocknen und bewahre die Farbe. Auf dieselbe Weise kann auch Safran mit Cerusa gemischt werden und merke, wenn es nicht genug Farbe hat, gib mehr Safran, und wenn es weniger gefärbt sein soll, gib mehr Cerusa hinzu.» (126) Rubr. VII. (De purpureo colore.) Von (Purpur i. e.) Porporino-Farbe. „Es gibt noch eine künstliche gelbe Farbe, welche Aurum musi- cum oder Proporina genannt wird. Man macht sie aus Zinn und Quecksilber, je gleiche Teile, die am Feuer zusammengeschmolzen, hernach mit Essig und ein wenig Salz verrieben und dann mit reinem Wasser gewaschen werden. Die Masse wird dann mit Schwefel und armen. Salz (sal armoniaci) zusammengerieben, bis alles schwarz er- scheint. In einem gut verkitteten Gefäss erwärme das ganze am ge- deckten Feuer, immer mehr, neun Stunden lang, das Gefäss habe einen leichten Ziegel als Deckung; man sieht dann zuerst schwarzen und dann weissen, endlich gemischten Rauch. Führe in das Gefäss ein reines trockenes Stäbchen ein, ohne die Feuchtigkeit zu berühren, erhitze immer mehr, bis man an dem Stäbchen goldfarbige Flimmer bemerkt, dann ist die Sache fertig. Sobald der Topf abgekühlt ist, zerbrich ihn und sammle die Goldfarbe. » 12 Rubr. VIII. (Die Glauco colore naturale.) Von der natürlichen gelben Farbe. „In der Natur findet sich, musst du wissen, feines Gold, gelbe Erde, Safran und Auripigment. 13 Rubr. IX. (Die Azurio sive celesti colore naturale et arteficiali.) Vom natürlichen und künstlichen Azur oder Himmelblau. „Das beste Blau ist Ultramarin, aus Lapis lazuli bereitet, dessen Bereitung ich am Ende dieses Buches angeben werde (sie in Ms.) : ein anderes wird aus einem Steine in Deutschland gemacht. Man bereitet auch eines aus Silberblech nach Angabe des Albertus Magnus, ein anderes derberes (grossum) aus Indigo und Bleiweiss. Man macht es auch aus Tournesol, doch ändert sich diese Farbe in einem Jahre in Violett». 14 Es folgt hierauf die genaue Bereitungsart des Tournesolblau : „Sammle die Früchte der Pflanze, welche von der Hälfte des Monates Juli bis zum halben Monat September am besten sind, d. h. die Kapseln, welche dreieckig und von drei Körnern gebildet sind. Sammle sie bei feuchtem Wetter, ohne den Stengel, an dem sie wachsen. Gib sie in eine gebrauchte reine Leinwand, mache daraus einen Sack: drehe diesen mit den Händen, bis die Leinwand mit dem Saft ganz getränkt ist, ohne die Früchte zu zerbrechen; drücke den in dem Leinen enthaltenen Saft in einen glasierten Topf und presse neue Fruchtkapseln aus, bis du genug hast. Nimm dann andere alte 12 Porporina, Mussivgold vgl. Cennini K. 159, Bologn. Ms. Nr. 141 — 145; siebe aucli Boltz, Uluminierbuch: Aurum musicum und argentum musicum (recte musivum) S. 14-17, sowie die anderen Kunstbüchlein; Ilg, Noten zu K. 195 des Cennini. 14 Gold galt bei den Miniaturisten stets als gelbe Farbe; unter gelber Erde ist Ocker gemeint. 14 Ultramarin in einem bes. Artikel zu beschreiben, ist, wie oben erwähnt, im Ms. unterlassen. Ueber Ultramarin und Azzuro della Magna siehe die erschöpfende Note_bei Ilg -Cennini S. 156; Blau aus Silber, vergl. Mapp. cl„ jüngerer Teil Nr. II, (S. 27); die Erzeugung des Tournesolblau aus Krebskraut ist hier beschrieben. Boltz. Blaw Tormsol ist Blau aus Heidelbeeren, S. 33. Auffallenderweise ist im Bologn. Ms., das in Nr. 60—64 blaue Pfianzenfarbstoffe aufzählt, das Tournesolblau nicht auf- genommen. Vergl. Strassb. Ms. 31 und 32. — 137 — reine Leinenstücke, und tränke sie ein- oder zweimal in frischer Kalk- Noapeler milch, wasche sie sorgfältig ein- oder zweimal in reinem Wasser und lasse trocknen. Wenn sie trocken sind, gib sie in den Topf mit dem Pflanzensaft und lasse sie, bis sie ganz vollgesogen sind, einen Tag und eine Nacht darin. Wähle dann einen dunklen feuchten Platz, im Kellerz. B., wo weder Regen, noch Sonne oder Wind hinzukommt. Gib Gartenerde in einen Topf und begiesse diese reichlich mit dem Urin eines Weintrinkers. Mache dann über den Topf ein Gitter aus Stäbchen oder Aesten, derart, dass die mit dem Saft getränkten Leinenstücke von der Ausdünstung des Urin betroffen werden, ohne denselben zu berühren, dadurch würden sie verdorben. Lasse sie da etwa 3 — 4 Tage, bis sie trocken sind. Breite die Leinenstückchen in (127) Bücher oder in einem Kästchen aus, oder hebe sie in einem verschlossenen Glase nebst etwas ungelöschtem Kalk an einem trockenen Platze auf.» (NB. Die Beigabe dos ungelöschten Kalkes bezweckt hier die Abhaltung der ^Feuchtigkeit.) Rubr. X. (De viride colore.) Von grüner Farbe. „Natürliche grüne Farben, deren sich die Maler im allgemeinen bedienen, sind grüne Erde (terra viridis) und grüner Azur (viride azurium, Kupfergrün, Berggrün). Andere werden aus Substanzen be- reitet, welche sich erst verändern, wie aus dem Kupfer das Grün entsteht. Auch aus Schwarzdorn (Heidelbeer), welcher in der Cam- pagna von Rom wächst und prugnamerole genannt wird. Drittens zeigt sich diese Eigenschaft in den blauen Lilien, Iris genannt, welche sich auf künstlichem Wege in grüne Farbe verändern.» (Folgt genaue Beschreibung des Liliengrün und des Schwarzdorngrün, 15 welche Farben in Pezetten (petiis lini) aufbewahrt oder als Saft (suco) in einer Glasflasche bewahrt werden.) „Mit diesem Safte kannst du grün schreiben, es ist ausgezeichnet; auch wenn du Azurro de Alemannia damit reiben willst, gibt es ein schönes Grün, auch mit Giallolino mischt man es oder mit Cerusa, zum Malen und Färben der Papier- blätter. 16 Die Schattierung macht man mit Liliengrün, das mit Wasser und Eierklar aus den Leinenstücken extrahiert wird, ebenso kannst du mit dem Safte des Schwarzdorn selbst schattieren oder mit dem grün gewordenen Blau, nachdem man es vorsichtig mit Gummiwasser oder Eierklar gemischt hat. Ein anderes Grün wird mit Auripigment und gutem Indigo be- reitet; aber Auripigment ist nicht gut auf Pergamnnt, denn es redu- ziert Cerusa, Minium und Kupfergrün durch seine Ausdünstung in ihre ursprünglichen Metalle; deshalb habe ich mir nicht die Mühe gegeben, deren Bereitungsart zu notieren.» Rubr. XI. (De colore Rosaceo alias dicto Rosecta.) Von Rosa färbe, die Rosecta heisst. „Diese Farbe wird allgemein verwendet, nicht nur zu Gewändern und Blumen, sondern auch zur Füllung der Buchstaben; zur Schattierung kann die ohne Körper (d. h. die flüssige Lackfarbe) bei Blumen und Buchstaben angewendet werden.» (Folgt genaue Beschreibung der körperhaften (d. h. deckfarbigen) Rosekta aus Brasilholz, indem der Farbstoff mittels Lauge extrahiert und mit Alaun 15 Vergl. Bologn. Ms. No. 89, 93, 102, aus Rhamnus (Saftgrün); No. 92 Liliengrün. Grüne Lackfarben i. e. Saftgrün, aus Lilienblüten, Kornblumen, Mohn, Hollunder- und Kreuzbeeren s. die zahlreichen Angaben bei Boltz und den übrigen Kunstbüchlein, Kröcker’s Mahler, der kuriose Mahler (1712), Kunst- und Werkschul; Hochheimer, ehem. Farbenlehre (1798), S. 160; Hoffmann, Farbenkunde (1798), S. 80; Bersch, Fabrikat, der Mineral- u. Lackfarben (1893), S. 536. 16 Vergl. Cennini K. 16, vom Grünfärben der Papierblätter. — 138 — Neapeler gefällt wird; fein gestossener und geriebener weisser Marmor dient dazu, der Farbe Körper zu geben.) ,,Man kann auch zur Verschönerung der Farbe Kermeskörner (grana tinctorium) beimischen, damit die Farbe mehr Haltbarkeit habe; das Verfahren ist das gleiche; die schöne Farbe ist jedoch Brasil allein ohne Beimischung von Grana; mache es übrigens wie du magst. Statt des Marmors kannst du, um der Farbe Körper zu geben, auch gestossene Eierschalen zugeben : Diese werden eine Nacht in starken Essig gelegt, die Häutchen entfernt, dann in Wasser gewaschen und auf dem Porphierstein fein gerieben; filtriere dann das Pulver zwei- oder dreimal durch feines Leinen. Lasse an der Luft trocknen, aber nicht an der Sonne; hebe es dir auf, wie ich dir sagte, es ist vortrefflich.» 17 (128) Rubr. XII. (De colore Brasilii et liquido sine corpore ad faciendum umbraturam.) Von flüssiger und körperloser Brasilienfarbe zum Schattieren. ,,Nimm das erwähnte Holz (Brasil), soviel du magst, zerkleinere es, wie oben gesagt wurde, füge Grana hinzu, wenn du willst, oder auch nicht, nimm einfach Brasil allein in einem glasierten Gefäss. Bedecke es mit geschlagenem, d. h. mit einem Meerschwamme be- reiteten Eierklar, sodass der Saft das Brasil gut bedecke, dessen Farbe durch die Erweichung gut ausgezogen wird und lasse es zwei bis drei Tage stehen. Nimm hernach ein wenig süssen Alaun oder Alaunstein (alumine zuccarino vel de rocha), auf eine halbe Unze Brasil 2 — 3 Bohnen gross, löse ihn in Gummiwasser und mische ihn dem Brasil und Eierklar bei, lasse alles einen Tag stehen. Filtriere dann durch ein Leinen in einen glasierten Topf mit besonders breitem Boden, lasse trocknen (einige lassen auf dem Porphierstein trocknen, da- mit es schneller geht) und stelle es bei Seite. Willst du es gebrauchen, nimm eine Quantität in ein emailliertes Gefäss oder eine Muschel und löse es mit reinem Wasser auf; hernach füge noch ein wenig Honigwasser bei, so wenig als du mit der Pinselspitze fassen kannst, damit die Farbe beim Trocknen nicht abspringt. Ist dir die Farbe, welche mit Wasser gemischt ist, nicht glänzend genug, so füge Eier- klar oder Gumraiwasser bei, das erstere ist aber besser; gib acht, dass du nicht zu viel Honig nimmst, denn das verdirbt die Farbe; trachte auch, dass die Farbe nicht zu viel Tempera habe (temperamento), denn das schädigt unsere Farben, deshalb wendet man den Honig an, wie es alle Fachleute (experti) wissen. Ich schreibe dies hinzu, um es jenen ins Gedächtnis zu rufen, die oft ohne Umsicht arbeiten. Den Lack (alaccha) behandle ich nicht, ich lasse ihn den Malern.» 18 Rubr. XIII. (De Assica ad ponendum aurum in carta.) Von der Assisa, um Gold auf Pergament zu setzen. „Die Assisa, um Gold aufzusetzen, wird auf vielfache Art gemacht. Doch gebe ich eine erprobte und gute Anweisung: Nimm gebrannten und sorgfältig bereiteten Gips (gessum coctum et curatum), welchen 17 Ueber -ßrasilholz, Verzino vergl. Cennino C. 161 und Noten (Hg), S. 175; heute unter dem Namen Venezianer oder Kugellack im Handel. Ueber Eierschalenweiss vergl. Lib. Sacerdotum oben S. 66. 18 Die durchsichtige körperlose Farbe hat hier denselben Zweck wie die „durschinig verwen» des Strassb. Ms. Alumen de roccha ist Alaunstein, Alunit, aus welchem nach dem Brennen Alaun gewonnen wird (Quenstedt, Hdb. d. Mineralogie, Tübingen 1855, S. 448). Alumen zuccarinum (gezuckerter Alaun) kam schon mit Rosenwasser und Eiweiss dick eingekocht in den Handel für Färber, Illuminierer, Maler und Vergolder, ausserdem brauchten ihn die Gerber (Heyd, Geschichte des Levantehandels, Bd. II Anhang I). Unter Lack „für Maler» ist erstens der Carminlack aus Kermes (Grana) und dann Krapplack aus der Krappwurzel (Rubia tinctorium) zu verstehen; vergl. Noten zu K. 44 bei Ilg, Cennini S. 149, — 139 — die Maler auf Bildern benützen, nämlich den feineren, soviel du magst, Ncapeier (‘On(3X dazu 1 /4 Teil vom besten armenischen Bol, reibe dies sorgfältig bis zur grössten Feinheit auf dem Steine und lasse es trocknen; nimm davon einen Teil (und bewahre den anderen auf); reibe Hirschleim oder Pergamentleim dazu und füge etwas Honig bei, soviel als zum Weich- werden (dulcihcare, versüssen) nötig ist. Trachte weder zu viel noch zu wenig von dem Honig beizumischen, sondern derart, dass, wenn du eine Quantität auf die Zunge bringst, du kaum den Geschmack des Süssen habest. Und wisse, dass für ein kleines Gefäss, wie es die Maler haben, zwei Messerspitzen genügen, mehr würde die Masse verderben. Ist es gut gerieben, so gib es in ein glasiertes Gefäss, schütte Wasser darauf, so dass es bedeckt ist, ohne sich mit der Masse zu vermengen. Vor dem Gebrauche schütte das Wasser ab und gib acht, die Materie nicht zu vermischen, und jedesmal, wenn du Assisa legen willst, versuche auf einem besonderen Blatte, ob es gut ist und trocknet; lege etwas davon auf und versuche, ob es sich gut glätten lässt. Merke: wenn es zu viel Tempera oder zu viel Honig enthielte, so verbessere mit etwas gewöhnlichem Wasser in dem Gefäss; es wird desto besser, wenn es einige Zeit steht und schütte das Wasser dann sorgsam ab. Ist aber stärkere Tempera nötig, gib etwas Leim oder Zucker oder Honig nach Bedarf hinzu. In diesen Dingen gilt mehr die Erfahrung, als die geschriebene An- (129) leitung; ich erspare mir deshalb ein Weiteres. Dem Wissenden genügt das Wenige.» 19 Rubr. XIV. (De modo utendi ea.) Von der Art, dieselbe zu benützen. „Sobald die Buchstaben usw. aufgezeichnet sind, müssen die Stellen, auf welchen man Gold aufsetzen will, erst mit Leim bestrichen werden. Erweiche ein kleines Stück Hirschleim oder Pischleim im Munde, bis es weich wird und streiche die Stellen gut damit ein, das Blatt (Per- gament) wird für die Assisa empfänglicher. Manche geben über die ganze Malerei vorher eine Lage Leim; das ist aber nicht nötig, wenn das Pergament rauh ist. Man kann dasselbe weicher machen mit Leim und Honigwasser. Nimm dann die Assisa mit Wolle oder besser mit einem besonderen Pinsel und gib eine Lage davon; wenn diese fast trocken ist, gib eine zweite und wiederhole dies zwei- oder dreimal und sorge dafür, dass der Grund weder zu dünn noch zu dick ist. sondern entsprechend. Ist das trocken, so schabe mit einem scharfen Messer und reinige mit der Hasenpfote. Nimm dann geschlagenes oder mit dem Federbrech bereitetes Eierklar, wie es die Maler haben ; wenn alles ganz zu Schaum geworden, giesse Wasser zu, oder guten weissen Wein, oder ein wenig Lauge (lixivio), oder ohne etwas; ent- ferne den Schaum von der Oberfläche und die untere Flüssigkeit ist gut. Ueberstreiche damit sorgfältig den Assisagrund. Schneide das Gold in Stücke und drücke dieselben auf den Grund, wenn nötig mit Wolle, an. Sobald es so trocken ist, um den Glättstein zu ertragen, glätte mit dem Zahn oder dem Amethyste, wie Maler die Bilder auf Buxbaum oder anderem Holze vergolden. Man kann auch Linien ziehen und punktieren (lineare aut granectare). Fehlerhafte Stellen bessere mit Eiklar aus und drücke mit der Wolle die Stelle fest. 19 Vgl. Cennini K. 157, 158; „fundament» des Strassburger Ms. (13-14); St. Audemar No. 190—195; Bologn. Ms. No. 173, 177; Hermeneia § 27; ein Assis-Rezept ital. Ur- sprunges, das sehr vorzüglich sich verarbeiten lässt, gebe ich hier nach Mitteilung des Herrn Pfarrer Seder (München): Man nehme feine Kreide (Bologneser-Kreide oder weissen Bolus), reibe dazu Zinnober mit Fischgalle und etwas Leim zusammen; vor dem Gebrauch erweiche man die feste Masse über Nacht in schwachem Wein- geist und trage sie mit dem Pinsel a ;f. — 140 — ^’ x er Sobald alles geglättet ist, reinige mit der Hasenpfote und glätte die fehlenden Stellen, bis alles gut ist. Es gibt noch andere Methoden, aber diese ist bei den Miniaturisten die gebräuchlichste.» 20 Ruhr. XV. (De aquis seu Bictuminibus ad artera illurninandi necessariis et primo de aqua colla.) Von den zur Illuminierkunst nötigen Wassern oder Binde- mitteln, und erstlich vom Leimwasser. „Leim von Hirschgeweih oder von gutem hellen Pergament, wird mit warmem Wasser aufgelöst. Wenn der Leim gleich zwischen den Fingern klebt, ist er zu stark, wenn erst beim zweiten- und dritten- mal, dann ist er gut; wenn du ihn flüssig haben willst, giesse Wasser hinzu und lasse ihn stehen, nach einigen Tagen wird er ohne Wärme flüssig und wenn er anfängt, zu „schmecken», dann ist er gut. Auch Fischleim löst sich gut, braucht aber mehr Wasser als der erste. Pergamentleim oder der vom Hirschhorn mischen sich gut mit Essig und sobald die Auflösung gemacht, schütte den Essig ab, gib Wasser hinzu und mische, wie ich dir sage.» 21 (130) Rubr. XVI. (De clara ovorurn et quomodo praeparatur.) Vom Eier klar, und wie es bereitet wird. „Das Klare von Hühnereiern wird am besten so gemacht: Nimm frische Eier, eines, zwei oder mehr, je nachdem du nötig hast, schlage sie vorsichtig auf, trenne das Weisse von dem Gelben ohne sie zu vermischen, entferne den „Hahn» (gallaturam) aus ihnen, und schütte es in eine gläserne Schüssel. Am besten mit einem neuen Meer- schwamme, oder wenn du keinen hättest, mit einem gut ausgewaschenen, den du mit der Hand zusammen quetschest, lasse dann das ganze Eierklar in den Schwamm sich einsaugen und sorge dafür, dass der Schwamm so gross ist, um die ganze Menge in sich aufzunehmen. Hernach drücke so lange die Masse in der Schale aus und nimm sie wieder mit dem Schwämme auf, bis es schaumig wird und wie reines Wasser abläuft; damit wird gearbeitet. Und wenn du es längere Zeit konservieren willst, ohne dass es riecht und in Fäulnis gerät, so gib es in eine Glasflasche mit etwas rotem Realgar (risalgallo), ungefähr eine Bohne gross oder höchstens zwei, ein wenig Kampfer, oder zwei Gewürznelken, damit erhält es sich. Wenn du Gold mit Ei auflegen willst, dann schlage es zu Schaum mit dem Federbrecher oder mit gespaltenem Schilfrohr, wie es oben gesagt ist.» 22 Rubr. XVII. (De aqua Gurarae arabice.) Von Gummi-ar ab. -Wasser. „Gummi arabicum stosse und lasse ihn mit Wasser eine Nacht und einen Tag stehen; auf gelindem Kohlenfeuer erwärme denselben, bis er gut zergeht und filtriere ihn durch ein Leinenfilter; ebenso wird Gummi tragantum gemacht, der jedoch nicht so gut ist.» Rubr. XVIII. (De aqua mellis vel zucchari.) Von Honig- oder Zuckerwasser. „Dieses ist zum Mischen des Leimes oder Eiweiss sehr wichtig; nimm Honig, so rein und hell wie möglich, koche ihn in einem breiten 80 ; Ueber Assis-Vergoldung und die übrigen Arten verweise ich auf die betreff. Abschnitte bei Cennini und bei Miniaturmalerei. 21 ) Ueber die Miscbung des Essigs zum Leim vergl. Strassb. Ms. 68; die Zer- setzung , des Leimes („schmeckend* werden) macht denselben weicher d. h. seine Bindekraft wird verringert, was hier bei der Miniaturmalerei beabsichtigt ist. 22 ) Zur Bereitung des Eiklar vergl. noch Anonymus Bernesis, Heraclius (nasse Leinenfilter) K. XXXI. und die Lösung des Eiklar durch die jungen Peigentriebe (Cennini, Vasari). Bologn. Ms. No. 226 nimmt nur zerschnittene Feigenstöckchen, — 141 — Gefäss, auf schwachem Feuer; entferne den Schaum, bis es ganz Neapoior klar ist ; dann erst gib Wasser hinzu und lasse aufschäumen. Gib etwas Eierklar mit Wasser hinzu, wie es die Apotheker machen; ganz wenig Honig genügt. Lasse den Honig nebst dem Eierklar kochen, bis das Wasser fast verdampft ist und filtriere in eine Flasche. Ebenso bereite die Zuckertempera. Man kann sich die Arbeit auch ersparen, und Zucker oder Honig mit oder ohne Wasser verwenden, es ist aber besser, die Flüssigkeit ist klar; Kandiszucker ist besser als gewöhnlicher.» Ruhr. XIX. (De coloribus quomodo debent moleri et invecem misceriea in pergameno poni.) Wie man die Farben reiben und anmischen soll, um sie auf Pergament zu setzen. „Kohlenschwarz oder natürliches muss mit Wasser auf dem Porphir oder einem anderen harten Stein gerieben werden, bis es fein ist; wenn die Farbe sich gesetzt hat, wird das Wasser mit Vorsicht ab- geschüttet und neues hinzu gegossen; durch diese ausgezeichnete und einfache Methode hält sich die Farbe so lange du willst; so werden alle Farben, die Körper haben, gerieben, ausser Kupfergrün (viride es), das mit Essig gerieben oder mit dem Safe der blauen Lilien, oder von Schwarzdornbeeren und mit Eierklar gemischt wird. Andere reiben es mit dem Saft der Kaute und ein wenig Safran und ver- dünnen mit Eigelb. Alle anderen Farben werden so gerieben und aufbewahrt, wie be- reits geschildert worden. Merke, dass du den Ultramarin mit dem Finger in eiuem kleinen Gefäss oder Hörn mit einem der „Wasser» mischen kannst; ist er nicht fein genug, so reibe ihn auf einem ^ 131 ) glatten Stein. Den Ultramarin reihe mit */4 oder weniger armenischen Salz (sal armoniac, Salmiak), dann mit Wasser oder etwas leichter Lauge. Dann wasche ihn mit Wasser so lange, bis es rein abläuft und der Ultramarin ohne salzige Teile bleibt. Azurro de Alemannia, welcher fett und schlecht ist, kannst du auf folgende Weise verbessern: Reibe ihn zuerst mit dickem Gummi- wasser, dann in einem Gefäss mit reinem Wasser mehreremale. Du magst ihn auch wie den Ultramarin behandeln und durch ein Leinen durchseihen, aber das Blau verliert viel von seiner Farbe; trockne es und presse es aus. Um mit dem Pinsel verwendet zu werden, ist es mit Gummi zu temperieren; einige Tropfen Eierklar fügen etliche hinzu; handle nach deiner Erfahrung. Zur Buchstabenfüllung nehmen manche drei Teile Gummiwasser und einen Teil Eiweiss, nebst einem Körnchen Zucker. Um mit Ultramarin zu florieren 23 (ad florizandum), mische es mit Eierklar, etwas Zucker oder Honig, oder mit Gummiwasser und Eier- klar, wennnötig, fügeZucker, auch Kandis oderHonigbei. Wennder Zin- nobertrocken wird, verfahre wie immer, giesse Wasser zu, lasse erweichen und rühre mit dem Stäbchen um; wenn das Eiweiss zäh wird, giesse einige Tropfen Lauge zu, je nach Bedarf, dann läuft es gleich, denn die Lauge löst die Zähigkeit des Eierklar.» 21 23 Für fiorizare finde ich keinen passenden deutseben Ausdruck; auszieren wäre vielleicht die richtige Bezeichnung; Strassb. Ms. hat übrigens das Wort ins Deutsche übernommen, deshalb behalte ich dasselbe bei; vergl. „Dis buchlin lert wie man all varwen temperieren sol ze malen und ouch zu florieren . . . .» (49 m. Ed.) 24 Ein interessantes Kapitel, nach welchem allein man schon vollkommenen Einblick in die Miniaturtechnik gewinnen kann; dem Ms. eigentümlich ist die An- wendung von Lauge (lixivio) zur Lösung des Eierklar; beim Zinnober mag ein solchei Ueberschuss von Alkali ohne Einfluss sein, doch wäre ein zu viel wegen der weiss- lichen Farbe beim Trocknen vom Uebel; eine ähnliche Reibe von genaueren Details zur Mischung von Farben zur Miniaturmalerei ist zu linden im Bologn. Ma. Nr. 224 bis 235. — 142 — N c a dex r Rubr. XX. (De modo operandi colores). Von der Art, die Farben zu bereiten. „Willst du Blumen mit Tournesol oder Pezzuola (torna ad solem vel alias peczola) machen, gib soviel du willst, in eine Muschel und löse es mit gut geschlagenem Eierklar; drücke den Saft nicht aus, sondern lasse die erweichten Stückchen in der Muschel, wie man die Baumwolle im Tintenfass mit Tinte lässt; wenn es trocken wird, ver- dünne mit Wasser oder mit Eierklar und Wasser vermischt. 25 . Rubr. XXI. (Ad norizandum de Azurio de Alamannia.) Um mit Azur de Alamannia zu florieren. „Reibe dieses mit Eierklar, in welchem ein wenig Tournesol oder Pezzuola aufgelöst ist und male mit Ultramarin. Unreinem Azurium de Alamannia gib etwas Cerusa bei, mische es auch mit Eiweiss, in welchem ein wenig helle Pezzuola oder violette gemischt ist und verfahre, wie ich dir gezeigt habe.» Rubr. XXII. (Ad norizandum Oinabrium.) Um Zinnober zu florieren. „Reibe Zinnober auf dem Stein mit ziemlich starker Lauge (lixivio competenter forti), giesse reichlich Wasser zu und filtriere; das Zu- rückgebliebene reibe nochmals. Einige fügen beim Reiben etwas Stoppium (i. e. Minium), etwa ein Achtel hinzu und bereiten es wie den Zinnober. Temperiere mit Eierklar und wenn es schaumig wird, füge Ohrenschmalz hinzu und es wird gleich gut. Auch Blau, besonders Ultramarin und Zinnober so präpariert, sind zum Florieren sehr vorzüglich. Reibe diese vorerst mit Gummi oder Eierklar auf dem Porphir, nebst etwas Zucker oder Kandis, lasse auf dem Steine trocknen und bewahre diesen vor Staub. Mische hernach von neuem das Blau oder den Zinnober mit Eierklar und einigen (132) Tropfen Lauge und gib es in ein Hörn zum Schreiben. Dies ist die beste Art; auch um die Buchstaben auszufüllen (pro faciendis corpo- ribus licterarum).» 26 Rubr. XXIII. (Ad faciendum corpora licterarum de Oinabrio.) Um die Buchstaben mit Zinnober auszufüllen. „Nimm vom besten Zinnober, reibe ihn trocken mit Sorgfalt, mische Eierklar hinzu und wenn er ganz fein gerieben ist, lasse ihn auf dem Steine trocknen; temperiere ihn mit neuem Eierklar und wenn er gut erweicht ist, gib ihn in ein Hörn, füge etwas Ohrenschmalz hinzu und ganz wenig Honig; dadurch wird der Zinnober sich vom Papier nicht ablösen. Merke, durch zu viel Honig wird er schlecht und löst sich ab; sorge auch, dass im Eierklar stets etwas Realgar oder etwas anderes zum Konservieren enthalten ist.» Rubr. XXIV. (De coloribus ad illuminandum cum pinzello.) Von Farben zum Illuminieren mit dem Pinsel. „Merke: Wenn die Farben fein mit Wasser gerieben und gut ge- trocknet sind, kannst du sie mit Gummiwasser anmischen, sie in in ihrem Topfe lassen, oder wenn sie eingetrocknet sind, sie von neuem auf dem Steine oder mit dem Finger in den Töpfen aufrühren, so sind sie noch besser.» 26 Vergl. Cennini C. 161 ; peczola soviel wie pezzuola, ital. Pezzette oder Tüch- leinfarben des Strassb. Ms. 26 Das „Geheimnis», mit Ohrenschmalz gewisse Farben zu verbessern, finde ich wieder im Bologn. Ms. Nr. 66, 160 und 162 erwähnt. Nr. 66 ist es bei Azurro zum Schreiben angewendet, in 160 dient es für Assiso zur Vergoldung (nebst Leim und Zucker) 162, um mit diesem Assiso Konturen zu ziehen; vgl. auch die folgende Rubr. — 143 — Rubr. XXV. (Ad temperandum Cerusam causa profilandi folia et alla Neapeler opera pinzelle). Um Bleiweiss zum Zwecke der Profilierung des Blattwerkes und zur Pinselarbeit zu temperieren. „Nimm Weiss, das in Wasser gerieben und dann getrocknet ist; reibe es mit Gummi arabicum und Wasser auf dem Steine, lasse es trocknen und bewahre es. Zum Gebrauch gib es in ein Gefäss, lasse es in Wasser erweichen, so wird es gut. Um auf farbigem Grunde Linien und Blumen zu machen, mische etwas Weniges von der Farbe des Untergrundes zu dem Weiss, es wird so schöner; für jede Farbe habe ein eigenes Gefäss; ist dir dies zu umständlich, arbeite mit Weiss allein. 27 Rubr. XXVI. (De Oroco.) Vom Safran. ,, Safran wird stets mit Eierklar gerieben und wenn es trocknet, von neuem mit frischem Eierklar, das klar wie ein Krystall ist. Um es auf dunklen Buchstaben oder auf roten als Lichter mit dem Pinsel anzubringen, gib genügend Eierklar hinzu, so dass die Farbe fein sei und wie goldig erscheine. Wenn zu viel Eierklar dabei wäre, ver- dünne einfach mit Wasser. Merke, dass Neapelgelb, Curcumagelb und Färber-Robbia 28 immer mit gewöhnlichem Wasser in ihren Gefässen bedeckt sind, auch gelber Ocker erhält sich besser in lauterem Wasser als in den präparierten Flüssigkeiten; das thue jeder nach seiner Erfahrung.» Rubr. XXVII. (Ad faciendum scribendum cum Cinabrio.) Um Zinnobertinte zu bereiten. ,,Nimm Zinnober, der fein auf dem Stein gerieben und vermische ihn mit Eierklar, das mittelst des Schwammes flüssig gemacht ist.» Rubr. XXV11I. (Ad faciendum primam investituram cum pinzello.) Um die erste Farblage mit dem Pinsel zu geben. ,,Um die erste Anlage mit dem Pinsel zu geben, wisse, dass Blau oder Rosa (roseeta) mit Weiss gemischt werden, Zinnober, Minium, Aurum musicum, Neapelgelb verwendet man direkt, obwohl (133) man sie auch (mit Weiss) mischen kann, aber sie machen ohne das- selbe mehr Wirkung. Das Veride (Kupfergrün) kann man mit Neapel- gelb mischen, ebenso jedes andere Grün. Bewahre die Mischungen in einem besonderen Gefäss und reibe dieselben, wenn sie getrocknet sind mit Wasser oder wenn nötig, mit der flüssigen Tempera an, oder mit Zuhilfenahme des Fingers. Willst du Bisso, d. i. violette Farbe machen, so nimm in Violett verwandeltes Tournesol, erweiche es mit Eierklar oder Gummi, mische es mit Weiss und arbeite auf der ersten Farblage mit Pezzuola, bis dir die Arbeit genügt; man arbeitet auch auf andere Art in Violett: mische nämlich Blau mit Weiss und schattiere mit durchsichtiger oder körperhafter Roseeta, auch mit etwas Indigo und Weiss und Roseeta ist es gut. Alle mit Weiss gemischten Farben müssen zum Schluss mit puren Farben ohne Weiss schattiert werden. Den Azur kann man gegen die Schatten mit durchsichtiger Roseeta verstärken und dieses Rosa, ohne Körper, ist der allgemeine Sohatten aller 27 Eino vortreffliohe Art, die Lichter in Uebereinstimmung mit dem Untergrund zu bringen, welche man bei allen guten Miniaturen des XIV. und XV. Jh. beobachten kann; wo die Härte der Lichter uns unangenehm berührt, ist nach dem obigen Rez. nichts anderes als Lässigkeit die Ursache. 28 Robbia der Färber scheint identisch mit Herba rocchia in Rubrica XI; da es sich hier auch eine um gelbe Farbstoffe handelt, ist jedenfalls ebenso Waulack darunter zu verstehen. — 144 — Neapeler Farben, wie das Pezzuola für das Violett. Aurura musicum schattiert man mit Safran und Brasilrot, ebenso das Giallolino (Neapelgelb). Um Aschfarbe zu machen (criseum vel cinericum), nimm Schwarz, Weiss und Gelb, soll es ein wenig ins Rötliche gehen, gib etwas Rot dazu.» (Nota modum incarnandi facies et alia membra.) Bemerkung über die Art der Gesichtsfarbe und anderer Glieder. „Alle Stellen für Gesichter und Fleisch sind mit grüner Erde und yiel Weiss anzulegen, so dass das Grün ein wenig vorherrscht. Dann wird mit „Teretta», aus Gelb, Schwarz, Indigo und Rot bereitet, die Form schattiert und alles übergangen, wo es nötig ist; die Farbe sei gut fliessend. Dann gib die Reliefs mit Weiss und ein wenig Grün oder erhelle die Stellen, die erhöht sind, wie es die Maler machen. Dann nimm Rot mit etwas Weiss und färbe die Stellen, die farbig sein sollen; von derselben Farbe streiche leicht auch über die Schatten und zeichne mit Rot; mit hellerem Ton übergehe dann das Fleisch mit flüssiger Farbe, aber bestimmter im Licht als im Schatten. Wenn die Figuren sehr klein sind, beachte nur die höchsten Teile. Wenn du willst, gib noch mehr Relief mit reinem Weiss, mache das Weisse und das Schwarze im Auge, mache die Profilaturen, wo es nötig ist, mit Rot und Schwarz nebst etwas Gelb gemischt, oder mit etwas Indigo oder Schwarz, wie es dir bekannt ist.» Ruhr. XXIX. (Ad illustrandum colores post operationem eorum.) Um den Farben nach ihrer Fertigstellung Glanz zu geben. „Um den Farben im Schatten oder im ganzen Glanz zu geben, mache es so: Nimm gleiche Teile Gummi-arabicum- Wasser und mit dem Schwamm gelöstes Eierklar, mische diese in einem Glase und lasse es trocknen. Zum Gebrauch löse etwas davon in reinem Wasser und füge, um den Glanz zu vermehren, etwas Eierklar hinzu. Ist es aufgelöst, so füge mit dem Pinsel etwas Honig bei, weder zu viel noch zu wenig. Damit überstreiche das Gemalte; versuche zuvor, ob es gut ist; wenn es sich beim Trocknen ablöst, ist zu wenig Honig darin; trocknet es nicht und haftet es am Finger, so ist zu viel Honig darin.» Rubr. XXX. (Ad ponendum aurum cum mordente qui accipit aurum per se ipsum.) UmGold mit einerBeize aufzusetzen, welche das Gold durch sich selbst annimmt. „Nimm fein gestossenes Sal amoniac 29 , lasse es in einem Glasgefäss erweichen, filtriere es und füge etwas gestossenen Kandiszucker bei, dann mische ein oder zwei Tropfen Gummi arabicum dazu. Zeichne mit der Feder oder dem Pinsel, was du willst, und wenn es fast trocken ist, setze das Gold auf und reinige mit der Wolle. (134) Man kann auch mit folgender Flüssigkeit vergolden : Nimm grüne Pezette (petias virides) mit Saft von blauen Lilien gefärbt, wie oben erwähnt (die vom selben Jahre sind die besten), löse sie in der ge- nannten Flüssigkeit und lasse 2 — 3 Tage stehen. Die Flüssigkeit wird sehr klebrig und damit schreibe, was du willst ; lasse es trocknen und erwärme die Fläche mit deinem Atem und setze Gold oder Silber auf, drücke es leicht an, glätte aber nicht mit dem Zahne, weil es leicht verdirbt, sondern reibe es leicht mit der Wolle.» S9 Eine gleiche Angabe zu ähnlichem Zwecke findet sich in No. 195 des St. Audemar Ms. (Merrif. S. 157). — 145 — Ruhr. XXXI. (Regula singularis ad faciendum Gumraara optiinam pro N’/apeier illuminalione licterarum tarn cum pinzello, quam cum penna.) Einfache Regel, um guten Gummi für Illuminieren der Buch- staben, sowohl mit dem Pinsel als auch mit der Feder zu be- reiten. „Zuerst präpariere Eierklar mit dem Schwämme und Gummiwasser, wie bereits gesagt; dann mache Honigwasser und lösse darin Kandis- zucker auf, soviel ais geht. Nimm gleiche Teile Gummiwasser und Eierklar und füge ebensoviel oder etwas weniger vom Honig und dem Zucker hinzu; lasse es ruhen und klären; mit diesem Wasser halten alle Farben guten Effekt ; es ist besser, wenn weniger Honig genommen wird, weil es sonst nicht trocknet, ist aber zu wenig, so springt es ab. Mit dieser Flüssigkeit kannst du auch gut Gold und Silber auf Papier aufsetzen: Nimm drei Teile feinen Malergips, einen Teil arme- nischen Bolus und reibe diese auf dem Porphir. Befeuchte mit der obigen Flüssigkeit und reibe so lange, bis du eine dem Zinnober ähnliche Substanz erhältst; lasse auf dem Steine in der Sonne trocknen, sammle dies mit dem Messer und hebe es trocken auf. Zum Gebrauch nimm ein wenig davon, »gib es in ein Glas mit Wasser, dass es damit be- deckt ist und lasse es erweichen ; schütte das Wasser dann ab, so dass die Masse feucht bleibe; reibe sie neuerdings, tue sie in ein Hörn und schreibe damit wie mit Zinnober. Wenn das Geschriebene zu trocknen beginnt, erwärme es mit deinem Atem, lege Gold oder Silber auf, drücke mit dem Brunierstein darüber hin und poliere über der Holzplatte (tabulam) und mache wie du weisst, dass es am besten wird.» Mit „Deo Gratias. Amen.» endet das Ms. Bei aller Kürze und Schlichtheit ist der Neapeler Kodex ein vollstän- diges Kompendium für die Miniaturmalerei jener Zeit. Die Art und Weise, wie sie hier beschrieben ist, steht mit den anderen bekannten Quellen, dem Alcherius und St. Audemar, sowie den bezüglichen Teilen des Bologneser Ms. im grossen Ganzen in vollster Uebereinstimmung; wie hier die norditalienische Art, ist beim Neapeler Kodex die mittel- oder süditalienische mehr ausge- sprochen. Es ergibt sich eine Gleichheit der lombardischen Art der Mailänder Quelle des Le Begue, auch mit den ersten Teilen der Strassburger Ms., und damit die gleiche Tradition für Miniaturmalerei in allen damaligen Kunst- zentren. Als eine der besten Quellen des Südens hat uns der Neapeler Kodex bei dem bereits behandelten Athosbuch gute Dienste geleistet, denn mit Hilfe dieses Ms. für Miniaturmalerei waren wir im stände, manche Anweisung als speziell für die Miniaturmalerei geeignet zu erkennen. Ein genauerer Einblick in die Technik der Miniaturmalerei hat aber auch für uns Moderne den Vorteil, bei Anfertigung von Diplomen, welche fast ausschliesslich auf Pergament angefertigt werden, sich aus den obigen Anweisungen Rat zu holen. Als Vorläufer der heutigen Aquarellmalerei wird die alte Miniaturtechnik auch all«-emein von Interesse sein. III. Teil Mittelalterliche Quellen des Nordens XIV. und XV. Jahrhundert und insbesondere das Strassburger Ms. — 149 — I. Le Begue’s Schriften ] Die Erstarkung dos Bürgertums in den grossen Städten, der Handelsver- (137) kehr, der sich im XIV. Jh. schon naoh allen Teilen ausdehnte, nicht minder die Pflege von Künsten und Wissenschaft an den kunstsinnigen Höfen der italienischen Fürsten und den Republiken von Venedig oder Genua, hatten auf die ehedem nur in den Klöstern geübten Fertigkeiten der Malerei befreiend gewirkt. Ein fortwährender Austausch von Künstlern fand an den grossen Kunstzentren von Frankreich -und der Lombardei statt. Aus den ehemaligen Klosterschulen, in denen die Kunst der Buchmalerei gelehrt wurde, bildeten sich die Enlumineurs (Illuminierer) zu einem selbstän- digen, im XIII. Jh. schon mit besonderen Privilegien ausgestatteten Gewerbe. Zwischen den Büchermalern und den Tafelmalern stellte sich mit der Zeit sogar eine gewisse Trennung heraus, so dass die einen mit den anderen nicht viel Uebereinstimmung hatten. Es würde Aufgabe einer kunstgeschichtlichen Untersuchung sein, auf die Ursachen aufmerksam zu machen, wodurch diese Scheidung in zwei getrennte Gewebe bedingt war. Für uns ist diese Trennung in den Quellenschriften selbst von grosser Bedeutung; sie trat uns zum ersten Male mit aller Kraft im Neapeler Codex entgegen und ist auch in dem grossen kompilatorischen Werke des Le Begue zu erkennen ; aber Le Begue ist selbst nicht Miniaturmaler von Beruf, sondern nur Liebhaber der Künste gewesen, so dass in seinen Zusätzen noch alle Techniken Berücksichtigung fanden. Infolgedessen bringt das Werk Le Begue’s das gesamte maltechnische Maitechnik Wissen des XIV. Jhs. zum Ausdruck. Le Begue (der Stotterer) war Lizentiat e der Rechte und Notar der Münzmeister von Paris; er sammelte die Rezepte, wo er sie fand, von befreundeten Malern, welche von ihren Fahrten nach Italien, England und Deutschland mit neuen Kenntnissen bereichert, heim- kehrten. Er selbst meint (Rez. 303a), dass er eigentlich des Schreibens un- gewohnt sei, doch scheint ihn ein besonderes Interesse veranlasst zu haben, sich einer so umständlichen Arbeit, wie es das Kopieren von langen Rezepten- reihen ist, zu unterziehen. Das Verdienst von Mrs. Merrifield, diese umfang- reiche Rezeptensammlung der Pariser Bibliothek (Nr. 6741), die grösstenteils heute nur mehr retrospektiven Wert besitzt, nochmals kopiert und übersetzt zu haben, scheint Le Begue’s Verdienst nicht nur gleich zu sein, sondern noch um einen guten Teil zu überragen. In diesen Schriften sind enthalten: 1. Tabula de vocabilis synonymis, ein Vokabularium nebst Er- klärung der in der Malerei gebräuchlichen gleichartigen Bezeichnungen für Farbenbereitung und Technik, welche für die Kenntnis der alten Ausdrücke von unschätzbarem Werte ist; ohne diese vergleichenden Erläuterungen, wobei oft lateinische, griechische und altfränkische Worte nebeneinander gestellt sind, wäre vieles über alte Technik für uns nicht verständlich. 1 Abgedruckt bei Merrifield, Original Treatises Vol. I. S. 1—321. — 150 — L| Begue’s 2. Alia Tabula li cet imperfecta et sine initio, ein unvollständiger Index, von Buchstabe Qu bis W, sowie von A. Diese Tabelle scheint ein (138) Teil des Inhaltsverzeichnisses zu sein, welches Le Begue anfertigte; die bei- gesetzten Nummern korrespondieren nämlich auch mit den Nummern der von Le Begue am Schluss hinzugefügten Rezepte, der grösste Teil fehlt also. Der zweite Index war für alle die Metallarbeit betreffenden Dinge projektiert, ist aber, ausser Buchstabe A, nicht weitergeführt. Eine Nummer (365) zeigt übrigens, dass das Ms. ursprünglich noch ausgedehnter gewesen sein muss, denn die jetzige Passung endigt mit 352. 3. Experimenta de coloribus. Diese 47 Anweisungen der Experi- menta sind, wie Le Begue am Schluss angibt, nach einem Manuskript (des Alcherius) kopiert, welches einer „Handschrift des Pater Dionysius vom Orden der Diener der Sta. Maria, welcher in Mailand „del sacho» genannt wird, ent- nommen ist und „in Janua» im Monat Juni 1409 geschrieben wurde.» Der Inhalt behandelt ausschliesslich die Bereitung von allerlei Farben und zwar von Azur und Blau (8 Anweis.), dann rote Lacke (7 Anweis.), Gold- und Silberschrift (10 Rez.), Tinten und Färberezepte. 4. Experimenta diversa alia quam de coloribus (Verschiedene Versuche, die sich nicht auf Farben beziehen), mit Angaben über allerlei Arten für Löten und Schmelzen von Metallen, vom griechischen Feuer, von Kitten, vom Färben der Stoffe, teilweise englischer Provenienz, denen sich wieder Farbrezepte anschliessen (71 Rez.). Die erste Reihe der Rezepte (47- -88) ist, wie eine Notiz besagt, gleichfalls dem obigen Traktat des Servitenbruders Dionysius entnommen; ebenda erfahren wir, dass eine Reihe der folgenden Rezepte (89 — 99) von einem flandrischen Kunststicker Theodorich (Theodoricum de Flandria), der im Dienste des Herzogs von Mailand (Gian Galeazzo, f 1402) stand, von England nach Mailand gelangte; diese Rezepte sind in französischer Sprache abgefasst und geben verschiedene Andeutungen darüber, auf welche Art und Weise damals Stoffe gefärbt wurden. Die folgenden Artikel (100 — 110) sind wieder italienischen Ursprungs, denn Le Begue bemerkt, dass er dieser Sprache unkundig, sich die Rezepte ins Lateinische übersetzen Hess (S. 91); die Rezepte für Malerei (Farbenbe- reitung und Vergoldung) sind hier fortgesetzt, besonders ausführlich die Er- zeugung des kostbaren Azur aus dem Lazurstein (Lapis lazuli) mit Hilfe des „Pastilles» beschrieben, auf dessen Darstellung eine ganz besondere Sorgfalt verwendet wurde (Rez. 111 — 118). Eine Notiz besagt, dass das Rezept 117 von „einem vortrefflichen venezianischen Maler Michelino de Vesucio stamme.» Aus einer anderen Bemerkung (S. 105) entnehmen wir noch, dass ,, Meister Johannes», ein Normanne, welcher sich bei Meister Petrus von Verona lange Zeit aufgehalten und dort die Bereitung des Azurium ultramarinum erlernte, „mir, dem Schreiber Johannes’ Alcheriu s zu Paris» das Verfahren anver- traute, das dieser im nächsten Abschnitte (Nr. 118) ausführlich beschreibt. In Alcherius lernen wir demnach den Kopisten des genannten Traktates von Pater Dionysius kennen. 5. Das Buch des Theophilus, ,, des bewunderungswürdigen und hoch- gelehrten Meisters aller Malerkünste» (admirabilis et doctissimi magistri de omni scientia picturae artis). (Nota: Le Begue hat nur das erste Buch, das von Malerei handelt, kopiert; da dasselbe schon von Hendrie nach dem gleichen Pariser Ms. ediert worden, hat Mrs. Merrifield einen Wiederabdruck unterlassen; Rezepte 119 bis 149 der Le Begue’schen Numerierung; s. oben S. 47 ff.) 6. Liber Magistri Pietro de Sancto Audemaro de coloribus faciendis (Das Buch des Meisters Peter von St. Audemar über Farbenbe- reitung), eine Sammlung von Rezepten (Nr. 150 — 209), welche französischen Ursprungs sind. Viele Bezeichnungen deuten auf Nordfrankreich hin, wie der lateinische Name für Rouen, Rotomagnus, oder Warancia für Krapp (garance) ; auch englische Ausdrücke finden sich, dieselben, welche wir schon in Mapp. clav. verzeichnet haben (gremispect in einem Rezept, Nr. 201, ein Grün auf — 151 — „normannisohe» Art zu bereiten; in 199 wird Qaisblatt „auf englisch» gatetrice L g c h r e i?t»n’ B genannt). Der Autor hat mehrere Rezepte aus Mapp. clav. (s. S. 23) ent- nommen, auch wiederholen sich einige im 1. B. des Theophilus. Nach Eastlake (139) (Materials 1 S. 45) ist das Ms. nicht jünger als vom Ende des XIII. oder Anfang des XIV. Jhs. Inhaltlich bringt es eine Reihe von Rezepten zur Bereitung von Farben; Grün aus Kupfer und Pflanzen, Weiss aus Blei, Schwarz aus Kohle, und Blau von Silber, Kupfer und Blumen. Rote Farben sind künstlicher Zinnober, rotes Blei, welches Minium und Sandarak (?) genannt wird, und ein Lack aus Efeublüten. Der einzige gelbe Farbstoff ist Auripigment. Die Bindemittel sind auf der trockenen Mauer Ei oder Gummi, in Büchern Gummi oder Ei; auf Holz Oel, woraus der frühe Gebrauch des Oeles auch in Frankreich her- vorgeht; zu bemerken wäre noch die Mischung von Folium mit Käseleim für Pergamentmalerei (Nr. 162) und die Bereitung desselben (163); die Mischung von Lazur hat mit Gaismilch, Frauenmilch (sie!) 2 oder Eierklar (157) zu ge- schehen, mit Ei(gelb) auch auf der Mauer, während es auf Holz ,,wie alle Farben mit Oel» gerieben werden (168); Eigelb für Wandmalerei, das Theo- philus nur einmal bei Azur nennt, ist hier für andere Farben auch im Ge- brauch, so in Nr. 172 für Russschwarz zur Wandmalerei, Minium dagegen erhält für die Mauer Gummitempera, für Holz Oel (176); ob unter Gummi- tempera für Mauer vielleicht Gummi-Traganthum zu verstehen ist, kann aus den Rezepten nicht ersehen werden, ist aber sehr wahrscheinlich, weil in späterer Zeit nur diese Art des Gummi für Retouchen bei Freskomalerei genannt ist (s. oben Bologn. Ms. S. 131). Die Goldbeize ist die gleiche wie bei Heraclius, nämlich Auripetrum; ausserdem dient Galle (Nr. 203) zum Färben der Zinnfolie, Myrrhe und Aloe, nebst Oelfirnissen in gleicher Art für Piotura translucida wie bei den früheren Mss. zum Ersatz des teuren Goldes. Die Bereitung verschiedener Tinten, Bindemittel und Vergoldungen ist hier ähnlich beschrieben, wie in den gleichzeitigen mehrfach genannten Quellenschriften. 7. Die drei Bücher des ,,sehr gelehrten Mannes» Heraclius, von den Farben und Künsten der Römer, im ganzen 79 Kapitel, welohe bereits oben besprochen wurden (S. 35 ff.). 8. De coloribus ad pingendum bringen Kapitel über Malerfarben, die Joh. Alcherius im Jahre 1398 von einem flämischen Maler Jakob Oona, der in Paris wohnte, erhalten hatte und sehr ausführliche Anweisungen für Ver- goldung und Farbenbereitung enthalten (Nr. 290 — 296;. Daran anschliessend: 9. Andere Kapitel desselben Johannes Alcherius, über Farben für Illumierer, die er von Antonio de Compendio, dem Buchmaler in Paris und vom Meister Alberto Porzello aus Mailand erhielt; im Jahre 1398 schrieb er diese Anweisungen nieder, und sie wurden später, im Jahre 1411, von demselben Johannes, nachdem er über ein Jahr in der Lombardei, speziell in Bologna geweilt, an vielfachen Stellen verbessert (a. a. 0. S. 281). Den Antonio de Compendio nennt er „einen alten Mann, welcher, wie er sagte, während seines ganzen Lebens diese Rezepte selbst bereitete». Die Rez. behandeln wieder Vergoldung auf Pergament, Papier etc., rote und grüne Farben, welche Körper haben, sowie solche, die flüssig sind (Tüchlfarben) und Tinten zum Schreiben (Nr. 297 bis 303). Endlich sind 10. Andere Rezepte in lateinischer und französischer Sprache, ge- schrieben von Meister Johannes, genannt Le Begue, Licentiat der 2 Sollte Mrs. Merrifield bei Uebersetzung von „cum lacte mulieris;’ mit ^Frauen- milch» nicht das Ungeheuerliche dieser Mischung aufgefallen sein? Mir will es viel- mehr scheinen, als ob ein Schreibfehler des Kopisten vorliegt und hier Mauleselmilch (mula) gemeint sein müsste. Der Gebrauch von Gaismilch oder der Milch anderer Tiere für Freskomalerei dauert übrigens noch bis in die spätere Zeit fort. — 152 — Lo P®? t ue ‘ s Rechte und Generalmagister der Kgl. Münze zu Paris, „der vorliegendes Werk, vielmehr die in diesem Bande gesammelten Kapitel eigenhändig nieder- schrieb im Jahre des Herrn 1431 und in seinem 63sten Lebensjahre.» Es sind Anweisungen verschiedener Art, wobei am merkwürdigsten jedenfalls erscheint, dass viele Angaben des Theophilus sich hier wiederholt finden, woraus geschlossen werden kann, dass dieselbe Tradition in Frankreich bis ins XV. Jh. sich gleich erhalten haben musste (Nr. 303a — 352). (140) Auf die hochinteressanten und wichtigen Details einzugehen, ist bei der Fülle des Materiales hier nicht möglich und würde den Umfang des vor- liegenden Bandes um ein erhebliches vergrössern; es kann deshalb nur auf einzelnes aufmerksam gemacht werden, das sich speziell auf die Technik der Malerei bezieht; die Erzeugungsweise der Farben muss hier unberücksichtigt bleiben, obwohl die Farbenpigmente einen wesentlichen Faktor für die Malerei bilden. Einzelne Rez. allgemeiner Art, die von denjenigen der vorausgehenden Rezeptensammlungen bei Le Begue teils abweichen, teils sich anschliessen, seien hier vermerkt, speziell solche, die Bindemittel behandeln: ,,(306). Wie alle Farben gemischt werden. Alle Farben sollen mit Gummiharz (gomme de pin ou de sapin) gemischt werden, mit Ausnahme von Minium und Bleiweiss, welche mit Eiklar zu tem- perieren sind. Alle Grün sind mit Leim (glux) zu mischen mit Aus- nahme von Spanisch-Grün, das mit Essig zu temperieren ist.» Die doppelte Bezeichnung für ein und dasselbe Harz und dessen Bei- mischung zu den Farben, im Gegensatze zu Eiklar lässt auf eine Ver- stümmelung des dem Le Begue vorgelegenen Rez. schliessen. a Im übrigen deckt sich das Eez. mit Theoph. K. XXVII. für Tafelmalerei. (308). „Eine Farbe zu machen, welche alle andern, ausgenommen Auripigment, Sinopis und Safran hell, leuchtend uud glänzend macht und welche „Cläre» genannt wird. Lasse Gummi arabicum in einem reinen Geschirr in reinem Wasser sich auflösen, und mit diesem temperiere deine Farben oder reibe sie damit an und lasse sie so feucht ein oder zwei Tage stehen. Wenn du die Arbeit beschleunigen willst, stelle es auf heisse Asche/’ Das Rezept mag hauptächlich für Miniaturmalerei dienen, denn die darauffolgenden Rez. beziehen sich darauf. Eine Anweisung für Wandmalerei, welche mit der des Theophilus sehr übereinstimmt, ist: (315). „Um Wände zu bemalen. Nimm ein wenig Kalk mit Ocker, um grössere Brillanz zu geben, oder mische ihn mit einfachem Rot oder mit Prasin oder mit einer Farbe Posch (posce) genannt, welche aus Ocker, Grün und Fleischfarbe (membrayne) bereitet wird, oder nimm eine Farbe, welche aus Sinopis (sinople), Ocker, Kalk und Posch etc. gemischt wird; und Mauern sollten eher feucht als auf andere Art bemalt werden, weil sich die Farben besser miteinander verbinden und fester werden. Und alle Farben für Wände sollen mit Kalk gemischt werden.» (Vergl. Theoph. K. XV., welcher Gewänder auf der Mauer in ähnlicher Weise „auch des Glanzes wegen» mit Ocker oder Rot etc. unterlegt. An alten Wandgemälden des XV. Jh. sieht man oft eine solche allgemeine Unter- lage von rötlicher oder gelbroter Farbe, z. B. in Runkelstein, St. Veitsdom in Prag etc.; bezügl. Prasinus, Prosch etc. siehe oben S. 51.) Von Fleischmalen, Karnation, handelt Nr. 317 (Charnure dymages se fait ainsi), jedenfalls für Tafelmalerei, denn es wird in die Grundfarbe Lack ge- nommen; im übrigen stimmt die Art, mit der des Theophilus überein. Wir finden die gleichen Ausdrücke für Farbenmischungen „lumine, excedre od. 8 Pinus Picea L., das Abete der Italiener, aus welchem das Olio die Abezzo (Terpentinbalsam) bereitet und zu Firnissen verwendet wurde, kann hier nicht ge- meint sein. — 153 — cedre» in Nr. 344 und 345 wieder, wo die gleichen Anweisungen für Kar- Le BeKuc’s , …… . . ‘ ,. … , t . . . i , Schriften nation gegeben sind; hierin hat sich die Tradition demnach durch mehr als zwei Jahrhundorte gleich erhalten („veneda», Nr. 330.) Die in Heraclius beschriebene Methode, das Oel zur Malerei zu bereiten (K. XXIX. siehe S. 43), finden wir in kleiner Variation hier wieder: (319). ,, Willst du Oel zur Mischung mit den Farben bereiten, so nimm lebenden Kalk (d. h. ungelöschten) und gleiche Mengen von Bleiweiss und Oel, stelle das an die Sonne und lasse es unberührt einen Monat, stehen, oder länger, es wird dann besser. Schütte «las Oel durch ein Sieb und bewahre es. Mit diesem Oele mische alle (141) Farben sowohl einzeln als ihre Mischungen.» Bei Heraclius wird ein oftmaliges Umrühren dem Ruhigstehenlassen vor- gezogen. In Nr. 325 ist das Yaue conosite beschrieben, welches wir schon Yaue cono9ite mehrfach erwähnt haben (S. 18, 87). Es ist das einzige Rez. der nordischen mittelalterlichen Quellen, welches bis zum XV. Jh. von der Existenz des in Lauge gelösten Wachses (des punischen Wachses?) Kunde gibt. Dieses Rez. zeigt aber, dass die Jahrhunderte nicht vermocht haben, eine Technik ganz in Vergessenheit zu bringen. Die Aehnlichkeit mit dem Rez. der Glanzfarbe der Hermeneia, sowie die bekannte Tatsache, dass im XII. — XIV. Jh. die „Greci» diese Technik noch vielfach in Italien ausübten, 4 führen zudem Schlüsse, dass dieses „altbekannte W T asser» durch norditalienische Vermittlung zu Le Begue’s Kenntnis gelangte. Die Heisteilung dieses Bindemittels war die folgende: Man bereitete sich vorerst aus Kalk, Asche und reinem Wasser eine kräftige Lauge. Von diesem Laugenwasser, das gut sich setzen gelassen wurde und durch ein Sieb gelaufen war, nahm man 4 Pfund, erwärmte dasselbe, gab dazu 2 Unzen weisses Wachs und liess das mit dem Wasser sieden; dann nahm man 1 ] /2 Unzen Fischleim, welcher im Wasser erweicht worden, und fügte es dem Wasser nebst dem Wachs zu; mit diesem zugleich liess man noch 1— l 1 /* Unzen Mastix sieden und überzeugte sich, mit Hilfe einer Messer- klinge, ob es fertig ist. ,,Ist es wie ein Leim, dann ist es gut. Man seihe das Wasser noch heiss durch ein Leinen, lasse es erkalten und bewahre es gut. Mit diesem Wasser mag man alle Arten von Farben temperieren.» ( 5 ) Die gleiche Anweisung für Firnisbereitung, welche Theophilus (K. XXI. Vernition) gibt, finden wir hier (Nr. 341) wiederholt, unter den Namen, „vernix liquide» ; die Bestandteile sind wie dort zwei Teile Leinöl (Hanfsamenöl oder Nussöl) zu einem Teil Berusteinharz (glasse aromatique), die miteinander gekocht werden sollen. Das Firnissen geschah hier nicht mit dem Pinsel, sondern mit den Fingern, „denn wolltest du mit dem Pinsel firnissen, so wäre es zu dick und würde nicht trocknen.» Bindemittel für Farben, die sich von den bereits bekannten unterscheiden, sind noch in Nr. 346 und 347 genannt; das erstere aus einer Pflanzenwurzel „stipatum», die mit Fleischstückchen gekocht eine „gelantina» bildet, das zweite ist ein glutinöses „W’asser», welches entsteht, wenn Leinsamen über Tag und Nacht in Wasser gelegen sind. Bemerkenswert ist, dass diese beiden Angaben in lateinischer Sprache geschrieben sind , während die übrigen französisch abgefasst sind. Von Bindemitteln, die wir im älteren Lucca-Ms. schon kennen lernten, sind im Ms. des St. Audemar noch genannt, der Käseleim (163), der Fisch- leim (196), Leim von Fellen (186), auch die Vergoldungsarten sind die gleichen, selbst die Vergolderbeize mit Knoblauch, südlichen Ursprungs (vgl. Cennini K. 153; Hermeneia § 28) hat den Weg nach Norden gefunden (Nr. 106 der Experimenta de coloribus). Die Glanzvergoldung ist äusserst genau be- schrieben in Nr. 190—195 des St. Audemar Ms., und wir erfahren auch von einem Verfahren auf Wänden (mittelst eines Assis als Unterlage) zu vergolden, 4 Vergl. die Untersuchungen des Dr. Branclii, oben S. 10f>.

5 Text und Uebersetzimg s. Maltechnik des Altert. S. 288, Note.

— 154 —

L q ? e f ue ‘ 8 so dass Glanzgold auch auf Wänden anbringbar ist (Nr. 190, Quomodo in
muro vel in pergameno ponitur aurum) , indem Gips (3 T.) mit Braunrot
(1 T.) aufs feinste veri-ieben und mit gutem Leim vermischt, in 3 — 4 Schichten
aufgestrichen und geglättet wird. Genaue Angaben über Glanzvergoldung
finden wir in dem Pariser Rezept des Alcherius Nr. 291, denen die Angaben
über Mattvergoldung in einem besonderem Kapitel Nr. 292 gegenüber stehen.

Le Begue’s Schriften sind , wie wir gesehen , ein Kompendium der
mittelalterlichen Technik der Malerei in Frankreich; durch seine Beziehungen
zu italienischen Malern, Miniaturisten in erster Linie, ist in dieser Rezepten-
sammlung auch die italienische, besonders die lombardische Malart genau
verfolgbar. Theophilus und Heraclius vertreten das nord-westliche und mittlere
Europa und aus ihren Schriften ersehen wir die Entwicklung der Oelmalerei
bis ins XIV. Jh. Le Begue war, wie schon eingangs erwähnt wurde, nicht
(141) Maler von Fach, aber es ist aus seiner Vorliebe für Miniaturtechnik zu schliessen,
dass er dieser Malweise nicht unkundig gewesen. Aus seinen Zusätzen glaube
ich sogar eine entschiedene Bevorzugung für Miniaturmalerei entnehmen zu
sollen, denn die Angaben für Oelmalerei sind nur in einem einzigen Rezept,
für gewöhnlichen roten Oelanstrich konzentriert (Nr. 335. Si vou voulez rougir
tables ou autres choses): „Nimm Leinöl, Hanfsamenöl oder Nussöl und
mische damit Minium oder Zinnober ohne Wasser auf einem Steine; mit einem
Pinsel bemale (en luminez), was du rot haben willst». 6

So unbedeutend an sich diese Notiz ist, so scheint sie mir doch wert,
daran eine Bemerkung zu knüpfen : Im Strassburger Ms. sind genau dieselben
Oelsorten, in ganz genau derselben Reihenfolge für Oelfarben genannt
(linsamen oli oder hanfsamen oli oder alt nus oli), dem Le Begue muss dem-
nach die im genannten Ms. beschriebene Art der Oelmalerei wohl bekannt
gewesen sein; er als Enlumineur hat aber selbst geringes Interesse für Oel-
malerei, deshalb geht er nur kurz darüber hinweg und wir werden im nächsten
Abschnitt das Gleiche von Boltz nachweisen können. Es folgt aber daraus,
dass die drei Arten der Oele schon zur Zeit des Le Begue im Jahre 1431
allgemein bekannt gewesen sein nmssten, und da wir denselben Angaben
in Paris und am Rhein begegnen, wird dieser Umstand für uns bei Beurteilung
der Altersfrage des Strassburger Ms. nicht gleichgültig sein dürfen.

9 „Prenez oile de lin ou de chanvre ou de noix, et mellez avec mine ou ciuope
sur une pierre sans yaue. Puis en luminez a un pincel ce que vous voulez rougir».

— 155

II. Das Strassburger Manuskript, die älteste deutsche Quelle für Maltechnik

Ein verloren gegangenes Gut wieder zu stände zu bringen, hat immer
einen gewissen Reiz; umso grösser ist aber die Freude, etwas wieder zu er-
langen, von dessen Vernichtung wir bestimmte Kunde hatten. Ein solcher
Fall trifft bei unserer Handschrift zu, welche durch den Brand der Bibliothek
von Strassburg, in deren Besitz das Ms. sich befand, unwiederbringlich ver-
nichtet worden ist.

Durch mehrfache Hinweise in der Fachliteratur war es bekannt, dass
in der genannten Bibliothek vor dem grossen Brande im Jahre 1870 sich eine
Handschrift befand, welche als das älteste in deutscher Sprache geschriebene
Malerbuch für die Geschichte der Maltechnik von besonderer Bedeutung sein
musste. Eastlake, der verdienstvolle Autor der Materials for a History of
Oil Painting brachte einige Teile der Handschrift zum Abdruck (S. 126 — 140),
die in hohem Masse unser Interesse erregen; er gab auch die Signatur des
Ms. (A. VI. Nr. 19) an und es scheint aus einer Bemerkung hei vorzugehen,
dass das Ms. dem Frankfurter Kunstgelehrten Passavant vorgelegen und
von diesem in das XV. Jh. verwiesen wurde (S. 105). Auch. J lg erwähnt
in seinem Exkurs über die Oelmalerei (Heraclius Ed. S. 171) mehrfach dieses
Manuskript, wobei er Eastlake als Quelle zitiert.

Bei der grossen Wichtigkeit, welche einer derartigen Quellenschrift inne-
wohnt, war es umso bedauerlicher, dass durch die Vernichtung des Ms. jede
Möglichkeit, genaueren Einblick in dasselbe zu nehmen, ausgeschlossen er-
scheinen musste. Die Anfragen, die ich an die Direktion der Bibliothek
richtete, in der Hoffnung, dass vielleicht das gesuchte Ms. gerettet, oder zur
Zeit des Brandes in einem andern Archiv aufbewahrt worden sein könnte,
waren ganz erfolglos, denn weder an der Universitäts-Bibliothek noch an der
von dieser getrennten Stadtbibliothek hatte man irgend eine Kenntnis von
dem Vorhandensein einer derartigen Schrift; „das von Ratgeber auf S. 52
seines Buches: die handschriftlichen Schätze der früheren Strassburger Stadt-
bibliothek, Gütersloh 1876, angeführte Ordnungsbuch der Strassburger Schilter-
zunft (Malerzunft) vom Jahre 1456, wäre, falls es auf der Bibliothek gewesen,
jedenfalls mitverbrannt, und überdies sei es wenig wahrscheinlich, dass Maler-
anweisungen in einer Zunftordnung enthalten sein könnten.» Eigentümlicher-
weise zählt auoh der ältere gedruckte Katalog von Hänel( x ) unter den Hand-
schriften der Strassburger Bibliothek keine derartige auf, es sei denn, dass
das S. 470 bezeichnete: „Ein Buch zusammengetragen aus vielen probierten
Künsten und Erfahrungen aus einem Zeughaus samt aller Munition, fol.» diese
Maleranweisungen enthalten hätte; vielleicht ist aber unter den weiten an-
geführten „Eilf neuen Handschriften ohne Wert» die gesuchte mit inbegriffen.

So hatte es den Anschein, dass alle Hoffnungen, das begehrte Ms.,
selbst nur die Spuren davon wieder zu finden, erfolglos bleiben sollten, wenn

1 Haenel Gust. : Catalogi Librorum Manuscriptorum qui in Bibliothecis Galliae,
Helvetiae, Belgii, Britanniae M., Hispaniae , Lusitaniae asservantur, nunc prinnim
editi a Dre G. Haenel, Lipsiae 1830.

(143)

Aeltero
Hinweise

Nachfragen in
Strassburg

— 156 –

Strassburger
Ms.

(144)

Die Londoner
Kopie

Altcrsfrago

nicht durch die Tatsache, dass dem Autor der „Materials» eine Kopie der
Handschrift vorgelegen sein musste, Grund zu neuer Zuversicht vorhanden
gewesen wäre. In seiner Vorrede sagt nämlich Eastlake (S. VIIL): „The
author is indebted to Mr Lewis Grüner for procuring him a copy of a voluable
Ms of the fiftheenth Century, which is preserved in the Public Library at
Strassburg.» Dieser Hinweis bedeutete doch die Möglichkeit, in den Besitz
wenigstens der Kopie gelangen zu können, wenn man sich an die Erben des
1865 gestorbenen Eigentümers wenden würde. Aber wie wenig muss eine
solche Aussicht Wert besitzen, wenn man bedenkt, dass seit dessen Tode ein
Menschenalter verflossen war und es nicht wahrscheinlich ist, dass der schrift-
liche Nachlass eines Mannes so lange beisammen bleibt.

Wie oft ein Zufall eine längst aufgegebene Idee wieder von neuem an-
regt, so war es auch hier. Eines Tages fiel mir in einem Kalendarium von
Geburts- und Todestagen berühmter Schriftsteller und Künstler der Name
Eastlake’s auf, nebst der Notiz, dass derselbe die Stelle eines Direktors der
Royal Akademy und der National Gallery zu London bekleidete. Sollte Eastlake
vielleicht, so folgerte ich, einem der beiden Institute die Kopie des Ms. ver-
macht haben, dann müsste sie sich in deren Bibliothek noch vorfinden und
es lohnte sich wohl eine bezügliche Anfrage zu wagen. Zwei gleichlautend«
Anfragen wurden an die beiden Institute abgesandt und schon nach wenigen
Tagen hatte ich die Freude, zu ersehen, dass der Schritt von Erfolg begleitet
war. Die Kopie hat sich im Besitz der National-Gallery-Bibliothek
vorgefunden! Deren Direktor, Sir Edward J. Poynter, machte mir in
liebenswürdiger Weise Mitteilung davon und benachrichtigte mich, dass der
Anfertigung einer Abschrift kein Hindernis entgegenstehe. Für dieses freund-
liche Entgegenkommen bin ich demselben zum grössten Dank verpflichtet.

Auf diese Weise in den Besitz einer Abschrift des verbrannten Ms. ge-
langt, dessen Verlust für die Kenntnis der mittelalterlichen Maltechnik sehr
bedauerlich wäre, kann ich darangehen, den Inhalt genauer zu besprechen,
als es bisher der Fall gewesen und durch Abdruck der für die Maltechnik
so wichtigen Teile, diese hervorragende Quelle der Vergessenheit entreissen.

Was das Alter betrifft, so wurde bereits die Ansicht des Kunstgelehrten
Passavant erwähnt, wonach das Ms. ins XV. Jh. zu setzen wäre; Eastlake
hielt es für bedeutend älter und glaubte an der Aehnlichkeit der darin be-
schriebenen Malweisen mit der frühesten englischen des XIV. Jhs. für die
Zeit der Entstehung den Anfang oder Mitte dieses Jahrhunderts annehmen zu
können. Dieser Ansicht schliesst sich Ilg im Exkurs über die Oelmalerei
(lleraclius, S. 171) gelegentlich der Aufzählung der ältesten Beweise für das
Auftreten der Oelmalerei an und sagt: „Diese
triebes (um 1350) der neuen Technik bezeichnet
Weisung, das älteste Werk dieser Art in
hört der Strassburger Bibl. an und enthält unter Anderem eine Vorschrift,
alle Farben mit Oel zu temperieren etc.», wobei Eastlake als Quelle zitiert
wird. Nach der Meinung eines Fachmannes, des Herrn Prof. Dr. Panzer,
z. Z. Dozent der Münchener Universität, welcher die Freundlichkeit hatte, in
die Kopie Einsicht zu nehmen, ist die Schreib- und Ausdrucksweise des Ms.
wahrscheinlich dem Anfang des XV. Jhs. angehörig, eher vielleicht
älter als jünger, so dass man nicht fehlgehen wird, den Uebergang des XIV.
zum XV. Jh. als Entstehungszeit anzunehmen; die Gegend des Schreibers
ist Elsass, und beim Vergleich der einzelnen Teile hat sich ergeben, dass ein
und dieselbe Hand dabei tätig war.

Ueber den Inhalt seien hier einige Bemerkungen eingefügt, die be-
zwecken, das Verständnis des maltechnischen Inhaltes zu erleichtern.

Periode des lebhafteren Be-
auch eine theoretische Unter-
deutscher Zunge; es ge-

1. Inhalt des Strassburger Ms.

Die Serie von Rezepten des Strassburger Ms. zerfällt in drei Teile. Der
erste trägt die Ueberschrift : „Dis ist von varwen die mich lert meister Hein-
rich von lübegge.» Es sind 15 Rezepte, welche Angaben zur Bereitung von

— 157 —

(14.)

Der 3. Teil

Farben zur Malerei und Anweisungen für Vergoldung enthalten. Ein zweiter Strassburger
Teil von 16 — 48 mit der Ueberschrift : „Dis lehrt mich Meister Andres von Inhaltsangabe
Colmar» setzt diese Rezepte mit grösserer Ausführlichkeit und Genauigkeit
fort. Es sind darin zu finden Anweisungen für Gold- und Silberschrift nehst
den dazugehörigen ,, Temperaturen» für „tüchlin varwen», auf ,, Pariser und
lombardische Art» bereitet, wie Pergament durchscheinend zu machen, ver-
schiedene schwarze Tinten ,,zu brieffen gesehriffte» usw. Einige Rezepte fol-
gen darauf, welche die Bereitung von ,,gut seifFen» lehren, dann wie „Hörn
zu giessen und weich zu machen» sei, Anweisungen für Schönheitsmittel, „um
ein gut stimm gewinnen», Wunderspiegel zu fertigen und dergl. Auch wird
noch der Inhalt weiterer Artikel ,,wie man solle machen gut helfenbein, ein
wasser der tugend und ein trank der tugend, zwei wasser die luter sind als
ein brun» usw. angegeben, woraus zu schliessen ist, dass dem Schreiber ein
anderes Ms. als Vorbild vorgelegen haben muss, und zwar scheint es, dass
das Vorbild der ersten Teile lateinisch abgefasst war, denn er bringt an einer
Stelle (36) einen ganzen Satz in lateinischen Worten und übersetzt dann ein-
fach weiter; an einer anderen Stelle (44) spricht er von „lazur, als man über
mer macht», womit wohl Ultramarinblau gemeint ist und setzt gleich darauf
noch das lateinische calcem mortum (gelöschter Kalk) in der Sprache der
Vorlage hinzu.

Der dritte und interessanteste Teil, in seiner Hauptsache bereits von
Eastlake veröffentlicht, ist durch seinen Inhalt eine der wichtigsten Quellen
für Maltechnik geworden, weil darin die grosse Verbreitung des Oeles für die
Malerei in der Zeit vor den Van Eycks ohne allen Zweifel festgestellt werden
konnte. Allerlei Angaben Firnisse zu bereiten, Oele lauter und klar zu machen,
sowie Trockenmittel (Sikkativ) finden sich unter den Rezepten erwähnt. Die
Einleitung zu diesem dritten Teil (49 — 90) kündigt an: „Dis büchlin
lert wie man all varwen temperieren sol ze molen und ouch ze florieren nach
lampenschen Sitten». 2 Daraus ist zu ersehen, dass es dem Schreiber um
Anweisungen sowohl für Maler als auch für Miniaturisten zu tun ist. Diese
zwei Malarten, nämlich die Malerei von Wand- und Tafelbildern, wozu auch
die Bemalung von Schnitzwerk gerechnet wurde und die Buchmalerei, waren
schon frühzeitig nebeneinander selbständig einhergegangen
dass die lombardische Manier die tonangebende in Deutschland gewesen
sein muss und dass die Maler des XIV. und XV. Jhs. sich nach dieser rich-
teten. Sie ist übrigens identisch mit der in einem venetianischen Ms. kurz
erwähnten (Eastlake S. 127 Note), mit der des Cennini (s. oben S. 126) und der
gleichen im Neapeler Codex beschriebenen Miniaturtechnik.

2 Aus dem Ausdruck „lampenschen sitten» sehliesst Eastlake auf eine besondere
„London practice» und eine Londoner Malerschule, die sich im Mittelalter hervorge-
tan habe; auch eine andere Stelle nenne diese Manier, in Zusammenstellung mit Paris,
u. z. am Schluss v. 32: „dies varwe heisset ze paris und ze lampten vor misal und
hie im land tüchlin blau . . .» und könne dies gar nicht anders zu verstehen sein als
Paris und London! Noch ein drittes Mal sei darunter London zu verstehen, wenn
es heisst (53). „Wiltu schön violvarw machen so nim lamptschen endich und zwirent
als vil prisilien roter varw etc.» Unter lampenschen Sitten (richtiger wäre lamptschen
zu schreiben) sind aber hier keine anderen als die im XIV. Jh. verbreiteten lom bar-
dischen zu verstehen, die Eastlake aus Patriotismus in „londonsche’ ; umwandelt.
Eastlake irrt hier ebenso, wie er oben „blau vor misal» mit „blau für Missalen» (hlue
for missals) übersetzt (S. 128), denn blau vor misal ist nichts anderes als fornisal oder
Tournesol, die Purpurfarbe für Miniaturisten (vergl. ßoltz von Rufach, S. 33. Blaw
Tornisal und das folgende Tüchlein Blaw, wo die nämliche Bereitungsart angegeben)
Dass „lamptscher endich» lombardischer Indigo bedeuten könnte, will Eastlake durch-
aus nicht zugeben, obwohl er die Stelle bei Boltz vom Lampartischen Endich (S. 35,
Ed. v. J. 1562, Fft. a. Mayn) zitiert, wo es heisst : „Von Endich sollt ich viellerley
arten schreiben , aber ich will mich allein zu den gewissen halten, den man nennet
Lampartischen Endich | den findet man in den Apotecken . . .» Üeberdies ging im
XIV. Jh. der Handelsweg von Indien nach Europa ausschliesslich über das mittel-
ländische Meer, Venedig und Genua, so dass lombardischer Indigo auf diesen Ursprung
hindeutet, während ein „Londoner Indigo» der im XIV. Jh. direkt aus der Levante
nach England importiert wurde, wie Eastlake (S. 120) annimmt, auf einem Irrtum be-
ruhen muss.

hier hören wir, ^»nbardiscbe
Manier

158 —

Strassburger
Ms.

(146)

Gummi- und
Ei- Tempera

Leimfarben

Oelfarben

Nach dem Ms. des St. Audemar, dem Montpellier Ms. 3 und anderen
gleichzeitigen Quellen zu schliessen, ist die Pariser Manier mit der italienisch-
lombardischen in grösster Uebereinstimmung. Im Alcherius Ms. (Nr. 291 des
Le Begue) sehen wir Bologna und Paris ^Bononiae et Parisiis) nebeneinander
gestellt, so dass absolut keine Grundlage für Eastlake’s Ansicht gefunden
werden kann, die ,,lampenschen sitten» mit „Londoner Praxis» zu identifizieren.
Dass aber dieselbe Art auch in England im XIV. Jh. verbreitet war und bei
der Ausschmückung der St. Stephens Chapel sowie der Painted Chambers in
Westminster dieselben Techniken verwendet wurden, wie sie im Strassburger
Ms. angegeben sind, darüber kann kaum ein Zweifel herrschen.

Das Strassb. Ms. beschreibt also nach „lombardischen Sitten», wie die
Farben zu temperieren sind und zwar mit ,,zwei edli guti wasser», die aus
Gummi arabikum und Gummi cerasi (Kirschgummi), in Wasser gelöst, bestehen;
dazu kommt noch „ein klein muschal vol honges in das Wasser und ein eiger-
schal vol essichs» (eine kleine Muschel voll Honig und eine Eierschale voll
Essig). Es folgen dann noch 18 Rezepte, verschiedene „durchscheinende»
Farben mit den obigen zwei Arten von Gummiwassern, den noch zumeist
ein paar Tropfen Eidotter beizumischen sind, zu bereiten, Angaben von „schöner
fein blau tinten ze schreiben und ouch ze malen», zu deren Temperatur auch
weisses Myrrhenharz und Traganthgummi genommen werden kann, von ver-
schiedenen Haarfarben für alte und junge Leute, von Farben zu Gewändern
und anderen Dingen.

Diese Kapitelreihe schliesst dann mit der Bemerkung: (68) ,,Nu habe
ich redelich und merkelichen wol gelert (wie) man alle varwen tpieren sol
nach kriegeschem (griechischen) sitten mit zwein wasser und wie man die
varwen undereinander machen sol und wie man uff jede varwe schetwen
(schattieren) sol die ganze Wahrheit». Auch Eastlake fällt es auf, dass der
Schreiber hier die nämliche Manier mit „griechisch» bezeichnet, welche zuerst
die lombardische (also italienische) genannt ist (oder die Londonsche des
Eastlake), woraus entweder auf einen Irrtum oder auf die Gleichheit der
beiden Techniken geschlossen werden muss. Nehmen wir das zweite als
wahrscheinlich an, so findet diese Annahme darin ihre Unterstützung, dass
Theophilus auch von „griechischen Mischungen der Farben» (Praefatio S. w,
Ed. Ilg) spricht, und Theophilus gleichfalls dieselben Gummiarten zur Tempera
erwähnt.

Das Strassb. Ms. kündigt aber gleich darauf eine weitere Technik mit
Leimfarben an, die zwar Theophilus nicht nennt, die aber doch zur „griechi-
schen» Manier gezählt werden darf. Es heisst ebenda: ,,Nun will ich leren,
wie man alle varwen mit lim tpiere sol uff holtz oder uff muren oder uff
tüchern». Nach der nun folgenden Beschreibung wird der Leim aus Perga-
mentschnitzel durch Sieden bereitet und mit Essig und Honig gemischt; alle
früher genannten Farben können damit getempert werden und zum Schluss
„mag man auch alle (Farben) wol über strichen mit vernis, so werdent si
glantz und mag inen niemer kein wasser noch regen geschaden das si ir
glantz nüt verlierent».

Obgleich der tierische Leim als Bindemittel altbekannt war, ist diese
Art von Leimmalerei mit darauffolgendem Firnissen in den früheren Mss. nicht
besonders erwähnt. Die Aehnlichkeit mit der bei Theophilus kennen gelernten
Methode des Malens mit Gummitempera und nachherigen Firnissen muss hier
vor allem konstatiert werden und vergleiche man überdies in Mapp. clav. XGVIII
die Stelle vom griechischen Leim (colla graeca) und das in Verbindung damit
stehende Oleum cicinum (S. 25).

Es folgen dann die so wichtigen Kapitel (69 u. ff.) über Oel und Oel-
farben, „wie man alle oule varwen tpiere sol» und wie das Oel dazu be-
reitet wird. Man nehme, so wird ausgeführt, Leinsamenöl oder Hanfsamenöl
oder altes Nussöl, soviel man will, lege darein weissgebranntes Knochenmehl,

Eastlake, S. 127, Note.

— 159 —

ebensoviel Bimstein und lasse dies mit dem Oel sieden, entferne den Schaum
und füge während des Erkaltens auf eine Mass Oel zwei Loth Galitzenstein’ 1
hinzu. Das Oel seihe man durch ein Tuch und stelle; es vier Tage lang an die
Sonne. So wird das Oel dick und auch klar „und dis öli das trocknet gar
bald und macht alle varwe schön lutor und ouch glantz und umb dis öli
wüssent nüt alle moler und von der guti dis olis so heisset es oleum
preciosum.»

Was die Bereitung des Oeles betrifft, so wird man sich der Manier des
Heraclius (K. XXIX) erinnern, bei welcher Kalk und Bleiweiss zum Trocknender-
machen genommen wird. Hier haben wir eine offenbare Neuerung und Ver-
besserung zu verzeichnen; Knochmehl und Bimstein dienen zur Aufnahme der
schleimigen, trüben Teile, zur Läuterung des Oeles, während dem Galitzen-
stein die trocknende Eigenschaft zufällt. Das Bleichen des Oeles an der
Sonne ist beiden Autoren gemeinsam. Diese Art, Oele auf die oben be-
schriebene Art zu bereiten, ist dem Norden eigentümlich, denn die im Bologn.
Ms. verzeichneten Methoden (mit Eierklar, Alaun, Weihrauch, Knoblauch, S. lclOj
sind davon ziemlich verschieden.

Wir erfahren aus dem folgenden Kapitel, wie und welche Farben mit
Oel angemischt werden können, dass man unter jede Farbe etwas Firnis
reiben solle, dass auch die Beimischung von ein wenig „wises wolgebrentes
beines oder enwenig wisses galicen Steines» die Farben bald gut und trocknend
mache (.71). Farbemischungen untereinander, zu Fleischfarbe, Haarfarbe und
Mönchsgewand (72 — 75), wie man schön und glänzend vergolden und ver-
silbern soll, mit Hilfe der ,,goldvarwe» (Beize), welcher die obigen Oele zur
Grundlage dienen (Oelvergoldung, 76—78) bilden den Inhalt der erwähnten
Kapitel. Weiter wird gelehrt „gut virnis machen von drierley materien do
usser ieder materie sonderlich ein gut edler virnis» (79), und zwar ist der
erste Firnis identisch mit dem Gummi fornis des Theophilus (K. XXI), denn
auch hier wird vernis glas (glassa) in gleicher Manier zum Firnis genommen
wie im zweiten Absatz des genannten Kapitels. Der zweite Firnis „der luter
und glantz ist als ein cristalle» wird ähnlich dem ersten bereitet, doch wird
ein Pfund „Gloriat» (i. e. Terpentin) zu zwei Pfund Oel nebst dem obigen
Firnis (Bernstein oder Mastix) genommen. Zu einem dritten Firnis wird
Hanföl mit gebrannten Bein eingekocht, abgeschäumt und an der Sonne stehen
gelassen, mit Mastixpulver oder „Terpentinum» in der Wärme vereinigt,
bis die Mischuug sich vollzogen hat. Aus diesen beiden Anweisungen wird
man entnehmen, dass zu Anfang des XV. Jhs. in die älteren Firnisrezepte ein
neuer Bestandteil eingeführt ist; alle Anzeichen sprechen dafür, dass mit

4 Galitzenstein oder weisser Vitriol ist schwefelsaures Zinkoxyd (Zinkvitriol r.
Es möge hier gleich erwähnt werden, dass Eastlake diesem Trockenmittel, dem Zink-
vitriol, das Geheimnis der Van Eyck’schen Neuerung zuzuschreiben geneigt ist und
dass seine Ansicht heute als endgültige und richtige Lösung von neueren Kunstfor-
schern adoptiert wurde. Es ist aber evident, dass darin kaum eine so epochemachende
Neuerung erkannt werden kann, da dieses Mittel den Malern der Rheinlande schon
am Ende des XIV. Jhs. bekannt gewesen sein muss, wie wir aus dem Strassb. Ms.
ersehen; da Eastlake selbst das Alter des Ms. fast ein Jahrhundert vor Van Eyck’s
Erfindung festsetzt, so ist seine Schlussfolgerung von vorneherein eine problematische.

Ueberdie vermeintlichen vortrefflichen Eigenschaften des Zinkvitriols als Trocken-
mittel vergl.George Fiel d’s bekanntes Buch: Chromatographie (Deutsche Ausg. Weimar
1836) S. 258, woesheisst: „Gegen ihn (den Zinkvitriol) lassen sioh noch mehr Einwendungen
erheben als gegen den Bleizucker, denn er verändet nicht nur die Farbe des Firnisses, son-
dern be ei nträchti gt auch die Elastizität und Dauerhaftigkeit des Oeles» ….; er ist
eines der stärksten und wirksamsten trocknenden Mittel, denn er nimmt, wenn
er in gehöriger Quantität angewendet wird, sowohl aus dem Oele, als aus dem Gummi
und Terpentine alle wässerigen Teile auf; seine adstringierende uud absorbierende
Kraft ist so gross, dass, wenn Wasser mit dem Firnisse vermengt worden, er dasselbe
an sich und mit sich zu Boden zieht. Er verbindet sich nie mit dem Oele,
wie dies mit den Bleioxyden der Fall ist.

Ganz entgegengesetzt urteilt Buchheister (Leipz. Drog. Ztg. 1889, S. 147); er
stellt fest, dass die hellen Zinksikkative ,,so gut wie gar keine trocknende
Kraft besitzen» und „die Anwendung von Zinksalzen (Zinkvitriol etc.) zur Bereitung
von Sikkativen und» Firnissen überflüssig, weil zu wenig wirksam» sei.

Strasßburger
Ms.

(147)

Oolmaloreiund
Oelvergoldung

Gloriat oder
Terpentin

— 160 —

Strassburger Gloriat nicht der Terpentinbalsam sondern das aus diesem gewonnene Destillat,
das Terpentinöl gemeint ist, denn die Destillation war damals bekannt, und
in dem Rezepte hätte die Beigabe so grosser Mengen von Terpentinbalsam
zum Oelfirnis den Zwecken desselben sehr schlecht entsprochen, weil der
Terpentinbalsam bekanntlich sehr schwer trocknet und klebrig bleibt. 5
(148) Nach den Firnisrezepten folgen noch Rezepte für Malerei und andere

Dinge, darunter der Eierklarfirpis (85), der auch zur Tempera dienen kann
und den wir bei Boltz wiederfinden (S. 6, ,,wirt genannt Haussfürniss»), dann
weitere Beizen für Vergoldung (97, 88) und schliesslich folgt eine Aufzählung
einzelner Rezepte, die der Kompilator nicht weiter ausführt, ein sicherer Be-
weis, dass dem Schreiber ein anderes Ms. als Vorlage gedient haben muss.

2. Vergleich mit anderen Quellen.

Nach dieser kurzen Inhaltsangabe müssen wir uns die FYage nach dem
Ursprung des Ms. stellen. Dass der Schreiber aus anderen Quellen geschöpft
hat, wurde bereits erwähnt, aber welches sind diese Quellen gewesen? Dem
Inhalt der ersten zwei Teile nach zu schliessen, könnten die lateinisch ge-
schriebenen Mss. des St. Audemar, des Alcherius oder einige Stellen des
jüngeren Teiles von Mapp. clav. als Vorlage gedient haben, vielleicht könnten
nur einige Rezepte aus diesen entnommen sein, wie z. B. die für Seifenbe-
reitung aus Mapp.; wenn man aber die Rezeptenreihen genauer mit den be-
kannten alten Schriftquellen vergleicht, so wird man trotz der inhaltlichen,
aus der Sache selbst sich ergebenden Gleichheiten nirgends eine rolle Ueber-
einstimmung herausfinden können. Der Schreiber, der offenbar selbst Maler
gewesen ist, hat aus seiner lateinischen Quelle frei übersetzt und Rezepte
weggelassen, die ihm nebensächlich erschienen sind.

Dass er aus den Schriften des Heraclius geschöpft hat, ist kaum wahr-
scheinlich, auch die Schedula des Theophilus diente ihm nicht als Vorlage,
denn es fehlen vollständig die charakteristischen Bezeichnungen, wie Menesch,
Posch, Exedra für Fleischfarbe usw. Uebereinstimmend mit Theophilus ist
nur die Bezeichnung des Firnis vernis glas mit Gummi fornis, quod Romane
glassa dicitur (K. XXI, IL Abs.), was wohl dadurch erklärlich ist, dass die
beiden Autoren einer gleichen Gegend Deutschlands angehörten; Theophilus,
der Westfale, aus der Gegend von Paderborn und der eingangs genannte
Heinrich von Lübecke sind Landsleute. Mit Theophilus stimmt übrigens, wie
bereits erwähnt, die Art des Malens mit Tempera und darauffolgenden Fir-
nissen überein, ein Beweis, dass diese Technik durch mindestens zwei Jahr-
hunderte in TJebung geblieben ist.

Immerhin wäre es der Mühe wert, in alten Quellen nach Rezeptenreihen
zu suchen, welche dem Strassb. Ms. als Vorlage gedient haben konnten.

Solche Reihenfolgen wie z. B.
(48) Jetzt folgen einige Artikel

wie man solle machen gut fin helfenbein,

6 Dass Gloriat, Glorien = Terpentin ist, kann aus Boltz (Illuminierbuch, S. 9 ,
welcher dasselbe Rez. wiederholt, ersehen werden; auch findet sich am Ende eines
Heidelberger Ms. (Nr. 638) des XV. Jhs. am Schlüsse des Bandes, S. 166 v. eine Zu-
sammenstellung von Bezeichnungen, darunter Terpentine = gloriant. Nicht minder
beweisend ist die Stelle, welche Zedler’s Universal-Lexikon v. J. 1744, B. 42 ent-
nehme. Dort findet sich unter Glorenth mit der Bezugnabme auf Terpenthin
das Folgende: „Dieses Oell ist ganz subtil, wie ein Geist, klar und helle wie
Brunnen-Wasser. Es muss mit frischem Brunnenwasser noch einmahl rectificiert
werden, so wird es helle und klar als ein Crystall . . .» Das Destillat des Terpen-
tinbalsams (Terpentinöl) war schon im VIII. Jh. bekannt. Marcus Graecus gibt
ein Rez. in seinem Liber ignium: Rp. terebinthinum et destilla per alambicum (Destillier-
kolben) aquam ardentem, quam impones cue applicatur candela et ardebit ipsa. Wann
jedoch dieses Destillation sprodukt zuerst in der Malerei Verwendung fand,
ist unbestimmt. Nach Eastlake, S 247, ist unter weissem Firnis (vornisium album),
in Rechnungen vom Ende dos XIII. Jhs. erwähnt, Terpentinharz zu verstehen. Wahr-
scheinlich ist damit aber ein Terpentinfirnis gemeint, denn die üelfirnisse sind alle
mehr oder weniger gelb und braun.

— 161 —

ein Wasser der tilgend und ein Trank der tilgend, zwei wasser die Strassburgc
luter sind als ein brun und wenn man sie under einander tut so
werdent sie als geleyti milch,

wie man die Biegen alle wol bringen kann in einen Kreis, die in
dem huse sind.
Oder
(83) Folgt ein Artikel

wie man pappir machen sol noch hesser den es an im selber ist,

wie man alles gestein schön und glantz bolieren kann,

wie man gestein weich machen kann,

wie man einen agstein macht,

wie man andren klugen agstein sol machen,

wie man schön fin helfenbein machen sol.

(89) Es folgt hier nun

wie man sol silber und gold uff legen,
wie man gold ufflegen sol an allen grund,
wie man gut assis machen soll zu gokle und zu silber,
wie man sol uff bermet schön erhaben gold machen, uff was
materien man gold und silber legen mag.

(90) Es folgt

wie man brun rotte varwe machen um mit ze verwen uff leder
und uff linin,

wie man schon violvarw verwen kann garn und linis und ouch uff leder, (149)
wie man schon fin grün bekommt,
wie man sol Hörn weich machen etc.
müssten sich doch irgendwo wieder nachweisen lassen.

Da sich aber in keiner der zugänglichen lateinischen Quellen diese selben
Reihen wiederfinden, muss angenommen werden, dass zum mindesten dem
letzten, III. Teil eine deutsche Urschrift zu gründe gelegen ist. Diese
Urschrift scheint verloren gegangen zu sein, oder befindet sich noch irgend-
wo verborgen in einer Bücherei. ö

Viel sicherer können wir beweisen, dass die Rezepte des Strassburger
Ms. (od. der Urschrift) in der Folgezeit wieder selbst als Vorbild gedient

6 In dem Katalog der altdeutschen Heidelberger Handschriften von Bartsch
(Heidelberg 1887) findet sich ein Ms.: Pal. germ. 638 pap. XV. Jh., das in seiner
Inhaltsangabe eine gewisse Aehulichkeit mit dem Strassb. Ms. zeigt. Es handelt von
Bereitung verschiedener Wasser zu technischen Zwecken, von Seifen, von „wassern
der Tugend» usw.; etliche Notizen sind datiert vom J. 1438. Nach diesen Angaben
schien es, als ob hier für unser Ms. etwa ein Quellennachweis zu finden gewesen
wäre; ich konnte aber nach Durchsicht der mir durch die Bibliothekdirektion über-
sandten Handschrift auch hierin die Reihen der Rezepte nicht wiederfinden, denn
das Buch enthält mit wenigen Ausnahmen medizinische Anweisungen. Gleich das
erste Rez. von den zwei Wassern, die man untereinanderschüttet und schneeweiss
werden, hat Aehnlichkeit mit der zweiten Anweisung von 48 des Strassb. Ms. Ver-
schiede ne von den ,, Wassern» sind offenbar für Metallarbeit bestimmt. Ein Rez. (5a)
lehrt „golt wachsen zu machen» mit Taubenmist, starkem Essig und Gold, so dass
aus 100 Drachmen 1000 des Goldes werden! Es folgt ein „Goldgrund»: wildu einen
gutten golt grund machen so nym kryd vnd hönig oder zucker gandel vnd verrieb
dz uff einem Stein vndereinander gar klein vnd wen es zu dick sey so tue zucker
gandel in Wasser und ruer es damit und was damit geschriben mag da mit schrib
es dann leg dz golt uff.» Dieses Rez. hat mit den gleichen des Strassb. Ms. viel
Uebereinstimmung; die „Seiffen», die das Heidelberger Ms. beschreibt, sind in der
Fassung ähnlich aber nicht wörtlich gleich. Die ,, Tugendwasser» beziehen sich
wieder auf medizinische Dinge, die für uns kein weiteres Interesse haben. Das erste
(27a) beschreibt die tugend, d. h. soviel wie die innewohnende Kraft der Natterhaut
und darauf folgen wieder die zwei „edlen wissen luteron wasser, dy grob tugend
habend»: als Kuriosum lasse ich den Anfang hier folgen: Diss zw(ei) noch geschribne
lüttere (lautere) wasser als ein prunne (Brunnen) vnd wan mans temperiert vndor-
einander so werdend sy sne wiss (schneeweiss) vnd diselben zwej’ wasser habend
manigerley tugend; die erst tugend ist wer sich da mit westreicht der unsawber ist
an dem Leib der wiert gesunt vnd wolt er velt siech werden er genist etc. (das
Wasser besteht aus Salz, Weinstein und Salmiak). Vergl. auch über die „Jungfern-
milch» im Abschnitt über die Van Eycktechnik.

11

— 162

Strassburger
Ms,

Boltz v. Rufach
Illuminierbucb

(150)

Ueberein-
stimmendo
Reihenfolge

haben, und von Hand zu Hand gehend, fortwährend durch Zusätze bereichert,
den Grundstock für Boltzen’s Illuminierbuch abgegeben haben, und zwar
finden wir bei Bolzen nur jene Teile wieder, welche für seine Illuminierzwecke
geeignet erschienen; denn nur diese hatten für ihn Interesse. Es sei deshalb
hier in Kürze näher darauf eingegangen.

Das Illuminierbuch des Boltz von Rufach, neben dem Augsburger „Kunst-
buchlin» (1535) das älteste in deutscher Sprache gedruckte Werk, das Maler-
anweisungen enthält, erschien zu Frankfurt a. M. i. J. 1562, etwa 150 Jahre
später als das Strassb. Ms. entstanden sein kann, und doch finden sich bei
Boltz ganze Reihen der Rezepte wieder, welche dem Strassb. Ms. entsprechen,
und durch vielfache neue Rezepte noch vermehrt sind. Auch die ganze An-
ordnung der beiden Werke hat viel Gleichartiges.

Das Strassb. Ms. (hier kommt zunächst der III. Teil in Betracht) beginnt
mit den Gummiwassern und zählt deren zwei auf, bei Boltz sind daraus schon
sechs ,, Temperaturwasser» geworden. Inhaltlich sind aber alle Gummi- und
Leimarten in beiden Büchern die nämlichen, sowohl Gummi arab., Gummi cerasi,
Pergamentleim und Eierklar, auch Myrrhenharz und Tragantgummi sind
genannt.

Die Anordnung der Farben, mit Zinnober beginnend (Boltz S. 9 ff.) ist
vom Strassb. Ms. abweichend, bei Boltz natürlich mehr geordnet, wie es einer
für den Druck bestimmten Schrift geziemt. Die Angaben für Oelmalerei hat
Boltz einfach weggelassen, weil er als Illuminierer sich nicht damit befasste,
dafür folgt er aber in der Angabe der Fleischfarben (libvarwe) vollständig
unserem Ms. in der gleichen Reihenfolge. 74 des Strassb. Ms.: wil du ein
schön libvar machen zu jungen lüten ist fast wörtlich in ,, Kindlein färb zu
machen» (Boltz S. 39 u. ff.) wiederholt: es folgt „ein ander libvarw zu braunen
lüten; ein ander zu alten lüten; ein tötlich livarw machen zu crucifixen und
zu erbermhertzigkeit, in gleicher Reihenfolge, nur mit neuen Mischungen ver-
mehrt; gleich darauf in beiden Schriften die Angaben zur Haarfarbe für blonde,
rote, braune und graue Haare und schliesslich ebenso die Farbe ,,zu mönchen
und zu anderen geistliche lüten ge wände» (bei Boltz: Schwartz Kutten, Mönchs
rockfarb).

Sind diese Reihenfolgen schon übereinstimmend gleich, so ist das weitere
abermals ein Beweis, dass Boltz das Strassb. Ms. benutzt hat: in beiden
Werken folgen gleich darauf die Anweisungen für Vergoldung; Boltz bringt
als Illuminierer nur das Argentum musicum in mehreren Rezepten (S. 47 ff.),
das Strassb. Ms. die Goldvarwe, resp. die Beizenvergoldung für Tafelmalerei.
Die Firnisse des Strassb. Ms. (79 u. ff.) sind von Boltzen einfach übernommen,
obwohl er als Miniaturist nur beschränkten Gebrauch „auf Pergament oder
Leder» machen kann (S. 7). Es sind dieselben Materien von ,,lin olis, hanf
olis oder alt nus oli» und Mastix, die miteinander zusammengeschmolzen
werden; der „Fürniss auff ein andere Gatttung» entspricht fast wörtlich dem
(81) des Ms.; auch der dritte „Fürniss auff ein ander gattung» ist mit (80)
identisch. Der eigentliche Illuminiererfirnis „Fürniss auf Papyr und Pergament
wird genannt Haussfirniss» (S. 5 verso) ist im Strassb. Ms. unter 85 und 86
beschrieben.

Ein weiterer Beweis, dass Boltzen der dritte Teil des Strassb. Ms. vor-
gelegen, ist noch darin zu erblicken, dass er aus den folgenden Kapiteln 87
und 88 unseres Ms., welche von Vergolderbeizen handeln, nur summarische
Auszüge macht und CS. 12) einfach die sechs Arten „Goldgrundt Gummi»
aufzählt, deren Anwendung für ihn als Illuminierer von geringem Interesse
sein mussten. Es sei hier übrigens bemerkt, dass diese Goldgrundgummi als
farbige Beize über „silber, zin oder bli» zu stehen haben, „das wirt schön
vin gold», also eigentlich mit dem Auripetrum des Heraclius, den farbigen
Beizen des Lucca Ms. und der Mapp. clav. in technischer Uebereinstimmung
stehen; einige dieser Gummi sind goldbraun, wie Aloe, Galbanum. Die kom-
plizierten Mischungen der Pictura lucida (S. 15) haben sich hier bis zum
Strassb. Ms. weiter erhalten.

— 103 —

Strassburtjer
Ms.

Kunst- und
Werkschul

Haben wir aus dem obigen ersehen, wie das Strassb. Ms. durch Tra-
dition und fortgesetzte Zutaten ein Teil von Boltzens Illuminierbuch geworden
ist, der nur diejenigen Rez. aufgenommen hat, die für seinen Kunstzweig
wertvoll erschienen, so wird uns das folgende dooh in einiges Erstaunen versetzen:
Die Rezepte für Oelmalerei des Strassb. Ms. sind die Grundlagen,
ja sogar die Haupt quelle des Kapitels über Oelmalerei des um so
viel später entst and enen Buches „Kunst- und Werkschul» geworden!

Dieser merkwürdige Umstand scheint mir sogar das allerwichtigste Er-
gebnis der obigen Untersuchung zu sein, denn wir sehen daran deutlich und
klar, dass dem Kompilator von Kunst- und Werkschul, der selbst kein aus-
übender Maler war, sich J. K. Chymiae ac aliarum Artium cultore (ed. 1707,
Nürnberg bei Job. Ziegers) nennt, keine anderen Quellen für Oelmalerei zur
Verfügung standen, und in dem Wenigen, was er ausserdem über Oele und
Oelfarben bringt, mit keinem Worte auf eine inzwischen aufgekommene
neue holländische Malart hinweist. Auch im Strassb. Ms. ist nirgends
eine Bemerkung zu finden, dass die technischen Rezepte von holländischen
Malern abstammen, denn zur Zeit, der Entstehung des Ms. war von der
Eyck’schen Technik keine Nachricht nach dem Rhein gelangt; aus dem
Sammelwerke des Nürnbergers ergibt sich aber ausserdem, dass überhaupt
seit der Van Eyck’schen Neuerung nirgends etwas über die „Oeltechnik» auf-
gezeichnet oder wenn auch, von niemandem veröffentlicht wurde: in dieser
Beziehung muss konstatiert werden, dass es den Malern tatsächlich gelungen
zu sein scheint, das „grosse Geheimnis» zu bewahren, mit dem die Brüder
Van Eyck um die Mitte des XV. Jhs. hervorgetreten sind, denn sonst hätte
Kunst- und Werkschul doch etwas davon enthalten müssen.

Es sei hier in Kürze der Nachweis geführt, wie die Oelfarben-Rezepte
des Strassb. Ms. in „Kunst- und Werkschul» Aufnahme fanden:

Strassb. Ms. (69), „Wie man alle ouli varwen tpieren sol» entspricht fast
wörtlich Kap. I von den Oelfarben (Kunst- und Werkschul S. 714); der
zweite Absatz hat sogar mit diesen überhaupt nichts zu tun, ist jedoch genau
nach (68) abgeschrieben.

Kap. 2 (Auf eine andere Art, S. 715) wiederholt ganz ohne Zweck den ,151,
ersten schon gebrachten Teil von (69), fügt den weggelassenen Rest hinzu
und ist durch (70) erweitert; es ist das jenes Kapitel von dem oleum prae-
tiosum genannten Oel, mit Galitzenstein als Trockenmittel.

Es folgt Kap. 4, genau dem (71) des Strassb. Ms. entsprechend. Von
den übrigen 29 Kapiteln in Kunst- und Werkschul ist zu bemerken, dass 16
davon sich überhaupt nicht mit der Technik der Oelmalerei befassen, sondern
von Tünchen und Weissen der Mauern, von Kalk zu Mauerwerk, von Gips-
mauern, und Reinigen von Oelbildern handelt, die restierenden Angaben über
Reinigen der Oele, Pinsel putzen, Glanzfirnis und andere Trockenmittel aber,
mit einer einzigen Ausnahme, nichts besonders Neuartiges für Oelmalerei ent-
halten. Da später noch auf diesen interessanten Punkt zurückzukommen sein
wird, möge das Wenige vorerst genügen.

Farben und Technik des Strassb. Ms.

Das eigentlich Technische des Ms. zerfällt in drei Arten, in Miniatur-
malerei auf Pergament oder Papier, Tafelmalerei mit Leimfarben und in die
Oelmalerei.

Die Bindemittel zum Anreiben der Parbenpigmente für Miniatur-
malerei sind von denen des Theophilus, Heraclius und des Anonymus Ber-
nensis, um nur die Quellen des Nordens zu nennen, ganz unbedeutend ver-
schieden. Strassb. Ms. gibt dabei die Anweisung, die deckenden Farben stets
mit etwas Eidotter zu verrühren und dann Gummi oder Eierklar zuzumischen;
Heraclius mischt nur Auripigment damit (K. XXXII), Theophilus nur auf
Wänden den Azur (K. XV.). Als Behältnis für Farben, welche auch zum
Schreiben dienen, nennt das Ms. Hörnchen (hÖrnelin) und wird beim An-
machen der Farben darauf geachtet, dass die Farbe gut ,,aus der Feder» laufe.

11*

Miniatur-
malerei

— 164

Strassburger
Ms.

Tllctalem-
farben

(152)

Als „Fundament» für Glanzgoldunterlage (Assis) dient die „creta pelli-
caria, das ist die die kürsner haut» (13 u. 14), unsere sogen. Kollerkreide
(weisser Bolus oder Pfeifenton), mit Fischleim und Gummiwasser «als Binde-
mittel; Farbenbeigabe ist Zinnober oder Safran. Gegen das Springen des
Grundes wird Honig, zur besseren Erhaltung Salmiak zugegeben.

Um auf Glanzgold zu „florieren», werden zwei Angaben gemacht (17
u. 18); für Goldschrift (19) und Silberschrift (20) dient Mussivmetall (aurum
musicum, argentum mus.), das aber der Autor nicht selbst bereitet, sondern
einfach in der „appotek» besorgt. Der Apotheker fängt jetzt an, in der
Farbentechnik eine Rolle zu spielen, während die Mönche des XII. — XIV. Jhs.
sich noch alles selbst bereiten mussten; der bürgerliche Maler, welcher mit
seiner Malerei seinen Lebensunterhalt bestreiten musste, konnte nicht mehr
soviel Zeit für alle Detailarbeit aufwenden.

Vom Meister „Andres von Colmar» erfährt der Autor noch ein ,,wasser u
(23), das ausser Gummi arab. noch weisse Myrrhe, in Wasser gelöst, enthält.
Die Art, Eierklar flüssig zu machen (24), ist identisch mit der Angabe des
Heraclius (K. XXXI), nämlich durch Pressen durch nasse Leinen (badslein);
zur Konservierung des leicht in Fäulnis übergehenden Bindemittels dient hier
Essig und Salmiak (sal armoniac).

Die Farbenbereitung für Miniaturmalerei nimmt, wie in allen ähnlichen
Mss., einen besonderen Raum ein; hier (25 — 29) erfahren wir Näheres über
die wertvollen „Tüchleinfarben (tüchlein varwe)»: aus Tournesol, von
Blumen „di an den morgent gewunnen sint vor mitten tag», „violvarw
tüchlin» aus roten Kornblumen, aus Heidelbeersaft, „roselin varw» aus Presilien
(Brasil-) Holz, „paris rot» aus lacca (grana, Coccus). Noch genauere An-
weisungen, um Tournesol (Folium des Theoph.) nach „larnptschen sitten»,
also auf lombardische Art zu bereiten (31 und 32), was ,,ze paris vnd ze
lampten formisal vnd hie im land tüchlin blau» heisst, sind offenbar direkt
auf dortigen Ursprung zurückzuführen. 7

Die Art des Gebrauchs der Tüchleinfarben und die Gewinnung des
Farbstoffs aus den Farbpflanzen und Hölzern ist von der heutigen Darstellung
der Lackfarben nicht sehr verschieden (s. Bersch, die Fabrikation der Mineral-
und Lackfarben S. 451 ff.). Der Pflanzenfarbstoff wird mittels Laugen extra-
hiert und durch Alaun praezipitiert (niedergeschlagen), eine Art, wie sie der
III. Teil des Ms. mehrfach erwähnt.

Ursprünglich wurden die Pflanzenfarben auf Leinenstückchen (pezette),
durch mehrfaches Eintauchen in die Farbenbrühe befestigt und getrocknet,
vor dem Gebrauch wurde der Farbstoff in Wasser wieder aufgelöst; später
kam immer mehr die im letzten Teil des Ms. gelehrte Art ,,zu molen und
auch zu florieren nach larnptschen sitten» auf, bei welcher die Lackfarben
nicht mehr in ,,Pezetten» aufbewahrt, sondern durch Niederschlagen des Farb-
stoffes mittels Alaun und Eintrocknen in einen zähen Teig verwandelt wurden,
wie es unsere Saftfarben sind. 8 Unser Ms. nennt diese Art durchscheinende
Farben, durchschinig varwe (51), durchschinig rot (52), gelwe durchschinig
varwe (56 und 57), durchschinig harvarwe (59).

Die letztere Art der Farbenbereitung bedeutet demnach eine Verein-
fachung der Manipulation, weil die in den Leinenstücken angesammelte Farben-
menge nicht erst wieder aufgelöst zu werden brauchte, wie vorher.

7 Ueber Pezette, Tüchleinfarbe vergl. Bologn. Ms. S. 406, 422, 426, 438, 442 bei
Merrif.; pezette bei Cennini K. 10, 12, 161 u. Note zu K. 10 in Ug’s Edition S. 143.

* Im Augsburger „Kunstbuchlin» (v. J. 1535) finden sich mehrfache Anweisungen
die auf diese Manier des Strassb. Ms. hinweisen; z. B. für blaue Farben : „Incorporir
reine kreyden mit dem safft der schwarzen Holderbern, durch ein Tuch ausgetruckt,
geuss ein wenig Alaunwasser daran, lass es eyntrucknen, vnd bobalts biss du seyn
bedarffest. Autf dise weyse magst du auch färb machen von den blauen Korn-
blumen; auch magstu Holderbersafft, attigber safft mit alaun temperirn . . . Item
Heydebern, Maulbern mit Alaun wolgesotten» etc.; für grüne Farben: Schwartze
Kreytzberlin mit Alaun bereitet, für gelbe und rote Farben: Presilgenholz.

– 165

Der Gebrauch der Pezette dauert übrigens noch sehr lange fort, trotz-
dem die Tüchleinfarben ganz ausser Gebrauch kamen; sie dienten als Schmink-
läppchen (Tourneaolläppchen) für Schauspieler etc. Der Verfasser hat sogar
derartige Pezette in zwei Farben (himmelblau und rosa) in einem jetzt nicht
mehr bestehenden Droguengeschäft käuflich erhalten und vielfache Versuche
damit gemacht, die mit den Angaben des Strassb. Ms. und anderer Quellen
übereinstimmen. Sie sind heute keine Handelsartikel mehr.

Auch die farbigen Tinten sind zu diesen Saftfarben zu rechnen. Durch
das Mittel, den gelösten Farbstoff durch Alaun in einen dichten, körperhaften
zu verwandeln, fanden die Lackfarben auch in der Tafelmalerei Eingang, ob-
wohl viele derselben vergänglicher Natur sind. Das Ms. (68) sagt, dass man
mit Leim alle, auch die vorgenannten Farben temperieren könne, sowohl uff
holtz, oder uff muten, oder uff tüchern, während die Oelfarben nach den An-
gaben des Ms. (70) beschränkt sind auf Zinnober, Minium, Parisrot, Brasilrot,
Lichtblau, Lazur, Indigo, Schwarz, Auripigment, Rauschgelb, Ocker, Braunrot,
Spangrün, Grün und Bleiweiss, weil dieses Pigmentfarben, d. h. Farbeupulver
sind, die mit Oel sich anreiben lassen; Parisrot und Brasilrot sind Lackfarben,
deren in Wasser lösliche Farbsubstanz durch Alaun niedergeschlagen ist.

Violblau, Tournesol, Lackmus, Safran oder farbige Tinten konnten des-
halb nicht mit Oel gemischt werden.

Ueber die Malerei mit Leimfarben auf Holz, Mauer und Lein-
wand wurde bereits oben gesprochen. Wir haben hier eine Technik vor uns,
die in keinem der früheren Mss. in dieser Weise beschrieben ist. Es fehlt
hier allerdings eine genaue Angabe, auf welche Art der zu bemalende Grund
vorzubereiten ist. Heraclius enthält in dieser Beziehung viel deutlichere An-
gaben, auch lässt sich aus dem Strassb. Ms. nicht schliessen, ob ein oder
mehreremale in derselben Art übermalt werden könnte, wie wir es bei Theo-
philus gesehen, und als Kriterium für die nordische Technik festgestellt haben.

Nach angestellten Versuchen zu schliessen, lässt sich jedoch das näm-
liche Verfahren bei dieser Essig-Leimfarbe mit Erfolg ausführen. Ich verweise
hier übrigens noch auf die bei Heraclius beschriebene Technik unserer heu-
tigen Art zu Maserieren, die auf der nämlichen Grundlage beruht (S. 42).

Details über Grundierung für die Oelmalerei fehlen in den Ms. voll-
ständig; 5 ‘ während wir bei Theophilus und Heraclius derartige Angaben mehr-
fach finden, lässt uns der Autor des Strassb. Ms. hierin in Stich. Nur einmal
(78) im Kapitel für Vergoldung mit Goldfarbe (Beize, mordant) erfahren wir,
dass der Leimgrund, den die Technik der Vergoldung von jeher gekannt hat,
als Unterlage gedient haben muss; es heisst dort: Willst du auf Holtz oder
auf Tuch oder auf Zendel vergolden, so überstreiche das Holz zuvor mit
frischem Leime, zweimal oder dreimal, damit das Holz (durchtränkt) werde,
und bei den anderen gleichfalls, und wenn der Leim trocken wird auf dem
Holz, oder auf Tuch oder auf dem Leinen, so streich die Goldfarbe über den
Leim mit einem weichen Pinsel etc.» Wir haben also hier eine Leimgrundierung;
aus einer weiteren Notiz hören wir noch von Oelüberstrich :

„Hier merk, Eisen, Blei und alle anderen harten Geschmeide und
Bein, und ähnliche harte Dinge, die verlangen es nicht, dass man sie
vorher mit Leim überstreiche, wie alles Holz und Tuch, aber auf
Steinen und auf Mauern, die soll man vorher mit Oel tränken,
ehe man die Goldfarbe aufstreichet und gleicherweise, wie es oben
gelehrt, so soll man auch andere Dinge vergolden.»

Obwohl es nicht deutlich ausgesprochen ist, sehen wir aus den obigen
Angaben doch, dass zwei Arten von Untergrund in Gebrauch waren, nämlich
Leimgrund für Holz, Tuch oder Leinen, Oelgrund für Stein, Mauerwerk etc.,
woraus wir uns schon eine bestimmte Grundlage für die Technik bilden
können. Ob zu diesen Grundierungen noch Farben (wie Bleiweiss bei Heraclius

Strassburger
Ms.

Saft färben

Leimfarben-
malerei

Grundierung

9 Vergleiche den Anhang zu diesem Abschnitte, die einschlägigen Anweisungen
des Münchener Lib. illuministarius.

— 166

Farben-
miscbung

Strassburger für Oelfarbe, Gips zum Leim bei Theoph.) genommen werden sollen, ist aus
dem Ms. nicht ersichtlich, bei der Portdauer der Tradition aber sehr wahr-
scheinlich.

Ueber die Farbenmischungen, die in 73 — 75 zu allen möglichen Dingen,
zu Gewändern, Fleischfarbe, Haarfarbe etc. beschrieben sind, wäre zum Schluss
noch zu bemerken, dass wir derartige Zusammenstellungen ähnlich schon bei
Theophilus und Heraclius gefunden haben. Die Maler von damals mischten
ihre Farben niemals auf der Palette wie wir, sondern in den Farbentöpfchen
selbst, wie es heute unsere Anstreicher zu machen pflegen. Ueberdies haben
wir zu bedenken, dass die ganze Thätigkeit von damals mehr einen hand-
werksmässigen Charakter hatte, und die Gesellen einen grossen Teil der Ar-
beit ausführen mussten.

Bei grösseren Gruppen holzgeschnitzter Figuren oder bei Dingen, die
sich wiederholten, war eine vorherige Vermischung der Farben sehr angezeigt,
ja wir sehen in späteren Werken, z. B. bei Boltz, dem „curiösen Maler», in
Kunst- und Werkschul usw. die Anweisungen nach dieser Richtung hin noch
viel mehr ausgebreitet; dort finden sich für jedes Tier, für jede Pflanze, ge-
naue Angaben der Farbenmischung, so dass uns eine derartige Erleichterung
des Arbeitens nicht besonders in Erstaunen setzt; bei den Miniaturmalern,
welche die vorliegenden Evangelarien etc. genau kopieren mussten, mag eine
so detaillierte Angabe von Farbenmischungen sogar sehr erwünscht ge-
wesen sein.

Ueber das Ms. und dessen Inhalt ist weiter nichts hinzuzufügen: der
Text spricht in seiner natürlichen, naiven Sprache selbst. Einige notwendige
Erklärungen sind in den Anmerkungen gegeben und mit Ausnahme einiger,
dem Kopisten zur Last fallender Schreibfehler, die korrigiert worden sind, ist
nichts verändert. Für die Durchsicht des textlichen Teiles, die Herr Prof.
Dr. Panzer zu besorgen die besondere Güte hatte, erlaube ich mir auch an
dieser Stelle meinen ergebensten Dank auszusprechen.

Die Kapitel, welche nicht von Malerei handeln, sind fortgelassen, und
nur deren Aufschriften eingefügt.

— 167 —

Text des Strassburger Ms.

(Nach der im Besitze der National-Gallery-Bibliothek befindlichen Kopie des
i. J. 1870 verbraunten Originales.)

(1. Teil.)

(1) „Dis ist von varwen, die mich lert meister Heinrich von lübegge. 1 (154)
Wiltu lazur machen, so legs uff einen Stein und nimm den tutter 2

von einem eye und rib es recht wohl und tu en wenig wassers darzu,
ist das getrucknet uff dem stein, so tu es in ein muschal 3 und flösse
es recht wol also dünne mit Wasser, untz 4 es schön wirt und nim
den gumi und rib es uff einen stein und temperer es mit wasser
und tu es in das hörn 5 und ouch den lazur und enwenig honges»
so gat es gern von der federn, so hastu schön fin lazur.

(2) Kom, wiltu grün machen, so nim enwenig gumi arab. und rib das
uff einen stein und tp 7 das mit essich und nim spangrün 8 und rib
es underenander und (gib) darunder geweichten saffran, der in essich
geweicht si.

(3) Wiltu zinober tempereren ze incorpiereren, 9 so rib den zinober mit
Wasser und tu des tutters usz dem eye darzu, und so du es wol
geribest, so nim eyger clor und temperer es damit.

(4) Wiltu lazur flössen, so nim kalk und las den über nacht stan und
schüt den das wasser hübschlichen oben abe und tu daz unter den
lazur und darnach nim lougen die tribet den kalk us — und tu
darnach wasser daran und la daz stan über nacht, daz das wasser
dar uss gang. l0

(5) Wiltu zinober tempereren ze florirende, 11 so nim den zinober und rib
in trocken recht wol und nim dan enwenig wassers und enwenig
saffrans und rib es aber dann als vor ,2 und nim 2 troph. tutters und
rib daz do mit und tu es dann in das hörn und tper es dann mit
eyger clor und die materie la dick (werden).

I Lübbecke, jetzt Kreisstadt des preuss. Reg.-Bez. Minden, am Wiesengebirge,
erhielt 1279 Stadtrecht.

s Dotter.

3 Muschel, zum Farbenanreiben vielfach benützt: vergl. das Kapitel über die
Miniaturmalerei.

4 bis.

5 Hörn (hornelin), als Farbenbehälter gebraucht.

6 Honig.

7 Abkürzung für ,. temperiere».

8 Grünspan, essigsaures Kupferoxyd, dessen Bereitung zur Malerfarbe (s. auch
Bersch S. 337) in allen alten Ms. erwähnt ist.

9 Von Korpus, der Körper für die grossen Initialen bei Manuskriptmalerei.

10 Die Lauge neutralisiert den Kalk ; der Lazur soll durch die Aetzlauge ge-
reinigt werden; flössen soviel wie schlemmen: vergl. bei (6).

II florieren soviel wie illuminieren.
12 ebenso wie zuvor.

(155)

~ 168 —

9traS Ms Urger Nim zinober und enwenig erden 13 und enweeig saffrans und 6

troph. tutters und rib daz recht wohl mit eyger clor und tper es
mit eyger clor.

(6) So du lazur kouffen wilt, so nim der recht brun si, darnach so du
in tpereren wilt so rib in recht wol mit eigern tuttern und purgiers
mit lougen und lasse es wol gesitzen, und schütte daz oben ab in
ein ander hörn und schüt es als wol dick uff und ab, untz daz es
luter werd und las es truknen wol, und tu es den in ein seklin und
gehaltz, 14 wie lang du wilt, und wenn du opiereren 15 wilt damitte,
so tu es in ein hörn und tper es mit starkem gumi und 2 troph.
tutters von einem eige und lass es gestan einen tag und wellest du
denne so tu enwenig rouselin 16 darunder, hest du gern brun blau. 17

(7) Dis ist die floritur des lazures. Nim daz ab dem lazur ist kommen ls
und tu es in ein hörnelin und tu dar zu enwenig rouselin und 1
troph. tuttern und la die materie dik und opier damit so du wilt
und tper es mit gunh.

(8) Dis ist ein gele varwe von opiment. 1!) Nim zu dem ersten opiment,
und rib es recht wol truken und nim dar zu eiger tutter und enwenig
saffrans, und rib es recht wol und tu es dann in ein hörnelin und opier
damit und tper es mit eyger clor.

(9) Wiltu machen roselin von grund uff so nim ein lot geschabz brisil-
holtz 20 und 1 lot alan 21 und rib den als wol als mel und als vil
criden 22 als des alantz und rib auch die laug und leg jegliches zu
einem huffelin und nim ein glas und bespreng das mit einwenig alant
und darnach mit also vil criden und denne dar uff als vil prisil
holtzes und schütte dar uff wol geschlagen eiger clor das 23 — es
denn übergange und lasse es dann stan 8 Tag und truke es durch
ein tuch recht wol in den criden stein und lass es derren in einer
wermi 24 und nim die materie und tu si gehalten in ein sekelin, 25 und
so du operieren wilt, so tper es mit wasser.

(10) Wiltu lazur tpieren daz es klein und vin us der federn gat, so nim
zu dem ersten des lazurs als vil du wilt und rib das uff einen stein
mit starkem gummi wasser und mit eigers tutter untz das es nüt
uff dem stein crostele 26 und tu es zemol in ein zinie 27 schüssel und
güsse starke heisse louge dar über und zerrib das lazur unter die
lougen gar wol und lass es ein willin 28 stan untz 2 ‘- 1 das es zu boden
sitzet und güs daz oberste davon abe in ein ander schüssel und
güss es den in die erster schüssel aber der heissen lougen und tu
im ze glicherwise als (vor) und tu das 3 stunt oder 4 stunt 30 untz

13 Vielleicht roter Ocker (Rötel)

14 behalte es, hebe es auf.

15 operieren.

16 Rosafarbe s. Absatz (9).

17 Brun blau wird hier ein violett genannt; ähnlich in einem deutschen Ms. des
XV. Jhs. der Heidelberger Bibliothek (Pal. germ. 676): veielett (violett) machen so
misch plawb vnd prawn vnd weiss vndereinander ….

18 d. h. was bei der Bereitung des Lazur übrig geblieben ist, im vorigen Absatz (6).

19 Auripigment, Schwefelarsenik.

20 Erasilienholz, Rotholz, ital. verzino, Santelholz (Caesalpina Sappan).

21 Alaun.

22 Kreide.

23 Hier fehlt etwas im Ms.; aus ähnlichen Anweisungen bei Boltz geht hervor,
dass die Mischung stark zu kochen habe.

24 Wärme.
23 Säckchen.

26 grieselt.

27 zinnerne.

25 ein Weilchen.

29 bis.

30 3 mal oder 4 mal.

— 169 —

das die lougen luter 31 wird und von dem wasser luter gange und Straasburget
darnach so güss luter wasser uff die lazur und las es besitzen und

sige das wasser genou von dem lazur, so ist das lazur klein und
wol bereit. 32

(11) Wiltu schön und vin grün temperieren, so nim vin spangrün als vil
du wilt und rib daz gar wol mit essich darin ne gumi arab. zergangen
si und also gros wassers von winstein 33 als ein erwis, 34 do von wirl
daz grün satt und glantz und (nim) drie troph. eiger tutter und
zwen blumen saffrans, dis rib alles under enander daz es us (der
fedren) gerne gange.

(12) Wiltu schön ruberik 3 » machen. Nim zinober als vil du wilt und rib
den zinober uff einen reinen stein mit wasser gar wol und wenn du
es geribest, daz es gar rot si, truken si uff dem stein, so nim 3
troph. des tutters uff dem stein und nim den des anderen wassers,
daz us dem eiger clor ist gemacht und nim des uff den stein als
das die varwe wol nass werde und rib es dar nach uff dem stein
als 36 unter enander und (tu) daz von dem stein in ein rein hörn, und
rur es mit einem reinen höltzelin under enander und versuche es
mit einer fedren: gat es nit us der fedren so ist die tint ze dik, so
sol man me 37 klares usser dem glas tun in das hörn und sol es
aber ruren und versuchen bis daz es recht wird, als du die fedren
in das hörn tust, als dik soltu es ruren.

(13) Wiltu machen ein gut fundament dar uff man silber und golt leit 38 ,
daz es schön und glänz werde. Nim zu dem ersten cretam pelli-
carie 39 , das ist die die kürsener hant, diese criden sol man also bereiten,
man sol neraen hecht schuppen und hecht gebein von dem houpt
und das sol man under enander sieden in einer überlazurt kachlen
als lang bis das der drittel in gesiede 40 , dar nach sol man (die)
brüge sigen 41 durch ein linine tuch und rib die vorgen criden mit
der visch brüge und tu es denne in ein muschal und lasse es denn
hert werden, und wenne du wilt ein fundament machen ze gold, so
nim der vorgen criden, die bereit si als gros als ein haselnus und
rib di gar wol uff einen stein mit dem wasser das von dem eiger
clor si gemacht und rib darunder ouch als gros zinobers als ein
erwis und salis armoniac. ouch als ein erwis und 3 blumen saffrans,
das rib gar wol alles under enander uff einen stein und tu es von
dem in ein muschal, dis soltu temperieren in der diki als ein ruberik,
dis hört zu vin golde, ze glicherwise mag man silber daruff legen
also 42 daz der saffran nit darunder komme, und dis sol man nass
uff legen. 43

31 lauter, klar.

32 Die Art des Schlemmens des Lazursteins in Lauge ist beschrieben im Bologn.
Ms. Nr. 3 (Merrif. S. 344); es ist die Manier ohne das sog. Pastill, welche bei Ultra-
marinum almaneum od. ispaneum in der Lombardei zur Anwendung kam. Unter
Ultramarin, alamaneum od. citramarinum ist jedenfalls Kupferlasur zu verstehen,
welches vielfach mit Lapis lazuli verwechselt wurde. Vergl. Merrif. S. CXGV-I;
auch (4) u. (6) des Ms.

33 Weinstein.

34 Erbsengross.

35 Rubriken, Kapitelüberschriften, sind in alten Mss. meist rot.
30 alles.

37 mehr.

38 legt.

39 Kollerkreide, weisser Bolus.

40 bis zum Dritteil eingesotten.

41 die Brühe durchseihen.

48 also = nur; für Silber ist der Safran unangebracht.

43 Das Metall soll hier aufgelegt werden, solange der Gruod, ,,das Fundamont’*,
nass ist, im Gegensatz zu dem nächsten Kap.; der Salmiak dient zur Konservierung
des Eierklar.

(156)

— 170 –

Strassburger (14) Wiltu machen ein gut fundament, gold und silber uff zu legen truken.

So nira ze glicherwise als vil criden als vor und rib daz ze glicher-
wise als das erst und tu dar under zinober als gros als ein erwis,
salis arraoniak ouch als vil, und 2 troph. honges und rib das alles
gar wol under enander mit dem wasser das uss dem eiger clor ist
(157) gemacht und tpier es under enander in der diki als ein ruberik und

tu es darnach in ein rein muschal und merk wo du daz wilt uff
schriben so sol man es vorhin under enander wol ruren und sol
man daz berment 44 vorhin wol purnieren, 45 da wo man die gold
varwe uff strichen wil, so sol man si blos uff strichen und gar
gelich. 4ü

(15) Dis ist ein assis, 47 silber und gold truken uff zu legende. Nim
heideschen Ziegel 48 den die goldsmit hant, und enwenig kolen und
rib das wol und 1 troph. honges oder zwen darzu und tpier daz
mit lim von husen blatern gesotten und leg gold daruff troken.

(II. Teil.)

(16) Dis lert mich Meister Andres von Colmar. 49 So du wilt einen grund
machen ze übergülden, so nim criden und stosse die, und leg sie
in ein schüsselin und la si dar inne zwene tag und schüt den das
wasser oben ab und nim die criden und rib si uff einen reinen stein
und mache lim dar us und leg si uff ein schindelin 50 und la si
truknen. So du denne ubergülden wilt, so nim zwen teil criden
und den dritteil sal armoniak, so er iemer wiessest 51 mag sin und
sohabe von einer zechen huse blatern als gros als ein linsin und
ein vil wenig honges und tu das dar under und tper das alles mit
wasser.

(17) Wiltu uff vin gold florieren, das es recht zierlich stat, als das ein
gold uff das ander wer geflorieret. Nim in der apoteke gumi arab.
als gros als zwo erwis und zerschnid das zu kleinen stükelin, und
güs wissen essich dar über in ein muschal und la das stan über
nacht ze weichen und seige den essich oben abe und nim das ge-
werkt 52 gummi arab. und tu es uff einen reinen stein und rib es
enklein und tpers in der diki als ein ruberik mit itelm wasser und
tu es dar nach in die muschal und florier damit in gold daz stat
gar zierlich und wol.

(18) Nim eines salinen gallen oder eines lachsen galle und strich die
galle uff ein muschale und tu ein troph. essichs dar under und florir
damit uff gold, das dritte so nim verger von metz 53 und rib das uff
einen stein mit enwenig wassers de gumi arab. daz hienach ver-
schoben stat, daz soltu verholen. 54

(19) Wiltu goldin geschrifft machen. Nim in der appotek aurum musi-
cum, und rib das mit wasser uff einen reinen stein gar wol und
nim des wassers de gumi arab. ein teil und den andern teil gemeines
Wassers, und zertrib die zwei wasser mit dem finger under enander
in einen reinen muschal und das triben 55 aurum muscatum (!) in die

44 Pergament.

45 bruniern, glätten.

46 gleichmässig.

47 Ässiso, die Unterlage für Vergoldung.

48 Vermutlich Trippelerde (terra tripohtana), aus Tripolis.

4n Kolmar, Stadt im Oberelsass, in einer Schenkungsurkunde Kaiser Ludwig des
Frommen 823 zuerst genannt; seit 1226 freie Reichsstadt. (Kolmar in Posen wurde
erst 1435 gegründet, kann demnach hier kaum gemeint sein.)

50 Holzbrett.

51 der weisseste, der zu haben ist.
62 das so zubereitete Gummi arab.

53 Ocker von Metz, eine geschätzte Sorte.

54 verheimlichen
65 geriebene.

— 171 —
nnischal und getrib es under en ander in der diki als ein ruberik. strassburger

Ms

Und schrib damit was du wilt, und las das truken worden und

purnier das senfteclichen mit einem glatten zun von einem wolf, Bi
wirt die geschrillt schön und glantz gold werden.

(20) VVellent ir silbrin geschrift haben. (Neraent) musicum 56 argenteum
und ribent das mit wasser gar wol und klein und so es wol gerieben
werde, so tunt es von dem steine in ein grosse muschal und uüs
die muschal vol wassers und rur es mit einein finger wol under
enander und las es den enklein zu boden sitzen und güs den des
obersten wassers dar ab von der muschale, und tu aber nie wassers n;, – |
darin und menge es under enander und las es aber enwenig ge-
sitzen, und güs des obersten wassers aber darab, bis es luter werde

und nim den des wassers des gumi arab. ein teil und des anderen
teil gemeins wassers, und mische die zwei wasser ze sammen, und
tpiers damit ze glicherwise in der diki als ein ruberik und schrib
domit was du wilt, und las das truken werden und purnier es mit
einem glatten wolf zan , so wird die geschrift schön und glantz
silbervar(w).

(21) Dis ist das dritte wie man gold und silber schribet us der fedren.
Nim in der Appentegen punicem roraauum 57 und rib das uü einen
reinen stein gar klein und wol mit wasser, und nim dis wassers
in dem ersten glas de gumi nrab. ein teil und also vil brunnen
wassers und tpier es under enander in der diki als ein ruberik und
und schrib was du wilt und wenne daz gar wol truken ist so nim
vin gold und rib daz uff die geschrift senfteclich bis daz die geschrift
über al geverwt 58 si worden; dar naoh so nim des wolfes zan und
übervar die geschrift ouch senfteclich überal bis daz es schön und
glantz werde. Wiltu das silbervarw machen, so übervar die geschrift
mit silber, und darnach ouch mit dem zan, so wirt sie schön und
und glantz.

(22) Wiltu aber gold und silber schriben us der federn, so nim 20 blätter
von golde oder vier u. zwanzig zu dem meisten und leg die bletter
alle nebent enander uff den stein und nim saltz und übersalz die
bletter überal, darnach so nim starken wissen essich und über spreng
die bletter und las es ein wil also liegen und rib es darnach gar
wol und tpiers mit dem gumi arab. und ein teil gemeines wassers
und rib es denne mit einen zan das golde. 59

(23) Wie man ein wasser machet, damit man alle varwen sol tempie-
reren. Nim in der Apeteke ein specie heisset gumi arab. ein lot
oder als vil du vilt und leg das in ein linin tuch und winde das ze
sammen und blewe 60 das bis das es zu bulver werde in dem tuch,
darnach so tu das bulver us dem tuch in ein überlazurt kachlin, die
rein si und güs dar über schön wassers das eins fingers dik darüber
gang und las daz also stan über nacht bis das es weich wirt, und
zerrib es mit einem finger gar wol under enander und leg dazu ein
settit G1 wisser mirren, 62 die luter si und las das ouch in dem wasser
stau und zergan, zieh es dann durch ein linin tüchlin und dis wasser
sol als dik sin als öli.

(24) Nim das clor von 3 eigern in ein rein schüsselin und kloph das
eiger clor mit einem löffel bis es dünne werde und nim einen schönen

56 margantan argenteam in Ms.

57 Rom. Bimsstein.

58 gefärbt.

59 Eine Anweisung, welche sich fast in allen alten Quellen wiederfindet; Theoph.
I. B. Kap. XXXVII, 4. Abs.; Heraclius III. B. K. XVII.

60 schlagen, durchbleuen.

61 settit od. settil. der halbe od. Viertelteil eines Lotes.

62 Myrrhenharz ist zum Teil in Wasser löslich.

_ 172 —

badslein» 3 und ring das clor dar durch ze v. malen bis das es
nümma schümi, darnach nim gumi arab. ein settit und leg das in den
eiger clor und las es zergan, und nim darnoch ein gefügen löfel vol
essichs und zertrib das unter das clor und leg darnoch in das clor
als gros salis armonic. als ein erwis, dis wasser tu besunder 64 in
ein glas ouch wolbehalten, bis man sin bedarf!’.

(25) Wellent ir schön fin tüchlein varwe machon, so nim in den ersten
8 tagen nach pfingsten 7 (hant) vol G5 körn blumen, die an dem
morgent gewunnen sind vor mitten tag und brich die blumen oben
ab in ein rein geschirr und stosse die blumen oben ab in ein reinen
mürsel gar wol bis das si werdent als ein müs, dar nach leg si in

(159) ein rein zwilch tuch und ring das safft dur das tuch gar wol in ein

überlazurt kachlen und nim ein settit salis armoniaci und leg es in
die varwe so zerget es zehant,» darnach da nim ein schön wol
geweschen tuch von einem alten sieiger 07 oder von einem alten
tischlachen und stos der tiichlin in die varwe als das tuch die varwe
alle an sich zieche, als das die tücher weder ze nas noch ze dür
werdent und süd 68 die varwe, untz das si liberal habent emphangen
und darnach sol man die tücher nebent enander henken in einen
reinen garten an den wint und las si wol truken werden, do noch
an dem andren morgent so soltu aber der blumen frisch gewinnen
als vil als vor und solt si aber oben ab brechen und aber stossen
ze müs als vor und durch das zwilch tuch ringen in die (schüssel?)
und nim denn gumi arab. das gar luter si, das vor gewerchen si
mit (?), und das gumi sol man zertriben mit einem finger under
enander und müsch das zertriben gumi under die blumen und rur
es mit dem holtz under enander und nim alumen glaciei 69 ein settit
klein zertriben ze bulver und leg das bulver in das vorgn. safft, und
rur es wol under enander bis das das alumen zergangen si, da noch
so nim di vorgn. geverwten tücher und truk si zu dem andren mol
in die varwe und las si in der varwe bis si di varwe genot an sich
ziechent, und wol geverwt sin. dar noch so henk die tücher aber
uff an den wint und lass si gar wol truken werden, dar noch so
wind die tücher in ein schön papier und leg das gehalten in ein
rein new schindelladen 70 und setz es enbor in den lufft, das es nüt
feuchte habe.

(26) Wilt du violvarw tiichlin machen, so nim aber in der selben zit rot
körn blumen als vil du wilt und brich die bletter von den blumen
und stosse sie gar wol und ring das safft dur ein rein linin tuch in
ein überlazurt kachelin, und nim alume glaciei ein settit ist der
blumen vil, ist ir aber lützel so nim dester minder und doch merke
hie, werde der blumen ein quertelin, 71 so gehört denn ein settit dar
in alans, wer aber der blumen nüt also vil so lege nüt not dar an
und ob das settit alans genot dar in kerne, dar noch so tu die
tücher in die varwe und verwe si über al, noch henke die tücher
uff an den wint und las si wol truken werden, und nim der blumen
als vil als vor und stosse die blumen und truke das safft aber dar
us durch das tuch und stosse die tücher aber an daz safft, daz si
aber wol geverwt werden über al und zertrib aber in dem safft
gummi arab. und henke denn die tücher an den wint und la si wol

(i3 Starkes leinenes tuch; das Verfahren ist das gleiche wie bei Heraclius K.XXXI.

04 besonders, für sich.

65 Ich ergänze handvoll nach (32).

86 alsbald, sogleich.

87 Schleier, dünnes Gewebe.
68 siede.

89 Alaun in Krystallen.

70 Holzkästchen.

71 Quertelin. V« Teil einer Mass.

— 173
truken werdent und winde die tücher in pappier. dis heisset violvarw strassburgor

… , ,- ■ 79 Ms.

tuchlm.’ J

(27) Wiltu machen brun blau tüehlin varw. Nim heidelber so si, 73 ze
dem ersten ull’ gant ein schüssel vol und tu die her in ein new
hefelin und tu das hefelin wol bedeckt in die Erden bis under den
hals und la si also stau acht tag bis das si, 74 (stosse si) wol in
einem reinen mürsel und tu si in einen reinen nüwen hafen und
güs das hefelin vol wassers also das des wassers ein quertelin si

zu einer schüssel vol ber und rur die her und das wasser wol under (160)
enander und nim salis armon. 1 settit und also vil aluns glaciei und
setz das hefelin zu dem füer und las es senfteclichen erwallen, das
es mit überlöffe; wenne es blos erwallet, so heb es von dem füer
und las es überschlachen, dar noch nim sal aro 75 und ahm glaciei
iegliches ein settit und leg das in die varwe in den hafen und las
da in zergan und la die varwe in dem hafen wol kalt werden, dar
nach so güs die varwe in dem hafen in ein rein zwilch tuch und
ring die varwe durch das tuch in ein überlazurt kacheln, so blibent
die hülschen und die kernen in dem tuch, (der safft) gat in die
kachlen, dar noch so nim schön wiss tuch und einen alten sleiger
oder von einem alten tischlachen 76 und stoss die tücher in die
varwe, das si wol geverwt werdent und henke die tücher do noch
uff an den wint und las si wol truken werden und tu si du weist
wol war. 77

(28) Wiltu roselin varw machen schön und fin die uff silber und uff gold
durluchtig 78 ist. Nim persilien holtz ein lot oder zwei das wol klein
geschahen si und nim eichen eschen oder buchin und der zweiger
ein 79 und mach ein lougen die da luter und rein si, nim ein über-
lazurt kachlen vol lougen und setz es uff ein glut und las die lougen
heis werden als das man ein fmger kum 80 darin haben mag und
leg das vorgn. holtz in die heissen lougen und truk das holtz under
mit einem höltzelin und ze hant so wirt die laug rot als einer
schöner ros und las also ein wil stan, so ziechet (die) lauge die
(varwe) alle ze mal an sich us dem holtz, dar noch so nim alun
glaciei ein settit wol klein (ze) bulver zerriben und sege das bulver
über das holtz in die varwe und rur es mit einem holtz wol under
enander und seche es den als dur ein Jini tuch in ein rein überlazurt
kachlen und las das also stan über nacht Ibis das di röti zu boden
sitzet und das wasser das obenan schwebet das güs hüpschlich oben
ab bis uff das dik, das kechelin da die diki varwe rine ist das setz
uff den offen und las es also stan bis daz di varwe dürre si, so tu
si us dem kechelin in ein blättern 81 behalten bis man ir bedarff.

72 Welche Blume unter „rot kornblumen» zu verstehen ist, mag schwer zu ent-
scheiden sein; der Klatschmohn (Papaver rhoeas) giht eine blaue Saftfarbe (Hoffmann,
Farbenkunde für Mahler, Erlangen 1798, S. 80), wenn die Blätter zerquetscht mit ein
paar Tropfen Potaschenlösung vermischt werden. Zu Violettfarbe nimmt Boltz, S. 25,
Presilgen (Brasil); das Rez, ist in (31) wiederholt, violvarw tüchlin aus „grossen
schönen roten blumen» zu bereiten; in (53) wird violvarw aus Indigo und Brasilrot
gemischt, (66) aus Heidelbeersaft; vergl. auch den Exkurs über die Verwendung
frischer Pflanzensäfte in der mittelalterlichen Miniaturmalerei von Hg (Heraclius, S. 99).

73 Verdorbene Stelle, Boltz, S. 33, nimmt „Heidelbeer, die wol zeitig seind»,
laugt dieselben in Kalk etc.

74 Verdorbene Stelle resp. Lücke.

75 aro, Abkürz, iür armouiaco.

76 Tischleinen.

77 Ileidelbeerblau ist jetzt ausser Gebrauch, die Römer verwendeten die F’arbe
auch zur Mischung von Purpurfarbe, vergl. Blümner I., S. 214 IT., unter Vaccinum.

78 durchleuchtend.

79 eines der beiden, d. h Eichen- oder Buchenasche.

80 kaum.

81 Blase.

— 174 —

Stra M^ urger were alt)er der v arwe vil drei lot oder vier oder ein vierling 82 wenne

denn die varwe bereit wirt und gesigen ist durch das tuch, so
sol man si güssen in ein sekelin, das sekelin sol dik sin geweben
daz man kum dadur gesicht und sol sin undenan spiccig und obenan
wit mit einen reiff obenan und solt den sak vorhin netzen und wider
ringen und den die vorgn. varwe alle in den sak giessen und ein
kechelin darunder setzen und das zu dem ersten us dem sack
trüphet das ist enwenig rot; wand es us dem sak luter trophet, so
güs die varw in dem kechelin under in den säk und henk den sak
uff an einen Nagel und setze die kachelen under den sak und la
den sak über nacht hangen bis daz das wasser alles us getrüffet
und wenne der sak nit me trüphet so nim ein glat bret oder einen
ziegel und wende den sak uff das brett oder uff den Ziegelstein und
setz die varwe an den luft dri tag oder vier untz si dürre werde,
dar noch tu si gehalten in ein bletern bis man ir bedarf, dis heisset
fin roselin varwe. 83 –

(29) Wellent ir machen schön fin paris rot. Nim zu dem ersten und
mach ein loug us weid eschen und nim einer spezie die heisset lagga 84

(161) damit man das louck 85 verwet, dis soll man zerstossen ze kleinen

bulver, von dem lagga in die heissen lougen reren 86 und sol das
under enander ruren und las es also stan ze beissende 87 über nacht,
an dem morgent sol man die varwe zu dem füer setzen und sol si
ruren on underlas und sol sieden halb als lang als man vische
siedet, und sol den 1 settit aluns glaciei in die varwe tun und sol
es wol ruren bis daz es zergat, dar noch hab die varwe von dem
füre und lasse si überslachen und siehe die varwe durch ein rein
tuch das zwifaltig 88 sig und ring die varwe us in die überlazurt
kachlen und nim den alun der gar klein ze bulver si zertriben und
rer das bulver langsam in die varwe und rur es als mit einem löffel
bis das der alun in der varwe wol zergangen si; hie merke ein wor-
zeichen, wenn die varwe dikelecht wirt als ein warm win und doch
schön rot do mit ist, so sol man nüt me aluns dar in reren, wenne
die varwe dünne ist als wasser so sol man des aluns mer dar in
tun und under enander ruren, bis das die varwe schön dik werde;
darnach so güs die varwe al ze mal in einen sak der geformt si als
der sak zu der röselin varwe und las den sak also hangen ze trieffen
über nacht bis nüt me us dem sak trüfft und was rus us dem sak
trüffet das ist als liecht rot win, das sol man enweng 89 giessen,
aber das in dem sak beliebet das ist wie win rot varwe; den sak
sol man umb wenden und die varwe uff einen stein tun und mit
dem inesser die varwe ab dem sak schaben und tun denne die
varwe an den wint und las si wol dür werden und tu si denn wol
rein behalten bis man ir bedarff.

(30) Wiltu bermit schön vin durlücht-ig machen weler varwe du wilt als
ein glas, so nim des lutersten megdenbermenten 90 das man do vindet
und wesche das bermit in kalter lougen gar wol bis das die loug
luter und clor von dem bermit gang, dar no so wesche es in lutern
wasser, so ist das bermit luter und clor worden; dar nach so
ring daz wasser us dem bermit. Wiltu nu daz bermit schön fin

82 Viertel eines Pfundes.

88 Vergl. (9, 52, 53).

84 Lacca, Grana, Farbstoff von Coccus ilicis (Schildlaus), Karminlack.

85 Locken, eine geringere Sorte der Wolle.

89 schütten.

87 zum beizen.

88 zweifältig.

89 hinweg (im Ms. steht enwenig).

80 Jungfernpergament wird die feinste Sorte genannt; vergl. ßoltz, S- 62, Per-
gament mit mancherley varb durchseheinig zu machen.

— 175 —

grün machen das man da dur sieht was man wil als dnr ein schön Btraraburger

glas, so nim spangrün als vi] du wilt, und rib das gar wo] mit essioh

und müsohe da und er des grünen da mit die sekler Jeder verwent 91

und disü zwei temperer under enander, das es weder ze dik noch

ze dünne si, dar nach so nim das geweschen bermit und netz das

bermit in der varwe ze beiden siten und las es also ligen in der

varwo ein nacht, dar noch so swenke das bermit in kalten wasser

und spanne das berment. uff ein ram und las es wol truken werden,

darnach so nim luter viernies das usser mastikel 98 gemachel sy und

mit dem selben virnis (bestrich) das berment zu beiden siten bis es

glanlz wirt, darnach so setz es in eine heisse sunne und las das

bermit wol truken werden, dar nach so schnid das bermit glich us

der ramen und mach drü stük oder 4 als breit als du es haben wilt

und leg dos bermit in ein buch oder in ein presse das es schlicht

belibe.

(31) Wellent ir violvarw tüchlin machen, das ouch gar nütz ist zu vil
dingen, zu dem ersten sol man frü an dem morgen vor mitten tag
gewinnen der grossen schönen roten blumen 93 als vil man wil und
sol man die bletter alle abe brechen, anders so verhende die varwe»
wenn man si alle abgebrichet so sol man si stossen in einen reinen
stein oder in einen reinen mürsel und ringe den die varwe gar genot

us und durch ein zwilchin tuch und enphabent 95 die varwe in ein (162)
überlazurt kachlen und nement aber als gros aluns als ein haselnus
ze bulver zeriben uff einen stein und reret den alun in die varwe
und rurent es wol under enander bis der alun in der varwe zergangen
si und denn nement aber rein wol geweschen linin tücher und
trenkent di wol in der varwe zu beiden siten und das si ouch die
varwe alle gar in sich nement und ouch nüt trielfend, und henkent
ouch den die tücher uff an den wind und lant si wol truken werden
und trenkent die tücher zu dem andren mol aber in der varwe und
lond si aber dar noch wol truken werden und nement schönen wol
geverwten win wol uff ein mos und legent in den roten win ein lot
luters gumis und und das gumi lant einen halben tag ligen in den
roten win zu weichen und zertribet das gumi gar wol under den
roten win und netzent die geverwten tücher ze hindrest 9 * 5 mit dem
roten win und des wines sol nüt me sin, wand blos als vil das
die tücher (nass werdent), underuff (henke si) an den wint und lant si
gar wol truken werden und tund 97 si denn wol rein behalten in ein
schindellad untz das man ir bedarf und so hast violvarw tüchlin
var(w).

(32) Wellent ir schön fin tüchlin blau var(w) machen nach lampten
sitten 98 damit man schön blau verwet und auch garn und ist ouch
gut zu vil dingen und blauen buchstaben und uff silber statz als
ein fin geschmeltz. 99 In der zit acht tag nach phingsten so soll
man an dem morgent frü uff stan so die sunne erst uff gat, das
man den do si 100 do die blumen stant uud sol gewinnen — 17 —
huntvol der blumen, die vor dem mitten tag, wan nach dem mitten

91 Boltz nimmt Saftgrün (suecus sambuei) dazu.

92 Mastix.

93 Vielleicht die Pfingstrose (Paeonia cfficinalis), vergl. Hochheuner, ehem.
Farbenlehre, Leipz. 1797, S. 160.

04 sonst würde es die Farbe schlechtmachen.
93 fange sie auf.

96 zuletzt.

97 tut.

98 Lombardische Art, siehe oben S. 157.

99 Email oder Schmelz.

100 dass man bei Sonnenaufgang schon dort sei.

— 176 —

Strassburger tag sint si nüt gut — und süllen 3 menschen 101 oder 4 oben ab

brechen in ein rein bekin oder in ein schön ka(cheln) und so das
geschieht so soll man sie stossen in einen mürsel stein gar wol untz
das die blumen ze raus werdent und nas genug und dornoch so
nement ein rein zwilchin tuch und netzet das vorhin en wenig mit
Wasser und ringent das wasser wider us dem tuche und legent das
genetzet tuch in die gestossenen blumen und als gros genot us mit
2 reinen seken, untz nut ine varwe dar us gange und emphahent
die varwen in ein rein überlazurt kacheln und nement aber me der
gestossenen blumen in das tuch und ringentz aber us als vor und
tun die varwe alle ze samme in ein rein geschirre und wenne das
alles geschieht so schetz, 102 ist der varwe ein halbe mos oder etwas
minder so nement ein settit aluns und ouch ein settit sal armoniac
und stossent die zwei ze bulver und rerent das bulver in die varwe
untz das es alles wol zergangen ist in der farwe und tribent denn
die varwe in zwen teil gelich in zwei rein geschirr also das in einem
geschirr glich als vil si als in dem andren und nement rein alti
tücher linin, die vorhin gar wol gebuchet 103 und wiss geweschen
sind und stossent die tücher in die varwe nnd windet si, das die
tücher dur nas werdent das si zu beiden siten wol und gelich ge-
verwt sint und ouch die varw gar in gangen si, und die tüoher nüt
entrüffent und so henkent die geverwten tücher uff an den wind an
(163) ein seil oder an einen steken und land si als wol troken werden,

und stossent denn die selben geverwten tücher noch einest in die
andere varwe untz das sie die varwe an sich gewinnent gar das der
varwe nüt me belibe und henkent denn die geverwten tücher aber
uff an den wint und land si hangen untz das sie gar wol troken
werdent und also sigent si — – zwurent geverwt. Und do noch so
heissent aber an dem morgent blumen gewinnen vor mitten tag als
vor so vil das die tücher noch einest mügent nas werdent und tund
den hindresten blumen mit stosse und mit us truken als den vor-
dresten und tund 1 lot luters gumi in den hindresten varwe, aber
das gumi sol vorhin in enwenig wassers geweichet sin und mit einem
finger wol zertriben sin und denn sol man das gumi giessen in die
dritte hindresten varwe und sol die geverwten tücher zu dem dritten
mol in die varwe stossen, das si aber die varwe alle an sich nement,
das der varwe nüt me si, und die tücher ze beiden siten wol ge-
verwt sin mit der hindresten varwe und denne so sint die tücher
wol geverwt und hand ouch varwe genug und blibent also lang zit
schön und ouch stetto und fin; (man) sol si aber uff henken an den
wint zwene tage und nacht untz das si gar wol trukent werdent
und also sind si gar wol bereit und die blauen tücher sol man in
pappir winden und sol sie legen in ein rein schindellad und sol die
laden setzen und behalten enbor uff einen schafft do mit vil rotes
aber ander besser gesmak 104 und also kan man sü so gar behalten
frisch und schon, das ir varwe niemer verwandlet und dis varwe

11,1 Verdorbene Stellt; in der Kopie steht monschen, ich nehme Menschen, weil
die Arbeit Eile bedingt, um aus dem abgemähten Kraut die Blumen zu pflücken.
Hier werden die Blüten der Pflanze (Crozophora tinetoria, Färbercroton, Croton tinc-
torium, Krebskraut) gesammelt, während andere Anweisungen die Früchte zur Farben-
bereitung nehmen. Neapel. Cod., Rubr. IX. nimmt die Fruchtkapseln, welche drei-
köpfig und mehrsamig sind. Die Pflanze, welche französisch Tournesol, in Mont-
pellier, wo dieselbe besonders augebaut wird, „maurelle» heisst, gehört in die Familie
der Euphorbiaceen. Thoophilus und St. Audemar nennen die Farbe „folium»; vergl.
Merrif. S. CLXXXIX, s. oben S 126.

102 schätze ab.

lu3 gebuchet = ausgelaugt.

104 Die Tücher mögen mit den anderen roten aufbewahrt werden, aber an einem
trockenen Ort, wo gute Luft sei, weil die Feuchtigkeit schädlich für dieselben ist.

— 177 —

heisset ze paris und ze lampten vor misal und hie im land tüchlin strassburger
blau und ist liep und wert . . . , 105

(33) Wiltu blauen faden verwen, nim heidelber und truk das saft dar us
und tu es in ein suber schüssel und las es enwenig wallen und nim
den zu einer mass safftes ein halb ei gros alun und als vil kupher
foulen 100 und ouch als vil weid eschen oder enwenig me und zerstoss
die und den alant wol und wirf es denne alles in das safFt und
güss enwenig essichs darzu und rur es wol und tu den faden darin
und las in wol erwallen, so gewinst du schönen und hast geverwten
faden, wiltu aber das er liecht werde so nim der kupher foulen
dester nie.

(34) Wiltu sohwartz tinten zu brieffen geschrifl’te. Nim gallas romanas 107
zween teil das dritteil vitrioli 108 das ist (l)ougstein, das vierde teil
gumi arab. wiltu aber die tinten über all mal swartz machen, so
nim das fünfte teil der schärfen 109 die sol man alles ze bulver klein
stossen und sol das bulver in einen hafen tun und lourinden-
wasser dar zu, das sol man lan siden als lang als vische und sol man
es nüt lassen überlouffen und tu dar zu ein gleslin vol essichs und
hab die tinten von dem für und rur si untz das si kalt werde und
las ein hut darüber wachsen zo schimelt si nüt fürbas, hie merki:
ist die vorgn. materie 1 phunt gewesen so hört des vorgn. lourinden
wassers 1 vierling darzu, Item zu einem halben phunt masse. Wiltu
machen tinten von substai.cie. Nim substancie 110 als gros als zwei
nennen eiger und a /a mos wines und 1 zekel bermentz 111 und süd
das in einem nüwen hafen untz das es wol zergangen si und nim
denn atrament als gros als ein boum nus und bronne das in einem
füre und rib es denn in einer schüssel und schüt es denn in die
tinten und rur es under enander und achte daz es siede und nüt
übergange; so si denne gesüdet so rur es untz das si kalt wirt, so
wirt si ze mol gut.

(35) Wiltu gut blaw varw machen, nim den blumen von dem körn, du (164)
weist wol wenn und derre die senfteclich und rib es denne mit gutem

wine und las es denn truknen und nim denn enwenig ganffer 112 und
halb als vil salis armon. und rib es ouch dar under so hastu uff
silber oder wa du wilt gut blau als ein vin lazur und tper es denn
mit gumi oder mit wasser von eiger clor.

(NB. Hier beginnen die Kapitel (37—48), die mit Malerei nichts zu
schaffen haben, ausgenommen (44); dieselben füllen 12 Seiten der mir vor-
liegenden Kopie. Nur die Ueberschriften sind hier verzeichnet.)

(36) Wiltu aber gut tinten machen,

(So der Titel; der Inhalt handelt von Seifenbereitung nach latein. Quelle.)

(37) Wiltu aber gut seiffen machen,

(38) Item,

(39) Wiltu wissen, wie man hörn güst als bli,

(40) Wiltu es verwen,

(41) Wiltu aber hörn giessen und weich machen das man drus druket was
man wil,

(42) [Fehlstelle] …. ist er schuldig, so wird der Spiegel ze haut bleich
(Zauberspiegel?).

105 S. oben S. 157.

106 Kupferfeile.

107 Galläpfel.

108 Eisenvitriol.

109 des Vitriols.

1,0 Saftgrün s. (60).

111 ein Säckchen voll mit Pergamentschnitzeln, woraus ein guter Leim be-
reitet wurde.

119 Kampher.

12

— 178 –

strassburger (43) Wiltu machen ein wasser und wen man es in ein ampel tut und ein

Spiegel (Wunderspiegel?).

(44) Wiltu machen fin lazur als man über mer macht 113 so lasse dir
machen ein silbrin büchse und nim denn calcem mortuum der wol
gebrant si und rib in gar klein und tu das in win essichs, der gut
si und der essioh sol zwurent wol gesaltzen sin und versuch es uff
der zunge, dar noch güs den essich uff den kalk und mache es als
dik als ein mus und nim das selb und tu es in die büchse und ver-
mach die büchse wol mit (?) an der stat do die büohse ze samen
gat und setz si in einen mist und las si dar stan 4 wuchen, do noch
nim si har us und tu die varwe in ein bekin und las si truknen an
der sunne. Wiltu machen gut lazur nim den allerbesten win als vil
du wilt und leg dar in enwenig alunes das der alun dar in zergange
und tu denn denselben win uff ungelöschten kalk und mache dar us
ein louge und güs die louge in ein drifaltig sekelin und ouch enwenig
esche da inne si und lasse das louffen in ein bekin 114 das tu als lang
untz es beginne blawen, so nim denn geschahen persilie und den alun,
der so geWeschen ist, die du in den win liest geleit und leg es denn
in ein louge und las es darin ligen über naoht und nim es denn
des morgentz wider herus und henk es aber über das bekin und tu
das lang untz das dich dunke das es sin genug habe, so rur es und
trenke es mit lougen zwurent oder dri stunt, so wirt es gut lazur.

(45) wer sin hant oder sin füsse oder sin hut welle wiss machen (Schön-
heitsmittel u. dergl.).

(46) Wiltu ein gut stimm gewinnen …. (desgleichen).

(47) Wiltu schön lang har machen . . . (wie oben).

(48) Jetzt folgen einige artikel wie man solle machen gut fin helfenbein,
ein wasser der tilgend 115 und ein trank der tugend, zwei wasser die
luter sind als ein brun und wenn man si under einander tut, so
werdent si als geleyti milch, wie man die fliegen alle wol bringen
kan in einen kreis die in dem huse sind (sie!).

(165) (111. Teil).

(49) Dis büchlin lert wie man all varwen tempieren sol ze molen und ouch
ze florieren nach lamptenschen sitten und ouch ?on allen durschinigen
varwen rot blau und wi man durschinig bermit sol machen luter als
ein glas. Es lert ouch machen drier leige gold gründe und lert ouch
drier leige vernis machen und zu dem ersten 2 wasser damit man
alle varwe temperieren mag und ist dies das erst gumi wasser.

(50) Wilt du machen zwei edli guti wasser do mit man alle varwen schön
und fin temperieren mag, so nim zu dem ersten zwei teil gumi arab.
und das dritteil gumi cerasi 116 und leg disi zwei gumi in ein schön
schusseln und güs schön wasser oben über das gumi daz das wasser
über das gumi gang eines vingers hoch und las das also stan ze
weichen woll uff einen halben tag, so ist das gumi in dem wasser
wol weich worden und zertrib die gumi wol under, das es wol under
enander gemischet si und getempert und tu in ein klein muscbal
vol honges in das wasser und ein eiger schal vol essichs und dieses
sol man gar wol unter enander triben und müschen und sige dis
wasser duroh ein rein tüchlin und tu dis wasser in ein rein glas be-

118 „Als man über mer macht», ultramarinum; die Bereitung entspricht aber
nicht der blauen Farbe aus Lapis lazuli, die Ultramarin genannt wurde, im Gegen-
satze zu citramarinum, dem einheimischen Lasurstein. Die Anweisung hier ähnelt
vielmehr dem Lazorio, Kap. II der jüngeren Mapp. clav. einerseits, und den ent-
sprechenden Rez. des Lib. sacerd. (S. 27, Note).

IU Die Anweisung ist nur verständlich, wenn unter „bekin» ein kupfernes
Beoken gemeint ist.

116 Vergl. B. 161 Note.

1,6 Fälschlich cerusa im Ms.; G. cerasi = Kirschgummi (Theoph. XXVI).

— 179 —

halten, bis das man sin bedarff; dis wasser sol sin in der diki als sirassburger
öli, so ist im recht gut und sucht.

hie depingo colores (sie in Ms.).

(51) Hie vachent an 117 die durschinigen varwen, wie man die bereiten sol
und zu dem ersten wie man zweierley grün machen sol. Nim viu
spangrün als vil du vilt und rib das in einen stein gar wol mit
essich und rib als gros win Steines dar runter als ein erwis und auch
drie troph eiger totter oder so vil honges und tp. das alles wol under
enander mit itelm essich weder ze dick noch ze dünne und tu das
in ein küphrin geschir und leg luter gumi arab. dar in ein halb boum-
nus H8 und las das in der grünen varwe wol weich werden und zer-
trib das gumi wol unter die grünen varwe, so hast du edel vin
durschinig grün varwe. Wiltu aber der selben varwe ein teil ver-
wandeln zu schöner loup 11;l varwe so rausch zwei blümelin safFrantz
oder nie under die grünen varw, so wirt es schön und loupvar grün.

(52) Wiltu schön vin durschinig rot machen, des riecht und satt si so nim
persilien holtz ein halb lot, das vorhin klein geschaben si und leg das
in ein rein glasiert geschirr und nim ein wenig luter lougen und
mach die lougen heis bei dem für und güs die lougen heis über das
persilien holtz und tu ouch enwenig harnes dar in und rür das holtz
alles under enander und nim als gros aluns als ein gros haselnus
und rib das (ze bulver 12 °) und tu das selbe bulver in die lougen zu
dem holtz und rür es alles wol under enander — so — ziechet die
lougö und der harne und der alun die rötin aus dem holtz die es
geleisten mag 121 und wirt die lougen schön fin rot als ein schöner
roter rose. Dis varwe sol man behalten rein bedecket untz man ir
bedarff; wenn du nu dieser varwe wellest bruchen ze schriben oder
ze molen, so güs die roten varwen in ein rein rauschale und leg das
gumi in die varwe und lasse es in der varwe zergan und rür es
under enander mit einem finger und strich die varwe uff gelich mit
einem bensei, so wirt die varwe schön und vin durschinig rosvar rot
und ouch glantz und dise rote varwe mag man ouch us der vedren
schriben. Wiltu nu die selben roten varwe wandelen zu schöner
purpur varwe, so überstrich die rote varwe mit einem bensei
mit starkem lougen oder mit kalkwasser oder mit gebrenntem wine,

so verwandelt sich die rote varwe bald zu schöner purpur, die ist (164)
gar noch violvarw und stet under allen andern varwen zierlioh und wol.
(c3) Wiltu schön violvarw machen, so nim laraptschen endlich und zwürent
als vil prisilien roter varwe und rausche dar under ein rauschal vol
stärker lougen oder kalkwasser und rür das underenander und leg
luter gumi in die varwe und wo du das uff wis ding strichest das
wirt schön glantz.

(54) Wiltu aber ein ander violvarw machen, so nim violvarw tüchlin varwe
und leg des tüchlins als vil du wilt in ein rauschal und güs enwenig
gumi wassers oder clares dar über und netz es wol und lasse es
enwenig weich werden und ring denn die varwe genot us, weder ze
dick noch ze dünne und schrib oder mol oder florier do mit.

(55) Wiltu schön purpur machen zu gewendelin oder zu veldunge 12 – in
buchstaben oder zu blumen und zu dingen so nira liecht lazur und
müsch das unter enwenig rouselin varwe und ouch enwenig bli-
wis und tp. das wol under enander weder ze dick noch ze dünne als
die andren – varwen, so hast du schön purpur.

117 Hier fangen an.

118 Baumnuss.

119 Laub, Blätter.

120 zinober in Ms.

121 soviel darin ist.

122 Füllungen.

12*

— 180 —

StraS M Ur8rer (56) Hie wil ioh leren, wie man gelwe dursehinig varwe temperieren sol,

nim saffrantz als vil du wilt und bind den in ein rein linin tüchlin
und leg das in ein schön muschalen und güs gumi wasser dar under
und las ein wenig weich werden in dem gumi wasser und truke denne
die varwe us und ist die varwe ze stark und ze rot so tu me wassers
von gumi dar in und zertrib es under enander mit einem finger bis
das die gelbe varwe lichter wirt und doch wiltu die gelbe varwe
gerne also satt han, so tut nüt me gumi wassers dar in und luog 123
wie dir die varwe gevalle an setti m und an der liechti und las sie also
belieben unvermischt so hast dursehinig gelb varwe satt liecht noch
allen dinen willen.

(57) Wiltu aber ein schön dursehinig gel varwe machen uff alle wissi ding
die als schön sind als oppriment so nim der rinden von erbseilen
holtze 124 und tu si in ein rein hefelin und güs schön luter wasser
daran und las das wol den dritteil einsieden und behalt die varwe
in ein rein glas untz du ir bedarffst. So du dise varwe wilt bruchen
so güs enwenig us dem glas in ein muschal und leg enwenig luters
gumis dar in und las in der varwe zergan und rur die varwe under
enander mit einem finger und wo uff die varwe wirt gestrichen oder
geschriben so ist si schön dursehinig liecht gel varwe.

(58) Wiltu erbsell gel varwe machen so nim zu dem ersten . . . (der Rest
fehlt im Manuskript).

(59) Jetz wird gesagt wie man dursehinig harvarwe machen soll jungen
lüten . . . (Portsetzung bei 60a.)

(59a) Zu dem ersten wie man sol zinober tpiereren ze schriben und ouch
ze florieren, so nim zinober als vil du wilt der vorhin wol geriben si
und leg den zinober uff einen reinen rib stein und güs des vorgn.
gumi wassers uff den stein uff die varwe das si wol (nass) und tu
dri troph’ eiger tutter dar under und rib es enwenig under enander
und tus von dem stein in ein rein hörn, ob du da mit wilt schriben,
ist es ze dik so güs me eiger clor dar an und rühr die rote tinten
wol under enander, als dik man die fedren oder den bensei in die
rote varwe tunket, so wirt die tinte gelich schön rot getempt; wenn
man aber die tint nüt vor hin ruret so vallet 126 die varwe ze boden
und wird die geschrift nüt schön rot als obe man die varwe het
wol under enander wol geruret. Wiltu aber die ruberik über die
mass röter und finer und glantzer, so nim in der appotegen als gros
(167) aleo opaticum 127 als ein bone und tu das in die rote tinte; disi kunst

ist heimlich.

(60) Wiltu schön vin blau tinten tpier ze schriben und ouch ze malen, so
nim liecht blau lazur 1 lot oder */2 oder minder oder me und leg
das läzur in ein gros muschel und güs des vorgn. gumi wassers
enwenig daran und rur es mit einem -finger gar wol under enander
und güs aber nie gumi wassers daran und leg als gros wisser mirren
dar in als ein bon oder als vil gumi tragantum und las das in der
blauen varwe wol weich werden und zertrib es denn wol unter enander
und tu es in das hörn so du do mit wilt schriben und rure es wol
under enander und tunke die fedren dar in und get sie schön und
gern us der fedren so ist es recht. Safft grün : Item in dem herbst
so der win zittig ist so vindet man ber veil wechelber oder tinten-

148 lug, sieh zu.

1,4 Sättigung.

15 Gelbholz, von verschiedenen Wurzeln, der Berberitze (Berberis vulgaris),
Curcuma (Curcuma vulgaris), Querzitron; Bersch S. 461. Dasselbe Rez. bei Boltz S. 28,
Erbselengelb.

128 fällt.

1,7 Aloe hepatica, einer der seeba Goldgrundgummi bei Boltz, S. 12.

— 181 –

ber 128 . Der beren nim wie vil du wilt einen Locher vol oder nie und Strassburger
solt die ber zertruken und zerbrechen in einem reinem geschirre und Ms ‘

das safft wol us den beren ringen dur ein stark linin tuch und tu
das safft in ein reinen nüwen hafen und güs wohl uff ein halb mos
wassers dar in und las das er wallen ane gluot, wenne es wol erwallen
ist so tu zwei lot aluns in die varwe und las erwallen mit dem ahm
und las denn die varwe wol kalt werden und güs die varwe in ein
rmdes blottern uff an den wint so wirt die varwe hert und dürre in
der blottern und ouch truken genug in einen monot und wird ze
glicherwise als substantie 129 do man tinten us südet und also mag
man die varwe troken und hert behalten wie lang man wil, des dise
varwe krafft niemer verliert in disen weg und wenn man dieser varwe
brauchen wil zu schriben oder zu andren dingen als do vor ig ge-
seit . . . (hier setzt offenbar 59 nach einer Fehlstelle fort:)
(60a) so nim das gumi darin und strioh das über das har so wirt es schön-
licht brun har varwe. Wiltu aber brun har varwen zu jungen lüten
so nim gelütertes ruswasser und leg gumi dar in und strich des über
des har so wird es schönlicht brun har varwe. Wiltu aber es noch
brüner so strich die varwe noch einest an, wiltu aber har varw so
misch persilien rot unter enander und mache das glantz mit gumi,
das wirt schön rot har varwe. Wiltu aber ein ander frömde har varwe
so nim 2 teil rusvarw und das dritteil persilien varw oder violvarw
tüchlin varw und ouch enwenig safft grüns dar under und tp. das
alles under enander und mach das glantz mit gumi, das wirt gär ein
frömde har varwe. Wilt du grau har varwe machen zu alten lüten
so nim gar lieoht blau har varw und tp. die gar stark mit gumi
wasser, daz sie glantz werde und strich die varwe luter und dünner
über das har so ist grau harvarwe schön durschinig und ouch glantz
und dis sint die durschinigen varwe alle gar und nüt me.

(61) Wiltu gelütert rus machen, so nim des klebrigen ruses knolle 130 als
vil du wilt und leg die in lougen und las sie sieden des dritteil und
las den hafen also sten bedeket, so fallent die feces davon alle ze
boden und ist das oberste wasser schön vin (schwarz) varwe war uff
mans stricht und wenn du derselben wilt bruchen, so güs der varwen
us dem hafen wie vil du wilt und tu gumi dar in, das die varwe
glantz werde und strich si war uff du wilt oder schetwe dorait ge-
wand oder stein gebirge denn sü ist gut zu vil dingen an ze strichen
und ze mengerley schetwen.

(62) Wer grün und gel under enander mischet das wirt loub var, liecht
grüne varwe dar uff man soll schetwen mit endich. Nimm 2 teil
persilien varwe oder paris rot und müsch dar under en wenig bliwis

und gar enwenig minien oder zinobers und tp. des under enander (168)
mit gumi wasser und strich das an zu gewande und dar uff sol man
schetwen mit paris rot oder mit sattem lazur oder mit tüchlin blau.

(63) Wiltu liecht rouselin varw machen zu gewande oder zu blumen und
zu rosen, so nim persilien als vil du wilt und rausche da under minder
denn als das dritteil bliwis und daruff sol man schetwen mit paris
rot oder mit endich oder mit tüchlin blo. Nim liecht blau und halb
als viel rouselin varwe und enwenig bliwis 131 und tp. das alles wol
under enander mit gumi wasser. daruff sol man schetwen mit paris
rot oder mit sattem roselin oder mit endich oder mit tüchli blaue
oder mit violvar tüchel. Item nim liecht blau lazur und rausche dar

28 Zur Bereitung des Saftgrün, auch Blasengrün gen., dienen die Beeren von
Weg- oder Kreuzdorn (Rhamnus alaternus) und der Rainbeere, Amselbeere (R. catharica).

129 S. oben bei (34).

130 Nach Boltz, S. 37, sollen die Russknollen einem Rauchfang entnommen sein,
in welchem nicht zuviel Tannenholz gebrannt worden, sondern allerlei anderes Holz.

181 r»ali tttio in AI «

181 oeli wis in Ms.

— 182 —

Strassburger under violvar tüchel und enwenig bliwis und daruff sol man schetwen

mit endich oder mit heidelber safft varw, uff lieoht blaue varwe
schetwen mit endich oder mit tüchli blo oder mit tüchel, uff satt
blau soll man schetwen mit endich oder mit sattem paris rott.

(64) Wiltu schön gold blumen machen. Item nim zwei teil geriben opi-
ment und müsche under den den dritteil schöner minien darunder und tp.
das als die andren varwen mit paris rot oder mit gelüterten rus ge-
temp uff itelm liecht gehve varwe mag man schetwen mit satten
saffran und des stat ouch wol zu gewande. Item nim zwei teil
schönes vergers 132 und minder den das dritteil schöne minie und tp.
das als die andren varwen und schetwe dar uff mit gelütertem rus
oder mit paris rot.

(65) Wiltu sohön grüne varwe machen zu gewande. So nim lazur eschen 133
und tp. das mit safft grün, ist es ze satte so müsch bliwis oder ge-
riben criden dar under und tp. das als die andren varwe, das ist
liecht grün und dar uff sol man schetwen mit safftgrün. Wiltu aber
ein ander viner warwe machen grüner, so nim gar schöner liecht blau
lazur 2 teil und müsche minder den das dritteil bliwis dar under und
güs das in safftgrün das es weder ze dik noch ze dünne si und strich
das an zu gewande oder zu boumen oder zu grase oder zu gebirge
und dar uff sol man schetwen mit safftgrün oder mit persil oder mit
satter roselin varwe. Item wiltu aber ein schön grün machen zu ge-
wande und zu boume und zu grase und zu gebirge nim enwenig
grüns der blättern 134 und lege si in ein rein geschirr und güs luter
wasser dar über und las es enwenig weichen so zergat die varwe
und hast schön fin safft grün und tp. das weder ze dick noch ze
dünne, so wirt (es) recht zu allen dingen.

(66) Wiltu violvar machen oder blau damit man ouch vil dinges zu
bringet mit malen und mit schetwen und ist ouch gut mit ze verwen
mengerley uff leder und uff berment und garu linis und wüllis 135
und side und zendaL dise varwe behalt man ouch wol über ein jar
frisch und gut, so nim heidelbeer so si gar wol zitig sind und stosse
die ber und zerbrich si gar wol und ring den safft gar wol us dur
lin stark 136 und tu das safft in ein reinen nüwen hafen oder in ein
kessel und las die varwe wallen und tu ouch ein lot aluns darin oder
anderthalb lot zu dem meisten und also ist die varwe wol bereit zu
behalten über jar das man ir bedarff ze verwen oder zu andren dingen
als da vor is geseit und als ist es schön violvarw.

(67) Wiltu si aber blau haben, so nim dragantum 137 oder kupfer wasser
oder alumen viridum und ist als eis 138 und des vorgn. Steines rib und
tu sin ein lot oder me darin, so wirt es schön blau und wenn du
garn und linin tuch wilt verwen so nim der varwen als vil du ir
bedarfft ze verwen und tu ein löfel vol oulis in die varwe und sol

(169) das öli gar wol zertriben mit einem löfel untz das öli wol gemischet

wirt unter die varwe, und mach die varwe siedendig heis und tu den die
varwe in die värwe [!] das das garn wol genetz werde und so enphat es
die varwe wol und gat nüt me abe und also tu man ouoh allen varwen 130

181 Ocker.

133 Eschblau, Ultramarinasche; Boltz, S. 32, nennt es „ein edel köstlich Blaw . . .
es wirt gar selten in hoch Teutschen landen gefunden».

184 Die Blasen dienten zur Aufbewahrung des Saftgrün, vergl. bei (60).

185 Wolle.

186 kräftig durch Leinwand, oder durch starke Leinwand?

187 Sic in Ms.; wahrscheinlich ist attramentum gemeint.
1,8 Eisenvitriol, der „wie Eis» aussieht,

139 Die Anweisung gibt eine Beize für Stoffmalerei, welche die Maler von damals
auch ausübten; mussten sie doch für Tourniere und Feste die Fahnen und Gewänder
der Ritter bemalen und verzieren.

— 183 —

(68) Nu han ich redelich und merkeliohen wol gelert, (wie) man alle varwen Sfcrassburger
tpierensol nach Uriegesohem 140 sitten mit zwein wasser und wie man die

varwen under enander machen sol und wie man uff iede varwc
schetwen sol die gantze Wahrheit. Nun wil ich leren wie man alle
varwen mit lim tpiere sol ufl’ holtz oder ufF muren ,4 ‘ oder uff tüchern.
Und zu dem ersten wie man den lim dar zu bereiten sol, das er
lange wert und nüt ful 142 wirt und ouch nüt übel smeket wirt. Nim
bermit schaben und wesche die vorhin schön mit wasser und süde
dar under ein lutern lim weder ze stark noch ze krank 143 und wenn
der lim ze hant gesotten ist so tu ein schüssel vol essichs darin und
las das wol erwallen und tu in denn ab von dem für und sige in
durch ein tuch in ein schön geschirr und setz ihn do er kül habe,
so belibet er lang frische und gut. Ist der lim gestanden als ein
galrein 111 und was varwen du wilt tpier. so nim limes als vil du wilt
und ouch als vil wassers als des limes si und müsche den lim und
las das wasser under enander und ouch vil honges darunder und
werme das enwenig und zertrib das honig gar wol under den lim
und do mit sol man allen varwen tpier. weder ze dick noch zu dünne
als die andren varwen von den ich vor han geseit, und dis varwen
mag man ouoh alle wol überstrichen mit vernis so werdent si glantz
und mag inen niemer kein wasser noch regen geschaden, das si ir
varwe noch ir glantz nüt verlierent.

(69) Wie man alle oule varwen tpiere sol. Nu wil ich ouch hie leren wie
man alle varwen mit oli tpier. sol bas und meisterlich denn ander
moler und zu dem ersten wie man das oli dar zu bereiten sol das es
luter und clor werde und dester gern bald troken werde. Wie man
das öli zu den farwen bereiten sol: Man sol nemen linsamen öli
oder hanfsamen oli oder alt nus oli als vil man wil und leg dar in
alt gebrent wis bein und ouch als vil bimses und las das in dem
öli erwallen und wirf den schum abe von dem öli und setz es ab von
dem füre und las es wol erkulen und ist des ölis ein mos so leg
zwei lot galitzen stein dar in in das öli und so zergat er in dem öli
und wirt gar luter und ouch klar und dar nach so sige das öli durch
ein rein lin tüchlin in ein rein bekin und setz das bekin mit dem öli
an die sunne 4 tag, so wirt das öli dik und ouch luter als ein schön
cristall und dis öli das troknet gar bald und macht alle varwe schön
luter und ouch glantz und umb dis oli wüssent nüt alle moler und
von der guti dis olis so heisset es oleum preoiosum, wand 1 lot ist
wol eines Schillings wert und mit olin sol man alle varwen riben und
ouch tpier. alle varwen in der diki riben und ouch. tpier als ein

bri 145 der weder ze dik noch zu dünne si.

(70) Dis sint die varwen die man mit öli tpier. sol, zu dem ersten zinobers,
minien, paris rot, röselin rot, liecht blau, lazur, endich und ouch
swartz, opiment gel, rüschelecht, 14tJ verger, antlit U7 brunrot, spangrün,
endich, grün und ouch bliwis.

(71) Dis sint die oli varwen und nüt me — hie merke dis varwen sol (170)
man alle gar wol riben mit dem oli und ze jungest 148 so sol man

under ieglieh varwe drie troph, virnis riben und tu denn iedie varw
sunder in ein rein’ geschirr und werke do mit was du wilt und wele

140 Vergl. S. 158.

141 Mauern.

142 verfaule.
148 schv/ach.

144 Gallerte.

145 halber bri in Ms.; ich lese haber bri, Hafermus.

146 Rauschgelb, Realgar.

147 Fleischfarbe.

148 zuletzt.

— 184 —

Strassburger varw du wilt liechter haben, wenn si an ir selber sint, dar under

sol tu bliwis wol rauschen so werdent die varwen liechter und uff
die Hechten varwen sol man mit den satten varwen schetwen und sol
si mit bliwis verliechten und verhörwen da es sin bedarff, Under alle
diese vorgn. varwe mag man enwenig wises wolgebrentes beines
riben oder enwenig wises galicen Steines als gros als eine bone umb
das die varwe gern und wol troken werdent.

(72) Alle varwen lant sich under enander mischen en allen, oppiment gel
und rüsch gel die lident nüt spangrün noch minien noch bliwis noch
rus, wo diser varwen enwenig kerne under oppiment gel, so verdürbe
die gelwe varwe bald und aber endicli oder liecht blau lazur lat sich wol
müschen under das oppiment gel, das es da von nüt verdürbet und
wirt schön zu gewande zu grase und zu gebirge. Nim liecht blau
und müsch dar under enwenig bliwis und schetwe dar uff mit endich
oder mit paris rot. Nim liecht blau und halb als vil paris rot und
noch minder bliwis und tp. das wol under enander und schetwe dar
uff mit paris rot oder mit endich, uff itelm zinober sol man schetwen
mit paris rot oder mit satten rouselin und minie. Item nim zinober
und enwenig paris rot und noch minder bliwis das es weder ze
liecht noch ze sat werde und schetwe dar uff mit zinober und die
grund vesti 149 schetwe mit paris rot. Item nim spangrün und müsch
dar under enwenig bliwis weder ze liecht und ze satt und schetwe
daruff mit sattem spangrün und die grund vesti mit endicli.

(73) Wiltu ein hüpsche varwe zu grünen gewande so nim realgar das ist
glich als rüsch gel und heisset ouch müsgift 150 das sol man riben und
tpieren mit öli als die andren varwen und schetwe daruff spangrün
oder mit liecht blau oder mit endich oder mit zinober oder mit paris
rot und (dise) schetwunge 151 stand alle zierlich uff der obigen varwe.
Item nim paris rot oder enwenig zinobers oder minie und müsche
dar under bliwis das es wol liecht werde und schetwe daruff mit
spangrün oder mit liecht blau oder mit endich. Item nim spangrün
und halb als vil liecht blau und noch minder bliwis und müsch das alles
wol under enander und ist es ze satt so tu me bliwis dar under
und schetwe daruff mit endich oder mit paris rot oder mit sattem
violvarw.

(74) Item wil du ein schön libvar 152 machen zu jungen lüten so nim
enwenig zinobers ouch als vil minie und aller meist paris rot und
müsche dar under das merteil bliwis und tpier das alles under en-
ander, das die libvar weder zu rot noch ze bleich si und ist si ze
rot so müsche me bliwis dar in untz das ir recht wirf; dar uff sol
man schetwen mit zinober do enwenig vergers und minie under ge-
müschet, und schetwe die antlit und hende und do das bild nakent
si, man sol die ougen und nasen uff strichen und die hende mit
antlit brun rot do enwenig ruses under gemischet si und sterlini 15S
in die ougen sol man mit endich an strichen do enwenig spangrüns
under gemischet si. Aber ein ander libvarw zu braunen lüten, so
nim roten gebrenten verger und ein wenig minien und dristund 154
als vil bliwis und tp. das wol under enander weder ze liecht noch
ze satt und schetwe daruff mit brunrot do enwenig ruses si darunder
getempt. und die wangen sol man rüsinieren mit zinober do enwenig

(1^1) persil rot under gemischet si. Aber ein ander libvar zu alten lüten,

149 den Grund der Gewänder.

180 Mäusegift.

161 Schattierungen.

1M Fleischfarbe.

158 Augensterne.

184 dreimal.

— 185 —

so nim minien und verger glich und enwenig lazureschen und aller Straasburger
meist bliwis und tp. das alles wol under enander weder zu lieclit noch
ze satt und dar uff sol man schetwen mit verger do enwenig brunrot
under getempt. si und also mag man die sclietwunge verwandten das
ein antlit anders wirt geschetwet denn das ander, das si nüt alle
glich sigent gestalt 155 mit einer schetwunge. Wiltu ein totlich libvar
machen zu cruzifixen und zur erbermhertzigkeit, so nim zwei teil
lazureschen und das dritteil vergers und enwenig minien und rib
darunder das merteil bliwis weder zu satt noch zu Hecht und schetwe
dar uff mit verger do enwenig russ und endich under gemischet si
oder mit itelm russ und strich die verger 15G und die nasen und die
bände und was nakent si, das strich us mit rus do enwenig endich
under gemischet si oder enwenig brunrottes. Und dis sint die um-
schlinge aller varwen und ouch die schetwunge alle gar, di do zu
den varwen von recht hörent. Hie merkent, alle dise vorgn. varwen
die (sol) man verlüchten und ouch verhöhen mit bliwis, die gewant
die antlit wo es notdurftig ist. Item wiltu schön harvarwe machen
zu jungen lüten so nim itel verger mit öli getompt. und müsch dar-
under enwenig bliwis und schetwe das har mit satten stein verger
und strich das har us mit brun rot do enwenig rus oder endich under
getempt. si. Item aber zu roter harvarwe so nim verger und enwenig
brun rot und noch minder bliwis und das schetwe mit itelm russ do
enwenig brun rot under gemischet si und (strich) ouch das har us
mit der selben varwe. Wiltu graue harvarwe machen so nimm lazur
eschen und müsche darunter enwenig endich und bliwis, das es nüt
ze satt werde und schetwe uff die har varwe mit rus do enwenig
endich under si, und strich die louke 157 des hares us mit brun rot
do russ under gemischet si. Wiltu aber ein rechli brunhar varwe
machen, so nim satt stein verger 158 und müsch dar under enwenig
rus und tp. das alles wol under enander und strich die louken us
mit brun rot do schwartz oder endich under gemischet si.

(75) Wie man graue varwe und ouch ander gemenget varwe tpieren sol
zu mönchen 159 und zu anderen geistlichen lüten gewande. Item zu
dem ersten nim swartz und enwenig endich under und müsch enweuig
bliwis darunder, das es wol liecht werde und daruff sol tu schetwen
mit endich do enwenig swaitzes under gemischet si und das wird
schön graue zu gewande und kappen. 160 Aber ein ander schön ge-
meuget (varwe) zu kappen und zu andren geistlichen gewande, so
nim enwenig swartz und enwenig paris rot und enwenig endich und
das merteil bliwis und das temp. wol under enander und schetwe
daruff mit endich do paris rot under gemischet si. Aber ein ander
varwe, so nim verger und enwenig endich und rus und das merteil
bliwis un tp. das wol under enander und schetwe dar uff mit itelm
rus oder mit endich. Nim verger und brunrot und enwenig paris
rot und enwenig bliwis und tp. das wol unter enander und schetwe
daruff mit paris rot do enwenig swartz und enwenig endich under
getempert si.

(76) Hie wil ich leren wi man kürzenlich und ouch gar nützlich alle dinge
vergülden und versilbern sol schön und ouch glantz und zu dem
ersten wie man sol machen ein edel gold l61 varwe dar uff man gold

155 gleich gestaltet seien.

156 Sic in Ms.; vielleicht kerper, Körper.

157 Locke.

158 Dunkel Ocker.

159 Mönchskutten.

160 i. e. Mantel mit Kaputze.

181 glas in Ms.; ich lese „Goldfarbe» wie in (77) und (78).

186

Straseburger
Ms.

(172)

und silber leit troken schön vin und glantz und das gold und das
silber niemer ab gat weder von wasser noch von win und war uff
du dise gold varwe strichest, es sey isen l62 oder stahel oder zin oder
bli oder stein oder bein und andere alle gesmide oder tuch oder
zendal und sus 163 ander alle ding do man dise varwe uff strichet.

(77) Nim zwei teil vergers und das dritteil bol armenici und das vierde
teil minien und rib das alles wol under enander uff einen ribstein
mit lin öli und rib es ouch gar wol weder ze dik noch ze dünne als
die andren öli varwen und rib ouch als gros wisses gebeines, das gebrent
si dar under als ein halb boum nus und ouch ein glas kechelin 164
vol der varwen und ouch als vil galicen Steines als des beines is
gesin und wenn dis alles wol geriben ist, so rib ze hindrest in die
varwen ein halb muschal vol virnis in die varwe und zertrib den
virnis gar wol under die varwe und tu die varwe von dem stein gar
in ein rein überlazurt kachlin und nim phlecklin 165 von einer blättern
und schnid das phlecklin sinwel das es kome über das kechelin und
bestrich des phlecklin zu einer sitten gar wol mit öle und das phlecklin
leg oben an uff die varwe so hast du ein edel gut gold varwe dar
uff man gold und silber leit das es sinen schin und sin glantz nietner
verlürt, das phlecklin sol man alle wegen sunder über die varwe
legen so wachset kein hut J0G über die gold varwe und also sol du
allen andern öli varwen tun so belibent si lang lind und werdent nüt
balde hert.

(78) Hie lere ich wie man uff dise goldvarwe vergülden sol, zu dem ersten
wiltu uff holtz oder uff tuch oder uff zendel vergülden so überstrich
das holtz vorhin mit frischem lime zwürent oder dristund, das das
holtz getränkt werde und tu den anderen ouch also und wenn
der lim truken wird uff dem holtz oder uff dem tuch oder uff dem
lein so strich die gold varw über den lym mit einem weichen bürste
bensei und strich die varwe glich und dünne uff und las die gold
varwe troken werden und ouch nüt ze gar und griff mit dem finger
uff die varwe und ist die varwe troken und ouch glantz und hafftet dir
der finger enwenig in der varwe so ist si in rechter mos 167 ze ver-
gülden, so schnide din gold oder din silber und lege das ordenlich
uff noch enander wo die varwe si und truke des gold senfticlichen nider
mit boum wollen uff die varwe untz das es alles gar verleit 168 wirt mit
gokle oder mit silber und dar nach so ribe das gold überall mit wullo
so vart das gold abe wo die varwe nit enist 169 . Und belibet das
gold vast wo dis varwe hingestriohen wird. Hie merk isen zin bli
und alle andri herti gesmide und bein und söliche 170 herti ding, die
bedarfent nüt das man si vorhin mit lym überstriche wenn allein
holtz und tuch, aber uff steinen und uff muren die sol man vor mit
öli trenken e man die goldvar uff strichet und zu glicherwise als hie
vor gelert ist, also sol man ouch andri ding übergülden m .

(79) Hie wil ich leren gut virnis machen von drierley materiell do usser
ieder raaterie sonderlich ein gut edler virnis. Zu dem ersten nim
des gemeinen virnis glas ein phunt gewogen oder mastik ein lib. und
stosse der eins weders zu wilt in einen reinen mürsel ze bulver und
nim darzu drie phund lin ölis oder hanfölis oder alt nus öli und las

62 Eisen.

03 sus = sonst.

glasierter Topf.
95 Kl. Stück.
6B Haut.
07 richtige Zeit.

68 bedeckt.

69 der Vergolder nennt das „abkehren».

70 solche.

71 Das beschriebene Verfahren ist die Oel- oder Mattvergoldung.

— 187 –

das Süden in einem reinen lcesselin und schuin das tili und hüt vor Strassinirger
allen dingen, das es mit überloiill’e und wen das erwallen ist und
geschumet ist, so rer das vernis bulver langsam nach einander in
das heis öli so zergat das bulver in dem ölin und wenn das bulver
gar zergangen ist, so las den virnis sieden gar senfteolioh mit kleiner (173)
hitze und rur den vernis ie zu stunt 178 das es nüt an brünne und
wenne du siebest das der vernis gerötet 173 dickelicht werden als zer-
lossen bonig so nim ein tropb. des vernis uff ein raesser (lömel 174 )
und las den tropb en wenig kalt werden und griff mit einem finger
uff den tropb, zücb den finger langsam uff und lat der virnis fedem-
lin 175 mit dem finger uff ziehen so ist der vernis und oueb wohl ge-
sotten und lat er aber das fademes nüt, so süde in Das untz er den
faden wol gewinnet und stell in von dem füre und las in erkülen
und seioh denn den vernis dur ein stark linin tüchlin und ringe den
virnis gar dur das tueb in ein rein glazürt bafen und behelt den
vernis wol bedeket untz man sin bedarff so bastu edelen luteren
vernis den besten.

(80) Wiltu aber ein andren guten virnis machen der luter und glantz ist
als ein cristalle so nim gloriat 176 in der appenteken 1 phunt und
zwürent als vil ölis und las das ouch under enander sieden und tu
im mit allen dingen als dem ersten 177 und wenne er ouch einen faden
gewinnet als der este so ist er ouch genug gesotten und ist ouch
gerecht.

(81) Nim alt banf öli und mach es heiss und sebum es und nim (bimses 178 )
und als vil gebrentes beines eines alten knorren 179 und leg es dar in
und süd es under enander und schum es recht wol und setz es zwen
tag an ein sunnen. Wiltu in aber stark, so nim vier lot mastik und
stos es ze bulver oder 6 lot terpentinum und wenn das öli siedendig
heisse si, so soltu es dar in reren und rur es vast untz es gerat . . . , 180
zech werden als ein faden: also ist es bereit.

(82) Wiltu durschinig bermit machen, so nim ein mitel 181 bermit hut und
wesoh si us (in) luterm wasser oder in andrin wassern untz das nüt
me trüb davon gang und streiffe es denn durch die hend. Wiltu es
denn grün haben so nim spangrün und rib es mit starkem essieb und
tu es in ein kuphrin geschirr und las es über nacht stau und seig
das oben ab in ein ander geschirr das ouch kuphrin si und tu das
dristund oder vierstund 182 und nim denn das berment und leg es dar
in ein klein weile und spann es denn an ein ramen und überstrich
es mit virnis so ist es bereit. 183

(83) Wiltu spangrün machen oder tpier. so nim spangrün und rib denn
den mit starkem essich und stoss es ze hüffelin und wenn es troken
wirt so güs essich dar uff und das als dik untz das es satt genug
werde.

(84) Folgt ein artikel wie man pappier machen sol noch besser den es an
im selber ist; sodann wirt gesagt wie man alles gestoin schön und

172 allemal (jedesmal, wenn es notwendig ist).
178 anfängt.

174 Messerklinge, vergl. die Parallelstelle bei Theoph. XXL

175 Fädchen.

176 Terpentin oder Terpentinöl? s. oben S. 159.

177 mit allen Dingen wie zuvor, d. h. mit Mastix oder Bernsteinpulver zusammen
sieden; so ergänzt Boltz S. 8 dieses gleiche Rezept mit „Mastix und gebrennt Bein».

178 Lücke in Ms.; ich ergänze mit Bimsstein, nach (69) von der Bereitung
des Oeles.

179 Knochen.

180 bis es anfängt zäh zu werden.

181 mittelstark.

182 drei- oder viermal.

188 Vergl. auch (30), Boltz, S. 62.

— 188 —

Str * 3 M Urßer glänz bolieren kann, wie man gestein weich machen kann das man

si schnidet, wie man agstein m macht der alle ding tut als ein ander
agstein, wie man ein andren klugen agstein sol machen, wie man
schön fin helfenbein inachen sol das glänz ist und das schöner und
wisser ist denn alles helfenbein.

(85) Wiltu machen einen virnis damit man alle ding virnisse sol die schön
und glantz und fest belibent, so nim 2 eiger clor oder 3 als vil du
wilt und klopphe die clor wol und wirff den schum abe, darnach (nim)
ein lot gumi arab. das luter si und 1 lot gumi arnigdalar. oder
cerasar. 185 das ist besser; das luter diser 2 gumi sol man under

(179) enander riben und sol sie legen in das vorgn. eiger clor und las es

über nacht stan ze weich, und zertrieb es wohl under enander und
müsche dar under en muschal vol honges, das sol man alles under
enander wol zertriben und gehalt es in ein glas wol bedeken bis
man sin bedarff. Was varwe mau mit disem virnis überstrichet, die
wirt glantz schön luter ewenklich 180 ; diser virnis sol in der diki sin
als ein zerlossen honig und trukenet ouch balde.

(86) Wiltu aber varwen temperieren so tu ein eiger schal vol essichs
darunder und so es ze dike si, müsche es mit luterm wasser und tu
es in ein glas und sich es vorhin durch ein tuch.

(87) Wiltu vin gold varwe machen die von keiner füchtigkeit niemer ab
gat und ist gut uff isen uff stahel uff zin uff bli uff alle ding, so nim
zwei teil vergers und das dritteil minien und das vierde teil bolum
armenum und als vil wisses gebrentes beines und als ein haselnus
galicensteines, die varwe sol man under enander riben und linsat öli
und 5 troph virnis und truk das dur ein tüchlin gar wol und wenn
du si uffstrichest, so las si troken werden das sie enwenig fücht si
und sol denn in der diki sin als honig: die ist die beste gold varwe
die sin mag.

Ein ander gold varwe, so nim Aleo paticum und Opoponacura 187
beider glich als vil du wilt und leg das in ein überlazurt kechelin
und güs luter essich dar über eines fingers dik und las das ein tag
und ein nacht stan und güs denn das obreste safft oben ab uff ein
rib stein und tu dar under als ein haselnus gumi armoniacum und als
ein erwis bol armenici und ein muschal vol honges und rib das wol
under enander und in der diki als ein zerlossen honig und tp. des
mit itehn gumi wasser und müsch darunder vier troph Speichel : also
ist si bereit.

(88) Wiltu aber ein ander gold varwe machen damit man mag silber zin
bli vergülden — wo man si dar über strichet so schinet sie als vin
gold — dise varwe mache alsus: zu dem ersten nim aber virnis glas
(oder mastik als vil) 188 und stos das zu bulver und ruters durch ein
sib und ein phunt ölis und las das Öli vorhin erwallen und schum es
und rer das vernis bulver langsam in das heiss öli und rur es under

184 ag(et)stein bedeutet gewöhnlich Bernstein.

186 Gummi amygdal. = Mandelbaumgumi, vielleicht ist gemandelter Gummi
(Benzoe) gemeint. G. cerasar. = Kirschbaumgummi.

186 ewiglich.

187 Die Worte sind im Ms. gänzlich verdorben; offenbar werden einige der von
Boltz, S. 12 genannten 6 Goldgrundtgummi gemeint sein; diese sind Gummi Serapinum,
Armoniacum, Galbanum, Opoponacum, Aleopaticum, Asa fedita; sie in Ms.: also
epaticum, also titaclonceni. Nach Königs Waarenlexikon (München 1897) sind diese
Gummi-Harze gelb oder bräunlich gefärbt, jetzt wenig in Anwendung:

1) G. Serapinum, der erhärtete Milchsaft des Steckenkrautes (Ferula persica).

2) G. Ammoniacum, Gummiharz der Dorema.

3) G. Galbanum, Galbangummi (Ferula galbaniflua), Persien.

4) G. Opoponacum aus der syrischen Pflanze Pastinaca Opopon.

5) Aloe hepatica.

6) Asa foetida, stinkender Asand oderTeufelsdreck(Ferula asa foetida), Persien.

188 Sic in Ms.

— 189 —

enander untz das vernis glas wel zergangen si und las es denn wol straasburger

senftecliche Süden aue grosse hitze und rur es je bi der wile, das es

nüt anbrunne und wenne es gerötet dikilecht werden, so nim 4 lot

plc. goetum 189 oder als viel aleo atustrinum (?) oder als vil aleo

tabellinum (?), weders du do nimst 4 lot zu 4 phunt virnis das verwet

den virnis das es schön gold varw wirt und diser droyer eins soltn

nemen und solt es zu kleinen stükelin zerslagen und leg das in den

virnis und rur es wol under enander. nutz das die varwe wol unter

dem virnis zergangen si und dar nach so versuch die gold varwe ze

glieherwise als den vernis und siech ob es einen (faden) lot uff ziechen :

so ist si wol gesotten und ist ouch gut und gerecht an allen dingen

und dise varwe gilt 1 lot 3 . . . und dise varwe sol man rein behalten

als den virnis und was man mit diser varwe überstrichet es si silber

zin oder bli das wirt schön vin gold var; das sol man an der sunne

lan wol troken werden, so ist es schön clor und ouch glantz und

mag im kein wasser nüt geschaden.

(89) Es folgt hier nun wie man sol silber und gold uff legen trocken und (175)
nas und was die aller besten sin uif berment uff pappier uff aller
tafelen ec, wie man guld ufflegen sol an allen grund; wie man ein

gut assis machen sol zu golde und zu silber das niemer geschrindet
noch gebrichet; wie man sul uff bermet schön erhaben gold machen;
uff was materien man gold vnd silber legen mag.
Aber ein schön rotelecht varwe die vil (schöner) noch ist geschaffen
als persilien varw, man findet ein krut an vil stetten in etlichen garten
und das selbe krut het vil rotter bletter und sint in ouch die Stengel
rot und heisset blut krut 190 und der des selbes krutes etwie vil ge-
winnet und so es wol zitig ist, das ist so es all ze mal itel rot ist
die bletter und ouch die Stengel und so ist es an dem besten und
het vil schöner roter varwe und die bletter sol man alle ab dem
Stengel brechen und sol sie wol stossen und sol das rot saft ouch
dur ein tuch gar us ringen und ouch gebulwerten ahm dar in reren
und reine wissi tüchlin in die varwe truken zwürent nach enander
und tu in aller der wis als dem violvar und das ist ouch schön
und vin.

(90) Es folgt: wie man brun rotte varwe machen (sol) um mit ze verwen
uff leder und uff linin ec; wie man schön violvarw verwen kann garn
und linis und ouoh uff leder; wie man schön vin grün bekommt um
ze verwen; wie man sol hörn weich machen das man dar us würket
was man wil und ouch giesset in ein ieglich form und es wider hert
wirdet als vor.

189 Die Worte sind im Ms. verschrieben; vielleicht ist hier Pece graecum, griech.
Pech gemeint. Die Aloe gibt ein gelb gefärbtes Harz, wodurch die goldähnliche Wir-
kung erzielt wird.

1,0 Welche Pflanze der Autor meint, ist fraglich.

Strassburger
Ms.

190 —

(176) Kapitel -Index zum Strassb. Ms.

I. Teil: Dis ist von varwen, die mich lert Heinrich von lübegge.

1. Lazur machen.

2. Grün machen.

3. Zinober fempereren.

4. Lazur flössen.

5. Zinober tempereren zu floriren.

6. Lazur tempereren.

7. Floritur des lazures.

8. Gele varwe von opiment.

9. Roselin von grund uff.

10. Lazur tpieren, daz es us der tedren gat.

1 1. Vin grün temp.

12. Ruberik machen (zinober).

13. Fundament daruff man silber und golt

leit.

14. Item (trucken uff ze legen).

15. Assis (mit heideschen Ziegel).

II. Teil: Dis lert mich Meister Andres von Colmar

16. Grund machen ze übergüldeu.

17. Uff fin gold florieren.

18. Item (mit Fischgallen).

19. Guldin geschrifffc.

20. Silbrin geschrifft.

21. Dritte art von gold und silberschrift.

22. Item.

23. Wasser, alle varwen zu temp.

24. Item (ein ander wasser).

25. Tüchleiu varwe machen.

26. Violvarw tüchlin machen.

27. Brunblau tüchlin varw.

28. Roselin varw machen.

29. Schön fin parisrot.

30. Bermit durlüchtig machen.

31. Violvarw tüchlin.

32. Tüchlin blau (nach lampten sitten).

33. Blauen Faden verwen.

34. Schwarze tinten.

35. Blaw varw (aus Kornblumen).

36 — 43. Seifen, Ilorn giessen und färben,

Zauberspiegel etc.
44, Fin lazur als man über mer macht.
45—48. Schönheitsmittel etc.

III. Teil.

49. Dis büchlin lert etc. 69.

50. Zwei edli guti wasser (zum tem- 70.

perieren). 71.

51. Durschinig varwen, grün. 72.

52. Durschinig rot machen. 73.

53. Violvarw machen. 7-1.

54. Ander violvarw. 75.

55. Schön purpur zu gewendelin. 76.

56. Gelwe durschinig varwe temp. 77.

57. Schön durschinig gel varwe machen. 78.

58. Erbsei gel varwe. 79.

59. Durschinig harvarwe machen. 80.
59a. Zinober tp. ze schriben und florieren. 81.

60. Blau tinten tp. 82.
60a. Fortsetzung von 59 (harvarwen). 83.

61. Gelütert rus machen. 84.

62. Liecht grüne varw (Mischungen). 85.

63. Liecht rouselin varw. 86.

64. Schön gold blumen machen. 87.

65. Schön grün varwe machen. 88.

66. Violvarw machen. 89.

67. Wiltu 8i aber blau habu.

68. Wie man alle varwen mit lim tp. sol. 90.

Wie man alle oule varwen tp. sol.

Item. (Anzahl der Farben.)

Item. (Mischung der Farben.

Item.

Varwe ze grünen gewande.

Libvarw machen.

Graue varwe.

Alle dinge vergülden und versilbern.

Item (goldvarwe).

Uff dise goldvarwe vergülden.

Gut virnis machen.

Andren guten virnis machen.

Item.

Durschinig bermit machen.

Spangrün machen oder tp.

Folgt ein artikel, pappir etc.

Virnis damit man alle ding virnisse.

(Damit) varwen temperieren.

Vin gold varwe macheu.

Ander gold varwe.

Es folgt wie man sol silber und gold

ufflegen u. s. w.
Item (Angaben von Ueberschrifteu.)

191 —

III. Note zu einigen deutschen Mss. aus dem XV. Jh. über Maltechnik

Wer sich die Mühe gäbe, in den alten Rezepten-Büchern Umschau zu (177)
halten, würde manches finden, das über das Technische des Strassb. Ms.
weiteren Auischluss geben könnte. Bei dem wenigen, was mir in der Absicht,
die gleichzeitigen Quellen für das Ms. nachzuweisen, in dieser Richtung zu
vergleichen möglich war, habe ich eine grosse Menge von interessanten
Details gefunden, die hier anzufügen, sehr verlockend wäre, aber den Umfang
des Heftes über Gebühr vergrössern würde.

Von dem Heidelberger Ms. Nr. 295 (Pal. germ. 638) ist bereits oben Heid ^’ 8 ergor
in der Note (S. IUI) einiges erwähnt.

Ein zweites Ms. der gleichen Bibliothek Nr. 309 (Pal. germ. 676) ent-
hält von S. 55—62 inkl. eine Reihe von Rezepten und Anweisungen für
Malerei, die mehrfache Anklänge an das Strassb. Ms. zeigen. Die Handschrift
ist einem Bande, der die Schwäbische Chronik, Kochrezepte und anderes ent-
hält, beigebunden. Anfang und Ende fehlen; S. 55 beginnt: . . „in ein
schisselin vnd tu es denn in ein creiden, die ein grüblein hab so zeucht die
greid das wasser an sich vnd beleibt das lauter brawn» usw. Es handelt
sich um eine Farbenbereitung aus Pfianzensäften. Auch weitere Rezepte be-
handeln dasselbe Thema, wie die Pnanzenfarbstoffe mit Alaun zu bereiten und
mit Eierklar zu temperieren sind; dann sind Angaben, wie man harvarb, leib-
varb machen sol, den Goldgrund (assis), Musiergrund bereiten, Gold- und
Silberschrift, Anweisungen, die inhaltlich mit den gleichen des Strassb. Ms.
übereinstimmen; einzelne sind sogar fast wörtlich gleich, so z. B. S. 60:
„Wiltu machen ein röslin von grund uff», das mit Rez. 9 des Strassb. Ms.
identisch ist. Die Angaben über Goldgrund und Musieren sind hier noch viel-
artiger als im Strassb. Ms. einzelne deuten auf noch ältere Tradition und Zu-
sammenhang mit anderen Quellen (vgl. Lib. sacerd. S. 66 Note 2).

Zum Anreiben der Farben wird ein „clares leimlin aus hausen plaasen»
genommen, was auf ältere Anweisungen des XU. und XIII. Jhr. hinweist.
Die Sorgfalt auf die Gold- und Musiergründe, für Planiergold, von „assis der
nit schrint» drückt sich schon darin aus, däss auf den wenigen Blättern
14 Angaben darüber enthalten sind. Alle Angaben sind den ersten beiden
Teilen des Strassb. Ms. mehr verwandt als dem dritten; es sind ausschliess-
lich Rezepte des Illuminierers, denn weder Oelfarbe noch Goldfarbe ist genannt.
Der Knoblauchsaft zur Vergoldung, der in den byzantinischen Rezepten eine
Rolle spielt, ist hier nebst anderen Gummiarten erwähnt, die schon in Mappae
clavicula vorkommen. *)

1 In anderen Mss. der Heidelberger Bibliothek sind nach Bartsch (d. altdeutsch.
Hds. u. Universit.-Bibl. Heidelb. 1887) noch Rezepte für Farben und Malerei enthalten:

116. Pal. germ. 211. Rossarzeneibuch XV. Jh.
S. 37 c bis 42 a Farbenrezepte.

117. Pa. germ. 212. XVI. Jh.
S. 79b Farbenrezepte.

277. Pal. germ. 558. XV. Jh.

S. 148b bis 151a von Bereitung der Farben.

ilhimiuistarius

— 192 —

(178) In der Münchener Bibliothek sind zwei Handschriften des XV. Jhr.,

die aus dem Kloster Tegernsee stammen, besonders nennenswert. Die eine,
Lip e / . Liber illuministarius (cod. germ, 821) auf Papier in klein 8°, enthält auf
250 doppelseitig geschriebenen Blättern eine Unmenge von Rezepten und An-
weisungen für Buchmalerei und Malen überhaupt, teils in lateinischer, teils in
deutscher Sprache. Die Schrift wechselt sehr oft, demnach scheint eine ganze
Reihe von Schreibern Eintragungen gemacht zu haben; erst zum Schluss
finden sich zeitliche Angaben; S. 206 datiert eine Anweisung 1503 von Wolf-
gang, S. 228a ist ein Goldgrund von Joh. Höflin von Augsburg 1508 an-
gegeben.

Das Ms. ist nicht unbekannt; Rockinger (Zum bayerischen Schrift-
wesen des Mittelalters, München 1872) hat vielfache Anweisungen daraus ent-
nommen. Ein Kapitel (S. 139: Theophilus in breviloquio diversarum artium)
hat II g (Theophilus Ed. S. 370) zum Abdruck gebracht.

Inhaltlich haben für uns die deutsch geschriebenen Anweisungen des-
halb mehr Interesse, weil wir unser Strassb. Ms. stets im Auge haben, mit
dem wir die Rezepte vergleichen wollten, und tatsächlich sind hier vielfache
Wiederholungen, Zusätze und Ergänzungen, aber nirgends dieselben
Reihenfolgen zu finden.

Schon die losen Blätter, die vorne in dem Bande liegen, enthalten, eng
geschrieben eine Reihe von Anweisungen für Fundamente, Assis, uff golt
florieren, und zu musieren, Angaben, die sich in endlosen Reihen, immer wieder
variiert und vermehrt, in allen Partien des Buches, deutsch und lateinisch finden.

Fast wörtlich sind manche Rezepte denen des Strassb. Ms. gleich, es
haben demnach beide Mss. vermutlich aus gleicher Quelle geschöpft; einige
seien hier herausgehoben:

S. 18a- 19. Rosel varb auf golt (Str. Ms. 28).

S. 21. de aqua. Gummi arab. wird in ein leinen Tuch gelegt, zu Pulver
geschlagen und mit „ain settich weiss mirrhe dy lauter sey» gemischt (Str.
Ms. 23).

de alia: Geschlagenes Eierklar mit Essig und dazu „sal armon, als
ein erbis» (Str. Ms. 24).

S. 22—24. Blaue und grüne Tinten (Str. Ms. 11).

S. 26. Ruberikfarbe von Zinnober (Str. Ms. 12).

S. 27a. Parisrot (Str. Ms. 29).

S. 31a. Veyol varb, aus Blättern der körn plumen (Str. Ms. 25); S. 32
praun blabe tüchl varb, aus heidelper (Str. Ms. 27).

Durchleichtig golt varb (S. 20), harvarb (S. 25), Tinten und manches
andere ist dem Strassb. Ms. sehr verwandt, das „wasser der fügend» er-
scheint hier jedoch unier dem Titel „Jungfernmilch» (lac virginum quomodo
fit, S. 35).

Ein Rezept (S. 33) ist deshalb interessant, weil es die Angaben Cenninis
(K. 8) von den mit Pergament bespannten Täfelchen, auf welchen mit Stilen
von Blei, Zinn, Kupfer oder Silber gezeichnet wird, in lat. Version bringt.

Es folgen dann allerlei Rezepte für Metallarbeit, Löten und Schmelzen,
eine eigene Abhandlung über Mathematik (S. 60—87, Algorismus de integris)
und dann werden die Anweisungen für Malerei wieder fortgesetzt.

Es werden Farbmischungen für Fleisch der Lebenden und Toten, Stein,
Wasser, Bäume beschrieben, dazwischen finden sich immer wieder neue Rezepte

290. Pal. germ. 620. XV. Jh.

S. 56 a bis 74 a Bereitung von Farben und vom Färben.
S. 104a (andere Hand) Bereitung von Farben.
311. Pal. gorm. 678. XV. Jh.
S. 27 a Goltfar schrifft.
S. 48 a ut schribas aurum de penna (lat.).
Farbenrezepte aus einem Ms. des XII. od. XIII. Jh. v. St. Peter in Salzburg
sind beschrieben von Westenrieder, Beiträge z. vaterländ. Historie VI. S. 204 u. 205;
Günthner, Geschichte der literar. Anstalten in Bayern I. S. 398 u. 399.

— 193 —

für Gold und Silberfundamente, z. B. S. 89 „Grünt für Gold: Crida (Kreide) Lib g^ , r l i l ™ ini »
trita 1 lot, polu. armen. 1 quentit, zucker Candi, 1 quent. fei bovinum
(Ochsengalle), Bitumen darum (i. e. Fischleim)», dann Verschiedenes über
Farben, farbiges Wachs zu machen, Tinten usw.

Bis hierher unterscheidet sich die Handschrift inhaltlich durch nichts von
anderen ähnlichen; aber mit S. 100 — 110a tritt eine andere Hand, ein
anderes Konzept auf, von dem vorigen ganz und gar verschieden, clor Rezepten- (179)
stil wird mit einem Male verlassen und aus den Anweisungen wird ein Lehr-
buch, das, so wenig es auch enthält, doch an Cenninis Trattato erinnert, auch
inhaltlich ; denn es werden Verzierungsarten (mit Staniol und dem Model) be-
schrieben, die ausser bei Cennini nirgends sich finden.

Angaben, Tafel und Leinwand zuzubereiten, die wir im Strassb. Ms. ver-
gebens suchten, sind hier mit aller Ausführlichkeit vorhanden, so dass es wie
eine Ergänzung des Strassb. Ms. erscheint und deshalb hier ungekürzt zum
Abdruck gebracht werden soll:

Lib. illuministarius (cod. germ. 821, Tegernsee attinot S. 100 — 108).
Item zu vergulden auff holtz.

Nym die tafel oder das pild oder was du sonst von holtz vergülden
wilt vnd lueg ob es nest (Aeste) hab oder pech clumsen. Die scherst
her auss vnd leym ander holtz hinein. Darnach wo es klayne grüb-
leich (Grübchen) hab oder clumsen, die fül auss also: Nim loe von
einem leder vnd misch ein wenig mel (Mehl) darein vnd ruers an mit
ainem sauber holtz leim (Knochenleim?) vnd thue darnach ein wenig
varben leim darein, und fül die gruebel vnd dy clumpsel do mit aus
vnd las trucken werden.

Item den varb leim mach also: Nim die absohnitz von einem per-
(gament)ler und leg die in einem haffen wol halbu (halbvoll) vnd geuess
in vol wasser vnd lass in sieden pis im erweichen band ein stund.
Darnach seich in durch ein sak oder durch ein tuch oder lass in sten
en halbe ora vnd schaim in dann oben ab mit einem sak. Darnach
lass in aber en halbe ora sten vnd geuss den das guet ab vnd behald
das vnd nutz, vnd wen er als lang staend, das er anhueb (anfängt)
ze faulln, so sewd (siede) in mer so wird er wider frisch.
Darnach vergüit also.

Item nim das bereit holtz es sey was es dann sey vnd leimtrenks
zwe malen oder mer vnd tu das also : Nim den varb leim vnd mach
in gar heyss vnd das holtz mach auch warme vnd streuen dann den
leim an mit der handt oder mit den pensei vnd thue das behendt
albegen (allerwärts). Darnach las das wol trucken werden, darnach
streich den leim aber an nit als hais als zu dem ersten vnd lass es
aber (wieder) trucknen vnd das thue als offt pis das holtz ein wenig
gleissend werd vnd den leym mach albeg ein wenig kalter. Darnach
nim kreydn vnd reib sy mit varb leim gar wol vnd nim ein grossen
tegel vnd thue die kreydn dar ein und geuss vil leim wasser daran,
dass es gar ein düns (dünnes) weyss ward, vnd der tegl mit dem wasser
sol albegen (stets) in einem warmen wasser sten. Darnach trag das
weyss auf zu dem ersten mit der handt. Dernach nim ein porst
(Borsten) pensei, der sawber sey vnd oben wol zugesniten, das er
kain har lass vnd stoss den in das weyss, vnd nim nit vil in den pensei
vnd dupplir auf der tafel hin und her da mit, vnd das thue albegen
behendt vnd wenn du das ganz über weist hast zu dem ersten, so
lass es darnach drucken von im selber vnd sol nit ganz hert werden
sondern nur kaum drucken; auch sol dy Stadt (VTerkstätte), dadrin
du das druckent nit zehais sein, sunder nur ein wenig warm. Dar-
nach nim der geriben creydn vnd thue im wenig in das erst weyss
vnd mach es dioker ein wenig, vnd trag das auf vnd lass es drucken
werden als vor, vnd der ze sex malen, nur das du das weyss albeg

13

— 194 —

Lib. iiiumini- dicker maohest, also das es zu dem lezsten chaum (kaum) durch den

pensei gang, auch albegn trag man das auff mit dem pensei vnd nit
mit der handt, nuer (nur) des ersten mals vnd zu den lezsten lass
das gar wol abdrucken vnd schab es dann, das es eben werd mit
ander schab, trucken oder mit einen wolschneydind messer. Darnach
reib es mit schafftlhalm gar subtil vnd nit lang an jeder stat. Dar-
nach nim praunrott vnd reib das mit wasser gar wol, wann (i. e. denn)
man mag das nit zefast reiben vnd temperirs an mit wasser vnd gar
mit einem trucken leinöl. Darnach nim ein padschwam vnd netz in
gar wol vnd truck das wasser wol wider auss vnd nim denn ein
wenig praunrot an den padschwam vnd trags damit auf an die stat,
dadran du dan vergulden wild, das das weyss ein rodt werdt, wann
(180) (aber) du solt das gar dien auftragen vnd an einer stat als vil als

an der andern vnd lass darnach truckn werden und reibs wol zu dem
ersten mit der hand, vnd merk das die hand nit smalzig noch kottig
seyn, darnach mit einem säubern leinen tuech, zu dem wetz in (wetze
ihn) mit dem zan mach das gleissend vnd merk, dass du nit ze lang
an ein statt polirest, dass der grundt nit ze heiss werd, sundern planir
ein weil an einer stat darnach an der andern, darnach an der an dritten
vnd far darnach wider an die ersten statt; also tu im auch mit dem
schafftlhalm. Darnach nim ein saubers häffel vnd geuss ein trupfen
(Tropfen) wassers dadrein vnd als vil varb leim als ein halber (die
Hälfte). Dann den lass vor zergen (zergehen) vnd schut in in das

Wasser vnd nim ain 2 als man da zach wein mit mar

machst vnd ruers es als lang pis es sich wol vermisch vnd bedarff
das wasser nit warme. Darnach seich es durch en tuech vnd streich
es den auf zwir mit einem grossen har pensei das es wol nass werd
vnd scheuss das gold darauf ab dem papier vnd plas (blase) es hin
und lass truckn gar wol vnd planirs dann mit ainen zand (Zahn) vnd
wo es flecket ist so streich das obgenant wasser nur ain wenig darauf
vnd trag das golt auf mit der paumwol vnd wen es trucken sey so
palirs.

Item dem Silber grundt tu auch also in aller mass nur das pulment
von den praunrot lass unterwegen, vnd wen du den grund geriben
hast mit dem schafftelhalm, reib es dan mit dem tuch und palirs mit
dem zand vnd netz mit dem wasser und trag das silber auf, als das golt.

Item wenn (du) ein tail an ein tafel vergulden wildt vnd den andern
nit so reiss 3 voraus und trag den das praunrodt darnaoh auff.

Von dem Stanniol.

Nym das Stanniol vnd e du das stempfs (stampfest) so berait ain
weyss also: reib kreyden, vnd pech dadrein als vil das man das wol
darauss smek vnd reib das in leimwasser vnd mach das gar dick vnd
tu das in ein tegl vnd leg ein nass tüchlin dadrüber das es nit hart
wird, und nim dann den model der auss geraist sey, vnd nim das
staniol als vil du wilt vnd legs auf den model vnd schmer das gülden
ein (schmier es gut ein) vnd über fars mit einem nassen padswam.
darnach mach ein puschel aus werck (Werg) vnd netz das gar wol
vnd nyras bei ainem zipfel vnd heb es auf das Stanniol vnd schlag
auf das werck mit ein klein schlegel das das Stanniol wol in den model
kom vnd wenn du das werck auf hebst, so greiff mit ainen vinger
auf das Stanniol, das du das mit aufzüchst vnd wenn du ain tail ge-
schlagn hast oder gar was auf dem model gewesen ist, so nim denn
ein messer und das obgenant weyss vnd trags mit dem messer auf
vnd far mit dem messer schön darüber her, dass das weyss nur in

2 Lücke im Ms.; es handelt sich um eine Vergoldung, vielleicht ist Fischleim
(Hausonblase) hier einzuschalten?
8 mach die Zeichnung.

— 195 –

die raisel (Vertiefungen) kom. Darnach greiff mit einem messer zwischen ljib g ^ l r l {^ ini »
das model und das Stanniol und heus (blase), gar schön da drauf vud
las es druoknen. und wildu mar haben so mach sein mer pis tu
sein genug hast und wiltu aber das überziehen mit golt (Gold), so tu
das also: mach ein air klar also, ihm das weis vnd den totter vnd
schütt es in ein schüssel und tper. es mit einem holt/, gar wol, dass
es sich wol vermisch. Darnach streich es auf das Stanniol das sol
vor dir ligen vnd streich es als dick auf, das es nit herab mag ge-
rinnen vnd scheuss denn zwischt golt (Rauschgold, unechtes Blatt-
metall) darein wo es geschlagen sei vnd ob es die feldung (Füllung)
auch trifft das schad nit vnd wen dasselbig drucken wird, so nag die
feldung auf. 4

Item die feldung auf das Stanniol magstu machen von leim varl> (181)
oder von öl varb. Item zu roter veldung nim zinober vnd öl, zu
plab (blau) nim ein grün plab oder lasur vnd tempirs mit öl, zu praun
feldung nim ein tunkeis rössl vnd leim wasser, zu grün nim spangrün
vnd öl vnd reibs den gar wol vnd mach in gut dünn, so wird es etwas
durchsichtig

Also nutz das Stanniol.

Item auf tafel oder pild oder auf tuch dy mit leim varb gemacht
sey oder noch blass (blass) sein, so leimt renks oder die tafel dreystund
(dreimal) vnd die tafel oder pild, die geweist sey, die bedarfst du nit
leimtrenken. Darnach nim holtz leim und streich in an das Stanniol
vnd kleib es dann an oder mach ein kleystern von mel vnd darein
ein pulver von pech als vil, dass man das wol smek vnd misch das
untereinander mit einem holzlin vnd streich dann an das Stanniol vnd
kleib es dann an, wo du wild oder auf pild die geweist sind oder an
meir (mäuer) oder an tüchern oder was mit öl gemacht ist, kleib es
also an. Nim die golt varb vnd Streichs an das Stanniol und kleibs
darnach an vnd merk für ain gemeinsame regl: wo du die golt varb
oder ander fuerniss varb oder öl varb auf trogst oder ankleibst, so
öl trencks vorhin mit öl vnd die meier vnd eysen trencks mit Baissen
öl (Beitzenöl), etlich machent zu dem Stanniol ein ander zeug auf
die meir (Mauer) vnd also: nim kaiisch (Kalk) vnd reib den mit öl
vnd mit firniss vnd streychs (streich es) an das Stanniol vnd kleib
es dann an die maur.
Von der golt varb.

Nim oger als ein welschen nuss, minium vnd spangrün jedlich als
ein hasel nuss vnd reibs mit leinöl ab gar dick darnach mach es dünner

mit firniss.

Item wenn du dy goldvarb genug hast, wildu sy lenger behalten, so
thue sy in ein scherbl (Geschirr) vnd geuss wasser darrauf, dy andern
Öl varb macht man auch also.

Wie man musir auf öl varb.

Item wildu musiren oder ain Diadem oder ain illuminatio machen mit
golt oder mit silber auf öl varb so tu das also: Item wenn dy öl varb
getruckent ist vnd du ihm vergulden will an die selben stat (Stelle)
so stupp (stäube) das gemacht sey aus weissen venedigischen glas
vnd gestossen in einem mörser vnd in ein tüchlein gemacht vnd durch
das selbig sol man das auf stren (aufstreuen). Darnach was du ver-
gulden wild oder musiren, das streich aus mit golt varb, wildu aber
musiren so mach sy ganz dünn. Darnach trag das gold auf vnd wen
es t rucken werd, so kehr das stup p wider aber, ethch musiren an

* Vergl. Cennini C. 128 Wie man Reliefs von einer Steinform abnimmt und
wozu es gut ist auf Wand und Tafel. Nach einer Notiz bei loekmger b. 208 (II .42
waren solche Model aus Messing hergestellt; im Jahre 1499 wurden für Benedikt-
beuern 17 „messing illuminier mödl» für 10 Pfg. gekauft.

13*

— 196 —

Lib. iiiumini- das stupp. 5 Ein ander grünt zu musiren. Nim minium vnd reib die

vnder öl, darnach wenn dyn öl varb vor (zuvor) wol trucken ist worden
durch zwen tag, so musire denn mit die minie vnd lass ein wenig
trucken vnd leg das gold dann auf.

Item wenn du die tafel virneust hast, wildu (musiren) so mach ein
patrondl (Patrone) aus pergamen vnd schneid darin ein plümel, rösel
oder stern vnd wenn der furniss über druckent ist doch ein halben
tag, so druck das golt durch dyn patron auf die leysten (Leiste) oder
wo du hin wilt.

Auf meir (Mauer) vnd auf eysen vergild man also: Nim haiss öl
vnd treuck die mauer oder das eysen doch zwirt (zweimal) vnd trag
denn die gold varb auf vnd lass sy ein tag über trucken vnd druck
denn das golt oder silber daran mit ain paumwoll.
Von den Sternen.

Item wildu Sterne auf meir oder tafol machen, die mit leimfarb an-
gestrichen sind, so mach die stern aus papier mit golt überzogen
(182) oder aus Stanniol vnd wenn du die stern hast ausgestochen mit stern

eysen so fass einen an die nadel mit den guldnen oben vnd streich
an den holz leym daran vnd clebs sie dann schön an, wildu aber die
stern erhaben, so schneid dann einen von einen spitz pis in den andern
nit gar durch vnd streich den leim daran vnd cleibs nur mit den spützl
(Spitze d. h. Rand) daran.

Itein wildu ein tuchs als ain himel oder sunst ains vergülden, das

magstu mit der golt varb zu wegen pringen oder mit einem leym der

sauber sey vnd ein hönig darunder, denn (als wie) ein holz leim sei.

Item auf schlecht holtz das geweist ist oder auf pild zu der illumine

tu im als auf dem ersten vnd öltrenks albegn (allwegen) zu der golt färb.

Wie man papir vergilt.

Wildu papir vergulden so reib creyden vnd ein wenig oger darein
vnd gar ein wenig praunrott vnd reib das durch einand mit leym
wasser vnd trag auf also : nim ein schön glatten stain den laim für
dioh (den Leim vor dich gestellt) vnd netz in gar wol und nim ein
pogn papir vnd leg in auf den stain vnd nezt in das nichts drucken
daran pleib, darnach überstreich in allen mit der obgenannt varb,
darnach streich ein fieckl als prait als ain golt tafel ist, zu den ander
mal vnd leg denn das golt darein vnd das tu, pis du gar vergultz
‘ vnd lass das drucken werden vnd palirs dann, etlich nement die
schlechten varb vnd streichent auf das drucken papier vnd nutzent
des stains nit und tragent denn das gold darein als oben ; zu dem
silber grundt nim lautter creyden.

Item wildu ain clains seydens tuchlein vergulden so nim ein leimel vnd

misch hönig darein vnd las vol under einand zergan vnd streich auf vnd

leg das gold behend daran so wirt es sichtig (sichtbar) an paydn seytten.

Item die tafel vnd pild zu öl färben, dy leim trencks II (mal) vnd

weyss IV (mal) als oben vnd schab sy dann eben.

Item zu den leimvarben mach sy auch also.

Item dy quadranten (quadri, Lein Wandbilder?) leimtrencks als lang
pis sy ein wenig gleissen vnd über weyss mit der kreyden IV (mal)
oder mer, darnach dich dünk vnd darnach zwirt mit bley weyss das
mach auch also (wie) die kreydn vnd lass denn wol trucken und
schab sy dann eben vnd nütz sy dann wie du wilt.

Item wenn du ein pild hast vergult, wildu denn das golt praun
machen, so nym paris rot vnd reibs mit öl gar lang vnd wol vnd
streiohs dann darauf.

8 Das Bestäuben mit Firnispulver (venedigisch glas = Sandarakharz) hat den
Zweck, die mit Oelfarben bedeckton Stellen zu schützen, damit die Goldblätter nicht
daran haften, sondern nur an jenen Stellen, welche mit goldvarb (Beize) bestrichen sind.

– 197 —

Zu rott nini zinober, zu blab nim ein geringen lasur, zu grün nim Lib.illumint-
spangrün vnd reib sy al mit öl an.

Item auf ein tafel, die ain teil vergult ist vnd der ander (teil) wirt
mit öl varben, so öl trencks denselben tail und nym:

Von den öl färben.

Item all die nit safft haben, lassen sich vnder öl anreibn vnd solt
sy all besunder reibn zu den malen vnd auf der (e)schin tafel sol
man sy erst mischen. Die öl färb mach domit mach also.

Item etlich öl färb drucken (trocknen) nit gern vnd wildu, so
machstu im also: Nym allaun vnd lass in zergan auf ein glnt als lang
pis sioh das wasser gar verzert, vnd den schäm (Schaum) behalt vnd
(rühre) in vnder dy öl varb, wenn du sy reibst auf dem st ain.

Von die tücher schtercken.

Item ein grobs tuch zu stercken, also nym mel vnd koch das an
mit holzleim vnd sterck do mit vnd lass es drucken, darnach weissens,
wildu dann mit ölfarb darauf malen so öltrencks. Item ist es aber
ain klains härens tuch so leim trencks mit ainem dünnen holtz leim
vnd waissen darnach oder waissen allein vnd leim trencks nit.

Item meir vnd wend (Gemäuer und Wände) weyss mit kalich, den
mach an mit leim wasser.

Wildu ein holz oder ein coupet oder sunst etwas schöngrün värben,
so leimtrenck es vorhin, das es ain wenig gleissend werd. darnach
trag auf ein grün wasser varb. Und wenn sy drucken sey so öl (183)
trenck sy vnd trag dann öl färb dadrauf und lass dan drucken I oder
II tag vnd ferniss denn.

Item etlich tpren dy wasser färb nement pleygel vnd zu der öl färb
lautter spangrün.

Item den andren als plab, rott, thue auch also.
Diese Anweisungen sind in vieler Beziehung von Interesse. Die Technik,
auf Holz zu malen, steht mit dem Strassb. Ms. in Einklang, besonders was
das Malen mit Leimfarben (68 des Ms.) betrifft.

In der letzten Anweisung des Münchener Codex ist die Reihenfolge
der Arbeit zuerst die Leimtränke des Holzes, dann folgt die Wasserfarbe, die
dann mit Oel getränkt und auf welche mit Oelfarben weiter gemalt wird, zum
Schluss die Firnislage. Die Anweisung ergänzt in vieler Beziehung das Strassb.
Ms. ; dort wird die Leimfarbe gleich gefirnisst, hier kommt noch die Oelfarbe
dazwischen vor dem Firnis.

In unserem Münchener Codex folgen auf die obigen Anweisungen noch
Anweisungen, um Pergament durchsichtig zu machen, lateinische Rez. Wachs
zu färben und von anderer Hand geschriebene Anweisungen von allerlei Farben.
Die Firnisrezepte, die im ersten Teil ganz gefehlt haben, stellen sich
jetzt in vielen Varianten ein und zwar sind es zumeist solche, die dem Vernition
des Theophilus verwandt sind.

S. 113a Viernyss zumachen: Rp. 4 lot leynöll, 1 lot vernys glas,

das ist gelber agtstein (Bernstein) und 1 1. mastyks vnd ihu dan das

vürneyss glas vnder den mastiks in ein hafen und thu darauf das

leinöl vndl ass seyden langsam ….

S. 119 a wird ein „guten fürnes zu machen» beschrieben, zu welchen

2 Pfund „venedigisch glas» zu Pulver gestossen in 3 Pfund laulerem Leinöl

heiss gelöst werden.

S. 120 ebenso ein fürnes aus I. lib. fürnesglas und III lib. Leinöl, der
in der von Theoph. K. XXI. 2. Teil beschriebenen Art bereitet wird.

In den weiteren Abschnitten mehren sich die mit dem Strassb.
Ms. übereinstimmenden Anweisungen, sowohl die gleichen Angaben
für die Bereitung von Farben, Goldschrift und Gummi w asser , als auch
die Rez. für Goldgrund und goldvarbe finden sich wieder, manche darunter
fast wörtlioh, so z. B.:

— 198 —

Lib.illumini- S. 128 ein wasser damit man all varb sol tpieren (Strassb. Ms 50).

S. 128 a vern) r s domit du all varb vürnist das schön und glantz
(Strassb. Ms. 84).

S. 129 vein durchleuchting grün (Strassb. Ms. 51).
S. 130 Gold oder silber truckens aufzulegen (Strassb. Ms. 14) und
andere mehr.
Auch das Goldvarb-Rez. (Strassb. Ms. 87), zu welchem als Trocken-
mittel „wisses gebrenntes beines» (weyss geprannts weins) und ein ,,haselnus
galicen Steines (gleyssendes staines) nebst Leinöl genommen wird, ist hier
S. 131 wiederholt.

In einem späteren Rezepte, das auf S. 205 a Firnisbereitung behandelt,
finden wir die Methoden des Bologn. Ms., das Kochen mit Alaunstein (Nr. 207)
und die noch in neueren Büchern erwähnte Kochung mit „hausprot (< ange-
wendet.

Es findet sich darunter ein Rez. um Firnis zu machen aus firnes glas
und Oel, in gleicher Weise wie Theophilus. Das Oel dazu wird auf folgende
Art bereitet:

,,Thue das öll in ain kessel vnd thue IUI snitten hausprot darein
vnd I lot alaun vnd lass das öll sieden piz das prott prawn wirdt, so
schütt das öll in das glaz und rür es wol untereinand und lass es
dann auf(wallen) vnd wonn du sain genug hast so schütt das öll aus
dem kessel vnd thue den firnes darein vnd lass in wol sieden vnd

seich in dann durch einen leynen sack es ist gewöhnlich,

das man dar zu nimbt 4 Ib. glas vnd 8 Ib. öll.»
Aehnlioh haben wir den Knoblauch nebst Alaun im Bologn. Ms. (Nr.
262) dazu verwendet gesehen (s. oben S. 130). Die Methoden breiten sich
auch bis nach Deutschlandaus und sind in alten Rezeptenbüchern aufgenommen.
(184) Wie der Alaun, kommt auch das Bleioxyd (Minium) schon früh als

Trockenmittel in Gebrauch, was schon deshalb interessant ist, weil die Blei-
präparate (Bleiglätte, Bleizucker) durch Jahrhunderte die hauptsächlichsten
Trockenmittel für Malöle geblieben sind.

S. 164 a des Münchener Ms. bringt diesbezügl. ein halb lateinisch und
halb deutsch geschriebenes Rezept über Oelmalerei, das in Uebersetzung
lautet :

,, Oelmalerei macht man so: die Farben, welche in Oel gerieben
und in Wasser aufbewahrt werden, sind: Ockergelb, Berggrün, Pariser-
rot; Bleiweiss, Bleigelb, Zinnober, Minium, Blau, Kesselbraun, Braunrot,
Sohwarz, Violett.
Ockergelb, Grün, Pariserrot, Schwarz, Violett auf Leder (zu verwenden;.

1. Item Mauern oder Holz werden mit Oel getränkt, in welches
man Minium wegen des Trocknens gibt,

2. (damit) werden sie gemischt und nach deren Vermischung

3. sollen alle Farben gleichmässig einmal aufgetragen werden, da-
mit sie leuchten; willst du sie heller haben, nimm Lazulin mit
Bleiweiss gemischt, ebenso alle anderen Farben und lasse sie
trocknen». 6

Die spätere Uebung, Oelfarben unter Wasser aufzubewahren, damit sie
nicht eintrocknen, ist hier, wie bei Gold varb S. lbö, erwähnt; das Tränken
der Mauer mit Oel ist dem Strassb. Ms. (78) gemeinsam (s. S. 186).

8 Pictura olear. sie fit: colores, quae in oleo tergantur ac conservantur in aqua
Ogergel perkgrün parisrot; pleibeis, pleigel, einab., minien, blab, kesselbrauh, praunrot,
niger, violet; Ogergel grün parisrot niger violet cum pelle.

1. Itetn muros vel lignum maditantur cum oleo, que horum fit minium propter
exsiccationem.

2. Conjecturantur, post conjeeturationem

3. omnes colores debent depingi similiter prima vice, ut lucident, si flavum
volueris habere tunc Recipe lazulin cum pleibeis mixtum, sie de aliis coloribus et
permitte siccari.

— 199 —
In einem anderen Ms. der Münohener Bibliothek (Nr. 822, De tempera- Lib.iiiumini-

Bt’iniis

tione coloi’ura) findet sich S. 69a die gleiche Verwendung von Zwiebel zum
Reinigen der Gele zur Beize „vor goldin viul vor silbrin» wie im Bologn. Ms.
und Lib. illuministarius.

Die Rezepte sind hier teils latein, teils deutsch, sie wiederholen die be-
kannten immer wiederkehrenden Fundamente, Assis, Goldschriftrezepte, Farben
und Tinten, es ist aber nur weniges darunter, was besonderer Erwähnung werl
wäre. Die Rezepte finden sich auf S. 64—73 und S. 91 -.102. Ausser dein
schon genannten Rezept ist noch bemerkenswert, dass ein Bindemittel von
Fischleim neben Gummi und Eierklar genannt ist, woraus auf ein höhe
Alter des Ms. zu schliesen wäre. Das Bindemittel führt den Namen „Bitumen»
(wie im Neapeler Ms.).

,,Si vis facere bonum bitumen: Nym die pain (Gräten) von hechten

oder von anderley grossen visch vnd seud die gar wol in wasser und

swed (seihe) das noch (durch) ain lain (leinen) vnd thu darin von

einem hawsen plattern (Hausenblase) als gross als Uli oder V welsch

nuss dem ach tu den laim, als in anderem leym vm seyt.»

Aus Lib. illuminist. seien hier noch einige Rezepte angeroiht, die

sich im letzten Teil des Ms. finden und einen Kaplan aus Trient zum Urheber

haben. Die Einzeichnungen beweisen den regen Verkehr der kunstliebenden

Tegernseer Mönche mit dem Süden, und geben auch ein Bild der Sorgfalt,

mit der ganz besonders die Goldgründe für Miniaturmalerei behandelt zu

werden pflegten.

Sehr einfach ist der Assisgrund auf S. 204a:

„Wild machen ain gold oder silber grundt, so nym ain kreiden als
x /2 pon (Bohne), vnd kandi (Kandis) als j arbes (Erbse), mit gumi
wasser abgeriben.»
Ein ausführliches Rezept findet sich auf S. 228 und 22S a aus dem Jahre
1508 unter der Ueberschrift : Ain grünt zum v er gülden.

„Röcipe kreyden die miltesten (weichste) so du haben magst, die
reib mit lautterem wasser auffs aller reinest, dann so thu darundtor
polum armeni (armen. Bolus) den pesten, das ist der, so du jnn an
die zungen hebst vnd er pald vnd vast an sich zeucht, den selben
reib dann auffs rainest vnder die kreyden, vnd das die kreyden vom (185)
polus gleich ain färb gewinn wie des papier darein man das gold
legt (ebenso wie heutzutage!): darnach reib darunder zuckercandid,
das du der suess am grünt wol befindest, vnd stoss jnn dann jn ein
musohel; vnd so du jnn nutzen wild, so nym mundleim der aus
pergamen gesotten ist, vnd temperier jnn. probier also: streich jnn
an; vnd so er trucken ist, so schab jnn. wann er gewundten spen
(gerundete Späne) gibt, so ist er gerecht, wil er springen, wends mil
zucker; jst er ze schwach, wends mit dem leim; vnd kau nit feien,
doch streich jnn anfangs nit zum dickesten an, sonnder das er bedeck,
vnd fleisz dich gleiohs anstrichs (gleichraässiger Dicke), nit am ain
endt mer dann am anderen, vnd lasz jnn wol trucken worden.»
Der „Mundlei nr’ wird ausser aus Pergamentschnitzeln auch aus Fisch-
blasen bereitet, wie die Anweisung des Kaplans Job. Burger von Trient auf
S. 208a zeigt:

„Den Mundleim mach also. Nim hawsen plater (Hausenblase)
als vil du wild, hat kain masz auf! (sioh), vnd zerreisz zu klain
drümer. legs in ein wasser vnd lasz waiken III, IV oder tag. dar-
nach untz er wol gewaickt ist. vnd wasch die plater wol ausz vil
wasser bisz die drümer lauter vnd weisz werden, so thu es in ein
überglasürts hafeli, vnd gewsz (giesse) wasser darzu als es not
vnd secz (setze) auf ein guete gluet, vnd lasz ein well thuen nit zu
vast. so nymbs herab, doch mach vorhin ein Gabeli subtil, vnd
vmb gibs mit harflachs. vnd gewsz dadurch (als man daii dein wachs
thuet) in ein geschir, Schüssel oder multerlj, vnd lasz es sten als ein

— 200 —

Lib.iüutiiini- sulcz. darnach schneid herausz lang oder kurcz, diok oder dün, leisten,

vnd leg es auff ein stro, vnd lasz dorn (dörren) an dem lufft, vnd nit
an der sun, wan es zergieng wieder. »
Ein Rezept gleicher Herkunft „Zu der veVdung ein goltgrunt ze
machen» lautet auf S. 207 wie folgt:

„Nym kolennische kreyden als vil du wild, vnd reib jr ein teil vast
klein, darnach mach zeltel daraus, als dy maier thund, vnd lasz sy
trucken werden auff einem pappier. darnach nym dij zeltel, vnd
prenn sy in haisser gluet, das sy glüen. so lisch sy von stund in
einem hönig in einer Schüssel oder ander geschirr, vnd schab des
swarcz darnach vnnd vnsawbers davon, vnd reibs mit schlichtem
wasser gleich darauff, aber rainist. vnd mach zeltel daraus wie zuvor,
vnd lass trucken werden, darnach mach nach dem gewicht also:
nym II lot der gepranten kreyden, I lot polliarmenicum des gueten
herten vnd reib die zway stuck wol ab nach dem vnd es dunckt
genueg sein, darnach nym gummj serapini, dy vindt man in der
appotecken, den achtisten tail von einem halben quintel, vnd wirffs
zöttel weisz darejnn. vnd reib die drew wol durcheinander, wann
es ist zäch. wann nu das vast klain vnd rein geriben ist, so nym
dann ein halb quintel zuckercandi darjnn, vnd reibs aber wol für und
für durcheinander, vnd nym darzu kain wasser mer bisz es fest ge-
riben sey vnd dick werden wil. so mach knöllily, vnd trückens wie
vor. so ist der goltgrund berait.»
Auf S. 204a stossen wir unter der Ueberschrift „Vergulden auf papir
oder pergament» auf folgende Anweisung:

„An dem ersten so oberstreichs mit saffran wasser des mit gumi

an sey gemacht, vnd dann den goltgrundt solt du darauf legen, vnd

darnach das golt oder silber nas darauf gelegt, vnd wann trucken

wirdt, so wischs es vnd pranirs (brünier) es ab.»

Auf S. 207a — 208a findet sich folgender ^Goltgrund» des erwähnten

Kaplans:

„Wenn du wild den Goltgrund aliter machen, so nym mundleym
dar ausz hawsen plater gemacht ist ein achtisten tail von einem
halben quintel, vnd lasz jn waicken jm schlechten wasser bisz er gar
gewaickt ist. so thue das gelb wasser dar von, vnd gewz j quintel
lauter wasser darüber jn ein glasurts tegely. vnd secz es auff ein
(186) lind gluet. doch das er nit seud. so zergat der leym jm tegelj.

vnd rüers mit einem hölczli durcheinander vnd hab vorhin j quintel
des goltgrunts berait auff dem reibstain ein wenig troken zerknüscht.
vnd gewsz des warm leim wassers darauf! halben tail, vnd zertreibs
gar woll auff dem stain. auch nym or smalcz (Ohrenschmalz) darzu
ein wenig, so plätert er nit. (ist auch gut zu der rubricken, wenn
sy plätert.) vnd thue es in ein pleyes hörnlj, vnd geusz dan ain
andern teil des leymwassers darjnn, vnd rüer es wol durcheinander
in dem hörnlj. doch halts warm in der ain hant in der faust. dar-
nach lasz steen j stund oder zwo, so erkalts. darnach erwarmbs
wider by dem vewr oder in der warm faust, vnd Streichs auff lind
vnd wider aynist nachenander, und lasz trucken. wenn es dann
trucken ist, so leg in ein feuchtigkeit, als in keller vnd hab ein
gueten schiferstain, der ist der pest, oder sünst ein glatten stain
darunter dem plat vnd hoch icz (hauche jetzt) mit dem atem darauff
j oder ij oder iij, darnach vnd du siehst feucht ze sein, vnd schabs
mit einem scharffen messer oder scharsach das grob herab i oder ij,
darnach vnd sich gepürt (wann practica wird dich wol lern), vnd
leg das golt mit einem subtilen schneyczerlj (Abschnitzel) von ror
gemacht darauff, vnd druck es gemächlj in grünt bisz es. vach dar-
• nach gleich darauff pollier es vein wol mit einem rosz zand (Ross-
zahn) mit der praitte (Breite), der ist der pest darzu.»

— 201 –

Vielleicht darf hier noch zweier allgemeiner Regeln gedacht werden, die Lib.illumini-
sich unter den Aufzeichnungen vom Jahre 1508 auf S. 228a finden:

„Nota, ein jeder jlluminist hiet sich vor der sonnen vnd vor haissen
stuben mit grünt vnd mit färben. Nota, der grünt sol nicht gleissen
nach dem schaben: vnd zum schaben soltu ein ebens wol sohneidena
(schneidendes) messer haben on all schartten, dann das clanest
schärttel merkt man jm grundt. u
(Die letzten Rezepte finden sich abgedruckt bei Rockinger, II. S. 33 ff.)
So Hesse sich auch aus anderen Manuskripten manches wichtige Detail
entnehmen, das für die Geschichte der Technik interessant ist. Es mögen
hier die obigen Auszüge genügen, denn allzuviel Gleichartiges würde den
Leser nur ermüden. Andererseits sind auch die Schwierigkeiten paläo-
graphischer Natur vielfach derart, dass nur Fachmänner dieselben zu über-
winden imstande wären. Vielleicht unterzieht sich einer oder der andere
Forscher einei* solchen keineswegs dankbaren Aufgabe. Für uns hat es sich
aber ganz deutlich herausgestellt, wie innig verbunden die verschiedenen
Werkstätten in technischen Dingen waren, und wie weit verzweigt das tech-
nische Können im XV. Jh. gewesen sein muss.

202

A n h a n g.

Die sechs Temperaturwasser des Boltz von Rufach.

(187) (Das Interesse für alte Malweisen, welches neuerdings wieder zu wachsen be-

ginnt, veranlasst mich, hier noch die Rezepte für Miniaturmalerei anzureihen, welche
durch Boltz veröffentlicht wurden; dieselben linden sich abgedruckt S. 3 u. ff. der
Ausgabe Frankfurt a. M. 2562; dann in Kunst- und Werkschul, Nürnberg 1707, S. 905;
in Der curiöse Mahler, Dresden und Leipzig, bey Christ. Miethen 1712, S. 275.)

Die erste Gattung.

„Wenn du das erste und beste Temperatur -Wasser wilt machen, so thue ihm
also: Nimm ein Loth Gummi Arabici, und einer halben Baum-Nuss gross Gummi-
Traganti, thue solches in ein sauber Geschirr oder neues Häflein, geuss lauter Brunn-
Wasser darüber zweyer zwerg finger hoch. Lass es also zugedeckt stehen vier Tage
lang, dass es wohl erweiche.

„Darnach nimm ein sauber Höltzlein, und rühr es wol durcheinander, setze es zu
einem kleinen Glütlein, lass es erhitzen, aber nicht sieden. Rührs ohne unterlass,
dass die Klotzen wol zergehen, thu es vom Feuer, lass es erkalten. Nimms und
streich es durch ein sauber leinen Tuch, schütte dann wieder lauter Wasser daran,
dass es dünne werde als Baumöhl. Geuss es in ein sauber Glas, das vermach oben
wohl zu vor Staub. Nimm und mache ein Holzbrechin, wie man den Wein bricht,
und brichs damit alle Tage im Glass, so oft du magst, damit die Matery wohl durch
einander, verjähren, denn Ursach der Gummi -Traganti schwimmet gar gerne empor,
ehe denn er recht verfaulet und veraltet, denn je älter er in dieser Temperatur ist,
je besser er wird. Wenn du dann merkest, dass die Temperatur noch stark und
kleberig ist, so thue allewege mehr lauter Wasser daran. Wenn es denn gar eraltet,
so wird es lauter, und sitzet der Tragant zu Boden. Mit diesem Wasser hab ich
meine Farben gar licht und schön behalten. Denn die Gummi Arabici machen für
sich allein die Farben dunkel und trüb. Darmit temperir deine Farben, und so sie
dir etwan eintrucknen, so mache sie an mit einem lauteren Wasser, sie werden sonst
voa Tragant zu feist. Ob du aber vermerktest, dass die Farbe mit der Zeit niet
wol hafften wolte, alsdenn so giess wieder diese Temperatur daran, so behältestu
schöne Farben.»

Die Ander.

„Nimm Permentleim, der weiss und lieht ist, den findet man bei den Permentern.
Leg einer kalben Nuss gross ungefähr in lauter Brunnwasser, thue daran vier Tropfen
geleutert Honig, lass es also stehen und weichen einen Tag und Nacht. Darnach
thue es in eimsauber kleines Häflein, setze es zum Feuer, lass es sittlich erhitzigen,
aber nicht sieden, giess ziemlich Wasser daran, denn der Permentleim ist gar schützig,
rühr es wohl und viel durcheinander mit einem Stecklein, dass es wol zergehe, setze
es vom Feuer, lass es erkalten, seihe es durch ein Tuch, in ein sauber Glas, thue ein
wenig Rosenwasser daran, und wenn du es brauchen wilt, und gestanden ist, so hebe
das in ein warm Wasser, so lange biss die Temperatur zergehet, denn so brauchs zu
diesen» nachverzeichneten Farben, die mögen den Gummi Arabicum nicht wol dulden,
denn sie blehen sich darob, und gehen nicht von statt, nemlicb, Minien, Bleygelb,
Parisroth, Rauscbgelb, Auripigmentum, Lac, oder Bergrün, sollen mit Permentleim
temperiert werden gar dünn, oder allein mit Eyerklar.»

Die Dritte.

„Gummi Arabicum nimm, der schön und lauter ist, zwei Theil, und Gummi
Cerasorum, das ist Kirschbäumen Hartz, den dritten Theil, giess sauber Brunnen -Wasser
darüber zween zwerch Finger hoch, lass ein Tag uud Nacht stehen. Darnach setz
es zu einem Glutlein, lass es sittlich erwärmen, aber nicht sieden. Rühre es stetig
durcheinander mit einem Stöcklein. Wenn es wohl heiss ist, so hebe es ab, und geuss
einer Bonen gross geleutert Honig daran, und ein wenig Rosenwasser. Wenn es
denn kalt ist worden, so seihe es durch ein rein leinen Tuch, neht zu duck noch zu
dünn, nach dem Augenmass, thue es in ein Gütterlein und brauchs.»

— 203 —

Die Vierdte.

„Gummi Arabicum nimm ein Loth, und zwei Quintloin Gummi Amygdalorum,
das ist Mandelbaum Hartz, geuss darüber lauter Brunnenwasser, lass es stehen vier
Tage. Darnach erwärme es sittlich bey einer Glut, dass sie nicht siede. Rühre es
stetig mit einem sauberen Stöcklein. Seihe es durch oin Tuch in ein Glass, giost; eino
Nussschalc voll Rosswasser darein, und vermache es wo), und brauch also davon.»

Die fünffte Gattung, genandt Albumen. (188)

„Nimm das Weisse von zweyen Eyern, und thue den Vogel draus, und nimm
eine lange Gänss-Feder, spalte den Kengel in viere, dass es werde wie ein Weinbrcch,
geuss das Eyerklar in einen Becher, und brichs mit der Federbreche, biss dass es gar
eitel Schaum wird, und keine Feuchte mehr am Boden soy, lass es denn also stehen
einen Tag und Nacht. Darnach nimm das Wasser vom Schaum, und geuss es über
lautern reinen Gummi Arabicum ein halbes Loth, thue dazu einer Bonen gross ge-
leuterten Honig, giesse einen Löffel voll Rosswasser daran, oder weiss Gilgenwasser.
Das behält das Wasser vor Gostanck. Behalte diss Wasser in einem säubern Glass
wohl vermacht, dass kein Staub darein komme. Rühre es aber mit einem Stöckloin
vorhin, ehe du es in das glass thust, dass die Klotzen wohl zergehen.»

Die sechste Gattung.

Temperatur-Wasser zu allen Farben, dass sie schön und stet bleiben.

„Nimm 2 Loth Gummi Arabicum, ein Loth Gummi Cerasorum, und ein Quintlein
Bitumen (i. e. Fischleim, s. oben S. 199) und ein Quintlein weisse Myrrha, die lauter
sey. Diese vier Stück zerstoss, und geuss darüber ein Viertel einer Mass Wassers.
Lass es also weichen, biss es wohl zergehet, rühre es allemahl wol durcheinander,
thue darunter zwo Eyerschalen voll weissen Essig, setze es zu einer Kohl, lass sitt-
lich erwallen. Hebe es ab und lass es erkalten, seihe es durch ein rein Tuch in ein
Glass, temperire damit was du wilt.»

IV. Teil
Ueb erblick über die Maltechniken

der romanisch-gotischen Periode
bis zur

Neuerung der Van Eyck.

207 —

Ueberblick über die nordischen Techniken

(Romanische und gotische Periode.)

Der Zusammenhang technischer Traditionen innerhalb der mittelalterlichen (191)
Kulturzentren lässt sich, so lückenhaft auch dio Quellen und Ueberreste sein
mögen, doch bis zu einem gewissen Grade feststellen; auch der Weg den
technische Neuerungen genommen haben, ist verfolgbar, wenn die Quellen
nebeneinander gehalten werden. So haben wir die altgriechischen und römischen
Verfahren in dem Papyrus Leyden aus dem III. Jh. unserer Zeitrechnung
wiedergefunden; einzelne dieser Verfahren sind, durch Tradition weitergetragen,
in die Schriften der griechischen Alchimisten des V. bis VI. Jhs. übergegangen
und werden sich in der Prunkepoche der römischen und byzantinischen Kaiser
nur vervollkommnet haben. Ein Teil dieser Rezepte findet sich im Lucca-
Ms. wieder, dessen byzantinischer Ursprung nicht zu leugnen ist; wir haben
gesehen, wie diese Rezeptensammlung in einer Handschrift des XII. Jhs., der
Mappae clavicula, Aufnahme gefunden hat. Auf diese Weise konnte fest-
gestellt werden, dass die technische Ueberlieferung sich dem Wege der grossen
Kulturentwicklung angeschlossen hat, die vom Südosten ausgehend, sich über
das mittlere Europa zur Zeit Karls des Grossen machtvoll ausbreitete. Die
romanische Epoche der Malerei in Gallien und in den nördlichen Ländern sehen
wir auf byzantinischen Grundlagen aufgebaut.

Während durch den Bilderstreit die Entwicklung im Süden ins Stocken
geriet, ging die Ausbreitung der technischen Kenntnisse für Malerei während
der karolingischen Zeit ungemein schnell nach Norden und Nordwesten vor
sich, wobei die Technik zweifellos selbständig immer grössere Portschritte
machte. Nicht nur Karl der Grosse, sondern auch die Bischöfe und
Klöster wetteiferten in der glanzvollen Ausschmückung der profanen und
kirchlichen Bauten mit Figuren und Ornamenten, und die von Byzanz heran-
gezogenen Künstler wurden zu Gründern von Sohulen für die Künste. Ein-
zelne literarische Denkmäler geben uns Kunde davon:

„So sagt Buun, der unter dem Namen Candidus die Thaten seines Abtes a? 1 *. 68 *?

N *ic nri c titpii

Aeigil im Kloster Fulda (818 — 822) besungen, bescheiden von sich, ,dass er
mit geringem Können in der Abtei der Klosterkirche auf dem dunkelblauen
Grunde verschiedene Gestalten gemalt habe (II. 17, 135) und der prachtliebeude
Abt des Klosters Fontanelle, Ansegis (823), liess die von ihm aufgeführten
Neubauten, besonders das Refektorium und Dormitorium mit Malereien aus-
statten, deren Schöpfer wohl fränkischer Abkunft war, nämlich Maladulf us von
Cambray, den die Klosterannalen einen ausgezeichneten Maler nennen. Auch
die unter dem Abte Grimald in St. Gallen in der Abtwohnung und der Kapelle
des hl. Othmar ausgeführten Wandbilder, von welchen uns die erhaltenen
sogenannten Tituli, metrische Inschriften, Kunde geben, sind durch Mönche
ausgeführt worden, die man aus dem benachbarten Kloster Reichenau berief.»
„In den Klöstern zu Rheims, Tour, Metz, wetteiferten die Mönche in
Ausübung der für ,, gottgefällig» gehaltenen Kunst des Bücherschreibens und
viele geistliche Würdenträger, Bischöfe und Aebte wurden zu eigentlichen

— 208 —

Ueberblick

(192)

Klösterliche
Kunstpflego

Förderern der Kunst. Hadamur von Fulda (937 — 950) verwendete einen
wesentlichen Teil der Klostereinkünfte zu künstlerischen Zwecken und machte
die Heranziehung künstlerischen Nachwuchses zu einer steten Angelegenheit
der Klosterleitung. Aehnliche Ziele verfolgte Bardo, als er im dritten Jahr-
zehnt des elften Jahrhunderts zum Abte des Klosters Werden berufen wurde.
Der Abt des lothringischen Klosters Gorze, Johannes (um 933) war in fast
allen Künsten erfahren. St. Gallen besass unter der Regierung des Abtes
Purchard Insassen, die in jedem Zweig der Wissenschaften und Künste tüchtig
waren, so Notker, der Dichter, Arzt und Maler war und Chunibert; und im
benachbarten Kloster Reichenau wurde Witigomo (985 — 997) bis zur Ver-
schwendung duroh seinen Eifer fortgerissen. Hinter den Klöstern blieben die
Verwalter der Bistümer nicht zurück; Aribo von Mainz, Gebhard von Kon-
stanz, Thietmar von Merseburg, Meinwerck von Paderborn und vor allem
Bern ward von Hildesheim, sind typische Zeugen dafür. So berichtet Thang-
mar, der Lehrer und Biograph des letzteren: „Auch war keine Kunst, die er
nicht versuchte, wenn er sie auch nicht bis zur Vollkommenheit sich aneignen
konnte. Nicht nur in unserem Münster (Hildesheim), sondern an verschiedenen
Orten richtete er Schreibstuben ein, so dass er eine reichhaltige Büchersamm-
lung sowohl göttlicher als philosophischer Schriften zusammenbrachte. Die
Malerei aber und die Skulptur und die Kunst, in Metallen zu arbeiten und
edle Steine zu fassen, und alles, was er nur Feines in dergleichen Künsten
ausdenken konnte, liess er niemals vernachlässigen. Er führte auch talent-
volle, vorzüglich begabte Knaben mit sich an den Hof oder auf längere Reisen
und trieb sie an, sich in allem dem zu üben, was irgend einer Kunst als das
würdigste sich darbot. Ausserdem beschäftigte er sich mit musivischen Ar-
beiten zum Schmuck der Fussböden und verfertigte auch Dachziegel nach
eigener Erfindung ohne irgend eine Anweisung». (Janitschek, Gesch. d.
deutschen Mal.)

Es würde für uns natürlich von grösstem Interesse sein, Malereien aus
jener Zeit zum Vergleich heranziehen zu können, insbesondere Wand- und
Tafelgemälde, bei deren Betrachtung uns vieles klarer würde. Da aber Denk-
mäler der Malerei des X. bis XII. Jhs. nur in höchst spärlicher Anzahl und
nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden können, so werden wir uns mit
den wenigen literarischen Nachrichten begnügen müssen, die uns die be-
sprochenen Quellenschriften über Maltechnik (Lucca-Ms., Mapp. clav. und
Thooph. etc.) bieten.

Die malerische Tätigkeit breitet sich aber immer weiter aus; neben der
Miniatur-, Tafelmalerei und der auf Wänden, zu welch’ letzterer die romanische
Architektur mit ihren breiten Wandfiächen Gelegenheit geboten hatte, nimmt
die Bemalung von Stein einen besonderen Raum ein; dazu mag die reiche
Innendekoration der Kirchen gotischen Stiles mit den farbigen und vergoldeten
Architekturgliedern den Anlass gegeben haben. Auch bildliche Darstellungen
aus Stein und Holz, überreich mit Gold und Farben geschmückt, zieren die
Altäre und Wände. Durch diese Vielseitigkeit der Anwendung wird es auch
erklärlich, dass z. B. in dem III. Buch des Heraclius eine so stattliche Reihe
von Bindemitteln und Verfahrungsarten verzeichnet ist, über deren Zweck wir
im ersten Moment uns schwer orientieren konnten.

Aeltere
Miniaturmal.

I. Miniaturmalerei.

Wenden wir uns zunächst der älteren Miniaturmalerei zu, so ist uns
ausser literarischen Quellen und Nachrichten, die für die Folgezeit reichlich
fliessen, in dem Studium der zahlreich enthaltenen Miniaturen Gelegenheit ge-
boten, uns über diese Art der Malerei Rechenschaft zu geben.

Auch hier lassen sich verschiedene Entwicklungstadien unterscheiden.
Von der ältesten gibt Janitschek folgende Darstellung: ,,Die Technik war die
altchristlicher Handschriften ; die Vollbilder der auf reiche Ausstattung berech-
neten Handschriften wurden in Deckfarben ausgeführt, nachdem man die
Formenumrisse in meist hellrötlicher, seltener schwarzer Farbe mit dem Pinsel

209

vorgezeichnet hatte. Die Malführung war so, dass die Lokalfarbe über die
ganze ihr bestimmte Fläche gestrichen wurde. Darauf setzte man dann
Lichter und Schatten. Oft verfuhr man dabei sehr derb und gefühllos. Alle
vorspringenden Stellen, wie Nasenrücken, Augenrücken, Augenlider, Finger-
rücken, erhielten grell weisse Tupfen und Striche, die entsprechenden Schatten
wurden in einem dunklen Grün angegeben, feinere Uebergänge fehlen aller-
dings nicht allgemein, wie dies das goldene Buch (Codex aureus) in Trier
und in noch höherem Masse Karls Evangeliar in der Schatzkammer zu Wien
beweisen. In der Gewandung wurde das Motiv mit dicken schwarzen
Strichen in die Lokalfarben hineingezeichnet; eigentümlich ist die Vorliebe
der späteren Zeit dieser Periode für die Goldschraffierung der Gewänder; man
wird sie mit der Vorliebe für die Goldschrift in dor Kalligraphie in Zusammen-
hang bringen und beide aus dem bewussten Streben nach glänzender präch-
tiger Wirkung erklären können. Die Oberfläche der Farbe ist stark glänzend.»
Ob ein starker Leimgehalt der Farbe eigen war, oder ob ein Firnis über
die ganze Fläche des Bildes gezogen wurde, wie Janitschek (S. 24) glaubt,
muss nach den quellenschriftlichen Nachrichten über Miniaturmalerei in Frage
gestellt werden. Wohl aber ist dieser Glanz eine Folge des Gummi- und
Eierklarbindemittels; in einzelnen Fällen wird sogar noch die alte byzantinische
Art, mit in Lauge gelöstem Wachs zu malen,’ in Anwendnng gekommen sein;

Übersicht
Miniatur-
malerei

H93)

Abb. 8. Miniatur des Genesis-Ms. (IV. bis V. Jh.) auf Purpur-Pergament.
Nach d. Original der Wiener Hofbibliothek.

denn, wie ‘Versuche zeigten, liess sich der oft dickliche Auftrag und der
Glanz mit derartiger Farbe (Glanzfarbe dos Athosbuches § 37) sehr leicht erzielen. 1
„Schon die karolingische Zeit kennt neben der Malerei mit Deckfarben
eine andere Technik, die weit einfacher in ihren Mitteln ist; sie ‘laviert die
Federzeichnung mit ganz dünnflüssiger Wasserfarbe ohne weitere Bezeichnung
von Licht und Schatten. Auch die reine unkolorierte Zeichnung kommt vor
und ebenso eine Verbindung von Deckfarben und Laviertechnik; es ist aber
evident, dass die letztere meist auf eine unbeholfenere Hand in geringwertigen
Handschriften hinweist. Die vornehmen, unmittelbar unter dem Einflüsse des
Hofes stehenden Schreibstuben bevorzugten die deckfarbige Manier mit
reicheren Gold- und Silberzieraten.»

1 Vergl. m. Versuchskollekt. No. 51 nach der Miniatur des Dioskorides-Ms. der
Wr. Hofbibliothek; s. Bucher, Gesch. d. techn. Künste, S. 171.

14

210 —

Übersicht
Miniatur-
malerei

(194)

Pergament

lieber die Art der technischen Ausführung haben wir in den besprochenen
Quellenschriften so umfassende Belehrung gefunden, dass darüber absolut kein
Zweifel aufkommen kann. Wir haben auch aus diesen Quellen zur Genüge
konstatieren können, dass in Bezug auf diese Malart, mehr als bei allen anderen,
eine grosse Uebereinstimmung in räumlicher und auch in zeitlicher Beziehung
herrschte. Dieselbe Kunstweise, welche im Neapeler Codex des XIV. Jhs.
und den Schriften des Athosbuches und des Oennini beschrieben ist, finden
wir wieder im Norden, in Prankreich, das nach dem Sturz der Staufer ein
unwiderstehliches Uebergewicht gewinnt, dessen Sitte und Sprache von Eng-
land bis Neapel herrscht und sich bis nach Böhmen und Ungarn erstreckt. 2
Die Gleichheit dieser südlichen Art mit den norditalienischen Quellen des Alcherius,
St. Audemar und dem Strassburger Ms. in Bezug auf Miniaturtechnik ist
offenbar. Die „sitten von Paris und lampten», von Frankreich und der Lom-
bardei, stimmten bis auf kleine Varianten vollkommen überein, es herrsehte
somit die gleiche Tradition in allen damaligen Kulturzentren. Wir haben auch
konstatieren können, dass die älteste deutsch geschriebene Quelle, das Strassb.
Ms. und das erste in deutscher Sprache gedruckte Buch des Valentin Boltz
Uebereinstimmungen zeigen, die auf eine direkte Entlehnung des letzteren aus
dem Strassb. Kodex führten. Es hat sich somit die Technik der Minia-
turmalerei durch die Jahrhunderte gleich erhalten.

Diese Gleichartigkeit liegt zunächst im Grundmaterial und in der längst
ausgebildeten sicheren Technik der Farbenbereitung. Auf Grundlage der
Quellen, ganz besonders der so einfach und klar geschriebenen Anweisungen
des Neapeler Codex wird jeder, der Lust und die geeigneten Fähigkeiten hat,
in die Lage versetzt sein, sich die nötigen Kunstgriffe für Miniaturmalerei an-
zueignen. Es seien deshalb nur wenige Direktiven gegeben.

Das Material, auf welchem gemalt wurde, ist die tierische Haut, das
Pergament und später auch das Papier. 3 Unter Pergament versteht man
eine eigentümlich bereitete Tierhaut, die keine Gerbung erhalten hat, sich
daher beim Kochen mit Wasser in Leim (Pergamentleim) verwandelt. Die zur
Darstellung des Pergaments bestimmten Felle (von jungen Kälbern, Ziegen
oder von der Aasseite gespaltenen Schafleders) werden eingeweicht, gereinigt,
in Kalkgruben eingeäschert, enthaart, gewaschen, auf dem Schabebaum bear-
beitet, dann noch dünn geschabt, gekreidet, oder mit Bimsstein abgerieben :
die feinste Sorte, aus Häuten totgeborener Lämmer bereitet, heisst Jungfern-
pergament. Die Erfindung, die tierische Haut (Membrana) zu Schreibzwecken
zu verwenden, ist uralt; nach Herodot schrieben die Jonier auf ungegerbten
Hammel- oder Ziegenfellen, auch verstand man es, die Häute in grosser Fein-
heit herzustellen; wie Flavius Josephus erzählt, konnte Ptolemaios Philadel-
phos die Feinheit des Pergamentes nicht genug bewundern, auf dem der
Pentateuch geschrieben war, den ihm der Hohepriester Elasar zuschickte.
Ausser dem hellen, weissen Pargament, das, wie es scheint, von Pergamon
als vorzüglichster Handelsartikel in andere Städte ausgeführt wurde, gab man
ihm zu Schreibzwecken oft eine violette oder Purpurfarbe. Der Leydener
Papyrus enthält derartige Anweisungen. Um gefärbte Pergamente zu machen,
gibt das Lucca Ms. (31, De Pergamina) folgende Vorschrift: „Man lege die
Häute 3 Tage in Kalk, breite sie auf einem Gestell aus, schabe sie von beiden
Seiten mit dem Schabeisen und lasse trocknen, hierauf schneide man sie, wie
man mag und färbe sie mit Farben.» Genauere Rezepte, die Häute mit allerlei
Farben zu färben, finden sich im gleichen Ms. (11 — 20) und zwar waren dunkle
(Purpur, Porphir, Pandius) Farben, die mittelst der Alaunbeize aufgetragen
wurden, am meisten geschätzt; auf diesen wurden auch die kostbaren Gold-
schriften ausgeführt. Die ältesten Bibelhandschriften sind auf dunkelm Pur-
purpergament mit Gold oder Silber geschrieben ; die oben erwähnte Bibelhand-
schrift soll der gleichen Quelle zufolge mit goldenen Buchstaben geschrieben

2 Vgl. Wattenbach, das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig 1875, S. 319.

3 Ebenda über Pergament S. 93; Papier S. 114 ff.; Schreibwerkzeuge S. 182:
Tinte S. 193.

211 —

gewesen sein. 4 Es ist dies die älteste Nachricht über mit Goldbuchstaben
gefertigte Manuskripte, doch zeigen spätere Exemplare in den grossen Biblio-
theken zu Paris, Wien und München, auch die berühmte Bibelübersetzung des
Ulfilas, dass sich diese Manier lange erhalten hat. Bemerkt sei übrigens, dass
die schwarze Färbung, welche diese Mss. heute zeigen, nicht der ursprüng-
lichen Färbung entspricht. Die Farbstoffe, die dazu genommen wurden, sind
auser dem Muschelpurpur alle nicht haltbar und gehen mit der Zeit in Schwarz
über, ganz besonders der Farbstoff der Anchusawurzel, welcher in drei Re-
zepten des Papyi-us Leyden und in den Purpurfärberezepten des Pseudodemokrit
(Berthelot, Origines de l’alchimie, S. 357) nebst anderen unechten Farbstoffen
(Liehen marinus, Lakmus) genannt ist; überdies bewirken die Vitriolbeizen,
die zum Dunkelfärben in Gebrauch waren, eine Entfärbung der Pflanzenfarb-
stoffe. Das berühmte Genesis- Ms. aus dem IV. — V. Jh. der Wiener Hof-
bibliothek, dessen Pergamentblätter vielleicht mit Purpur (Tournesol) der Minia-
turisten gefärbt ist, zeigt heute noch einen rötlichen ins Bräunliche spielenden
Farbton. 5 Das den Sündenfall darstellende Blatt (Fig. 8) zeigt drei Szenen
in einem Bilde vereinigt.

Übersicht
Miniatur-
malerei

(195)

Abb. 9.

Schreiber, nach einer deutschen Miniatur

des XI. Jh.

Abb. 10.

Schreiber, nach einer französischen Miniatur

des XV. Jh.

Zahlreich sind die Rezepte, die über die Bereitung verschiedener Schreiberund
Tinten handeln; Russ, Gallusäpfel, Kupfervitriol (kalkanthum, attramentum)
nebst Gummi geben die Ingredienzien ab. Der Schreiber des Manuskriptes
und der Maler waren vielfach in einer Person vereinigt, es kam aber später
zumeist vor, dass die Schreiber erst ihre Arbeit vollendeten und die Maler
die Initialen und Miniaturen anfertigten. Diese Zweiteilung der Arbeit ist aus
vielfachen Abbildungen alter Miniaturhandschriften zu folgern. So sehen wir
in Fig. 9 einen Schreiber; derselbe hat auf seinen Knieen ein Pult, eine Kiel-
feder in der rechten Hand, in der linken hält er den Scalper, ein Messer zum
Schneiden der Feder und zum Glätten der rauhen Stellen des Pergamentes 6 .

4 Jos. Ant. XII. 2, 10 … . twv öupfrspwv, alc, iy~(Z'{pa.i.LiQU

£un|ttü§ olle Sorben *d

machen tmi» $ü btvtttm. mkn

Ärtefftnaltm/fampt ankeren folcfeer ÄÄil

fien Uebtyabcrn itinjltcb vnb göt jft

Wiffen. Vorbin im ttuifmt

mifjgangcn.

Abb. 11. * Titelblatt von Boltzens Illuminierbuch.

man ersieht übrigens aus der wagerechten Hand-
haltung deutlich, dass es keine Palette, sondern ein Gegenstand ist, in dem
sich Flüssigkeit befinden muss**. Muscheln befinden sich auch auf dem Titel-
blatt zu Boltzens Illuminierbuch, das ich hier (Fig. 11) wiedergebe. Diese ein-
fachen und leicht erhältlichen Muscheln sind eigentlich das praktischeste Be-
hältnis, weil sie stets einen tieferen Teil für Farbe und einen flacheren zum
Abstreifen und Zuspitzen des Pinsels haben. Bis auf den heutigen Tag
haben sich deshalb Muscheln zu diesem Zwecke, besonders für Gold- und
Silberfarbe, erhalten.

des XV. Jh. der Münchener Staatsbibliothek, welche die Dichterin Christine Pisan in
ihrem Gemache schreibend darstellt, in der Rechten die Feder, in der Linken das
Messer haltend, dann auch bei Lacroix, Sciences et lettres au Moxen äge S. 91.

7 Bei Martianus (lib. XVII) werden die als Mischgefässe dienenden Muscheln
(conchae) bei Legaten im Testamente eines Malers zum Handwerkszeug des letzteren
gehörig angeführt. (Pictoris instrumento legato, cerae, colores, similiaque horum
legato cedunt: item peniculi, cauteria et conchae).

** Anmerkung: Die drei oben erwähnten Darstellungen sind abgebildet in m.
Maltechn. des Altertums S. 174 175.

213 —

Zum Handwerkszeug des Miniaturisten gehört ausser den Pinseln von
Marder- und Eichhörnchenhaar verschiedener Grösse noch ein Täfelchen
aus hartem Holz, das unter die glänzend zu machenden Stellen der Ver-
goldung zu legen ist, um das Gold zu glätten, und der Brünier- oder Glätt-
stein aus Achat oder ein Eberzahn und dergl.

Der Neapeler Kodex (Rubr. XXXI) erwähnt ein solches Täfelchen ; auch
an den hier wieder gegebenen beiden Darstellungen von Malern des Harde-
hauser Evangeliars aus dem XII. Jh. (Kassel. Landesbibliothek) ist es zu er-
kennen (Fig. 12). Auf beiden Bildern sind Kästchen zu sehen, deren weit
herausstehender Deckelrand dazu dient, um als Unterlage beim Brünieren unter
das Pergamentblatt geschoben zu werden.

Die Reihenfolge, in der die Malerei auf Pergament auszuführen war,
ist aus der nur teilweise fertigen Praehth ands c hrift des Wilhelm von
Oranse aus dem XIV. Jh. (Kassel. Landesbibliothek) in höchst belehrendor
Weise zu ersehen. Bei dieser Handschrift sind die Miniaturen in verschiedenen
Stadien der Arbeit unterbrochen; bis zum Blatt 35 sind die Bilder ganz fertig,
von 35—37 sind sie in den einzelnen Stadien unvollendet geblieben, schliess-
lich sehen wir nur den freiglassenen Raum mit dem Silberstift eingerändert.

Es sei hier gleich bemerkt, dass in dieser Handschrift bei Anfertigung
des Bilderschmuckes zwei Künstler tätig gewesen sein müssen, ein Umstand,
auf den meines Wissens noch nicht Rücksicht genommen wurde. Die Minia-
turen vom Anfang des Codex bis zu Blatt 29 sind von einem nicht nur un-
geschickteren Künstler, sondern auch in einem ganz anderen Charakter aus-
geführt, als die folgenden. Am deutlichsten lässt sich dies an der Auszierung
des Hintergrundes erkennen, die in der ersten Bilderreihe nur mit ängstlicher
Ornamentierung der mit Farbe bemalten Fläche ausgeführt wurde, während
der zweite Künstler hiebei grosses Geschick in Anbringung des Glanzgoldes

l’bersicht
Miniatur-
malerei

Reihenfolge
der Arbeit

(197)

Abb. 12.

Malergeräte auf Miniaturen des Hardehauser Evarjgeliars (XII. Jb.).
(Kasseler Landesbibliothek.)

und „musierter» Verzierungen zeigt. Ausserdem ist die Art, Fleisch zu
malen und zu modellieren, bei dem zweiten auffallend besser; während der
erste über harte Konturumrandung nicht hinwegkommt, ist des zweiten Manier
sehr weich und präzis zugleich. Nach den Beobachtungen, die ich bei genauer
Einsicht dieser Miniaturhandschrift gewonnen habe, bestand die Technik des

214

Übersicht
Miniatur-
malerei

Malens auf Pergament, nachdem die Plätze mittels des Lineals festgestellt

waren, in den folgenden Arbeiten:

1. Aufzeichnung der Komposition mit dem Silberstifte, mit dem
auch die ersten Linien der Umrandung gezogen wurden. Der Silber-
stift gestattet durch seine überaus feinen, anfangs kaum sichtbaren
Linien, dass der Maler über die Komposition leichter ins reine kommen
konnte; Misslungenes dürfte mit Brotkrumen entfernt worden sein 8 .

Abb. 13. Angefangene Miniatur nach der Wilh. v. Oranse Handsohrift.
(Kasseler Landesbibliothek.) (2. Stadium der Arbeit.)

2. Es folgt die Durohzeichnung des Entwurfes mit der Feder
und Tinte (Encausto), wobei schon die Faltenmotive eingehend mar-
kiert, die Locken des Haares und andere Details festgestellt erscheinen ;
die Köpfe und Hände zeigen nur die äussere Kontur (Fig. 13).
(198) 3. Nach dieser Aufzeichnung wird die Vergoldu ngs arbeit in allen

Details fertiggestellt; dazu gehört das Einstreichen des Grundes mit
Leim, um den Assis besser haftend zu machen und die Legung des
Assis an allen jenen Stellen, welche Glanzvergoldung (Glanzver-
silberung ist seltener) haben sollen (vergl. Neapeler Codex, Strassb. Ms.,
Cennini usw.); diese Assisunterlage wird dann glatt gemacht, durch
Schaben mit dem Messer oder dergl., und dann mit verdünntem Eier-
klar oder nur Wasser (später mit aqua vitae, gezuckertem Weingeist)
oder sehr dünnem Pergament-Leim angefeuchtet und mit Blattgold
belegt ; wenn dann diese Lage getrocknet ist und der Grund es er-
laubt, folgt die Glättung mit dem Brunierstein aus Achat oder einem
glatten Zahn; auoh die Auszierung des Goldes durch Punzieren
(granectare) und durch Linienziehen (lineare) hat jetzt am besten zu
geschehen. In diesem Zustande befinden sich mehrere angefangene
Miniaturen der genannten Handschrift; nur der äussere Rand ist mit
leichter (rosa und violetter) Farbe angelegt.
4. Das nächste Stadium der Arbeit (Fig. 14) besteht in der allgemeinen
Anlage der Gewänder in hellen Lokaltönen, die hier meist nur mit
zwei oder drei Farben ausgeführt sind, auch das Fleisch ist in ein-
zelnen Fällen hell grundiert. Die Kronen der Könige, Rüstungen
oder Teile, welche goldig sein sollen (aber nicht glänzend) sind mit
Blattgold belegt, erhalten aber erst später die Zeichnung der Zacken
oder Verzierungen mit schwarzer Farbe.

8 Ueber Silberstiftzeichnen findet man Näheres im Kapitel über Cennini S. 99;
von unvollendeten oder angefangenen Miniaturen berichtet auch Wattenbach, S.
315, Note 4.

215 –

5. Ausmalung. Nach diesen Vorarbeiten wird jeder einzelne Teil
fertig gemalt, indem auf den schon vorhandenen Mittelton, ein kräf-
tigerer Mittelton stets mit Weiss gemischt, dann noch tiefere Schatten,
und hellere Lichter aufgesetzt werden. Zum Schluss werden noch
die Konturen schärfer umzogen, mit Schwarz und mit Weiss die
letzte Vollendung gegeben. In dem Prachtkodex des Willi, v. Oranse
sind die Grundfarben zumeist in dreierlei Art ausgeführt, und zwar mit
dem Tüchleinblau (deckfarbig Himmelblau), dem violvarb Tüohlein
(dunkelrosa) und mit Zinnober. Durch die Uebermalung mit den meist
mit Bleiweiss gemischten Farben, sind alle vorher mit der Feder ge-
zogenen Konturen vollkommen gedeckt und nirgends sichtbar.

6. Zu den Schlussarbeiten gehören noch dio nach der oben erwähnten Gold-
anlage zu fertigenden Verzierungen mit Schwarz oder Rot und die
mit flüssiger Gold- und Silberfarbe auszuführenden zierlichen
Ornamente der Gewänder und der Umrahmung, die stets mit der
Feder gemacht werden, weil der Pinsel so scharfe Details nicht zu
geben im stände ist 3 . Nach dem Neapeler Kodex wird am Schluss
auch noch an satter wirkenden Stellen ein Ueberzug von Gummi-
Eierklar-Bindemittel aufgetragen (Rubr. XXIX).

In der hier beschriebenen Arbeitsfolge sind wohl die meisten der besseren
Miniaturen ausgeführt worden; im Fleischmalen zeigt sich natürlich am aller-
ersten der Unterschied der künstlerischen Fähigkeit, nicht minder in dem
Wurf der Anordnung der kompositioneile Wert der Darstellung. Gute Orna-
mente liessen sich von geschickten Künstlern und geübteren Malern leicht in
handwerksmässiger Art herstellen.

Das Bindemittel für Miniaturmalerei bereitete man sich in einer
der bei Boltz, im Neapeler Kodex oder im Strassb. Ms. verzeichneten Arten.

Übersicht
Miniatur-
malerei

(199)

Bindemittel

Abb. 14 Miniatur der Oranse Handschrift.
(3. und 4. Stadium der Arbeit.)

Dabei ist hauptsächlich die Prozedur zum Flüssigmachen des Eierklars zu be-
merken. Nasse Leinenfilter (Heraclius K. XXXI) zu diesem Zwecke zu ge-
brauchen, scheint mir die umständlichste Art. Anonymus Bernensis (im
Anhang zur Theophil. Ausgabe v. Ilg) verwirft das durch Filter gepresste

9 Vergleiche meine Versuchskollekt Nr. 52, 53, 54 und 55, welche die Arbeits-
folge zeigen.

— 216 –

Übersicht
Miniatur-
malerei

Honig und
Kandis

(200)

Konser-
vierungsmittel

Firnisse ?

Gold- und
Musiergründe

Bindemittel, weil „es von der Hand desjenigen, der es durchpresst, Schmutz
annimmt» (a. a. 0. S. 382) und benützt nur die zu Sohaum geschlagene und
abgetropfte Eikläre.

Sehr rasch lässt sich in der Manier des Neapeler Kodex durch mehr-
maliges Aufsaugen und wieder Auspressen des frischen Eiklars in einem
neuen, reinen Schwamm das Bindemittel bereiten, das sofort zur Arbeit bereit
ist, während beim Abtropfenlassen des Schaumes stets eine längere Zeit (etwa
eine Nacht) vergeht, bis man die Flüssigkeit benützen kann.

Der erwähnte Anonymus Bernensis nimmt für den Fall, dass das Perga-
ment nicht gut und fleckig ist, noch Eigelb zu Hilfe, tränkt damit das Gemalte
und gibt, da dieses matt auftrocknet, nachher einen Ueberstrich mit Eierklar-
tempera, um Glanz zu erzielen. Bezüglich des Eidotters deckt sich dieser
Autor mit dem Strassb. Ms., das die Beimischung von einigen Tropfen Ei-
dotters bei den meisten Farben anordnet.

Honig oder Kandiszucker sind notwendige Zugaben zum Bindemittel,
um das Reissen und Abblättern des sehr leicht brüchig werdenden Eierklars
und auoh mancher Guramiarten (Kirschgummi) unter allen Umständen zu ver-
hüten. Bemerkenswert ist, dass der Fisch- oder Hausenblasenleira sich als
Bindemittel im Norden länger erhalten hat als im Süden; Strassb. Ms. erwähnt
denselben ebenso wie das Ms. des XV. Jh. der Münchener Bibliothek (Nr. 822 ;
8. S. 199). Auch weichen einzelne Rez. des Strassb. Ms. (23 und 24) so sehr
von der allgemeinen Regel ab, dass die Annahme berechtigt ist, diese
Temperaturen hätten nicht nur zur Miniatur, sondern auch zur Tafelmalerei
gedient.

Konservierungsmittel, um das leicht in Fäulnis übergehende organische
Bindemittel (Eiklar) für längere Zeit zu erhalten, oder den üblen Geruch zu
verdecken, sind in den meisten Angaben enthalten; sehr geeignet fand ich zu
diesem Zwecke den Kampher, welchen der Neap. Kod. erwähnt; mit einem
Stückchen Kampher, einfaoh in die Eikläre gelegt, hatte sich dieselbe sogar
zwei Jahre lang vollkommen gut erhalten. Das Strassb. Ms. nimmt stets zum
Eierklar Essig, auch Salmiak, Boltz Rosen- oder Lilienwasser, Gewürznelken
und Realgar das Neap. Ms. Anonymus Bernensis nennt kein Konservierungs-
mittel, allerdings ist nur ein Bruchstück des Ms. erhalten. Auch Lauge dient
in einzelnen Fällen (Neap. Kod. XIV, XIX) zur Lösung resp. Konservierung
des Eierklars.

Gefirnisst wurden Miniaturmalereien in Büchern niemals, davon ist in
keinem Ms. die Rede. Zum Glänzendermachen von Malereien auf Pergament
und Leder diente der bei Boltz genannte und bereits erwähnte „Hausfirnis»,
der aus Eiklar und Gummiwasser nebst Honig besteht und sich mit der
gleichen Angabe des Neap. Kod. deckt. Mit Oelfirnis werden Gegenstände,
die mit Leder überzogen waren, z. B. Kästchen, überstrichen, die dadurch gegen
Feuchtigkeit geschützt wurden. Diese Manier ist aber nichts anderes
als die ältere allgemeine Technik des Theophilus 10 . Eine solche
Malerei auf Pergament, gefirnisst, ist in Nr. 56 m. Kollekt. von Versuchen
zu sehen (vergl. oben Technik des Theoph. K. XXVII, Heraclius K. XXIV
S. 45 u. 59).

Das Auffallendste an alten Miniaturen des XIII.- -XV. Jhs. sind die mit
grösster Sorgfalt ausgeführten Gold- oder Musiergründe (Assiso, Funda-
mente), von denen in den Anweisungen mehrfach die Rede war. Der Grund
der meisten dieser Vergoldungen besteht aus Kreide, die mit armen. Bolus
rot gefärbt, nebst Leim zu einem dicken Brei angerührt wurde; diesem Brei

10 Die von Baron v. Pereira wieder ins Leben gerufene Tempera fusst auch auf
diesem Prinzip. Nur scheint es mir, dass er im Punkte der Zeit zu weit zurückge-
gangen ist, wenn er seine Temperaart mit der Technik der Renaissance identifiziert.
Mit Gummi, Leim und Albumen etc. haben die nordischen Künstler nur bis zum XV. Jh.
gemalt, und war das Prinzip dasjenige, welches wir bei Theophilus kennen gelernt
haben. Boltzens Temperaturwasser zur Grundlage der Technik für Tafelgemälde
zu nehmen, ist schon deshalb falsch, weil Boltzens Anweisungen ausschliesslich für
Illuminierer gelten.

– 217 —

ist noch Kandiszucker oder Honig zuzufügen, damit der „grünt nit schrint*,
d. h. sich nicht abblättert oder brüchig wird. Im Athosbuch sehen wir einem
derartigen Assisgrund noch eine Quantität in Wasser gelöster Seife beigemengt.
Solche Beigaben haben durch ihre hygroskopische Eigenschaft den Zweck,
dem Goldgrunde auf die Dauer eine gewisse Biegsamkeit zu geben.

Man wird in der Annahme kaum fehlgehen, diese Goldauszierungen der
Miniaturen auf byzantinische Einflüsse zurückzuführen; die in der Tafelmalerei
eingebürgerte Art der Vergoldung des Hintergrundes, der Nimben und anderen
Beiwerkes, ist hier auf die Pergamentfläche mit allen notwendigen Konse-
quenzen übertragen. Es könnte sich vom kunsthistorischen Standpunkte nun-
mehr darum handeln, zu untersuchen, wann derartige Gold- oder Musiergründe
aufgekommen sein mögen. Bei älteren byzantinischen Miniaturen, wie solche
im Dioskorides- und dem Genesis-Ms. der Wiener Hofbibliothek sich finden,
sehen wir noch keine Goldgründe; die Goldfarbe ist hier stets flüssig aus der
Feder als Staffierung angewendet. Auch Miniaturmalereien aus der karolingischen
und ottonischen Zeit, die in der Cimeliensammlung der Münchener Hofbibliothek
aufbewahrt sind, weisen diese Verzierungsmanier auf. Wohl sind schon ganze
Stellen vergoldet, wobei eine rote Unterlage sichtlich benützt wurde, auch
sind gewisse Stellen glänzend gemacht, aber ein eigentlicher Goldgrund ist
hier noch nicht vorhanden. Man erkennt einen solchen sehr leicht, wenn man
das Pergamentblatt gegen das Licht hält und von der Rückseite durch das
beleuchtete Blatt hindurch sieht. Die Stellen, welche Goldgrund tragen, sind
undurchsichtig, während alle übrigen Partien mehr oder weniger das Licht
durchscheinen lassen.

Es ist mir nicht bekannt, auch lässt sich dies nach Abbildungen nicht
ersehen, ob die angelsächsischen, die irischen und altfränkischen Miniaturisten
schon den Goldgrund benützten, ich hatte auch noch nicht Gelegenheit, die
Pariser Handschrift des Gregor von Naziänz und andere Praohtcodices des IX.
und X. Jhs. daraufhin zu untersuchen, und bin deshalb nur auf die Ver-
mutungen angewiesen, welche die Quellenschriften gestatten. Dass Theophilus
den Assisgrund nicht kennt, wurde bereits (S. 61) bemerkt; er trägt das Gold
in Pulverform mit einem Bindemittel von Hausenblase oder anderem Leim
(K. XXXVIII) auf eine rote Unterlage auf und glättet nach dem Trocknen
mit dem Zahn.

In späteren Anweisungen, dem 111. Buch des Heraclius (XLI, XLII), dem
Alcherius Ms. (Nr. 291 und 292 des Le Begue) und in den ältesten deutschen
Aufzeichnungen tritt schon die neue Manier des Assisgrundes mit Kreidebei-
mischung neben die frühere Art. Wir erkennen diese Unterscheidung in der
Bezeichnung des „nassen und trockenen Goldauflegens». Das nasse Verfahren
ist das ältere, von Theophilus beschriebene, bei dem das Goldpulver mit Binde-
mittel angemischt wird, während unter „truken uff zu legen» das Blattgold
gemeint sein mag (vergl. Strassb. Ms. 13 und 14). Der Neapeler Kodex
(Rubr. XIII und XIV) gibt überhaupt nur mehr die letztere Methode als „von
den Miniaturisten gebräuchlichste» an, und diese erhält sich auch in der Folge-
zeit des XV. und XVI. Jhs.

Es erübrigt hier noch ein paar Bemerkungen über das Musieren oder
Florieren auf Gold selbst anzufügen. Unter dieser Bezeichnung (muosen,
müsen, muosieren) ist eigentlich eine musivische, also eine in Mosaik einge-
legte Verzierung zu verstehen. Die mittelalterliche Maltechnik scheint darunter
eine Art der Goldverzierung verstanden zu haben, die im Auftragen feinerer
Goldzierate auf Goldgrund bestand. So sehen wir im Strassb. Ms. (17) eine
Anweisung „uff fin gold florieren, das recht zierlich stat, als das ein gold uff
das ander wer geflorieret» u. z. wird dies durch nichts weiter erreicht, als dass
mit einem dick angerührten Gummiwasser die Zeichnung auf schon vorhan-
denes (jedenfalls mattes) Gold aufgetragen wird. Die Stellen sind dann glän-
zender als die Umgebung, erscheinen demnach dunkler als der Untergrund.
In gleicher Weise sehen wir (Strassb Ma. 18) eine weitere Angabe, um auf Gold
zu florieren (mit Fischgalle und Ocker), was als „Geheimnis» mitgeteilt wird.

Übersicht

Miuiatur-

mal&rei

Byzant.
EinflUsso

(201)

Angaben der
späteren
Quellen

Musieren und
Florieren

— 218

Übersicht
Miniatur-
malerei

(202)

Es handelt sich demnach hier um ein lasurartiges Medium , durch das
das unterliegende Gold durchscheint, gleichzeitig aber die Flächen belebt und
feinere Ornamentation zulässt.

Uebereinstimmend damit ist eine Anweisung, die ich dem bereits kurz
erwähnten Heidelberger Ms. (309, Pal germ. 676. Pap. XV. Jh.) entnehme.
Nach einigen Angaben über Assisgrund, welcher in seiner Zusammensetzung
dem allgemeinen ähnlich ist (Kreide, Bolus und Zinnober; Bleiweiss, Bolus,
Zinnober) finden wir S. 60a ein Rezept für „ain musirgrund», dessen Anleitung
mit dem obigen „florieren» des Strassb. Ms. identisch ist. Unter „Musieren»
und „Florieren» sind demnach dieselben technischen Operationen zu ver-
stehen. Es heisst daselbst: „Ain musirgrund».

Item gummi armoniacum oder ganfer oder seraphin (g. serapinum)
oder lauter mastix oder welschen verger (ital. Ocker) dise ding sind
alle durchschawig (durchscheinend) off gold, jeglicher stuk nym ains
welhes du wilt, vnd reib des als gross als ain pon gar wol mit ain
wenig wassers vnd zwen tropfen ayrclar vnd mach es weder ze dünn
noch ze dik vnd musier daruff was du wilt mit dem pensei so ist es
gar schön so es trucknet.
Auch andere Rezepte des gleichen Ms. bedienen sich für Musiergründe
der obenerwähnten „Goldgrundgummi» des Boltz (s. S. 188, Note); mitunter
wird statt „musirgrund» der Ausdruok „planirgrund» gebraucht.
Wir finden S. 62 folgende Anweisung:

Item wiltu auf gold das da geplaniert ist etwas fremdes musiren
das es scheint ze gleicherweis als ain gold uff das ander gemacht
wer. So nym campher vnd mastix die geleutert sey, reib sy uff ainen
stain gar wol underainander vnd tu das in ein rain muschelin vnd
temper das weder ze dick noch ze dünn, das es auss dem pensei
gang vnd mach uff vein gold was du wilt so scheind es recht als
vein gold.

Item ze glicherweiss so! man nemen sal armoniacum mit wasser
und damit musiren uff silber vnd wenn das trucken wirt so scheint
es als silber.
(Die Kampherbeigabe bezweckt hier vermutlich die Konservierung des
Eiklarbindemittels.)

Bezüglich des Musierens sei noch auf die Stelle des Lib. illuminist.
(s. o. S. 195) hingewiesen, „wie man musir auf ölvarb», wobei es sich um
Goldverzierungen auf Oelfarbengrund handelt; mittels gestossenen Firnispulvers
und Goldbeize unter Zuhilfenahme von Patronen wird hier die Musierung aus-
geführt, indem die mit Goldbeize bestrichenen Stellen mit Blattgold belegt
werden und das lose aufgestreute Pulver wieder abgewischt wird.

II. Wandmalerei.

Wandmalerei wie in der Buchmalerei so war auch im frühen Kirchenbau reiche De-

koration und bildlicher Schmuck in Aufnahme gekommen. Die aus der alt-
christlichen Basilika mit ihrem Mosaikschmucke entstandene romanische
Form erforderte in Apsis und Oberwänden des Mittelschiffes malerische Zierde,
wie sie uns in den erhaltenen Wandmalereien der St. Georgskirche zu Ober-
zell in der Reichenau (aufgenommen von Fr. Beer, herausgegeben von Fr. Kraus,
Freiburg i. B. 1884) entgegentreten. Zwischen ornamentalen Bändern und mit
Medaillons geschmückten Archivolten breiten sich die Szenen aus der Heiligen-
legende in überlebensgrossen Figuren aus 11 .

11 Diese Wandgemälde wurden erst vor wenigen Jahren durch den Pfarrver-
weser Feederle unter der Tünche entdeckt. Doch sind die Fleischteile sowohl im
jüngsten Gericht als auch in der Kreuzigung jetzt infolge chemischer Zersetzung der
Farbe (Bleiweiss) schwarz geworden.

Der Wandmalerei des XII. und XIII. Jahrhunderts in Deutschland gehören noch
an: die Wandmalereien der Unterkirche zu Schwarzrheindorf bei Bonn (Abbildungen
in Aus’m Werth, Wandmalereien in den Rheinlanden), im Kapitelsaal der Abtei zu

— 219 —

„Die Technik der Wandbilder ist eine sehr sorgfältige. Den Untergrund t’bersioht .
verputzte man mit gelbem Sand und rieb ihn glatt. Darauf wurden die Fi-
guren zunächst gezeiohnet und die Umrisse mit einem kräftigen Braun nach-
gezogen. Dann trug man die Farben auf, jedoch wahrscheinlich nicht auf
ganz trockenen Grund, sondern, wie Theophilus in seinem kunsttechnischen
Handbuch lehrt, auf durch Besprengen angefeuchteter Mauer, da so die mit
etwas Kalk versetzten Farben besser hafteten. Hierauf erfolgte die Modellie-
rung der Fleischteile und Gewandung mit breiten Strichen, letztere der Färbung
der Gewandung entsprechend und endlich wurde das ganze durch Aufsetzen
mehr oder minder kräftiger weisser Lichter vollendet. Von einer eigentlichen
Flächenmodellierung durch Halbtöne oder gar Lasuren kann natürlich keine
Rede sein.» (Janitschek S. ö8).

Die Beurteilung der Technik von alten Wandgemälden ist ungemein
schwer, denn in den meisten Fällen machen vielfache spätere Uebermalungen,
oder die Zerstörung der Farben durch die Mauerfeuchtigkeit (Salpeter) die Schwierigkeit
Untersuchung des ursprünglichen Zustandes unmöglich. Relativ am günstigsten
sind die Fälle, wo die Malerei durch spätere Uebertünchung eigentlich vor
einem vorzeitigen Verfall geschützt wurden. Es spricht sogar für die Solidität
derartiger Malereien, dass sie trotz dieses Vandalismus sich so widerstands-
fähig gezeigt haben, wie jene z. B. in der Reichenau. Auch die chemischen
Untersuchungen, die an verschiedenen Orten angestellt wurden, können uns
wenig ‘sichere Aufschlüsse über die Maltechnik geben, weil es sich chemisch
nie feststellen lassen kann, in welcher Reihenfolge die Malerei ausgeführt
wurde; es würde auch chemisch ganz gleich sein, ob ein Stück Mauerwerk
mit Kalkfarben aufs Trockene oder al fresko bemalt worden ist, da die
chemischen Bestandteile (Kalk) in beiden identisch sind. Ausserdem wäre
jede solche Untersuchung nur für den einzelnen Fall, und da nur für das (203)
spezielle Stüok Farbe massgebend , nachdem uns die Quellenschriften
darüber unterrichten, dass einzelne Farben mit anderem Bindemittel aufge-
tragen wurden, und auch verschieden in verschiedenen Gegenden, z. B. Azur
bei Theophilus mit Eigelb, bei Dionysius vom Berge Athos mit Kleienabsud.
Die Chemiker sind sich darüber ganz klar, dass „so sicher auch durch die
heutigen Methoden die Natur der unorganischen Bestandteile bis in die
kleinsten Mengen festgestellt werden kann, es aber grössere Quantitäten als
etwa abgesohabte Teile eines Bildes bedürfe, um die Natur der organischen
Bestandteile, wie sie die Bindemittel bieten, umsomehr wenn ihrer mehrere
vorhanden sind, mit Sicherheit festzustellen. In manchen Fällen würde dazu
wohl kaum das ganze Material eines Gemäldes ausreichen». So äusserte sich
Chemiker Dr. Borucki in den Techn. Mitt. für Malerei v. 1. Okt. 1894. Ausser-
dem ist noch zu bedenken, welche Veränderungen chemischer Natur die auf
lange Zeitdauer ausgesetzten Wandmalereien unterworfen sein können. Ein
Stück Wandmalerei etwa aus dem XVI. Jh., welches ich von einer defekten
Kirohhofsmauer in Tirol abnahm und einem tüchtigen Chemiker, Dr. Georg
Buchner, hier, zur Untersuchung übergab, zeigte z. B. organische Bestandteile
in genau derselben Menge, wie ein unbemaltes Stück von Mauerwerk seines
Laboratoriumsgebäudes-, ein anderes von derselben Malerei auf der Kirchhofs-
mauer entnommenes Stück, efferveszierte aber nicht einmal beim Beträufeln
mit Salzsäure, was unbedingt hätte stattfinden müssen, wenn Kalk in der
Farbe vorhanden gewesen wäre. Diese Tiroler Fresken sind bekanntlich
von einer unverwüstlichen Festigkeit und wird auf deren Malweise in einem
späteren Heft zurückzukommen sein. Es sei hier nur auf das unsichere hin-
gewiesen, welches vielen chemischen Untersuchungen dadurch anhaftet, dass

Brauweiler bei Köln, in der Taufkapelle von St. Gereon zu Köln, Wandmalereien in
Westfalen (s. Aldenkirchen, die mittelalterliche Kunst in Soest, Bonn 1875), im Dom
zu Münster, in der sog. Capeila sub claustro der Liebfrauenkirche zu Halberstadt, der
zum Teil erneute Bilderzyklus des Domes zu Braunschweig, die zwölf Wandbilder aus
dem Kloster Rebdorf bei Eichstätt (jetzt im Nationalmuaeum, München), das hervor-
ragende Wandgemälde (Thronende Maria) im Nonnenkloster zu Gurk in Kärnten u. a. m.

220 —

Übersicht
Wandmalerei

Romanische
Kirche in
Burgfelden

(204)

stets nur einzelne Stückchen zur Analyse kommen können. Unter diesen
Umständen bleiben uns doch nur die Quellenschriften und etliche empirische
Regeln übrig, um die Technik einer Zeit zu prüfen und durch Analogien mit
anderen ähnlichen Stücken oder durch Versuche festzustellen.

Zu diesen empirischen Regeln gehört erstlich das Beträufeln mit Salz-
säure, um festzustellen, ob sich Kalk in den Farben oder im Bewürfe findet,
dann zweitens das Bestreichen mit Schwefeläther, welches die Eigenschaft
hat, alle Oele oder Harze zu lösen, Leime und Gummi jedoch nicht angreift.
Dem Verfasser wurde vor einiger Zeit Gelegenheit gegeben, eine derartige
empirische Probe an zwei Stücken vorzunehmen, die von gleichfalls unter der
Tünche aufgefundenen Wandmalereien stammten.

Der Kunsthistoriker Dr. P. Weber (Stuttgart) unterrichtete mich davon,
dass ihm bei den im J. 1892 wieder entdeckten Wandgemälden einer kleinen
romanischen Kirche zu Burgfelden (Ober-Amt Balingen, Württemberg),
die höchst wahrscheinlich zwischen 1061 und 1071 von Reichenauer Mönchen
hergestellt worden seien, ein noch jetzt sichtbarer eigentümlicher Glanz auf-
gefallen sei, von dem es ungewiss war, ob derselbe vom geglätteten Unter-
putze oder vom Bindemittel des Farbenmateriales stammte.

Eine chemisohe Untersuchung, die bald nach der Aufdeckung der Ma-
lereien in Stuttgart gemacht und in der deutschen Bauzeitung v. J. 1894 S. 11
und 12 veröffentlicht wurde, ergab folgendes Resultat: Es wurde festgestellt,
„dass der Putz in einer Hitze (d. h. ohne Unterbrechung) 6 mm stark aus
beinahe reinem, nur ganz wenig Ton haltenden kohlensaurem Kalk in Ver-
bindung mit feinstem Tuffsand, ohne Gipszusatz hergestellt war und zwar
nicht mit Hilfe von Lehrpunkten, Lehrstreifen und der Richtscheit, sondern
freihändig mit der Kelle abgezogen, so dass er eine ziemlich unebene, aber
wie durch eine Art von Sohliff fein geglättete und matt glänzende Oberfläche
zeigt, auf welche in Temperamanier der Maler seine Bilder zeichnete. Die
Widerstandsfähigkeit dieser Putzfläche wurde wahrscheinlich noch daduroh
erhöht, dass sie, nachdem die Gemälde in Temperamanier aufgezeichnet waren,
mit einer Wachslösung angestrichen wurde».

Es fragte sich nunmehr darum, ob im XI. Jh. eine derartige Teohnik
bekannt gewesen ist; diese Frage musste vor allem deshalb verneint werden,
weil die Auflösung des Wachses in Terpentinöl damals unbekannt war und
nirgends beschrieben wird; wohl aber konnte festgestellt werden, dass nach dem
Lucca-Ms. und Mapp. clav. noch eine Art Wachsmalerei bis ins XIII. Jh. geübt
wurde, also leicht möglich wäre, dass das öfters zitierte Rezept des Le Begue
(Nr. 325) hier in Anwendung gekommen sei. Der Glanz könnte aber auch
von einem anderen Bindemittel herstammen, denn die Temperamalereien, die
mit dem ganzen Ei (Eigelb und Eiklar) hergestellt werden, haben auch einen
gewissen matten Glanz, besonders wenn der Unterputz gut geglättet ist.

Ein mir zugesandtes Stück des Untergrundes zeigte auf sehr porösem
Kalkstein einen dichten Verputz, wie der in der obigen Untersuchung be-
schriebene; Glanz war an diesem Stücke keiner zu bemerken. Die gelbe
Ockerfarbe, die den ganzen Grund bedeckte, brauste beim Beträufeln mit
Salzsäure sofort auf, ein Beweis, dass Kalk im Verputz enthalten war; die
Farbe löste sich aber nicht in Schwefeläther, ebensowenig die noch auf dem-
selben Stücke aufgetragene dunklere Ockerfarbe und die schwarzen Streifen,
woraus hervorgeht, dass kein Wachs, kein Oel und kein Harz in der Farbe
enthalten sein konnte, sondern Leim, Ei oder eine Gummiart. Tatsächlich
wurden diese Farben, das Schwarz ganz leicht, weniger leicht die dunkle
und am schwersten die gelbe Grundfarbe von einfachem Wasser aufgelöst.
Dieses Stück stammte vom Sockel und es hatte den Anschein, dass der gelbe
Grund entweder sehr bald nach der Fertigstellung des Mauerwerkes oder aber
vielleicht mit Milch angerührt aufgestrichen war.

Ein zweites Stück Bewurf mit roter Farbe, von der Zone der Figuren
entnommen, zeigte mehr Oberflächenglanz; Schwefeläther löste auch diese
Farbe nicht. Aber der Versuch, eine Wachsseife, die mit Leimfarbe gemischt

— 221

Tonzylinder

worden, du roh Schwefeläther zu lösen, zeigte je nach der Menge des zuge- , v ub 5 rsi< i ht •

• r ,’r ,. r , j. Wandmalerei

setzten Leimes eine geringere Lösbarkeit des Wachses. Wenn demnach die

genauere chemische Analyse des Stuttgarter Laboratoriums zur Annahme ge-
langt ist, dass der Glanz durch Wachs erzielt worden sei, so kann als wahr-
scheinlich angenommen werden, dass dasselbe der Farbmasse schon beigemengt
war, denn die Auflösung des Wachses in Terpentinöl ist im XI. — XII. Jh.
nicht bekannt gewesen.

Merkwürdig sind in Burgfelden noch die zylindrischen hohlen Tongefässe,
welche hinter dem Malgvund in regelmässigen Abständen in die Mauer ein-
gesetzt sind, wie es scheint, um den Malverputz zu tragen, weniger um den-
selben zu entfeuchten, wie andere Erklärer meinen 12 .

In derselben Nummer der Bauzeitung (1894 Nr. 2) finden sich Abbil-
dungen dieser Tonzylinder und es scheint aus deren Anordnung in drei waag-
recht übereinander befindlichen Lagen mit gleichen Zwischenräumen in Bezug
der Höhe hervorzugehen, dass es wahrscheinlich die Rüstlöcher gewesen sind,
die auf diese Weise mit den Tongefässen ausgefüllt und diese letzteren, mit
der Bodenseite nach aussen, zu dem Zwecke angebracht waren, um möglichst
schnell die Höhlungen auszufüllen. Die Höhe des Zwischenraumes zwischen
den einzelnen Lagen der Tonzylinder entspricht übrigens der noch heute
üblichen normalen Rüsthöhle, denn die kleine Kirche wurde, wie es noch viel-
fach geschieht, „von innen nach aussen» gebaut, so dass die Rüstbalken mit
der Höhe des Gebäudes gelegt wurden; beim Abrüsten muss dann natur-
gemäss die oberste Rüstung zuerst entfernt werden, und um die Löcher, die
da bleiben zu vermachen, dienten diese Tonzylinder. Derartige Tonzylinder
wurden übrigens in mittelalterlichen Bauten zur Erleichterung der Kreuzge-
wölbe vielfach verwendet, wie man glaubte, um die Resonanzfähigkeit zu er-
höhen, nicht allein in Deutschland, sondern auch in Italien; Morelli (Notizie
d’opere di disegno S. 41) erwähnt, däss „irdene Geschirre unter der Dachung
der Kirche S. Erculino und S. Martino in Mailand angebracht wurden, um die
Gewölbe vor dem Einfiuss der Feuchtigkeit zu schützen», zweifellos sind sie
aber zur Erleichterung der Gewölbe eingefügt worden. Der gebrannte Ton
hat überdies das gute, die Bewurfmasse sehr fest an sich haftend zu machen
und auch durch den nach hinten befindlichen Luftraum zur Trocknung bei-
zutragen, so dass die alsbaldige Bemalung keine Verzögerung erlitt.

Von glattem und glänzendem Bewurf, der als eine Art Nachklang der
römischen Art der Wandbemalung angesehen werden könnte, sind in Deutsch-
land keine Beispiele bekannt geworden, wie wir es an einzelnen Stellen Nord-
italiens mitunter finden 13 .

„Das gotische Bausystem mit seiner Tendenz, die schweren Mauermassen Gotischer Stil
aufzulösen, die W T ände zu durchbrechen, die Zwischenräume der tragenden
Pfeiler mit breiten Fenstern auszufüllen, entzog der Malerei die breiten Wand-
flächen und entzog infolge steigender Vorliebe für reiche und kunstvoller aus-
gestattete Gewölbeformen ihr auch bald die Gewölbekappen, welche ihr ausser
den Wandflächen der romanische Stil zur Verfügung gestellt hatte. Bald war
sie im wesentlichen auf die Verzierung architektonischer Glieder beschränkt.»

Zu den ältesten Denkmalen frühgotischer Wandmalereien gehören die Alte Malereien
seither durch Abbruch zu Grunde gegangenen Wandgemälde der Deutsch-
ordenskirche zu Ramersdorf im Siebengebirge 14 , von welchen Pausen und

(205)

12 vergl. Dr. P. Weber, die Wandgemälde zu Burgfelden, Darmstadt 1896, S. 67.

18 Herr Architekt Prof. Dr. G. v. Seidl (München) teilte mir mit, dass er in S. Zeno
zu Verona Steinpfeiler mit glänzend glattem Bewurf gesehen habe, die bemalt waren.
Morelli (S. 46 des zitierten Werkes) erwähnt nach Cesarino Wandgemälde im Schlosse
zu Pavia, die „so glatt und glänzend sind, dass man sein Gesicht darin spiegeln sieht»
und spricht von alten Gemälden im erzbischöfl. Hof und in S. Guan de Conco zu Mai-
land, „welche bis zum heutigen Tage glänzen wie Spiegel»; er behauptet, dass die-
selben von der Hand alter Meister herrühren (s. m. Maltechn. d. Altert. S. 106).

14 Die hier folgenden Notizen entnehme ich dem Werke von Aus’m Werth,
Malereien des Christ. Mittelalters in den Rheinlanden, Leipzig 1879, S. 21: Bei allen
Heiligen war der Nimbus vergoldet; die Sterne an den Deckengemälden und viele

— 222

Übersicht
Wandmalerei

(206)

Burg
Runkelstein

Aquarellkopien im Berliner Kupferstichkabinett aufbewahrt sind; dann die noch
erhaltenen (für gewöhnlich nicht sichtbaren) Malereien an den Chorschränken
des Kölner Domes, welche um das Jahr 1322 entstanden sein sollen. Die
Darstellungen sind zwischen gotischer Umrahmung und in Arkaden eingeteilte
Wandfelder eingefügt; hierher gehören die unter der Tünche gefundenen
Reste in der Abteikirche St. Peter und Paul zu Weissenburg im Elsass, die
halberloschenen Malereien im Glockenturm der Kirche Rosenweiler bei Ros-
heim (jüngstes Gericht), in der Dominikanerkirche zu Gebweiler der Kopf des
hl. Christophorus, unter welchem der Name des Künstlers zu lesen war:
Dis : Machte: Werlin : zun : Burne 15 .

Erwähnt seien noch die gleichfalls unter der Tünche aufgefundenen
Malereien im unteren Teil des Turmes der Kirche in Niederzwehren (Hessen);
die Darstellung besteht in einzelnen heiligen Figuren in gotischer Umrahmung,
welche sich über dem kleinen (plastischen) Tabernakel bis zur Höhe der
Wand aufbaut. Die Mittelfigur ist der hl. Christophorus. Der Kreuzwölbung
entlang zieht sich ein ziemlich roh in Rot und Blau gehaltenes Rankenwerk.

Der erste Anwurf der Steinmauer ist sehr fest, aber die darüber befind-
liche Malschichte mit ihrem Gemisch von Kalk, Lehm und Strohsplittern ist
so morsch und weich, wie die meisten auch jetzt noch gebräuchlichen Bewürfe
der Gegend. Die Malerei scheint mit Kalkfarbe aufgetragen zu sein, doch
sind durch die mehrfache spätere Uebertünchung und deren Abnahme manche
Teile, besonders die Köpfe, vernichtet worden.

In gleicher Technik und auf noch schlechterem Verputz (gelber Lehm-
mörtel) erscheinen einige Bilder in der Burg zu Marburg a. d. Lahn ausge-
führt, die sich in zwei Nischen der ehemaligen Kapelle finden.

Besser- erhalten sind die Wandmalereien in der Krypta des Baseler Mün-
sters (veröffentlicht von A. Bernoulli in den Mitteilungen der histor. und
antiquar. Gesellschaft zu Basel. Neue Folge I. Basel, 1878.).

Zu den hervorragendsten Wandmalereien dieser Art gehören aber die
Gemälde der Burg Runkelstein bei Bozen in Tirol, „ein köstliches Denk-
mal, das über die Art malerischer Ausstattung des Wohnhauses willkommenste
Aufklärung gibt». Sie entstanden im letzten Jahrzehnt des XIV. Jh. auf
Geheiss des Niklas Vintler, dessen Wappen wiederholt, abgebildet ist.

Technisch bemerkenswert ist, dass bei manchen der Bilder ein Grund von
roter Farbe, selbst unter Blau angebracht worden ist ; sehr deutlich sieht man
dies bei der linken Partie der freien Galerie mit den Bildern von Helden und
Liebespaaren. Die Aufzeichnung selbst ist, soweit es nicht nachherige Re-
staurierungen sind, meist mit gleicher roter Farbe aufgetragen. Fresko-
malereien im späteren Sinne sind hier nicht vorhanden, wohl aber eine Tem-
peramanier auf mit Kalkfarbe vorgestrichener Wandfläche. Italienischer Ein-
fluss in der Verdeterra-Dekoration des Tanzsaales mit der Legende von Tristan
und Isolde sowie in der unteren offenen Halle ist unverkennbar.

„Eine Erklärung dafür, dass in den Runkelsteiner Bildern frühere mit
späterer Zeit sich zu vereinigen scheint, liegt wohl in der umfassenden Re-
schwarze und violett schillernde Verzierungen auf den roten Gewändern zeigen Spuren
von metallischer Substanz und waren vielleicht versilbert. Alle Figuren waren mit
Rot gezeichnet und zeigte sich zuweilen mehrfache Ueberzeichnung, so dass da, wo
die anderen Farben verschwunden waren, die richtige Form oft schwer herauszu-
finden war. Die Bilder und Uebermalung der Säulen und Rippen etc. war in Tempera-
malerei ausgeführt.

Die Flächen der Kirche und der Chöre, worauf die Bilder gemalt waren,
bestehen aus einem glatten, fein geschliffenen Stuck; dagegen ist der Verputz an den
Spitzbogenfenstern und den kleinen Chören, im Mittelchor 2 — 3 Fuss (resp. 4 — 5) von
unten herauf und an den Kirchenwänden herum rauh und grobsandig. Der obere
Teil der Rundbogenfenster besteht aus dem glatten und feinen Verputz und sind auch
die auf dem unteren rauhen Teil herablaufenden Arabesken darauf nachgemalt. Die
herrschenden Farben sind: Rot, Blau und Gelb. Grün kommt seltener vor. Die Fi-
guren im Kircheninnern sind meist auf blauen Grund, die in den Fensternischen farbig
auf weissen Grund gestellt. (Aufzeichnungen des Malers Hohe, welcher diese Bilder
aufdeckte und abzeichnete 1845.)

15 Janitschek, Geschichte der deutschen Malerei S. 193.

— 223 —

stauration, welche im Auftrage Maximilians I. durch den Brixener Maler Fried-
rich Lebenbacher von 1506 bis 1508 ausgeführt wurde. Auf die ursprüng-
liche Durchführung lassen die Reste der Bilder aus der Wigaloisdichtung in
der unteren Halle einen Schluss ziehen. Diese sind in schwarzer Umriss-
zeichnung auf grünem Grund ausgeführt. Lebenbacher schuf dann umso mehr
aus sich heraus, wo er erloschene Züge fand. Dazu suchte er die malerische
Wirkung zu erhöhen, indem er die feinen alten Umrisse mit grösserer Kraft
nachzog und wirkungsvolle Lichter aufsetzte. Die roten Fleischtöne in ein-
zelnen Tristansbildern gehören einer noch späteren Restauration an». (Janit-
schek, S. 199).

Die Art, auf Wänden zu malen, wie sie Theophilus beschreibt, hat sicfi
traditionell durch die ganze gotische Periode erhalten; es war stets dieselbe,
mit Kalkfarben auf angefeuchtete Mauer zu malen und dann nach dem Trock-
nen mit anderen Bindemitteln die kostbaren Azure und Lacke mit Ei, sowie
die Vergoldungen mit der Oelbeize anzubringen. Die allgemeine rötliche
Farb-Unterlage, welche bei Vergoldungen nötig ist, bei Fleisch dann durch
Grün (Prasinus) ersetzt wurde, ist für Malerei auf Mauer eine grosse Er-
leichterung, denn ein Grundton wird der malerischen Zusammenstimmung des
Bildes nur förderlich sein können, während ohne einen solchen allgemeinen
Grund die stark ins Helle auftrocknenden Kalkfarben sonst sehr leicht an
Tiefe und Klarheit verlieren. Viele spätere Freskomaler haben an diesem
Prinzipe festgehalten.

Mit Theophilus (K. XV.) stimmt auch noch Le Begue’s Angabe (Nr. 315,
s. oben S. 152) überein; die Tradition hat sich somit bis ins XV. Jahrhundert
erhalten; neben dieser Kalkfarbenmalerei treten noch für trockene Mauer ein-
zelne Manieren auf, die St. Audemar besonders beschreibt; wir haben gesehen
(S. 151), dass er z. B. Minium (Mennig) auf Wänden mit Gummiwasser
mischt und dass er Lazur auch mit Maultier- oder Gaismilch anrührt, offenbar
für Mauermälerei.

Aber schon frühzeitig bricht sich die Oel färbe für die Malerei auf
Mauer Bahn und erscheint zur Ausschmückung bei Bemalung von Stein-
figuren in Profan- und Kirchenbauten. Aus dem Beginn des XIII. Jh. datieren
bereits sichere Nachrichten, welche den Gebrauch von Oelfarben bei der Mauer-
malerei bezeugen; das kann auch nicht Wunder nehmen, da ja die Ms. des
Theophilus und Heraclius die Oelmalerei ausführlich genug beschreiben. Aus
dem nordwestlichen Teile Europas, aus England, stammen die ältesten der-
artigen Nachrichten, von denen hier einige erwähnt seien:

Nach Walpole (Anecdotes of Painting in England 1762. IV. I. S. 6)
wurden unter Heinrich III. die Gemächer der Königin in Westminster mit Oel-
farben ausgemalt.

1239 erläast der König eine Geldanweisung für Oel, Sandaraca und
Färben.

In den Rechnungen für Malerarbeiten in der Camera regis findet sich
die Ausgabe für einen Wagen Kohlen, offenbar zum Kochen oder Trocknen
des gleichzeitig mit 16 Gallonen verzeichneten Oeles (1274 — 1277). Von
1277 — 1297 gibt Walpole eine weitere Reihe von Arbeiten in Oel an:

1289 erfolgte eine Ausbesserung der painted Chamber unter Eduard L,
zu welchem Zwecke Bleiweiss, Oel, Firnis verbraucht werden, desgleichen 1292.

Aehnliche Beweise für die Ausbreitung der Oelmalerei im Norden
Europas lassen sich im nächsten Jahrhundert in noch grösserer Zahl erbringen,
woraus man die stetige Ausdehnung dieser Technik erkennen wird.

1325 erscheinen unter den Rechnungen der Kathedrale zu Ely in
England Ausgaben für Oel, womit die Statuen und Figuren auf den Säulen
bemalt wurden.

Von 1336 datiert eine Rechnung für im ganzen 48 Flaschen Oel für
Malerei und Firnisbereitung, 1339 und 1341 „zur Mischung von Farben».

Die Rechnungsauszüge für die Ausschmückung der St. Stephan – Kapelle
aus den Jahren 1352 und 1353 bringen grosse Quantitäten von Oel, einmal 19,

Übersicht
Wandmalerei

( )lmalerei
auf Mauern

England

(207)

— 224 —

Übersicht
Wandmalerei

Ölmalerei
in Italien

Geringe Dauer

von
Oelmalereien

(208)

dann 8 Flaschen Maleröl (oleum pictorum), einmal sogar „70 Flaschen dieses
Oeles zur Bemalung derselben Kapelle». Die Bezeichnung „Maleröl» zeigt,
dass das gewöhnliche Oel sohon einer bestimmten Operation unterzogen
worden sein muss, denn auch der dafür gezahlte Preis ist mitunter mehr als
dreimal so gross, als der für das gewöhnliche in den früheren Rechnungen.
Entweder war es gereinigtes, oder zu Firnis eingekochtes Oel, was wohl den
höheren Preis und seine Eigenschaft als „Maleröl» rechtfertigt. Aus Heraclius
haben wir derartige Prozeduren zur Reinigung des Oeles ersehen können. 16

Wie im Norden, so häufen sich auch im Süden Beweise auf Beweise für
Bemalung von Wänden, Säulen und Statuen mit der Oelfarbe. Zunächst
müssen wir annehmen, dass es Leinöl gewesen ist, denn Versuche, welche
ein Zeitgenosse des Giotto, der Florentiner Giorgio d’Aquila bei der Aus-
schmückung einer Kapelle in Pinerolo mit Nussöl machte, scheinen von keinem
günstigen Erfolg gewesen zu sein; denn „das Oel hatte den Erwartungen
nicht entsprochen» (quia [oleum] non erat sufficiens in pingendo capellam;
Veronozza, Giornale Pisano 1794). Bei der Bemalung der Jakobskapelle in
Pistoja wird ausdrücklich Leinsamenöl angegeben (Oiampi, Notizie inedite della
Sacrestia Pistojese, Firenze 1810, S. 146).

Die grosse Menge des verbrauchten Oeles in den englischen Rechnungen
kommt daher, dass die Wände und das Steinmaterial mit Oel getränkt wurden
und mehrfache Schichten übereinander gestrichen werden mussten, wie aus
dem Kap. XXV des Heraclius hervorgeht. Darin liegt aber auch die Haupt-
ursache des baldigen Verderbens der Malerei, so dass von allen diesen Male-
reien nichts auf uns gekommen sein kann.

Man vergleiche, was Pettenkofer (Ueber Oelfarbe und Konservierung
der Gemälde-Gallerien, Braunschweig 1870, S. 10 ff.) über die Dauerhaftigkeit
der Oelfarbe sagt, und man wird finden, dass die Erhaltung von Oelmalereien
ohne fortgesetzte Restaurierung ganz unmöglich ist. Oelfarbe aber auf Wänden
geht unter allen Umständen zu Grunde, weil das Oel nach dem vollständigen
Trocknen seinen molekularen Zusammenhang verliert. „Jedermann ist be-
kannt, dass im Freien keine Oelfarbe länger als einige Jahre aushält, gleich-
viel ob sie auf Holz oder Eisen oder Glas aufgestrichen ist; sie lässt sich
zuletzt immer als Pulver abreiben . . . .» „Oelanstriche im Freien, aber unter
Dach, halten ungleich länger, wenn auch sonst die Luft von allen Seiten Zu-
tritt hat . . . Aber auch in geschlossenen Räumen, in Sälen und Zimmern
verlieren die Oelanstriche allmählich ihren molekularen Zusammenhang und
zwar ganz aus denselben Ursachen wie in der freien Luft, wo es nur schneller
geht, in dem Masse, als im Freien die Einflüsse häufiger wirken und stärker
sind.» „Der Untergang der Oelgemälde ist daher nur eine Frage der Zeit,
wenn nichts geschieht oder geschehen kann, diese Einflüsse der Atmosphäre
zu beseitigen oder sie unschädlich zu machen.»

Soweit als unsere Quellennachrichten zurückreichen, ist nirgends etwas
darüber zu erfahren, aber doch anzunehmen, dass die mit Oel bemalten Wand-
fläohen im XIII. und XIV. Jahrhundert gefirnisst wurden, denn dieser Firnis
würde wohl für einige Zeit dem Uebelstand des Verfalles der Oelmalerei Ein-
halt getan haben; aber „nach einiger Zeit wird ein gefirnisstes Oelgemälde
wieder trüb, denn der Firnis stirbt (nach Umständen bälder oder später) wieder
ab, verändert sich, wird schimmlig, taub, blind oder wie man sonst die Er-
scheinung nennt», welche Pettenkofer schon bei Tafelgemälden so drastisch
schildert; um wie viel schneller müssen erst Gemälde zu Grunde gehen, die
auf stets mehr oder minder porösen und deshalb feuchten Wänden mit Oel-
farbe geraalt wurden!

Aus den eben auseinandergesetzten Ursachen, die in der Natur des Ma-
terials liegen, werden wir kaum ein Wand-Oelgemälde aus dem XIII. bis XVI.
Jahrh. irgendwo mit Bestimmtheit nachweisen können, obschon die Schrift-
quellen zahlreiche Nachrichten darüber enthalten.

vergl. Eastlake, Materials S. 49 u. ff.

225 —

Will man die Technik der Wandmalerei in den mittelalterlichen Epochen
zusammenfassen, so ergibt sich nach den obigen Ausführungen etwa folgendes
Schema :

Vom IX. -XL Jahrhundert herrscht noch keine bestimmte Manier vor
(Lucca-Ms., Mapp. olav.)

Das XII. Jh. und die Folgezeit bis zum XV Jh. kennt die Malerei auf
der befeuchteten Wand mit Farben, die mit Kalk gemischt sind, wobei ein-
zelne Farben und Zierate mit Ei oder Tempera gemalt wurden. (Theoph.,
Le Begue )

Gleichzeitig tritt vom XIII. Jahrhundert an die Oelmalerei zuerst für
Steinfiguren (die im Freien zu stehen kommen i, dann auch auf Wänden in
den Vordergrund, um alsbald im Norden Europas sich vollkommener auszu-
breiten. (Heraclius, Die Rechnungen von Westminster und St. Stephans –
Chapel in Ely.)

Das Strassburger Ms. (XIV. — XV. Jh.) führt noch die Malerei mit Leim-
farben „uff muren» an und erwähnt ganz besonders (78) die Oeltränke („uff
steinen und uff muren die sol man vor mit öli trenken»), ehe man die Ver-
goldung aufstreicht; dasselbe ist in dem Münchener Kodex des XV. Jhs.
vorgeschrieben.

In direkter Folge der Oel Vergoldung, welche wir schon in der Notiz
des Aetius (VI. Jh.) nachgewiesen haben und welche, wie sich aus der Natur
der Sache selbst ergibt, vor allem auf Stein und Mauerwerk angebracht war,
musste die Oelmalerei selbst sich herausgebildet haben. Die Oelvergoldung
und die aus der Enkaustik entwickelte Harzölmalerei der byzantinischen
Translucida-Technik sind meiner Meinung nach die grundliegenden Faktoren
für die Oelmalerei der frühmittelalterlichen Zeit geworden. 17

Übersicht
Wandmalerei

III. Tafelmalerei.

Dieselben Gründe, die der Oelfarbe die Wandflächen eroberten, waren
selbstverständlich auch massgebend bei den Tafelbildern. Aber auch bei diesen
mussten sich dieselben Uebelstände einstellen, so dass wir heute auch kaum
mehr sichere Oelgemälde aus dem XIII. und XIV. Jahrhundert nachweisen
könnten, da solche, wenn sie überhaupt noch vorhanden sind, bis zur Un-
kenntlichkeit verdorben sein müssten.

Viel besser ist es mit jenen Tafelbildern bestellt, die in einer der Tech-
niken gemalt sind, die wir bei Theophilus kennen gelernt haben und die
herrschende bis ins XV. Jahrhundert (neben der Oelmalerei) gewesen sein
muss, nämlich die Kirschgummi- Eiklar -Technik mit darauffolgendem Firnis-
überzug.

Durch vielfaohe vergleichende Proben, die in dieser Technik ausgeführt
wurden (Abb. 15) und durch das Studium noch erhaltener Gemälde der ältesten
Perioden konnte die vollkommenste Uebereinstimmung der mitteleuropäischen
Schulen, wie der kölnischen, westphälischen, der Prager und der nieder-
bayerischen des XIV. Jahrhunderts konstatiert werden.

Tafel-Gemälde aus der Zeit vom Ende des XIII. bis zum Ende des XIV.
Jahrhunderts sind verhältnismässig nicht selten, es ist nur schwer unter diesen
genau zu bestimmen, welche mit Oelfarbe und welche mit der gefirnissten
Gummitempera gemalt sein könnten. Interessante Beispiele für diese letztere
finden sich in der Gemäldesammlung des Rudolphinum in Prag (altböhm.
Meister, Theodorich von Prag); im Nationalmuseum zu München (Flügelaltar
aus dem Schlosse Pähl in Oberbayern, 1880—1420), 4 Tafeln eines Altars in
gleicher Technik Nr. 214 — 247); hauptsächlich bietet das Kölner Museum
Waliraff -Richartz Gelegenheit, die Technik kennen zu lernen. Die Madonna
(Nr. 6), dem Meister Wilhelm zugeschrieben, muss in dieser Art gemalt sein.
Dabei ist zu bemerken, dass Bilder auch in gemischter Technik, d. h. teils in

Tafelmalerei

Malereien des

XIII -XIV.

Jhs.

(210)

Im Kölner
Museum

17 s. Maltecbn. d. Altertums S. 248.

15

226

Übersicht
TaMmalerei

(209)

Abb. 15. Malproben in der nordischen Technik des XIII. und XIV. Jahrhunderts.
(Versuchs-Koll. Nr. 67—60, 79, 62 und 63.)

— 22? –

Gummitempera, teils mit Oelfarben gemalt wurden, was sich in deren
ungleichen Erhaltung ausspricht. Das Fleisch der Wilhelmschen Madonna und
des Kindes ist ungemein hell und klar, dagegen zeigt die blaue Draperie um
den Kopf Sprünge und Krusten; noch auffallender ist dies an dem bräunlich-
roten Gewand zu sehen, welches sich im Laufe der Zeit sehr geändert haben
muss; ursprünglich wird die Farbe viel satter und leuchtender gewesen sein,
so dass ich nicht anstehe zu erklären, dieser Teil des Bildes sei mit dem
Farbstoff Folium (Tournesol, Purpur der Miniaturmaler, Theoph. K. XI.) ge-
malt. Die Sprünge im Gewand und besonders in der Blume (Wicke) sprechen
deutlich für die Verwendung des Bernsteinfirnisses (Vernition).

Auch Nr. 8 (auf Leinwand gemalt) zeigt die Qualitäten der Gummi-
tempera, ebenso Nr. 12 aus Meister Wilhelms Schule. Am allerreinsten und
deutlichsten findet sich die Technik ausgesprochen in den vorzüglichen Bildern
der Passion (Nr. 24, 25, 26, Meister Wilhelms Schule), die sich in jeder Be-
ziehung der Miniaturtechnik anschliesst; die tiefe und klare blaue Farbe des
Himmels, mit den goldleuchtenden Sternen, die durchsichtigen Rosa und Grün
der Draperie und vor allem das zarte Weiss der wallenden Gewänder zeigen
den Charakter von gefirnisster Gummi- und Eierklartempera am treffendsten.

In holländischen und belgischen Galerien ist von Bildern dieser Zeit,
welche für das Studium gerade der vor Van Eyck’schen Periode von grösster
Wichtigkeit wären, überaus wenig zu finden. Einzelne wären zu nennen : Im
Museum zu Brüssel eine Madonna mit Kind (ohne Nummer»), welche noch
byzant. Anklänge zeigt (Goldornament auf der Schulter), und in der Technik
sehr an die des Meister Wilhelm erinnert; die Färbung des Fleisches ist frisch
und leuchtend, sehr weich modelliert, leider durch bräunliche Konturen ver-
unziert. Im Museum von Antwerpen: Nr. 516, Krönung der Maria; vielleicht
ist dieses Bild zum grössten Teil mit Oelfarben gemalt, jedenfalls das Orna-
ment des Teppichs mit roter Lackfarbe auf Vergoldung; Stil des XIV. .Jh.
In Amsterdam: Nr. 525, Gedächtnistafel der Herren von Montfort, im
Charakter der Kölner Passionsbilder, mit gleicher Behandlung des Hinter-
grundes, was sich noch erkennen lässt, obwohl das Gemälde „voor de deerde
mael verlicht (1770)» wurde. Nr. 528, 18 Darstellungen der Heiligenlegende
auf einer Tafel, wie sie in gotischer Zeit häufig gemalt wurden; die Gips-
schichte ist hier auffallend dick und an gesprungenen Stellen sieht man die
darunter aufgespannte Leinwand durch. Malereien mit Oelfarbe in der
von Theophilus bezeichneten Art sind wenige erhalten; sie sind meist sehr
nachgedunkelt. Eines der umfangreichsten Gemälde sind die beiden rück-
wärtigen Flügel des grossen Altares im Hauptschiff des Kölner Domes. Der
Grund ist Vergoldung auf Leinwand (oder Leder?); die das Gemälde in viele
Felder einteilende gotische Architektur ist mit Oelfarbe über dem Goldgrund
gemalt; viele Ornamente der Gewänder soheinen in der Pictura translucida
(Theoph. XXIX) ausgeführt; Stil des XIV. Jh.

Was die Reihenfolge der Arbeiten für Tafelmalerei betrifft,
so schliesst sie sich eng an die Vergoldungstechnik an, die bei jedem Ge-
mälde zuerst anzubringen war. Der wichtigste Moment ist, wie eigentlich
bei jeder Malerei, der Untergrund, auf dem gemalt werden soll. Während
der byzantinische und frühitalienische Grund für Tafelgemälde aus gelöschtem
Gips (gesso sotille) besteht, sehen wir im Norden stets die Kreide als Ma-
terial genannt; schon Theophilus nimmt neben dem gebrannten Gips die Kreide
mit Leim angemacht (K. XIX) zur Grundierung von Leder und Holz; das
Strassburger Ms. (13) präzisiert wie Theoph. diese Kreide als identisch mit
der Kürschnerkreide (creta pellicaria), der sogen. Kollerkreide, mit welcher
die Lederkoller geweisst wurden. Solche mit Leim angemachte weisse Kreide
(weisser Bolus, Pfeifenton), die reichlich in der Rheingegend gefunden wird,
dient zum „fundament dar uff man silber und golt leit daz es schön und
glantz werde». Sie eignet sich ebenso wohl für die Glanzvergoldung, zum
Assis für Miniaturmalerei, als auch um mit „Goldvarwe a Gold aufzulegen.
Diese Kreide hat aber die bekannte Eigenschaft, Oele gierig aufzusaugen

15*

Übersioht
Tafelmalerei

Meister
Wilhelm

In Holland und
Belgien

Reihenfolge
der Arbeiten

(2i n

— 228

Übersicht
Tafelmalerei

Aufzeichnung
mit der Nadel

Zinnfolie

(212)

Vergolder-
grund

und diese Eigenschaft musste naturgemäss bei der nordischen Technik von
Einfluss sein 18 .

Durch vergleichende Versuche hat sich herausgestellt, dass der fette,
byzantinische Grund (§ 6 der Hermeneia), der aus Gips, Leim, Leinöl und
Seife bestand, für die Gummi-Eiklar- Tempera sich nicht eignet, weil er zu
fest und nicht genug aufsaugend ist; die mit Vernition, dem Oelfirnis des
Theophilus, bestrichene Malerei trocknet zwar bald an der Sonne, aber die
weitere Uebermalung mit der Gummitempera erhält leicht Sprünge, wie es
Nr. 63 der Versuche zeigt. Auf dem weissen Bolusgrund sind diese Gefahren
nicht zu befürchten, wie auf Nr. 62, in gleicher Technik, nach dem Detail des
Pähler Altares ausgeführt, ersichtlich ist. 19 Bei dem Original des National-
Museums (München) kann man auch auffallend deutlich die Aufzeichnung mit
der Nadel bemerken, wie sie in byzantinischer und frühitalienischer Zeit in
den Quellen beschrieben wird.

Diese Aufzeichnung mit der Nadel, die naoh der Vorzeiohnung
mit Kohle zu geschehen hatte, ist für die weitere Vergoldung unentbehrlich.
Es ist an geeigneter Stelle schon davon die Rede gewesen (S. 121). Die
Tradition ist sich hierin überall gleich geblieben, denn ohne diese Aufzeich-
nung mit der Nadel würden die Konturen durch die nun folgende Vergolder-
arbeit erheblich beschädigt werden, weil das Gold nicht haarscharf angesetzt
werden kann; so treten aber die in den Grund vertieften Konturen überall
deutlich unter dem Golde hervor, am allerdeutlichsten, wenn der Goldgrund
geglättet worden ist (s. Nr. 59 der Versuche). Vorher wird, wie die meisten
Anweisungen besagen, der rote Bolus (Bol. armenic.) über die zu vergoldenden
Stellen mehrfach aufgetragen, um mit seiner roten Farbe die Wirkung des
Goldes zu erhöhen; grüne Erde zum gleichen Zwecke erwähnt zwar Cennini,
aber es ist mir kein älteres Werk bekannt, bei dem der grüne Grund bei
Gold sichtbar ist, während der rote Bolus-Grund an Stellen durchdringt, wo
die Vergoldung ein wenig abgeschürft ist.

Als Ersatz für die Vergoldung haben wir die Zinnfolie zu nennen, welche
entweder als Silber für Rüstungen stehen bleiben kann, oder mit farbiger
Beize, der Goldfarbe, überstrichen wurde. Die „goldvarw» des Strassb. Ms.
ist auch nichts anderes, als die wörtliche Uebersetzung von aureola oder

18 Man macht sich einen solchen Grund sehr einfach auf folgende Weise: Guter
sog. Kölner Leim, der über Nacht in Wasser geweicht ist, wird gesotten und durch
ein Sieb gegeben; die Stärke des Leimes sei derart, dass er im Erkalten leicht stockt.
Im lauwarmen Zustande giesse man eine Quantität in ein reines Geschirr und lasse
die weisse Boluskreide bei langsamen, partieweisen Einreitern sich mit dem Leime
vereinigen, ohne mit irgend einem Instrumente nachzubellen, da sich sonst leicht
Luftblasen bilden. Ist eine genügende Menge der Kreide eingesickert, dann rühre
man langsam mit kurzem Pinsel die Masse zusammen. Um das zu schnelle Erstarren
zu verhindern, ist es angezeigt, das Geschirr in ein zweites mit heissem Wasser zu
stellen. Die Holztafeln sind zuerst mit heissem Leimwasser vorzustreichen, auch ist
bei schwachem oder glattem Holz ein Aufleimen von dünner Leinwand sehr am
Platze, eventuell von beiden Seiten, um ein Werfen des Holzes zu vermeiden. Ist
diese Leimschichte gut getrocknet, dann kann die Grundierung mit der weissen Kreide
in mehreren (4—8) Schichten nacheinander, am besten an einem Tage, erfolgen, da
es nicht nötig ist, auf das vollständige Trocknen zu warten; im Gegenteil, durch das
Auftragen der Schichtungen auf das Halbnasse entsteht eine feste miteinander ver-
bundene Grundierung Die Uebung wird hier bald das Rechte herausfinden. Man
glaube übrigens nicht, durch dickere und weniger Schichten die Arbeit beschleunigen
zu können; denn dicke Lagen der Grundierung lassen sich sehr schwer so gleich-
massig auftragen als dünnere. Das nachher erfolgende Abschleifen mit Bimsstein
ist bei den dünneren Schichtungen bedeutend leichter und schneller ausführbar. Dieses
Abschleifen hat nach dem vollständigen Trocknen des Grundes nach etwa 2—3 Tagen
zu geschehen. Das Bimsstein- oder auch Glaspapierpulver kann man schliesslich durch
Ueberfahren mit einem in Wasser getauchten und ausgepressten Stück Leinen oder
Schwamm entfernen. Wenn bei dem Versuch, hernach mit der Feder auf dem fer-
tigen Grund zu zeichnen, die Tinte oder Tusche fliesst, so ist der Grund nicht fest
genug geleimt, man verbessere den Uebelstand nach Bedarf durch einen leichten
Leimüberstrich. Durch Abreiben mit feinem Glaspapier erhält man eine fast glänzende
Oberfläche.

19 m. Versuchskollekt. Nr. 57—63; Anhang I.

229 —

piotura translucida des Theophilus, welche die Zinnfolie zur Grundlage hat.
Ein sehr geeignetes Vorbild für die Verwendung der Zinnfolie zur Auszierung
fand ich im Museum Rudolphinum zu Prag an einem Bilde eines böhmischen
Meisters aus der Zeit des Theodorich von Prag, nach dem ein Teil (Wächter
am Grabe Christi, Nr. 58 d. Versuche) in der Abbildung (S. 209) gegeben ist.
Die Zinnfolie ist ausgeschnitten, mit Leim aufgeklebt, geglättet und Teile der
Rüstung, das Panzerhemd und die Knieschienen mit dem Achatstift punziert
und eingezeichnet; einzelne Details sind mit Safran und Oelfirnis „goldfarbig»
gemacht.

Im Dresdener Museum der Altertumsgesellschaft ist ein ganz besonders
hervorragendes Beispiel dieser Art vorhanden : ein St. Georg mit dem Draohen ;
die ganze Rüstung des Heiligen besteht aus Zinnfolie und ist reich mit Pun-
zierung geziert.

Die nicht vergoldeten oder anderweitig verzierten Teile wurden in weiterem
Verfolg der Arbeit mit den Farben, wie es bei Theophilus (S. 58) beschrieben
wurde, in drei aufeinanderfolgenden Schichten, zwischendurch mit Firnislagen
überzogen, weiter und fertig gemalt.

Die Uebereinstimmung der altkölnischen und westphälisohen Malweise
des XIV. Jh. mit der gleichzeitigen der böhmischen und der niederbayerischen
Meister ist hier nicht zu verkennen.

Von dem Aufschwung, den am Ende des XIV. Jahrhunderts die Tafel-
malerei nahm, ist keine Gegend Deutschlands ausgeschlossen; für die Ent-
wicklung sind aber doch nur die Städte von Bedeutung gewesen: Prag,
Nürnberg und Köln.

Gleioh nach seiner Ankunft in Böhmen — 1333 — hatte Karl der IV.
dort seine reiche Bautätigkeit begonnen. Für die malerische Ausschmückung
seiner Schlösser und Kirchen war eine Schar von Künstlern tätig, die aus
aller Herren Länder nach Böhmen gerufen oder freiwillig gekommen war.
So konnte sich anfangs 1348 eine Bruderschaft bilden, welche, wenngleich
nicht ausschliesslich aus Malern bestehend, doch in der Mehrheit von solchen
gebildet wurde. Zwei Namen treten aus der Künstlersohar kräftig hervor:
Nikolaus Wurmser von Strassburg und Meister Theodorich, der wohl aus
Prag selbst herstammte. Beide Künstler erhielten von Karl IV. besondere
Vergünstigungen. Nik. Wurmser erhielt für seinen Hof in Morin und alle
seine Güter freies Verfügungsrecht, dann volle Steuerfreiheit, das gleiche auch
Theodorich im Jahre 1367, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die kunst-
reiche und feierliohe Malerei, mit welcher er die königliche Kapelle auf Karl-
stein geschmückt habe. Neben diesen beiden waren noch italienische Künstler
giottesker Richtung und der sienesischen tätig, so Thomas von Mutina und
ein anderer, der sich unter Simone Martini’s Einfluss gebildet haben mag.
Diesen werden die umfangreichen aber sehr verfallenen Wandmalereien der
Marienkapelle zugesohrieben, während die Tafelmalereien der^überaus präch-
tigen Kreuzkapelle von Meister Theodorich herrühren.

Bei diesen Gemälden kann man, wie bei keinen ‘anderen der Zeit, die
Vorliebe für prächtige Auszierung der Vergoldung und das grosse Gewicht,
das auf solche Ausstattung gelegt wurde, ersehen. Theodorich kann gar
nicht genug solcher meist plastischer mit dem Model gemachter Ornamente
anbringen; sie bedecken den ganzen Hintergrund, die Goldgewänder und gehen
oft vom Bild aus auf den Rahmen über, wie es das Gemälde Theodorichs,
hl. Augustinus, in der Wiener kais. Galerie zeigt. (Abgebildet bei Janitschek,
deutsche Kunstgeschichte S. 203.)

Die gleiche Bestrebung der überreichen Auszierung mit Goldornamentik
ist wohl unter byzantinischen Einflüssen auch auf das Gebiet der Wandmalerei
übertragen worden. Ausser den wenigen im Kölner Dommuseum aufbewahrten
Bruchstücken derartiger Malerei sind mir bis jetzt nur zwei Beispiele bekannt
geworden: die herrliche Wenzelskapelle im St. Veitsdom zu Prag mit ihrer
an Märchen erinnernden Auszierung mit (Halb-)Edelsteinen und der reizvollen
Vergoldung der Wandverkleidung, und die Kapelle der Burg Karlstein bei

Ubersioht
Tafelmalerei

Meister

Theodorich

von Prag

Reiche
Verzierungen

280

Übersicht

(213)

Wenzels-
Rapelle

Ornamentik
mit dem Modell

Prag. Sie stammen von gleicher Hand nnd zeigen einen verschwenderischen
Reichtum in der Art der Wanddekoration, wie sie vergebens in italienischen
Kirchen gesucht wird. Man muss diese Räume gesehen haben, um sich einen
Begriff zu machen, zu welch vornehmer feierlicher Wirkung hier die Verbin-
dung der Malerei mit der Wandvergoldung gesteigert erscheint. Allerdings
machen auch die grossen geschliffenen Stücke von Amethysten, Granaten,
Karneolen usw., die ohne bestimmte Ordnung in die Wand eingefügt sind,
einen überreichen, fast barbarischen Eindruck.

Die Technik der Kapellen ist das interessanteste, was man in dieser
Beziehung sehen kann. Die Figuren in tiefen, satten Farben, die in der Gold-
umrahmung stehen, scheinen vielfach mit Oelfarben übermalt zu sein, nur
einzelne, wie die drei Frauen am Grabe und die Auferstehung zeigen noch
die ursprüngliche Ausführung. Das Gewand an der Figur des Christus in dem
Auferstehungsbild (an der Wand hinter dem Altar) ist am besten erhalten,
die weisse Farbe ist eigentümlich glänzend, als ob sie auf Silberfolie gemalt
wäre; sie könnte auch mit Gummitempera gefertigt worden sein. An abge-
sprungenen Stellen des zweiten Bildes, an derselben Wand links, sieht man
deutlich die rote Farbe durch, welche die Grundlage unter der Malerei und
der Vergoldung bildet, für die lotztere auch notwendig war (Strassb. Ms. 77).
Die plastischen, wenig erhöhten Verzierungen des Goldhintergrundes sind nicht
stückweise aufgeklebt, wie man vermuten könnte, und wie es heute die Stuck-
arbeiter machen würden, sondern mit dem Model auf einen passenden weichen
Grund eingedrückt; nach dem jetzt mürbe gewordenen gelbfarbigen Materiale
zu schliessen, mag es einer der Assisgründe sein, der auf die Wandfläche
ganz dick aufgestrichen wurde und so lange modellierfähig blieb, um die ge-
wünschte Ornamentierung vorzunehmen. Die Nimben sind stärker erhaben
und ebenso mit dem Model ausgeziert; an einzelnen Stellen waren noch kost-
bare Steine mittelst Schiffspech angebracht, was man noch deutlich an den
jetzt leeren Vertiefungen erkennen kann.

Cennini erwähnt (K. 124) eine derartige Auszierung mit Glassteinen auf
der Tafel; von den Reliefarbeiten für Mauerwerk, die er in den folgenden
Kapiteln (i25 — 130) erwähnt, passt aber nur eine auf die Technik der Wenzels-
kapelle; er bildet auf der Mauer die feineren Reliefs mit dem Pinsel, oder
giesst die Model mit Gips aus und befestigt die Formen mit Leim oder Schiffs-
pech; am ehesten wäre es denkbar, dass die Art des K. 129, den Assis mit
Vernice liquida und Mehl zu bereiten, hier zur Anwendung kam. 20

In diesen Untergrund werden die plastischen, ungemein zierlichen Ver-
zierungen, welche die Figuren einrahmen, mit dem Model eingedrückt; zwischen
den in die Wand eingefugten Edelsteinen laufen auch noch ornamentierte
Bandstreifen ; alles ist mit Beize vergoldet. Ganz ähnlich sind die Wände der
Kreuz- und der kleinen Marienkapelle auf Karlstein ausgeführt, hier nur
weniger gut erhalten. Die dort befindlichen, teilweise sehr verfallenen Wand-
malereien, die Darstellung der Apokalypse, die drei Portraits Karls IV. mit
seiner Frau und seinem Sohne, von den erwähnteu Malern gefertigt, stehen
technisch den Runkelsteiner Fresken sehr nahe, d. h. sie -scheinen in gleicher
Weise mit Kalkfarben untermalt und mit Tempera fertig gemalt zu sein.

20 Ad hoc angestellte Versuche haben ergeben, dass ein solcher Untergrund
dazu sehr geeignet war. Derartige Auszierungen mit dem Model sieht man noch viel-
fach auf Bildern und Bildwerken (geschnitzten Altären und Figuren) z. B. auf der
Umrahmung des berühmten Soester Antipendiums der kgl. Gemäldegalerie zu Berlin
(abgeb. bei Janitschek S. 162). Es gehört übrigens eine gewisse LJebung dazu, zu
beurteilen, ob, wie in der Prager Wenzelskapelle, der Model allein, oder die Manier
der geschlagenen Zinnfolie (Cennini K. 128; Lib. illuminist. S. 194 dieses Bandes) zur
Anwendung kam. Sicher lässt sich dies nur dann feststellen, wenn man die Ansätze
des Ornamentes genau verfolgt und sich vergegenwärtigt, wie es sich fortsetzt und
aneinander passt. Eine der schönsten derartigen Auszierungen ist auf dem Gemälde
der Geburt der Lieversberg’schen Passion (Pinakothek zu München) zu sehen; hier
ist der Goldbrokat des Wandteppichs ein Meisterstück dieser Art (vergl. meine Ver-
suche Nr. 70 nach einem Bilde des Jacobello).

— 231 —

Im engsten Zusammenhang mit den nordischen Techniken für Malerei
stehen auch die für kunstgewerbliche Zwecke, insbesondere die Bemalung
und die Vollendungsarbeiten für geschnitzte Bildwerke aus Holz uud Stein,
die sich in Verbindung mit der gotischen Architektur grosser Pflege erfreuten.
Die reich bemalte und vergoldete Plastik der Gotik hat im südlichen byzan-
tinischen Reiche keine Parallele, weil die griechische Kirche jede plastische
Darstellung verboten hatte; um so reicher entwickelte sich dieser Kunstzweig
im Norden. Die Innenräume der gotischen Kapellen und Kirchen erhielten
schon duroh die Glasfenster einen reichen farbigen Schmuck ; wir müssen uns
aber ausserdem auch noch das Innere überreich mit Gold und Farben ge-
schmückt vergegenwärtigen; denn, wenn an der Aussenseite schon der Reich-
tum an Figuren, Fensterkreuzen und Rosen, an Fialen und Wimpergen so
gross war, so konnte eine Steigerung im Innern nur durch Farbe und Ver-
goldung erzielt werben. Eine solche Steigerung im Innern der Kirchen war
aber unter allen Umständen in der Gotik intendiert, wie wir dies in der Ste.
Chapelle zu Paris und anderen noch erhaltenen Monumenten sehen.

Ubereioht

(214)

Abb. 16. Malerwerkstätten nach französischen Miniaturen dos XV. Jahrhunderts-

Die Arbeit des Ausstaffierens der Holzschnitzereien, wie diese Art Staffiermalerei
später noch genannt ist (Staffiermaler oder Fassmaler 21 ), folgt im Prinzip voll-
ständig derjenigen des Malers. Auf die Leimtränke wird der Ueberzug mit
feinem Gips resp. mit der weissen Boluskreide, die im Norden in besonders
guter Qualität gefunden wird (vielfach auf Leinwandunterschichten aufgetragen),
die Oberflächen geglättet, die Ornamentierung durch Erhöhung oder auf andere
Art (duroh Repariereisen) vertieft, der rote Grund, der Auftrag der Gold-
blätter usw. in genau derselben Ordnung ausgeführt, wie es die Maler auch
bewerkstelligten. Die beiden Gewerbe waren ja ursprünglich miteinander
verbunden.

Die hier eingefügten Illustrationen (Abb. 16) zeigen solche Werkstätten
nach französischen Miniaturen des XV. Jh. Wir sehen eine Malerin be-
schäftigt, in dem einen Falle eine Statue zu bemalen, in dem zweiten, ein
Gemälde zu verzieren. Sie bedienen sich dabei einer Art Tafel mit Handhabe,
von der es nicht sicher ist, ob es ein Vergolderkissen oder eine Palette ist.
Offenbar sind es Oelfarben, die sie gebrauchen, denn die zahlreichen Pinsel be-
finden sich in einem schräg gestellten Behältnis. Aus dem § 53 des Athos-
buches erfahren wir, dass bei der Oelfarbe jede Farbe ihren besonderen Pinsel

21 Der Ausdruck Fassmaler, Fassmalerei hat seinen Ursprung von dem Verbum
,fassen», soviel wie einfassen; man spricht ebenso von Fassung der Edelsteine.

— 232 —

Übersicht haben soll, und dass diese Pinsel in Oelbehältern vor Austrocknen bewahrt
(215) wurden; die Pinsel wurden auch in messingener Behältnissen mit Oel ge-
reinigt (a. a. 0.). Die Farben sehen wir auch hier in Muscheln, teilweise in
Näpfchen auf dem niedrigen Tischchen (tavolezza, tabloche) ausgebreitet.

Zur Ausschmückung von Steinfiguren diente ausschliesslich die Oel-
farbe und zur Vergoldung waren hier die Oelbeizen (Goldfarbe, mordents) im
Gebrauch. Doch kommt hierbei schon eine Mischfarbe in Aufschwung, welche
später eine grosse Rolle zu spielen berufen ist, nämlich die Emulsion von Oel
mit Gummi oder Eigelb, die wir als Vergolderbeize im Lucca Ms. und Mapp.
clav. kennen gelernt haben (S. 14), und die -sich in einer bemerkenswerten
Variante für Steinvergoldung bei Oennini Kap. 174 erwähnt findet.

Maltechnik
im Süden

Aelteste
Wand-
malereien

(216)

IV. Ueberblick über die Entwicklung der Maltechnik im Süden.

Wie im Norden, so können wir auch im Süden von Europa, namentlich
in Italien, von dem Zeitpunkte an, wo sich byzantinische Einflüsse geltend
machten, an der Hand des Quellenmaterials mit ziemlicher Gewissheit alle
jene Phasen verfolgen, die die technischen Fertigkeiten im Laufe der Zeit durch-
gemacht haben. Von Byzanz aus wurde die Mosaikdekoration naoh Italien
verpflanzt und herrschte dort vom VI. — XII. Jh. als hervorragendste Art, die
Wände der Kirchen und profaner Gebäude zu schmücken (St. Vitale und
St. Apollinare nuova zu Ravenna; SS. Cosma e Damiano zu Rom; S. Aquilino
zu Mailand, und manche andere bis zur Markuskirche in Venedig, Oapella
Palatma in Palermo u. a.).

Aber auch von ganz früher Wandmalerei sind noch einzelne Naoh-
richten und Ueberreste erhalten. „So ist im Paulus Diacrus verzeichnet, dass
die Königin Teudelinde (Gemahlin des Autharius) im VI. Jh. die Heldentaten
der ersten lombardischen Könige an den Wänden der Basilika zu Monza malen Hess.
Andere Malereien der gleichen Epoche sind in Pavia zu sehen; die Kirche
St. Nazar zu Verona besitzt in den Unterräumen Gemälde, von an eichen
Maffei spricht und die bis ins VI. — VII. Jh. hinaufreichen. Im Jahre 8l7
liess Papst Pascal I. unter dem Portikus der Sta. Cäcilia-Kirche zu Rom eine
Reihe von Wandbildern aus dem Leben der Heiligen von griechischen Malern
ausführen; aus der gleichen Schule stammen die Figuren des Christus und
der Maria in der alten Kirche St. Maria Trastevere in Rom, die grosse Ma-
donna in St. Maria della Scala in Mailand, welche beim Abbruch der Kirche
nach Sta. Fidele transferiert wurde, die Malereien der unterirdischen Kirche
der Kathedrale von Aquileia.» 22 Ueberdies finden sich in der unterirdischen
Kirche von St. Clemente in Rom bemerkenswerte Wandmalereien, welche von
Kunstforschern in das XI. Jh. gesetzt werden.

In diesen frühesten Werken der Malerei in Italien zeigt : sich die^Aus-
breitung der griechisch-byzantinischen Kunst, welche wir bis ins XII. und
XIII. Jh. ausschliesslich dort herrschen sehen. Wir haben bei Besprechung
der Hermeneia und von Cennini’s Trattatto wiederholt Gelegenheit gehabt,
auf den Ursprung der italienischen und deren Abhängigkeit von der byzan-
tinischen Kunst und Technik hinzuweisen, so dass wir uns in dem folgenden,
um die allzu vielen Wiederholungen zu vermeiden, möglichst kurz fassen
können.

Bezüglich der technischen Details bei Ausführung der Wandmalereien
in den Epochen während der Völkerwanderung und den ihr folgenden grossen
Umwälzungen im Süden Europas sind wir nur auf Vermutungen angewiesen.
Inwieferne sich die Tradition der antiken Arten der Stuccobemalung erhalten
hat und welche Uebergänge von diesen zum Stucco lustro der Italiener zu
verzeichnen sind, lässt sich kaum mit Gewissheit feststellen. Aeusserst spär-

22 Lacroix, Les Arts au moyen age, Paris 1869, S. 278; vergl. auch Burckhardt,
Cicerone II. 3. Abt. S. 508 . 511, über die ältesten Malereien in Italien und deren Zu-
sammenhang mit den Mosaiken.

— 233 —

lieh sind die Nachrichten hierüber, denn, wie dies schon erwähnt wurde (S. 18),
hat sich die Stuccotechnik. ausschliesslich in den Werkstätten fortgebildet;
sie war keine mönchische Beschäftigung und dadurch ist es erklärlich, dass
keinerlei Aufzeichnungen über dieselbe erhalten sind.

Ein Hauptmoment der alten Wanddekoration ist, wie es Plinius und
Vitruv bekanntlich beschreiben, der „wie ein Spiegel glänzende» Bewurf, der
dann bemalt wurde. Die glänzenden Flächen sollten nach Virtruv’s Be-
schreibung (De archit. VII, 3) durch Auftrag verschieden feiner Kalk- und
Marmormörtel hergestellt werden, und die „Farben mit dem letzten Auftrag
zugleich» geglättet resp. poliert werden. Es handelt sich nunmehr hier zu
erörtern, ob und wie lange sich eine derartige Uebung, wie sie die vielbe-
wunderten Gemälde in Pompeji und Rom noch heute zeigen, erhalten haben
kann. In dieser Hinsicht ist es nun interessant, auf einige Stellen aufmerksam
zu machen, die sich bei Morelli (Notizie d’opere di disegno, Bassano 1800,
S. 43 und 46) finden. Es heisst daselbst: „Die Bilder im Schlosse zu Pavia
an den Wänden sind von der Hand des Pisano (Giunta Pisano lebte Anfang
des XIII Jh.); sie sind so glatt und glänzend, dass, wie Cesarino schreibt,
man sein Gesicht darin spiegeln sieht.» Desgleichen wird berichtet: „Die
alten Freskogemälde im erzbischöflichen Hof zu Mailand und in St. Zuan de
Conca, welche bis zum heutigen Tage erhalten sind, glänzen wie Spiegel
und sind von der Hand alter Meister.» Aus diesen Nachrichten könnte man
schliessen, dass tatsächlich noch eine Tradition, glänzend glatte Bewürfe für
Malerei herzustellen, sich bis ins XIII. Jh. in Italien erhalten hat. Diese Er-
wägung findet durch eine Stelle bei Leon Battista Alberti (De re aedifi-
catoria, vollendet im Jahre 1452, gedruckt zu Florenz 1485), der als Binde-
glied zwischen der älteren und der wiedererwachenden Kunst der Renaissance
bezeichnet wird, eine sehr bemerkenswerte Bestätigung. Alberti berichtet
über den Stucko der „Alten» (Lib. VI. K. IX) folgendes: „Wenn die letzte
Schichte von reinem W T eiss (Kalk) gut gerieben wird, glänzt sie wie ein
Spiegel, und wenn, sobald dieselbe beinahe trocken ist, ein Ueberstrich von
Wachs und Mastix, mit wenig Oel flüssig gemacht, gegeben, und die so be-
strichene Wand mit in einer Wärmpfanne angezündeten Kohlen oder mit einem
Eisen erwärmt wird, so dass der Ueberstrich eingesogen wird, dann wird sie
glänzend sein wie Marmor; ich habe durch Erfahrung gefunden, dass ein
solcher Intonaco niemals gesprungen ist, wenn bei der Anfertigung im Moment,
wo sich kleine Sprünge zu zeigen beginnen, dieselben mit Zweigbündeln der
wilden Pappel oder von wildem Ginster gerieben werden. Aber wenn in den
Hundstagen oder an heissen Plätzen der Intonaco zu legen ist, zerkleinere
aufs feinste alte Taue (Werg) und mische sie dem Intonaco bei. Ueberdies
wird er aufs feinste poliert, wenn du ein wenig weisse Seife darauf tust, die
in lauem Wasser aufgelöst ist; aber nur. wenig, denn wenn du es zu fettig
machst, wird er (i. e. der Intonaco) matt/’

Es wurde schon oben (S. 90) bei Besprechung der byzantinischen Wand-
malerei und der bei dieser befolgten Methode der Wandbereitung auf diese
Gleichheit in Anwendung des Werges (Wergkalk, § 57 der Hermeneia) hin-
gewiesen, woraus wir auf eine technische Tradition schliessen könnten, die
von Byzanz aus nach Italien ging. Aber die Angaben des Alberti erinnern
andererseits wieder in so auffälliger Weise an Vitruv’s Angaben (VII 9, 3)
und selbst an Plinius’ gleichlautende Anweisungen (XXXIII 40 § I2i), dass
man zur Erkenntnis gelangen müsste, Alberti’s „Intonaco der Alten» habe
sich in direkter Uebung so lange erhalten. Selbst* die grosse Zahl der vor-
geschriebenen Mörtel- und Marmorschichten (bei Vitruv 6, bei Plinius 5) findet
sich bei Alberti erwähnt, denn er berichtet (a. a. 0.), er habe ältere Beispiele
gesehen, welche sogar neun Schiohten über einander zeigten!

Hier kann nicht der Platz sein, die^ Frage des Zusammenhanges der
antiken Stucko-Bereitung mit dem Intonaco der frühitalienischen Perioden des
genaueren zu erörtern, soviel ist aber gewiss, dass zwischen dem antiken
glänzenden Stucko, dem von Alberti beschriebenen und dem italienischen

Übersicht
Maltechnik
im Süden

Geglättete
Malereien

Alberti über
Stucko

— 234 –

Übersicht Stucko lustro unleugbare Verwandtschaft herrscht 23 . Die oben nach Morelli
(217) erwähnten „Fresken, welche wie ein Spiegel glänzen», erlangen durch diesen
Nachweis eine grosse Wahrscheinlichkeit. Das Glätten des Bewurfes
wird übrigens auch in § 59 der Hermeneia (Wie man skizzieren muss, wenn
man auf Mauern arbeitet, s. o. S. 93) gefordert, um den unebenen Wergkalk
zur Malerei vorzubereiten und dadurch einen Freskogrund zu erhalten. Ein
Glänzendwerden ist aber dabei weder bezweckt, noch durch die Kalkfarben-
malerei möglich.

Was die Beziehungen anlangt, die sich dann noch zwischen der Fresko-
malerei des byzantinischen Mönches und den Angaben des Cennini aus den
Quellen ergeben haben, so sei hier auf die betreffenden Stellen dieses Bandes
(S. 90; S. 1 12 ff) hingewiesen und hervorgehoben, dass im XIV.) Jh. die Fresko-
technik nur die Grundlage für eine weitere Ausführung der Malerei in Tempera
gebildet haben wird und die reine Buonfreskotechnik erst als eine Errungen-
schaft der späteren Zeit anzusehen ist. 24

Ein Schema für die Wandmalerei im Hinbliok auf die technische Aus-
führung lässt sich für den Süden noch schwerer sicher stellen als für den
Norden (s. S. 225). Die Tradition der antiken Malerei erfährt hier durch die
Mosaikdekoration eine erhebliche Unterbrechung, welche wohl Jahrhunderte
angedauert hat.

Was die „Greci» im XII. Jh. nach Italien verpflanzten, stand aber nicht
mehr in irgend einer Verbindung mit dem Altertum, sondern ihre Malart zeigt
schon im Grunde (Strohkalk und Wergkalk) ein vollständiges Abweichen vom
althergebrachten Marmorputz, und ein Sichanpassen an die Forderungen des
Kuppelbaues, vor allem was die Leichtigkeit des verwendeten Materials be-
trifft (s. o. S. 91).

Wie die Technik der Wandmalerei war auch die Tafelmalerei
Italiens im XII. und XIII. Jh. ganz und gar in Abhängigkeit von der byzan-
tinischen geraten, denn alle mittelalterlichen Maltechniken haben
By Binflu isch ‘ i nren Ursprung in der byzantinischen; diese selbst war aus der spät-
römischen entstanden und hatte sich durch die Vorliebe für Pracht und Reich-
tum bei der Darstellung der Heiligenbilder nach der kunstgewerblichen Seite
hin so sehr entwickelt, dass Bilder oft mehr aus Edelmetallen und kostbaren
Steinen bestanden, als aus Malerei. Stift-Mosaik und Email werden vor-
herrschend. Altbyzantinische Madonnenbilder zeigen dies deutlich; Gewänder
und Hintergrund sind gleissendes Gold, ziseliert und getrieben, reich mit Edel-
steinen besetzt. Auf Vergoldung wurde das Hauptgewicht gelegt, und so
sehen wir auch die technischen Anweisungen der ältesten Quellen darauf an-
gelegt. Das Lucca Ms. (IX. Jh.) enthält ausser Rezepten für Färbung von
Pergament, Glasmosaik und Farben genaue Angaben für Vergoldung.

In den Zeiten des Verfalles und der Pietisterei, welche dem Ende des
oströmischen Reiches vorangehen, steht die gesamte Kunst im Dienste der
Religion und des Kultus; der Reichtum der Bildausführung hält mit der hohen
Stellung und der Frömmigkeit des Stifters gleichen Schritt. Wunderkräftige
Heiligenbilder zumal werden mit Schmuck beladen, die gemalten Kronen durch
echte ersetzt und ein goldfarbiges Gewand mit einem wirklichen aus ge-
triebenem Golde bedeckt. Nichts ist von der Malerei mehr sichtbar als die
Köpfe und Hände, und diese erscheinen neben all dem Glitzern schon dunkel,
infolge der jahrelangen Aufbewahrung in Heiligenschreinen (Tryptichen) und
Schränken ganz nachgedunkelt aus. Handwerksmässig wurde das vom Konzil
zu Nicaea dogmatisierte Schema immer wiederholt; zu dieser Zeit wurden
Bilder auch mit einer Farbe, die Glanzfarbe hiess (§ 37 der Hermeneia)

23 Ueber die Frage, ob Stucko lustro eine antike Technik ist, vergl. m. Malt,
d. Altertums S. 161.

24 Auch Eastlake (I. S. 142) hat die gleiche Ansicht von dem späteren Beginne
der reinen Freskotechnik (uot in use tili close of fourteenth Century, Index II S. 418).
Eastlake bezieht sich hiebei auf Wilson, Report on Freskopainting in Second Report
of the Commissioners on the Fine Arts, S. 49.

— 235

gemalt; auf den Gewändern werden die Lichter und Faltenzüge mit flüssiger
Goldfarbe erhöht, Hintergrund und Nimben sind reich vergoldet (§ 50). Da
sich mit dieser Glanzfarbe nur schwer modellieren lässt (s. S. 87;, konnten
Fleischteile, Köpfe und Hände in anderer Technik ausgeführt werden, und wir
haben gesehen, dass das betreffende Rezept über Oelmalerei der Hermeneia
(§ öS) schon in der Bezeichnung „Naturale» es ausdrückt, dass Fleischteile
damit gemalt wurden; zudem folgt dieses Rezept unmittelbar auf die „Angabe
der Verhältnisse des menschlichen Körpers» (§ 52), welche Dionysios in
seiner Vorrede mit demselben Worte vatoupaXe bezeichnet.

Während nun die aus Wachs, Lauge und Leim bestehende Glanzfarbe
(die noch aus dem Altertume herübergenommene Wachstempera) sich
dauernd frisch erhalten kann, sind die mit Naturalefarbe (Nussöl oder Leinöl)
gemalten Fleischteile alle nachgedunkelt; wie viele sog. „schwarze Madonnen»
gibt es nicht in den verschiedenen Wallfahrtskirchen und Klöstern 1 Da die
ganze Technik nur auf Prunk und glanzvolle Aeusserlichkeit angelegt war,
konnte es nicht fehlen, dass für echtes Gold alle Art Ersatz gesucht wurde;
man malte dabei auf Silber oder Zinnfolie, die vergoldet oder nur mit gelbem
„Goldfirnis» überstrichen war. Die Anweisungen der Confectio lucidae und
De lucide ad lucidas des Lucca-Ms., sowie die Pictura aureola sive translucida
des späteren Theophilus (K. XXIX) weisen darauf hin, nicht minder manche
der noch erhaltenen altbyzantinischen Altäre und Heiligenbilder des Museo
Kircheriano oder des Museo christiano des Vatikan zu Rom (s. o. S. 16).

Neben dieser Malart, bei welcher Wachs, Oele und Oelfirnisse im Ge-
brauch waren, scheint noch die altrömische Eitempera für Tafel- und Minia-
turmalerei immer verbreitet gewesen zu sein; selbst auf Tuch malten die
Byzantiner mit Eibindemitteln (§ 27). Von diesen Eibindemitteln sind in der
Folgezeit zwei Arten zu unterscheiden : 1 . die mit Eigelb für Wandmalerei
oder grössere Tafelbilder und 2. die aus Eiklar bestehende für Miniatur und
kleinere Tafelgemälde; natürlich gab es unter diesen wieder verschiedene
Variationen.

In Italien, wohin die „griechischen» Künstler zunächst kamen und
dort Schule mächten, erkannten wir in den ältesten Bildern des Giunta Pisano,
Cimabue bis Giotto die byzantinischen Malweisen alle wieder. Im Vergleich
mit der Hermeneia des griechischen Dionysios fehlt aber im Trattatodes Cennini,
wie wir S. 105 nachgewiesen haben, vollständig die Malerei mit der Glanz-
farbe; die pictura aureola ist auf ein Minimum, nämlich die Verzierung von
Einfassungen (Kap. 97 und 98) verschwunden, und die Eitempera wird all-
gemein auf Tafel und Mauer verwendet. Die Malerei mit Oelfarben wird nicht
allein für Fleischteile, sondern auch noch zu verschiedenen Lasuren und Ge-
wändern gebraucht. (Kap. 144.) Will man also die Bemerkung des Cennini:
„Giotto wandelte die Malerkunst vom Griechischen ins Italienische» (remoto
l’arte dal greco al latino) nur vom Standpunkte der Technik betrachten, so
kann darunter nur gemeint seien, dass die rein äusserlichen Techniken,
welche keine Naturwahrheit und realistische Durchführung zuliessen, nämlich
die Glanzfarbe, der Glanzfirnis und die wirklichen Goldgewänder von Giotto
vermieden wurden, denn sämtliche anderen Techniken haben sich in dem
Trattato erhalten.

Besehen wir uns die eigentliche Technik des Malens dieser Zeit (Früh-
renaissance) genauer, so ist es die Malerei ätempera mit Eigelb und
der vielbesprochenen Feigenmilch, die einer besonderen Charakteristik
bedurfte, um den Unterschied zwischen der byzantinischen und der italienischen
Malart kennen zu lernen. Schon die Zubereitung des Malgrundes zeigte
gegenüber der byzantinischen grossen Unterschied; dieser war viel fetter und
weniger aufsaugend (S. 107).

Was das Malen selbst anbelangt, so ist über diesen Punkt in den
vorhergehenden Abschnitten ausführlich die Rede gewesen, ich kann deshalb
diesen kurzen Ueberblick über die Technik des Südens mit dem Hinweis auf
die bereits besprochenen Quellen des Lucca-Ms., des Athosbuches und des

Übersicht
Maltechnik
im Süden

(218)

Ölmalerei

C< lau z färbe Bigelb und Eiklar Ceuuinis Eitempora Übersicht — 236 — Cennini schliessen, wo auch über die Vergoldungsweise, die als Grundlage der mittelalterlichen Maltechnik; anzusehen ist, das Nötige zu finden ist. Haben sich bezüglich der Wandmalerei und der Tafelmalerei grosse Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden feststellen lassen, so sehen wir andererseits eine grosse Uebereinstimmung hinsichtlich der Minia- turmalerei. Die Gründe dieser Gleichheit liegen wohl im Materiale selbst, welohes hier weniger von den klimatischen Umständen abhängig war, als bei der Wand- und Tafelmalerei. V. Teil Die Oeltempera Ein Versuch zur Lösung der Frage von der „Erfindung der Oelmalerei» durch die Brüder van Eyck. — 239 — I. Vorbemerkung ‘ Vasari’s Erzählung von der Erfindung der Oelraalerei durch die Brüder (221) Hubert und Jan Van Eyck wurde zweiundeinhalb Jahrhunderte von der zivilisierten Welt als richtig hingenommen; nach dieser Erzählung, die gleich- lautend von dem niederländischen Kunstschreiber Van Mander in seinem Schilder- Boeck (Harlem 1604) und von allen späteren Autoren wiederholt wird, hätten die Brüder Van Eyck die Welt mit einer „neuen Art, der Oelmaierei», in der ihre berühmten Werke gemalt waren, in Erstaunen und Begeisterung versetzt; durch ihre Erfindung sollte sich der Umschwung in der Technik des Bilderraalens vollzogen haben, und alle Verdienste um die Fortschritte der Oelmaierei als solche wurden unbestritten den beiden Eyck zugeschrieben. Seit mehr als 100 Jahren bemüht sich nunmehr die Kunsthistorik, dieses Verdienst den Brüdern Van Eyck wieder abzusprechen, wobei es natür- «oelmaierei'» lieh an herben Vorwürfen gegen Vasari und seine Abschreiber nicht fehlen konnte: Vasari, dessen Vite de’ piu eccellenti architetti, pittori etc. im Jahre 1550 erschienen, und der selbst zur Malerzunft gehörte, hätte sich doch besser unterrichten können , bevor er der Mitwelt ein Märchen zum besten gab ; er hätte doch wissen müssen, dass lange vor Van Eyck mit Oelfarben in Italien selbst, in Griechenland, Deutschland und England gemalt wurde, ja er hätte sich etwas eingehender mit alleren Büchern über Malerei wie z. B. dem des Cennini beschäftigen sollen, bevor er diese „Erfindung der Oelmaierei» erfand. Was ist nicht alles schon behauptet und bestritten worden, seit Lessing in der Abhandlung „Ueber das Alter der Oelmaierei» (1774) diese Frage aufs Tapet brachte! Welche Reihe von hervorragenden Kunstforschein hat sich seither bemüht, entweder teilweise oder ganz dem Vasari Unrecht zu geben, nachdem so unumstössliche Beweise gegen ihn vorlagen 1 Aus der Handschrift des Mönches Theophilus war bereits der Ge- brauch von Oelfarbe zur Malerei im frühen Mittelalter ersichtlich; Raspe, der die Handschrift des Heraclius in der Bibliothek von Cambridge ent- deckte, warf den ersten Stein gegen Vasari; und nachdem die Handschrift des Oennino Cennini in der vatican. Bibliothek aufgefunden, die Herme- neia des Dionysios bekannt geworden, wurde es allen klar, dass die ganze Geschichte von der Erfindung der Oelmaierei durch Van Eyck ein Märchen sei, das der „Kunstschwätzer von Arezzo* der Nachwelt aufgebunden. Die hier folgende Studie will versuchen, das den Brüdern Van Eyck gebührende und so sehr bestrittene Verdienst auf Grundlage der geschicht- lichen und naturgemässen Entwicklung der Maltechnik in Verbindung mit vorgenommenen Proben wiederzuerobern ohne dabei die Richtigkeit von Vasaris Erzählung, trotz alledem, was gegen dieselbe vorgebracht worden ist, in Frage zu stellen. Keine andere Technik war bis jetzt in grössere Dunkelheit gehüllt, (222) wie die des Van Eyck, und diese wiederzufinden ist das Ziel aller Maltech- niker und Farbenchemiker. 1 Ein kurzer Bericht über das hier folgende Thema erschien zuerst in Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst, Neue Folge Bd. VI Heft 8 und 9, 1895. 240 — Vor- bemerkung Quellen-‘! Schriften Chemische Analysen Die Frage, ob wirklich nur durch die einfache Verwendung von Oelen, selbst wenn diese noch so gereinigt oder mit allerlei Mitteln schneller oder langsamer trocknend gemacht sind, die wunderbaren Effekte der althoiländischen oder altkölnischen Meister des XV. — XVI. Jh. erzielt werden könnten, ist bis- lang trotz aller Bemühungen nicht gelöst worden , denn hier stehen sich die Ansichten diametral gegenüber; die Van Eycktechnik ist bis jetzt das schwierigste Problem und das grösste Rätsel der gesamten Mal- technik geblieben. Was für Mittel ständen uns nun aber zur Verfügung, um dieses Rätsel zu lösen? Vielleicht die Quellenschriften und die kunstgeschichtlich fest- gestellten Tatsachen ? Es wird aber jedem der sich einigermassen mit diesem Teil der Quellen befasst hat, bekannt sein, dass diese uns gerade hier im Stiche lassen oder Verwirrung angerichtet haben, denn die Quellen haben zur Genüge bewiesen, dass die Anwendung des Oeles als Bindemittel zur Zeit der Van Eyck längst keine neue Erfindung gewesen ist. Oder die chemi- schen Untersuchungen? Diese müssten doch das Rätsel zu lösen im- stande sein! Aber auch die chemischen Untersuchungen werden im besten Falle nur für die untersuchten Objekte massgebend sein können und es müssten sehr viele gleichartige angestellt werden, um das Resultat verallgemeinern zu können. Die Ansicht des Chemikers Dr. Borucki ist (S. 219) bereits erwähnt worden, nach welcher es zweifelhaft ist, ob selbst die bemalte Fläche eines ganzen Bildes hinreichen würde, um eine resultatvolle Untersuchung anzu- stellen. Wer würde aber zu diesem Zweck wohl ein Bild von Dürer, Holbein, Van Eyck, Kranach oder selbst eines Meisters zweiten Ranges opfern? Chemische Untersuchungen an alten Bildern sind schon vielfach ge- macht worden und haben auch zur Kenntnis der Technik sehr viel beige- tragen; ich erinnere nur an diejenigen von Dr. Branchi, welche über die Technik des Giunta Pisano und seiner Zeit Aufschluss geben (s. oben S. 105), und den Gebrauch des Wachses in der Zeit von Giotto nachgewiesen haben. Eine chemische Analyse wurde an einem Gemälde des Thomas von Mutina (blühte Mitte des XIV. Jh.) gemacht und ergab, dass dasselbe mit feinstem Gummi und Ei gemalt war. Dieses Gemälde wurde für ein Oelgemälde ge- halten (vergl. Fiorillo, Geschichte der Malerei in Italien, T. II S. 243). Ein anderes Bild desselben Thomas von Mutina zeigte bei der chemischen Analyse entgegengesetzte Resultate, es schien nämlich nur mit Oelfarbe gemalt zu sein. Schon aus diesem einen Fall, wo zwei Bilder des nämlichen Malers ganz divergierende Resultate ergaben, ersieht man, wie ungewiss es wäre, Schlüsse für das Allgemeine zu ziehen. Cicognara (Istoria della scultura T. II S. 333) bezweifelt, dass eine chemische Analyse alter Bilder zu dem Resultate führen könnte, ob es in Oel gemalt sei oder nicht, weil „auf einem Bilde, welches in Tempera gemalt, aber mit Oel gefirnisst ist, das Oel in die metallischen Farben ebenso tief ein- dringe, als ob das Bild damit gemalt wäre». Er irrt darin; wenn sich näm- lich bei der Analyse ausser dem Farbstoff nur noch Oelstoff findet, so geht daraus hervor, dass ein solches Gemälde ganz mit Oel gemalt ist; findet sich ausserdem noch Leim oder Eistoff, so beweist dieses, dass das Oel teilweise, zum Lasieren oder Firnissen, angewendet ist. Es ergibt sich aber noch ein anderer Fall, wenn nämlich der Eistoff mit dem Oele als Emulsion, oder Gummi mit Oel in gleicher Art gemischt war, dann wird die chemische Untersuchung vielleicht die einzelnen Ingredienzien erkennen können, aber unmöglich daraus entnehmen, in welcher Art und in welcher Reihen- folge dieselben verwendet worden sind. Schon bei Bildern, welche in der von Theophilus beschriebenen Art gemalt sind, wo drei Schichtungen von Kirsch- gummitempera von ebenso vielen Oelfirnislagen durchdrungen sind, würden durch die chemische Analyse auf die Technik, d. i. die Aufeinander- folge von Operationen, nur sehr ungewisse Schlüsse gezogen werden können, noch weniger bei Bildern der früheren kölnischen oder frühholländischen Schule, die vielleicht in komplizierterer Technik (Emulsion?) gemalt wurden. — .241 – Es bleiben also nur noch Versuche übrig, die zu Vergleichen mit Vorbemerkung den alten Werken herangezogen werden könnten und auch hierbei ist das (223) Ergebnis mehr als ungewiss, weil kein Mensch es erleben dürfte, die vergleichen- den Versuche durch so lange Zeitperioden beobachten zu können, als es nötig wäre, um deren Dauerhaftigkeit in gleichem Umfang nachzuweisen. Die Ursache, warum man die Lösung der Frage bis jetzt nur von einer einzigen Seite aus versucht hat, beruht, wie mir scheint, auf einem Trugschluss. Es wurde immer behauptet, dass die Van Eyck die Oelraalerei erfunden hätten (eine Behauptung, die jedoch von den Kunsthistorikern als irrig erkannt ist) und weil die Bilder der Van Eyck, Memling, Holbein, Dürer etc. „die mitOelfarben gemalt seien», sich so gut erhalten hätten, müsste die Lösung der Frage in der Bereitungsart des Oeles gesucht werden. Aber wer kann von diesen Bildern mit Bestimmtheit nachweisen, dass sie überhaupt mit Oel färben in unserem Sinne gemalt sind? Man müsste wahrlich keine Augen haben, um nicht zu bemerken, dass die Bilder des XIV. und XV. Jhs. einen ganz anderen Farbcharakter haben, welcher sich mit einem Male mit dem Ende dieser Periode ändert, und dass die auffallende Klarheit und Durchsichtigkeit alter Bilder dann im nächsten Jh. einer schweren, dunkleren Gesamthaltung weicht. Die im Folgenden versuchte Erklärung der Van Eycktechnik geht von einem anderen als dem üblichen Gesichtspunkte und zwar von der historischen und naturgemässen Entwicklung der Technik aus und stellt vorerst fest: 1. Da die Quellenschriften den ununterbrochenen Gebrauch der Oele (besonders des Leinöls) durch die Jahrhunderte ergeben haben, die Van Eyck aber nach übereinstimmenden Quellen eine gewiss bedeutende Neuerung eingeführt haben mussten, wie es ihre Bilder und die ihrer Nachfolger unzweideutig beweisen, so muss ihre Er- findung in etwas anderem bestanden haben, als in der allge- mein bekannten Mischung von Oelen mit den Farben. 2. Da die historischen Daten darin übereinstimmen, dass die Neuerungen der Van Eyck sich ganz speziell auf Oelmalerei bezogen hätten, so muss innerhalb dieser Malart sich dieUmwälzung in solchem Masse vollzogen haben, dass von einem neuen System die Rede sein kann. 3. Ein neues Malsystem bezieht sich dann aber nicht allein auf das Farbenbindemittel, sondern auf die gesamte Arbeitsfühlung, die Grundierung, Untermalung, das Fertigmalen und Firnissen. Um nun ganz genau feststellen zu können, welche technischen Neuerungen die Van Eyck zum Staunen ihrer Mitwelt erfunden und einge- führt haben, sei nachdrücklich hingewiesen auf die Abschnitte über die Mal- technik der Byzantiner (Athosbuch), der Frührenaissance (Cennini), sowie die nordischen Techniken von Theophilus bis zum Strassburger Ms. und die Ent- wicklung der Maltechnik, wie sie sich aus den besprochenen Quellenschriften folgerichtig ergeben hat; denn nur auf diesem Fundamente können wir weiter bauen und durch die Vergleichung des reichen Quellenmaterials zur Erkenntnis kommen, welche technischen Fertigkeiten den Malern der Zeit vor Van Eyck bekannt und sowohl im Süden als im Norden verbreitet waren. Daraus wird sich dann erst feststellen lassen, welche Neuerungen möglich waren und wahrscheinlich eingetreten sind. 16 242 — II. Ansichten über die Technik der Van Eyck (224) Gelegentlich der Darstellung der Maltechnik bei den Italienern des XV. Jahrhunderts haben wir bereits den Punkt berührt, dass Nachrichten von einer besonderen Art von Oelmalerei aus dem Norden nach Italien gelangten. Cennini (K. 89) berichtet nämlich von Malerei mit Oelfarben auf der Tafel oder Mauer, „wie dies vorzüglich die- Deutschen im Gebrauch haben». Hierbei ist vor allem in Erwägung zu ziehen, ob sich die Tech- nik der Malerei im Norden, in Frankreich, den Niederlanden oder Deutschland in einer anderen Weise entwickelt haben könnte als in Italien. Allern Anscheine nach war es die Miniaturmalerei, an welche sich die Tafelmalerei in jenen Gegenden angeschlossen haben wird. Diese letztere Technik war im Norden, wie wir gesehen haben, schon frühzeitig in hohem Grade entwickelt, jedenfalls auch hier infolge des all- mächtigen byzantinischen Einflusses während der karolingischen Periode. In Prankreich sahen wir im XIII. Jh. ausgebreiteten Gebrauch der Kunst- fertigkeiten aller Art, und in Flandern, sowie in der Rheingegend ganze Zentren für Kunsttätigkeit erstehen. Gerade in der ersten Hälfte des XIII. Jhs. muss die Kunst am Nieder- rhein besonders in Blüte gestanden sein, wie aus der Stelle bei Wolfram von Eschenbach hervorgeht, worin die Maler von Köln und Mastricht gleichsam sprichwörtlich als die besten von Deutschland gepriesen werden (Parcival III, 1296). Maiweisen des In den Abschnitten über die Technik des Heraclius, Theophilus, sowie des Strassb. Ms., wurde wiederholt und ausführlich auf die charakteristischen Merkmale der Malweisen des Nordens, auf die eigentümliche Art der Malerei mit Kirschgummitempera und darauffolgendem Firnissen, sowie auf die parallel gehende Manier des Strassb. Ms. mit Leimtempera (nebst Honig und Essig) aufmerksam gemacht und hervorgehoben, dass die Vorteile dieser Malart darin bestanden, dass der Maler mehrere Male seine Arbeit durch das Ueberstreichen des Firnisses in voller Wirkung sehen und durch nochmaliges Malen das Fehlerhafte ergänzen und vollenden konnte. Der Unterschied zwischen dieser nordischen und der altita- lienischen Tempera wird sofort klar werden, wenn hinzugefügt wird, dass mit der italienischen Feigenmilch-Eitempera, die im Norden das Jahr hin- durch kaum zu beschaffen war, nicht weiter übermalt werden konnte, sobald die Malerei eine Firnislage erhalten hatte. Die italienischen Maler der Oennini’schen Zeit mussten sich bis zum Fertigmalen der Eitemperä bedienen, ohne vorher firnissen zu können. Sie konnten allerdings beim Fertigmalen auch noch die Oelfarben (zu Gewändern und Lasuren) anwenden, während man es im Norden in der Hand hatte, zwischen den Firnislagen sich (noch dreimal) der Gummi- tempera oder der Oelfarben zu bedienen. Dieser prinzipielle Unterschied konnte durch die genauen Angaben bei Theophilus und Le Begue, sowie durch systematische Versuche festgestellt werden, und darauf ist besonders hingewiesen worden, weil dies alles für die weitere Entwicklung von grossem Belang ist. Nordeus — 243 — Vorzüge der Uummitem- pera Nachteile Die ölgefirnisste Gummi temp er a, welche Theophilus neben die Malerei (225) mit in Oel geriebenen Farben setzt, mussten wir als die Technik der vor Van Eyck’schen Neuerung erkennen ; in dieser Technik haben die ältesten Kölner, westphälischen und flandrischen Maler, deren Namen uns nur unsicher erhalten sind, gearbeitet. Von den Vorzügen dieser Malart wurde bereits gesprochen; die Nachteile sind: 1. Die Notwendigkeit des Trocknenlassens in der Sonne, sobald eine Farbschichte gemalt und mit Oelfirnis überstrichen war; 2. der geringe Widerstand gegen Feuchtigkeit, bevor diese Firnislage aufgetragen wurde. Immerhin war das Verfahren umständlich und lästig genug, da im Norden die Temperaturverhältnisse unverlässig sind und oft Tage lang auf Sonnenschein gewartet werden muss (wie es auch mir bei den Versuchen erging!). Ersatz der Sonnenwärme durch „gelindes Herdfeuer» im Winter hat wieder das Unzuträgliche zur Folge, dass auf der halbfeuchten Oberfläche Staub und Russ sich ablagern kann, was für fein ausgeführte Bilder nicht zu wünschen ist; ausserdem wirft sich das Holz bei dieser Gelegenheit und der Grund wird leicht Risse bekommen. Wie von selbst, drängt sich hier die Beobachtung auf, dass gerade diese Uebelstände es sind, die nach Vasari’s Erzählung den Eycks direkte Veranlassung gaben, ihre vielbesprochene „Erfindung» zu machen. Und welche Mittel sollten sie dazu ersonnen haben? Die Farben mit Leinöl oder Nussöl zu mischen, wer ja längst bekannt, ebenso verschiedene Arten, Oele zu reinigen und schneller trocknend zu machen ; ja selbst die Oelfirnisse, Vernice liquida und Vernition kannte man und mischte Farben damit zur Pictura translucida und zu Lasuren; Beizen (mordants) für Vergoldung waren im Norden allgemein in Verwendung ; auch durch Siccative (Zinkvitriol, Galitzenstein) die Oele trocknender zu machen (Strassb. Ms ), und selbst de- stillierte Oele waren damals bekannt, denn der „weisse Firnis von Brügge», welchen die Rechnungen von Ely aus dem Jahre 1350 erwähnen, kann nur ein mit Terpentinöl bereiteter Firnis gewesen sein (s. oben S. 159). Was war es demnach, das die Van Eyck eigentlich in dieser Beziehung hätten erfinden können? Worin bestand ihr „Geheimnis»? Darüber gehen die Ansichten vielfach auseinander. Ilg (Exkurs über die Oelmalerei, im Anhang zu Heräclius, S. 183) gibt Ansichten der eine grosse Reihe derartiger Meinungen wieder, von denen hier einige erwähnt seien: Es sei das Harz gewesen, welches dem Oele beigemischt wird, so Merrifield, nach welcher Harze, in Leinöl gelöst und zu einem Firnis ver- arbeitet, das Bindemittel abgaben (Cenn. Einleit. S. XXI); nach Hendrie (Theoph. Einleit. S. XXXII) ist es Ambrafirnis gewesen, worüber auch East- lake und Merrifield einig sind. Merime (De la peinture ä l’huile, Paris 1830) meint nicht bloss, die Bereitung eines vortrefflichen Trockenmittels (Siccativ) sei Van Eyck’s Verdienst, sondern die Neuerung habe in dem Vermengen der Farben mit dem Firnis „während des Vermahlens» bestanden. Aehnliches vermutet Mottez (Cennini Einleit. S. XXVII): Van Eyck soll die Oelmalerei zwar nicht erfunden haben, wohl aber einen oder mehrere Fir- nisse, deren geheimnisvolle Komposition mit ihm verloren ging. Wieder andere suchen die Lösung der Frage zu ergründen, indem sie annehmen, dass eine Verbesserung der Oele in der genannten Technik den Umschwung herbeigeführt hat. So die Milanesi: Van Eyck habe das zähe Oel hell und durchsichtig gemacht, namentlich aber schnelles Trocknen des- selben erzielt. Dagegen meint Secco-Suardi di Bergamo (Memorie sulla scoperta . . . del dipingere ad olio, Milano 1858) dass keineswegs die Ver- wendung rasch trocknender, wohl aber ganz reiner und ungemischter Oele die Aufgabe gelöst habe. Gerade das Gegenteil behauptet Ch. Blano (Hist. des peintres, S. 4), in dem Gebrauch des naturreinen Oeles beruhe dessen Mangelhaftigkeit für die Malerei. Lessing (Vom Alter der Oelmalerei) sieht die Neuerung im Ersetzen des alten Leinöls durch Mohn- und Nussöl. Die meisten der notieren Kunstforscher schliessen sich der Ansicht des Tambroni (Einleit. S. LI) und Waagen (S. 130) an, ebenso Rumohr (Kunstbl. 16* — 244 — Eastlake Vergolder- beize? ÄD Ge C iehrten er 1821, Nr. 45), dass die Van Eyck nicht die Erfinder, sondern die Verbesserer (oor der Oeltechnik gewesen; „es sei das glücklich herausgefundene Verhältnis, im Gebrauche von Deck- und Lasurfarben, dem Malen auf weissem Kreide- grunde mit sehr sorgfältig gereinigtem Oel und der höchst genauen Prüfung und Bereitung der Farben gewesen, und dass durch die Vernachlässigung jener einzelnen Stücke das kreidige Aussehen, das Nachdunkeln und die übrigen Mängel der späteren Oelmalerei zuzuschreiben sind». In verwandtem Sinne denken Raspe, Em. David, Morelli und Lanzi, der von perfetto modo spricht. Speziell wurde es als Van Eyck’s Verdienst hervorgehoben, dass er „die Farben pastos aufzusetzen verstand, nicht mehr in Schichten und ohne auf das Trocknen des Oeles warten zu müssen. Darin stecke das Wunder mehr als in dem Geheimrezepte von neuen Firnissen und Leimen» (Harzen, Kunstbl. 1851). Vasari’s Worte deuteten an, dass Van Eyck’s Oelfarben schon das Trockenmittel in sich hatten, sonst hätte er die Firnisse nicht im Schatten trocknen lassen können. Eastlake (S. 130, 136 etc.) sucht demnach in der Anwendung solcher Essikative das Geheimnis und glaubt, dass das Zinkvitriol (Sulphat des Zinks) Eyck’s Trockenmittel war. In Schriften des XV. Jahr- hunderts werde es erwähnt, Sebastiano del Piombo, der Zögling des Bellini, habe es benützt und Antonello da Messina sei es gewesen, welcher dem da- maligen Venedig diese Neuerung überbrachte. Das Marcinia Ms. (1503 – 1527) lehrt dieses Zinkvitriol dem Leinöl beibringen, um die Trockenkraft zu er- höhen, als Vergolderbeize für Glas, wie berichtigend hier hinzugefügt werden muss 2 . Soweit wären wir also mit soviel Mühe und fortgesetztem Forschen ge- langt! Und darin sollte ein Beweis mehr zu erblicken sein, weil ein vene- zianisches Rezept jener Zeit für Vergoldung von Gläsern bestimmt das- selbe Trockenmittel anwendet! Was für Dekoration von Glas nötig und angebracht ist, sollte für die vollkommenste Malerei der Van Eyck geeignet gewesen sein? Bei aller Bewunderung für die Arbeit und Mühe, welche sich Eastlake gegeben hat, das würde er uns Malern nie verständlich machen können, dass die Van Eyck, Memling, Roger van der Weyden, Dürer oder Holbein mit einem derartigen Mittel gemalt hätten. Von allen Auslegungen erscheint mir gerade diese, welche „die Frage endgültig lösen» soll, die un- wahrscheinlichste. Ein Trockenöl, mit Bernsteinfirnis angemacht, sollte das Bindemittel gewesen sein, um die minutiösesten Details „infinitamente bene» auszuführen? Ein Bindemittel, welches im Pinsel zäh wird! Nur auf dem entgegengesetzten Wege lässt sioh eine derartig feine Durchführung der Malerei möglich machen, wenn nämlich das Bindemittel auf das alleräusserste Mass verdünnt wird 3 , dann liessen sich so feine Lasuren erzielen, aber nicht mit einem Vergolderfirnis (Mordant), wie es das East- lake’sche Bindemittel ist! Eastlake’s Argumentation fusst, wie erwähnt, darauf, dass nach Vasari’s Erzählung Van Eyck einen im Schatten trock- nenden Firnis suchte; da Eastlake diesen Firnis (vernice liquida) als eine Mischung von Bernsteinharz mit gekochtem Leinöl nachweist, welcher nur an der Sonne getrocknet werden konnte, so musste noch ein besonderes 2 Marciana Ms. Nr. 339 (Merrifield II. S. 621) „Mordente per porre oro in vetro ex fratre vinitiano provato». Die Beize besteht aus Mastix, 1 Unze; Zinkvitriol (Copero^a) 1 Unze; Vernice in Körnern 1 Unze; gebranntem Alaunstein l h Unze. Alles wird gepulvert, gut gereinigter Leinölfirnis damit verrieben und mit demselben Oele „wie laufende Tinte» verdünnt. Da aber schon das Strassb. Ms. vom Anfang des XV. Jh. dieses Trockenmittel (Galizenstein) kennt, erscheint es mir mehr als zweifel- haft, dass die Maler der Zeit in diesem Sikkativ eine epochemachende Neuerung ge- sehen haben könnten. Weiters ist nach dem zitierten Rezept des Marciana Ms. die Malerei in nicht zu starker Sonne zu trocknen vorgeschrieben, also trifft Eastlake’s An- nahme auch in diesem Punkte nicht zu. 3 Heinr. Ludwig, einer der besten Kenner alter Techniken, hat vom gleichen Standpunkte aus, zur Verbesserung der modernen Oeltechnik, das Mischen der Oel- farben mit Petroleum in Vorschlag gebracht. Vergl. dessen Lehrbuch der Oelmalerei, Leipzig, 1893. 245 Trockenmittel dazu genommen werden, um das Trocknen im Schatten zu er- möglichen; und dieses Mittel wäre dann Zinkvitriol gewesen. Dabei befindet sich Eastlake auf dem falschen Pfade, die vielfachen Firnisrezepte auch für Malrezepte zu halten, so dass es ihm schliesslich passiert, eine Vergolder- beize für das Van Eyck’sche Bindemittel zu erklären! 4 II g (Exkurs S. 186), der sich Eastlake’s Anschauungen in Bezug auf das Technische der Van Eyck’sohen Neuerung anschliesst, wirft noch die Frage auf, „ob man überhaupt so zweifellos recht getan habe, den grossen Sieg der Oelteohnik auf materielle Weise allein, durch Verbesserungen und neue Er- findungen im Bereich der handwerklichen Manipulationen zu erklären»; er findet in Knaokfuss (Deutsche Kunstgeschichte I S. 469) einen Gesinnungs- genossen; dieser kommt, zu dem Ergebnis, dass „das wahre Geheimnis der Eyck’schen Malerei nicht auf der handwerklichen Seite, sondern in dem künst- lerischen Stile und der Gabe der Auffassung, in ihrem wunderbaren Realismus, in der Wiedergabe der unscheinbarsten Dinge des täglichen Lebens, der Wiesen und Fluren, welche in perspektivischer Ferne alles fünfzig römische Meilen entfernt zeigten, gelegen sei». Knaokfuss schreibt diese Errungenschaften einfach den besseren Eigen- schaften der Oelfarbe gegenüber der Temperamalerei zu, „wenn man den Nachteilen des Oeles (Nachdunkeln etc.) in so vollkommener Weise, wie in jener Zeit zu begegnen wusste». Aber worin diese vollkommenere Weise be- standen habe, erfahren wir nicht. So führt uns die Frage dooh immer wieder auf das rein technische Gebiet und hier sei noch die Ansicht des leider früh verstorbenen Kunst- forschers Janitschek angeführt, die wieder der vorigen ganz entgegen- gesetzt ist. Er sagt S. 224 seiner Kunstgeschichte: „Man darf es unbe- kümmert sagen, nicht das Künstlerische im engeren Sinne wirkte so ge- waltig auf die Zeit, sondern das Technische, das es ermöglichte, die Naturdinge in so packender Wahrheit im Abbilde festzuhalten. Nur diese Sei.to der künstlerischen Schöpfungen der Niederländer war es, die selbst die Italiener, die doch wahrlich an gestaltungsgewaltigen Künstlern keinen Mangel hatten, mächtig ergriff.» Eine weitere Reihe von Kunstforschern ist im Hinblick auf Theophilus der Ansicht, dass wohl lange vor Van Eyck mit Oelfarben gemalt worden sei, aber das Unvollkommene derselben wäre die Ursache gewesen, dass die Oelteohnik „zeitweise vergessen und dann erst wieder von Van Eyck ent- deckt worden sei; im übrigen wurde die Oelfarbe nur zu Anstrichen und roher Zimmermalerei, niemals aber für Tafelgemälde gebraucht». Es ist wohl nicht nötig, auf das Irrige dieser Ansicht hinzuweisen, nachdem uns die Quellenschriften des Heraclius, Le Begue und das Strassb. Ms. die ununter- brochene Uebung in der genannten Technik zeigen und ein Vergessen einer Technik, die dann erst plötzlich ausserordentliche Vorzüge aufweisen sollte, zu den Unwahrscheinlichkeiten gehört. In der erst kürzlich (Leipzig 1896) erschienenen Kunstgeschichte des verdienstvollen Springer findet sich (B. IV S. 18) die älteste Annahme wiederholt, wonach dem Van Eyck die Erfindung der Oelmalerei ohne Umschweife zugestanden wird. Es heisst dort: „Die Sitte, die Farben mit Oel zu mischen, war zwar längst z. B. bei Bemalung von Skulpturen in Uebung; die herrschende Technik der Tafel- malerei war aber ein schichtenweises Auftragen von Farben auf die Bild- fläche, so dass man die Untermalung erst trocknen liess, ehe man die feineren Lichter und Schatten, die Halbtöne aufsetzte. Die Farben wurden mit har- zigen Stoffen, auch mit Feigenmilch oder Honig verrieben, für jeden einzelnen 4 Auffallender Weise wissen weder Vasari, Lomazzo, Armenino, noch Borghini etwas davon, dass Zinkvitriol als Trockenmittel zum Oel genommen wurde. Trocken- mittel kennen sie überhaupt nicht iür Malerei, sondern nur für Beizen zur Vergoldung (Merrif. S. CCXLIV). Erst spätere Autoren, Pacheco, Palomino und de Piles erwähnen für schwer trocknende Farben die Bleiglätte; den venetianischen Priester des er- wähnten Rez. einfach mit Seb. del Piombo zu identifizieren und daraus weittragende Scblüsse zu ziehen, liegt keine Veranlassung vor; vergl. d. Note loc. cit. Aneichten der Gelehrten (227) Janitschek — 246 — Ansichten der Ton fertig gemischt auf die Tafel mit feinem Pinsel aufgetragen. Jetzt aber wurden die mit Oel geriebenen Farben flüssig aufgesetzt, die Töne auf der Tafel selbst ineinander verschmolzen und dadurch eine ungleich feinere Ab- stufung der Töne und zugleich eine grosse Durchsichtigkeit des Kolorits, die Möglichkeit der Abrundung, des Ineinanderfliessens der Farben, wie in der Natur erreicht.» Diese lange Reihe sich immer widerlegender Ansichten kann ich nicht abschliessen, ohne die allerjüngste Ansicht zu erwähnen; man wird daraus ersehen, dass nichts entfernt genug liegt, um nicht zur Lösung der vielum- strittenen Frage herbeigezogen zu werden. In der sehr gelehrten Publikation von F. G. Crem er (Studien zur Geschichte der Oelfarbentechnik, Düsseldorf 1895) wird der Unterschied zwischen dem zur Pressung des Oeles verwendeten gereiften und nicht gereiften Leinsamen festgestellt und schliesslich als zweifel- los erkannt, dass Van Eyck nicht das Nussöl aus den Walnüssen, welches seit Plinius und Dioskorides als trocknendes Oel bekannt war, sondern das (228) Oel der Kandelnüsse (Lackbaum- oder Bankulnuss), welche „in Indien, auf Java und den Molükken, vornehmlich aber auf den Südseeinseln gedeihen», als Bindemittel verwendet und damit so vortreffliche Erfolge erzielt hätte! Aus dem Obigen ist ersichtlich, dass alle Versuche zur Wiederherstellung der Van Eycktechnik immer das Oel- und Firnisbindemittel im Auge haben, nicht aber das Malsystem, um das es sich hier doch vor allem handeln müsste. — 247 III. Die Oeltempera und Vasari’s Bericht über die „Erfindung» der Van Eyck Bevor ich daran gehe, meine eigenen Ansichten auf Grundlage der (229) Quellenschriften auseinanderzusetzen, möge zuvor noch hinsichtlich der Technik eine allgemeine Bemerkung eingefügt werden : Durch den nur auf die moderne Oeltechnik Rücksicht nehmenden Stu- diengang unserer Kunstakademien sind wir Maler (ich spreche aus Erfahrung!) völlig im Dunkeln über andere Techniken und mancher Tüncherlehrling würde uns darin beschämen können. 5 Was Tempera heisst, wissen wir nur vom Hörensagen und aus der Kunstgeschichte, welche lehrt, dass es eine Malerei mit Ei, Gummi, Honig, Peigenmilch oder dergl. gewesen sei. Den meisten Kollegen und auch Kunst- historikern ist es deshalb völlig unbekannt, dass es auch eine Tempera gibt, die durch innige Mischu ng von fetten Oelen mit Gummi oder Ei als Emulsion 6 bereitet werden kann. Diese innige Vermischung von Emulsion Oel mit einem anderen Körper bewirkt vor allem eine ungeheuer feine Ver- teilung der Oelteilchen und die Folge davon ist, dass solche Oele mit Wasser mischbar sind, sie werden dadurch zur Tempera, zur sog. Oeltempera. Auf zwei Arten lässt sich dies leicht erreichen; erstens, wenn die Oele aufs innigste mit Eigelb vermischt werden, die Ei-Oeltempera, oder wenn zu diesem Zwecke pulverisierte Gummiarten verwendet werden, die Gummi-Oeltempera. Im Verfolge der vorliegenden Arbeit, welche die Entwicklungsgeschichte der Maltechnik von den ältesten Zeiten an behandeln soll, war ich nun auch bestrebt, den ersten Spuren dieser Temperaarten in den Quellen nachzuforschen. Diese Nachforschung hatte das Ergebnis, dass beide Arten (230) der Oeltempera in den älteren Quellen nachgewiesen werden konnten, und zwar zunächst nur als Bindemittel für Vergoldung. 5 Diese Sätze wurden schon im Jahre 1895 geschrieben. Jetzt mag es in dieser Beziehung etwas besser bestellt sein. 6 Die Emulsion ist eine mechanische (nicht chemische) innige Vereinigung eines Fettes mit einer gummiartigen, zäben, wassergelösten Substanz; bei Milch z. B. des Butterfettes mit Case’in (Käsestoff). Das Eigelb enthält einen gummiartigen Körper, das Vitellin, zu etwa t5°/o und ca. 21°/o fettes trocknendes Oel, das Eieröl, in Emulsion; das Vitellin hat aber eine so grosse Emulsionskraft, dass es ausser dem im Dotter enthaltenen Oele noch eine Menge eines anderen Oeles zu binden vermag, welche dem Gewichte des ganzen Eidotters etwa gleich ist. Oelemulsionen werden auch aus 2 Teilen fettem Oel und 1 Teil pulverisiertem arabischen Gummi bereitet, indem man letzteres mit dem Oel übergiesst, allmählich ,,nach den Regeln der Kunst» (Pharmakopoe) verreibt und mit 17 Teilen Wasser verdünnt. Harz- emulsionen werden bereitet, indem man die Harze mit Wasser unter Zusatz von Bigelb anreibt oder indem man dieselben in Spiritus löst und die erhaltene Tinktur mit Wasser mischt. Zu technischen Zwecken unterscheidet man noch die sog. Emulsinen, welche durch Vermittlung von Seifen, fein verteiltes Fett oder Oel enthalten und beim Mischen mit Wasser milchartige Flüssigkeiten (Emulsionen) geben (s. Meyers Konversationslexikon, 1890 Bd. V. S. öll); vergl. die Rezepte im letzten Abschnitt. — 248 — Oeitempera Dj e Gummi-Oel-Tempera ist genannt: 1. Im Lucoa-Ms. (IX. Jh.) in 85. De Diferentia exaurationes, und zwar in der Stelle: „Desgleichen (dient zur Vergoldung) : Leinöl 1 Drachme, gelöster Gummi .’. 1, Safran soviel als nötig ist. Mische alles zusammen mit Wasser und lasse es kochen» (s. oben S. 14). 2. In Mapp. clavic. (XIII Jh.) Kap. CXIL wo das obige Rez. wieder- holt wird (s. oben S. 24). Rez.desLuoca- 3 # j m LuccaMs. (113. De tinctio petalorum), in welchem Rez. gleicher- weise die Emulsion vom Gummi, Leinöl und Wasser, nebst Crocus und Auripigment als Färbesubstanz, zum Ueberzug der Zinnfolie ge- nommen wird (s. o. S. 15). 4. u. 5. In Mapp. clavic, CXVI. u. COXVIII., sind diese Angaben zweimal wiederholt (s. oben S. 25). Zur Erzielung der Verbindung des Oeles mit dem in Wasser ge- lösten Gummi wird in beiden Rezepten die Wärme benützt. Die Emulsion von Gummi mit Leinöl ist aus diesen fünf Rezepten zu ersehen; die weiteren zeigen die Kenntnis der Emulsions kraft des Ei- dotters bei den Italienern des XIV. Jhs. u. z.: Angabendes g. I n Oennini’s Trattato (K. 174, Eine Steinfigur mit geglättetem Gold zu belegen) findet sich ein in mancher Beziehung interessantes Rezept. Zunächst weil die sonst für Stein übliche Oelvergoldung hier vermieden und ein Ersatz gesucht wird, dann, weil Oennini sagt, dass ,,die Manier neu und nicht sehr in Uebung ist, aber weil sie mir wohlgefällt, werde ich dir nun etwas zeigen;» daraus folgt, dass Cennini, der wahrlich in technischen Dingen wohl- bewandert war, Wert auf diese neue Art legte. Wir erfahren, wie der Stein zur Glanzvergoldung vorzubereiten ist, indem derselbe zuerst mit gewöhnlichem Leim bestrichen wird ; darauf folgt eine Lage von feingesiebter Kohle, mit gekochtem Leinöl nebst einem Drittel Vernice liquida, wie zu Beizen geeignet, heiss angemacht; „dann nimm», so heisst es weiter, ,,ein wenig von dem besagten Bindemittel 7 und gib darein, wenn es die Quantität eines Bechers wäre, einen Dotter. Mische es gut zusammen, da es warm ist. Mit dem Schwamm tauche in diese Tempera (questa tempera) und reibe und frottiere über jeden Ort, wo die Beize mit der Kohle aufgesetzt wird.» Oennini gibt die Erklärung, warum er vorher die Beize aufsetzt, um die mit Gips zu vermischenden weiteren Lagen desselben „Leimes,» zu welchem, je nach der Quantität zwei oder drei Dotter genommen werden, vor der im Steine befindlichen Feuchtigkeit zu schützen. Es folgen dann, ähnlich wie beim Grun- dieren der Tafelbilder, noch einige dünne Lagen von feinem oder Vergolder-Gips (gesso sottile o da oro) mit dem nämlichen Tera- peraleim (la medesina colla tempera, colla distemperata) und das sonst übliche Schaben und Vergolden auf Bolusgrund. Cennini scheint ganz spezielles Gewicht auf diese Manier zu legen, denn er fügt hinzu: „und diese Sache ist ein so wichtiger Teil dieser Kunst (cosi real parte die questa arte), als es in der Welt sein kann.» Sollte Cennini (231) schon geahnt haben, welche Rolle diese neue Mischtechnik in der Folge spielen könnte? Schliesslich empfiehlt Cennini die fertige Ver- goldung, wenn nötig, zu firnissen 8 . 7 della colla predetta. im ital. Text (Edit. Milanesi); „von dem erwärm ton Leime» scheint ein Versehen des deuschen TJebersetzers zu sein. (Edit. Hg. S. 129 unten.) 8 In der deutschen Uebersetzung von 11g kommt, der Unterschied des Binde- mittels nicht genügend zur Geltung; man vergleiche die Italienische Ausgabe von Milanesi S. 129; Mit colla. Leim, wird in altitalienischen Schriften jedes Bindemittel bezeichnet. — 249 — 7. Noch eine weitere Verwendung- des mit Oelfirnis zu Oeitempera mischenden Eidotters besohreibt Oennini in K. 17!), wieder nicht zur Malerei, sondern zur Schminke! Wir lesen im genannten Kapitel: „Von der Art, ein geschminktes Männer- oder Frauenantlitz zu machen und wieder zu reinigen: Du kannst, diese Farben mit Eitempera herstellen oder zu kräf- ^gJSta? 68 tigerer Wirkung mit Oel oder flüssigem Firnis, welches die beste Tempera ist, die es gibt. Aber wie willst du nun das Ge- sicht von dieser Farbe oder eigentlich von den Rindemitteln (tempere) wieder reinigen? Nimm Eidotter und reibe denselben allmählich auf dem Gesichte und verstreiche ihn mit der Hand. Dann nimm warmes, mit Kleien gekochtes Wasser und wasohe damit das Gesicht.» Die Operation wird solange wiederholt, bis das Oel oder der Oelfirnis vom Gesichte abgewaschen ist. Der Eidotter dient hier demnach zur Lösung des Oeles und gibt aufs deutlichste den Vorgang der Emulsion, d.h. des langsamen Verreibens des Eidotters mit dem Oel und die Mischbarkeit (hier das Abwaschen) mit Wasser. Wir haben demnach die zwei Arten der Lösbarkeit des Oeles duroh die Emulgierung in den Quellen selbst hier vor uns. Der Einwand, dass zu jener Zeit die Emulsion überhaupt nicht be- kannt war, fällt demnach von vorneherein weg. Die Gummi- Oel- Emulsion ist im Norden von Europa zur Vergoldung verwendet, die Ei- Oel-Emulsion im Süden zur Vergoldung und zu anderen technischen Zwecken. In fast allen Fällen wird die Wärme zur leiohten Herstellung der Mischung genommen. In einem besonderen Rezepte für Glasbemalung tritt uns diese Emul- sionsart zum ersten Male in direkter Beziehung zur Malerei entgegen und zwar in einem Rezepte in dem ältesten Teile des Marciana Ms. (Eastlake I S. 225), welches lautet: „Toy torli de ove e vernixe liquida egualmente e icorpora molto ben isieme e de questa tale cola darai p. copertura como el penelo, la quäl colla non teme aqua ne cossa che sia.» (Nimm Eigelb und „vernice liquida» in gleich er M enge und vermische sie sehr gut miteinander und von diesem Bindemittel gib den Ueberzug mit dem Pinsel; dasselbe schützt vor Wasser und was es auch sei.) Dass sich dieses Rezept in einem Veneti anischen Ms. fand, in der Stadt, in welcher Antonell o da Messina nach sei nem Aufent- halt in Flandern gelebt, undganz genau dasselbe Emulsionsrezept von Baldovinetti 9 nach Vasari’s Bericht angewendet wurde, führt direkt dazu, die Stelle, in welcher von Van Eyck’s Neuerung in technischer Beziehung die Rede ist, genauer zu vergleichen. Es sei deshalb hier näher darauf ein- gegangen : Vasari erzählt nämlich an der bekannten Stelle über Van Eyck’s Er- (232) findung (Leben des Antone llo da Messina, I. Ed. 1550, S. 379 ff.) von Rezept des Marciana-Ms. 9 Vergl. die folgende Note 10. Man beachte auch, was Burckhardt (Cicerone S. 566) von Baldovinetti (1427—1499) und seiner Mischtechnik berichtet. Burckhardt, fällt es sogar auf, dass die beiden Pollajuoli, besonders der jüngere Piero, sich Baldo- vinetti’s Kunstrichtung mehr auschliessen als an Castagno, dessen Schüler er war. Castagno hatte aber nach Vasari’s Bericht die neue Technik durch Domenico s Zwischenhand direkt von Antonello erhalten. Baldovinetti’s Mischtechnik, und die Costagno’s sind demnach sehr nahe verwandt und diese Gleichheit ist durch Burckhardt’s Zeugnis bestätigt. Auf vollständig falscher Fährte befindet sich Eastlake (S. 225 Note), der im Anschluss an das Rez. des Marciana Ms., und im Hinblick auf Baldovinetti’s Versuche glaubt, die Beigabe des öligen Bindemittels zum Eigelb be- zweckte, die Trocknung aufzuhalten und dadurch die Eitempera geschmeidiger zu machen. Er sagt: „The yolk of egg contains a small portion of oil, but not euough to arrest the drying of the substance ; to increase the oily ingredient was therefore an obvious remedy. The method of Baldovinetti was not perhaps the only attempt to combine oily ai.d glutinous materials, so as render tempera more manageable, for this, according to Vasari, was the great object.» Die Emulsion beschleunigt viel- mehr die Trockenfähigkeit der öligen Substanzen. ^50 — ßaldovinelti’s Maltechnik; Vasaris über Tempera Oeitempera verschiedenen Versuchen zur Verbesserung der Malmethoden, die gemacht wurden, Baldovinetti, Pesell o und Andere hätten sich darin grosse Mühe gegeben. Im Leben des Baldovinetti begegnet uns das – erwähnte Emulsionstempera-Rezept, von dem Vasari erzählt, die Malerei wäre bei zu starkem Auftrag auf der Mauer rissig geworden: „Baldovinetti untermalte ä fresco und vollendete nachher ä secco, bereitete seine Farben mit dem Gelben vom Ei mit Vernice liquida vermischt, heiss bereitet. Er gedachte durch diese Tempera die Malerei gegen Feuchtigkeit zu schützen, aber sie war so stark, dass die Malerei an Stellen, wo sie zu sehr angehäuft war, absprang und so blieb er enttäuscht, während er ein seltenes und überaus schönes Geheimnis gefunden zu haben glaubte.» 10 Vasari berichtet allerdings hier nur von misslungenen Versuchen, wir ersehen jedoch, schon aus der Anführung von Baldovinetti’s Mischtechnik in direkter Bezugnahme auf Van Eyck’s Erfindung, deutlich, nach welcher Richtung hin sich die Versuche bewegt haben müssen, dass es also die verschiedenen Arten von Oeitempera waren, welche bei den damaligen Malern Gegenstand „zahlreicher Versuche und Diskussionen» bildete. Ja, es will mir sogar scheinen, als ob duroh die Anreihung der Leb ensbeschr eibu n g Baldo vine tti’s an diedesAn- tonello auch äusserlich eine Beziehung zwischen der Teohnik desselben mit der Van Eyck’s bestanden haben mag. Vasari erzählt (a. a. 0.) unter Hinweis auf die ältere Malerei mit Tempera, welche von Oimabue, Giotto bis zu Antonello geübt wurde, wie folgt: „Man beharrte bei dieser Methode, obwohl die Künstler erkannten, dass den Temperamalereien eine gewisse Weichheit und Frische fehle, welche geeignet wäre, den Zeichnungen mehr Anmut, dem Kolorit mehr Reiz zu verleihen, wobei sie auch die Leichtigkeit vermissten, die Farben ineinander zu vertreiben, indem es bis dahin gewöhnlich war, mit der Spitze des Pinsels zu schraffieren. Obwohl Viele Experi- mente in der Absicht einer solchen Verbesserung gemacht hatten, erfand Niemand eine zufriedenstellende Manier, weder bei Anwendung von Vernice liquida noch mit anderen Arten von Farben, die mit Tempera gemischt wurden.» Vergleicht man die bezügliche Notiz im Leben des Antonello der ersten Ausgabe (1550) des Vasari mit der zweiten (1568), so ergibt sich ein auf- fallender Umstand; Vasari änderte das „altra sorte di olii mescolati nella tempera» in „altre sorte di colori mescolati nelle tempere». Was sollte ihn veranlasst haben, den Satz „ne con vernice liquida ne con altre sorte di olii mescolati nella tempera», „weder mit Vernice liquida, noch mit anderen Arten von Oelen, welche mit der Tempera ge- mischt waren», zu verändern und: „ne usando vernice liquida o altre sorti die colori mescolati nelle tempere», „weder der Gebrauch von Vernice liquida oder andere Arten von Farben, welche mit Temperas (plural !) ge- mischt werden» dafür zu setzen? Nach Eastlake (I S. 203, Note) hätte er damit die Absicht verfolgt, dem Joh. van Eyck, die aktuelle Erfindung der Oelmalerei zuzuschreiben. Dies war aber doch eine altbekannte Sache, ebenso wie das Mischen von Farben mit verschiedenen Temperabinderaitteln (colori mescolati nelle tempere) 1 Er musste doch einen anderen Grund dazu gehabt 10 Vasari im Leben des Baldovinetti: „abozzo a fresco, e poi fiai a secco, tem- perando i colori con rosso d’uovo mescolato con vernice liquida, fatta a fuoco. La quäle tempera penso, ehe dovesse le pitture difendere dall ‘acqua, ma ella fu di maniera forte, che dove ella fu data troppo gagliarda, si e in molti luoghi l’opera scrostata, e cosi, dove egli si penso aver trovato un raro, e bellissimo segreto, rimase della sua opinione ingannata.» Die „heisse» Bereitungsart der Emulsion haben wir bei Cennini gesehen (C. 174); die Bereitung auf kaltem Wege war ihm demnach nicht bekannt. Auch scheint Baldovinnetti die Verdünnung nicht genügend vorgenommen zu haben. Immerhin ist es wichtig auf diese „heisse – ‘ Emulsionsart in Verbinduug mit Eycks Erfindung bei Vasari aufmerksam zu machen. 251 Vasaris Bericht (233) haben, und es scheint mir der folgende zu sein: Die Satzperiode sohl i esst durch das erstere „weder» (mit Vernice liquida), auch das folgende „noch» (mit anderen Arten von Oelen) von den verbesserten Malarten, die in betracht kommen könnten, aus. Da aber gerade darin eine Neuerung zu erkennen ist, wie aus der weiteren Erklärung der Van Eyck’schen Technik gefolgert werden muss, so mochte Vasari in der II. Ausgabe diese Veränderung vorgenommen haben; dazu kommt noch die Bezeichnung: altra sorte die olii mescolati nella tempera, eine andere Art (singularl) die Oele mit der Tempera (singularl) zu mischen, als welche damals allgemein Eigelb verwendet wurde (Cennini 0. 72); jene Mischung war damals neu, wie die Versuche des Baldovinetti zeigen, und es kann kaum anderes als die Oeltempera, die Emulsion, darunter verstanden werden. Auch die Veränderung von den Worten „olii mescolati nella tempera» in „colori mescolati nelle tem- pere» kann nur in diesem Hinblick Sinn haben. Hören wir Vasari weiter: „Unter denen, die vergebens diese und ähnliche Methoden der Vergebliche Tempera versuchten, war Alesso Baldovinetti, Pesello und viele Versi «>he
andere; aber ihre Werke zeigten nicht den angenehmen Effekt und
die Verbesserungen, die sie suchten; selbst wenn die Künstler an
eigenen Werken (Wandmalereien) mit Erfolg tätig waren, so konnten
sie doch den Arbeiten auf Holz nicht die Festigkeit geben, welche
die auf der Wand ausgeführten hatten. Sie konnten mit diesen Me-
thoden die Bilder nicht gegen Nässe unempfindlich machen, so dass
dieselben ohne Gefahr für die Farben gewaschen werden konnten,
ausserdem war die Oberfläche nicht fest genug, um zufälligen Er-
schütterungen zu trotzen, wenn damit hantiert wurde. Darüber wurde
oft fruchtlos gestritten, wenn Künstler zusammenkamen; dieselben
Einwände wurden auch von bedeutenden Künstlern ausser Italien,
Frankreich, Deutschland und anderwärts gemacht.»

„Unter solchen Umständen trug es sich zu, dass Giovanni von Giovanni von
Brügge, kunstbeflissen in Flandern, wo er wegen seiner grossen BrU srse
Geschicklichkeit sehr geschätzt war, Versuche mit verschiedenen
Arten von Farben machte, und da er sich auf Alchemie verstand, ver-
schiedene Oele für die Bereitung von Firnissen und anderen Dingen
präparierte, Versuche, wie sie ei-findungsreiche Männer wie er gewöhn-
lich machen.»

I. Ausgabe: „e cercava di trovare diverse sorti di colori, dilettandosi
forte della archemia, e stillando (für destillare) continovamente olii
per far vernici e varie sorti di cose.» II. Ausg.: „Si mise . . . a
provare diversi sorti di colori, e come quello ohe si dilettava dell’
archemia, a far di molti olii, per far vernici, ed altre cose.»
Vasari änderte „stillare» der ersten Ausgabe, wie Eastlake (a. a. 0.
S. 204 Note) glaubt, weil das Destillieren von fetten Oelen (fixed oils) zu
Vasari’s Zeit wohl bekannt war, aber ganz entgegengesetzt zu Van
Eyck’s Art gewesen, eine Anschauung, die ohne weiteres geteilt werden kann,
wenn es sich um die Technik des Malens handeln soll; aber bei Bereitung
von Firnissen mit essentiellen Oelen (Terpentin, Weingeist, Spiköl u. dergl.)
müsste doch darauf Rücksicht genommen werden, wann dieselben in die Ma-
lerei jener Zeiten zuerst eingeführt wurden. Ich komme darauf noch zurück;
vorläufig ist aber daran festzuhalten, dass Vasari die Destillation in keine
Verbindung mit Van Eyck’s Erfindung bringen wollte und deshalb das Wort
stillando umänderte. Ausserdem ist es ganz unerfindlich, warum Vasari hier
diese Veränderung vorgenommen haben sollte, wenn die Destillation von
ätherischen Oelen ein wesentliches Ding der Van Eyck’schen Erfindung ge-
wesen wäre. Im Gegenteile, Vasari gibt unzweifelhaft im weiteren Verlauf
der Erzählung kund, dass Leinöl und Nussöl, also fette Oele, in die
Mischung des Bindemittels traten.

— 252

Vasaris
Bericht

(234)

Van Eycks
Versuche

Lassen wir zunächst noch Vasari das Wort:

„Bei Gelegenheit eines mühevoll ausgeführten Bildes auf Holz,
welches er (Van Eyck) mit besonderer Sorgfalt vollendete und zum
Trocknen des Firnisses, wie es üblich war, in die Sonne stellte,
sprangen die Fugen entzwei, sei es durch die zu grosse Hitze, oder
weil das Brett nicht gut zusammengefügt oder das Holz nicht ge-
nügend gelagert war.»
(I. Ed.: „Le volse dare la vernice al sole, come si costuma alle tavole.»
IL Ed.: „Le diede la vernice, e la mise a seccarsi al sole, come si costuma.»)
Der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Ausgabe ist sehr gering.
Vasari wollte möglichst genau sein und sagt: er gab den Firnis darauf,
während in der ersten Ausgabe nur die Absicht dazu ausgedrückt ist. Unter
allen Umständen ist es klar, dass es üblich war, die Bilder in der Sonne zu
firnissen und den Firnis auch trocken werden zu lassen; wir müssen daraus
die von Theophilus beschriebene Technik wiedererkennen und den Prozess
des Temperamalens, wie er dort geschildert ist, nämlich das, auch dreimal zu
wiederholende Malen mit Tempera und Ueberfirnissen in der Sonne.
Vasari berichtet dann:

„Als Giovanni den Schaden sah, welche die Sonnenhitze an seinem
Bilde verursacht hatte, beschloss er zu irgend einem Mittel Zuflucht
zu nehmen, um dieselbe Ursache ein zweites Mal bei seinem Werke
zu vermeiden, und da er nicht weniger unzufrieden mit dem Firnis
war, als mit dem Prozess des Temperamalens, begann er über eine
Art der Präparation des Firnisses nachzudenken, welcher im
Schatten trocknen sollte, um das in die Sonne stellen der Bilder zu
vermeiden. Nachdem er nun viele Dinge versuoht hatte, sowohl
allein als auch miteinander gemischt, fand er schliesslich, dass
Leinöl und Nussöl unter allen, welche er daraufhin geprüft hatte,
viel trocknender waren, als die übrigen. Diese also mit anderen
seiner Mischungen (misture) zusammengekocht, gaben ihm den Firnis,
nach welchem er, wie auch alle anderen Maler der Welt lange ge-
fahndet hatten. Nachdem er noch Erfahrungen mit vielen anderen
Dingen gemacht, sah er, dass das Mischen der Farben mit diesen
Sorten von Oelen ihnen ein sehr starkes Bindemittel gab
(tempera molto forte), das nach dem Trocknen Wasser keines-
wegs zu fürchten hatte, es machte die Farbe so fest, dass
es (der Malerei) von selbst Glanz verlieh, ohne ge firnist zu
sein. Und was ihm noch wunderbarer erschien, war,
dass sich die einzelnen Farbschichten unendlich besser
verbinden Hessen, als bei Tempera 11 .»
Dass hier zwei Dinge als Van Eyck’s Erfindung genannt sind, welche
dann in ihrer Verbindung sein neues Bindemittel ausmachten, wurde mehr-
fach dahin erklärt, dass Vasari nicht recht auszudrücken verstand, was er
eigentlich gemeint hat; war es der Firnis, den „alle Welt» suchte und den
er fand, oder das Bindemittel aus Leinöl und Nussöl? Aus dem „stillando»
der ersten Ausgabe, welches sich nur auf Firnisse bezieht, könnte man fast
zur Annahme gelangen, Van Eyck auch die Einführung der Essenzfirnisse zu-
zuschreiben; diese trocknen nämlich im Schatten und ihre Erzeugungsweise
muss doch einem Manne, der sich mit Alchemie befasste, unbedingt bekannt

11 „Onde poi die ebbi molte cose sperimentate, e pure, e mescolate insieme, alla
fine trovö, che l’olio di Seme di Lino e quello delle Noci, fra tante che n ‘haveva
provati, erano piu seccativi di tutti gPaltri. Quesii dunque, bolliti con ahre sue
misture gli fecero la vernice, che egli, anzi tutti i pittori del mondo havevano lunga-
rnente desiderato. Dopo fatto sperienza di molte altre cose, vide che il mescolare i
colori con queste sorti di olii dava loro una tempera molto forte; e che secca non
solo non temeva 1’ aqua altrimenti, e accendeva il colore tanto forte, che gli dava
lustro da per se senza vernice. Et quello che piu gli parve mirabile fu che si univa
meglio che la tempera inünitamente.»

253

gewesen sein 12 . Andererseits wird durch die Veränderung in der zweiten
Auflage und auch an obiger Stelle deutlich hervorgehoben, dass der Firnis
aus Oelen gekocht (bolliti) und nicht destilliert wurde. Die essentiellen
Oele (Terpentinöl) in Verbindung mit den fetten Oelen als Bindemittel des
Van Eyck zu erklären, kann schon aus dein Grunde nicht richtig sein, weil
aus den Texten das gerade Gegenteil ersiohtlich ist. Vasari sieht eben darin
das Neue und Merkwürdige, dass die Malerei mit den alten bekannten
Oelen, dem Leinöl und Nussöl bewerkstelligt worden ist.

Dass der erwähnte „weisse Firnis aus Brügge» (Ilg, Exkurs S. 171) ein
Essenzfirnis, d. h. mit Terpentinöl bereitet war, darüber kann kein Zweifel
sein. Aber dieser „weisse Firnis», der so lange vor Van Eyck Export-
artikel ist, kann eben deshalb nicht als epochemachende Neuheit angesehen
werden. Bei den „altre sue misture» kann man vielleicht an die damals be-
kannten und verwendeten Mittel zum Reinigen und Bleiehen der Oele denken
(Kalk und Knochenasche, Alaun, Bimsstein, Galitzenstein etc.). Doch seheint
mir trotz aller Bedenken eines klar zu sein, dass es sich hier um die Oel-
tempera, die Emulsion handeln muss; er versuchte, heisst es nämlich, „alles
sowohl pur als auch miteinander gemischt», also die damals all-
gemeinen Ei- und Gummitemperas auch mit den Firnissen und
Oelen zusammenvermischt, da musste er ja, „ein Mann, der
sich auf Alchemie so sehr verstand», ein so findiger Kopf,
darauf kommen, dass sich Gummi oder Eigelb mit fetten Oelen
emulgiert! Da musste er ja die Entdeckung machen, dass das Mischen
von Farben mit solchen Arten von Oelen (questi sorti di olii) nämlich
den emulgiert en, den Farben eine sehr starke Tempera gab, und dass
diese Tempera getrocknet, Wasser nicht zu fürchten hatte, er-
kannte er nach den ersten Proben bald. Wenn an dieser Stelle Oelfarbe
nach unserer heutigen Weise gemeint wäre, hätte diese ganze Bemerkung
doch gar keinen Sinn, denn auf trockene Oelfarbe wirkt Wasser
ohnehin nicht! Es kann also nur ein wassermischbares Bindemittel, eine
Tempera, damit gemeint sein. Man vergleiche damit das Rezept des Mar-
ciana Ms.: la quäl colla non teme aqua ne cossa che sia, und wird finden,
dass hier ebenso diese Eigenschaft, besonders hervorgehoben wird, obwohl
es ein wassermischbares Bindemittel ist, und weil andere Temperaarten, wenn
sie auch ganz trocken sind, doch vom Wasser aufgelöst werden.
Darin bestand eben für Van Eyck der grosse Wert dieser Tempera und seine
Ueberraschung und Freude war deshalb so gross, weil er diese besondere
Eigentümlichkeit nicht erwartet hatte, nach seinen bitteren Er-
fahrungen mit früheren Temperamitteln auch nicht erwarten konnte! Das
Uebermalen mit derselben Tempera, wie es üblich war, konnte ohne
weiteres geschehen, weil die Farbe schon an sich „so fest war und Glanz
hatte, ohne gefirnisst zu sein», wobei sich überdies die Verbindung der Farb-
lagen noch besser als sonst, „infinitamente meglio», ja unendlich besser erzielen
liess, sogar bevor die Malerei ganz trocken war. 13

1S Nach Berthelot (La chimie au moyeu Age, Paris 1843 I. S. 61) ist die trockeue
Destillation bereits im X Jhd. bekannt gewesen. Nr. 212 der Mappae elavicula lehrt
Alkohol zu bereiten. Aetherische Oele aus Pflanzen zu extrahieren, war seit dem
XIII. Jh. bekannt. Raymund Lull (1255 — 1315) spricht in seinen Experimentis von
der Destillation vieler Pflanzen mit Wasser und gibt an, es gehe liier beim stärkeren
Erhitzen ein Oel über; das bei der Destillation von Rosmarin übergehende solle man
aufbewahren. Ausführlicher handelt von dieser Bereitung Arnoldus Villenovus
(1235—1312) in seinem Tractat de vinis (vergl. Kopp, Geschichte der Chemie, T. IV,
S. 391 ff.).

13 Wenn diese Schlüsse richtig sind, so musste auch der erste Versuch mit
einer solchen Mischung schon einige Aufklärung ermöglichen. Die „Immixtura»
von Vernice liquida (gekochtes Leinöl und Bernsteinfirnis) mit Eigelb ergab das Binde-
mittel zum ersten Versuch und wurde mit Wasser vermischt, dem Farbeupulver bei-
gegeben. Die ziemlieh komplizierte Ornamentik einer gotischen Architektur nach
einem Bilde von Van Eyck liess sich ohne Schwierigkeit damit malen: Korrekturen
und öfteres Uebermalen waren leicht ausführbar. Der erste Vei such war so gelungen,

VasariaBericht

(23.’» i

Van Eycks
CM- Tempera?

— 254 —

VaB richt Be » Diesen kleinen aber sehr wichtigen Umstand glaubte ich aus van

Man der ‘s Beschreibung folgern zu sollen. Wenn auch von den Gegnern
des Vasari auf den „Nachschwätzer» Van Mander noch so viele Pfeile des
Spottes abgeschnellt werden, so macht sein „Schilderboeck» doch Anspruch
auf genaueste Beachtung, weil er im Zentrum der niederländischen Kunst
sich bewegte und gerade deshalb als Landsmann nicht Unwahrheiten als
(236) Tatsachen aufstellen durfte; die Tradition konnte doch nach den 150 Jahren
seit Joh. van Eyck’s vermutlichem Tode (1445) nicht so ganz vergessen ge-
wesen sein, umsomehr als dessen Nachfolgern Memling, Roger van der Weyden,
Lucas von Leyden etc. auch von den Zeitgenossen mit grösster Bewunderung
entgegen gekommen war, ja die Grossväter der Generation des van Mander
mussten doch in ihrer Jugendzeit noch direkte Berührung mit diesen be-

Van Mander rühmten Meistern gehabt haben. Wenn also van Mander, wie in vielen

iibor Ejvcks

Verfahren Dingen, auch in der Erzählung von Van Eyck’s Erfindung „nachschreibt»,
so hätte er sich niemals einfallen lsssen dürfen, dies zu tun, wenn inhaltlich
nur das Geringste dagegen einzuwenden gewesen wäre. Wie wichtig seine
Einleitung: „Den Grondt der Edel vry Schilderkonst» für das Verständnis
der Technik seiner Zeit und der vorausgehenden ist, wird sich in der Folge
zeigen. Blicken wir vorerst auf die van Mander’sche „Nacherzählung», welche
sich völlig an Vasari anschliesst; auch hier ist von dem Firnis die Rede,
welchen Van Eyck aus Leinsamenöl oder Nussöl mit einigen anderen Sub-
stanzen gekocht, gefunden hätte; darauf folgt, seinem Vorbilde entsprechend:
,,Van Eyck fand nach vielem weiteren Suchen, dass die
Farben gemengt mit solchen Oelen hier sich sehr gut temperieren
liessen, und sehr hart trockneten und wenn getrocknet, das Wasser
gut vertragen mochten, dass die Oele die Farben auch viel lebhafter
machten und von selbst Glanz hatten, ohne gefirnisst zu sein. Und
dasjenige, was ihn noch mehr verwunderte und behagte, war, dass
er fand, dass hier sich die Farbe besser also mit dem Oele vertreiben
und verarbeiten liess, als mit der Ei- oder Leimtempera und nicht
so strichweise aufgetragen zu werden brauchte.» 14
In der ersten Auflage hatte ich den Schlusspassus Van Manders ,,en niet
en hoefde so ghetrocken de zyn gedaen» so übersetzt, dass die Farbe
,, nicht so getrocknet zu sein bedurfte». Von befreundeter Seite aus
Holland wurde ich jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass das althollän-
dische Wort von trecken abgeleitet werde und ziehen bedeute (auch sage
man vom Tee: ghetrocken = er habe gezogen). Im gleichen Sinne ist die
Stelle in der Deutschen Ausgabe 15 übersetzt mit den Worten: ,,die Farbe
,, brauchte nicht so strichweise aufgetragen zu werden», und in der
Anmerkung (a. a. 0. S. 404) bemerkt Floerke: ,, trecken bedeutet ziehen,
z. B. einen Strich ziehen, und zeichnen und in letzterem Sinne mehrfach von
van Mander im Gebrauch. Vielleicht ist hier die Strichelmanier gemeint wie
man sie auf Temperabildern (Ghirlandajo, alte Pinakothek, München) sieht . . .»

als es nur irgend möglich war. Nach einiger Zeit fand ich zu meinem Erstaunen,
dass die Tempera so fest gewordeu war, dass sie sich mit Wasser nicht wegwaschen
liess. Die Farbe liess sich ebenso gut dünn als auch ganz pastos verwenden. (Zur
Konservierung des Bindemittels wurde etwas Spiköl beigefügt.)

14 Van Mander, het leven von Jean en Hubrecht van Eyck | gebroeders | en
Schilders van Maeseyck (Schilderboeck S. 199) . . . deese dan siedende (Leinöl und
Nussöl) met eenighe ander Stoffen, die hy daer by dede | maeckt den besten vernis
van der Weerelt. En also sulcke worckeude wacker gheesten ! verder en vorder
soeckendc | nae volcomenheyt trachten | bevont hy met veel ondersoeckens | dat de
verwe gemengelt met sulcke olyen haer seer wel liet temperen | en wel hardt drooghe |
en drooge wesende | het water wel vordragben mocbt | dat d’ oly ook de verwe»
veel levender maeckten | en van selfs een blinkenheyt deden hebben | sondern datmense
verniste En t’gene dat hem noch meer verwonderde en behaeghde | was dat hy be-
vandt | dat haer de verwe beter aldus met de Oly liet verdryven en verwercken | dan
met de vochtichoyt vao Ey oft lym | en niet en hoefde so ghetrocken de zyn gedaen.

15 Das Leben der niederländischen und deutsch’ n Maler von Carel van Mnnder.
Uebersetzung und Anmerkungen von Hans Floerke. München-Leipzig 1906 Georg
Müller).

255 –

16 Stark riechende Substanzen zur Konservierung für Bindemittel, welche leicht
in Zersetzung übergehen, finden sich auch bei der Miniaturtechnik mehrfach im Ge-
brauch; Eierklar wird schon nach einigen Tagen , stark» und stinkend, feiner Leim,
einzelne Gummiarten werden bald schimmelig, insbesondere wenn solche den Oelen
in Emulsion beigemischt sind. Boltz von Rufach (Illuminierbuch) setzt seinen ,, Tem-
peraturwassern» stets Rosenwasser oder Lilienwasser zu, „das schützt das Wasser vor
Gestank’ – . Das Neapeler Ms. für Miniaturmalerei nennt zum gleichen Zweck Realgar
(rot. Schwefelarsenik), Gewürznelken oder Kampfer, welch’ letzterer für diesen Zweck
sehr gut ist und auch heute vielfach von Vergoldern, Buchbindern verwendet wird.
Das Strassb. Ms. erwähnt zum gleichen Zweck Salmiak und Essig.

(237)

Die aus der irrigen Auslegung obiger Textstelle gezogenen Schlüsse sind Vaaam Be
demnach hinfällig, nicht aber auch die Schlüsse, die auf die Technik der
Malerei mit emulgierten Oelen bezug haben, insoferne diese Methode gegen-
über der gestrichelten Manier der alten Temperamaler ausserordentliche Vor-
teile bietet.

Wurde nämlich die mit solchen, d. h. emulgierten Oelen gefertigte Malerei
matt, wie es jede Tempera wird, so konnte sehr bald schon eine dünne
Oel- oder Firnisschicht aufgetragen werden, ohne Gefahr für die
Malerei und auf diese noch nasse Oel- oder Firnislage Hess sich gleich
wieder mit derselben Oeltempera weiter malen! Die Malerei ver-
band sich mit der unteren Farbschichte „unendlich besser» als es bei der
Malerei nach Theophilus, solbst im gut getrockneten Zustand, möglich war
und die Anzahl der Ueber malungen war nicht begrenzt! Vielleicht
steckt darin der Kernpunkt der ganzen Technik, und ist das
Neue, die bellissiraa inventione, die Disciplina di Fiandra?
Lassen wir Vasari weiter berichten:

,, Giovanni arbeitete in seiner neuen Art viele Bilder, welche von
den Künstlern sehr bewundert wurden; diese wussten nicht, wie er
seine Bilder so vollendet machen konnte; sie mussten nur das Ver-
dienst anerkennen, während andere, mit Neid erfüllt, auf ihn blickten,
umsomehr, als er eine Zeit lang niemand gestattete, ihm bei der Ar-
beit zuzuschauen; auch willigte er nicht darein, irgend jemand das
Geheimnis mitzuteilen. Aber als er alt wurde, erwies er seinem Schüler
Ruggeri (Roger) die Gunst, ihn darin zu unterweisen.'» Roger teilt
das Geheimnis Hans (Memling) mit und anderen …. ,, Ungeachtet
dessen, und obwohl Kaufleute zu ihrem eigenen Vorteile derartige
Kunstwerke (d. h. so gemalte) an Herrscher und hervorragende Per-
sönlichkeiten versandten, fand diese Kunst doch nicht den Weg nach
auswärts und obschon die so versandten Bilder den starken Geruch
hatten, welchen die Mischung (immixtura) der Farben mit
den Oelen ihnen gab, insbesonders wenn sie neu waren, so dass
es möglich schien, die Ingredienzien zu erkennen, so war die Ent-
deckung doch viele Jahre nicht gemacht.»
Diese Charakteristik des Bindemittels, das im frischen Zustand einen
scharfen, starken Geruch (odore acuto) hatte und der von der Ver-
mischung der Farben mit den Oelen herrühren sollte, ist sehr eigentümlich.
Mischungen von Farben mit Leinöl oder Nussöl haben keinen scharfen Geruch
und das Ranzigwerden des Oeles kann damit kaum gemeint sein, denn dies
war bei dünnem Auftrag ohnehin nicht eingetreten; es führt die Andeutung
des Vasari vielmehr direkt darauf, dass es die Emulsion von organischem
Bindemittel mit Oel gewesen sein muss, denn dieses geht bald in
Fäulnis über und muss durch eine starke und scharf riechende Beigabe kon-
serviert werden ; auch der Ausdruck „immixtura» (innige Vermischung)
spricht dafür, ja die Emulsion kann gar nicht besser bezeichnet werden, als
es hier geschieht. Aber was für ^stark riechende» Essenz 16 kann dazu ver-
wendet worden sein? Darüber fand ich nur eine einzige Andeutung bei Giov.
Paolo Lomazzo (Idea del Tempio della Pittura, Milano 1590), einem Zeit-
genossen des Vasari. Er sagt K. 21 S. 71, über die verschiedenen Arten
zu malen sprechend, für Oelmalerei bedient man sich der Mischung der Farben

Geruch der
Immixtura

2ö6

Vasaris
Bericht

(238)

Antoiiella da
Messina

Rückkehr von
Flandern

mit „oglio di noce et di spioa et d’altre cose,» also Nussöl und Spiköl und
„andere Sachen,» welche letzteren er verschweigt.

Diese Andeutung- veranlasste mich bei den ersten Versuchen des Spiköles
(Lavendelöl), welches einen intensiven, aber angenehmen Geruch hat, zu be-
dienen, wodurch der widerliche Geruch der Bi-Oelemulsion beseitigt und gleich-
zeitig ein gutes Konservierungsmittel für das Bindewittel gefunden war. Was
die „altre cose» betrifft, so ist es schwer, daraus klug zu werden; wenn aber
einmal das System der emulgierten Oele in das Bereich der Betrachtung auf-
genommen ist, so sind die Variationen so zahlreich und die Zubereitung eine
so verschiedene, dass jeder einzelne Maler sie für seine speziellen Zwecke und
nach seinem eigenen Gutdünken anfertigen konnte. 17

Kehren wir nun wieder zum Texte des Vasari zurück : Derselbe berichtet
von dem Gemälde, welches in den Besitz des König Alfons I. von Neapel ge-
langte und dort von „allen Künstlern des Königreiches» bewundert wurde.
Antonello da Messina sah es dort und war von der „Lebhaftigkeit der F’arben,
der Schönheit und Harmonie des Gemäldes» so begeistert, dass er sich nach
Flandern aufmachte, um „diese Art zu malen» (la maniera di quel lavo-
rare) kennen zu lernen. Das technische Rätsel, „dass das Gemälde in Oel
gemalt war, .solcher Art, dass es abgewaschen werden konnte, und dass die
Oberfläche gegen Erschütterung (und Sprünge) durchaus sicher war,» brachte
ihn auf den Gedanken. Eine derart feine Detailausführung hatte man mit der
damals in Italien üblichen Oelmalerei oder der Ei-Tempera mit Oellasuren
nicht für möglich gehalten; ein „Geheimnis» musste dahinter stecken und um
dieses zu erfahren, machte Antonello die Fahrt nach Flandern.

„In Brügge angelangt, liess er es sich angelegen sein, die Freund-
schaft von Giovanni zu erlangen, indem er ihm viele Zeichnungen vor-
legte, die im italienischen Stile angefertigt waren und andere Dinge,
so dass Giovanni in Erwiederung für diese Aufmerksamkeiten und auch
weil er sich altern fühlte, darein willigte, dass Antonello seine
Methode der Malerei (l’ordine del suo colorito) sehen sollte. Der
letztere verliess infolgedessen Flandern nicht, bis er vollständig diese
Art zu malen (fino che ebbe appreso eccelemente quel colorire)
gelernt hatte, der Inbegriff seiner Wünsche.»
Giovanni starb und Antonello verliess Flandern, um in seine Heimat
zurückzukehren und Italien ein so kostbares Geheimnis zu überbringen. Nach
einem kurzen Aufenthalt in seiner Vaterstadt Messina, begab er sich nach
Venedig, wo er mit Freuden aufgenommen wurde; er malte dort verschiedene
Bilder in Oel „nach der von Flandern gebrachten Art (nella maniera
a olio, che egli di Fiandra aveva portato)» und die von den venetianer Ade-
ligen sehr geschätzt waren.

Waagen (Ueber Hubert und Jan van Eyck, Breslau 1822, S. 92 ff.)
macht schon auf diese Stellen aufmerksam und bemerkt, dass nicht das Oel
als Bindemittel das Neuartige war, sondern die eigentümliche Art und Weise,
es zu verwenden.

Durch Vasari’s Bezugnahme auf Baldovinetti’s Versuche und an der Hand
anderer quellenschriftlicher Beweise, sind wir folgerichtig auf die eigenartige
Mischung von Oelen mit anderen Temperamitteln gelangt.

Was Vasari von Van Eyck’s Neuerung wusste, hat sich bei kritischer
Beleuchtung als genügend ergeben, um darin die „Mischung der Oele mit der
Tempera» als Emulsion, d. i. Oeltempera zu erkennen; er spricht von der
,,immixtura» und dem scharfen Geruch (odore acuto), der durch die Beigabe
eines notwendigen Konservierungsmittels entsteht, er weiss davon, dass das

17 Vergl. die Rezepte am Schlüsse dieses Abschnittes. Es würde eine im höchsten
Grade dankenswerte Aufgabe einer maltechnischen Versuchsstation sein, ge-
nauere Versuche mit den verschiedenen Emulsionen von Oelen anzustellen, denn wenn
die Emulsion als Bindemittel für Malzwecke in Betracht gezogen wrd, ist eine ganz
ungeheure Zahl von Variationen denkbar und es wäre wichtig, herauszufinden, welche
davon hiefür am geeignetsten sind.

— 257 —

Mischen der Farben mit ,, solchen Arten» von Oelen den Farben eine sehr q 88 * 1 ! 8 *,
starke Tempera zu geben im stände ist; die Versuche mit dieser Temperaart
haben ergeben, dass Vasari richtig berichtet, dass die Malerei ,, Wasser nicht
zu fürchten hatte», auch wenn sie nicht gefirnisst war, eine Bemerkung,
die keinen Sinn hat, wenn es sich um gewöhnliche Oelfarben handeln
würde. Ebenso hat es sich als zutreffend herausgestellt, dass sich die Farben
mit der neuartigen Mischung unendlich besser verarbeiten liessen, als mit der
früher üblichen Ei- oder Leimtempera.

In der Introduzione K. XXI beschreibt, Vasari noch einmal die
,,bellissima inventione» des Van Eyck, welche von Antonello nach Venedig
gebracht wurde. Domenico Veneziano gewann das Geheimnis von ihm
und führte es in Florenz ein. Von Andrea del Castagno, welcher dasselbe
anderen Meistern mitteilte, bis Pietro Perugino, Lionardo und Raffael
hätte diese Manier immer neue Fortschritte gemacht und sich so vervoll-
kommnet, dass ,, dieselbe zu der hohen Schönheit gelangte», welche die Bilder
jener Blütezeit auszeichnen.

„Diese Manier der Farbengebung macht die Farben noch leuchten-
der; est ist nichts weiter nötig als Fleiss und Liebe (zur Ausarbeitung),
denn das darin enthaltene Oel macht das Kolorit weicher, milder
und zarter, und erleichtert die Verbindung und duftige Mal weise mehr
als die anderen und besonders wenn aufs Nasse gemalt wird,
mischen und vereinigen sich die Töne einer zum anderen viel leichter.
Im ganzen geben die Künstler in dieser Art ihren Figuren die schönste
Anmut, Lebhaftigkeit und Kraft, so dass sie oft wie plastisch aus (239)
dem Gemälde herauszutreten scheinen; hauptsächlich, wenn dieselben in
vollendeter und schöner Art erfunden und gezeichnet sind.» Um dies
zu bewerkstelligen, werden die mit Gips überzogenen Tafeln oder
(Leinwand-) Bilder geschliffen, glatt gemacht und darüber mit sehr
weichem Leim 4 — 5 Lagen gegeben: ,,die Farben werden dann mit
Nussöl oder Leinsamenöl gerieben (obwohl das Nussöl besser ist, da
es weniger nachgibt) und so angerieben mit diesen Oelen, d. i.
ihrer Tempera, ist nichts weiter nötig, als sie mit dem Pinsel
aufzustreichen.» 18
Auch hier findet sich die Bezeichnung d er Oeltemper a ganz
deutlich; questi olii, che e la tempera loro, wörtlich genommen, spricht es
aus, dass hier die Emulsion dieser Oele gemeint sein mag. Wollte man diesen
Passus so nehmen, dass Tempera Bindemittel überhaupt heisst, so müsste der
Satz im Plural konstruiert sein und heissen: questi olii, chi sono le tempere
loro, aber che e bedeutet hier soviel als ,,das heisst», demnach: ,, diese Oele,
resp. die aus ihnen bereitete Tempera». Ob nun die von Vasari so beschriebene
Tempera noch zu seiner Zeit in Verwendung war, oder im Laufe der Zeit ver-
bessert oder verändert wurde, ist aus seinem Berichte nicht genau ersichtlich.
Es wird noch Gelegenheit geben, darauf zurückzukommen.

18 Vasari, Introduzione K. XXI. „Questa maniera di colorire accende piu i colori;
ne altro bisogna, che diligenca et amore, perche l’olio in se reca il colorito piu morbido,
piu dolce et delicato, et di unione, et sfumata maniera piu facile che li altri, et mentre
che frescho si lavora, i colori si mescolano, et si uniscono l’uno con 1′ altro piu facil-
mente. Et in summa li artifici danno in questo modo bollissima grazia et vivacita et
gagliardezza alle figure loro, talmente che spesso ci fanno parere di rilievo le loro
figure, et che eile eschino de la tavola». „. . . . vanno pio macinando i colori con olio
die noci, o di seme di lino (benche il noce e meglio perche ingialla meno) et cosi
macinati con questi olii, chee la tempera loro, non bisogno altro quanto a essi,
che distengergli cor penello».

17

— 258 —

IV. Weitere Nachrichten über die Van Eyck-Technik

(240) Aus dem Texte des Vasari haben wir zu beweisen versucht, dass Van

Eyck’s epochemachende Erfindung darin bestanden haben mag, dass er die
schon vor ihm für Vergoldung und dgl. gekannte Manier, schwer trocknende
Oele und Oelfirnisse durch die Emulsion wassermischbar und dadurch schnell
trocknend zu machen, für Malzwecke verwendete. Es wäre aber ein Irrtum,
dieser Technik deshalb eine Aquarelltechnik zu nennen, denn das Wesen
der emulgierten Oele bleibt doch immer das darin enthaltene Oel.
Auch ist diese Malart nicht mit Tempera gleichzustellen, denn alle anderen
Temperabindemittel sind nach dem Trocknen wieder durch Wasser auflösbar,
während die Oeltempera, vermöge ihres Oelgehaltes gegen Wasser nach
dem Trocknen unempfindlich wird. Diese Teraperaart hält die Mitte zwischen
den vordem bekannten Arten der wassermischbaren Bindemittel (Ei, Leim,
Gummi) und der Oelmalerei, sie vereinigt die Vorzüge beider, mit Wasser
mischbar, also schnell trocknend zu sein und dann wieder so fest zu werden,
wie Oelfarbe. In diesem Sinne ist die Manier, wie wir sahen, auch von Vasari
beschrieben. Van Eyck ist nicht der Erfinder einer neuen Art: „der Oel-
malerei», sondern einer „neuen Art der Oelmalerei»!

Vasari drückt sich wie folgt aus (Introduzione K. XXI) : „Es war
eine herrliche Erfindung und grosse Erleichterung für die Malerkunst
die Art der Oelmalerei, welche in Flandern Giovanni von Brügge
zuerst erfand (fu una bellissima inventione e una gran’ commodita
all’ arte della pittura, il trovare il colorito ä olio, di che fu primo
inventore in Piandra Giovanni da Bruggia) …. welche dann von
Antonello bis Perugino, Leonardo und Rafael auf die hohe Stufe der
Vollendung gebracht wurde.»
Vasari schrieb Mitte des XVI. Jahrh., etwa 60 — 70 Jahre, nachdem
Antonello das „wertvolle Geheimnis» seinen Landsleuten überbrachte, und
man sollte meinen, in den gleichzeitigen Druckschriften doch mehr als un-
bestimmte Andeutungen darüber anzutreffen. Ausser bei Vasari finden sich
direkte Bezugnahmen auf die „neue Art» sehr spärlich; Berichte von Zeit-
genossen aus dem XV. Jahrh. sind darüber entweder ungenau oder sie ge-
stehen es selbst ein, nicht genügend unterrichtet zu sein. Immerhin mag es
wichtig sein, die hauptsächlichsten hier zu zitieren:
Fa c’ u8 Pacius (schrieb 1455) berichtet (De vir. illustrib. S. 46) von Gio-

vanni, „er habe Vieles über die eigentümliche Beschaffenheit der
Farben erfunden und die Kunst der Malerei bereichert, indem er aus
den Ueberlieferungen des Plinius und anderer gelernt hätte.» 19 Man
ersieht daraus, wie unklare Vorstellungen er darüber hatte: allerdings
lebte er zu einer Zeit, in welcher man in Italien nur vom Hörensagen
über Van Eyck’s Neuerung etwas wissen konnte.

19 Facius (de vir. illustrib. S. 46): Johannes Gallicus, littarum non nihil doctus,
Geometriae praesertim, et earum artium, quae ad picturae ornamentum accederent,
putatusque ob eam rem multa de colorum proprietatibus invenisse, quae ab antiquis
tradita ex Plinii et aliorum auctorum lectione didicerat.

— 259 —

Aus gleicher Ursache ist das Zeugnis des Filarete (Bibl. Magliabec.
libro XXIV, Dei colori e della composizione de storie), von geringem Belang;
wir erfahren zwar von einer „neuen Art» Oelmalerei, aber wie es zur ge-
naueren Erklärung kommt, schweigt er, entweder aus Unkenntnis oder ab-
sichtlich, um das „Geheimnis» nicht zu verraten. Die Stelle findet sich im
Ms. am Ende des obenbezeichneten Bandes und mag um 1464 geschiieben
sein (s. Eastlake II S. 66). Nach einer kurzen Beschreibung des Fresko-
malens und der Art, die Formen mit Licht und Schatten zu runden, fährt
er also fort:

„Und befolge dasselbe System in Tempera; auch in Oel magst du
alle diese Farben verwenden, aber das ist eine andere Arbeit
und eine andere Manier — eine Art, die schön ist für den,
der dieselbe anzuwenden versteht. In Deutschland arbeitet
man gut in dieser Art, insbesondere darunter Meister Johann von
Brügge und Meister Roger, welche beide diese Oelfarben aufs vor-
trefflichste verwendeten. (Frage:) Sage mir, in welcher Weise man
mit diesem Oele arbeitet, und was für Oel es ist; wenn es Leinsamen-
öl ist, ist es nicht zu dunkel? (Antwort): Ja, aber das kann ver-
mieden werden; die Methode kenne ich nicht, wenn sie nicht
darin besteht, das Oel in ein Gefäss zu geben und es unberührt lange
Zeit stehen zu lassen; es wird dadurch wirklich heller und manche
sagen, es gäbe eine viel schnellere Methode. Lassen wir
das. (Frage:) Und wie wird weitergearbeitet? (Antwort): Ist der
Gips, mit welchem deine Tafel bereitet ist, oder der Mörtel (wenn du
auf Mörtel arbeitest) trocken, so gib ein Lage von Oelfarbe. Weiss
ist gut dazu oder irgend eine andere Farbe; es hat keine Bedeutung,
welche Farbe dazu genommen wird . . .» 20
Nicht viel mehr sagt uns Leon Battista Alberti (f 1472). Seine
Worte sind: „Es gibt noch eine neue Erfindung, bei welcher alle Arten
von Farben mit Leinöl angerieben, gegen alle Unbill der Witterung gesichert
sind, vorausgesetzt die Wand, auf welcher gearbeitet wird, ist trocken und
frei von Feuchtigkeit.» 21

Alberti scheint auch nicht mehr als die anderen und nur vom Hören-
sagen über die „neue Erfindung» zu wissen; zeitlich ist dies auch sehr erklär-
lich, da die wenigen Wissenden ihr „Geheimnis» mit grösstem Misstrauen
bewahrten.

Von italienischen Nachrichten über die flandrische Manier, mit Oel zu
malen, wäre noch das sichere Zeugnis Summonzio’s in einem Schreiben an
Marcantonio Micheli in Venedig, 1524, zu erwähnen, in welchem er von Colan-
tonio berichtet: „Seine Beschäftigung bestand in flandrischer Arbeit und
im Kolorieren nach der Art jenes Landes. Dem gab er sich der-
raassen hin, dass er nach Flandern gehen wollte, doch hielt ihn König Renee
zurück, indem er ihm selbst die Praxis und die Mischung jener Farben zeigte.»
In demselben Dokument wird Colantonio dem Antonello de Messina als
Lehrer gegeben und erwähnt, dass dem genannten Renee die „Disciplina

Weitere
Nachrichten

(241)

Filarete

SuuimoDzio

*° Filiarete, lib. XXIV: „ … et cosi sea afare a tempera et anche aoglio sipossona
mettere tutti questi colori ma questa et altra fatica et altro modo il quäle e bello
chi losa fare. Nellamagna silavora bene inquesta forma inaxime dacquello maestro
Giovanni da Bruggia et Maestro Ruggieri iquali anno adoperato optimamente questi
colori aolio. dimmi inche modo silavora con questo olio e che olio e questo olio, sie
diseme dilino none egli molto obscuro. si maseglitoglie ilmodo nonso senon metillo
intro una amoretta et lasciarvelo stare uno buono tempo eglisischiarisce yoro e che
dice chece elmodo affare piu presto, lacsiamo andare, il lavorare come sifa. prima
sulatua tavola ingesatta overamente inmuro che sia lacalcina vuole essere seccha et
poi uua mano di colore macinato aolio sella biacha e buona et anche fosse altro colore
non monta niente che colore sisia …»

21 Leon. Baptist. Alberti Florentini, Libri de re aedificataria decem. Parrhisiis
1512, I. c. 9: „Novum inventum oleo linaceo colores quos volis inducere contra omnes
aeris et coeli injurias eternos: modo siccus et minime uliginosus sit paries ubi indu-
cantur».

IV

260 —

Weitere
Naohrichten

Stanzioni

(241)

Vergleich mit
Freskomalerei

di Fiandra» bekannt war (s. Lanzi, Scuola Neap. Ep. 1; Passavant,
Kunstbl. 1843, Nr. 57.)

Mit dieser Nachricht steht die folgende in Zusammenhang:

Massimo Stanzioni (geb. 1585), f 1656), ein neapol. Bildhauer, be-
richtet nach alten Papieren über Kunstgeschichte (welchen?) also: „Das von
Johann van Eyck dem König Alfons geschickte Bild von den drei Weisen
wie man es nannte, erregte grosses Aufsehen, als der König es sah und es
ihm als schone Malerei aufgetischt wurde, doch schien es keine Neuigkeit
wegen der Oelmalerei; dieses ist so wahr, da von Zingaro und Donzello einige
Dinge wieder gemalt wurden, welche auf der Reise Schaden genommen hatten;
dieselben machten aus den Köpfen zweier Weisen die Bildnisse von Alfons
und seinem Sohn mit derselben Oelf arb e.» 22

Der Wert dieser anonymen Nachricht wird auch von Waagen an-
gezweifelt, da nach Facius’ Bericht gar kein solches Bild im Besitze des Königs
war. Schon die eigentümlich wegwerfende Fassung ist bedenklich und gar
das Uebermalen von Köpfen der beiden Weisen mit andern Portraits muss
erstaunen ; eines solchen Vandalismus könnten wir den königlichen Mäzen in
Neapel nicht für fähig halten I

Derselbe Stanzioni, welcher so wenig respektlos von van Eyck’s Ge-
mälde spricht, bringt aber noch einige Details aus einer Quelle bei, die Vasari
unbekannt gewesen sein muss. Er behauptet, dass zwar schon um 1300 in
Neapel in Oel gemalt wurde, 23 doch finde er (in der ungenannten Quelle) ge-
schrieben, dass Antonello, dessen Vater Ingenieur gewesen und Joseph ge-
heissen, mit demselben nach Flandern ging, nachdem er in der Schule des
Colantonio del Fiore (welcher bereits mit Oelfarben gemalt hätte) gebildet,
schon die Malerkunst innegehabt habe; daselbst habe ihn Johann von Brügge
gelehrt, auf welche Weise man gut i*n Oel male (come bene si dipin-
geva ad olio), denn Johann sei darauf ausgegangen (s’impazzava), Farben und
Firnisse zu bereiten, die ihr frisches Aussehen behielten. In Italien wie in
Flandern habe man Oelfarben bereitet, jedoch nicht verstanden, geschickt
damit zu arbeiten, indem diese Malart für denjenigen, welcher die Be-
handlungsweise nicht kenne, ebenso grosse Schwierigkeit habe
als die Freskomalerei für einen, der nicht damit umzugehen wisse.

Der Vergleich mit der Freskomalerei fällt hier zunächst auf, und muss
doch in irgend einer Beziehung mit der „neuen Art» der Oelmalerei stehen,
insbesondere wenn der Autor, wie wir gesehen, dieselbe gekannt zu haben
scheint und sogar wegwerfend über dieselbe urteilt. Bei Fresko verändert
sich der Farbton bekanntlich ins Hellere, und es gehört viele Uebung dazu,
den richtigen Torr mischen und seine Wirkung nach dem Trocknen vorher
berechnen zu können; bei den Versuchen, in Van Eyck’scher Technik fertig
zu malen, d. h. zu übermalen, fand ich nun, dass sich auch da die Töne
verändern, aber sie werden tiefer, dunkler, sie vereinigen sich
mit dem Untergrund (sie „sinken» ein), wenn man nicht absicht-
lich hellere Lichter aufträgt! Sollte diese Eigentümlichkeit nicht in
Zusammenhang stehen mit der obigen Stelle des Stanzioni?

Kann man nach Facius, Filarete und Alberti nur konstatieren, dass die
Technik neuartig war, so erkennen wir bei Stanzioni schon eine Andeutung
einer Charakteristik, welche durch die Versuche Sinn und Bedeutung gewinnt.

1,4 Von den Gemälden des Van Eyck, welche damals nach Neapel gelangt sind,
ist jetzt nichts mehr vorhanden. Andere Tafeln aus der Schule des Van Eyck finden
sich noch jetzt dort. Vergl. Schorn: Nachricht über einige Gemälde von altdeutschen
und altneapolit. Meistern zu Neapel. Kunstblatt 1823 Nr. 39 ff.

28 Lorenzo Ghiberti (1378 — 1455) erwähnt in seiner Geschichte der Malerei in
Italien, dass Giotto auch in Oel gemalt habe; desgl. gelten als italienische Oelmaler:
Serafino Serafini, Modena, um 1385; Giorgio da Firenze, der 1314 — 1325 in Chambery,
Borghetto und Pinerola malte; Lippo Dalmasio, von welchem Oelgemälde vom Jahre
1407 zu Bologna sein sullen und Colantonio in Neapel. Antonello da Messina, dessen
Schüler, war demnach über die damalige Art der Oelmalerei so orientiert, um zu
erkennen, dass Eyck’s Methode der Oelmalerei eine völlig andere gewesen sein musste.

261 –

Hier möge noch eine Bemerkung eingeschaltet werden, die sich bei
Paolo Pino findet und die auf die flandrische Malweise Bezug zu haben
scheint. In seinen Dialog o di Pittura, der 1548, also vor Vasaris Lebens-
beschreibung berühmter Maler erschien, spricht er abfällig von der Gouache-
Malerei (colorire ä guazzo), die er für unvollkommen hält und von der er sagt:
„Lassen wir sie denen jenseits des Gebirges (all’oltramontani), die den
rechten Weg verloren haben» (che sono privi della veravia), und als
wahren Weg bezeichnet er die reine Oelmalerei. Er polemisiert dann gegen
die Landschaften der „Fiamenghi», die er mit denen von Tizian und anderen
in keinen gerade günstigen Vergleich zieht. Armenino, der die obige gegen
die Plamänder gerichtete Sentenz wiederholt, fügt hinzu, „die berühmtesten
Modernen hätten auf diese Manier verzichtet, die sie den „oltramontani» über-
liessen und seien zur vollkommenen Oelmalerei übergegangen. Ich
verweise auf das Kapitel, das Paolo Pino’s Dialog und Michel Angelo Bion-
do’s Traktat behandelt, im folgenden Bande dieses Werkes (Quellen für Mal-
technik während der Renaissance und deren Folgezeit, München 1901 S. 17),
wo des weiteren ausgeführt ist, dass zu Pinos Zeit, also um die Mitte des
XVI. Jhd. der Uebergang von der altniederländischen Mischtechnik zur reinen
Oelmalerei bereits vollzogen gewesen sein musste

War die Ausbeute bei den italienischen Autoren äusserst spärlich, so
finden wir in deutschen oder nordischen Quellen der Zeit absolut
nichts, was uns über die Van Eyck’sche Technik aufklären könnte. Die
politischen Verhältnisse, die Reformationswirren, in deren Folgen die Bilder-
stürme jedes Aufkeimen künstlerischer Regungen erstickten, mögen der Weiter-
verbreitung Hindernisse entgegengesetzt haben. Zeitlich war das älteste in
deutscher Sprache geschriebene Strassburger Ms. der Van Eyck’schen Erfin-
dung vorausgegangen; das nächstfolgende Malbuch des Boltz ist etwa ein
Jahrhundert nachher verfasst, und wir haben gesehen (S. 162), dass Boltz,
der Illuminierer, sich um Oeltechnik nicht kümmerte, und nur die für ihn
Interesse habenden Rezepte in sein Werk aufgenommen hat. Wie die im
Strassburger Ms. beschriebene Oeltechnik die Grundlage für das Sammelwerk
„Kunst- und Werkschul» geworden, ist oben bereits angeführt (S. 163); merk-
würdigerweise ist aber doch ein Emulsionsrezept in dem Buch enthalten, und
zwar wieder, wie alle nordischen, eine Emulsion von Gummi und Oel.
Es findet sich dort auf Seite 726 (Ausgabe v. J. 1707):

„Nr. 27. Ein Gemähide dergestalten zu überziehen, als ob ein
Glass darüber wäre.

Nimm venedischen Gummi oder Gummi arabicum, weiche
den in frischen Brunnenwasser, lasse ihn darinen zergehen, dass
er aber dicke bleibet, und sich ziehen lasset wie ein Oel ; alsdann
nehme diesen Gummi, und des nächstfolgenden gesottenen Oeles,
eines soviel als des andern, vermische diese beyde auf einer Politen
(Reibschale) wol durcheinander, und übei ziehe damit das Gemälde fein
gleich uud subtil, darnach lasse es also trocknen, so wird es wie ein
Glass darüber sein.

Nota. Der Fürniss so zu diesen Gemählden gebrauchet wird, muss
mit Nuss-Oel überzogen werden.

Obgedachter Fürniss darzu. Nimm reiner Silberglett, und schönen

Agtstein (Bernstein) eines soviel als des andern, zersiosse es klein,

und giesse lautter Lein-Oel darüber, so du aber willst, dass die Farben

schön bleiben, so nehme anstatt des Lein-Oels Nuss-Oel, zweimal ohn-

gefähr so viel als die andern Materi, thue es in einem Hafen, setze

es wohl verdeckt auf einen warmen Ofen, und rühre es mit einem

Höltzlein des Tages einmal zwei oder drey (mal) um, lasse es drey

oder vier Tage stehen, so wird es gantz gut werden.»

Da der Kompilator von „Kunst- und Werkschul» nicht ausübender Maler

war, sind auch in dem obigen Rezept gewisse Unklarheiten enthalten, wie

die Nota zeigt. Irgendeine Hinweisung auf Van Eyck’s oder die holländische

Weitere
Naohriohten

Poalo Pino

(243)

Kunst- und
Werkschul

262 —

Weitere
Nachrichten

Der Curiöse
Maler

Van Mander

Marciana-Ms.

(244)

a putrido-
Oelfarben

Malart findet sich in „Kunst- und Werkschul» nirgends. Derartige Rezepten-
sammlungen sind ganz ohne Umsicht einfach aus vorhandenen Aufschreibungen
aneinander gereiht.

Eine solche mir vorliegende Sammlung, betitelt: ,,Der curiöse Schreiber
samt dem curiösen Mal er, darinne von Oel- und Wasser-Farben, die-
selben zu mischen, zu vertieffen und zu erhöhen, nebst unterschiedenen anderen
Kuriositäten, die Farben anzurichten, Dresden und Leipzig 1712 (bei Joh.
Christ. Miethen)» hat z. B. alles, was Boltz bringt, übernommen, mit viel-
fachen Zusätzen vermehrt, aber man wird in dem ganzen 146 Seiten ent-
haltenden Abschnitt über die Oelfarben ganz vergebens darnach suchen, mit
welchen Oelen und wie dieselben anzumachen sind! Man wird sogar in den
Kapiteln über „Oehlfarben» und deren Zubereitung finden, dass viele der Farben
mit Gummi oder Ei temperiert werden sollen !

Erstaunlich ist, dass selbst in Van Mander’ s umfassender Einleitung
zu seinem Schilderboeck, nämlich in dem in Versen geschriebenen „Grondt der
Edel vry Schilderconst», worin ,,Art und Wesen der Malkunst der lernbegierigen
Jugend vorgetragen» wird, nur geringfügige Andeutungen über Malerei mit
Oelen und der speziellen Technik der Zeit zu finden sind. Das Buch erschien
im Jahre 1604 in Harlem; seit Van Eyck’s Tode waren demnach schon ein-
einhalb Jahrhunderte verflossen. Im Kapitel 12 vom Malen oder Kolorieren
(Van wel schilderen, oft colorieren) wird zum Schluss (Vers 43) nur einmal
vom Nussöl gesprochen, das zum Anmachen von Smalte genommen werde
und dass etliche zum gleichen Zwecke „Oele mit Praktiken gemacht» (Ghe-
bruycken Oly, ghemackt mit Praktyken) verwenden. Ob darunter Trocken-
öle oder gereinigte oder am Ende gar emulgierte zu verstehen sind, das lässt
sich nicht ersehen. Im weiteren Verfolg der Technik werden wir aber aus
Van Mander’s technischen Notizen doch noch manche wertvolle Details ent-
nehmen, die sich auf die alte Manier beziehen.

Umsomehr gewinnt eine geschriebene Rezeptensammlung an Bedeu-
tung, welche in Venedig, dem Aufenthaltsorte des Antonello nach seiner Rück-
kehr aus Flandern, gegen Ende des XV. oder Anfangs des XVI. Jhs. ent-
standen ist. In dem nämlichen Ms. der Marcus-Bibliothek (Secreti diversi,
esistente nella Bibliotheka Marciana), das eine grosse Anzahl von allerlei An-
weisungen für Glasfabrikation, Stukko und Malerei enthält, und dem East-
lake das oben erwähnte Rezept (Eigelb und „Vernice liquide» mitein-
ander zu emulgieren, s. oben S. 249) entnommen hat, findet sich unter
den Anweisungen, welche Merrifield (II S. 608— 640) daraus publizierte, noch
eine für die Oelmalerei sehr merkwürdige Variation. Rp. 301 lehrt, wie
man mit verschiedenen Oelfarben ,,a putrido» arbeitet. (Oolori diversi
per dipingere e lavori a olio a putrido etc.) Es sind darin so ziemlich allö
damals in Gebrauch gewesenen Farben, sowohl Körperfarben als auch Lacke
genannt, die so angewendet werden können. A putrido 24 heisst wörtlich in
Fäulnis oder Zersetzung geraten, und das wird nach demselben Rezept
durch Eigelb erzieltl Denn es heisst am Schlüsse des Rez. : ,,Die Tempera
dieser Farben ,,a putrido» verfertigt, besteht aus gleichen Teilen Wasser
und Eigelb und zwar etwas weniger als die Hälfte der Farbe selbst.» (La
tempera di questi colori fatti a putrido ./. (= ana) a acqua e el tuorlo del

84 Merrifield (a. a. 0.) meint, dass unter putrido das in Fäulnis übergegangene
Eierklar gemeint sei, welches in gewissen Fällen für Vergoldung benützt wurde und
zitiert Nr. 298 des Ms. von le Begue Hier ist aber Eigelb besonders genannt. Was
hätte auch Eierklar mit Oelfarbe zu tun, welche sich nicht damit vermischen lässt?
Ich lese a putrido und nicht o (oder), zufolge Rp. 328 und der Notiz am Ende des
ersten Rezeptes (la tempera di questi colori fatti a putrido). Dem Leser dürfte es
wohl aufgefallen sein, dass bei der Titelangabe des Rezeptes, sowie am Schluss des-
selben ,,etc.» steht. Um ganz sicher zu gehen, habe ich durch den Bibliothekar der
Marciana, Herrn Conte Saranzo in Venedig diese Stellen der Merrifield’schen Aus-
gabe mit dem Originale vergleichen lassen; dabei wurde festgestellt, dass das genannte
Roz. wörtlich richtig wiedergegeben ist. Der Verfasser des Originales hat demnach das
weitere, als keiner näheren Erklärung bedürftig, hinweggcdassen!

— 263 –

vuovo un poco manco che la meta del colore etc.) Rp. Nr. 328 zeigt an, N a!£hHrhten
dass man auch auf Glas „a putrido» malen kann. (Se vuoi dipigniere in sul
vetro a putride) Wir hätten demnach unter „a putrido» die venetianische
Bezeichnung für die Emulsion oder Oeltempera zu verstehen! In der Tat gehen
alle Ei-Oel-Emulsionen sehr leicht in Fäulnis über und müssen durch besondere
Mittel länger haltbar gemacht werden.

Diese beiden Emulsionsrezepte sind sehr bemerkenswert
in einem venetianische n Merkbuch, das nur für eigenen Ge-
brauch, vielleicht in einem Kloster entstanden ist (vgl. Merri-
field II S. 603). Geschrieben in Venedig, der Stadt, in welcher
Antonello sich nach seinem Aufenthalt in Flandern zuerst
niedergelassen hatte, gewinnen diese beiden Angaben, für die
Verbreitung undKenntnis derEmulsion schlagende Beweiskraft,
und die Annahme ist nicht zurückzuweisen, dass diese neue Art der Oel-
malerei in den gleichzeitigen Druckschriften absichtlich nicht oder
nicht genau beschrieben wurde.

Wir werden auch darin nicht fehl gehen, wenn wir den Mangel genauerer Werkstätten-
technischer Angaben in den Druckschriften der Zeit dem Umstände zuschreiben, e eimni9Be
dass die Maler sich doch scheuten, ihre technischen Geheimnisse und Kniffe
durch Veröffentlichung im Buchdruck preiszugeben. „Geheim-
nisse» hatte fast jeder Maler und jede Werkstatt. Das Strassburger Ms. bringt
ein Geheimrezept (18) ,,das soltu verfielen» und erwähnt schon von gewissen
gereinigten Oelen ,,die wissent net olle maier»; das Ms. über die Miniatur-
malerei in Neapel (XIV. Jht.) nennt auch ein „Geheimnis» für bestimmte
Fälle, wenn die Farbe nicht tauglich ist. Auch Dürer hat sein eigenes
Rezept eines Firnisses, „den man sonst nit kan machen» 25 , und warum sollten
denn die Maler nicht Ursache und Interesse daran gehabt haben, gerade ein
Verfahren geheim zu halten, „nach dem alle Maler der ganzen Welt vergebens
gesucht hatten,» wie Vasari sagt? Das mag ja kleinlich und selbstsüchtig
scheinen, aber es liegt in der Natur der Sache und von diesem allerdings
engherzigen Standpunkte muss die schier unglaubliche Geschichte von der
Ermordung des „wissenden» Kollegen Domenico durch Andrea del Castagno
doch für denkbar und möglich gehalten werden. 26

Schliesslich, last but not the least, sei noch hervorgehoben, dass die (245)
Kenntnis der Alchemie von Seite des Johann van Eyck in der Erzählung des
Vasari besonders erwähnt wird, und gerade die Bereitung von Emulsionen
auch heute noch zu den speziellen Fertigkeiten der Apothekerzunft gehört;
zur Bereitung solcher Mischungen ist die Kenntnis des genauen Verhältnisses
nötig und eine gewisse Uebung, die erst angeeignet werden muss.

Es ist also in dem zünftigen Wesen der damaligen Zeit begründet, dass
die Maler ihre technischen Erfahrungen nicht mehr verbreiten, als es in der
Werkstatt von jeher üblich war. Durch die in der zweiten Hälfte des XV. Jh.
sehr schnell sich entwickelnde Buchdruckerkunst (1480 bestanden in Italien

515 Vergl. Dürer’s Brief an Heller vom Jahre 1509 (Ausg. v. Dr. Fuhse S. 51).

26 Nach Puccini’s eingehenden Forschungen (Memoire istorio — critiche di Anto-
nello degli Antony, pittore Messinese, 1809, Deutsch. Ausg. Kunstblatt 1826 Nr. 78 ff.)
scheint es gewiss, dass Domenico Veneziano, welchem Antonello das Geheimnis der
Uelmalerei mitteilte, im Jahre 1464 nicht mehr am Leben war; Puccini verbindet
damit die Angabe Sandrarts (Acad. Pict S. 106), die Ermordung Domenico’s sei ge-
schehen, als Antonello 49 Jahre alt war. Wann er nach Flandern gegangen, lässt
sich nur annäherungsweise ermitteln; dass es zu Alfons Zeit, welcher 1 j42 zur Herr-
schaft gelangte, geschehen, ergibt sich aus Vasari’s Angabe. Setzt man Joh. van Eyck’s
Todesjahr auf 1445, weil 1. ein nach van Manders Angabe unvollendet gebliebenes
Bild Johann’s, zufolge einer handschriftl. Nachricht aus dem XV. Jfc , im Jahre 1445
in der St. Martinskirche zu Ypern aufgehangen wurde (Passavant, Kunstbl. 1833) und
2. eine Urkunde im Archive zu Brügge im Jahre 1445 der Witwe eines Joh. van Eyck
erwähnt, so fällt Antonello’s Fahrt nach Flandern ungefähr in sein 28. Jahr, wenn
wir seinen Aufenthalt dort auf einige Jahre bemessen.

Ueber die chronolog. Frage seines Aufenthaltes in Venedig vergl. Waagen, über
Hub. und Jan van Eyck, S. 109 ff.

— 264 —

Weitere
Nachrichten

J oraazzo

Armenino

(246)

schon 40 Offizinen) war eine weite Verbreitung zu befürchten und es mag
auf den Umstand hier aufmerksam gemacht werden, wie ungern noch die
Kunstschreiber des XVI. Jhs. ihre Zunftgeheimnisse veröffentlicht haben; ent-
schuldigt sich doch Boltz von Rufach 27 deshalb besonders bei den Kollegen
in seiner Vorrede; er sagt: „ich hab kein Zweiffel, es werden etlich miss-
günstige Künstler diese meine einfaltige anleitung in die Jlluminierung sehr
bekümmern | als ob in derhalben etwas abbruchs jrer narung daraufs folgen
wirt | wie sich denn etlich gegen mir lassen hören | vn vermeinen man solte
die ding nicht gemein machen | zur verkloinerung der Kunst. Denen vnd
anderen gib ich zu antwort | das diss nicht angefangen | jemand dadurch zu
verderben | oder zu verkleinern etc.» Spätere Autoren sind vielleicht aus
gleicher Ursache mit ihren technischen Notizen äusserst knapp; so Lomazzo
(Idea del tempio della Pittura, 1590), wie wir oben gesehen haben. Für die
Oelmaleri schreibt er die Mischung der Farben mit oglio di noce et di spica
et „d’altre cose» vor, und verschweigt, was das für altre cose sind. Auch
in seinem früher erschienenen Trattato del’ arte della Pittura (1585) bringt
er Kap. V, „welche Farben sich für die einzelnen Arten von Malerei eignen»
keine Andeutung, mit was für Oelen die Farben für Oehnalerei zu mischen
sind! Anweisungen zum Reinigen der Oele, zur Bereitung des Firnisses, der
Holztafeln, Leinwand etc., welche in den Manuskripten des XIV. Jahrb. so
zahlreich und ausführlich sind, sucht man bei Lomazzo vergeblich. Ausser-
dem verbreiten sich die Malbücher jener Zeit mehr nach der optischen, physi-
kalischen oder ästhetischen Seite (Lionardo da Vinci); wir finden schon
lange Abhandlungen über Licht- und Schattenwirkungen, Luftperspektive,
Proportionslehre des menschlichen oder tierischen Körpers, ausführliche An-
gaben, wie man Schlachten, Historien, Landschaften oder Allegorien etc. zu
komponieren, und welche Motive aus der Legende oder Mythologie man bei
Ausschmückung von Palästen anbringen könne. Andere wieder (Sicilio
Araldo, Trattato dei Colori, Venetia lo65; Fulvio Pellegrino Morato,
Del Significato de colori, Vineggia 1547) ergehen sich in einer für uns ganz
entferntliegenden „Bedeutung der Farben», welche auf den heutigen Leser
den Eindruck von Geziertheit und Uebertreibung hinterlassen. Eine Ausnahme
macht Armenino, welcher schon in dem Titel: De veri precetti (Ravenna
1587) es ausspricht, dass er keine Absicht hat, etwas als Zunftgeheimnis zu
bewahren; in der Tat ersehen wir bei ihm viele wichtige Details über Be-
reitung von Farben und Firnissen.

Es verlohnt sich deshalb Armenino’s Buch daraufhin etwas näher zu
untersuchen:

Allgemein ist die Ansicht verbreitet, und so steht es auch in fast allen
Kunstschriften und Lehrbüchern neuer und neuester Zeit, dass mit der von
Van Eyck eingeführten verbesserten Oeltechnik jedes andere früher gebrauchte
Bindemittel aufgegeben wurde, denn die Vorteile der Oelfarbe, den früheren
Tempera-Arten gegenüber, waren so in die Augen fallende, dass von der Zeit
an die Oehnalerei alle anderen Techniken in den Hintergrund gedrängt habe.
Aus Armenio erfahren wir das Gegenteil! Die älteren Temperamanieren be-
spricht er (II. B. Kap. VIII S. 119) als „noch vielfach verbreitet» und sagt
von den hervorragendsten Meistern „wie Raffael, Michelangelo, Tizian, Corregio,
habe er Dinge in den drei Arten (Fresko, Secco und Oel) gesehen, mit
grösster Sorgfalt ausgeführt und von hervorragender Harmonie der Farben»
(Kap. X S. 130).

Im Kapitel über Oelmalerei (S. 122), das in mancher Beziehung inter-
essant ist, weil er das Anreiben der Azure und Rot mit Oelen vermieden
wissen will, beschreibt er eine Imprimitur (Grundfarbe), welche aus einem
ihm unbekannten, leuchtenden, aber nicht mit Oel angemachten
Bindemittel besteht (con un non so di fiammegiante mediante), welches

27 Boltz von Rufach, Illuminierbuoh, künstlich alle Farben zu machen und zu
bereiten. Alleu Brieffmalern, sampt anderen solchen Künsten liebhabern nützlich und
gut zu wissen. Vorhin im truck nie aussgaDgen. Frankfurt a. M. 1562.

— 265 —

alle Farben, selbst die Azure und Rot nicht verändern „während das Oel, Weitere

Nachrichten

wie man aus Erfahrung weiss, alle Farben natur gemäss dunkler
macht, diese durchaus verbleichen und um so h äs s Hoher werden,
je dunkler die darunter befindliche Imprimitur ist.»

Ausser diesem ,,ihm unbekannten leuchtenden Bindemittel» beschreibt er
die Methoden, welche von den hervorragendsten Malern noch angewendet
werden, um ihre Arbeiten zu beschleunigen. Dazu dient — die Tempera,
welche ,, verschiedene Praktiker mit allerlei „Wassern» bereiten (con aque
diverse compongino di piu sorte colori), durch welche sie ihren Bildern viel
Leben, Kraft und Klarheit verleihen; es sind grüne (herbe) Wasser (aqua
verdi), Jungfernwasser (aqua di vergini), Liliensaft (sugo di gigli) darunter,
nebst anderen, ebenfalls flüssigen Materien gemischt, womit sie
ihre Farben zumeist fester haftend machen und dabei eine ausser-
gewöhn liehe Lebhaftigkeit erreichen» (le qnali meschiano sovente con
quei colori che li sono piü adherenti, onde ricevano una vivezza sopra modo)!

Neben der Oeltechnik und zur Beschleunigung von grossen Arbeiten
sehen wir hier eine Farbenart, deren Zusammensetzung Armenino verschweigt,
oder umschreibt, die aber gewiss der Oeltechnik entgegensteht, und durch
welche den Bildean eine über das gewöhnliche Mass hinausgehende
Leuchtkraft (una vivezza sopra modo!) verliehen wird. Armenino sagt
zwar viel, aber nicht genug. Was sind das für grüne, scharfe Wasser, mit
Liliensaft oder Jungfernmilch und anderen flüssigen Materien vermischt ?

Wir können nur vermuten, dass das herbe Wasser ein Konservierungs-
mittel bedeuten kann und dem „odore acuto», dem oben erwähnten scharfen
Geruch (vergl. S. 255) entsprechen dürfte; Liliensaft erwähnt Boltz für seine
Temperaraittel zur Verbesserung des bald übelriechenden Eibindemittels, man
denke auch an die „a putrido a -Rezepte des Marciana Ms. Das Jungfern- jungfemmiich
wasser 28 bedeutet aber nach den alten Rezepten eine Mischung
von zwei Flüssigken, die an sich klar, miteinander vereinigt,
aber milchig werden, also unsere Emulsion, die aus klarer Gummilösung
und klarem Oel bereitet, dann milchig weiss erscheint 1

28 lieber Aqua virginum od. lac virginum vergl. ein Rez. im Lib. illuministarius
(Kod. germ. 821. XV. sec. Münchener Bibliothek) S. 35 des Ms.; lac. virginum quomodo
fit: zway wasser dy lautter seyn als ein prun (Brunnen) vnd wenn man sy vnderenand
tempiert so werden sie schneweiss vnd dyselb zwe wasser haben manigley tugend
etc. s. auch oben S. 161. Im Kunstbüchlein, Augspurg 1535 findet sich folgende Stelle
S. XXXIII: Aquam lac virginis zu machen; Litargirium, Essig zum ersten Wasser
„glas gaben» zum zweiten … so wirt auch wasser darauss, die zway wasser misch
ineinander, so wirt es weyss als milch, vnd haisst lac virginis. Neuerer Zeit ver-
steht man unter „Jungfernmilch» eine Lösung von Benzoeharz, welche mit Wasser
gemischt, milchig wird, also eine Ilarzemulsion.

— 266

V. Die „Disciplina di Fiandra» und die Technik des Malens
mit Oeltempera

(247) ^ s entstehen nunmehr die weiteren Fragen, 1. wie wir uns die eigent-

liche Technik, d. h. das ganze System der Malerei des Van Eyck mit enaul-
gierten Oelen, vom Grundieren des Brettes angefangen bis zum vollständigen
Fertigmalen vorzustellen haben, 2. wie lange sich diese Technik erhalten hat,
3. welchen Veränderungen dieselbe in der Folge unterworfen war und aus
welchen äusseren Gründen diese eingetreten sein mussten. Man könnte natür-
lich mit vollem Rechte den Einwand erheben, dass doch ein plötzliches Auf-
geben einer Manier, ,,nach welcher die Maler der ganzen Welt gesucht», um
neuerdings sich wieder der alten Oelmalerei zuzuwenden, einem Rückschritte
gleich käme und ich muss diesem Einwände umsomehr begegnen, als durch
denselben die mühevoll zu Tage geförderten Resultate in Frage gestellt
würden. Wir werden aber im Folgenden sehen, dass die weitere Entwicklung
der Maltechnik infolge der in der Oeltempera gelegenen Vorzüge und Nach-
teile ganz naturgemäss vom XV. durch das ganze XVI. Jahrh. von statten
gegangen sein wird.

Da uns ausser den gegebenen Details über das eigentliche Malen mit
der Emulsion oder Oeltempera keine direkten Ueberlieferungen zur Verfügung
stehen, so müssen wir uns über die Haupteigenschaften des Malmittels durch
Versuche orientieren.

Zwei Hauptgruppen haben wir bereits genannt und in alten Quellen
gefunden: Die eine, bei welcher Gummi mit Oel emulgiert wird, und die
zweite, bei welcher dem Eigelb die emulgierende Eigenschaft zufällt.

Alle Oele lassen sich auf beide Arten zur Emulsion verwenden, aber
nicht nur die Oele, auch die Oelfirnisse, d. h. gekochte Oele und solche,
welchen Harze beigemischt sind, werden auf die beschriebene Weise emul-
giert und wassermischbar. Ausser den Oelen und Oelfirnissen eignen sich
noch dazu die Harzbalsame.
ElgG der haft Vasari erzählt, dass Van Eyck das Leinöl und Nussöl als besonders

Emulsionen geeignet, weil am raschesten trocknend, fand, Baldovinetti’s Versuche mit
Vernice liquida und Eigelb zeigen die Emulsion des Harzfirnisses, ebenso die
in Cennini’s Tractat nachgewiesenen Stellen; die nordischen Emulsionsrezepte
des Lucca Ms. und Mapp. clav. sind Gummi-Oel-Emulsionen; mit diesen Arten
wurden die ersten Versuche gemacht. Man mag sich aber die Variationen
vorstellen, welche möglich sind, wenn man

1. verschiedene Oele (Leinöl, Nussöl, Mohnöl, Rizinusöl etc.),

2. verschiedene Oelfirnisse (Leinölfirnis, Sandarakafirnis i. e. Vernice liquida,

Bernsteinfirnis, Kopal etc.),

3. verschiedene Harzbalsame (venetian. Terpentin, Kopaivabalsam)
entweder mit Eigelb oder mit Gummi emulgiert, jene innige Vermischung aus
ihnen bereitet, welche nötig ist, und durch Mengung von Wasser, „ Jungfern-
milch», ,, Lilienmilch», Essig oder anderen Flüssigkeiten, wie Armenio sagt,
zum Bindemittel für Farben geeignet macht.

Stellen wir uns vor, dass nur je zwei der obigen Materien in Form von
bereiteter Oel -Tempera miteinander gemischt seien, und von diesen Mischungen

267 —

vielleicht in der Menge verschiedene Dosierung versucht wird, so ergibt sich
eine so ungeheure Anzahl, dass es schwer sein dürfte, die besten herauszu-
finden. Die Versuche, welche der Verfasser in den letzten Jahren mit vielen
der oben angeführten Arten machte, waren zahlreich genug, aber bis heute
ist es ihm nicht möglich, mit aller Bestimmtheit zu sagen, welche die
besten Resultate ergaben. 29

Einige tiefgehende Unterschiede Hessen sich konstatieren, die entweder
in der Bereitungsart, in den Eigenschaften des Auftrocknens, in der Art des
Verhaltens beim Uebermalen oder in den Konservierungsmitteln begründet
sind. Es würde hier zu weit führen, auch alle die kleinen Variationen zu
erwähnen.

Die Bereitungsart ist zweierlei; die alte Manier des Lucca Ms., Cennini
und Baldovinetti bediente sich der Wärme; doch hat sich diese Manier, wie
Vasari schon mitteilt, bei der Eigelb-Emulsion als nachteilig erwiesen; weder
von Baldovinetti noch von Cennini ist ein Verdünnungsmittel genannt, das
das zu starke Bindemittel auf das richtige Mass abgeschwächt haben würde.

Die Bereitung der Emulsion auf kaltem Wege ist die richtigere und
auch bei den Apothekern 30 allein in Anwendung. Wie erwähnt hat Ei-
gelb die Eigenschaft, ungefähr die gleiche Menge des Gewichtes
von Oel zu emulgieren, Gummi arab. das doppelte. Ist die
Mischung (immixtura des Vasari) richtig gemacht, so wird noch eine Quanti-
tät von Wasser (oder Essig zur Konservierung des Eies) unter fortwährendem
Umrühren zugefügt, die dem doppelten der verwendeten Mengen entspricht,
und beim Malen durch Wasser noch zu verdünnen ist. In Bezug auf das
Parbenraaterial hat dieses Bindemittel demnach den Vorteil, in einer gleichen
Menge kaum den vierten Teil von Oelen zu enthalten, als die ge-
wöhnlichen Oelfarben, so dass schon darin ein grosser Vorzug in Bezug auf
die Erhaltung der Bilder bestehen muss!

Beim Malen selbst haben sich folgende Unterschie d e der beiden auf
kaltem Wege hergestellten Oeltempera-Arten ergeben. Die Gummi-Oeltempera
wurde mit der Zeit so trocken, dass sie mit gleicher Tempera nicht glatt
übergangen werden konnte, d. h. die Farbe perlte, der Untergrund nahm die
neue Farbe nicht an ; auf getrocknetem Oelgrunde wurde die neue Schichte
nicht gut, auf etwas feuchterem Oelgrunde gar nicht angenommen, die Farbe
„grillt’* oder „kriecht», wie der Werkstättenausdruck heisst. Diese Uebel-
stände konnten übrigens durch die bekannten Mittel (Ochsengalle, Zwiebel,
Speichel etc.) mehr oder weniger gut behoben werden.

Die Eigelb-Oeltempera hat dagegen für die Technik ausser dem ebenso-
festen Auftrocknen den Vorteil, dass die untere Farbe die obere stets an-
nimmt, und dass selbst auf nicht getrocknetem Oelunter gründe
sich die Farbe aufstreichen, vermalen und sich jedes noch so feine Detail
ausführen lässt. Nachteile sind bei dieser Manier die leichte Verderblichkeit
des Eigelb mit der Zeit, ein Uebelstand, dem durch Spiköl, Essig, Salmiak
oder andere Konservierungsmittel entgegengearbeitet werden kann.

Alle Farben lassen sich mit dem erwähnten Bindemittel anreiben,
sowohl die Körperfarben als auch die Lack- resp. Lasurfarben. Treten wir

Disciplina
di Fiandra

(248)

Bereitung der
Oeltempera

29 Zwei befreundete Maler unterstützten mich in liebenswürdigster Weise in
dem Bestreben, die vorteilhaftesten Mischungen zu finden; der eine, Landschaftsmaler
Kubierschky versuchte ausschliesslich die Emulsion mit Eigelb, der andere, Figuren-
maler Landsinger, ein Schüler Böcklins, der schon durch diesen auf die alten Tech-
niken hingewiesen, grosses Interesse an den Versuchen nahm, arbeitete mit den
Gummi-Emulsionen; beide mit bestem Erfolge. Ueberdies hatte der Maler Böhnke
vortreffliche Kopien nach alten Meistern durch Zugrundelegung der Emulsionstechnik
angefertigt.

Vergl. meine Versuchskollektion Nr. 73 — 91.

30 Nicht unerwähnt mag es bleiben, dass ein sehr sachkundiger Apotheker,
E. Friedlein in Würzburg vor einigen Jahren auf die Emulsionstempera als
Malmittel zuerst wieder aufmerksam machte und in einem Vortrage im Kunstgewerbe-
haus zu München (25. Febr. 1893) darüber aufklärend berichtete.

— 268 —

Disoiplina
di Fiandra

(249)

Technik
des Malens

Unter- und
Uebermalung

„Dootverwe»

nunmehr der eigentlichen Technik des Malens mit Oeltempera näher,
so ist dieselbe in zweierlei Art ausführbar. 1. Man malt mit der Oeltempera
auf der geweissten, geleimten Holztafel (Vergoldergrund), und übermalt mit
der gleichen Tempera bis zu Ende ohne vorherige Zwischenlagen von Oel
oder Firnis; dabei bleibt die Malerei stets matt oder 2. man malt mit der
Oeltempera auf geeignetem Grund und überstreicht jede Farblage nach dem
Trocknen mit einer dünnen Zwischenschichte von Oel oder Firnis, durch welche
die volle Tiefe und Klarheit bei jeder Farbschichte hervortritt, wenn die Farb-
lage jedesmal wieder matt aufgetrocknet war.

Je fertiger die Untermalung gediehen und je dünner und weniger zahl-
reich die zwischengelegten Schichten von Oel oder Firnis sind, desto klarer
und leuchtender wird das Bild werden ; auch kommt es naturgemäss darauf
an, aus welchen Materien die Zwischenschichten, Oele oder Harze (Essenz-
oder Spiritusfirnis) bestehen, da Nussöl bekanntlich weniger nachdunkelt als
Leinöl, auf welchem Untergrunde (weiss oder gefärbt) gemalt wird,
auf die Dauer der Trocknung der einzelnen Schichten, und den Grad der
Festigkeit des Bindemittels.

Durch die Verschiedenheit der Bereitungsart der Emulsions-
tempera und die Verschiedenheit bei der Uebereinanderlage der
Mal schichten ist schon bedingt, dass die alten Maler es vollkommen in
der Hand hatten, für einzelne bestimmte Zwecke stärkere und schwächere
Bindemittel (durch einfache Verdünnung mit Wasser) zu nehmen, durch
weniger oder mehr Farbschichten, sowohl die wunderbare Transparenz der
Farben, oder, wo es ihnen passend erschien, durch pastosen Auftrag die ge-
wünschten Effekte zu erzielen. In der Eigenschaft des wassermischbaren
Bindemittels liegt auch die Möglichkeit, die ungeheuer feinen Linien, Orna-
mente, Haare des Bartes u. dergl. auszuführen, die wir auf alten Gemälden
stets mit der Frage auf den Lippen bewundern, wie denn eine derartige sub-
tile Durchführung erreichbar ist.

Die Beobachtungen an alten Bildern des Van Eyck, Memling, der alten
Kölner Meister des XV. Jhs. usw. haben ergeben, dass

1. auf einer weissen Grundierung die Zeichnung entweder mit der Feder
oder auch mit dem Pinsel und schwarzer flüssiger Farbe (Wasserfarbe) auf-
getragen ist ;

2. dass an vielen Stellen ganz deutlich eine rötliche Grundfarbe durch-
schimmert, die über die Zeichnung gelegt worden sein muss.

Bei dem schon oben dargelegten Mangel jeder sicheren Ueberlieferung
werden auch die kleinsten Nachrichten darüber von Wert sein und das bereits
gesichtete Material nicht nur bestätigen, sondern auch ergänzen helfen. Die
Spuren, die eine so vielbewunderte Neuerung, wie die Van Eyck’sche hinter-
liess, können doch nicht ganz und gar verschwunden sein und wenn auch,
wie bereits erwähnt, Van Mander sein Schilderboeck 150 Jahre später schrieb,
so wäre es doch zu verwundern, wenn nicht einzelne Andeutungen sich darin
fänden, die über die Technik der gepriesenen „älteren» Meister Aufschluss
geben. Unsere Voraussetzung sollte auch nicht getäuscht werden.

Bei Durchsicht sowohl der italienischen Kunstschriften, als auch der
niederländischen, begegnet uns häufig ein Ausdruck, der bezüglich der Oel-
malerei auf eine Verschiedenheit hinweist, die zwischen der Untermalung und
Uebermalung gemacht wird. Bei Vasari und Armenino ist es der „abbozzo»,
welcher auf den farbigen Grund, der Imprimatura (oder mestica) aufgetragen
wird. Diese Untermalung (abbozzo) ist dann mit dem Schabmesser abzu-
gleichen und vor dem Weitermalen mit Nussol aufs dünnste zu überstreichen.
Bei dem Niederländer Van Mander wird die erste Anlage mit einer Farbe
gemacht, die „Dootverwe» oder Mattfarbe heisst. Ist es nun nicht eigen-
tümlich, dass bei „Oelfarben» ein derartiger Unterschied gemacht wird? Was
sollte denn die Mattfarbe für eine Bedeutung haben, wenn wir unter der Oel-
malerei des Van Eyck schon mit BMrnis gemischte und mit Siccativ versetzte
Oelfarben verstehen sollten? Haben wir nicht oben (S. 265) bei Armenino

269 —

gesehen, welchen Wert zu seiner Zeit die hervorragendsten Künstler auf eine
Untermalung mit diversen Temperaarten legten, „um ihren Farben eine ausser-
ge wohnliche Leuchtkraft» zu verleihen?

Von Van Eyck ist sogar eine verbürgte Nachricht vorhanden, dass er
mit „Dootverwe» fast fertig zu malen gewohnt war; Van Mander berichtet
(S. 202 des Schilderboeck) von einem untermalten Bilde des Van Eyck,
das er im Hause seines Meisters gesehen: ,, Seine Untermalung (dootverwe)
war sauberer und schärfer als die fertigen Werke anderer Meister und ich
erinnere mich, dass ich ein kleines Portrait einer Frauensperson mit einer
Landschaft dahinter gesehen habe, das nur untermalt (gedootverwet) war,
dabei doch ausnehmend fein und glatt, und das war im Hause meines Meisters,
Lucas de Heere zu Gent». 31

Diese Dootverwe-Untermalung ist noch zu Van Mander’s Zeiten im Ge-
brauch; er erwähnt sie zum Unterschied von der schon sehr ausgebildeten
Primamalerei mit Oel gemischten Farben, welche die ersten Meister anwen-
deten (K. 12. Vers 4, Stracx eerst op penneel te stellen; Meesters werckl,
während die weniger geübten Arbeitsgehilfen (werck-ghesellen) ihre Dinge
erst in Mattfarbe fertig stellten (hun Dingen veerdich in doot-verwen stellen)
und auch mit der gleichen Mattfarbe Fehler verbesserten (verbeteren met
herdoot verwen), denn das Malen, ohne vorher die Kartons zu zeichnen, ge-
linge nicht jedem so leicht. In Vers 16 kommt van Mander direkt auf das
Verfahren der ,, alten» Meister zu sprechen; und da er dann weiter (Vers 19)
Dürer, Breughel, Lucas von Leyden gleichzeitig mit Johannes van Eyck als
Beispiele von vollendetem Farbenauftrago nennt, gewinnen die wenigen Verse
doppeltes Interesse, denn der Zusammenhang, der im XV. und XVI. Jahrh.
zwischen der holländischen und der deutschen Manier in technischer Beziehung
bestand, wird dabei festgestellt. Es heisst dort:

Vers 16: „Unsere Voreltern pflegten ihre Tafeln dicker als wir zu
weissen und schabten sie so glatt, als es nur ging, benutzten Kartons,
die dann auf dies glatte ebene Weiss übertragen wurden, mit Hilfe
von Kreiden oder Bleistift, mit denen der Karton von rückwärts ein-
gestrichen worden.»

Vers 17: „Aber das schönste war, dass manche diese Zeich-
nung dann aufs feinste mit schwarzer Wasserfarbe (kool swart,
al fyntgens ghewreven met water) übergingen und dann über
das Ganze eine dünne Grundfarbe (primuersel) gaben, durch
die man alles durchscheinen sah, und diese Grundfarbe ist
fleischfarbig gewesen (het primuersel was carnatiachtich). 32

Disciplina
di Piandra

(250)

Dootverwe-
Untermalung

Primuersel

81 Eastlake (S. 395) ist der Ansicht, dass unter „dootverwe» eine Grau- in -Grau-
Untermalung gemeint sein dürfte, also Cbiaro-scuro; er verweist dabei auf das be-
kannte angefangene Bild des Van Eyck, Sta. Barbara in Antwerpen; dieses Gemälde
zeigt nur mit hellblauer Farbe untermalten Himmel, ist aber im übrigen mit Silber-
stil’t äusserst fein durchgezeichnet. Die für Aussenseiten von Altären öfters ange-
wendeten Cbiaro-scurofiguren nennt Dürer ,,steinfarben».
38 Het Schilderboeck: Einleitung K. 12:
Vers 16. „uns moderne Voorders voor henen plochten
„Hun peneelen dicker als wy te Witten,
„En schaefden alsoo glat als wy wel mochten
„Ghebruyckten oock cartoenen, die sy brochten
„Op dit effen schoon wit, en ginghen sitten
„Dit doorttrecken soo met enich besmitten
„Van achter gbewrewen, en trockent moykens
„Daer nae met krykens oft potloykens.
Vers 17. „Maer t’ fraeyste war dit, dat sommighe namen.
„Eenich fitie-kool swart, ai fyntgens ghewreven
„Met water, jae trocken, en diepen t’^amen
„Hun dinghen seer vlytich naer haet betamen
„Dan hebbenser aerdich over ghegheven
„Een dünne primuersel, allwaer men even
„Wel alles mocht doorsien, ghestels vordachtich.
„End, het primuersel was carnatiachtich.

— 270 —

Disciplina
di Fiandra

(251)

Aus der Marginal-Note ist zu entnehmen, dass diese „primuersel» eine
Oelfarbe war, welche über den weissen Grund ganz dünn gestrichen wurde
(Trocken hun dinghen op het wit, en primuerden daer olyachtig över). Auf
diesen dünnen Ueberstrich von rötlicher Oelfarbe hätte man dann alles mit
sonderlichem Pleiss angelegt und mit dünner Farblage aufs feinste fertig ge-
malt (Vers 18).

Das sind alles sehr unwesentliche und fast selbstverständliche Dinge,
sie bekommen aber Bedeutung, wenn man sie in Beziehung setzt zu Ver-
suchen, die man mit der Oeltempera anstellt.
1.

Auf

Vasaris
Imprimatura

Zunächst erhellt aus der Bemerkung Van Mander’s, die Aufzeich-
nung mit „schwarzer Wasserfarbe’* zu übergehen, dass der weisse
dicke Grund nicht Oelfarbe sein konnte, weil auf dieser
die Wasserfarbe nicht haftet, sondern ein mit Leim gefertigter Kreide-
grund, der etwa unserem Vergoldergrund oder dem alten Assis
gleichartig ist.

Dann folgt aus dem Ueberstrich mit dünner rötlicher Oelfarbe, dass
diese den Zweck hat, erstens die mit Wasserfarbe gemachte Auf-
zeichnung zu festigen und gleichzeitig den weissen Grund
dunkler zu färben; würde nämlich die rote Farbe mit Leim- oder
anderer Wasserfarbe gegeben, so müsste sich die mit Wasserfarbe ge-
machte Zeichnung dadurch verwischen.

die Aufzeichnung und den öligen Ueberzug (olyachtig primuersel)
hat dann die Untermalung (Dootverwe) zu folgen, wie wir oben gesehen haben.
Bei Vasari sehen wir auch die dunkelrote oder bräunliche Oel-Imprima-
tura mit darauffolgender Grundierung (abbozzo) der Malerei, und da diese
Farbenanlage nach Armenino auch vielfach mit Oeltempera bewerkstelligt
wurde, wie oben gezeigt ist, so entspricht dies derselben Reihenfolge,
wie van Mander’s Dootverwe-Unt ermalu ng auf die ,, olyachtig
primuersel». Daraus ist zu folgern, dass die Oeltempera auf einen öligen
Untergrund aufgetragen werden konnte. Die rote Farbe selbst wird uns
nicht befremden können, weil diese als Unterschicht für Vergoldung (Bolus)
längst im Gebrauch war und noch zu Dürer’s Zeiten reiche Goldgewänder auf
Goldgrund gemalt wurden.

Auf den koloristischen Zweck des roten Grundes für das weitere Malen
braucht hier nicht näher eingegangen werden ; jeder Maler weiss es, dass die
Farben auf dunkler und warmer Unterlage ihren Farbencharakter besser zum
Ausdruck bringen, die Malerei dabei körperhafter und realistischer wird, je
pastoser die Lichter aufgesetzt werden müssen usw.

Das allerwichtigste der Van Eyck’s Technik ist aber, dass bei
dieser die Anzahl der Uebermalungen unbegrenzt war, während früher nur ein
dreimaliges Malen mit drei Zwischenschichten von Oelfirnis üblich war. Aus
Dürers Brief Dürer’s Briefen an Jakob Heller wissen wir, dass er „4 oder 5 und 6 mal
zu untermalen» vor hat, und dass er nach diesen Unterschichten das Ganze
,,noch zwiefach übermalt». In dem Brief (1508) über die Altarausführung
heisst es (Briefwechsel, Ed. Dr. Lange und Dr. Fuhse, 1893 S. 48);

,,Die Flügel sind auswendig von Steinfarben ausgemalt, aber noch
nicht gefürneisst, und innen seind sie ganz untermalt, dass man darauf
anfang auszumalen, und das Corpus (Mittelstück) hab ich mit gar
grossem Fleiss entworfen mit langer Zeit, auch ist es mit zwei gar
guten Farben unterstrichen, dass ich daran anfange zu untermalen.
Das hab ich in Willen, so ich Euer Meinung verstehen wird (würde),
etlich 4 oder 5 und 6mal zu untermalen, von Reinigkeit und Be-
ständigkeit wegen, wie auch des besten Ultramarin daron malen, das
ich zu Wegen bringen kann».
Ein Jahr darauf (150b>) schreibt Dürer, nachdem die Bilder fertig ge-
worden, (a. a. 0. S. 51):

,,ich hab sie (die Tafel) mit grossem Fleiss gemalt, als Ihr sehen
werdt. Ist auch mit den besten rJ’arben gemacht, als ich sie hab

– 271

mögen bekommen. Sie ist mit guter Ultramarin, unter-, über- und J? i( *«.»pi»pa

ausgemalt, etwa 5 oder 6 Mal. Und da sie schon ausgemacht

war, hab ich sie dornach noch zwiefach übermalt, uf dass sie

lange währe. »

Wenn auch die „zwei gar guten Farben» der Grundierung sich vielleicht

auf die Güte des Pigmentes beziehen, so bleibt doch immer noch die fünf-

oder sechsmalige „Unter-, Ueber und Ausmaluug», auf welche noch zweimal

gemalt wurde, also doch mindestens 8 Farbschichten! Und dabei zeigen alle,

gerade die besten Bilder Dürers, eine so merkwürdige Dünnheit der Farbe,

dass es ganz undenkbar ist, dass acht Oelfarbenschichten in unserem heutigen

Sinne darauf sich befinden könnten! Es ist wohl als sicher anzunehmen, dass

er ebenso wie den Hellerschen Altar, dessen Mittelstück leider verbrannte,

auch andere grosse Arbeiten, wie das Dreifaltigkeitsbild der Wiener Galerie

mit derselben Sorgsamkeit, auch so ,, unter- über- und ausgemalt» haben wird. (252)

Technisch ist es aber ganz undenkbar, dass auf diesen oder ähnlichen Bildern

acht Schichten von Oelfarben sich befinden und nur die Annahme, dass

er ein bis auf jedes beliebige Mass verdünnbares Bindemittel,

wie die Oeltempera zum Beispiel, benutzt hat, lässt es möglich erscheinen,

dass 8 Farbschichten nebst 2 Grundfarben ohne Gefahr für das Nachdunkeln

aufgetragen werden konnten.

Aus Dürer’s Briefen wollen wir noch ein Detail hier anfügen, welches Dürers Firnis
sich auf das Firnissen der fertigen Malerei bezieht; es heisst in dem näm-
lichen Brief weiter:

„Und komme ich etwa über 1 Jahr, 2 oder 3 zu Euch, so müsst
man die Tafel abheben, ob sie wol dürr wäre worden. So wollt ich sie
von Neuem mit einem besonderen Für n eis, den man sonst nit
kann machen, auf ein neues überfirneissen, so wird sie aber 100 Jahr
länger stehen dann vor. Lasst sie aber sonsten Niemand mehr fur-
neissen, dann alle andern furneiss sind gelb und man würde Euch
die Tafel verderben».
Wir kommen bei dieser Bemerkung Dürer’s auf die schon oben (S. 251)
berührte Frage zu sprechen, in welcher Beziehung die Stelle Vasari’s von
dem Firnis, den Van Eyck erfunden haben soll, mit dessen Neuerung steht.
Dürer redet von einem besonderen neuen Fürniss, der nicht gelb ist;
wahrscheinlich ist darunter ein Firnis zu verstehen, der nicht aus ge-
kochten, sondern aus destillierten flüchtigen Oelen (Terpentinöl, Spicköl)
bereitet wird. Diese Firnisse waren vor Van Eyck nicht unbekannt. Schon
das Strassb. Ms. erwähnt einen Firnis aus Harzen, Oel und Terpentin, und
es ist oben S. 159 nachgewiesen, dass darunter nicht der Terpentinbalsam
zu verstehen ist. Neu war aber die Lösung der Harze in Alkohohl (Wein-
geist), und Armenino erwähnt einen solchen Firnis als „von ganz besonders
vorsichtigen» Malern verwendet. (K. XI. Firnis aus Benzoeharz und aqua
vita.) 33 Sollte Dürer vielleicht einen Weingeistfirnis gemeint haben?

Fassen wir das Obige über die Van Eycktechnik zusammen, um die eingangs
dieses Abschnittes gestellten Fragen zu beantworten, so rauss vorerst bemerkt
werden, dass nichts schwerer ist, als über einen so subtilen Gegenstand in einer
Druckschrift zu diskutieren, ohne gleich durch Versuche die Beweise vor Augen
führen zu können, denn selbst noch so vortreffliche, farbige Illustrationen könnten
die hier nötigen Unterschiede nicht zur Anschauung bringen. Dass mit Hilfe
der Oeltempera in der oben beschriebenen Art Bilder gefertigt werden können,
die von Oelbildern absolut nicht unterscheidbar sind, wird jeder anerkennen,
der die Versuchskollektion zu sehen Gelegenheit hatte, und wer in der Lage

Weingeist-
Firnisse

33 Das Paduaner Ms. (Ende des XVI. Jhs.) bezeichnet in Nr. 94 einen Wein-
geistfirnis mit dem Namen „alla fiamenga». Er wird bereitet aus 7 Unzen stärkest
rektifiziertem Weingeist, 2 Unzen Öandaraka und 2 Unzen „olio d’ abezzo iC (i. e. Ter-
pentinbalsam). Sandarak wird gepulvert und zuerst mit dem Terpentin auf gelindem
Feuer vereinigt, dann der Weingeist hinzugefügt (Merrif. II. S. 691).

272 –

Disoiplina
di Piandra

(253)

Techn.
Neuerungen

ist, selbst Versuche anzustellen, wird sich von der Richtigkeit meiner Be-
hauptung leicht überzeugen können.

Drei Arten, mit Oeltempera zu malen, sind, wie mir scheint, an alten
Bildern des XV. Jhs. zu unterscheiden :

I. Das Malen auf weissem, dick grundiertem Brett (Vergoldergrund) ge-
schieht nur mit der Oeltempera, bis zum Fertigmalen.

II. Das Malen auf gleichem Grunde erfolgt auf einer mit dünner rötlicher
Oelfarbe grundierten Unterlage mit Oeltempera und mehrfach zwischendurch
gemachten Ueberstrichen von hellen durchsichtigen Oelen oder leichten Firnissen.

III. Die Arbeit wird in der ersten Manier begonnen und in der zweiten
fortgesetzt ; wie es scheint, ist auch Van Eyck dieser Malart gefolgt, denn auf
manchen seiner Bilder in den Galerien zu Brüssel und Antwerpen ist für den
aufmerksamen Beobachter ein öfteres Schwanken in technischer Beziehung,
ein Tasten und Suchen, zu bemerken, so dass in seinen Bildern ein auffallend
dunklerer Gesamtton herrscht, als in den Bildern seiner Schüler Memling,
Roger van der Weyden und anderer. Diese waren technisch in der Be-
herrschung des neuen Materiales vielfach weiter als ihr Vorbild. Man beachte
diesen Unterschied z. B. auf Bildern von Quentin Massys (1466 — 1530) der
Galerie zu Antwerpen oder Memlings Ursulaschrein zu Brügge und Jan
van Eycks Madonna mit Heiligen (Nr. 412, Antwerpen) oder den Genter Altar-
blättern (Gent, Berlin, Teile davon in Brüssel), und man wird finden, dass die
Gemälde der Nachfolger viel heller, leichter und frischer im Kolorit geblieben
sind, als diejenigen von Van Eyck selbst.

Es ist ja ganz unmöglich, heute genau darüber ins Klare zu kommen,
in welchen Umständen ein solcher Unterschied gelegen sein könnte, aber ge-
wiss ist, dass die späteren manche Nachteile der Technik zu vermeiden ge-
lernt haben; zu diesen Nachteilen gehört die Verwendung von Leinöl-Firnissen
und das vielfache Ueberstreichen mit denselben als Zwischenschichte, weil
das Nachdunkeln eine direkte unvermeidliche Folge davon ist. Deshalb wird
das Nussöl stets als besser gepriesen und vonVasari, Armeuino und Van Mander,
Lomazzo etc. besonders hervorgehoben, ,,da es heller bleibt». Nicht zu ver-
gessen ist aber noch, die im Gefolge der Neuerung sich kundgebende
Aufmerksamkeit, welche zu den verbesserten Methoden, die Oele zu bleichen,
führen musste.

Von Van Eyck’s Tode bis Van Mander’s Niederschrift sind etwa 150 Jahre
vergangen, von Antonello’s Rückkehr nach Italien bis Armenino 100 Jahre,
und wie ereignisreich ist jene Zeit gewesen auf dem Gebiete der Kunst! Raffael,
Leonardo, Tizian, Dürer, Holbein hatten gewirkt und wirkten noch lange in
ihren Schülern ; was für Wandlungen kann da eine Technik nicht schon durch-
gemacht haben! Antonello’s holländische Technik, nach Italien verpflanzt,
konnte bei dem ungemessenen Aufschwung der Kunst schon aus dem Grunde
sich nicht gleich geblieben sein, weil der allgemeine Drang nach Fortschritt,
die grossen gestellten Aufgaben eine Beschleunigung der Arbeit, eine voll-
ständige Anspannung aller Kräfte erforderte, die sich bis in die kleinsten
Dinge erstreckte.

Wollen wir deshalb hier in grossen Zügen die aus der Van Eycktechnik
entstandenen technischen Fortschritte überblicken, so ergibt sich etwa folgende
Reihenfolge :

1. Stufe:

Das in die Augen Springende der Van Eycktechnik, „der Witz» der
ganzen Neuerung, liegt in der Möglichkeit des oftmaligen Uebermalens mit
Oeltempera (Emulsion), nachdem eine möglichst dünne Zwischenschichte von
Oel oder Oelfirnis über die beim Auftrocknen matt gewordene Farblage ge-
geben worden. Bei Steigerung der koloristischen Wirkung kam
man folgerichtig sogleich dazu, dem zum Ueberstrich verwendeten Medium
eine Färbung zu geben, also gleichzeitig mit dem Auffrischen eine Lasur-
farbe zu vereinigen. Diese Lasur konnte stehen bleiben oder mit Oeltempera,
eventuell mit halbdeckender Oel-, resp. Firnisfarbe vollendet werden.

— 273

In dieser Stufe der Entwicklung- hat vermutlich Bellini’s Zeit in
Venedig gearbeitet. Perugino, Pinturicchio, und die Meister vom Anfang des
XVI. Jhs. haben durch oftmaliges Uebergehen der Fleischpartien mit dünnem
Schwarz und Uebermalen der helleren Partien mit deckfarbiger Karnation,
eine grosse Peinheit der Modellierung erzielt, aber dieses Stehenlassen der
Parbe im Schatten hat die schweren Uebergänge zur Folge gehabt, die ihre
Bilder vielfach jetzt zeigen :

2. Stufe:

Dass die Venezianer eine solche Technik, die direkt auf Farben-
zauber ausgeht, sofort festhielten und weiter ausarbeiteten, kann kaum be-
zweifelt werden. Je geeigneter die Untermalung mit „Dootverwe» (ab-
bozzo) für die Lasur vorbereitet ist, desto grössere Effekte werden sich er-
zielen lassen, und bei der grossen Uebung der damaligen Meister mag auch
hierin jenes Mass innegehalten worden sein, welches ihre Werke so be-
wundernswert macht.

Wir haben in dieser zweiten Stufe der Van Eycktechnik schon das
vollendete Farbenprinzip vor uns: Die matte Untermalung, welche
eine glänzende Lasur erhält; diese nach Badarf durch halbdeckende
Farbe zu brechen, ist aber das Merkmal der höchsten Vollendung der
Technik. Man könnte einwenden, dass sich dasselbe Prinzip auch mit dem
gleichen Erfolge mit Oelfarben allein ausführen liesse, und dass die Venezianer
es gewiss nicht anders gemacht hätten. Aber dem stehen zu viele Beweise
entgegen, die es deutlich dartun, dass die grössten Meister des XVI. Jhs., Tizian,
Veronese u.a., mit matter Farbe untermalt haben. Ich erinnere daran, dass
unter Tempera, ausser Leim und Ei, auch die ,,a putrido» Malerei des Marciana
Ms. zu verstehen ist und dass Armenino die Temperamalerei als besonders ge-
eignet nennt, um ,, grosse Arbeiten beschleunigen» zu können, dabei auch
Tizian namentlich erwähnt. Und wo hätten es die Maler nötiger gehabt,
möglichst schnell von statten zu kommen als in Venedig, wo die grössten
Aufgaben mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit überwunden wurden, zum
Vorteil der Werke! Man sehe z. B. die Veronesischen Bilder in der Aca-
demia oder an der Decke der Sala del Consiglio de’ Dieci!

Zahlreich sind die Aeusserungen von Restauratoren, welohe darin über-
einstimmen, dass diese Meister mit Tempera untermalt haben:

Merimde (De la peinture ä Thuile, S. 249 — 251) vertritt diese Ansicht
und hält es für zweifellos, dass auch in anderen Schulen diese selbe Methode
des Malens geübt worden sei. Merrifield (S. CCCIX) berichtet, dass diese
Praxis auch noch von Pietro Perugino, ,, welcher die flämische Methode der
Oelmalerei zuerst in Perugia einführte», gekannt und ausgeübt wurde. Von
Paolo Veronese sind genügende Beweise gegeben, dass er die blauen Himmel
mit Tempera malte und nach der Versicherung der Restauratoren auch bei
der Vollendungsarbeit diese Manier anwendete (a. a. 0. S. CCCIII.). Die
Technik wird so geschildert, dass die Untermalung (abbozzo, Dootverwe) dann
mit Oelharzfarben übergangen wurde; von Tizian wird ein Wiederholen dieses
Vorgehens sieben, acht und neunmal (also wie Dürer!) erzählt und dass er
die Malerei zwischendurch immer an der Sonne trocknen Hess (Merrif. S. OCC
und Note).

Dass in einer Zeit so ausgebreiteten Kunstbetriebes innerhalb der Tech-
nik Neuerungen und Vereinfachungen auftauchen mussten, das
ist ganz ausser Frage. Welcher Art diese waren, habe ich bereits bei der
ersten Veröffentlichung (in Lützow’s Zeitschrift f. bild. Kunst, Neue Folge VI.
Heft 9. 1895, S. 244) angedeutet:

„Durch die Einführung von destillierten Oelen (Terpentinöl) in
die Malerei und den allgemeineren Gebrauch von Leinwand als Untergrund,
welche naturgemäss keinen dicken Gips- oder Kreidegrund erhalten durfte,
durch das abgekürzte Verfahren der Fapresto- und Bolusmaler
des nachfolgenden Jahrhunderts mussten wieder einschneidende Veränderungen
in der Teohnik eintreten, welche als die Grundlage für die heutige Oeltechnik

18

Disciplina
di Fiandra

Vollendetes
Farbenprinzip

(254)

Einführung
von destillier-
ten Oele-i,

— 274 —

Disciplina
di Fiandra

Van Dycks
Untermalung

(255)

Verderblich-
keit der Emul-
sionstempera

zu betrachten sein werden». Die Fapresto-Maler des XVII. Jhs. suchten
eben das auf einmal zu bewerkstelligen, was vorher durch doppeltes Ver-
fahren (Unter- und Uebermalung) erzielt wurde, sie färbten schon den
geleimten Grund, tränkten ihn mit Oel und malten alla prima mit den
mit Oel und Harz gemengten Farben, auch die Oel gründe werden jetzt all-
gemein. Sie fingen also schon damit an, womit die anderen nur vollendeten.

Welchen Wert noch selbst die Niederländer des XVII. Jhs. auf die Er-
leichterung durch die Tempera legten, ist aus einigen Notizen des De Mayerne
zu ersehen, obwohl die Primatechnik mit Oelen, Harzen und Terpentinöl längst
verbreitet war. In einem Gespräche mit Van Dyck, das der genannte Autor
wiedergibt, heisst es (S. 154 des Ms. ; Eastlake S. 532; m. Beitr. IV. S. 337):
„Auf meine Bemerkung, dass die genannten F’arben, der Azur und das Grün,
mit Gummiwasser oder Fischleim a tempera aufgetragen und hernach gefirnisst,
gleich gut sind, wie die mit Oel behandelten, sagte er mir, dass er in seinen
Gemälden sehr häufig diese Farben mit Gummiwasser auftrage und
nach dem Trooknen den Firnis darüber ziehe. Aber das Geheimnis bestehe
darin, dass die Temperafarben (couleurs ä detrempe) auf der öligen Unter-
schichte (l’imprimeure qui est ä l’huile) haften und sich mit dieser verbinden.
Dies geschieht am sichersten und dauerhaftesten, wenn man die Unterschichte
mit Knoblauch oder Zwiebelsaft einreibt; wenn dieser Saft trocken ist, werden
die Wasserfarben dann sicher festgehalten.» An anderer St eile spricht de Mayerne
wieder von einer Imprimeure (Imprimatura) von Tempera, welche Van Dyck
versuchte (Ms. S. 10; m. Beitr. IV. S. 117): London, 20. May 1633. „Die
Grundierung (imprimeure) ist von der grössten Wichtigkeit. Sr. Antonio Van
Dyck versuchte mit Fischleim (collo de pisson) zu grundieren, aber er sagte mir,
dass die Arbeit sich abschäle und dass dieser Leim alle Farben in wenigen
Tagen verderbe und demnach nichts tauge.»

Mit wenigen Worten ist die letzte Frage, warum die Technik aufgegeben
wurde, erledigt. Zum Teil hat sich schon aus dem vorher Erörterten ergeben,
dass die Einführung der Primatechnik einerseits, die Leinwand als Untergrund
andrerseits mit die Ursachen gewesen sind. Der Hauptgrund liegt aber darin,
dass sich die mit Emulsion angemischten Farben nicht lange hal-
ten und leicht verderben, die Maler hatten demnach mehr Mühe mit
dem Zubereiten, als bei den mit Oel- und Harzfirnissen geriebenen Farben.
Hiezu kommt noch, dass diese Farbenart bei dem abgekürzten Verfahren auf
Leinwand nicht zur Geltung kommt, weil, wie durch Versuche festgestellt
werden konnte, sie den weissen Vergoldergrund nicht gut entbehren
kann; ihr Hauptreiz liegt eben darin, dass in dünnen Schichten die Weisse
des Grundes durchleuchtet und dadurch jener unbeschreibliche Farbenzauber
entsteht, der sich als unveränderlich erwiesen hat ; der Schmelz der Farbe
wird duroh die Zeit nicht getrübt, denn durch seine Dichtigkeit bedingt, hat
der weisse Bolus- oder Kreidegrund die Eigenschaft wenig Oel aufzusaugen,
und ein Nachdunkeln der Farbschichten dadurch zu verhüten. 34

34 G. Hirth, dem gewiss ein Urteil in bezug auf die alte Techniken zugemutet
werden darf, schreibt in der Einleitung zu seinem „Cicerone zur alten Pinakothek.»
über die nordischen Meister des Kreidegrundes, insbesondere von der Technik des
Vau Eyck und seiner Schule, dann von Dürer und den beiden Holbein, dass sie die
ersten Untermalungen mit Tempera ausgeführt und die Oeltechnik nur
zur Vollendung benutzt hätten. Hirth steht demnach in Uebereinstimmung mit
den obigen Autoren, die der Tempera eine grosse Bedeutung für die Arbeitsfolge der
Meister der Renaissance zuschreiben. Er spricht von dem Verfahren wie folgt: „Nach-
dem die Konturen des Bildes genau auf den weissen Kreidegrund gebracht waren,
wurden die einzelnen Partien in ihren Lokaltönen mit den entsprechenden Wasser-
farben (welches Bindemittel?) in gleichmässiger Anlage koloriert, aber sehr leicht
und dünn angelegt, worauf dann, nachdem dieselben gut eingetrocknet waren, die
Ausmodellierung der Lichter und Schatten und der feinen Details in Oel färben er-
folgte. Es war dies nicht nur eine Erleichterung, die eine raschere Vollendung er-
möglichte, sondern auch die Klarheit der Farbengebungen wurde erhöht,
da die ohne Oel ausgeführten lichten Untermalungen dem Nachdunkeln nicht so aus-
gesetzt sind.»

– 275 —

Ausserdem sind auoh die Schwierigkeiten der Technik nicht zu
unterschätzen, die in dem Zurückgehen des Tones bestehen, im Falle die
Temperaschichte getrocknet und mit einem öligen oder harzigen Vehikel über-
zogen wird. Massimo Stanzioni hat diesen Umstand, wie oben des Näheren
ausgeführt wurde, für besonders erwähnenswert erachtet und es mag deshalb
hier nochmals darauf hingewiesen werden. Bei dem weissen, dickeren
Kreidegrund, den die älteren Niederländer gebrauchten, und dessen Dicke
Van Mander’s Notiz besonders hervorhebt, entsteht bei dem Zurückgehen des
Farbentones eine Art Durchleuchtung von unten, die bei dunkleren Unter-
gründen, wie solche in späterer Zeit üblich war (grau, braun, grün, rot), natur-
gemäss nicht stattfinden kann, und nui durch eine viel dickere Untermalung
zu parallisieren wäre. Deshalb ist der weisse Grund für diese Art der Oel-
tempera unentbehrlich, und eine sehr genaue Vorzeichnung aus gleicher Ur-
sache die erste Bedingung, weil sich Veränderungen viel mühsamer bewerk-
stelligen lassen.

Ein weiterer Grund des Aufgebens der Oeltempera ist in dem Auftauchen
von verbesserten Trockenmitteln für Oelfarbe zu erblicken, die aber auf die Er-
haltung der Bilder eher nachteilig gewirkt haben.

Deshalb sehen wir im Zeitraum von wenigen Jahrzehnten, in welchen
diese genannten Neuerungen allgemein geworden, den Farbencharakter, wie
mit einem Schlage geändert. Die mit Terpentin, Harzen und Trockenölen
vermengten Farben boten den Künstlern ungleich grosse Erleichterungen und
führten zur Virtuosität des Primamalens. Die subtilen Vorarbeiten, das Durch-
zeichnen aller Details vor der Malarbeit fällt weg und nur die eminenteste Sicher-
heit der Pinselführung ist das vorherrschende Prinzip inbezug auf die Technik.

Es wird in dem nächsten Baude noch Gelegenheit geben, auf diese
Wandlungen der Technik im Laufe des XVI. und XVII. Jhs. näher einzu-
gehen; es mögen deshalb vorläufig die obigen Andeutungen genügen. Die-
selben Gründe, welche damals zum Aufgeben einer Technik Veranlassung
gaben, dürften meiner Meinung nach auch heute vielfach massgebend sein
und nur derjenige, welcher in der Art des XVI. Jhs. arbeiten will, wird zur
Van Eyck-Technik zurückkehren und ihre Reize schätzen lernen.

Was die historische Seite betrifft, um die es sich in der vorliegenden
Schrift vor allem handelte, so ist der Schluss berechtigt, dass die Brüder
Van Eyck die Neuerung und Umwälzung der Technik, welche in
der Emulgierung von Oelen zu Malzwecken besteht, in die Malerei
des XV. und XVI. Jhs. eingeführt haben. Dieser Neuerung ist
auch die besondere Eigentümlichkeit aller dieser Bilder und
ihre besonders gute Erhaltung zuzuschreiben. Nicht das Mischen
der Farben mit Oelen oder deren bessere Reinigung, sondern
dass sie aus dem fetten, zähen Oel- und Firnis-Bindemittel,
ein wassermischbares, bis zu jedem gewünschten Grade verdünn-
bares Malmittel zu bereiten und in vortrefflichster W T eise zu be-
nützen lehrten, ist, wie ich vermute, ihr von der damaligen
Künstlerwelt vielbewundertes Malsystem gewesen.

Die ,,neue Art» der Oelmalerei, die ihnen gestattete, die subtilsten
Malereien auszuführen, stellt demnach eine äusserst geschickte Ver-
bindung der Temperamalerei mit öl- oder firnisartigen Ueber-
und Zwischenschichten (Lasuren) dar.

Disciplina
di Fiandra

Schwierigkeit
der Technik

(256)

Vau Bycks
Verdienst?

16

— 276 —

VI. Moderne Oeltempera-Rezepte

(257) Von der Tafelmalerei aus den oben nachgewiesenen Gründen fallen ge-

lassen, hat sich die Oeltempera in der Wand- und Dekorationsmalerei und
zu kunstgewerblichen Zwecken bis auf den heutigen Tag erhalten! Eine
technische Errungenschaft kann durch eine andere wohl verdrängt werden,
aber verloren gehen wird sie deshalb nicht; sie schmiegt sich den neuen, ihr
eröffneten Verwendungszwecken an, ohne ihren ursprünglichen Charakter zu
verleugnen. In den Werkstätten vererbte sich die Oeltempera fort, zu Malereien
auf Holzgegenständen, Truhen und Kasten wird sie verwendet, auf dem Ge-
biete der Dekoration, zur Wand Verzierung und für feinere Stubenmalerei ge-
winnt sie ausschliessliche Herrschaft. Die Tempera von heute ist ver-
mutlicheine direkte Erbschaft der grossen technischen Umwälzung des XV. Jhs.

Wo hätten auch sonst alle die vielen Rezepte ihren Ursprung, die die Emul-
sion von Oelen zur Grundlage haben, von denen viele erwiesenermassen sehr
alt sind und auf Tradition beruhen, und deren Beginn sich nicht mehr genau
feststellen lässt? Der Praktiker von heute kümmert sich auch nicht um die
gechichtliche Seite seines Werkzeuges und seiner technischen Mittel, ihn inter-
essieren nur die faktischen Ergebnisse, deshalb greift er oft zum Neuesten,
ohne darnach zu fragen, von wo es herstammt, wenn es ihm nur gute Dienste
leistet. So arbeiten wir längst mit Tempera, ohne uns darüber Rechenschaft
zu geben, was unter dieser Bezeichnung zu verstehen ist, was wir unter Tem-
pera im alten und neuen Sinne zu begreifen haben. Unsere ersten
Künstler, darunter Böcklin, Lenbach und andere, haben aber auch öffentlich
ihre Ansicht bekannt, dass der Tempera in der alten Malerei eine hervorragende
Rolle zuzuschreiben und dass dieselbe von den grossen Meistern aller Zeiten
verwendet worden ist.

Tempera im alten Sinne ist jede zur Bindung von Farbkörpern ge-
eignete Substanz. Im Mittelalter gehörte auch Oel zu den Temperamitteln
(Heraclius, K. XXIX. des III. Buches). Nach und nach bedeutete aber Tem-
pera nur die mit Wasser mischbaren klebrigen Substanzen, Leime (Pischleim,
Knochenleim, Käseleim, Pergameintleim usw.), Eigelb und Eiklar, Gummi arab.
und Tragant u. dgl., welche in der Literatur der mittelalterlichen Technik
zu wiederholten Malen genannt werden. Mit Honig oder Zuckerkandis ge-
mischt, um ein längeres Peuchtbleiben zu ermöglichen, mit Zugaben von
Essig, Salmiak und anderen Dingen, zur Konservierung, sind alle diese Mal-
mittel schon vor dem XV. Jh. in Quellenschriften nachzuweisen.

Unter Tempera im neuen Sinne ist die Emulsion zu verstehen,
welche vor dem XV. Jh. nie zur Malerei verwendet wurde; diese Tatsache
steht fest. Hauptsache der Tempera im neuen Sinne ist, dass die damit her-
gestellte Farbe mit Wasser mischbar sei, nach dem völligen Trocknen aber
fest und für Wasser unlöslich bleibe.

Unter den äusserst zahlreichen Rezepten, welche in neueren Handwerks-
büchern zu finden sind, befindet sich noch eine weitere Variation, bei welcher
der Charakter einer Emulsion nicht vollkommen gewahrt ist, und ein anderes
Lösungsmittel für Oele und Harze zur Flüssig-, resp. Wassermischbarmachung

— 277 —

des Oeles genommen ist, nämlich die Seife; diese Variation ist jedoch aus- o’lta 6 ™

schliesslich für Wanddekoration des Zimmermalers anwendbar und insofern

für ihn geeignet, weil dieser Tempera das Schlüpfrige der Seife zu statten (258)

kommt, wenn die Farbe auf den mit Kreide und Leim grundierten Flächen

verarbeitet wird. Die feste Erhärtung eines solchen Bindemittels wird um

so geringer sein, als der Zusatz der Seife an Menge zunimmt.

Ohne auf den Wert der einzelnen Rezepte hier eingehen zu können,
seien die hauptsächlichsten im folgenden wiedergegeben; man wird schon aus
der grossen Reihe ersehen, wie verschiedenartig die Angaben und demnach
auch die Arten der Verwendung sind, im allgemeinen unterscheidet der
Sprachgebrauch zweierlei Arten, die sogen, magere und die fette; die
magere schliesst die früher erwähnte alte Tempera in sich, die fette die neue
oder Oeltempera. 35 Hier sei aber nur die letztere Art berücksichtigt.

Rezepte für einfache Emulsionen sind die folgenden:

1. Gummi arab. 1 Teil, Leinölfirnis 2 Teile, werden „nach den Regeln
der Kunst» emulgiert und zehn oder mehr Teile Wasser hinzu-
gerührt. Statt des Leinölfirnisses kann jedes trocknende Oel ge-
nommen werden.

2. Eigelb oder Gummi 1 Teil, Leinöl, Mohnöl oder Nussöl 1 Teil, 2
oder mehr Teile Wasser oder Essig in gleicher Weise emulgiert.

3. Eigelb 1 Teil, Leinölfirnis 3 / 4 Teil, Harzölfirnis */* Teil, 2-3 Teile
Wasser, etwas Spicköl zur Konservierung, werden zur Emulsion
vereinigt.

4. Gummi oder Eigelb wird mit Venetianer Terpentin emulgiert (im
Verhältnis 1 : ! /3 — x i) und einer der obigen Emulsionen hinzugefügt.

5. Gummi oder Eigelb wird mit Copaivabalsam in gleicher Menge
emulgiert und mit Wasser verdünnt.

Alle Emulsionen werden am besten in der Reibschale bereitet, das Ei-
gelb zuerst genommen und das Oel nach und nach zugeschüttet, unter fort-
währendem Reiben mit der Reibkeule die Mischung gemacht und dann erst
die Verdünnungsmittel, Wasser oder Essig, hinzugefügt. Gummi arab. ver- .
wendet man in Pulverform; die Gummi-Emulsionen sehen milchig weiss
aus, die Ei-Emulsionen gelblich weiss. Richtig gemacht dürfen sich die
Substanzen nicht voneinander scheiden, auch keine Oeltröpfchen dürfen sicht-
bar sein. Wenn Harze zur Emulsion genommen werden, ist es, besonders
im Winter angezeigt, die Reibschale etwas anzuwärmen. Mit den obigen
Mischungen hat der Verfasser auf allerlei Untergrund, Tafel, Leinwand oder
Pappe gute Resultate erzielt; Nr. 4 und 5 zu einer der anderen Emulsionen
gemischt, verleiht den Farben grosse Geschmeidigkeit und eine gewisse Körper-
haftigkeit.

Kombinierte Emulsionen (resp. Emulsinen), bei welchen ausser der
emulgierenden Wirkung von Ei oder Gummi noch Seife zu leichteren Verbin-
dung genommen werden, gibt es zweierlei Art.

Mit Anwendung der Wärme (nach der ältesten Manier):

6. 1 /a ‘tt Gummi arab. und 1 Löffel venet. Terpentin werden warm
miteinander emulgiert, dazu 1 Liter Weinessig, 150 g Pechseife,
unter andauerndem Verrühren (ohne Wärme) hinzugefügt, dann
noch 5 ganze Eier hinzugemischt (Rez. eines Farbenfabrikanten).

7. 20 Eigelbe werden -in einer Schüssel mit dem Quirl verrührt. Un-
gefähr 5 Pfg. (!) Schmier- oder Kernseife wird dann in heissem
Wasser gelöst und nach dem Erkalten etwa die Hälfte mit dem
Eigelb verrührt. Etwas Terpentin (veuetian.) wird erwärmt hinzu-
gefügt und ebensoviel Leinölfirnis als Eigelb; eine geringe Differenz

35 Nach Ei bner (Malmaterialienkunde als Grundlage der Maltechnik. Berlin 1909.

S. 269), werden die Arten der Oeltempera eingeteilt in natürliche Emulsionen

Kasein, Eidotter) und künstliche Emulsionen (Ei-Oeltempera, Kasein-Oeltempera,

(Jummi-Oeltempera), dazu kommt noch die Seifentempera (Wachsseiie, Oel-Fettsäuro-

Seife).

— 278 —

Moderne ist ohne Bedeutung. Es hat sich nun eine weisse dicke Masse

gebildet, welche tüchtig zu verrühren und welcher noch die andere
Hälfte der Seife zuzusetzen ist. Unter beständigem Rühren werden
l J /2 Liter Weinessig beigefügt, das Ganze durch ein Sieb gegossen
und aufbewahrt (nach Hildenbrandt, Mappe, Bd. V, Heft 7).

8. 2 Teile Eigelb, 4 Teile Essig, 1 Teil guter alter Leinölfirnis und
l i Teil alter Honig werden genommen; das Eigelb und der Firnis
mit einem grossen Borstenpinsel derart miteinander vereinigt, dass
man von Zeit zu Zeit mit dem Pinsel über ein Stück Seife fährt,
welches zu diesem Zwecke für kurze Zeit in dasselbe Gefäss ge-

(259) legt wird und dies so lange fortsetzt, bis die innige Verbindung

von Firnis und Ei hergestellt ist; dann gibt man allmählich den
Essig und hierauf den Honig zu unter fortwährendem Einrühren
von Seifenschaum in die ganze Masse (nach Dr. Winkler, Prak-
tischer Ratgeber von F. Nauert, S. 3; Mathey-Ebeliu, Oel- und
Wasserfarben, Halberstadt 1896, S. 91).

9. Der Inhalt von 10 Eiern wird in einer Schüssel mit einem stumpfen
Pinsel unter gleichzeitigem Verrühren und Verreiben auf einem
Stück weisser Seife gelöst, so dass ca. 20 — 30 g Seife mit den
Eiern vermischt sei. Dazu kommen noch 150 g Firnis mit 50 g Seife
wie oben vermischt, und 100 g weisser Sirup. Zu dieser Masse wird
nach und nach das Dreifache an gutem Weinessig unter andauerndem
Durchrühren hinzugefügt und das Ganze durch ein Sieb getrieben
(Bassiner, Praktisches Handbuch, München 1894, S. 9).

10. (Für kleinere Malereien): 10 Teile Eigelb, 1 Teil Firnis, 15 Teile
Weinessig werden mit höchstens 1 J2 Teil Seife wie oben verrührt
und 2 Teile Honig dazu gegeben (Bassiner a. a. 0.).

Andere Anweisungen begnügen sich nur mit gutem Schütteln der
Materien, fügen entweder Essig, Alkohol, Borax oder Kampher zur Konser-
vierung hinzu; so z. B.

11. zwei Eigelbe, ein Fingerhut voll Firnis, ein Schnapsglas voll Essig
in eine Flasche getan und kräftig geschüttelt (Mathey-Ebelin, Oel-
und Wssserfarben, S. 92).

12. 6 Eier, 1 Quart Essig, für 20 Pfg. Tragant, ebensoviel venetian.
Seife, 1 Löffel Firnis, werden miteinander tüchtig vermischt (Nauert,
Praktischer Ratgeber, S. 4).

Komplizierter sind folgende Rezepte:

13. 8 Teelöffel Tragantgummi sind in 1 Liter Weinessig aufzulösen,
und etwa 20 Tropfen Leinölfirnis oder ein wenig venetianischer
Terpentin beizufügen. Man reibt alsdann den Inhalt eines Hühner-
eies in einer Reibschale mit einigen Tropfen Oel an und setzt nach
und nach x /s Liter des obigen Tragantessigs bei (bei zwei Eiern
a /4 Liter etc.) und bewahrt das Präparat in einer Flasche (Jaennike,
Anleitung zur Temperatechnik etc., Stuttgart 1893, S. 2).

14. 200 g weisses geschmolzenes Wachs, 5 g ebenfalls erwärmter
venetian. Terpentin, 5 g Oelfirnis, 15 g venetian. Seife, werden
steif in Wasser gelöst, dann mischt man der Masse erst 400 g
Gummi arab., 85 g Gummi Tragant, in Wasser gelöst, und 4 Eigelb
bei, schlägt dann das Weisse von -1 Eiern zu Schaum, rührt es
ein und verdünnt das Ganze mit gutem Fruchtbranntwein. Die
Farben werden nur in Wasser gerieben und mit der Tempera ver-
mischt (Praktischer Ratgeber, S. 5).

Von Interesse dürfte noch ein Rezept sein, das der Freskomaler Joh.
v. Schraudolph (gest. 1879) zu Retouchen und zur Restaurierung von
Freskobildern verwendete:

15. 1 Teil Trockenöl (Copal Vernis) 2 Teile Eidotter, 4 Teile Essig, »/a Teil
Honig, wenn es weniger rasch trocknen soll. Zur leichterenVerbindung
kann Schmierseife genommen werden, ist aber eigentlich überflüssig.

— 279 —

Vor Fäulnis bewahrt man das Malmittel durch einige Tropfen Muderue
Salmiakgeist. Oeltempera

Dann noch das folgende Rezept, welches mir von befreundeter Seite als
ganz besonders „alt u und aus Cenninis Trattato stammend (?) mitgeteilt wurde:

16. Zu je einem Eidotter werden 80 — 100 g Essig genommen und über
geschlossenem Feuer gut verrührt; vor dem Aufwallen füge man
eine dem Eidotter gleiche Menge Leinölfirnis hinzu. Nachher wird
noch etwadieHälfte der angewandten Dottermenge venetian. Terpen-
tin heiss hinzugerührt und nach dem Erkalten die Masse durchgeseiht.

Ein anderes Rezept, welches der verstorbene, sehr tüchtige Blumenmaler (260)
Wobeser, Berlin, benützte, ist nach Webers Katechismus des Dekorations-
malers (Leipz. 1896) S. 11 folgendes:

17. Eigelb, zu je einem Dotter ein Teelöffel Essig, weisses Wachs kalt
in Terpentin zu einer schmalzartigen Masse gelöst. 1 Teil Wachs
zu 3 Teilen Eigelb werden am besten im warmen Wasserbade zu-
sammengerührt, damit die Verbindung von Wachs und Eigelb eine
recht innige wird. Das Mittel ist mit Wasser zu verdünnen. Die
Malerei wird schnell hart und abwaschbar.

Wohl alle diese verschiedenartigen Tempera-Rezepte beruhen auf Empirie
und Werkstättentradition; jeder Praktiker nimmt die für seine speziellen
Zwecke geeignete Mischung und bereitet sich dieselbe selbst. Nicht zu ver-
gessen ist, dass ausser Eigelb und Gummi noch das Kasein (hergestellt aus dem
Käsestoff der Milch) in hervorragender Weise die Eigenschaft hat, Oele, Harze, Fir-
nisse u. s.w. in noch grösserer Menge als die ersten beiden Materien zu emulgieren.

Die heute in Handel befindlichen Temperas gehören teils der alten,
teils der neuen Art an. Da die Fabrikanten aber zumeist aus der Zubereitung
ein Geheimnis machen, ist es ohne genaue chemische Analyse kaum möglich,
deren Bestandteile zu kennen. Zur alten Art, der Wasser-Tempera, gehört die
früher vielgenannte Tempera nach v. P ereira ‘ s Angaben ; sie besteht aus feinen
Leimen, Kirschgummi und aus in Wasser gelösten Harzen, enthält kein Oel. Zur
Konservierung dient Essig, zum Geschmeidigmachen Honig, Glyzerin oder dgl.
Zur öllosen Tempera gehören noch die sogen. Gouachefarben, soferne
ihre Bindung durch Gummiarten erfolgt ist. Alle Temperas, bei denen Eigelb
und Eiklar nebst Oelen in Emulsion verwendet werden, ist das Bindemittel
der Zersetzung leicht ausgesetzt und muss deshalb öfters erneut werden.

Zu den fetten gehört Friedleins Emulsionstempera, welcher Emulsion
von Gummi arab. mit Rizinusöl zugrunde liegt, dann die Dresdener und
Düsseldorfer Tempera, welche Ei-Oel-Emulsionen zu sein scheinen und
bei welchen zur Konservierung neuerdings grosse Quantitäten von Karbol,
Sublimat, Formalin u. dgl. beigegeben werden. Andere käufliche Temperas
mit hochtrabenden Namen entsprechen allerlei kombinierten Emulsionen und
Mischungen von Gummi, Glyzerin, Seifen und Oelen, die ihre Aufgabe mehr
oder weniger gut resp. schlecht erfüllen. ;,;

Ein Erkennungszeichen für gute Oeltempera ist das feste Auftrocknen,
sie soll dann durch Wasser nicht lösbar sein. Zu Versuchen in Van Eyck-
Technik sind diejenigen am besten geeignet, welche auf getrocknete Oelfarbe
aufgestrichen, nicht „perlen». Man kann sich aber ein geeignetes Farben-
material selbst herstellen, wenn man schon in Wasser fein geriebenes Farben-
pulver gleich mit der richtigen Oeltempera vermengt. Bei Temperamalerei
kommt es schliesslich noch auf den Untergrund an; manche ziehen den
aufsaugenden, geleimten, dem festen, fetten oder gefirnissten vor. Jeder wähle
den für seine speziellen Zwecke geeigneten, denn feste Normen lassen sich
nicht geben. Der Erfolg allein ist für die Praxis massgebend. Was Cennini
von seiner Tempera (K. 72) sagt, das gilt auch hier: „Sei klug und praktisch!
Du kannst nicht zu viel davon geben, aber halte die richtige Mitte!»

86 Ueber die „Temperafarben des Handels» vgl. Münch. Kunsttechn. Blätter (Bei-
lage der Werkstatt der Kunst) III. Jhg. 1907, Nr. 21/24.

— 280

VII. Schlussbemerkungen

Seit der ersten Veröffentlichung des obigen , Versuches» zur Lösung
der Van Eyck-Technik sind einige Jahre vergangen. Begreiflicherweise hat
diese Hypothese die Frage neu in Pluss gebracht und teils Zustimmung, teils
Widerspruch hervorgerufen.

Die zustimmenden Urteile werde ich weiter unten folgen lassen und vor-
erst einige Bemerkungen anfügen, die die Angriffe auf meine Hypothese be-
treffen. So hat Prof. A. Eibner in einem zur ,, Frage der Van Eyck-Technik»
betitelten Aufsatz in Repertorium für Kunstwissenschaft (XXIX. Jhg. 1907,
S. 425) die Richtigkeit meiner Erklärung des Vasarischen Berichtes in Zweifel
gezogen und insbesondere die Stellen, wo von tempera d’oglio die Rede ist, in
dem Sinne zu erklären versucht, dass hier mit dem Worte ,, tempera» das Binde-
mittel gemeint sein müsse. Die Bezeichnung ,, tempera» der alten Schriften
würde wohl im doppelten Sinne gebraucht u. zw. 1. in der Bedeutung ,, Bin-
dung», Bindemittel im allgemeinen bzw. ,, Mischung», und 2. im Sinne von
., Temperabindemittel» im speziellen d.h. Eigelb. Dies ist auch vollkommen richtig.
Denn in frühesten Angaben wird das Wort temperare auch in der ersten Be-
deutung gebraucht. Aber schon zu Cenninis Zeit und noch mehr bei späteren
Kunstschreibern finden wir unter ,, Tempera» die Bedeutung eines wässerigen
Bindemittels im Gegensatz zum öligen gebraucht, wobei gleicherweise
unter Tempera sowohl das Eigelb als auoh Leim oder Gummi, zu ver-
stehen ist.

So erwähnt z. B. Filarete (s. S. 259): und befolge dasselbe in Tem-
pera und auch in Oel magst du alle diese Farben verwenden (et cosi sea
afare a tempera et anche a oglio si possono mettere tuttiquesti colori). Vasari
(Introduzione Kap. 25) spricht von Malerei mit Erdfarben und Leim, welche
a Gouache und ä Tempera heisst (che e chiamato a guazzo ed a tempera).
L o mozzo erwähnt beim Kolorit ä Tempera klebrige Stoffe wie Ei, Leim, Gummi,
Milch und ähnliches (acque viscose e tenaci, come di uova, colla, gomma, latte
e simili); auch Armenini berichtet von der „Temperamanier der Alten die
sich allerlei Mischungen bedienten (con aque diverse compongino di piu sorte
colori). * Eibner bezeichnet jedoch mit Tempera nur die Mischung mit Eigelb
und vergisst noch anzugeben, dass unter den emulgierenden Substanzen der
Gummi eine herorragende Rolle spielte. Gerade die ältesten Emulsionsrezepte
nordischen Ursprunges sind Vermischungen von Gummi mit öligen und har-
zigen Stoffen, und dieser Umstand wird auch damit zu erklären sein, dass
im Norden nicht immer frische Hühnereier zu haben sind, weil bekanntlich
die Hühner im Winter nicht legen.

Den hauptsächlichsten Einwand erhebt E. gegen meine Erklärung von
Vasaris Bericht über die Van-Eycksche Erfindung. Er findet das Hauptkri-
teriuni von dessen Neuerung in der Verwendung der gekochten ele und
dem Zusatz von Harzen, da Vasari erwähnt, dass die Van Eycks ihr
Leinöl und Nussöl- mit anderen Mixturen gekocht (bolliti con altre sue misture)

Vgl. m. Beiträge IV. S 8, 30, 46, 53.

— 281 —

verwendeten, wobei unter diesen „Mixturen» Harzlösungen verstanden werden Schiusebe-
müssten. Zu ähnlichen Schlüssen sind auch Merrifield, Merimee Mottez und
Eastlake gelangt, die in Vasaris Darstellung einen genauen Bericht über
Van Eycks Erfindung erblickten, weil sie von der Ansicht ausgingen, Vasari
sei wohl am sichersten darüber unterrichtet gewesen.

Aber es fragt sich, ob diese Ansicht richtig ist? Denn Vasaris Dar-
stellung ist einzig von dem Gesichtspunkte aus verfasst, die Van Eycks als
wirkliche Entdecker oder erste Erfinder der Oelmalerei hinzustellen. Bekannt
ist jedoch, dass Vasari in diesem Punkte ungenügend unterrichtet gewesen
sein musste und wenn man seiner Schilderung folgend in der Zumischung von
Firnis zum Oelbindemittel oder in dem Kochen des Oeles mit Firniszusatz die
Neuerung erkennen wollte, dann müsste zu allererst der Beweis erbracht werden,
dass vor den Van Eycks weder die Zumischung des Firnisses
noch das Kochen der Oele überhaupt bekann t gewesen ist. Vasari
stellt es so hin, als ob die Maler der ganzen Welt auf diese Dinge erst durch
Van Eyck aufmerksam gemacht worden seien.

Dieser Beweis ist aber von keinem einzigen der obigen Erklärer erbracht
worden. Eibner behauptet sogar, dass die Angaben bezüglich der wahrschein-
lichen Zusammensetzung der erwähnten Mixturen sehr bestimmt seien, indem
Vasari angibt, dass man den Oelen Harze zusetzte, um sie besser trocknend
zu machen. Dies sei aus einer Stelle des XXII. Kapitels der Introduzione zu
folgern, wo es von der Malerei auf trockener Mauer heisst : „ . . . tenendo
mescolato continuo nei colori un poco di vernice : perche facendo questo non
accade poi vernicerla». Dieses Zumischen des Firnisses für Zwecke der
Malerei auf trockener Mauer bezweckte, die Aufsaugefähigkeit des Mörtels
zu verringern. Und dem gleichen diente die von E. (Repert. S. 429) zitierte
weitere Angabe Vasari’s, in einem Topf eine Mixtur von griechischem Pech,
Mastix und fettem Firnis zusammenzukochen (mistura di pece greca et raastice
et vernice grassa et quello boilito . .) und auf die Wand zu streichen.** Vasari
beschreibt übrigens im XXVIII. Abschnitt (Von der Art, Gold mit Bolus
mittels der Beize und auf andere Art aufzulegen) die Herstellung des Ver-
golder-Mondants, den man „aus trocknenden Farben und gekockten Oelen,
in denen Firnisse gelöst sind», machte.

Wie ich bereits in den „Münch. Kunsttechn. Bl.» (VII. Jhg. 1911, S. 31)
auszuführen Gelegenheit hatte, dürfte der Beweis schwer zu führen sein, dass
alle die obigen Mischungen vor Van Eyck’s Zeit, also vor 1400, gänzlich un-
bekannt waren. Sie sind vielmehr seit Jahrhunderten bekannt gewesen
und waren zu den gleichen Zwecken in Verwendung; bezügliche Angaben
finden sich im Lucca Ms. (9. Jh.), bei Theophilus (11. Jh.), als Vernition
bezeichnet und in der Pictura aueola angewendet; das Auripetrum des Heraclius
ist genau dem gleichen Zwecke gewidmet wie die Oelbeizen des Oennini. In
der ältesten deutschen Malerhandschrift, im Strassburger Ms., kommen
die nämlichen Firnisse und Oelharzmischungen vor und wenn eingewendet
wird, dass diese Mischungen früher nicht zur Malerei gedient hätten, so
bietet das genannte Manuskript den direkten Gegenbeweis. Im Abschnitt 71
meiner Ausgabe (s. oben S. 183) heisst es von den „olivarwen» (Oelfarben):
,,Hie merke dis verwen sol mon alle gar wol riben mit dem oli und ze jüngst
(d. h. zuletzt) so sol man under jeglich varwe dri troph. virnis riben usw.
Das Strassburger Ms. ist aber nach dem Urteil von Fachmännern vor Van
Eyck’s Erfindung geschrieben, folglich kann in der Malerei mit Firniszusatz
auch nicht eine so grosse Umwälzung in der Technik der Malerei ersehen
werden, wie es manche meinen.

** Anmerkung: Diese Angaben sind in der I. Ausgabe Vasari’s nicht enthalten.
Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass Vasari hier das System beschrieben
hat, das er bei Ausmalung des grossen Saales in Palazzo vecchio zu Florenz zur An-
wendung brachte. Mit welchem Erfolge, davon kann man sich heute überzeugen
Alles ist bis zur Unkenntlichkeit schwarz geworden. Dieses System mit Van Eyck’s
Technik in Verbindung bringen zu wollen, ist demnach eine Unmöglichkeit!

— 282 —

Schiussbe- Was den ., scharfen» Geruch betrifft, so glaubt E., dass darunter der

merkung stechende Akreolin-Geruch gemeint sein müsse, der beim Kochen der Oele

sich bemerkbar macht. Da jedoch das Kochen der Oele in jener Zeit nichts

neues war, sondern allgemein ausgeführt wurde, so muss unter dem scharfen

Geruch (odore acuto) wohl etwas anderes verstanden werden.

Es ist von mehreren Seiten auch in Vorschlag gebracht worden, der
Frage nach der Art des neuen Malmittels durch vergleichende Versuche nach-
zugehen, indem etwa nach einem Original von Van Eyck oder seiner Zeit
genaue Kopien in verschiedenen Malweisen ausgeführt werden sollten. Der-
artige Versuche sind auch schon unternommen worden. So berichtet der
Uebersetzer von Eastlake’s Werk über die Geschichte der Oelmalerei, Dr. Hesse,
der wohl selbst zu den Anhängern der ,,Oelharzmalerei der Van Eyck» gezählt
werden kann, nach Angaben des Berliner Konservators Prof. Hauser von einem
Maler Schad, der einige dortige Gemälde Van Eycks (Mann mit der Nelke,
Genter Altar) mit einem Harzölbindemittel und zwar mit Mussinifarben
täuschend kopiert habe (Eastlake-Hesse S. 148). Allerdings meinte er, dass
gewisse Lichter, feine Striche, z. B. Haare, doch wohl eher mit einem wässerigen
Bindemittel gemalt worden seien und hält es für gut ausführbar, mit Gummi-
farben auf getrockneter Oelschichte zu malen, ohne diese zuerst mit Ochsen-
galle, Zwiebelextrakt etc. zu überziehen, da bekanntlich Gummi arabicum
emulgierend wirke (a. a. 0.).

Dass mit Mussinifarben ein Bild von Van Eyck ,, täuschend» kopiert
werden könne, spricht gewiss für die vielseitige Verwendbarkeit der Harzöl-
farben, aber beweist wenig für die Van Eyck-Prage. Denn ich könnte Bei-
spiele anreihen von ausgezeichneten Kopien, die mit Emulsionstempera aus-
geführt wurden; so die seinerzeit berühmte Kopie von Dürers Selbstporträt
von Vermehren, die allgemeines Aufsehen machte und Dr. Bayersdorfer
(gewiss ein Kenner!) zu einem lateinischen Distichon begeisterte, dann die
Kopien von Franz Wolter in ähnlicher Tempera (hl. Lukas von Roger von
der Weyden und Verkündigung des gleichen Meisters)’ deren eine Lenbach
(gewiss auch ein Kenner!) so sehr gefiel, dass er sie durchaus besitzen wollte,
und da der Maler sie nicht für Geld abgeben wollte, zwei grosse Lenbachs
dafür in Tausch erhielt — man weiss, was Lenbachs wert sind! — ; die zweite
Kopie befindet sich noch in des Künstlers Besitz, sie ist nicht minder gut als
die erste und von „täuschender» Aehnlichkeit mit dem Original. Mir sind auch
noch Kopien des Malers Böhnke erinnerlich, die ganz eminent die Wirkung
altmeisterlicher Technik imitierten und nicht mit Oelfarben gemalt waren.

Hesse führt (S. 148 der Eastlake-Uebersetzung) als Beweis, dass Van
Eyck’s Genter Altar mit einem Oelharzbindemittel gemalt sein dürfte, die an
unsere heutige Oel- und Oelharzmalerei anklingende Art der Sprünge an,
die sich insbesondere auf dem Gewände des musizierenden Engels (Bild Nr. 515)
deutlich zeigten. Auch Eibner erwähnt (Malmaterialienkunde S. 425) diese
Sprünge auf dem Mantel der hl. Cäcilie und vermutet hier öliges Bindemittel
(Asphalt), während die übrigen Teile (ausgenommen die Leimsprünge des
Grundes auf den Grisaillen) zumeist tadellos erhalten seien.

Mir scheint dieser Umstand vielmehr gerade das Gegenteil zu beweisen!
Wenn das fragliche Brokatgewand der Figuren „millimeterbreite und 5 — 6 cm
lange klaffende Risse zeigt», die übrigen Teile des Bildes aber nicht, so muss
daraus geschlossen werden, dass der Mantel in anderer Weise, d. h. mit
einem öligen oder harzartigen Vehikel, gemalt wurde, das eben zur Riss- und
Sprungbildung neigt. Wir wissen ja aber aus manchen Stellen der alten An-
weisungen, z. B. Cenninis, dass Brokatmäntel und alles auf Goldgrund aus-
zuführende Beiwerk mit öligem Bindemittel gemalt werden sollte, weil auf
der Oelbeize eine andere Farbe nicht haften würde und weil die solchen
Zwecken dienlichen Lacke so am transparentesten erscheinen. In diesem
Zusammenhange erklärt es sich zur Genüge, dass gerade die Brokatmalerei
von Rissen durchfurcht ist, die übrige Malerei aber nicht!

— 283 —

Zu denjenigen, die durch eingehendes Studium der alten Meistertechnik: Schiussbo-
zu dem Schlüsse gelangt sind, in der altniederländischen Malerei sei ein von
unserer Oelmalerei abweichendes Medium verwendet worden, gehört Arnold
Böcklin, der sich bekanntlich sein Leben lang mit technischen Problemen
befasst hatte und wohl einer der besten Kenner der alten Meistertechnik war.
Wiederholt hat er es ausgesprochen, dass die Van Eyckschule, trotz aller auf
Oel lautenden Kontrakte, nicht in unserem Sinne mit Oel gemalt haben konnte.
Pinselstrich, Flüssigkeit, nachweisbare Schnelligkeit der Uebermalung, Farben,
die es in Oel nicht gebe etc., sprächen dafür (s. Floerke, Zehn Jahre mit
Böcklin, S. 166). Und als eine Folge der obigen Meinung ist Böcklin, nachdem
er wohl alle Techniken durchprobiert hatte, im letzten Jährzehnt seines Lebens
ganz und gar zur Gummi-Oel-Emulsionstempera übergegangen (s. m. Böcklins
Technik, München 1906, XII. Abschnitt, Letzte Periode S. 133 ff.).

Mit dieser Tempera machte Böcklin an seinen Bildern die ziemlich weitgehende
Untermalung und vollendete dann mit Oel-Harzfarben. Ich möchte hier nicht ver-
säumen anzuführen, dass einer unserer besten Gelehrten des Faches, W. Ost-
wald, auch der Annahme beipflichtet, dass in dieser Kombination das Wesen
der Van Eycktechnik erblickt werden könnte (s. Malerbriefe, Leipzig 1904, S. 146).

Dass das Rätsel der Van Eyck-Technik weder durch Quellenforschung,
die uns wegen ihrer Lücken im Stiche lässt, noch durch die Malproben, die
allzusehr von der Geschicklichkeit des Ausführenden abhängen, gelöst werden
kann, sondern dass dessen Lösung dem neuester Zeit bekannt gewordenen
System der mikrochemischen Analyse vorbehalten bleibt, wie es Prof.
Eibner am Schlüsse seiner Ausführungen (Repertor. f. Künstlersch. S. 440 und
Malmaterialienkunde S. 424) andeutet, erachte auch ich für wahrscheinlich.
Es ist aber im höchsten Grade bemerkenswert, was aus den bisherigen Er-
gebnissen der mikrochemischen Analysen an Bruchstücken
alter Gemälde von Exzellenz Prof. E. Raehlmann (Weimar) zu ersehen
ist, dass nämlich bei den Altdeutschen „das Oel als Malmaterial bezw. als
Bindemittel der Farben völlig zurücktritt» (s. Raehlmanns Abhandlung im
III. Jhg. der Münch. kunsttechn. Blätter S. 94).

In seiner neuen Schrift „Ueber die Maltechnik der Alten» (Berlin 1910,
Georg Reiner) berichtet Raehlmann S. 37 ausführlicher über seine Unter-
suchungen hinsichtlich der Van Eyck-Technik und kommt zu dem Resultate,
„dass die Maltechnik der Gebrüder Van Eyck sicher keine Oelmalerei
in unserem Sinne, d. h. wie sie heute ausgeübt wird, gewesen sein kann».

Er sagt ferner: „Da die Oelmalerei, als Mischung von Farbstoffen mit
Leinöl oder Nussöl usw. als Bindemittel, schon im XL und XII. Jahrhundert
bekannt war, und nicht allein in Deutschland (Heraclius, Theophilus), sondern
auch in England (nach Eastlake), Frankreich (Charles Dalbon, Origines de la
peinture al’huile, Paris 1904) und Italien (Cennini) ausgeübt wurde, muss die
neue Erfindung der van Eycks, die so viel Aufsehen machte, doch etwas
anderes gewesen sein, als die damalige und heutige Oelmalerei.»

„Dass van Eyck und seine Nachfolger bei ihren Malereien Oel benutzt
haben und zwar häufig in reichlicher Menge, ist andererseits vollkommen fest-
gestellt, » „Ob sie es aber ausschliesslich nur für Grundierungen und Firnisse,
oder, worauf es doch ankommt, auch als Vehikel für ihre Farbstoffe benutzten,
und wenn, in welchem Masse, das ist bis jetzt nicht zu entscheiden». „Aus
neuen Untersuchungen der Bilder der fraglichen Zeit geht aber mit Sicher-
heit hervor, dass unter den Farbschichten, welche die Maler übereinander
gelegt haben, einzelne sind, die sicher kein Oel enthalten, auch nicht in
Eiemulsion, während es für andere Schichten fraglich bleiben muss.»

„Mir scheint es nach den mikroskopischen und mikrochemischen Unter-
suchungen am wahrscheinlichsten, dass die meisten Bilder Mal-
schichten enthalten, die in verschiedener Technik aufeinander-
gelegt sind, je nachdem die Werkstatterfahrung der Farbe Auftrag in Ei-
weiss, Gummi, Harz, Eigelb, Leim oder Oel, eventuell in einer ge-
eigneten Mischung — Eiölemulsion — vorteilhafter erscheinen liess».

— 284 —

Raehlmann schliesst diesen Teil seiner Untersuchung, wie folgt:

„Während die alte Temperamalerei vorzugsweise Eigelb (vielfach mit
Gummi und Feigenmilch) als Vehikel benützte, sind in den Bildern der sog.
Nachahmer von Eycks, die man vielfach zu den ältesten Oelgemälden rechnet,
wie das Mikroskop zeigt, die eigentlichen Bildschichten vorwiegend mit einem
Ei weissbindemittel hergestellt».

Für die Kenntnis der Van Eycktechnik sind die obigen Analysenergeb-
nisse von weittragender Bedeutung und sie werden es erst in vollstem Masse,
wenn es Raehlmann möglich sein sollte, ein Originalfragment eines Van Eyek-
bildes untersuchen zu können, was ihm bisher leider nicht möglich war (a.
a. 0.). Freilich wird der Wert all’ dieser Analysen problematisch durch die
Unmöglichkeit, Fragmente alter Gemälde in unberührtem Zustande zu be-
kommen.

Schliesslich mag liier noch eine Ansicht angereiht werden, die der eng-
lische Chemiker A. P. Laurie ausgesprochen hat, und die deshalb beachtens-
wert ist, weil er von ganz anderen Voraussetzungen ausgehend, auch die
Möglichkeit zugibt, Van Eycks Vehikel könne in einer Emulsion von Bal-
sam, Oel und Ei bestanden haben, (s. A.-P. Laurie, Greek and Roman
Methods of Painting, Cambridge 1910, Appendix II S. 116.) Er sagt: „Ich
halte es ohne weiteres möglich, dass das Van Eyck Bindemittel in der Haupt-
sache ein natürlicher Harzbalsam, wie Venetianisoh Terpentin, verdünnt mit
ein wenig Oel gewesen und vielleicht mit Eiweiss emulgiert gewesen ist. Die
Untermalung mag reines Ei gewesen sein, während die oberen Lasuren aus
reinem Balsam und ein wenig Oel bestanden.»*** Und in der Vorrede zu seinem
neuesten Werk ,,Materials of the Painters Craft» (London 1910) spricht Laurie
die folgende Meinung aus: „Je mehr ich die Tatsachen über Van Eycks
Bilder erforsche, desto mehr bin ich zu glauben geneigt, dass die allgemeine
Ansicht, die Van Eycks wären die Erfinder einer neuen technischen Methode,
falsch ist, und dass, im Gegenteil, sie und ihre unmittelbaren Nachfolger den
Höhepunkt einer traditionell nordischen Technik darstellen, event. mit Ein-
schluss der Anwendung eines Firnisses, geradeso wie wir Fra Lippi und
Botticelli als Höhepunkt der italienischen Tempeiatechnik betrachten.»

Man sieht aus dem allen, dass es eine gar nicht so leichte Aufgabe ist,
maltechnische Fragen, wenn sie so komplizierter Natur sind, einwandfrei und
endgültig zu lösen. Viel Arbeit ist hier schon geleistet worden, und ich will
gern die Verdienste anerkennen, die sich andere dabei erworben haben. In
diesen Dingen wird aber dem Chemiker der Kunsthistoriker stets zur Seite
stehen müssen. Und auch diese werden einen im Technischen sehr erfahrenen
Praktiker nicht entbehren können, um zwischen feststehenden, wohlbegründeten
Tatsachen und vielseitig ausgesprochenen Vermutungen richtig unterscheiden
zu können.

*** In einem Briefe (vom 21. Febr. 1912) an den Verfasser bemerkt Prof. Laurie :
„ J am much interested in your views as to emulsions as used in the Fiftenth Cen-
tury. You will notice J have been rather led by my own experiments and indepen-
dently to regard the use of such emulsions by Van Eyck as at anyrate possible».

Anhang

— 287

Uebersicht

über die Kollektion angefertigter Malproben zur „Geschichte der Maltechnik.» nebst
Angaben des benützten Quellenmateriales.

II. Serie.»

Byzantinische Techniken,
nach dem Lucca-Ms. und dem Malbuch vom Berge Athos.

41. Madonna mit reichem, plastisch verzierten Hintergrund. Oelvergoldung. (§ 50 des
Athosbuches.) Orig. im Museum zu Prag.

42. Pictura translucida. Drei Bischöfe. Orig. im Museo Kircheriano zu Rom. Malerei
auf mit Safran gefärbter Zinnfolie.

43. Kl. Altar auf Goldgrund mit byzant. Glanzfarbe (§ 37 des Athosbuches). Orig. im
Neapeler Museum.

44. Pictura transluoida auf Silber. Orig. im Wiener Hofmuseum.

45. Kopie einer alten Kopie der Stenstochauer (schwarzen) Madonna. Naturale-Oelfarbe
(§ 53 des Athosbuches).

46. Byzant. Malerei auf Leinwand. Eiklartempera, gefirnisst (ebenda § 27).

47. Malerei auf Terra verde- Vergoldung. Eitempera (§ 51). Orig. im Museum zu Neapel.

48. Aufzeichnung mit der Nadel ; Vorbereitung zur Vergoldung des folgenden (§ 13 ebenda).

49. Malerei mit Eiklar-Alauntempera auf Glanzvergoldung. Orig. des Fillipo Memmi
im Museum zu Antwerpen.

Technik der Miniaturmalerei.

50. Miniatur auf mit Tournesol (Purpur) gefärbtem Pergament. Adam und Eva nach
dem Genesis-Kodex (IV. — V. Jh.) der Wiener Hofbibliothek. Tempera von Eiklar.

51. Spätgriech. Miniatur. Heuresis zeigt Dioskorides die Pflanze Mandragora (Alraun-
wurzel), VI.— VII. Jh. Orig. der Wiener Hofbibliothek. Tempera von verseiftem
Wachs und Harz nebst Leim. (Byzant. Glanzfarbe, Le Begue Ms. N. 325.)

52. Miniatur des XII. — XIII. Jh. Technik nach Theophilus, Heraclius, Neapeler Kodex
etc. Bindemittel von Gummi und Eiklar. Orig. des Hardehauser Evangeliar.
Kasseler Landesbibhothek.

53. Initiale auf Assisa- Vergoldung.

54 u. 55. Arbeitsfolge der Miniaturmalerei nach den zum Teil unvollendeten Miniaturen
der Prachthandschrift des Wilh. von Oranse. XIV. Jh. Kasseler Landesbibliothek.

56. Malerei auf Pergament, gefirnisst.

Nordische Techniken des XIII.-XIV. Jhs.,
nach Heraclius, Theophilus, Strassburger Ms. etc.

57. Detail des Altaraufsatzes von Rosenheim (um 1300). Aelteste Temperamalerei in
Bayern. Orig. im Nationalmuseum, München. Kirschgummitempera (Theoph.
K. XXVII).

1 Siehe die 1. Serie, Kollektion meiner Versuche zur Rekonstruktion der Mal-
technik des Altertums Nr. 1 — 36 im I. Bd. meiner Beiträge, Anhang VI, S. 304.

Nachträge :
37. Malerei auf Marmor (Circumlitio). Orig. im Berliner^Museum.
3S. Dekoration von Ziegel (farbiger Stuck), nach den Funden von Cerae. Orig. wie oben.

39. Malerei spät-röm. Zeit auf Leinwand und Vergoldung. (Eierklar-Alauntempera),
nach einer Mumienhülle des aegypt. Museums Berlin.

40. Porträt der Aline. Orig.» im gleichen Museum. (Untermalung mit Wachntempera;
Uebermalung mit enkaustischer Wachsfarbe, heiss verwendet. Leinwand.)

— 288 —

58. Böhmischer Meister des XIV. Jhs. Orig. im Museum zu Prag. Auszierune mit
Zinnfolie. (Theoph. K. XXIX).

59. Oelteohnik dieser Zeit (Theoph. K. XXVII). Nach einem in anderer Technik ge-
malten Vorbild der Münchener Pinakothek. Reich verzierter Glanzgold-Hintergrund.

60. Nordische Technik auf Leinwand. Orig. der Meister-Wilhelm-Schule. Kölner
Museum. Eiklar-Kirschgummitempera mit Oelfirnis-Ueberstrich (Theoph. K. XXVIII).

61. Aufzeichnung mit der Nadel (zu folgender Nummer 62), der byzantinischen Art
entsprechend (vergl. 48).

62. Detail nach dem Päbler Flügelaltar (1380 — 1420). Nationalmuseum zu München.
Technik wie Nr. 60. Holztafel mit weissem Bolus (Kreide) grundiert.

63. Gefahren dieser Technik, wenn der Grund nicht aufsaugend oder die Tempera zu
stark angemacht ist. Orig. des Meister Wilhelm von Köln. (Kölner Museum.)

Technik der ital. Frührenaissance,
nach Cennini’s Trattato.

64. Eitempera-Untermalung (Eigelb und Eiklar gemischt). Orig. nach Botticelli Schule.
Kasseler Galerie.

65. Feigenmilchtempera (das ganze Ei mit Feigenmilch angerührt). Cennini K. 72.
Orig. wie oben.

66. Bereitung der Holztafel mit Gesso grosso und sottile (K. 113—117) und Aufzeichnung
(K. 122).

67. Untermalung des Fleisches mit grüner Erde und Verdaccio (K. 67 u. 147). Weiter-
führung der Arbeit. Detail aus dem Frühling des Botticelli, Florenz.

68. Eitempera (Eigelb allein) getirnisst. Orig. des Botticelli, La bella Simonetta, Florenz
(Uffizien).

Vergoldungsarten des XIV. und XV. Jhs.

69. Vollendete Technik der Italiener des XV. Jhs. Nach Crivelli’s hl. Katharina
(Berliner Museum). Eigelbtempera, Oelvergoldung auf erhöhter Unterlage (Cennini
K. 124), Ornamente mit Oelfarbe.

70. Vorbereitung zur Glanz- und Oelvergoldung (Cennini K. 124 ff.). Detail nach einem
Bilde des Jacobello, Venedig.

71. Oelvergoldung auf „aus dem Grund u gearbeitetem Ornament; Ei-Oeltempera; Orig.
des Zeitblom, Pinakothek z. München.

Vergleichende Proben und Uebergäuge zur Van Ey ck-Technik.

72. Leimtempera mit Eigelb übermalt.

73. Leimtempera mit Oeltempera (Emulsion) übermalt.

74. Eiklartempera (Miniaturbindemittel) gefirnisst.

75. Emulsion von Gummi und Oelfirnis.

76. Versuche mit verschiedenen Temperabindemitteln auf einer Tafel. Detail nach
einem Bilde des Meisters von Messkirch (XV. Jh.). Kasseler Galerie.

77. Oeltempera auf weissem Grund, mit Weingeistfirnis überstrichen und übermalt.
Nach Cornelisz van Oostsamen (1480—1533), Kasseler Galerie.

78. Oeltempera mit Oelfirnis Ueberstrich und übermalt.

79. Eiklartempera mit Oelfirnisüberstrich und mit gleicher Tempera übermalt. Aeltere
Kölner Technik des XIV. Jhs.

80. Ungefirnisste Oeltempera auf Leinwand. Mattfarbe. Detail nach einem Stamm-
baum (XV. Jh. Wiener Hofmuseum).

81. Van Eyck’s Technik. Oeltempera (Bernsteinfirnis und Eigelb, Emulsion, mit Wasser
verdünnt). Erster Versuch.

82. Beginn und Führung der Arbeit (nach Holbeiu).

Technik des Van Eyck.
(Oeltempera, Emulsion.)

83. Aufzeichnung mit der Feder und rotfarbiger Ueberstrich (Imprimuersel des Van
Mander). Nach dem Orig. des Meister v. Messkirch. Kasseler Galerie.

84. Mattfarbe-Untermalung auf obige Unterlage (Dootverwe des Van Mander). Nach
dem Orig. des Meisters vom Tode Mariae, Kasseler Galerie.

85. Die obige Mattfarbe-Untermalung mit Oelfirnis übergangen und mit derselben
Mattfarbe (Emulsion) übermalt. (Nach Holbein’s Porträt des Morett, Dresdener
Galerie).

86. Technik der Kölnischen Schule des XVI. Jhs.

87. Malproben in der Technik des XVI. Jhs. Emulsionstetnpera.

88. Porträtkopf nach Dürer. Kasseler Galerie. Gleiche Technik.

89. Porträt, Kölner Schule. Ebenso.

90. Detail eines Stillebens von Davidsz de Heem in Ei-Oeltempera. Orig. d. Kasseler
Galerie.

91. Grauuntermalung in gleicher Technik.

— 289 —

Weitere Stadien der Entwicklung von Van Eyck’s Technik im XVI. Jh.

92. Technik des Antonello da Messina auf Leinwand; nach dem Orig. des Pintu-
ricchio. Oeltempera.

93. Porträt in gleicher Technik auf Leinwand; die Grundierune: nach Vasari (Introd.
K. XXI).

94. Präparation der Leinwand nach Vasari. Malerei nach Raphael, Oeltempera.
94. Madonna nach Bell in i, Grundierucg mit Gesso sottile, Untermalung auf Terra

verde mit Oeltempera.

96. Detail nach Palma Vecchio auf Vasarischem Grund (rötliche Imprimatura).
[Jntermalung mit Tempera, Oelfarbenlasur.

97. Führung der Arbeit von Tizian. Nach der Kirchen madonna. Weisser Gipsgrund,
rötliche Oelimprimatur, Oeltempera-Uutermalung. Vollendung mit Oelfarbenlasur.

98. „Flora» nach Tizian. Gleiche Technik auf Leinwand. Oeltempera und Oel-
Uebermalung.

Nachträge:

Wandmalerei der bvzant. und frühitalienischen Zeit nach dem Athosbuch und Cennini.
99 Byzant. Fresko auf Stroh- und Wergkalk.
100. Byzant. Fresko nach einem Bilde des Panselinos.
1C1. Aufzeichnung auf den I. Bewurf nach Cennini.

102. Secco Malerei nach demselben (n. Orig. d. Giotto).

103. Secco Malerei (n. d. Orig. des Filippo Lippi).

104. Freskogrundierung nach Cennini (n. d. Orig. d. Ghirlandajo).

Zur gefl. Notiznahme!

Es sei hiermit bemerkt, dass sich der grössere Teil der obigen Versuche seit
einer Reihe von Jahren im Besitze des „Deutschen Museums von Meisterwerken
der Naturwissenschaft und Technik» zu München befindet und in der Abteilung Mal-
technik zur Aufstellung gelangt ist.

10

291 —

REGISTER

Abkürzungen: Cenn. = Cennini; Herae. = Heraclius-Ms.; Herrn. = Ilermeneia vom
Berge Athos ; Lib. ill. = Liber illuministarius; Luoc. = Lucca-Ms.; Mapp. =’ Mappae
clavicula; Mal. = Malerei ; Neap. C. = Neapeler Codex.; Strassb. = Strassburger Ms.;
Theoph. = Theophilus Presbyter; n = Note; Vergold. = Vergoldung; Rez. = Rezept.

Die in den Marginalien dieses Bandes in Klammern gesetzten Seiten-
zahlen der ersten Ausgabe bezwecken das leichtere Auf finden derinden
übrigen Bänden angegebenen, auf diese bezugnehmenden Stellen.

Aalhaut, Leim v., 54.

Abbozzo, 268, 270, 273.

Aetius, über Ricinusöl 26n, über Nussöl 119.

Alaun, 12.65,135, 137, 164n; z. Tempera 43,

Alaunstein, 138n.

Alberti, über d. Stucco der Alten 233, über

Van Eycks Technik, 259.
Albertus Magnus, 133 u. n., 136.
Alcherius, Ms. des, 109, 151.
Alembic (Destillierkolben), 129, 130, 160 n.
Alkohol, 129.

Aloe, 41, 49, 68 n, 84, 151.
Amalgamierung von Metallen, 9, 13, 17,

50, 54, 119.
Amatito s. Blutstein.
Amethyst zum Glätten, 139.
Ammoniak, 55 n: Gummiharz 188n.
Ampoli, 81, 87. ‘
Anchusa, lln.

Andrea del Castagno, 249 n, 257.
Anhang z. Lucca-Ms. 31; z. Theoph. 62;

z. Herrn. I. 97, II. 160; z. einigen deutsch.

Mss. 202.
Anonymus Bernensis, 42, 215.
„Anschiesser» f. Vergold. 122.
Ansichten über Van Eycks Technik, 242.
Antonello de Messina 249, Reise nach

Flandern 263n, Aufenthalt in Venedig,

256.
Antwerpen (Museum), 227, 272.
„Aqua de cauli», 65.
Arabische Quellen, 64.
Argentum musicum, 119, 164, 179.
Armenino, 264, 268.
Arriciato, 112.
Arzica, 110.
Aschfarbe, 144.
Assis (assiso), Herac. 40; Cenn. 120, 126

f. Mauer 94, 129, 153; Neap. C. 138, 145

Strassb. M. 170; Lib. ill. 191, 199, 214

s. Goldgrund und Vergoldung.
Assis- Rezept, 139 n.

Athoskunst s. Handbuch d. Mal.

Audemar, Ms. des, 150.

Aufhöhung der Lichter, 29, 88, 124.

Aufrauhen des Bewurfes, 91.

Augstein (agtstein) s. Bernstein.

„aureola pictura» 50, 120; s. Pictura trans-
lucida.

Auripetrum, 41, 84.

Auripigment, 24, 29, 39, 52, 110, 134, 165.

Aurum musicum (musivum), 119, 136, 136n,
164, 170.

Ausbildung der Ornamentik, 7.

Ausmalung der Miniatur, 215.

Ausstaffieren 231.

Azur (Azurblau), 27, 29, 52, 86, 93, 167,
168.

Azurrodella Magna, 52, 111, 129, 134, 141.
„ oltramarino, 111, 134, 136; s. Ultra-
marin.

ßardamon, 86.

Baldovinettis Technik, 250.

Baumwollenfäden für Nimben, 80.

Baumwollenpapier, 50.

„Bazzeo», 96, 114.

Bein, gebranntes (gebrent wis boin), 159.
183, 187, 198.

Beizen z. Vergold., Herrn. 94; Cenn. 115,
124: f. Mauer 116n, 131; Neap. C 144;
Strassb. 165.

Bellini, 273.

Benozzo Gozzoli, 52, 116n, 128.

Benzoeharz. 265n. 271.

Bergblau, 52, 53, 110, s. Lazur.

Berggrün, HO, 137.

Bernsteinharz, 56, 66n, 153, 159; Firnis v.
266; s. glassa.

Biacca 111; s. Bleiweiss.

Bianco Sangiovanni, 93, 110.

Bier z. Beize, 31 ; z. Tempera 42: für Zinn-
folie 50, 60.

Bilderdienst, 5. 74.

— 292

Bildersturm, 5, 74, 261.

Bilderweiss (Bleiweiss), 94.

Bimstein (bimses), 118, 183, 187.

Bindemittel f. Farben, Herac. 41 ; Le Begue
152; f. Miniatur 215; s. Rezepte, Tempera,
Leim, Oel, Wachs etc.

Bissofarbe, 143.

Blattmetall s. Goldblätter.

Blei, rotes, s. Minium.

Bleigelb (Massicat), 52.

Bleiglätte 65, 86, 131 u. n.

Bleiweiss, 11, 28, 39, 44, 52, 56, 88, 111,
134, 152, 165, 183.

Blumen (Blüten) zu Farben, 40, 173n.

Blutstein, 110.

Boliment s. Bolus.

Bologneser Kreide 118.
Ms., 128.

Boltz, Illuminierbuch, 160 n, 162; Gold-
grundgummi 188 n; Temperaturwasser
202; Titelblatt, 212; Abb. 11; Vorwort
des B. 264.

Bolus (Bol) 40, 78n, 81, 107, 110, 121.
„ weisser, 227, 228 n.

Bulusgrund, 227.

Bolusmaler, 273.

Borucki über ehem. Untersuchung alter
Bilder, 219.

Botticelli, 122.

Branchi’s ehem. Untersuchungen, 105.

Brasilholz, 39, 84, 110, 164.

Brasilrot, 68 n, 138, 144, 165, 173.

Brokatgewänder z. malen, 122.

Brügge, Givanni v. 251. 256.

,,brun blau tüchlin», 173.

Brunierstein, Glättstein, 28, 46, 139, 145,
213.

Buonfresko, 113, 234 u. n.

Burgfelden, roman. Mal. in, 220, 221.

Buxbaumtäfelchen, 109.

Byzantin. Mal., 16 Abb , 80 Abb.

„ Technik 49, 234, s. Bandbuch

der Mal. v. Berge Athos.

Cambridge Ms. d. Theoph., 48.

Caput mortuum, 81, 93, 110.

Carmoisin, 75 n.

Casein, 247 n, 279.

Cennino Cennini, 102; Inhalt des Trattato

108; Mal. auf Mauern 111; Tafelmal. 117;

Mal. mit Tempera 124; Miniaturmal. 126.
„cera colla», 106.
Chemische Untersuchung v. Mal., 105 n,

219, 240.
Chorschlüsse, 81 u. n.
Chrysographie s. Goldschrift.
Ciast, tön.

Cinabrese, 104, 107, HO.
Citramarin, 86 n.
„Cläre», 152.
Coccus s. Grana.
Colantonio del Fiore, 259, 260.
Colla graeca, 25, 158.
Compositiones s. Lucca-Ms.
Confectio Lucidae, 15.
Confectio Maltae, 26.
Copaivabalsam, 266.
Creta pellicaria, 164, 169.
Crocus (Safran), 13, 15, 67 n, 110, 131, 143,

165.
Cryptograph. Aufzeichnung 23n. 66.
Curcumagelb, 134, 135, 143.

De Mayerne-Ms., 274.

Destillation, arabische Erfindung, 129; d.

Terpentins. 83 n, 160 n; v. aeth. Oelen,

253 n.
Dicköl, 84 n.

Didron, 71; über Fresko auf dem Athos, 97.
Dionysios (Mönch), 49, 73.
Dionysius, 150
Dioskorides, Handschrift des, 6 u. Abb.;

über Rizinusöl 26n.
Disciplina di Fiandra, 255, 260, 2 6.
Domenico Veneziano, 249n, 257.
„Dootverwe’S 269, 270.
Drachenblut, 24, 28. 110.
Durchleuchtung der Farben, 275.
Durchstechen der Pausen, 112.
Dürer, 241, 263, 274 n ; Brief an Heller 1 19 n :

270; über Firnis, 271.
,,Durschinig verwen», 164, 180.

Kastlake, über Van Eycks Technik 244.

Eglomisemal., 127.

Ei, z. Tempera, 42, 75 n, 82; Herrn. 82;
Cenn. 114, 124; Neap. C 135; z. Emulsion
247, 277.

Eidotter, Farbe des, 124 u.

Eieröl, 66, 247 n.

Eierschalenkalk (-weiss), 66, 129, 138.

Eigelb, z. Tempera, 114; Herrn, nicht er-
wähnt, 82.

Eiklar, z. Vergold., 14; z. Miniatur-Mal.
42, 55, 58, 82, 135, 140, 163, 215; z. Rei-
nigen des Oels, 130.

Eiklarfirnis, 126; s. Haussfirnis.

Eisenoxyd, s. Sinopis u. Bolus.

Ely, Kathedrale zu, 223.

Emulsion, 14, 15, 127, 247, 248, 249, 276.

Emulsionsrez. des Marciana Ms., 249, mo-
derne Rez. 276.

Englischrot, 110.

Enkaustik, byz. Zeit, 19; s. Wachs und
Wachsmal.

Enkaustische Malerei, 20 u. Abb.

„Erfindung der Oelmal.», 239.

Essenzfirnis, 83, 160n, 251, 271; s Terpen-
tinfirnis.

Essig z. Farbenbereitung, 11, 23, 27, 39,
66, 86; z. Konservierung 165, 276; zur
Tempera 42, 140. 152.

„Exedra», 53, 96, 152.

Experimenta de coloribus, 150.

„ diversaalia quam de coloribus

150.

Facius, über Van Eyck, 258.

Faprestomaler, 273.

Farben, d. Mapp. 27; Theoph. 53; Herrn.

85; Cenn. 110; Neap. C. 134; Strassb.

Ms. 163; Lib. ill. 198.
Farbenmischungen, Mapp. 29; Herac. 38;

Theoph. 51.
Farblacke s. Lackfarben.
Färberröte s. Krapp.
Fassmaler, Fassmalerei, 231.
Feigenmilch, Lucc. 17; Cenn. 108, 115;

68n.
Filter s. Leinenfilter.
,, Firnes glas» s. glassa.
Firnis, farbiger, 15, 49, 84; Ueberstreichen

mit F., 25, 41 n; Theoph. 58; Cenn. 126.
Firnis, weisser, 160 n. 253; alla Fiamenga

271 n.

293

Firnisbereitung, Theoph. 50; Strassb. 187;

d. Van Eyck 252; Dürer 271.
Firnisrezepte, Herrn. 83; Lib. ill. 197; Boltz

162; Strassb. 168; Kunst- u. Werkschul

261.
Fischgalle, 40. 66n. 170.
Fischleim (Hausenblase), 11, 17,50, 61, 68,

97, 117, 139, 193.
Flachs s. Werg.
Flavius Josephus. 210.
Flavius Vopiscus, 26
Flechtenlack, 11 n. 86.
Fleischfarbe, Mapp. 29; Theop. 52, 53;

Herrn. 81, 88, 95; Cenn. 114; Neap. C.

144. Le Begue 152; Strassb. 162, 184.
„Florieren», 141, 164, 167, 170; auf Gold

217.
Flugkreide, 118.
Freskogrundierung. 96, 114.

technik, Herrn. 90 ; Cenn. 111 ; später

Beginn der reinen F., 113.
Fulvio Pellegrino Morato 264.

«albanharz, 15, 162.

Galitzenstein, 159 u. n.. 163, 183, 198.

Galläpfel, 11 n.

Galle, (Ochsen-), 13, 24.

Geber (Djäber), 67.

Geismilch, 151.

Genesis-Ms., 209 Abb., 211.

Genter Altar, 272.

Gesichtsfarbe s. Fleischfarbe.

Gesichtslänge (Masse), 114n.

„gesso grosso e sottile»‘, 107, 118.

Gesso Painting, 121 n.

Ghirlandajo. 116. 122.

Giallorino (Giallulino), 110, 134, 137, 144.

Giotto, Vasari über G.’s Technik, 102, 109;

techn. Neuerungen 105, 108; Mosaiktech.

113; malte mit Oelfarben 260n.
„glassa» (glessum), 41, 56, 198.
Glanzfarbe, d. Herrn. 87: von Giotto aus-
gegeben 105.
Glanzvergoldung. 13, 40. 60, 80, 119. 153,

164, 193, 214.
Glasfarben, grüne, 164.
Glätten des Bewurfes, 91, 233.
Glättstein s. Brunierstein.
Gloriat (Glorien), 159, 166n, 187.
Gluten, 9, 17; s. Leim.
Glykasmus, 81, 90, 86.
Goldblätter, 13, 15, 40, 60, 81, 116 u.n.,

139, 186; s. Vergoldung.
Goldfarbe („goldvarw’-). 84 u. n , 159, 185,

188, 195, 197; f. Miniatur 136; flüssige

235.
Goldgrund (Grund f. Gold), 94, 161 n, 193,

197, 199. 217; s, Vergold.
Goldgrundgummi, 162, 188 n.
Goldpulver (geriebenes Gold), 24. 40, 61, 87,

215.
„Golipharmpe-‘ 84 u n.
Goldschrift, Luco. 12; Mapp. 23: Herac. 40:

Theoph. 54; Lib. sacerdot. 67; Herrn.

77 n, 85; Strassb. 170. 171.
Grana (Coccus, Lackrot), 11 u. n., 53, 68 n.,

70 n, 85, 138, 174.
Gravetum (Grün), 28.
„Greei», 7, 90, 104.
Griechische Manier, Theoph. 48. 50; von

Giotto beibehalten 104; s, Herrn, v.

Berge Athos.
„Griechische Sitten- 158, 183.

Grüne Farben, 39. 86, 95, 110, 137, 165.

167, 182.
Grünerde, 96, 110, 137: z. Vergold. 121;

z. Karnation 124; s. Verde terra.
Grünspan, 28; z. Beize 94, 124, 131.
Grünschwarz, s. Veneda.
Gummi arab., 14, 24, 41, 43, 54, 58, 131,

135, 140, 202; z. Emulsion 14, 247, 261,

267, 277′.
Gummi cerasi, s Kirschgummi.
„Gummi fornis», 57, 159.
Gummilack, 110, 129.
Gips, z. Grundierung. Lucc. 13; Herac. 41;

Theoph. 55; Herrn 80; Cenn 107, 117;

z. Assiso 138.
Gipsstuckarbeit, 66.

Haarfarbe malen, 162, 181.

Hagioritische Kunst, 72.

Handbuch d. Mal. vom Berge Athos, 71;
Beziehung z. anderen Quellen 74; Alters-
frage 76; Iuhalt 77; Glanzfarbe 86; Na-
turale Mal. 89; Mal. auf Mauein 90, Kar-
nation 95; Miniaturmal. 97; Kapitel-
reihen 100.

Handwerkzeug, f. Vergold. 122; des Schrei-
bers 211; des Miniators 213.

Hanfsamenöl 154, 158, 183.

Harleian Ms., 48.

Harzbalsame 266.

Harze, 15, 21, 25, 41, 56, 84. 126, 187, 243;
s. Firnisbereitung.

Hausenblase s. Fischleim.

„Haussfürniss», 160.

Heidelbeerblau, 11 n, 137, 173, 177.

Heidelberger Ms., 161 n, 191.

Heiligenscheine erhöhen, 80, 94, 121.

Heinrich von Lübegge, 156, 167.

Heraclius Ms., 35; Einteilung der Kapitel-
reihen 36 n; Rez. 1. Farben 39; f Ver-
gold. 40; Mal. 41; bei Le Begue 151.

Hermeneia, s. Handbuch d. Mal. vom Berge
Athos.

Hirschhorn, 109.

Hirschhornleim, 50, 134, 139.

Hirschhornschwarz. 86.

Holbein, 241, 274 n

Hollundersaftgrün s. Saftgrün.

Honig, 135, 140, 202. 216.

Holz z. Bemalung herzurichten, Herac. 44;
Herrn. 79; s. Tafelmal.

Holztäfelchen, 109, 213.

Hörnchen f. Farben, 163, 212.

Hühnerei z. Vergold., 13; z. Tempera s. Ei.

Jarin 11; s. Grünspan.

Ikonodulen, 5.

Ikonoklasteu, 4.

Illuminierbuch s. Boltz.

„Immixtura», 255.

Imprimitura, 270.

Index, des Strassb. 190; Lucc. 31 ; Theoph. 62.

Indigo, 11 n, 28, 29, 52, 68 n, HO, 165.

Innendekoration d. got. Stils, 38.

Intonaco, 91, 111; d. Alberti 233.

Jungfernpergament, 174 n. 210.

Jungfernwasser (-milch). 161 n, 192,265.

Kalbspergament, Leim v., 40. 54 : s. Per-
gamentleim (Schnitzelleim).

Kalk, z. Farben u. Mal. 51, 53,90,92. 111,
113, 131. 152: z. Reinigen des Oeles 44:
v. Eierschalen s. Eierschalenkalk.

294

Kalkfarbe s. Mauermal.

Kalkmörtel, s. Sandmörtel.

Kalkweiss (Mauerweiss). 93, 111.

Kampfer. 140, 216. 219.

Kandiszucker, 140,’ 216.

Kapitelreihen, Lucc. 31 ;Herac. 36 n ; Theoph.

62; Herrn. 77, 100; Strassb. 190.
Karl d. Grosse, Stellung z. Bilderstreit 5;

beschäftigt byz. Künstler 6, 207.
Karlstein, Mal. d. Burg, 229, 230.
Karmin, lln, 12, 28, 29, 53, 77 n, 110.
Kermeslack s. Grana.
Kernschwarz, 110.

Kirschgummi, 15; Theoph. 58; Boltz 202.
Kitte, 17, 117.

Kittmasse f. Mosaik (marmoratum) 26, 113.
Kleienabsud, 52, 90.
Kleister, 117.
Knoblauch (Zwiebel) z. Oelbpreitung 130,

199.
Knoblauchsaft, 79 u. n; z. Beize f. Vergold.

83, 94, 124, 153, 191.
Knochenleim, 17, 117, 193; s. Leim.
Knochenmehl, 39, 109, 131, 135.
Kohle z. Zeichnen, 109.
Kollektion v. Versuchen, 6 Abb., 16 Abb.,

20 Abb., 80 Abb., 125 Abb., 226 Abb.;

s. Anhang 287.
Kollerkreide, 55 n, 164.
Konservierungsmittel, 140, 216, 276.
Kopflängen, 114n.
Krapp, Krapprot, lln, 36, 39.
Krebskraut, s. Tournesol.
Kreide, 40; z. Grundieren 55, 193, 227,

228 n, 270,
Kremezilack, 85.
„Kretensische» Manier, 88.
Kunst- u. Werkschul, 163, 261.
Kunstpflege, im oström. Reich, 4, 64; der

Klöster, 6, 47, 132, 207; im XIV. Jh. 229.
Kupfer, essigsaures s. Grünspan.
Kupfergrün, 39, 137; s. Berggrün.
Kupferkarbonat, 27, 110.
Kupferlasur s. Bergblau.
Kupfervitriol, 131.

L*ac virginis, 265 n; s. Jungfernmilch.
Lachouri, 94.
Lack, gelber, 110.

„ grüner, 93 s. Saftgrün.
Lackfarben (Farblacke), 10, 39, 43, 86, 129,

164.
Lackmus,» lln, 43, 47, 86, 165.
Lackrot, 53, 85, 107, 110, 125, 137; s. Grana

u. Karmin.
„lamptensche_ sitten», 157 u. n, 178.
Lapis lazuli s. Ultramarin.
Lärchenholz, 15.

Lasieren mit Oelfarbe, Cenn. 116, 272.
Lauchgrün (Schwertelgrün), 54.
Lauge, z. Extrahieren d. Farbstoffs, 11,

53. 86, 135, 164, 173, 174; z. Tempera, 87,

139, 141, 153.
Lazur zu prüfen, 39.
Lazurblau,’;27, 53, 86, 165; s. Azur.
Le ßegue’s Ms., 149, 151.
Leder, Bespannen mit,*,45, 50.
Leim, f. Steine u. Holz’ 17; „griechischer»

25; z. Tempera 45; v. Hirschgeweih 50,

140; z. Farben 165, 183; s. Goldgrund.
„Leimfirnis», 56, 58; s. Vernition.
Leinenfilter, 42, 140n, 215.

Leinöl, Lucc. 14, 15, 21: Herac. 43, 45;
Theoph. 49, 56, 57, 58; Cenn. 115, 126;
Bologn Ms. 130, 131; Le Begue 154;
Strassb. 158, 183, 186, 187: Vasari 252.

Leinölfirnis, 266.

Leinölvergoldung, 14; s. Mattvergold.

Leinwand, z. Bemalen, Herac. 45; Unter-
lage f. Tafelgemälde 107, 117; Malgrund
der späteren Zeit 273.

Lessing, v. Alter d. Oelmal., 35.

Leucophoron, 119.

Leukasunterlage, 75n;

Leydener Papyrus, 12, 23, 24, 65, 119,207.

Liber illuministarius, 192, 193, 199.

Liber sacerdotum, 64; Farbenrez. 66; Gold-
schrift 67.

Libvarw (Fleischfarbe), 162, 184.

Liliengrün, 137 u. n., 144.

Leonardo da Vinci, 257, 264.

Lomazzo, Giov. Paolo, 255, 263.

Lombardische Manier, 157 u. n.

„Londoner Praxis», 157.

Lucas von Leyden, 269.

Lucca Ms., 8; Inhalt 9; Rez. f. Farben 11:
Vergold. 13; Mal. 17.

Lulax, Lulacin, 12.

Lumina, 53, 152.

Malerei, auf Mauern, Lucc. 18; Theoph. 51:
Herrn. 90; Cenn. 111; Strassb. 165, 183.

Malerei, mit Tempera s. Tempera u. Ei.
„ des „Naturale», 89.

„ mit Oelfarben s. Oelmal.

„Maleröl», 224.

Malerwerkstätte, 231 Abb.

Malgeräte, 213 Abb.

Malgrund, f. Tafelbilder, Herrn. 79; Cenn.
107, 117.

Malproben, s. Kollektion von Versuchen.

Malvengrün, 39, 45.

Mandelbaumgummi, 15n, 21.

Manuskripte, v. Schlettstatt, 22; Liber
ignium 23; Anonymus Bernensis, 42:
Harleian Ms. 48; Kodex Bigotianus 60;
Umdet el-Kuttab 67; Podlinnik 75; Stog-
laff 76; ; Ep|j.svsia xwv ^wypäcpov 76; Heidel-
berger 16 In, 191 u.n; Münchener (Tegern-
see) 199; Genesis. Ms. 211 ; Wilh. v. üranse
213; Montpellier Ms. 158; Wolfenbüttler
Kod. 48.

Mappae clavicula Ms. 22; Rez. f. Gold-
schrift 23; Vergold. 24: jüngerer Teil 27;
Farbenmischungen 29; Vergleich mit
den Kapitelreihen des Lucc. 31.

Marburg, Wandmal., 222.

Marciana Ms., Rez. f. Glasvergold. 244;
f. Glasbemal. 249; ,,a putrido» Oelmal.
262.

Margaritone. 107 u. n,

Marmoratum-Kitt, 26, 113.

Marmoriertechnik, 44.

Marmorpulver, Marmorweiss, 17, 13S.

Maseriertechnik, 42, 165.

Massicot, 52.

Mastix. 15, 21, 153, 159, 187.

Mattfarbe (Dootverwe), 268, 269. 270.

Mattvergoldung, 13, 24, 41, 84, 119, 15 i,
159; s.; Beizen.

Mauermai. s. Mal. auf Mauern.

Mauervergoldung s. Vergoldung.

Mauerweiss, 90, 93.

Meinwerk v. Paderborn, 47.

— 295

Meister Wilhelm v. Köln, 225.

Melozzo da Forli, 116.

„Membrana», 52.

Memling, 241, 272.

„Menesch», 52. 54.

Mennige, s. Minium.

Mestica, 268.

Miniatur, d. Dioskorides,6 Abb.; d. Genesis
Ms., 209 Abb.; angefangene M. 214 u.
215 Abb.

Miniaturmal., Theoph. 54; Herrn. 97; Cenn.
126; Neap. K. 132; Uebersicht 208.

Minium, 28, 29, 53, 56, 110. 134, 165; als
Trockenmittel 198.

Mohnöl, 266.

Mordants. s. Beizen.

Mörtelkitt, 26.

Mosaiktechnik (Mosaikdekoration), 91, 113,
232.

„Moskowitische» Manier, 87.

Mundleim, 199.

Muscheln, 94; z. Farbenmischeu 212.

Museum, zu Köln, 59, 225; Berlin 120:
Florenz 125; Prag 225; Antwerpen 227,
273; München 59, 225; Brüssel 227; Ant-
werpen, 272.

Musieren, 104 n, 195, 217; s. Florieren.

Musiergrund, 191, 216, 218.

Mussivmetall, 119; s. aurum musicum.

Myrrhenharz, 15: z. Tempera 151, 162, 164.

Naphtha (vsqmov), 83 u. n; 89.

Naphthafirnis, 84.

„Naturale-‘ Mal.. 49, 89, 235.

Neap. Kodex für Miniaturmal., 132.

Neapelgelb, 110, 134, 144; s. Giallorino.

Netz, s. Quadratnetz.

Niederzwebren, Wandmal. zu, 222.

Niello, 23, 36, 67, 130.

Nimben (Heiligenscheine) vergolden, 80

u. n; 87, 94, 121.
Nitrum, 12. 28n; s. Lauge.
Nordische Technik, Theoph. 59; Ueber-

blick 207 ; Unterschied v. d. italien. 242.
Note zu einigen deutsch. Mss., 191.
Nussöl, 154, 158, 183, 252, 261, 266.

Ocbsengalle, 13, 24, 40, 50.
Ochsenzunge, s. Anchusa.
Ocker, 52. 88, 95, 110, 134, 165.
Ohrenschmalz f. Farben, 142.
Oleum cicinum, 26: s. Rizinusöl.
„ ovorum, 66.

„ pictorum, 224.

„ preciosum, 159, 183.
Oel s. Leinöl, Nussöl usw.
Oelbeizen, farbige, 15, 41 ; s. Pictura trans-

lucida; f. Vergoldung s. Beizen.
Oelfarbe, Herac. 43; Theoph. 57; Herrn.

89; Cenn. 116; Le Begue 153, 154; Strassb.

159, 183; Lib. ill. 197, 198; frühe Ver-
wendung 223.
Oelfirnis, 83, 126; e. Firnisbereitung u.

Vernice liquida.
Oelgrund, 274.
Oelmalerei, auf Mauer, 223, 225; auf Stein

232; „Erfindung» d. Oelmal. 229, 252;

s. Oelfarbe.
Oeltempera, 237, 247; Technik des Malens

266, moderne Rez. f. 276.
Oelvergoldung, s. Mattvergold. u. Beizen.
Opsis. 90, 92.

Oranse, Willi, v., 213.

„or couleur», 85n, 89.

Orseille, 86.

,,oule varwen», 183.

Oxy, 81, 93.

Oxydviolett s. Caput mortuum.

Palette, 89, 231.

Palomino, 91.

Pandius, 11, 17.

Panselinos, 73, 81, 93, 95.

Papyrus Leydeh, s. Leydener Pap.

Pariser Manier, 158.

Pastill, 150.

Patronen z. Mal., 112.

Pausen d. Bilder, 49, 79 u. n:

Pauspapier, 112.

Pegula, 84.

Pergament, 210 durchscheinend zu machen

174, 187.
Pergamentleim, 40, 45, 109. 131. 162.
Pergamentmal. s. Miniatur.
Perugino, 257, 273 .
Peseri, 49, 78n. 80, 83.
Pettenkofer über Oelfarbe. 224.
Pezzette (Pezzuola), 43, 126. 129. 142. 144;

s. Tüchleinfarben.
Pfeifenerde, 55 n; s. weisser Bolus.
Pflanzenlacke, s. Lackfarben.
Pflaumenbaumgummi, 58.
Pferdehaut, 45.
Pictura translucida (aureola), 15, 16, 49,

57, 97.
Pinienharz. 15.

Pinsel. 91, 111, 213 Abb., 232.
Pinturicchio, 121, 273.
Pisano, Andrea, 106.
Planiergold, 191 ; s. Goldgrund.
Plinius, über Vergold., 119.
Podlinnik, 75.

Porporino, 75 n, 126, 134; s. Mussivmetall.
„Posch», 51, 52, 152.
Pottasche, 78n.

Pozzo (Andrea del), 66, 91. 113.
„Prasinus», 52, 152.
Presilien s. Brasilholz.
Primuersel. des Van Mander, 269.
Propiasmus, 51. 81, 90, 96.
Pseudodemokrit. 211.
Psimitbin, 11.
Purpurfarbe, 11 n, 12. 211.
Purpurpergament. 210.

Quadratnetz, 111, 113;

Quecksilber, 11, 27, 50, 66n, 85, 110.

Quellenschriften, d. Mittelalters s. Vor-
wort; vom IX.— XIII. Jb. 1; fehlen in
der Zeit der Völkerwanderung 6; ara-
bischen Ursprungs 64: des Südens XIV.
u. XV. Jh. 69; mittelalterliche, d. Nor-
dens 147.

Quentin Massys, 272.

Quianus (Cyanblau), 11.

Raffael, 257, 264.
Raffietto, 118.
Raki, 78n, 81.
Rakifirnis, 84.

Ramersdorf, Wandgemälde z.. 221 u. n.
Rauhbewurf, 112.
Rauscbgelb, 110. 165.
Rebenschwarz, 28, 39, 110, 135.
Reliefs, von Steinform. 121: auf Mauern
230. *

— 296 —

Rezepte:

1. Lucc, f. Farben 11; Goldschrift 12
Vergold. 13; Leinölbeizen 14: Pictura
translucida 16; Leime 17.

2. Mapp., Goldschrift 23; Vergold. 24;
Colla graeca25; Malta 26; Farben 27;
Farbenmischung 29.

3. Herac, Farben 39; Goldschrift u. Ver-
gold. 40; Auripetrum 41 : F’arbenreiben
41 ; Alauntempera 43; Oel z. Tempera
43: Holz zurichten 44; Leinwand be-
malen 45.

4. Theoph., Farbenmischung51,53: Gold-
schrift 54; Miniaturmal. 54; Gipsgrund
55: Türflügel rot machen u. Leinöl
56; Vernition 56: Pictura translucida
57; Farben mit Oel u. Gummi rei-
ben 58; Vergold. 60.

5. Herrn , Pausen machen 79; Fleisch
malen 81; Oelfirnisse 83; Farben 79;
Wachstempera 87; „Moskowitische»
Manier 87; .,kretensisehe» Manier 88;
„Naturale» 89; Mauermalerei 92, 93;
Goldgrund 94.

6. Genn., Mal. auf Mauern 111; Tafel-
mal. 117; Vergipsen d. Tafeln 117;
Firnissen 126.

7. Rez. f. Vergoldung s. Vergoldung u.
Assis.

8. Rez. d. Neapel. Kodex 134.

9. „ „ Strassb. s. Index 190.

10. „ „ Lib. illuminist. 193.

11. Temperaturmasse d. Boltz 202.

12. Oeltempera-Rez. 277.
Rizinusöl, 26 u. n, 266.
Risalgallo (Realgar), 110, 140.
Roger van der Weyden, 244, 255.
Rosafarbe, 28, 39, 52, 137.
Rosecta, 137, 143.
Roselinvarw, 173.

Rosetta (f. Vergold.), 121.
Rotholz s Santelholz.
Ruberikfarbe, 169, 212.
Runkelsteiner Fresken, 222.

Safran, 13, 24, 28, 29, 61 u. n, 68n, 129,
143, 152, 165.

Saftgelb, 104; s. Schüttgelb.

Saftgrün, 51n, 93, 137 n.

Salmiak (Sal’armon.), 136, 141, 144, 164, 276.

Salz, griechisches (nitrum), 12.

Salzgrün, s. Spangrün.

Sankyr, 75 n.

Sandmörtel, 108, 111.

Sandaraca, 56. 84, 126, 130.

Santelholz, 39, 84; s. Brasilholz.

Säule bemalen, 44.

Schaben der Holztafel, 118.

Schachtelhalm, 61.

Schedula (Theoph. Presbyter), 47; Vergleich
mit anderen Mss. 49; Technik 51 ; Fleisch-
malen 52; Miniatur 54; Tafelmal. 55;
Vergold. 60; Kapitelreihen 62; bei Le
Begue 150.

Scheerwolle, gefärbte, 110.

Schilderboeck s. Van Mander.

Schildkrötengalle, 13, 24.

Schneckenspeichel, 49, 85.

Schnitzelleim, 40, 109, 117.

Schnitzwerk, vergolden s. Vergold.

Schöllkraut, 13, 24.

Schraudolf, Claud. v-, 91, 278.

Schreiber, 211 u. Abb.

Schreibpergament, 43, 210.

Schüttgelb, 110.

Schwarz, 28, 54, 88, 89, 110, 165.

Schwefel, H, 50, 85, 110.

Schwefelarsenik, s. Auripigment.

Schwertelgrün, 28.

Sebastiano del Piombo, 245n.

Seccomal., 114, 116, 264 s. Tempera.

Senkblei, 112.

Sicilio Araldo, 264.

Silberschrift, 171, 210, 215.

Silberstift, z. Zeichnen, 1U9, 214.

Sinopisrot (Sinopia), 11, 40, 52, 110, 152.

Smalte, 104.

Soulougeni, 94.

Spangrün (Spanisch Grün), 58 u. n. 152,
165, s. Grünspan.

Spiechileim, 117.

Staffiermaler, Steffiermal., 122, 231.

Stanniol s. Zinnfolie.

Stanzioni, 260, 275.

Stein vergolden 94, 127, 248.

Steinfiguren bemalen, 232.

Steinformen, 121.

Steinkitt, 17.

Stoglaff, 76.

Strassburger Ms., 155; Inhalt 157; Ver-
gleich mit anderen Quellen 160; Farben
und Technik 163; Text 167; Kapitel-
Index 190.

Strohkalk, 49, 90, 92.

Stucco lustro, 234 n.

Stuccotechnik, 8; d. Alberti 233.

Summonzio, 259.

Syriscbrot, 11.

Tabula de vocabulis synonimis, 149.
Täfelchen v. Buxbaum 109; v. Holz 213.
Tafelmal., Theoph. 55, 58; Herrn. 81 : Cenn.

117, 124, 235: Strassb. 165; nordische T.

198, 225, 242.
Technik d. Mal., s. Wandmal., Tafelmal.,

Oelmal., Oeltempera u. a.
,,Tedeschi», 115.
Tempera, Temperamal., Herrn. 82; d. Greci

104; Cenn. 124; v. Feigenmilch 107;

Versuche 125 Abb.; des Van Eyck 253;

magere u. fette 277; s. Ei, Eiklar, Leim,

Emulsion.
Temperaturwasser, 162; d. Boltz 202.
Terpentinum, Terpentin, 15, 83 n, 159,

160n, 277; venetian, 266.
Terpentinfirnis, 83, 160, 187.
Terpentinöl, s. Terpentin.
Theophilus Presbyter, s. Schedula.
Ton, weisser, s. Pfeifenerde.
Tonzylinder, 221.
Tonerde, s. Alaun.
Tonerdelack, s. Lackfarben.
Türflügel rot zu machen, 56.
Tinte z. Aufzeichnung, 118.
Tizian, 264, 272.
Tournesol (Folium), 39, 43, 86, 134, 136,

142, 164.
Traganthgummi 135, 162, 202.
Trockenmittel f. Oelfarbe, 44, 56, 83, 130,

159 u. n., 198, 245 n,
Tryptichon. 89.
Tsinkiari, 86, 94.
Tsimarisma, 86.
Tüchleinfarben, 164, 172, 175; s. Pezzette.

— 297

,, Tugendwasser» 161 n.
Tusohe, 110.

Ueberblick, über die Malteohniken 207,

232; s. Vorwort.
Uebermalen mit Tempera, 60; mit üel-

farben 116, 197; mit Oeltempera 272.
Ueberstreichen mit Firnis, 26, 41, 126;

farbiger Firnis, Firnisrez.
Ultramarin, 39, 111, 128 u. n., 142.
Umbra, 81, 96, 104.
Umdet-el-Kuttäb, 67.
Unterschied der Vergoldung s. Vergoldung;

zwischen der nordischen u. ital. Tempera,

242.

Vaccinum s. Heidelbeerblau.

Van Eycks Technik, Vorläufer d., 60; nicht

erwähnt in Kunst- und Werkschul 163;

„Erfindung d.üelmal.», 239; Untermalung

(Dootverwe), 269; Vasaris Bericht 251;

Van Manders Bericht, 254.
Van Dyck, Imprimeure d., 274.
Van Mander, 239; über Eyck Technik 254;

Schilderboeck 262; Dootverwe 268, 269.
Vasari, über d. Untergang von Roms Kunst

3; erwähnt Cenn. 103; über Giotto 104;

über Margaritone 107; alte Freskomal.

112; Bericht über Van Eycks Erfindung

239, 247, 252 u. ff.; von Antonellos Reise

nach Flandern 256; über Baldovinettis

Technik 250; über Tempera 250; über

Oelfarbe 257.
„Veneria», 51, 53, 153.
Venezianer 272.

Verdaccio (Bazzeo), 81, 96, 107, 114, 124.
Verde azzurro, 110.
Verderame s. Grünspan.
Verde terra, 96, 110, 124; Ausschmückung

mit, 127, 222.
Verehrung der kirchlichen Bilder, 4.
Vergipsen der Tafel, s. Gips.
Vergolden, auf Holz 193; auf Papier 196.

200; auf Glas 244; s. Vergold.
Vergoldergrund bereiten, 228 n.
Vergolderwerkzeug, 122.
Vergoldung, in Büchern (Pergament) 40;

Theoph. 61; Herrn. 81, 94, 97; im allge-
meinen 119.
Vergoldungsarten, 13, 24, 40; Versuche

123 Abb.; s. Oel- und Beizenvergold.,

Glanzvergold.
Verhältnisse des menschl. Körpers, 88,

114n.
Vernice liquida 126, 130, 153, 250.
Vernis glas s. glassa.
,,Vernisium album», 160n.
Vernition 56, 57.

Vernix, 15 u. n.

Veronese, Paolo, 273.

Verzinolack, s. Brasilrot.

Violettoxyd, 81.

„Violfarb tüchlein» 164, 175, 182.

Viride graecum, 27.

„ Rotomagense, 27.
Vivarini, 121.

Wachs, verlaugtes 18, 87, 153; gelöstes

221; z. Stucco d. Alberti 233.
Wachsenkaustik, d. byzant. Zeit, 19.
Wachsmal., spätgriech., 20 Abb.
Wachsrnal. auf Wänden, 20; d. frühital.

Zeit 105 u. n.
Wachstempera, 87, s. Glanzfarbe u. Cera

colla.
Wandmalerei, 18, 51, 90; Ueberblick 218,

225 ; älteste in Italien 232 ; s. Kalkfarben,

Fresko, Mauermal.
Waid (Isatis), 1 1 n.
,,Was.-er» z. Temperieren 171, 178.
„Wasser der tugend», 161 u. n.
Wau, Waulack 11 n, 110, 135 u. n.
Wegedorngrün, 134.
Weihrauch, 15.
Wein z. Tempera 42, 50; z. Färben d.

Zinnfolie 60.
Weingeist (Raki). 84; z. Vergold. 81, 121,
Weingeistfirnis, 84, 271.
Weinrebenschwarz s. Rebenschwarz.
Weizenstärke, 67.
Wenzelskapelle, 229.
Werg, 26, 90 n. 91; z. Stucco 233.
Wergkalk, 49, 90, 92.

Wolfenbüttler Codex des Theoph., 48, 50.
Wolffisch z. Leim, 54.
Wolfsmilch, 17.

„Yaue conosite» 18, 87, 153.

.Zatferano, 110; s. Crocus.

Zahn, z. Glätten, 61, 139.

Zeichnen, mit der Nadel, 81, 121; mit

Silberstift 109, 215; mit Kohle 109; mit

Wasserfarbe 269.
Zinkoxyd, schwefelsaures, s. Zinkvitriol.
Zinksikkative, 159n.
Zinkvitriol, 131, 159, 244, 245n.
Zinn, z. Amalgam, s. Aurum musicum.
Zinnfolie (Zinnblätter), goldig färben 14,

41; bemalen 16, 57, 116, 194.
Zinnober, 27, 29, 40, 53, 56, 86, 110, 134,

142, 165.
Zinnobertinte, 143.
Zuckerwasser, z. Tempera 135, 140; s.

Kandis.

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VHRSITY

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LIBRARY

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